Irische Hochzeit - 10. Kapitel

10. KAPITEL

Am nächsten Morgen sahen Patrick und seine Männer den Normannen zu, wie sie sich draußen vor dem Ringwall im Kampf übten. Bevan stand neben ihm und kommentierte jede Bewegung, die die Männer machten. Er und sein Bruder trugen beide Rüstungen aus Leder. Die schweren Kettenpanzer ihrer Gegner legten sie nicht an.

     „Sie sind stärker“, bemerkte Patrick, „aber langsamer. Das Gewicht der Rüstungen drückt sie nieder.“

     „Stimmt“, gab ihm Bevan recht. „Aber auch unsere Männer sollten mit Kettenpanzern ausgerüstet werden. Das Gewicht würde ihnen bei den Übungen helfen.“ Er bemerkte Patricks Blick und wusste, was sein Bruder dachte. Wenn sie sich an das zusätzliche Gewicht gewöhnt hatten, würden sie eines Tages sogar noch schneller sein.

     „Haben wir die notwendigen Mittel dafür?“, fragte Bevan.

     „Nein.“ Alle seine Männer damit auszustatten war viel zu teuer. Und Isabels Mitgift brauchte er, um den Erzbischof zu bestechen, ihre Ehe zu annullieren.

     Das hieß, wenn Lord Thornwyck Gold für die Mitgift vorgesehen hatte. Patrick vermutete, dass die Mitgift nur wenig mehr als ein paar Betttücher und eine geschnitzte Brauttruhe enthielt.

     „Was hast du als Brautpreis gezahlt?“, fragte Bevan.

     „Ich erklärte mich einverstanden, die normannische Armee zu beherbergen und zu verköstigen.“ Er warf seinem Bruder einen Seitenblick zu. „Das ist mehr als genug für eine Königin.“

     Sein Bruder ließ ein zustimmendes Brummen hören. Sie beobachteten weiter die Normannen, die sich mit präzisen und geübten Bewegungen über den Platz bewegten. Patrick hatte schon zuvor Übungen wie diese gesehen, aber seine größere Sorge galt der Gleichgültigkeit seiner Stammesgenossen. Sie lehnten sich beim Zusehen gemütlich zurück, tranken Bier und machten ihre Späße.

     Es war ernüchternd zu sehen, dass der Feind mehr Disziplin besaß als seine eigenen Männer.

     Er ging und richtete das Wort an seine Stammesleute. „Wenn ihr nicht lernt, gegen sie zu kämpfen und ihre Strategie zu erkennen, werdet ihr sie nie besiegen.“

     Ruarc trat vor. Rote, aufgescheuerte Stellen an Oberarmen und an den Handgelenken zeigten, wo man ihn gefesselt hatte. Er hatte dunkle Ringe um die Augen, doch statt Erschöpfung drückten seine Züge blanke Wut aus. „Wir brauchen keine Strategie, um sie zu besiegen. Nur eine Gelegenheit.“

     Patrick senkte die Stimme. „Du wirst diese Gelegenheit früh genug bekommen.“

     Ruarc schenkte ihm ein dünnes Lächeln. „Ich glaube dir nicht. Du wirst bereits einer von ihnen.“ Er sah zu seinen Stammesgenossen. „Er hat eine Normannin geheiratet, und jetzt denkt er, sie wären bessere Kämpfer als wir.“

     „Sie sind besser“, sagte Patrick finster. „Während ihr hier herumsitzt und trinkt, werden sie stärker.“

     „Und was hast du getan?“, fragte Ruarc. „Nichts, außer sie einzuladen, hier unter uns zu leben. Sie essen unser Fleisch, nehmen uns die Vorräte, und jetzt baust du ihnen auch noch Hütten.“

     „Sie werden nicht mehr lange hier sein“, erwiderte Patrick. „Dein Hass macht dich blind.“ Es hätte nicht viel gefehlt, und ihm wäre der Geduldsfaden gerissen. In diesem Moment wünschte er sich nichts sehnlicher, als sich mit seinem Cousin einen Kampf zu liefern. Es lockte ihn ungeheuer, Ruarcs Stolz einen Schlag zu versetzen.

     „Ich bin nicht blind.“ Ruarc trank seinen Becher leer. „Und unseren Stammesgenossen gehen langsam die Augen auf. Sie fangen an, dich so zu sehen, wie ich es tue.“

     „Was meinst du damit?“

     „Für uns bist du ein Verräter.“

     Patrick packte seinen Cousin an dessen Tunika, doch Ruarc griff nach seiner Kehle. Zur Verteidigung grub Patrick die Finger in Ruarcs verletztes Handgelenk und warf seinen Cousin mit einer schnellen Drehbewegung zu Boden. „Du hast hier schon genug Ärger verursacht. Ich sollte dich verbannen.“

     Seine Männer betrachteten das Geschehen unbehaglich. Er konnte spüren, wie ihre Zweifel und Ruarcs Zorn seine Autorität untergruben.

     „Dann tu es doch.“ Ruarc rieb sich die Handgelenke. „Eher verlasse ich Laochre, als dass ich zusehe, wie du unseren Stamm betrügst.“ Sein düsterer Hass war fast greifbar. „Was ist das für ein König, der einen Mann einsperrt, weil er versucht, die Ehre seiner Schwester zu verteidigen?“

     Patricks Gesicht verhärtete sich. Er hatte Ruarc noch nichts von Sosannas Selbstmordversuch erzählt. „Sie ist jetzt in Sicherheit.“

     „Jetzt?“ Ruarc wurde blass und ballte die Fäuste. „Was ist ihr geschehen?“

     „Sie ist auf Ennisleigh und wird dort bleiben, bis sie wieder gesund ist.“

     Ruarc stieß einen Fluch aus. „Wie schlimm ist sie verletzt? Wenn die Normannen …“

     „Sie lebt, und ich werde dich zu ihr bringen. Isabel sieht nach ihr.“

     „Du lässt eine der Gaillabh sich um Sosanna kümmern?“

     „Ich lasse meine Frau zusammen mit der Heilerin die Verletzungen deiner Schwester pflegen. Sosanna versuchte, sich das Leben zu nehmen.“

     Ruarc starrte ihn an. Dann griff er nach dem Schwert an seiner Seite und riss es aus der Scheide. „Ich hätte sie retten können, wenn du mich nicht eingesperrt hättest.“

     „Steck dein Schwert ein“, warnte ihn Patrick. „Und du solltest Sir Anselm dafür danken, dass er ihr das Leben rettete.“

     Der Gesichtsausdruck seines Cousins wurde noch verbissener. „Du hast recht.“ Seine Stimme klang tödlich ruhig, während er auf Sir Anselm zuging. „Ich sollte ihm danken.“

     Bevor Patrick sich rühren konnte, holte Ruarc mit seinem Schert gegen den normannischen Ritter aus. Ohne eine Gefühlsregung zu zeigen, wehrte Sir Anselm den Schlag ab. Im Gegensatz zu ihm warf Ruarc sich regelrecht in den Zweikampf und ließ seiner ganzen Wut in einem schnellen, bösartigen Kampf freien Lauf.

     Wenn auch Sir Anselm jedem Stoß auswich, tat er nichts, um Ruarc herauszufordern. Patrick sah, wie sein Cousin ermüdete, und obwohl der Normanne mehrmals Gelegenheit hatte, den Kampf zu beenden, achtete er offenbar darauf, seinen Gegner nicht zu demütigen.

     Unleugbar besaß sein Cousin viel Kraft, doch der Ritter war ein überragender Kämpfer. Im Laufe des Kampfes versammelten sich immer mehr Männer, um zuzuschauen. Einige der Iren fingen an, auf Gälisch zu singen, um Ruarcs Klinge anzufeuern. Patrick sah ihre Gesichter, ihr Verlangen, der normannische Hauptmann möge eine Niederlage erleiden. Sie setzten all ihre Hoffnung auf Ruarc. Doch mit jedem Schwerthieb wurde der Unterschied zwischen den beiden Männern sichtbarer. Patrick wollte eigentlich nicht, aber er musste den Kampf beenden.

     Seinem Cousin strömte der Schweiß über das Gesicht, und seine dunklen Augen waren hasserfüllt. Aber Anselm führte den Kampf ruhig fort und ließ Ruarc sich völlig verausgaben.

     Patrick ließ den Blick über die Menge schweifen, ob er vielleicht einen seiner Brüder erspähen konnte. Schließlich entdeckte er Bevan. Er ging zu ihm und sagte: „Wir müssen sie aufhalten.“

     „Das kannst du nicht. Dafür ist es zu spät.“ Der harte Ton Bevans ließ Patrick plötzlich erkennen, dass sein Bruder auf einen Sieg Ruarcs hoffte. Auch er wollte keinen Frieden, noch glaubte er, dass es einmal Frieden geben könnte.

     Patrick zog sein Schwert, trat zwischen die Männer und fing den nächsten Schlag seines Cousins ab. Mit aller Kraft hielt er Ruarc davon ab, noch einen Hieb auszuführen.

     „Genug“, sagte er ruhig. Und an den Hauptmann gewandt fügte er hinzu: „Ihr habt gut gekämpft. Ich werde Euch und Euren Männern ein Fass unseres besten Bieres schicken.“

     Dann drehte er sich zu Ruarc um. „Wir fahren jetzt nach Ennisleigh. Dort kannst du dich um das Wohlergehen deiner Schwester kümmern.“

     Die brennende Wut in Ruarcs Gesicht hatte nicht nachgelassen. „Ich will nichts von dir.“

     „Triff mich am Strand, wenn du Sosanna sehen willst.“ Patrick verließ den Ringwall. Hinter sich vernahm er das leise Murren der Männer.

     „Er wird einer der ihren“, hörte er eine Stimme sagen.

     „Was hast du denn erwartet?“, erwiderte ein anderer. „Er ist mit einer Normannin verheiratet.“

     Patrick blieb abrupt stehen und sah jeden der Männer scharf an. „Gibt es etwas, das ihr mir sagen wollt?“

     Einige wurden blass, doch keiner sprach. Angespannt hielt Patrick ihren Blicken stand. Bei Gott, für diese Männer war er bereit, alles zu geben. Und er konnte sehen, wie sie sich von ihm abwandten.

     Er war hier inmitten seiner Familie und seiner Freunde. Und doch, wenn er in ihre Augen sah, konnte er darin ihren Zweifel lesen. Sie trauten ihm nicht mehr, verstanden nicht, was er erreichen wollte. Wie wollten sie die Normannen besiegen, wenn sie sich weigerten, von ihnen zu lernen?

     Patrick drehte sich und gewahrte Sir Anselm. Der Ritter erwiderte ruhig seinen Blick und neigte grüßend den Kopf. Diese respektvolle Geste traf Patrick völlig unerwartet.

     Schmerzlich, als würde ihm ein Messer ins Herz gestoßen, wurde ihm die Tatsache bewusste, dass er rachsüchtig plante, die Normannen zu betrügen.

     Anselm hätte Ruarc in dem Kampf demütigen können: In zahllosen Schlachten hatte der Normanne seine Kampftechnik verfeinern können. Nur hatte er beschlossen, es nicht zu tun. Weil er sich weigerte, Ruarc anzugreifen, war sein Ansehen in Patricks Augen gestiegen. Und dann hatte der Hauptmann auch noch Sosannas Leben gerettet und dabei sein eigenes riskiert. Warum bloß?

     Patrick fragte sich, ob er ebenso gehandelt hätte, hätte sich eine normannische Frau ins Meer gestürzt. Er stellte sich Isabel an Sosannas Stelle vor und wusste die Antwort. Feind oder nicht, er wäre ihr nachgesprungen, um sie zu retten.

     Isabel wollte die Menschen zusammenbringen, Normannen und Iren zu einer Einheit werden lassen. Auch wenn er immer noch nicht glaubte, dass das möglich war, die Normannen zu erschlagen erschien ihm auf einmal als ein unnötiges Blutvergießen. Es legte sich ihm wie ein kalter Mantel um die Schultern. Hatten seine Leute recht? Wurde er unmerklich zum Verräter?

     Patrick lehnte das angebotene Pferd ab und ging zu Fuß den langen Weg zur Küste. Als er den Strand erreichte und auf das Boot wartete, versuchte er, das unverhoffte Schuldgefühl zu verdrängen, das so plötzlich in ihm erwacht war.

     Irgendwie musste er Laochre von den Normannen befreien. Er musste sich von ihnen lösen, musste in ihnen wieder den Feind sehen.

     Tat er es nicht, würden seine Männer den Glauben an ihn verlieren und ihm bliebe nichts.

Isabel fuhr fort, rund um die Burg Steine aufzuschichten. Diesmal leisteten ihr die Kinder der Inselbewohner dabei Gesellschaft. Meistens bewarfen sich die Jungen allerdings mit Steinen, statt die Mauer wieder aufzubauen. Doch es tat gut, wieder unter Menschen zu sein.

     Sie hörte ihnen bei ihrer Unterhaltung zu und versuchte Worte aufzuschnappen, die Annle sie gelehrt hatte. Bei ihren ersten Sprechversuchen hatten die Kinder gekichert, ihr aber bald einige einfache Grußworte beigebracht.

     Als die Nachmittagssonne hoch über der Insel stand und Isabel mit ihren Strahlen wärmte, sah sie Annle kommen.

     „Wie geht es Sosanna?“, fragte sie.

     Annle zuckte die Achseln, was Isabel als Zeichen dafür nahm, dass keine Veränderung eingetreten war. Obwohl Sosanna, ein-, zweimal die Augen geöffnet hatte, gesprochen hatte sie nicht. Ihr Gesicht drückte Entsetzen aus. Erst als sie ihren Bauch betastete und die Bewegungen des Ungeborenen sie sicher sein ließen, dass es lebte, wurde sie ruhiger.

     Annle sprach langsam und deutete auf den Eingang des Ringwalls. Isabel verstand nur ein oder zwei Worte, etwas über ein Boot und Männer. Sie wischte sich die Hände an ihrem léine ab. „Ist es Patrick?“

     Die Frau nickte. Isabel schützte mit der Hand ihre Augen und sah die Gestalt ihres Mannes, begleitet von einem dunkelhaarigen Krieger, den sie nicht kannte, den Ringwall betreten. Annle neben ihr murmelte: „Das ist Ruarc.“

     Auch wenn Isabel die restlichen Worte nicht verstand, spürte sie, dass Ruarc mit Sosanna verwandt sein musste.

     Patrick bewegte sich selbstbewusst und ließ den Blick über jeden Einzelnen schweifen. Er trug eine Lederrüstung über einer grünen Tunika und dazu passende Lederarmbänder an den Unterarmen. Seine Oberarme zierten geflochtene goldene Bänder. Obwohl sie seinen Rang anzeigten, erkannte Isabel in diesem Moment die Wahrheit. Ihr Gatte war beides, König und Sklave seines Volkes. Nie ließ er die Maske fallen, nie ließ er sie den Mann sehen, der sich hinter dem König verbarg.

     Die meisten der Inselbewohner grüßten ihn. Doch als Patrick jetzt sprach, suchten seine Augen nach ihr. Wie eine unausgesprochene Bitte um Vergebung lag ein schuldbewusster Ausdruck auf seinem Gesicht.

     Isabel wandte sich ab und widmete sich wieder ihrer Aufgabe, die Mauer aufzubauen. Das beschäftigte sie, und sie brauchte ihn nicht anzusehen.

     Ein Schatten fiel auf die Stelle, an der sie arbeitete. „Wie geht es Sosanna?“, fragte Patrick.

     „Den Umständen entsprechend. Ihr Kind wird zur Erntezeit geboren werden.“

     Lughnasa, murmelte er.

     „Ja.“ Die Erwähnung von Lughnasa erinnerte sie an ihren Vater. Edwin würde zurückkehren und erwarten, dass sie ein Kind aus dieser Ehe unter dem Herzen trug. Isabel wurde die Kehle eng, denn sie wusste nicht, was sie ihm dann sagen sollte.

     „Ich habe Ruarc hierhergebracht, damit er seine Schwester sieht. Er ist ein Cousin von mir.“

     Der Ton, in dem er das sagte, drückte aus, dass er keine hohe Meinung von dem Mann hatte. Ruarc war Annle in die Hütte gefolgt. „Du scheinst nicht glücklich darüber zu sein, ihn zu sehen.“

     „Er verursacht eine Menge Ärger unter den Männern. Ich sollte ihn fortschicken.“

     „Aber du bist seine Familie“, meinte sie ruhig. Sie sah die Unentschlossenheit ihres Mannes und erkannte, dass Ruarcs Platz sicherer war als ihr eigener.

     Sein Plan, ihre Ehe zu beenden, verletzte ihren Stolz. Doch sie war bereit, um ihren Platz zu kämpfen, denn es gab so vieles, wobei sie den Menschen hier helfen konnte. Sie wollte nicht länger die Frau eines Edelmannes sein und sich damit zufriedengeben, den Besitz zu überwachen und Tapisserien zu weben. Stattdessen wollte sie diesen Ort hier wieder aufbauen und ein Teil von ihm sein.

     „Heute Morgen sandte ich einen Boten zu deinem Vater. Ich bat ihn, deine Mitgift zu schicken.“

     Sie nahm seine Worte mit einem Nicken zur Kenntnis. „Danke.“ Ihre Aufmerksamkeit war auf seine Hände gerichtet, die von der Sonne gebräunt waren. Sie errötete. Ihr Körper sehnte sich danach, ihm nahe zu sein.

     Patrick strich mit der Hand über die Steinmauer und fügte hinzu: „Das hast du gut gemacht.“

     „Es gibt mir etwas zu tun.“ Sie griff nach einem weiteren Stein. Patrick nahm ihn ihr aus der Hand und setzte ihn oben auf die Mauer. Dass er dabei leicht gegen ihre Hand stieß, hatte nichts zu bedeuten. Trotzdem spürte sie, wie die Wärme seiner Berührung ihr bis ins Herz drang.

     „Geh und sieh nach Sosanna“, murmelte sie. Er zögerte einen Moment und hielt ihren Blick gefangen. Isabel zwang sich, ihn anzusehen. Ihr Herz schlug schneller.

     Nachdem er sie verlassen hatte, presste Isabel die Hände aneinander. Auch wenn es ein vergebliches Verlangen war, sie wünschte sich, diesen Mann besser zu kennen, wünschte sich, in Wahrheit seine Frau zu werden. Doch wann immer er sie ansah, wusste sie nicht, ob er die Feindin oder die Frau in ihr sah.

     Sie ging zum Rand des Ringwalls und starrte auf das jenseitige himmelblaue Meer. Weiße Wolken zogen am Horizont entlang, und im strahlenden Sonnenschein hätte sie sich eigentlich besser fühlen müssen. Das Kinn in die Hand gestützt, sah sie zu dem Stück grünen Land hinüber, das sich bis zur massiven Festung von Laochre hinaufzog, dem Königreich, das sie nie regieren würde.

     Patrick hatte recht. Das Volk wollte sie nicht zu seiner Königin. Die ungemütliche Stille und das fehlende Willkommen zeigten es deutlich.

     Und sie wusste nicht, was sie jetzt noch tun sollte.

Ruarc betrat das dunkle Innere der Hütte. Das einzige Licht kam vom glühenden Torf des Feuers. Seine schlafende Schwester wandte ihm den Rücken zu. Sie hatte die Arme schützend über den Bauch gelegt.

     Aus Angst, sie zu wecken, trat er sehr vorsichtig auf. Als er jedoch neben ihr stand, sah er, dass sie die Mauer anstarrte.

     Tá brón orm, sagte er leise. Aber er befürchtete, dass die Entschuldigungsworte nicht genügten. Er war so von Rachegedanken besessen gewesen, von dem Verlangen, die Fremden zu zerstören, dass er die Wahrheit hinter dem Schmerz seiner Schwester nicht erkannte hatte.

     Er zog einen Hocker heran und setzte sich neben sie. „Es ist mein Fehler. Und wenn du auch vielleicht nicht mehr leben willst, wir werden das gemeinsam schaffen.“

     Ihre Augen füllten sich mit Tränen, und er nahm ihre Hand. „Möchtest du Laochre verlassen? Ich könnte dich irgendwohin bringen, weit weg von hier.“

     Sie schüttelte den Kopf und legte die Hände auf den Bauch. Die stillen Tränen ließen ihn verzweifeln. Er hasste seine Hilflosigkeit, hasste es, dass er ihr den Schmerz nicht nehmen konnte.

     „Ich werde dir helfen“, schwor er. „Ich werde diesen Bastard finden und töten.“

     Sie senkte den Kopf und drückte seine Hand. Und er schwor, die Ehre seiner Schwester zu rächen, ganz gleich wie.

Isabel senkte die Hand in eine Schüssel voll Brotteig. Einer der bereits gebackenen Laibe kühlte auf einen niedrigen Tisch aus, während sie den Teig für die nächsten knetete. Annle hatte ihr Sauerteig gegeben, und sie war mit dem Ergebnis zufrieden.

     Die einfache Tätigkeit half ihr, nicht an ihren Ehemann und dessen Ablehnung zu denken. Was war sie nur für eine Närrin gewesen, Patrick zu küssen! Besser, sie hätte nie erfahren wie es war, in seinen Armen zu liegen und dieses verführerische Verlangen zu spüren.

     Sie schlug auf den Teig ein und ließ ihren ganzen Zorn an ihm aus. Draußen ging die Sonne unter, und das letzte Licht des Tages verschwand langsam. Nachdem sie den Teig wieder zu einem weichen Ball geformt hatte, bedeckte sie ihn mit einem Tuch und stellte ihn in die Nähe der Feuerstelle, damit er aufging.

     Schritte näherten sich der Hütte, und sie blickte zum Eingang. Patrick kam herein und schloss die Tür hinter sich. Der schon gebackene Brotlaib erregte seine Aufmerksamkeit. „Hast du das Brot gebacken?“

     Sie nickte. „Möchtest du ein Stück?“

     Er zuckte gleichgültig die Achseln, aber seine Augen sprachen eine andere Sprache. Sie schnitt einige Scheiben von dem Brot ab, dessen Kruste noch leicht dampfte. Als sie ihm eine Scheibe reichte, musste sie über seinen hoffnungsvollen Blick beinahe lächeln.

     Sobald er in die Kruste biss, schloss er die Augen, als genösse er ein Stück vom Himmel. Wie es schien, liebte ihr Gatte frisches Brot mehr als die meisten Männer.

     Isabel sah ihm zu und war fasziniert von der Art, wie er aß. Nachdem er das Stück aufgegessen hatte, trat er einen Schritt näher.

     „Es ist gelungen, oder?“

     „Es ist das Beste, was ich je gegessen habe.“ Seine Augen wanderten wieder zu dem Laib, und Isabel unterdrückte ein Lächeln.

     „Es gibt noch mehr, wenn du magst.“

     Das jungenhafte Grinsen, das sich bei ihren Worten über seinem Gesicht ausbreitete, traf sie völlig unvorbereitet. Gut aussehend und verführerischer als die Sünde selbst, verwirrte Patrick MacEgan sie völlig.

     Als er nach dem Laib griff, fasste sie seine Hand. „Es hat seinen Preis.“ Die Worte kamen ihr spontan über die Lippen, ohne dass sie wusste, welchen Preis sie fordern wollte.

     Nein, das stimmte gar nicht. Sie wollte, dass er sie wieder küsste, wollte wieder fühlen, wie seine Hände ihren Rücken liebkosten. Sie wollte sich in ihm verlieren, wollte vergessen, dass sie nicht hierhergehörte. Selbst wenn sie wusste, dass er sie fortschicken würde und die Enttäuschung schwer auf ihr lastete.

     „Was willst du?“, fragte er leise mit rauer Stimme und malte mit dem Daumen kleine Kreise auf ihre Handfläche. Sie sehnte sich so sehr danach zu sagen: Küsse mich wieder.

     Isabel antwortete nicht und hielt die Luft an, als er näher trat. Er ließ die Hand über ihre Taille gleiten, und es war, als würde sich die Berührung in ihrer Haut einbrennen.

     „Ich weiß es nicht“, flüsterte sie. Verbotene Gedanken schossen ihr durch den Kopf, Träume, die nie wahr werden könnten. Er will dich nicht, rief sie sich ins Gedächtnis zurück. Du bedeutest ihm nichts.

     „Was für einen Preis verlangst du, Isabel?“ Seine Hand glitt über sie und ließ sie nach Luft ringen.

     Doch als sie hinunterblickte sah sie, dass er eine zweite Scheibe Brot stibitzt hatte. Die Siegestrophäe fest in der Hand, verzog er den Mund zu einem teuflischen Lächeln.

     „Du hast geschummelt.“

     „Natürlich.“ Er brach ein Stück Brot ab und steckte es ihr in den Mund. „Aber ich teile es mit dir.“

     Das Brot schmeckte trocken in ihrem Mund, auch wenn sie sich hinsetzte und das Mahl mit ihm teilte. Keinen einzigen ihrer Wünsche hatte sie genannt.

     Aber vielleicht war es auch besser so.

Vorheriger Artikel Irische Hochzeit - 11. Kapitel
Nächster Artikel Irische Hochzeit - 9. Kapitel