Irische Hochzeit - 11. Kapitel

11. KAPITEL

Der Abend ging in die Nacht über, und Patrick wusste, dass es Zeit war aufzubrechen. Isabel hatte ihm ein Mahl bereitet und sogar zu einer weiteren Partie Schach herausgefordert.

     „Ich muss gehen“, sagte er und griff nach seinem Mantel.

     „Hast du Angst, wieder zu verlieren?“, neckte sie ihn. „Ich habe mir so etwas schon gedacht.“

     Er warf ihr einen ernsten Blick zu, eine Warnung, die bei den meisten seiner Männer ein unangenehmes Gefühl hervorrief. Isabel grinste nur schadenfroh.

     Das genügte. Und er setzte sich an den niedrigen Tisch. „Ein Spiel noch.“

     Isabel strahlte. „Bereitet Euch darauf vor zu verlieren, König Patrick.“

     „Diesmal nicht.“ Er stellte die Figuren auf und wählte die weißen. Während er leicht auf einen Bauern klopfte, überlegte er seinen nächsten Zug.

     „Ich möchte eine Wette auf dieses Spiel abschließen“, meinte Isabel und legte ihren Schleier ab. Mit den Fingern kämmte sie die langen, goldenen Strähnen und ließ die Locken auf ihre Schultern fallen.

     Er hatte nicht vor, sich diese Gelegenheit entgehen zu lassen. „Abgemacht. Wenn du verlierst, wirst du einen Tag lang jedem Befehl gehorchen, den ich dir gebe.“

     Sie verdrehte die Augen zum Himmel. „Wirklich, du träumst, wenn du glaubst, du könntest mich schlagen.“ Sie hob mit beiden Händen das Haar im Nacken hoch und reckte sich geschmeidig.

     „Was wünschst du dir, solltest du durch irgendeine wunderbare Fügung des Schicksals wirklich gewinnen?“

     Isabel wurde ganz sanft und lächelte wehmütig. „Ich möchte, dass du bei mir bleibst. Ich möchte eine Nacht mit meinem Gatten.“

     Bei ihren Worten durchfuhr ihn das Verlangen wie ein Dolchstoß. Irgendwie brachte er eine Antwort zustande. „Ich kann das Bett nicht mit dir teilen, Isabel.“

     „Es ist einsam, die ganze Nacht allein zu verbringen“, gestand sie. „Du musst nicht neben mir schlafen. Aber ich hätte gerne deine Gesellschaft.“

     Bedrückt bewegte er seinen Bauern zwei Felder weiter. Es war lange her, dass er eine Nacht allein mit Isabel verbracht hatte. Es jetzt zu tun war gefährlich, besonders, da sein Körper und sein Geist unterschiedlicher Ansicht darüber waren, wie er seine Ehe leben sollte.

     Trotzdem murmelte er: „In Ordnung.“

     Isabel ließ das Umschlagtuch von den Schultern gleiten und streckte die Hand aus, um noch eine Scheibe Brot abzuschneiden. Sie beugte sich über das Schachspiel und Patrick konnte einen aufregenden Blick auf ihre Brüste erhaschen. „Möchtest du etwas?“

     „Du schummelst“, sagte er und akzeptierte die Bestechung. Das leichte Brot war besser als alles, was er je gekostet hatte.

     „Ich weiß nicht, worüber du redest.“ Doch während sie über ihren nächsten Zug nachdachte, biss sie sich auf die Lippen. Sehr sorgfältig überlegte sie und verzog dabei diese verführerischen Lippen, bis Patrick sie am liebsten wieder geküsst hätte.

     Críost, das machte sie bestimmt mit Absicht! Sie benutzte ihren Körper, um ihn davon abzuhalten, über das Spiel nachzudenken. Das konnte er auch.

     „Es ist warm hier“, bemerkte er, band seine Tunika auf und zog sie über den Kopf. Mit freiem Oberkörper streckte er die Hand aus und nahm ihren Springer.

     Isabel machte große Augen, doch kurz darauf löste sie die Bänder ihres Kleides. Als sie ihren Läufer vorschob, ließ sie eine Schulter sehen.

     „So wirst du nicht gewinnen.“ Er war wild entschlossen, sich die schwarze Königin zu nehmen und überhaupt nicht daran interessiert, was seine Frau wohl als Nächstes auszuziehen vorhatte.

     „Schach“, erwiderte sie.

     Verdammt, sie bedrohte seine Königin. Er schob die Figur aus ihrer Reichweite, und kurz darauf bot er Isabel Schach.

     „Du bist dran“, erinnerte er sie.

     Isabel erhob sich. „Ich bin durstig. Möchtest du einen Becher Met?“

     „Ich möchte, dass du das Spiel beendest. Ich bin dabei, zu gewinnen.“

     Sie zuckte die Achseln und goss sich einen Becher ein. Während sie langsam trank, kniete sie sich neben das Schachbrett. Mit den Fingern lockerte sie immer mehr die Bänder ihres Kleides.

     „Dein Kleid bleibt an“, stieß Patrick zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Konzentriere dich auf das Spiel, ermahnte er sich. Aber verflucht noch mal, er war gar nicht mehr daran interessiert, es zu gewinnen. Viel lieber hätte er die Nacht mit Isabel verbracht und sie wieder geküsst.

     „Schachmatt.“ Sie stützte das Gesicht in die Hand und lächelte ihn vergnügt an.

     Wie, im Namen Lugs, hatte sie das angestellt? Doch da gab es kein Entkommen mehr. Sie hatte gewonnen, keine Frage. Wieder einmal.

     Patrick schob das Spielbrett beiseite und ließ die Figuren fallen, wohin sie gerade fielen. Isabel blieb keine Zeit zu reagieren, als er sie schon um die Taille packte, sie an sich zog und endlich den Mund küsste, der ihn während der vergangenen Stunde so in seinen Bann gezogen hatte. Sie schmeckte nach süßem Honig und Verheißung.

     Sie streichelte seine Brust und zeichnete mit den Fingern die Linien seiner Muskeln nach. Patrick zuckte bei der Berührung zusammen und hielt ihre Hände fest. Zum tausendsten Mal verfluchte er die Tatsache, dass sie eine Normannin war. Er wollte sie in seinem Bett haben, wollte ihren Körper erkunden.

     Doch das würde alles nur noch komplizierter machen. Wenn sie noch Jungfrau war, konnte der Erzbischof leicht ihre Ehe auflösen. Wenn er der Versuchung nachgab, würde das den Betrag an Gold verdoppeln, den er brauchte, um die Kirche zu bestechen.

     Mit Bedauern machte er sich frei. „Gute Nacht, a stór.“

     Isabel war wie betäubt, eine Frau, die der gleiche Sturm der Gefühle gepackt hatte wie ihn. Doch es gelang ihr ein Nicken. „Gute Nacht.“

     Er wandte sich ab und legte sich auf seine eigene Matratze, während sie auf der gegenüberliegenden Seite der Hütte schlief. Unablässig sehnte er sich danach, ihren Körper an seinem zu spüren.

     Und in den verbleibenden Stunden bis zur Dämmerung schalt er sich dafür, dass er in dieses Spiel eingewilligt hatte.

Im schwachen Licht der Morgendämmerung sah Patrick Isabel zu, wie sie Wasser in ein Becken goss und sich Gesicht und Hals wusch. Ihre hellen Haare fielen offen über ihre Schultern, und sie trug nur ein Hemd. Wassertropfen rannen über ihren Hals, und sein Körper reagierte sofort. Er wollte ihr das Haar beiseite schieben und sie küssen, wollte sie zu sich auf die Matratze ziehen.

     Schließlich schleppte er sich nach draußen und spritzte sich Wasser ins Gesicht, um das unerwünschte Verlangen zu vertreiben. Die kalte Morgenluft ließ ihn frösteln. Er war froh darüber, dass sie seine Leidenschaft abkühlte.

     Patrick war gerade dabei, den Ringwall zu verlassen, da vernahm er den dumpfen Klang der Turmglocke. Mit zusammengekniffenen Augen sah er zu der dunklen Rauchwolke hinüber, die vom Festland aufstieg, ein Hilferuf von Laochre. Er stieß einen Fluch aus und begann zu laufen.

     „Was ist los?“, rief Isabel hinter ihm her.

     „Ein Angriff auf unsere Burg. Wahrscheinlich diese verdammten O’Phelans, die unser Vieh rauben.“

     „Wie können wir helfen?“

     „Bleib hier. Ruarc und ich werden uns um Laochre kümmern.“ Er sah, dass sein Cousin bereits auf ihn zulief, hin zum Boot, das sie am Strand erwartete. In kürzester Zeit hatten sie es ins Wasser gestoßen, sprangen hinein und begannen zu rudern.

     Isabel blieb zurück. Einige der Inselbewohner holten sich Speere und andere Waffen und kletterten über die Felsen auf der westlichen Inselseite hinab. Einige Augenblicke später tauchten sie mit Booten aus einer kleinen Höhle auf. Trotz ihrer Anspannung musste Isabel lächeln. Jetzt wusste sie wenigstens, wo sie ihre Boote verwahrten und konnte ohne zu schwimmen Laochre erreichen.

     Als Patrick zum gegenüberliegenden Ufer ruderte, erhaschte sie seinen Blick. Zum ersten Mal hatte sie Angst um ihn.

     Wie dumm von ihr, sich Sorgen zu machen. Es war ein Viehdiebstahl, nicht mehr. Scharmützel wie diese kosteten einem Mann nicht das Leben. Und er wollte schließlich, dass sie zurückblieb und nichts tat. Doch bei dem Gedanken, Patrick könnte verletzt werden, wurde sie unruhig.

     In der vergangenen Nacht war sie beinahe zu ihm durchgedrungen. Sie wusste nicht, was sie noch tun sollte, aber er begehrte sie. Daran zweifelte sie nicht länger. Nur konnte sie nicht verstehen, warum er sie von sich fernhielt. Das ärgerte sie über die Maßen. Sie war seine Frau, und bei allen Heiligen, sie war das Ganze leid. Der einzige Weg, ihn dazu zu bringen, sie als eine MacEgan zu akzeptieren, war, sich ihren Platz zu erkämpfen.

     Sie wirbelte herum und eilte zurück zum Ringwall, während ihre Gedanken sich überschlugen. Ohne zu zögern öffnete sie die Tür zur Hütte, die den Vorrat an Waffen enthielt. Kriegsäxte und -keulen, Bogen, Speere und Messer hingen an der Wand.

     Isabel betrachtete die Waffen und wählte einen Bogen aus, der an einem hölzernen Haken hing. Die vertraute geschwungene Linie des Holzes und die straffe Sehne weckten unverhofft eine Woge des Heimwehs in ihr. Seit sie England verlassen hatte, hatte sie keinen Bogen mehr berührt, und keiner der Inselbewohner ahnte, dass sie mit einem umzugehen wusste. Vermutlich würde Patrick sie auch nicht freiwillig in die Nähe einer Waffe lassen, weil er befürchtete, sie könne sich gegen ihn stellen.

     Annle betrat die Hütte. „Nein“, stieß sie heftig auf Irisch hervor, doch außer dem Befehl zu bleiben, konnte Isabel nicht viel verstehen.

     „Ich kann mit einem Bogen umgehen“, sagte sie und deutete auf die Waffe. „Und ich werde nicht hierbleiben, während sie die Burg meines Gatten angreifen. Ich muss ihm helfen.“

     Sie schwang sich einen Köcher voll Pfeile über die Schulter. Das leichte Gewicht weckte starke Erinnerungen in ihr, Erinnerungen an die Zeit, als sie allein im Wald auf die Jagd gegangen war. Ihr gesunder Menschenverstand warnte sie. Bis jetzt hatte sie nur Rehe und kleineres Wild getötet, nie einen Menschen.

     Isabels Finger schlossen sich fester um den Bogen. Sie konnte mühelos ihr Ziel treffen und ein Leben beenden. Die Frage war nur, ob sie das auch wollte? Bei dieser Schlacht mitzumachen war mehr, als einfach nur dem Clan gegen einen Feind beizustehen. Es hieß, selbst der Gefahr ins Auge zu sehen.

     In der Zwischenzeit würden die Männer wohl die gegenüberliegende Küste erreicht haben. Sie war sich sicher, dass Patrick wegen seiner ausgeprägten Muskeln und des Selbstvertrauens, mit dem er sich bewegte, ein starker Kämpfer sein musste. Und auch jetzt wollte er nicht, dass sie kam, wollte nicht, dass sie an dem Kampf teilnahm. Sich einen Platz unter ihnen zu erkämpfen, war mit dem größten Risiko verbunden.

     Doch sie hatte keine andere Wahl.

Kampfgeschrei mischte sich mit dem Lärm, den die erschreckten Pferde und das verängstigte Vieh von sich gaben. Patrick rannte neben Ruarc her und behielt dabei genau den Rundturm im Auge, von dem der Signalrauch aufstieg. Vor dem Ringwall hatten sich der Stammesanführer der O’Phelans und ein Dutzend Männer versammelt.

     Frühes Morgenlicht kroch über das Land, erhellte das Dunkel und enthüllte den Standort der Männer. Patrick rannte schneller. Er war außer sich vor Zorn, weil sie bei Tag einen Überfall wagten. Auch seine Kämpfer waren an Überfällen auf andere Stämme beteiligt gewesen, doch immer im Dunkel der Nacht. Ein Angriff bei Tag hieß aber, dass die O’Phelans glaubten, sie seien nicht aufzuhalten – eine Beleidigung für Patrick und seinen Stamm.

     Jetzt lag nur noch ein kleines Gehölz zwischen ihnen und dem Feind. Patrick blieb nahe an dessen Rand stehen und machte Ruarc ein Zeichen, sich still zu verhalten. Für den Augenblick mussten sie ihren Streit begraben. Das hier war etwas, was sie beide gewinnen mussten.

     Er hob die Hand und befahl Ruarc zu warten. Weiter vorne sah er Trahern und Bevan kämpfen, zusammen mit einer Handvoll seiner Stammesgenossen. Wo waren die Normannen? Nirgendwo sah er Sir Anselm oder irgendeinen der anderen.

     Eine böse Vorahnung stieg in Patrick auf. Als vereinigte Streitmacht würde der Sieg zweifellos ihnen gehören. Und er hatte geglaubt, Sir Anselm würde ihnen beistehen und ihnen helfen, die O’Phelans zu vertreiben. Jetzt wusste er, dass dem nicht so war. Bitterkeit überwältigte ihn mit aller Macht: Die feindlichen Linien hatten sich ganz und gar nicht verwischt. In diesem Moment verlor er jedes Verständnis, jedes Mitgefühl, das er für die normannischen Krieger empfunden hatte.

     Ruarc signalisierte ihm, dass er vorhatte, die O’Phelans von rechts zu umgehen. Patrick bewegte sich nach links. Mit lautem Gebrüll zog er das Schwert und traf die Klinge eines der O’Phelan-Männer. Er spürte den Zusammenprall im ganzen Arm und legte seine ganze Wut in den nächsten Hieb.

     Ihr Anführer drang auf ihn ein, und Patrick fing den Schlag ab. Donal O’Phelan war ein großer, dünner Mann mit Haaren, die ihm bis auf den Rücken fielen und einem schwarzen Bart, der ihm bis zur Brust reichte. Goldene Ohrringe schmückten seine Ohrläppchen, und er trug einen Torques um den Hals.

     „Versteckst dich wohl hinter deinen Männern, was, König Patrick?“

     Die bewusste Nennung seines Ranges klang wie eine Verhöhnung. „Du willst diesen Kampf nicht wirklich wagen“, warnte ihn Patrick. „Die Normannen sind in den Mauern.“

     „Und sie kämpfen für dich, nicht wahr?“ Donal sah sich mit spöttischem Erstaunen um. „Nun, wo sind sie denn?“

     Patrick ließ seinem Zorn freien Lauf und schwang sein Schwert. Bei Gott, es tat gut, die Klinge gegen den Feind zu erheben. Er stolperte noch nicht einmal, als des O’Phelans Klinge seinen Arm streifte. Blut tröpfelte über die Lederarmbänder, und Patrick schlug hart zurück. Die Kraft seines Hiebs ließ O’Phelan taumeln. Der Stammesanführer stieß einen grunzenden Laut aus, doch Patrick wich nicht und wartete darauf, dass der Mann wieder zuschlug.

     Da durchbohrte ein Pfeil Donals Schulter. O’Phelan brüllte auf vor Schmerz, und der Schrei eines seiner Männer, dem jetzt ein Pfeil in der Hand steckte, antwortete ihm.

     Patrick nützte seinen Vorteil, auch wenn er nicht wusste, wer die Pfeile abgeschossen hatte. „Verlass unser Land, bevor der nächste Pfeil dein Herz trifft.“

     Das Gesicht des Anführers war wutverzerrt. „Welch ein Feigling greift aus dem Wald heraus an?“ Er drehte sich zu den Bäumen hin um und bellte: „Zeig dich!“

     Aus dem Gehölz tauchte eine Frau auf, die auf einem ihrer Pferde ritt. Sie hielt einen Bogen mit aufgelegtem Pfeil in der Hand. Auch wenn sie Gesicht und Kopf mit einem brat bedeckt hatte, erkannte Patrick den grässlichen léine. Es konnte nur Isabel sein.

     Er hätte seine Frau erwürgen mögen. Wie konnte sie auch nur daran denken, hierherzukommen, ihr Leben inmitten eines feindlichen Stammes zu riskieren? Wenn sie sich weiter vorgewagt hätte, hätten die Männer sie ohne zu zögern niedergeschlagen, Frau oder nicht.

     „Wer bist du?“, wollte Donal O’Phelan wissen. Sie streifte den brat zurück und enthüllte zu Zöpfen geflochtenes goldenes Haar und ein Gesicht, das Patrick inzwischen schon verfolgte. Tá sé Isabel MacEgan.

     Dass er seine Frau Irisch sprechen hörte, verblüffte Patrick. Er hatte nicht gewusst, dass sie überhaupt etwas von seiner Sprache verstehen konnte. Wann hatte sie zu lernen begonnen?

     Und dann traf ihn die Erkenntnis wie ein Blitz – sie hatte sich selbst eine MacEgan genannt.

     Auch wenn das nicht stimmte, es erfüllte Patrick mit einer seltsamen Zufriedenheit und mit Stolz. Sie zeigte mehr Mut als die meisten Frauen, stellte sich einem feindlichen Stamm entgegen, als wäre sie eine von ihnen. Als hätte sie sich das Recht errungen, eine MacEgan zu sein.

     Er zwang sich, nicht länger darüber nachzudenken, und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf Donal O’Phelan.

     „Sie ist meine Frau, und wenn du nicht willst, dass sie den nächsten Pfeil abschießt, solltest du besser verschwinden.“

     Donal O’Phelan starrte Isabel an und grunzte. Ohne den Blick von ihr zu wenden, zog er den Pfeilschaft aus der Schulter und zerbrach ihn. Obwohl die Wunde stark blutete, stieg er auf sein Pferd und befahl seinen Männern, ihm zu folgen. Erst als sie fort waren, konnte Patrick aufatmen.

     „Lauf in den rath und sieh nach, ob es allen gut geht“, befahl er Ruarc. „Wir kommen gleich nach.“

     In ihm hatte sich eine Mischung aus Angst und Zorn zusammengebraut. Er wusste nicht, ob er Isabel bestrafen oder ob er ihr danken sollte. Stattdessen winkte er sie zu sich. Er steckte das Schwert in die Scheide und umklammerte dessen Griff.

     Ihre Tollkühnheit hätte sie wer weiß was kosten können. Sie hätte verletzt oder getötet werden können. Wenn sie gestorben wäre, hätte der Stamm dafür büßen müssen. Sein Zorn drohte ihn zu überwältigen.

     Als sie bei ihm war, senkte sie den Bogen. „Wurde jemand verletzt? Hast du Schafe oder Vieh verloren?“

     Er streckte den Arm aus und nahm die Waffe an sich. „Das hier gehört dir nicht.“

     Sie legte die Finger auf seine Hand und hielt die Waffe fest. „Der Bogen war auf der Insel. Also gehört er mir.“

     „Ich habe dir befohlen, nicht zu kommen. Es war zu gefährlich.“

     „Ich habe mich aus dem Kampf herausgehalten“, widersprach sie. Der entschlossene Zug um ihren Mund und das wütende Funkeln ihrer Augen warnten Ihn. Sie sah keinerlei Unrecht in dem, was sie getan hatte. Patrick legte ihr den Arm um die Taille und hielt sie fest.

     Ketten und Handfesseln hatten schon ihr Gutes.

     „Du hättest nicht kommen sollen.“

     „Aber ich habe sie aufgehalten. Sie konnten euch kein Vieh rauben.“

     „Du hast den Stammesanführer der O’Phelan in eine beschämende Lage gebracht. Das wird er dir so schnell nicht vergessen.“

     „Dann hätte er eben nicht versuchen dürfen, zu stehlen, oder?“

     Sie wollte seine Hand wegschieben, doch er hielt sie fest. „Du gehst jetzt nirgendwohin.“ Diese Nacht würde sie in Laochre bleiben müssen.

     Wenigstens konnte er sie so besser im Auge behalten.

Zum ersten Mal war Isabel in Patricks Schlafgemach. Tiefblaue Vorhänge hingen vom Baldachin des Bettes, am Fenster standen ein einfacher Holztisch und ein Stuhl. Als sie näher an den Tisch herantrat, stellte sie fest, dass das Holz mit erlesenen Schnitzereinen verziert war. Es musste Jahre gebraucht haben, solch ein Kunstwerk zu schaffen.

     „Hast du das gemacht?“, fragte sie und deutete auf den Stuhl und den Tisch.

     „Mein Großvater war es.“ In seiner Stimme schwang leichter Stolz mit.

     Isabel setzte sich auf den Stuhl. Um Patrick nicht ansehen zu müssen, betrachtete sie die Schnitzereien. Sie wusste nicht, warum er sie in sein Privatgemach gebracht hatte, doch sein starres Gesicht und die mühsam beherrschte Anspannung seines Körpers erweckten ein unbehagliches Gefühl in ihr. Es war, als wollte er sie ausschimpfen, weil sie sich eingemischt hatte, wusste aber nicht wie.

     Eine große grau-weiße Katze schlief in der Ecke. Isabel musste lächeln. „Wenigstens muss ich mir heute Nacht keine Sorgen wegen der Ratten machen.“

     Patrick erwiderte ihr Lächeln nicht. „Du musst dir über vieles Sorgen machen, a stór.“ Er stand neben ihr, hoch aufgerichtet und einschüchternd.

     Doch Isabel straffte die Schultern und ließ ihn merken, dass sie keine Angst hatte. Sie hatte sich entschlossen, ihnen zu helfen, und deswegen hatte keiner mit dem Leben bezahlt. Es tat gut, ihre Geschicklichkeit anbieten zu können, auch wenn sie unerwünscht war.

     „Na los. Ich weiß, dass du zornig bist. Sag mir, dass ich kein Recht hatte einzugreifen und dass ich nicht hierhergehöre.“

     „Du scheinst meine Befehle für überflüssig zu halten.“ In den beiläufig gesprochenen Worten klang ein eiserner Unterton mit.

     Isabel stand vom Stuhl auf. „Ich bin kein Kind, Patrick. Ich treffe meine eigenen Entscheidungen. Und meiner Ansicht nach brauchtest du meine Hilfe.“

     Er ließ sich nicht erweichen. Stattdessen trat er auf sie zu. Seine schwarzen Haare umrahmten ein grimmiges, resigniertes Gesicht. Die goldenen Reifen an seinen Oberarmen schimmerten im Licht des Feuers. „Du hättest verwundet werden können. Ich erlaube so etwas nicht.“

     Sie warf ihm einen zweifelnden Blick zu. „Du bist ja nur wütend, weil eine Frau deine Männer rettete.“ Sie wusste sehr gut, dass sie nicht glauben brauchte, er würde sich Sorgen um sie machen.

     „Was, wenn du ihn verfehlt hättest?“

     „Ich verfehle nie mein Ziel.“

     „Das war viel zu gefährlich. Und da dir der Gehorsam so schwerfällt, wirst du einen Nacht und einen Tag lang in diesem Raum bleiben. Du wirst hier eingeschlossen bleiben, bis ich den Befehl gebe, dich freizulassen.“

     Isabel gefiel dieser Gedanke ganz und gar nicht. Sie versuchte, Zeit zu gewinnen. „Du bist verletzt. Lass mich deinen Schnitt behandeln.“

     „Es ist nichts. Und ich muss jetzt mit meinen Männern sprechen.“

     „Hast du Angst, ich könnte dir wehtun?“ Sie täuschte einen mütterlichen Tonfall vor, nahm ihn bei der Hand und führte ihn zum Bett. „Setz dich. Ich verspreche auch, ganz sanft vorzugehen.“

     Er warf ihr einen zweifelnden Blick zu, als glaubte er nicht, dass sie dazu fähig sein könnte. Mit einem kleinen Schubs zwang sie ihn, sich hinzusetzen. Selbst im Sitzen war er fast so groß wie sie. „Was tust du, Isabel?“

     „Zeit gewinnen“, war die ehrliche Antwort. „Wenn ich mit dem Verbinden deiner Wunde fertig bin, kannst du weiterhin herumbefehlen.“

     Es zuckte um seinen Mund, aber er streckte den verletzten Arm aus. Isabel entfernte die Lederarmbänder und sah, dass die Schwertklinge nur einen leichten Schnitt hinterlassen hatte. Patricks Arm musste nicht genäht werden.

     „Es ist nicht so schlimm, wie es aussieht.“ Sie ließ seine Hand sinken und wollte Wasser holen, aber er zog sie näher, bis sie zwischen seinen Schenkeln stand. Seine kräftigen Muskeln drückten gegen ihre Beine. Die Berührung mit seinem Körper schien ihre Kleider hinwegzuschmelzen und ihr die Haut zu verbrennen.

     „Wann hast du Irisch gelernt?“, fragte er. Der tiefe Klang seiner Stimme hüllte sie wie Honig ein.

     „Annle lehrt es mich. Ich weiß aber noch nicht viel.“

     Er starrte sie an. Das Licht fing sich in seinen Augen, bis sie silbrig schimmerten. Die rauen Bartstoppeln, sein voller Mund schienen Isabel zu locken.

     Er war einer der mächtigsten Männer Erins. Ein gut aussehender König, dessen Küsse Isabels Vorstellungen von einem Gemahl in sich zusammenstürzen ließen. Seine raue Männlichkeit brachte sie mehr und mehr dazu, sich nach seinen verbotenen Liebkosungen zu sehnen.

     Sie zwang sich, einen Schritt zurückzutreten. „Ich hole Wasser und Leinen.“ Ihre Stimme klang unsicher und enthüllte ihm, wie unwohl sie sich fühlte.

     Warum sah er sie an, als wollte er das Bett mit ihr teilen? Diese Ehe würde doch nicht mehr lange dauern. Sie durchquerte das Gemach und griff nach einem Krug mit Wasser.

     Reiß dich zusammen, Isabel, ermahnte sie sich. Fall ihm nicht zum Opfer. Mit ruhiger Hand goss sie das Wasser ins Becken. Sie war zu klug, um sich von der Situation täuschen zu lassen. Patrick MacEgan sah in ihr nicht seine Ehefrau, nur ein Ärgernis.

     Als sie sich umdrehte, legte er auch die andere Armspange ab und zog die Tunika aus. Mit nacktem Oberkörper saß er auf dem Bett und beobachtete sie. Seine dunklen Haare fielen ihm in den Nacken und, bei allen Heiligen, er verwirrte sie. Ihr Plan, die Gefangenschaft hinauszuzögern, erschien ihr jetzt ziemlich töricht.

     Fast wie einen Schild hielt sie die Schüssel vor den Bauch, tunkte ein Ende ihres brat hinein und wischte ihm das Blut ab.

     „Hast du nicht Angst, dir deinen Umhang zu ruinieren?“, fragte er.

     „Ich wäre glücklich, diese beiden Kleidungstücke brennen zu sehen“, antwortete sie. „Leider habe ich nichts anderes anzuziehen.“ Sie war mit dem Abwischen fertig und legte den brat aufs Bett.

     „Hast du nicht?“ Seine Stimme klang jetzt verführerisch dunkel. Er stand auf und stand nun so dicht vor ihr, dass sie den Beweis seiner Begierde spüren konnte.

     Sein Gesichtsausdruck war plötzlich der eines Mannes, der auf Eroberung aus war. Er zog sie in seine Arme, so fest, dass sie die Wärme seiner Haut spüren konnte.

     „Nicht“, flüsterte sie. Sein Mund schwebte dicht über ihrem. Wie sehr sehnte sie sich danach, ihn zu küssen!

     „Du sollst wissen, dass dein normannisches Blut das Einzige ist, was mich davon abhält, mich mit dir zu vereinigen. Wenn du Irin wärst, würdest du auf diesem Bett nackt unter mir liegen und ich wäre in dir.“

     Seine Worte schockierten sie. Bevor sie noch einen Fuß rühren konnte, senkte sich sein Mund auf den ihren. Sie erwartete, dass er sie wild wie ein unzivilisierter Barbar küssen würde. Stattdessen nahm er sich Zeit. Langsam, mit unendlicher Zärtlichkeit, erkundete er ihren Mund.

     „Wenn du Irin wärst, würde ich dir dieses Kleid ausziehen.“ Seine Hände umfassten ihre Brüste. Mit dem Daumen reizte er ihre Brustspitzen, bis sie vor Verlangen aufstöhnte. „Ich würde dich in den Mund nehmen und dich alles andere vergessen lassen.“

     Sein Geschmack weckte all ihre Sinne. Noch nie hatte ein Mann sie so geküsst. Er eroberte sie nicht, er bat sie nur still, sich zu ergeben. Er reizte sie, er erregte sie mit der Art, wie er die Zunge über ihre Lippen gleiten ließ, bis sie sie für ihn öffnete.

     Ihre Brustspitzen unter dem zarten Hemd richteten sich auf. Unwillkürlich legte sie die Arme um ihn und klammerte sich Halt suchend an ihn. Hemmungslos umfasste er ihren Po und ließ sie an ihrer weiblichsten Stelle die Wildheit seiner Begierde fühlen.

     Isabel verlangte schmerzhaft danach, ihn zu spüren. Sie verspürte eine Art von Hunger, den sie selbst nicht verstand. Und sie hätte Patrick am liebsten verflucht, denn irgendwie verstand sie, dass das hier ihre Bestrafung war: ihn zu begehren und dann ohne Erfüllung zu bleiben.

     „Ich bin keine Irin“, brachte sie heraus und stieß ihn fort. Ihre Knie gaben nach, und sie musste sich aufs Bett setzen.

     „Sei froh, dass du keine bist“, sagte er.

     Ohne ein weiteres Wort verließ Patrick das Gemach. Isabel hörte, wie die Tür abgesperrt wurde. Sie war gefangen. Stöhnend sank sie aufs Bett und fragte sich, was er als Nächstes tun würde.

     Oder wie sie ihn davon überzeugen konnte, sie aus seinem Schlafgemach freizulassen.

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