Irische Hochzeit - 7. Kapitel

7. KAPITEL

Lebte seine Mutter noch, sie würde ihm die Haut abziehen dafür, dass er eine Frau so behandelte. Patrick hämmerte Stifte in die Palisadenwand und ließ seine Wut am Holz aus. Isabel hatte Frieden zwischen ihnen gewollt. Sogar Freundschaft.

     Dennoch, auch wenn ihre Bitte noch so unschuldig war, er konnte sich nicht vorstellen, dass sie Freunde wurden. Ihrer beider Leben war zu verschieden.

     Er blickte zu seiner Wohnstatt hinauf und sah Isabel auf der Schwelle stehen, seinen Mantel um die Schultern. Selbst triefend nass hielt sie sich immer noch wie eine Königin. Sie erinnerte ihn an eine der Kriegerinnen aus alten Zeiten, furchtlos und kühn.

     Er konnte immer noch nicht glauben, dass sie durch den Kanal geschwommen war. Etwas Tollkühneres hatte er noch nie gesehen.

     Du lieber Himmel, jetzt kreisten bereits seine Gedanken um sie! Auch wenn er wusste, dass er nie das Bett mit ihr teilen würde, hielt ihn das nicht davon ab, sie zu begehren. Ihre unschuldige Berührung hatte das Verlangen in ihm auflodern lassen. Ihre dunkelbraunen Augen standen im reizvollen Kontrast zum sanften Gesicht und dem Gold ihrer Haare. Ihr Mund lockte ihn wie die Frucht des Gartens Eden.

     Patrick schlug einen weiteren Stift ein und zersplitterte dabei das Brett. Fluchend warf er das Holz beiseite.

     „Du solltest solche Arbeit nicht machen, Patrick“, belehrte ihn sein Bruder. „Du bist der König. Es ist unter deinem Stand.“

     Patrick wusste es, aber er scherte sich den Teufel um alles Zeremonielle. Er war erst seit weniger als einem Jahr König, und zurückzustehen und zuzuschauen, wie die anderen schwitzten und schufteten erschien ihm dünkelhaft.

     „Ich muss etwas tun.“

     Er nahm seinen Hammer wieder auf und schlug einen weiteren Stift ein. Vor einer Stunde hatten die Normannen ihren Eid auf die Allianz abgelegt. Während jeder Einzelne seinen feierlichen Schwur leistete, waren Patrick nicht die Wut und der Ärger in ihren Augen entgangen, noch die blauen Flecke der letzten Schlägerei. Es war ein kleiner Schritt vorwärts, doch er traute keinem von ihnen. Zum Dank für ihr Entgegenkommen versprach er ihnen feste Unterkünfte. Vermutlich hatten die Männer deshalb dem Eid zugestimmt, denn alle schienen es müde zu sein, in Zelten zu leben. Und er vermutete auch, dass der Schwur ihnen wenig bedeutete. Im Herzen waren sie Thornwyck und ihren Landsleuten treu, nicht dem Stamm der MacEgan.

     Trahern sah zu dem Turm hin, wo Isabel stand. „Hattest du nicht gesagt, sie würde auf Ennisleigh bleiben?“

     „Das sollte sie auch. Die Frau durchschwamm den Kanal.“

     Trahern stieß einen bewundernden Pfiff aus. „Von einer Edelfrau hätte ich das nicht erwartet. Ich muss gestehen, sie hat Mut.“

     „Sie folgt einfach keinem Befehl. Ich schwöre bei allen Göttern, ich werde sie noch anbinden müssen, damit sie mir gehorcht.“

     Trahern lachte. „Wenn ich du wäre, Bruder, würde ich sie an mein Bett binden.“

     Sich auszumalen, wie Isabel nackt auf seinem Bett lag, war gefährlich. Er konnte sich leicht einige Dinge vorstellen, die er gerne tun würde. Er musste sie unbedingt auf Ennisleigh zurücklassen, wo er sie nicht zu sehen brauchte. So würde es ihm leichter fallen, nicht an sie zu denken. Und auch, nicht von ihr in Versuchung geführt zu werden. „Ich bringe sie nach Ennisleigh zurück, sobald sie ihr Gewand am Feuer getrocknet hat.“

     „Warum sie zurückschicken? Sie hat schließlich keinen Schaden angerichtet.“

     Wenn er sie nicht weit fort schickte, würde er vielleicht doch fordern, was ihm rechtmäßig zustand. Er konnte sich selber nicht mehr trauen.

     „Ich will nicht, dass sie ein Mitglied unseres Stammes wird. Nach Lughnasa werde ich mich von ihr trennen. Bis dahin haben wir die Normannen vertrieben und Thornwyck dazu.“

     Jetzt machte sein Bruder ein besorgtes Gesicht. „Ich hoffe nur, dass du recht hast. Immerhin hast du sie auf englischer Erde geheiratet. Es wird nicht leicht sein, sich von ihr scheiden zu lassen.“

     „Man kann alles machen, wenn man nur genügend Geld hat, um den Rat einer Kirche zu bestechen.“ Patrick belastete sich nicht mit der normannischen Politik. „Wir beide wissen, dass es für unser Volk das Beste ist, wenn eine Frau unseres Stammes unsere Königin wird.“

     „Ist es das, was du willst?“, fragte Trahern ruhig.

     Unwillkürlich fühlte Patrick sich ertappt. Offenbar wusste sein Bruder genau, wie sehr er Isabel begehrte. „Wir sprechen vom Wohl unseres Volkes.“

     Trahern nahm sich einen anderen Hammer und half ihm bei den Reparaturen. „Weiß sie, dass die Ehe nicht von Dauer sein wird?“

     „Nein. Und es gibt auch keinen Grund, es ihr jetzt schon zu sagen. Lass sie glauben, was sie will. Ich schwor, ihr die Freiheit zu geben. Und Freiheit gibt es auf Ennisleigh mehr als genug.“

     Trahern schüttelte den Kopf. „Ich habe so das Gefühl, als hätte deine frischgebackene Ehefrau dazu eine Menge zu sagen.“

     „Ich werde heute Nacht mir ihr darüber reden.“

     „Du solltest mehr tun als nur reden, Bruder. Es würde deine schlechte Stimmung verbessern.“

     Patrick verstand Traherns Wink nur zu gut. Aber er würde nicht mit Isabel das Bett teilen. Sie beide durften kein Kind bekommen. Er wollte nicht, dass sie nach ihrer Trennung noch irgendetwas verband.

     Außerdem war ehrenhafter, sie als unberührtes Mädchen gehen zu lassen. So konnte sie als jungfräuliche Braut später eine standesgemäße Ehe mit einem normannischen Lord eingehen. Bei dem Gedanken, dass ein anderer Mann sie berühren würde, ballte Patrick die Fäuste.

     „Ich muss sie zurückbringen.“ Er legte den Hammer beiseite und prüfte die Festigkeit der Palisadenwand.

     „Ein guter Rat, Patrick.“ Trahern lehnte sich an den Zaun. Seine grünen Augen blickten belustigt drein. „Nimm die Schachfiguren mit.“

     „Wieso?“

     „Du musst den Schein wahren. Lass es, zumindest für den Augenblick, so aussehen, als würdest du ihr Bett teilen.“ Trahern zwinkerte ihm zu. „Und das Schachbrett bietet dir etwas Beschäftigung in diesen langen Nächten mit ihr.“

     Patrick reichte seinem Bruder einen Ersatzpfosten. „Das klingt, als wärst du derjenige, der eine Frau braucht.“ Mit diesen Worten wandte er sich ab, um zu Isabel zu gehen.

     Verschmitzt rief Trahern ihm nach: „Ich hätte nichts dagegen.“

     Patrick schenkte ihm einen mörderischen Blick. „Sammle Vorräte für meine Frau ein. Sie braucht Essen und Met für die nächsten zwei Wochen. Belade eines der Pferde damit. Ich werde alles mitnehmen.“

Durch die Neckereien seines Bruders hatte sich Patricks Laune etwas gebessert. Als er zum Turm kam, fand er Isabel drinnen in der Großen Halle. Sie hatte einen Besen entdeckt und war dabei, Spinnweben aus den Ecken zu kehren. Das feuchte Haar fiel ihr über die Schultern und ließ sie aussehen, als käme sie gerade von einem Bad. Sie erschien verletzlich und außerordentlich verlockend.

     Zähneknirschend zwang Patrick sich, ihr nicht länger ins Gesicht zu sehen. „Es ist Zeit zu gehen. Sind Euer léine und Euer Überkleid trocken?“

     Isabel senkte den Besen und zuckte die Achseln. „Trocken genug.“ Sie drehte sich um und betrachtete die Große Halle. „Ihr solltet diese Wand da einreißen und den Raum vergrößern. So würdet Ihr alle hier drinnen versammeln können.“

     „Und warum sollte ich das wollen?“

     „Diesen Ort hier könntet Ihr zu einem der mächtigsten Orte Erins machen. Er besitzt wunderbare Möglichkeiten.“

     „Es ist ein rath. Kein Schloss.“ Sein Ringwall war halb so groß wie die normannischen Bauten, die er gesehen hatte, und er beabsichtigte nicht, sie zu kopieren. Isabels Einfall, das Innere der Großen Halle zu verändern, überraschte ihn. Er sträubte sich dagegen, sich ihre Veränderungen vorzustellen. „Wir brauchen hier nichts umzubauen.“

     „Dieser Meinung bin ich nicht. Während des letzten Angriffs konntet Ihr die Anlage nicht verteidigen.“ Sie strich mit der Hand über das Holz und nickte. „Ihr habt die Burg meines Vaters gesehen. Wenn Ihr die Konstruktion verändert, würdet Ihr mehr Raum erhalten.“

     „Und damit den inneren Hof verkleinern. Selbst wenn es mein Grund und Boden ist, möchte ich nicht die Behausungen meiner Leute zerstören.“

     „Das habe ich nicht gesagt. Erweitert die Festung. Es gibt Platz genug. Und wenn Ihr den Palisadenzaun fertig habt, weißelt ihn. Aus der Ferne wird er wie Stein aussehen, und Eure Feinde werden sich fernhalten.“

     Selbst wenn an ihren Vorschlägen durchaus etwas dran war, gefiel es ihm nicht, dass sie erklärte, die Burg wäre bei weiteren Angriffen gefährdet. „Wir haben solche Veränderungen nicht nötig. Wir werden das, was wir haben, wieder instand setzen und mit den Männern üben, damit sie bessere Kämpfer werden.“

     „Im Kern ist diese Wohnstatt sehr solide. Könnt Ihr es Euch nicht vorstellen? Gobelins an den Wänden, Musiker, Tanz, Feste.“ Bei dem Gedanken lächelte sie.

     „Ich mache aus meinem Heim keine normannische Burg. Der rath steht schon seit Jahrhunderten.“

     „Bis letzten Sommer“, erwiderte sie ruhig. „Es werden noch mehr Normannen kommen. Der Earl of Pembroke wird nicht ruhen, bis er noch mehr Land erobert hat.“

     Das wusste Patrick. Doch nie könnte er die Mauern, die sein Großvater gebaut hatte, einreißen. Sie hatten den Angriffen der Wikinger widerstanden und zahllosen Eroberungsversuchen zuvor.

     „Wir müssen vorbereitet sein, wenn sie kommen.“, sagte Isabel.

     Wir. Sie sprach, als hätte sie vor, mitten unter ihnen zu kämpfen.

     „Wieso wollt Ihr auf unserer Seite stehen? Würdet Ihr Euren Vater verraten?“

     Sie zögerte. Einen Moment lang konnte er Unsicherheit in ihrem Gesicht aufblitzen sehen.

     „Ich hoffe, dass es nie so weit kommen wird.“ Sie versuchte ein Lächeln, doch dann presste sie die Lippen aufeinander. „Und mein Vater braucht Laochre auch nicht mehr anzugreifen. Als Eure Gattin …“

     „Er glaubt, Ihr wäret meine Königin“, sagte Patrick. Bloß hätte nichts weniger der Wahrheit entsprechen können. Zu ihrem eigenen Schutz versuchte er Isabel von diesem Ort fernzuhalten. Früher oder später würden die Angriffe wieder beginnen. Und er befürchtete, dass die Normannen dann über sie herfallen würden.

     Isabel zog den Mantel fester um ihre Schultern. „Ich weiß, warum Ihr mich geheiratet habt. Aber ich verstehe nicht, warum Ihr nicht wollt, dass ich Euch helfe? Ich habe Pflichten diesem Volk gegenüber. Ich kann nicht einfach auf Ennisleigh bleiben.“

     Isabel trat näher. Ein zarter Salzgeruch umgab sie. Patrick ertappte sich dabei, dass er auf ihren Mund starrte. Ihre weichen, vollen Lippen faszinierten ihn.

     Sie ist deine Gattin, drängte ihn sein Körper, und eine schöne Frau.

     „Ich möchte Euch nicht verletzen“, sagte Patrick.

     Lügner, beschuldigte ihn sein Gewissen. Er wollte nicht von ihr in Versuchung geführt werden.

     „Es ist an der Zeit, aufzubrechen.“ Entschlossen drehte er sich um und brach die Verzauberung, die Isabel auf ihn ausübte.

     „Wartet.“ Sie senkte den Blick und nahm seine Hand. „Ich sah heute die Kinder.“ Sie schlang die Finger um die seinen. „Um sie zu retten, habt Ihr mich geheiratet.“

     Ihre Berührung schien sich durch seine Haut zu brennen, und er wollte seine Hand fortreißen. Auch wenn es nur die bittende Geste einer Frau war, weckte sie trotzdem ein ungewolltes Verlangen in Patrick. Dass sie ihn berührte, ließ ihn erstarren. Was war nur los mit ihm? Sie war eine Normannin. „Das wusstet Ihr doch schon an unserem Hochzeitstag.“

     „Aber ich hatte Euch nicht verstanden.“ Ihre Augen waren voller Mitgefühl, und Patricks Unbehagen verstärkte sich. Sie verstand nicht, konnte nicht verstehen, was seinem Volk geschehen war. Es war jenseits dessen, was sie je erlebt hatte.

     „Ich möchte ihnen helfen“, sagte sie. „Ihr habt meine Mitgift noch nicht holen lassen, nicht wahr?“

     „Ich habe keine Verwendung für Hausrat.“

     „Was ist mit dem Gold und dem Silber?“, fragte sie. „Ich könnte helfen, Eure Vorräte wieder aufzufüllen.“

     Er wollte nichts, weder von ihr noch von ihrer Familie. Und selbst wenn sie das Angebot in gutem Glauben machte, er konnte es nicht annehmen. Es war seine Aufgabe, für sein Volk zu sorgen, nicht die ihre. Er würde sie da nicht mit hineinziehen, schon gar nicht, wo diese Ehe nicht von Dauer sein würde. Er wollte Isabel nicht benutzen.

     „Ich brauche Eure Mitgift nicht.“ Er ging einige Schritte. „Wir brechen jetzt auf.“

     „Mich nach Ennisleigh zu bringen bedeutet nur, dass ich eben erneut hierherschwimmen werde.“

     Keinen Augenblick bezweifelte er, dass sie ihre Drohung wahr machen würde. Er packte ihre Hand. „Trahern schlug vor, dich anzuketten. Der Gedanke gefällt mir.“

     „Versucht es, Ire, und es wird Euch leidtun.“

     Als er sie nach draußen führte, entgingen ihm nicht die wütenden Blicke seiner Landsleute. Die Gesichter der Frauen waren hasserfüllt, während die Männer Isabel misstrauisch beäugten.

     Niemand lächelte. Niemand sprach ein Wort. Mit hocherhobenem Kinn tat Isabel so, als kümmere sie das nicht. Doch Patrick bemerkte das leichte Zittern ihrer Hand und sah, dass sie niemanden anblickte.

     „Ist das unsere Königin?“, fragte ein Kind und deutete mit dem Finger auf sie.

     Seine Mutter bedeutete ihm, still zu sein und murmelte: „Nein, sie ist normannisch, wie die anderen auch.“

     Patrick wies die Frau nicht zurecht. Sie sagte ja nur, was auch er dachte. Auch wenn Isabel jetzt seine Frau war, gehörte sie immer noch zu seinen Feinden. Und anstatt Mitleid mit ihr zu haben, durfte er diese Tatsache nicht vergessen.

     Er musste sie zurück nach Ennisleigh bringen, fort von seinem Stamm und ganz besonders fort von ihm.

Ruarc blieb vor seiner Hütte stehen. Von drinnen drang ein seltsamer Laut an sein Ohr. Unwillkürlich griff er nach seinem Dolch, während er die Tür öffnete.

     Drinnen kauerte Sosanna neben einem niedrigen Holztisch und weinte. Ihre Tränen riefen Ruarc sofort an ihre Seite.

     „Was ist? Soll ich nach der Heilerin schicken?“

     Sosanna schüttelte den Kopf und schmiegte die Wange an die kalte Erde des Bodens. Sie legte die Hand auf den Bauch, sagte aber nichts.

     Ruarc half ihr auf die Liegestatt. Es bekümmerte ihn, sie so bleich und zerbrechlich zu sehen. Es war, als wäre sie dem Tode nahe, und er konnte nichts tun, um ihn aufzuhalten.

     Sie trug ihren léine lose, ohne Gürtel. Stirnrunzelnd betrachtete Ruarc seine Schwester genauer. Ohne Vorwarnung legte er ihr die Hand auf den Bauch.

     Entsetzten zeigte sich auf ihrem Gesicht. Ruarc konnte seinen Schrecken nicht verbergen. Bei allen Göttern! Sie erwartete ein Kind. So wie es aussah, würde sie es Ende dieses Sommers zur Welt bringen. Wie hatte er nur so blind sein können?

     „Wer hat dir das angetan?“, fragte er, und seine Stimme verriet, wie wütend er war. „Nenne mir den Namen des Bastards und, bei Lug, ich schwöre, ich schneide ihm die Kehle durch.“

     Seine Schwester sagte nichts. Das musste sie auch nicht. Ruarc wusste bereits, dass einer der Normannen ihr ein Leid angetan hatte.

     „Sosanna?“, fragte er und dämpfte die Stimme.

     Eine Träne rollte über ihre Wange, und sie drehte sich von ihm weg. In die Felle gekauert, weigerte sie sich zu sprechen.

     Der Tod war noch zu gut für die Normannen. Mit geballten Fäusten ging Ruarc nach draußen. Dort traf er sofort auf einen feindlichen Krieger. Er wollte Blut sehen und seine Wut austoben. Sein Schlag ließ den Kopf des Mannes nach hinten fliegen.

     Überrascht zögerte der Normanne noch einen Moment, bevor er den Schlag erwiderte. Ruarc duckte sich drunter weg und landete einen Hieb in die Rippen seines Gegners.

     Er war völlig außer sich. Er dachte nur noch daran, wie er den unbekannten Mann, der seiner Schwester ein Leid angetan hatte, verletzen konnte. Einer dieser Männer hier hatte seiner Schwester die Stimme und den Stolz genommen. Und dafür würden sie teuer bezahlen.

     Er schmeckte Blut, erlitt schmerzhafte Wunden, konnte aber selbst etliche gute Schläge landen. Wenn er nur ein Schwert hätte, er würde sie alle abschlachten!

     Ein anderer Normanne mischte sich ein. Ruarc trat dem Mann in den Bauch und wirbelte herum, um auf den nächsten einzuprügeln. Eine Rippe brach, und Ruarc stürzte sich wieder auf den ersten Mann und hieb ihm die Faust gegen das Kinn.

     Dann traf etwas seinen Kopf. Er sah alles nur noch verschwommen und fiel zu Boden. Dumpf nahm er wahr, dass man ihm die Hände band und über den Boden schleifte. Sie zwangen ihn, sich mit dem Rücken an einen Pfosten zu setzen. Lederriemen schlossen sich um seine Handgelenke, während seine Clansleute ihn betrachteten.

     „Du bleibst hier, bis unser König zurück ist“, ordnete Bevan MacEgan an. „Und ich glaube nicht, dass das vor Sonnenaufgang sein wird. Du tätest gut daran, die Götter um Gnade anzuflehen. Denn Patrick wird dir keine gewähren.“

     Ruarc hob den Blick und sah Bevan an. „Sie haben meiner Schwester Gewalt angetan. Sie sollten brennen für das, was sie ihr angetan haben.“

     Er sah Verständnis in Bevans Augen aufblitzen. Von allen Männern verstand sein Cousin ihn am besten. Er hatte die eigene Frau durch die Eindringlinge verloren.

     „Sie verdient gerächt zu werden“, sagte Ruarc leise. „Keiner von denen sollte leben.“

     Bevan stand auf und betrachtete mit verschränkten Armen die Normannen. Sosanna trat aus Ruarcs Hütte. Ihre Wangen waren nass von Tränen, und sie hatte die Arme um den Körper geschlungen. In ihren Augen stand nichts als Hoffnungslosigkeit.

     „Ich stimme dir zu“, sagte Bevan ruhig. „Die Normannen werden eine Menge Fragen zu beantworten haben.“

Während Patrick zur Insel ruderte, hielt Isabel sich am Rand des Bootes fest. Sie fühlte sich wie ein Kind, das die Strafe von Vater oder Mutter erwartete. Im Gesicht ihres Mannes konnte sie lesen, dass er immer noch sehr zornig war.

     „Ich kann nicht glauben, dass Ihr so weit geschwommen seid“, sagte Patrick. Am Spiel seiner Armmuskeln konnte sie sehen, wie kräftig er gegen den Sog der Flut anrudern musste. Das Sonnenlicht zauberte rote Streifen auf das sich kräuselnde Wasser. Die See war ruhig geworden, ganz im Gegensatz zu Isabels Gatten. „Ihr hättet ertrinken können!“

     „Hätte ich, ja.“ Es gelang ihr ein reuevolles Lächeln zu zeigen, doch auch das besänftigte seinen Groll nicht. „Ich merkte es, als ich die Hälfte der Strecke hinter mir hatte. Aber da war es zu spät, um umzukehren.“

     „Macht so etwas Dummes nicht wieder“, warnte er. Seine Ruder durchschnitten das Wasser und brachten sie der Insel immer näher.

     „Das nächste Mal borge ich mir ein Boot.“ Das hieß, wenn sie eins finden würde. Sie hatte keine Lust, noch einmal mit dem kalten Wasser Bekanntschaft zu machen.

     „Es wird kein nächstes Mal geben.“

     Isabel war langsam seiner anmaßenden Art müde. Ihm ging es nicht etwa um ihre Sicherheit, er wollte sie mit seinen Befehlen nur kontrollieren. „Seid Euch dessen nicht so sicher.“

     Sein Gesicht verdüsterte sich. Er ließ die Ruder auf dem Rand ruhen. „Was wollt Ihr beweisen, Isabel?“

     Sie klemmte die Hände zwischen ihre Knie. Plötzlich war sie sich seiner starken Ausstrahlung bewusst. Was für ein Zorn lag in seinen stahlgrauen Augen! In seinem Gesicht konnte sie kein Mitgefühl erkennen. Es war das Gesicht eines wilden Kriegers.

     „Ich will nicht von einem Mann herumkommandiert werden, der beschlossen hat, mich ins Exil zu schicken.“

     „Wollt Ihr nicht?“ Er stützte die Arme auf die Knie, wobei die ledernen Armbänder noch seine ausgeprägten Muskeln unterstrichen.

     „Nein.“

     Eigentlich sah er ziemlich gut aus. Wie er wohl war, wenn kein Zorn ihn erfüllte? Isabel war nicht entgangen, mit welchen Blicken ihn die irischen Frauen betrachteten.

     „Wart Ihr mit einer verlobt, bevor Ihr mich heiratetet?“, fragte sie.

     Patrick schüttelte den Kopf. „Warum fragt Ihr?“

     Weil die Frauen ihn angestarrt hatten, als wäre er ein köstlicher, von Honig triefender Kuchen. „Ihr seid nicht gerade hässlich“, meinte sie. „Und Ihr seid ein König.“

     „Nicht gerade hässlich?“ Es zuckte um seinen Mund. „Und ich glaubte, ich sei ein barbarisches Monster.“

     Sie nickte bejahend und verzog den Mund zu einem Lächeln.

     Sein durchdringender Blick jagte ihr kleine Schauer über den Rücken.

     Sie wechselte das Thema. „Erin ist sehr schön bei Nacht.“

     „Das ist es.“ Sein Mund wurde weicher. Die grauen Augen sahen sie fest an, seine Stimme klang voll und verführerisch. „Sehr schön.“

     Isabel errötete und zwang sich, wegzuschauen. Mit dem dunklen Himmel über ihnen und rundherum nichts als dem Meer schien plötzlich alles andere so weit weg.

     Wie es wohl war, von ihm geküsst zu werden? Sie bedeckte den Mund mit den Händen und verdrängte den Gedanken. Die Drohung ihres Vaters verfolgte sie. Er wollte, dass sie von Patrick ein Kind bekommen sollte. Was würde er tun, wenn er erfuhr, dass sie immer noch Jungfrau war? Er hatte geschworen, zur Erntezeit hierherzukommen. Und das war schon in ein paar Monaten. Würde er die öffentliche Beischlafzeremonie fordern? Sie würde ihm zutrauen, sie derart zu demütigen.

     „Ich weiß, dass Ihr mich nicht heiraten wolltet“, begann sie, ohne recht zu wissen, was sie sagen sollte. „Doch das, was ich gesagt habe, habe ich ehrlich gemeint. Mir wäre es lieber, wir wären Freunde.“

     Die entsetzliche Stille schien kein Ende nehmen zu wollen. Patrick ergriff wieder die Ruder und hielt auf den Strand zu. „Trahern will, dass ich heute Nacht bei Euch bleibe, um den Schein zu wahren.“

     Das war nicht ganz das, was sie sich vorstellte, aber es war besser als nichts. Wenn sie zusammen aßen und sich unterhielten, konnte sie vielleicht herausfinden, was für ein Mann ihr Gatte in Wirklichkeit war.

     „Es ist sicher ein großes Opfer, die Zeit mit mir zu verbringen“, stellte sie trocken fest.

     „Ein größeres, als Ihr ahnt“, murmelte er.

     Isabel tauchte die Hand ins Wasser und spritzte es ihm ins Gesicht.

     Tropfen des salzigen Nass liefen ihm über die unrasierten Wangen. „Das war kindisch.“

     „Es war auch nicht nett, was Ihr gesagt habt“, gab sie zurück.

     Einen Herzschlag später traf ein kalter Wasserschwall ihr eigenes Gesicht. Patricks nasse Hand verriet ihn als den Schuldigen. Seine Augen funkelten verschmitzt.

     „Fangt ja nicht so an.“ Isabel tauchte drohend die Hand ins Wasser. „Einen Krieg gibt es bereits zwischen uns.“

     Bevor sie eine Bewegung machen konnte, packte er ihre Hand. Sein Gewicht ließ sie zurücksinken. Mit beiden Schenkeln umschlang er ihre Beine, und seine breite Brust drückte sie nieder.

     Kaltes Wasser tropfte von seinem Hals auf ihre Haut und ließ die Knospen ihrer Brüste hart werden. Das schwarze Haar umrahmte sein Gesicht, und wieder musste sie auf seinen Mund blicken. Seine festen Lippen nahmen sie gefangen.

     Beim Wiegen des Bootes drückte sich sein Körper an sie, und Isabel fühlte sein starkes Begehren. Bei dieser überraschenden Erkenntnis wurde ihr ganz heiß, und ihr Körper verlangte nach mehr, wollte sich noch enger an ihn schmiegen.

     Patrick legte ihre Arme um seinen Nacken, und sie klammerte sich Halt suchend an ihn. Sie spürte nicht länger die Kälte des Wassers. Stattdessen brannte ihr ganzer Körper auf eine Weise, die sie nicht verstand. Sie sehnte sich danach, seine Haut auf der ihren zu spüren. Bei dem Gedanken errötete Isabel.

     Er würde sie nicht küssen. Das konnte sie in seinen Augen lesen. Er kämpfte dagegen an.

     Doch er ließ sie auch nicht los. Er streichelte ihren Rücken und hielt sie von dem harten Holz fern. Ein geheimer Teil von ihr sehnte sich danach, ihn willkommen zu heißen. Seine Hände sollten sie überall berühren und liebkosen. Sie brauchte mehr als nur das. Doch er hielt sich zurück.

     Zitternd presste sie die Brüste an ihn. Sie öffnete die Lippen voller Verlangen nach dem, was Patrick ihr nicht geben wollte.

     Und dann hob sie das Gesicht und küsste ihn.

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