Irische Hochzeit - 18. Kapitel

18. KAPITEL

Zwei Nächte vergingen, und Patrick blieb seiner Frau fern. Obwohl sie das Gemach miteinander teilten, schlief er auf einer Matratze am Boden. Er sagte sich, das müsste so sein, damit er sich ganz der Verteidigung des Ringwalls widmen konnte. Bei Isabel zu liegen würde ihn nur ablenken und zum Sklaven seiner körperlichen Bedürfnisse werden lassen.

     Doch jede Nacht betrachtete er sie einige Zeit, während sie schlief, und prägte sich ihr Gesicht ein. Er erinnerte sich daran, wie es war, sich mit ihr zu vereinigen und eng umschlungen mit ihr einzuschlafen.

     Auch wenn er selbst sie gerne um sich hatte, erkannte er ihre Wirkung auf sein Volk. Unermüdlich arbeitete Isabel von morgens bis abends und versuchte sich um jeden zu kümmern. Doch ihre Bemühungen schienen nur noch einen größeren Keil zwischen seinen Stamm und die Normannen zu treiben. Die Normannen traten für sie ein, erkannten sie als ihre Herrin an, während sein Volk sich fernhielt.

     Aber an diesem Morgen erschien eine kleine Gruppe der O’Phelans, gemeinsam mit ihrem Stammesführer Donal. Patrick gewährte ihnen nicht gerne Eintritt in Laochre, aber sie wurden von zwei Brehon-Richtern begleitet. Er zuckte zusammen, als ihm klar wurde, dass jetzt die Wiedergutmachung für die Verwundung des Anführers fällig wurde.

     Auf seinen Befehl hin wurde den Männern der Zutritt gewährt.

     Seltsamerweise schien ihre Ankunft ein Zeichen für die anderen zu sein. Sein Cousin Ruarc kam, zusammen mit den Mitgliedern seines Stammes. Einer nach dem anderen versammelten sie sich im inneren Hof. Eine innere Stimme warnte Patrick, denn seine Leute hatten in den vergangenen drei Tagen nicht mit ihm gesprochen.

     Der Anführer der O’Phelans trat vor. „König Patrick von Laochre, im Bemühen, unsere Stämme zu vereinen, bot ich dir die Heirat mit meiner Tochter an. Du lehntest das Angebot ab.“

     Patrick trat vor und kreuzte die Arme vor der Brust. „Warum bist du hier, Donal? Wenn es sich um corpe-dire handelt, dann lass uns jetzt dass Blutgeld für deine Verwundung festsetzen. Wir sind nicht hier, um über diese Heirat zu sprechen.“ Er riskierte einen kurzen Blick zu den Normannen hinüber und war froh, dass sie weder die irische Sprache verstanden noch wussten, was hier geschah.

     Donald sah die Stammesmitglieder an. „Ich machte ein Angebot, eines, das es dir ermöglicht hätte, dich ein für alle Mal von den Normannen zu befreien. Weißt du nicht, wie sehr dein Volk sich das wünscht? Stattdessen hast du noch mehr Feinde unter deine Stammesgenossen gebracht.“

     „Du hast immer noch nicht meine Frage beantwortet.“ Der Hochmut des Anführers ließ Patrick zornig werden. Wenn der Mann nicht bald auf den Punkt kam, würde er sie alle wieder fortschicken.

     Die Stammesleute traten zur Seite, und erst jetzt sah er, was sie herbeigeschleppt hatten – den großen steinernen Stuhl. Auf ihm wurde ein neuer König gekrönt.

     Und plötzlich verstand er, warum Donal gekommen war. Mit grimmigem Gesicht sagte er: „Ich weigere mich, meinem Volk den Krieg zu bringen. Und was du von mir verlangst, ist zu deinem Nutzen, nicht zum Nutzen Laochres. Meine Antwort lautet immer noch Nein.“

     „Ich dachte mir, dass du das sagen würdest“, meinte Ruarc und trat zu den Brehon-Richtern. „Und da du deinen Schwur, unseren Stamm zu schützen, gebrochen hast, fordere ich deine Absetzung.“

     Patrick überfiel das Gefühl, verraten worden zu sein. Ruarcs Ehrgeiz war der Grund für das hier, nicht der Wunsch, den Stamm zu retten. Wenn er auf seinem Vorhaben bestand, würde ihr Volk durch die Hand der Normannen sterben.

     Ruarc wandte sich an seine Stammesgenossen. „Ich habe eingewilligt, Meara O’Phelan zu heiraten und ihren Stamm mit dem unseren zu vereinen. Wenn ihr wollt, bin ich euer neuer König.“

     Kochend vor Wut trat Patrick vor seinen Cousin. Nur mühsam konnte er seinen Zorn zügeln. „Du weißt nicht, was du tust, Cousin.“

     „Ich werde mit dir um die Königswürde kämpfen“, verkündete Ruarc und hob die Fäuste. „Wenn es sein muss, werde ich mich vor dem Volk als fähig erweisen.“

     „Ein Kampf ist gar nicht nötig“, sagte Donal. „Die Richter werden den Leuten erlauben, den König zu wählen, den sie haben wollen. Es sei denn, ein weiterer Mann möchte sich um das Amt bewerben?“

     Keiner trat vor. Patrick suchte in der Menge nach seinen Brüdern, doch keiner war anwesend. Seit gestern Abend hatte er Trahern und Bevan nicht mehr gesehen.

     Selbst sein jüngster Bruder Ewan fehlte. Ein beklemmendes Gefühl legte sich ihm schwer aufs Herz. Er entdeckte Isabel am anderen Ende der Burg. Sie presste die Hände an die blassen Wangen und schüttelte den Kopf als versuchte sie, die drohende Absetzung zu verhindern.

     Er wusste, dass er einen Kampf mit Ruarc provozieren konnte. Doch der eisige Hass auf den Gesichtern seiner Stammesgenossen hielt ihn davon ab, nach seinem Schwert zu greifen. Selbst wenn er seinen Cousin besiegen würde, er erkannte die Unausweichlichkeit dessen, was hier geschah.

     Patrick blieb stehen, während jeder Mann und jede Frau zu den Richtern ging und ihnen ihre Antwort mitteilte. Und noch bevor die Richter sprachen wusste er, wie die Antwort ausgefallen war.

„Es ist vorbei.“ Einer der Richter richtete das Wort an die Versammlung. „Ihr habt beschlossen, König Patrick abzusetzen und Ruarc MacEgan an seine Stelle zu wählen.“

     Patrick sagte nichts. Es war, als würde er seine Umgebung wie durch einen Nebel wahrnehmen. Immerhin gab es nach den Worten des Richters keine Freudenschreie, das war Patrick ein kleiner Trost. Doch sein Instinkt sagte ihm, dass der Anführer der O’Phelans Ruarc nur benutzte. Keinen Moment lang glaubte er daran, dass die beiden Stämme vereinigt würden.

     O Gott, das Blutvergießen! Bald genug würde die Streitmacht Strongbows hier auftauchen. Patrick fürchtete sich vor dem, was geschehen würde, wenn Edwin de Godred hiervon erfuhr. Es würde Krieg bedeuten und den Tod seines Volkes.

     Jetzt richtete Ruarc das Wort an die Menge, doch Patrick hörte ihm kaum zu. Er ging und versuchte darüber nachzudenken, was er tun konnte.

     Einer der Normannen trat zu ihm. „Mylord, was geschieht hier? Keiner will es uns sagen.“

     Patrick wandte dem Mann seine Aufmerksamkeit zu. Wenn Ruarc vorhatte, gegen die Normannen Krieg zu führen, dann würde er das sofort tun. Auch wenn er, Patrick, den Normannen befehlen konnte, sich zu wehren, konnte er doch nicht riskieren, dass seine eigenen Stammesleute verletzt wurden. Es war besser, die Männer nach Ennisleigh zu bringen und einen anderen Weg zu finden, alle zu beschützen.

     „Bringt eure Frauen und Kinder zusammen mit allen anderen Männern nach Ennisleigh. Schnell und ohne Aufsehen zu erregen. Ich werde euch dort alles erklären. Euer Leben ist in Gefahr.“

     Der Mann nickte und holte die anderen. Als er mit der großen Gruppe aufbrach, befahl Ruarc, sie aufzuhalten. Die Normannen gingen weiter, denn sie verstanden seine Worte nicht. Einige der Inselbewohner schlossen sich ihnen an, was Ruarc noch wütender werden ließ.

     „Was hast du ihnen erzählt?“, fragte er und stellte sich Patrick in den Weg. „Ich bin der König, nicht du.“

     Patrick starrte seinen Cousin zornig an. „Du magst den Titel tragen. Aber du weißt nicht, wie man die Leute führt. Du treibst sie in den Tod. Was hast du vor, wenn Baron of Thornwyck hier ankommt?“

     „Unsere beiden vereinigten Stämme werden gegen ihn kämpfen. Keine normannischen Eindringlinge werden unser Volk unterdrücken.“

     „Du bist ein Narr, wenn du das glaubst“, sagte Patrick. „Wenn du den O’Phelans erlaubst, sich dir anzuschließen, öffnest du ihrer Eroberung Tür und Tor.“

     „Du hast unrecht. Und jetzt, da ich König bin, werde ich den Normannen nicht erlauben, auch nur einen Fuß in Laochre zu setzen. Für jeden, der es tut, wird es den Tod bedeuten“, meinte Ruarc und reckte herausfordernd das Kinn.

     „Ich gewähre ihnen Zuflucht auf Ennisleigh“, erwiderte Patrick. „Dorthin werden sie jetzt gehen.“

     „Das kannst du nicht.“

     „Ich kann. Ennisleigh gehört meiner Familie. Auf dieses Gebiet hast du keinen Anspruch.“

     Ruarcs Wut verschaffte Patrick eine gewisse Befriedigung. Abrupt wandte er sich von ihm ab und drehte ihm den Rücken zu, eine bewusste Beleidigung. Er sah, wie Isabel mit einigen Iren sprach. Sie trat an seine Seite.

     „Wir können Trahern nicht finden. Auch Bevan und Ewan nicht. Ich weiß nicht, was er mit ihnen gemacht hat.“ Sie spähte hinter sich, als würde Ruarc sie belauschen.

     Patrick stand regungslos da. Neuer König oder nicht, wenn Ruarc Hand an seine Brüder gelegt hatte, würde er nicht zögern, ihn zu töten.

     Er schritt zurück, packte seinen Cousin an der Tunika und versetzte ihm einen Faustschlag direkt auf die Nase. Blut lief in Ruarcs Mund. „Was hast du mit meinen Brüdern gemacht?“

     Ruarc versuchte, den Schlag zu erwidern, doch Patrick wehrte ihn mit dem Arm ab. Seine Wut gab ihm die größere Kraft. „Wo sind sie?“

     „Sie sind auf Ennisleigh“, knirschte Ruarc.

     „Ich hoffe für dich, dass sie gesund und munter sind, denn sonst würdest du dafür bezahlen.“ Patrick ließ ihn los und stieß ihn dabei zu Boden. Ruarc stolperte, doch es gelang ihm, sich wieder aufzurichten. „Bleib Laochre fern“, befahl er. „Du bist hier nicht willkommen.“

     „Ich würde keinen Fuß in diesen Ringwall setzen, solange du hier der Anführer bist.“

     Patrick war, als würde er durch einen roten Dunstschleier gehen, so vernebelte der Zorn seinen Blick. Auch ihm selbst galt seine Wut: Er hätte Ruarcs Verrat schon früher erkennen müssen.

Sie ruderten ihre Boote über den Kanal. Patrick bemerkte, dass Sosanna sich ihnen angeschlossen hatte. „Ruarc wird Männer hinter dir herschicken“, gab er zu bedenken, bevor sie schon zu weit fort waren.

     Sosanna hob nur das Kinn und blickte weg. Er wusste nicht, warum die junge Frau ihr Los mit den Normannen teilen wollte, besonders nach alledem, was ihr zugestoßen war. Doch dann fing er Sir Anselms Blick auf. Der normannische Ritter schien entschlossen zu sein, für Sosannas Sicherheit zu sorgen.

     Nachdem sie den Strand erreicht hatten, befahl Patrick, alle Boote in die Höhle zu bringen, damit die Flut sie nicht erreichen konnte. Da sie im Besitz der Boote waren, konnten sie wenigstens weitere Probleme mit den O’Phelans vermeiden.

     Patrick schritt den Pfad hinauf und suchte nach seinen Brüdern. Innerhalb kurzer Zeit hatte er sie gefunden, bis zur Taille nackt und im Obstgarten an Bäume gefesselt. Erleichtert, sie lebend anzutreffen, schnitt er die Stricke durch und befreite sie.

     Obwohl Trahern und Bevan unverletzt schienen, glänzten Ewans Augen, als müsste er mit den Tränen kämpfen. „Wir haben gar nichts getan“, schniefte er. „Sie überfielen uns hier gestern Abend.“

     Patrick steckte sein Messer ein. „Ruarc wird dafür bezahlen. Im Augenblick müssen wir einen Rat bilden und entscheiden, wie wir mit dieser Situation umgehen.“

     An Bevan gewandt fragte er: „Kann ich mich darauf verlassen, dass du die richtigen Männer zusammenrufst? Ich will sie in einer Stunde im Turm treffen.“

     Sein Bruder rieb sich die Handgelenke und nickte. Wo er versucht hatte, sich zu befreien, war seine Haut mit Blut verkrustet. Der Anblick steigerte noch Patricks Wut. Ruarc würde es bereuen, seine Brüder in Gefahr gebracht zu haben.

     Isabel trat neben ihn. „Bring sie zum Turm und lass mich nach ihren Wunden sehen.“

     „Es ist nichts“, meinte Bevan. „Lass nur.“

     Patrick wunderte sich nicht darüber, dass Bevan Isabels Hilfe ablehnte und auch nicht darüber, dass Trahern ebenfalls meinte, auch ihm ginge es gut. Doch Ewan war noch jung und fühlte sich durch die Gefangennahme gedemütigt.

     „Geh mit Isabel, Ewan“, befahl er und fügte an Trahern und Bevan gewandt hinzu: „Kommt und stillt euren Durst, während sie ihn versorgt.“

     Seine Brüder folgten ihm. Einer der Inselbewohner brachte ihnen etwas zum anziehen.

     Isabel weigerte sich, die Wunden seiner Brüder unbeachtet zu lassen. Sie reinigte ihre aufgerissenen Handgelenke und zeigte gerade Ewan gegenüber ihr Mitgefühl. Diese besondere Aufmerksamkeit und auch das angebotene Essen schienen den Jungen wieder aufzurichten.

     Als die Männer auseinandergingen, sagte sie leise zu Patrick: „Kann ich dich allein sprechen?“

     Er nickte. Isabel führte ihn in ihre Schlafkammer, und wenn Patrick ihr auch ohne Widerrede folgte, merkte sie doch, dass er sorgsam darauf bedacht war, ihr nicht zu nahe zu kommen. Beim Anblick ihres Bettes erinnerte sie sich an ihr Liebesspiel nur wenige Tage zuvor. Daran zu denken, wie viel sich in der Zwischenzeit geändert hatte, tat weh.

     „Mir ist, als wäre alles mein Fehler“, murmelte sie. Ihr war gar nicht in den Sinn gekommen, dass er seinen hohen Rang verlieren könnte. In ihrem Land wurde man zum König geboren, nicht gemacht. Was schlimmer war, ihr Gatte war dazu bestimmt, König zu sein. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass er das Leben eines einfachen Mannes führte.

     „Ruarc suchte nach einem Weg, König zu werden. Er verschwor sich mit unserem Feind.“

     „Aber du bist doch der rechtmäßige König“, flüsterte sie. „Du musst dir deinen Rang zurückholen.“

     „Das ist eine Entscheidung, die ich nicht fällen kann. Das Volk beschloss, mir die Macht zu nehmen. Das ist sein gutes Recht.“

     Auch wenn seine Stimme ruhig klang, war in seinen Augen etwas von seinem Schmerz zu erkennen.

     „Du hörst dich an, als wolltest du aufgeben.“

     Er presste die Lippen zu einer harten Linie zusammen, und sein Blick wurde kalt. „Mir liegt nichts daran, König zu sein, Isabel. Woran mir etwas liegt, ist mein Stamm. Ruarc erkennt nicht die Folgen dessen, was er getan hat. Er kann Strongbows Männer nicht besiegen. Und ich zweifle nicht daran, dass diese Invasion stattfinden wird.“

     „Was wirst du tun?“

     Er schüttelte den Kopf. „Ich werde die anderen treffen, und wir werden gemeinsam entscheiden.“

     „Du wirst deine eigenen Leute angreifen müssen“, sagte sie ruhig. „Bestimmt rechnet er nicht damit.“

     Patrick betrachtete sie nachdenklich. „Ich glaube nicht, dass es so weit kommen wird. Wir werden unsere Streitkräfte vorbereiten und wenn nötig unser Volk verteidigen. Und es gibt noch andere Wege, in die Burg zu gelangen.“

     „Ich hoffe, du hast recht.“ Sie faltete die Hände und trat näher. Patrick machte ein abweisendes Gesicht. Isabel wünschte, sie könnte ihm irgendwie helfen.

     Als er die Heirat mit O’Phelans Tochter ablehnte, hatte ihr Herz hoffnungsfroh einen Sprung gemacht. Doch jetzt kannte sie den Preis, den er dafür bezahlte. Er war viel zu hoch.

     Sie legte ihm die Hand aufs Herz. Er rührte sich nicht, sah sie noch nicht einmal an. Doch auch wenn er nichts sagte, spürte sie seine unterdrückten Gefühle.

     „Es ist richtig, dass du zornig bist“, flüsterte sie. „Du hast heute viel verloren.“

     „Nein.“ Er nahm ihre Hand von seiner Brust und Isabel versuchte, weiterhin tapfer dreinzuschauen. Sie wollte ihm nicht zeigen, wie entmutigt sie war.

     „Ich habe keinerlei Recht, mir selber leidzutun“, sagte er. „Jetzt zählt bloß, dass Ruarc meinen Stamm in Bedrängnis gebracht hat. Ich werde nicht abseits stehen und zusehen, wie meine Leute deswegen leiden.“

     „Wie kann ich dir helfen?“

     Er schüttelte den Kopf. „Du kannst mir nicht helfen.“ Als er das Gemach verließ und die Tür hinter sich schloss, war Isabels Schmerz groß. Ihr beider Leben war jetzt noch mehr durcheinandergeraten, und sie wusste, dass ihre Gegenwart alles nur noch schlimmer machte.

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