Historical Saison Band 119

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EIN UNGEAHNT VERFÜHRERISCHER SCHWINDEL von ELIZABETH BEACON

Martha schlüpft kurzfristig in die Rolle ihrer Schwester, damit diese heimlich ihren Geliebten heiraten kann – und nicht mit Viscount Elderwood verlobt wird. Ein gewagter Schwindel, denn vom ersten Moment an prickelt es verführerisch zwischen Martha und dem Viscount. Doch was geschieht, wenn er ihr Geheimnis entdeckt?


EIN EARL FÜR MADDIE? von PAULIA BELGADO

In London möchte die amerikanische Erbin Maddie endlich einen Verehrer finden. Doch wer heiratet eine viel zu große Frau, die sich für Chemie interessiert? Wenigstens tanzt der Earl of Balfour, der Bruder ihrer Freundin, mit ihr – auch wenn er nicht auf Brautschau ist. Ausgerechnet zu ihm fühlt sie sich jedoch jäh hingezogen …


  • Erscheinungstag 23.08.2025
  • Bandnummer 119
  • ISBN / Artikelnummer 8090250119
  • Seitenanzahl 400

Leseprobe

Elizabeth Beacon, Paulia Belgado

HISTORICAL SAISON BAND 119

Elizabeth Beacon

PROLOG

„Du wirst es für uns tun, nicht wahr, Martha? Sag, dass du es tun wirst!“, bettelte Lady Fetherall mit Tränen in den Augen.

„Ich bin Bergbäuerin, Caro, keine Schauspielerin. Unser Leben ist völlig verschieden verlaufen. Wie soll ich jemanden eine ganze Woche lang davon überzeugen können, dass ich du bin? Ich habe meine Zweifel, dass ich es auch nur eine halbe Stunde lang könnte“, widersprach Martha.

„Als wir klein waren, hast du alle überzeugend nachgeahmt. Ich weiß nicht mehr viel aus der Zeit, bevor Papa starb, aber ich erinnere mich, dass du Leute imitiert hast, um mich zum Lachen zu bringen. Du hast dir damit oft Ärger eingehandelt.“

„Das war doch nur ein Spiel, als wir kleine Kinder waren. Ist es nicht überhaupt eine Straftat, sich für eine andere Person auszugeben, mit der Absicht andere irrezuführen?“

„Das weiß ich nicht, aber du würdest mich ja nicht damit täuschen, also wahrscheinlich nicht.“

„Aber deinen Viscount würde ich täuschen, oder nicht?“

„Sag das doch nicht immer wieder.“ Ihre Schwester schauderte und verriet damit ihre Gefühle für den Mann, den sie in zwei Wochen heiraten sollte. „Er ist nicht mein Viscount. Selbst, wenn ich Richard nie kennengelernt und mich nicht in ihn verliebt hätte, wäre Lord Elderwood für mich nichts anderes als ein steifer und kalter Aristokrat.“

„Er wäre aber dein steifer und kalter Aristokrat, wenn Mr. Harmsley dich nicht überredet hätte, ihn stattdessen zu heiraten, oder nicht?“

„Stimmt“, sagte Caro und verzog das Gesicht. Ihr Blick drückte einen solchen Horror aus, dass Martha sich fragte, ob dieser Viscount, mit dem ihre Schwester verlobt war, nicht nur eine bedeutendere Version von Caros abstoßendem ersten Ehemann war. Sie schauderte bei dem bloßen Gedanken an eine Wiederholung dieser schrecklichen und bisweilen gewalttätigen Ehe für ihre Schwester. Martha hasste den Gedanken daran, wie Caro sich fühlen musste. „Ich muss dir noch etwas sagen“, gestand Caro, aber sie vermied den fragenden Blick ihrer Schwester.

Martha wurde in diesem Moment beinahe überwältigt von der Liebe zu ihrer Halbschwester, die sie dank ihres herzlosen und manipulativen Großvaters, des Ratsherrn Tolbourne, nur sehr selten sah. Sie erinnerte sich daran, dass Caro als kleines Mädchen auf die gleiche Weise weggeschaut und die Hände gerungen hatte. Das war, bevor ihr Großvater sie getrennt hatte. Er hatte es unter dem Vorwand getan, dass Martha eine Schande für die Familie sei, weil sie rote Haare hatte. Es gebe niemanden mit dieser Haarfarbe in seiner Familie und ebenso wenig in der ihrer lügnerischen Mutter. So behauptete er. Also behauptete er, sie könne nicht das Kind seines Sohnes sein, sondern sei mit Sicherheit der Bastard eines anderen Mannes. Sie sei wahrscheinlich Sam Tolbourne untergeschoben worden von der hinterhältigen Furie, die ihn zum Durchbrennen verleitet hatte, als er kaum dem Schulzimmer entwachsen war.

Martha war sicher, dass ihre Eltern einander sehr geliebt haben mussten, um so etwas zu tun. Tolbourne hatte hochfahrende Pläne für seinen einzigen Sohn gehabt und ihrer Mutter und ihrem Vater den Umgang miteinander strengstens untersagt. Darum mussten sie durchbrennen, als ihre Mama feststellte, dass sie ein Kind erwartete.

Als ihr Vater starb, war Martha alt genug, dass ihr Vater selbst ihr diese Geschichte noch erzählt hatte, aber Caro erinnerte sich kaum noch an ihn. Wie unendlich einsam musste ihre Halbschwester gewesen sein, als ihr Großvater sie als kleines Kind drangsaliert und mit seiner verzerrten Version ihres impulsiven aber liebevollen Papas manipuliert hatte … Er hatte ihr damit sogar die Erinnerungen an all seine Wärme und Zuneigung geraubt.

„Bringe es hinter dich, Caro“, sagte sie freundlich.

„Ich erwarte ein Kind, Marty“, sagte Caro hastig, als sei dies die einzige Möglichkeit es auszusprechen, ohne in Tränen auszubrechen.

„Meine Güte …“, sagte sie nur. Wie seltsam, sich ihre verletzliche Halbschwester als Mutter vorzustellen. Schon in wenigen Monaten. Caro war jahrelang mit dem grässlichen Sir Ambrose Fetherall verheiratet gewesen, bis er betrunken die Treppe hinabstürzte und sich den Hals brach. Es musste eine große Erleichterung für Caro gewesen sein, dass diese Verbindung kinderlos geblieben war. Darum musste es ein umso größerer Schock für sie gewesen sein, als sie feststellte, dass sie schwanger war – und nicht verheiratet mit dem Vater des Kindes.

„Wusstest du von dem Baby, als du mit Viscount Elderwood verlobt wurdest?“, sagte sie.

„Ja, aber Großvater ließ mir keine andere Wahl, als den Antrag anzunehmen. Und ich wagte nicht, Lord Elderwood zu sagen, dass ich ihn nicht heiraten will. Auch ohne das Baby würde ich ihn nicht heiraten, Martha. Titel bedeuten mir nichts. Ich möchte nur geliebt werden, und Richard liebt mich aufrichtig.“

Nun, natürlich sagt er das, da er dir ein Kind angehängt hat.

Martha brachte ihre innere Stimme zum Schweigen.

Was für ein Schlamassel, obwohl es nur Charlton Tolbournes Schuld war, weil er Caro zu dieser Ehe zwingen wollte. Martha fühlte sich verpflichtet, wenigstens den Versuch zu machen, ihre Schwester davor zu bewahren, einen Mann heiraten zu müssen während sie das Kind eines anderen unter dem Herzen trug. Also würde sie das Risiko wohl auf sich nehmen müssen. Es war der einzige Weg, damit Caro und ihr Liebhaber heiraten konnten, ohne dass ihr Großvater es herausfand und sie gegen ihren Willen zu einer anderen Ehe zwingen konnte.

„Ich vermute, es ist Mr. Harmsleys Baby und nicht das deines Viscounts?“

„Selbstverständlich“, sagte Caro entrüstet. „Ich liebe Richard, und ich könnte mich von keinem anderen Mann mehr in dieser Weise berühren lassen. Und bitte hör damit auf, ihn meinen Viscount zu nennen.“

„Du bist mit ihm verlobt, und ich musste dich das fragen.“

„Vermutlich musstest du das.“

„Wie fühlst du dich mit dem Baby?“, fragte Martha behutsam.

„Ängstlich“, sagte Caro und sah auch so aus. Sie suchte offensichtlich nach Worten, um es zu beschreiben. „Aber überglücklich, dass es Richards Kind sein wird, damit ich es lieben kann und ihn auch.“

Martha verstand sie. Selbst für die sanfte Caro wäre es schwierig gewesen, ein Kind von Fetherall zu lieben. Martha fühlte wieder die alte Verantwortung, das Leben ihrer kleinen Halbschwester so zu gestalten, wie ihr verstorbener Vater es gewollt hätte. Nach seinem Tod war sie wahrhaftig nicht sehr erfolgreich damit gewesen. Doch Caro verdiente es, nach einer einsamen Kindheit und unglücklichen Ehe endlich glücklich zu werden.

Martha spürte auch einen kleinen eifersüchtigen Stich, weil ihre Schwester das Glück mit einem Kind erleben durfte, das auch sie so verzweifelt gesucht hatte, als ihr geliebter Tom Lington noch lebte. In ihrem Herzen war immer noch eine schmerzende Leere, und Tom lag in seinem nassen Grab, seit er vor fünf Jahren in der Schlacht von Trafalgar gefallen war. Wäre er noch am Leben, würde er ihr wahrscheinlich den Rat geben, ihr Herz für ihre Halbschwester und die Familie zu öffnen, die Caro mit Harmsley gründen würde.

Also sah es so aus, als würde sie das völlig verrückte Risiko auf sich nehmen müssen, die Stelle ihrer Halbschwester einzunehmen. Währenddessen würden Caro und Harmsley nach Schottland eilen, um dort zu heiraten. Sie würde nur Noakes, die ergebene Zofe ihrer Schwester, an ihrer Seite haben, um ihr bei dem Betrug zu helfen.

„Ich bin voller Angst und Schrecken, dass Großvater mich sonst zur Ehe mit dem Viscount zwingen wird, selbst wenn er herausfindet, dass ich ein Kind erwarte, Martha.“

„Aber du bist keine Siebzehnjährige mehr, die man gegen ihren Willen zum Altar zerren kann, Caro. Du bist eine Witwe von dreiundzwanzig Jahren und vor dem Gesetz berechtigt zu heiraten, wen du willst.“

„Sag das unserem Großvater. Seit er herausfand, dass ich mich heimlich mit Richard treffe, lässt er mich beobachten. Aus diesem Grund musste ich dich bitten, hierherzukommen, statt zum Haus von Noakes’ Schwester in Islington wie sonst. Selbst Großvaters Helfershelfer können sich wohl kaum gewaltsam Zutritt zu den Räumen einer exklusiven Londoner Modistin verschaffen, bei der ich meine Aussteuer anfertigen lasse. Du weißt selbst am besten, wie erbarmungslos Großvater sein kann, nach allem, was er dir angetan hat. Wir würden uns nicht so gut verstehen, wenn auch nur ein Körnchen Wahrheit an der boshaften Geschichte wäre, die er uns als Kinder erzählte.“

Martha schauderte. „Ich weiß, was du meinst.“

„Er tut alles, um seinen Willen durchzusetzen. Und er will, dass sein Urenkel eines Tages ein Lord sein wird. Er behauptet, unser Papa habe ihn im Stich gelassen, indem er eine unpassende Frau heiratete, und nach ihrem Tod heiratete er noch einmal eine andere, die in seinen Augen nicht besser war. Es waren immerhin unsere Mütter, Martha, selbst wenn wir uns nicht an sie erinnern können.“

„Wir beide wissen, dass es gute Frauen waren. Papa liebte sie, weil er ein guter Mann war und nicht im Geringsten wie sein Vater. Aber was Tolbourne betrifft, hast du ganz recht. Ich war erst sechs, als er mich hinauswarf. Er musste gewusst haben, dass es eine Lüge war, als er mich beschuldigte, ein Bastard und nicht Papas Kind zu sein.“

„Ach, hätte ich mich doch nicht immer hinter dir versteckt. Und wäre ich doch nicht so schüchtern gewesen, dass ich mit niemandem außer dir sprechen konnte. Vielleicht hätte er uns dann gemeinsam aufwachsen lassen“, sagte Caro und zuckte hilflos mit den Achseln.

„Es war nicht deine Schuld, Caro. Er tat es, weil ich mich ihm widersetzte. Papa hatte mir aufgetragen, meine kleine Schwester zu beschützen, wenn er nicht mehr da sein würde, und Tolbourne war so kalt und streng, dass du eine Todesangst vor ihm hattest. Du warst doch noch so klein. Es war einzig und allein seine Schuld. Niemals deine. Er muss schon damals, als er uns Kinder zusammen sah, beschlossen haben, dich zu der schönen Frau eines adligen Ehemanns zu machen. Er begriff, dass ich mich gegen seine Pläne wehren würde, wenn er mich bei sich behielt. Ehrlich gesagt, habe ich mich fast gewundert, dass er dich beim ersten Mal mit einem bloßen Baron verheiratete.“

„Zu der Zeit hatte Großvater sich noch nicht in der besten Gesellschaft Zutritt erkauft, um einen besseren Titelträger für mich zu suchen. Darum begnügte er sich damals mit Brose. Dessen Titel brachte mich – trotz seines schockierenden Rufes – zumindest in die Nähe dieses Ziels. Doch nun ist Großvater, dank seiner dubiosen Geschäfte in diesem schrecklichen Krieg, sehr viel reicher als damals, und darum kann er sich jetzt den Lord leisten, den er immer als Ehemann für mich wollte.“

„Warum sagst du Lord Elderwood nicht einfach, dass du ein Kind erwartest, Caro? Lords wollen doch immer einen Erben, und der Gedanke an ein Kuckuckskind dürfte ihn abstoßen.“

„Großvater muss irgendein Druckmittel gegen ihn in der Hand haben, damit er mich heiratet. Was wäre, wenn ich es ihm sagte und er beschließen würde, mich dennoch zu heiraten? Er würde womöglich der Welt mitteilen, mein Kind sei bei der Geburt gestorben, und würde es in ein Waisenhaus stecken.“

Marthas Herz schien bei dem Gedanken, dass Caros Kind für sich allein sorgen müsste, von einer kalten Faust umklammert zu werden. So wäre es ihr als Kind beinahe ergangen. Aber sie musste die alten Ängste vergessen und sich um ihre Schwester und das Baby kümmern. „Warum sollte er das tun, Caro? Diese Geschichte klingt sogar in meinen Ohren weit hergeholt“, sagte sie und hoffte, dass sie damit recht hatte.

„Und wenn ich doch recht habe?“

„Selbst dann kann Tolbourne dich nicht zwingen, vor den Altar zu treten, um diesen Lord Elderwood zu heiraten.“

„Wenn du das denkst, kennst du ihn nicht so gut wie ich“, sagte Caro schonungslos.

„Gott sei Dank. Aber bist du sicher, dass du dich nicht doch Lord Elderwood anvertrauen kannst, um dir all diesen Ärger zu ersparen?“

„Nein. Er ist fest entschlossen, mich zu heiraten, und ich weiß, ich bin für ihn nur Mittel zum Zweck. Aber er hält mich nicht für wichtig genug, um mir zu sagen, um welchen Zweck es geht“, sagte Caro mit erbitterter Stimme.

Da Marthas Schwester trotz ihrer vielen Gründe, von ihrem Großvater enttäuscht zu sein, eigentlich nur selten bitter war, musste er sie wirklich mit besonders großer Kälte behandelt haben. Martha beschloss, auch ihn zusätzlich zu Tolbourne zu hassen. Sie griff nach jedem Strohhalm, um einen einfacheren Weg aus diesem Schlamassel zu finden, denn sie würde gern die Charade vermeiden, die Caro von ihr erbat, um mit ihrem Geliebten nach Schottland durchzubrennen.

„Nun gut. Wenn es keinen anderen Weg gibt, dass du und Mr. Harmsley heiraten könnt, ohne dass Tolbourne und sein Viscount es herausfinden, dann werde ich es wohl tun müssen“, gab sie schließlich nach.

„Oh, ich danke dir, Martha. Du bist schon immer für mich eine bessere Schwester gewesen, als ich verdient habe“, sagte Caro, und war anscheinend kurz davor, wieder in Tränen auszubrechen. „Aber uns bleibt nicht viel Zeit, und du musst viel über mich und Großvater lernen, wenn du auf alle überzeugend wirken willst. Es ist gut, dass Großvater denkt, wir hätten uns seit dem Tag nicht mehr gesehen, als er dich fortschickte. So wird er niemals auf den Gedanken kommen, dass wir die Plätze getauscht haben.“ Caro legte schützend eine Hand auf ihren noch immer flachen Bauch und schaute Martha an. Ihre dunklen Augen, die Marthas eigenen so ähnlich waren, drückten unendlich viele Emotionen aus.

Doch so sehr sie einander auch ähnelten – abgesehen von der Haarfarbe – hatte Martha nie ein ungeborenes Kind gehabt, für das sie kämpfen musste. „Dafür sind Schwestern da“, sagte sie. „Aber wie kannst du so viel Zeit mit mir verbringen, wenn Tolbourne dich so engmaschig überwachen lässt?“

„Celine ist Noakes’ Nichte und wird eigentlich Sally genannt. Sie gestattet dir, dich hier in ihrer Wohnung aufzuhalten, während ich vorgebe, mich um meine Aussteuer zu kümmern. In Wirklichkeit werden Noakes und ich unser Bestes tun, um aus dir eine feine Lady zu machen.“

„Na dann viel Glück mit dieser unwahrscheinlichen Transformation. Aber nun schreibe ich an Großmama Winton und teile ihr mit, ich hätte beschlossen, hier im Süden einige befreundete Seemannswitwen zu besuchen, damit sie mich nicht vor Lichtmess zurück erwartet. Hoffentlich schneit es vor Anfang Februar nicht zu stark, Caro.“ Denn dann müsste sie zurückkehren, um Großvater bei der Arbeit zu helfen.

Martha versuchte an alle möglichen Lücken in der Geschichte zu denken, damit niemand sie suchen würde. Ihr Lügengewebe würde zerreißen, weil sie kein reales Leben hatte, zu dem sie zurückkehren konnte. Caro konnte nicht wissen, wie überlebenswichtig es war, Futter und Wasser zu ihren Schafen zu bringen, obwohl es eine widerstandsfähige Rasse war. Wenn der Schnee kam, mussten Martha und ihre Großeltern mütterlicherseits die Tiere auf ihrer Farm auf den Hügeln von Cumberland versorgen.

„Ich kann in dem Fall einige zusätzliche Helfer bezahlen.“

„Nein, wenn Tolbourne es herausfindet, wird er zwei und zwei zusammenzählen und uns auffliegen lassen.“

„Welch ein schrecklicher Gedanke“, sagte Caro schaudernd. „Aber du wirst in Kent bleiben bis zum Tag meiner geplanten Hochzeit mit Lord Elderwood, selbst wenn du von Schneestürmen im Norden hörst, versprichst du es? Richard und ich brauchen eine Woche Vorsprung, damit wir rechtzeitig in Schottland sind, um ihnen überhaupt in dieser Jahreszeit ein Schnippchen schlagen zu können.“

„Ich verspreche dir, alles in meiner Macht Stehende zu tun, um deinen Viscount in die Irre zu führen und davon zu überzeugen, dass ich sehr erpicht darauf bin, ihn zu heiraten. Vom Tag seiner Ankunft in Tolbournes Landhaus an, bis zum Tag vor der geplanten Hochzeit. Die Grenze wäre für mich überschritten, wenn ich ihn vor dem Altar stehenlassen müsste, um an dem Tag selbst plötzlich zu fliehen.“

„Natürlich. Und jetzt musst du lernen, ich zu sein, bevor du es dir noch anders überlegst.“

1. KAPITEL

Sieben Tage später saß Martha in dem überheizten Landhaus ihres Großvaters und hatte das Gefühl zu ersticken. Sie sehnte sich nach der frischen Luft in Cumberland zurück. Caros Korsett kniff und zwickte und presste sie in eine Form, die ihr Körper bis heute noch nie gekannt hatte. Äußerlich war sie die in Seide gekleidete Männer-Falle, die ihr Großvater aus Caro machen wollte, aber innerlich war sie immer noch Martha und sehnte sich nach Hause und dem ruhigen abgeschiedenen Leben vor dieser Scharade zurück.

Sie erinnerte sich noch daran, wie rücksichtslos ihr Großvater Caro dazu erzogen hatte, ihre schöne Figur und hübsches Gesicht zur Schau zu stellen, um damit einen Adligen einzufangen. Und beinahe hätte sie gelacht bei dem Gedanken, dass sie ihm womöglich sogar dankbar sein sollte, dass er sie als Kind so harsch in aller Öffentlichkeit zurückgewiesen hatte. Denn so würde ihr Hass auf ihn ihr den Mut geben, nach unten zu gehen und dieses falsche Spiel so richtig zu beginnen.

Sie seufzte, als sie daran dachte, wie Caro heute Morgen an Celines exklusivem Laden ankam, um angeblich ihr Brautkleid abzuholen. Danach war sie jedoch nicht nach Hause zurückgekehrt, sondern Martha hatte ihre Stelle eingenommen. Caro war in der Kleidung einer Näherin durch die Hintertür geschlichen, um sich mit ihrem Geliebten zu treffen, der bereits ungeduldig einige Straßen weiter wartete, um mit ihr zu entfliehen.

Obwohl sie wusste, dass sie die einzige Hoffnung ihrer Schwester auf eine Flucht war, hätte sich Martha am liebsten das auffällige Kleid ihrer Schwester vom Leib gerissen. Sie würde lieber eines ihrer eigenen praktischen warmen Kleider anziehen und zur nächsten Poststation gehen, eine Kutsche besteigen und irgendwo anders hinfahren. Doch sie wusste, dass sie das Caro nicht antun konnte. Sie musste hierbleiben und so lange wie möglich vorgeben, ihre Schwester zu sein, um ihr eine Chance zu geben. Es war ja nur für eine Woche … eine einzige Woche bis zu Caros vorgeblicher Hochzeit mit Lord Elderwood.

Martha hatte tagelang geübt, sich zu kleiden, zu gehen und sprechen wie Caroline, Lady Fetherall, bis sie sich selbst fast ein wenig fremd vorkam. Nun würde sie Caro sein müssen, bis es für ihren Großvater zu spät sein würde, ihre Schwester zurückzuholen, um den zahmen Viscount zu heiraten.

Martha schickte ein Gebet zum Himmel, dass das Wetter auf dem Weg nach Schottland gut bleiben möge. Wenn es regnete und die Straßen schlammbedeckt waren, würde die Kutsche am raschen Vorankommen gehindert, während Tolbournes gute Pferde, wenn nötig, sogar quer über das Land geritten werden konnten. Sie durfte sich keinen Fehler erlauben. Wenn jemand anders als Caros ergebene Dienerin erriet, dass sie nicht Lady Fetherall war … Martha wollte sich lieber nicht ausmalen, was ihrer geliebten Schwester und dem Baby dann zustoßen könnte.

Sei vorsichtig bei dem, was du dir wünschst, Martha Lington, sagte sie sich. Sie musste sich von dem unerfreulichen Bild ablenken, wie Caro und Harmsley so schnell wie möglich auf die Grenze zu eilten, verfolgt von ihrem Großvater und seinen Helfershelfern.

Obwohl sie sich nach Toms Tod bei ihren Großeltern mütterlicherseits hatte zurückziehen wollen, hatte sie sich im Stillen manchmal gewünscht, wenigstens ab und zu schöne Kleider anziehen und sich wieder ganz feminin fühlen zu können. Bei seinen kostbaren, kurzen Landurlauben hatte Tom sie gern in schönen Kleidern gesehen. Inzwischen hatte sie sich natürlich an die raue Kleidung gewöhnt, die sie seitdem fast ständig trug. Alles andere wurde zu schnell ruiniert bei der Arbeit auf der Farm ihres Großvaters Winton.

Sie fühlte sich sehr unbehaglich in Caros skandalösen Kleidern und dem schrecklichen Korsett. Am schlimmsten war das Kleid aus purpurroter Seide, welches sie gerade anhatte. Von ihrem Körper war so viel zu sehen, dass jeder Mann ihre hochgedrückten Brüste und die ganze Figur unter dem hauchdünnen Fähnchen angaffen konnte, wenn er wollte. Es schmiegte sich an ihre üppige Figur, als sei es für sie gemacht.

In dieser Kleidung würde sie vorgeben müssen, eine elegante Modedame zu sein, während Seine frostige Lordschaft, von dem Caro sagte, er verachte sie, seine düsteren Geheimnisse für sich behielt. Doch sie würde dieses Spiel gewinnen, und Lord Elderwood würde nicht einmal merken, dass er es spielte. Sie hatte sich verschönern und schminken lassen, bis sie sich selbst kaum noch erkannte. Ihre Haare waren dunkelbraun gefärbt, und die letzten Spuren von Mrs. Martha Lington waren verschwunden. Nach einem weiteren Blick in den Spiegel schüttelte sie ihren kunstvoll verwuschelten Kopf bei dem Gedanken, dass sie diese unerhörte Täuschung auch nur eine Nacht lang unentdeckt durchhalten konnte. Was würde ihr geliebter Tom von ihr denken, wenn er sähe, dass sie sich so zur Schau stellte? Doch schnell blinzelte sie die Tränen zurück, damit ihre schwarz getuschten Wimpern nicht die Farbe verloren.

„Sie ruinieren noch alles“, sagte Noakes tadelnd, als Martha an den sorgfältig von der Zofe arrangierten Locken zupfte.

Martha zog eine kunstvoll geschwärzte Augenbraue hoch und sah Noakes an. „Es ist alles ein furchtbarer Schlamassel“, sagte sie, „aber das ist ja nicht Ihre Schuld.“ Martha zog den tiefen Ausschnitt des Kleides ihrer Schwester hoch, um es ein wenig sittsamer zu machen, aber das war unmöglich.

„Sind Sie bereit?“, fragte Noakes mit Zweifel in der Stimme.

„Nein, aber ich werde es trotzdem tun.“ Martha warf einen letzten Blick auf die Fremde im Spiegel. Nun musste sie nur noch nach unten gehen und sich offiziell mit Lord Elderwood verloben, um die Spürhunde von der Fährte ihrer Schwester fernzuhalten. „Ich danke Ihnen für Ihre Hilfe“, sagte sie impulsiv. „Ich bin sicher, Tolbournes Männer haben keinen Verdacht geschöpft, als ich in Caros Kleidern Celines Laden verließ, obwohl mein Herz auf dem ganzen Weg hierher rasend schnell schlug.“

„So wie meines auch, aber bisher haben Sie Ihre Sache gut gemacht, Miss Martha.“

„Nennen Sie mich bitte hier nicht so, Noakes – und außerdem bin ich keine Miss.“

„Auch gut – in diesen Kleidern“, sagte Noakes schroff, und Martha zog eine kleine Grimasse. Lady Fetherall konnte nicht zu ihrem eigenen Verlobungsball zu spät erscheinen, also war es Zeit, nach unten zu gehen und sich der Sache zu stellen.

Zachary Chilton, Viscount Elderwood, wartete am Fuße der Treppe auf die Frau, die er heiraten würde, obwohl alles in ihm Nein schrie. Er war jedoch ein Chilton, also war er an sein Wort gebunden. Aber in diesem Augenblick fühlten sich seine Versprechen für ihn an wie Teufelswerk. Er hatte sie seinem verstorbenen Vater und seiner Großmutter gegeben, also musste er diesen weiblichen Ladenhüter heiraten. Es wurde gemunkelt, sie habe eine ganze Parade von Liebhabern gehabt. Doch er hatte seinem Vater und der Großmutter versprochen, dass er eines Tages Holdfast Castle für die Familie zurückholen würde. Er hielt es für seine Pflicht, das Land und den Besitz wiederzugewinnen. Alle das, was sein Großvater im Spiel verloren hatte. Darum war er hier.

Es war seine teuflische Pflicht, aber er hätte nie gedacht, dass es ihn so bitter treffen würde, den Preis für sein Versprechen zu bezahlen. Wenn Lady Fetherall doch wenigstens Zachs Antrag abgewiesen hätte. Dann könnte ihr Großvater ihm das Angebot von Holdfast als Mitgift nicht ständig vor die Nase halten, und vielleicht hätte der alte Mann es ihm stattdessen verkauft. Wenn sie doch nein gesagt hätte. Dann wüsste er, dass er alles versucht hatte, um den Familienbesitz zurückzubekommen. Selbst die vorwurfsvollen Geister der Ahnen könnten ihn dann nicht tadeln, wenn er sein Leben weiterlebte, wie er es wollte. Dann konnte er noch hoffen, eines Tages einer Frau zu begegnen, die er lieben und heiraten wollte.

Seine Eltern hatten einander so innig geliebt, dass seine Mutter nach fünfzehn Jahren immer noch um seinen Vater trauerte. Zach hatte immer auf solch eine Liebe gewartet, aber nun würde er sie wohl nicht mehr finden. Für Holdfast Castle würde er stattdessen Lady Fetherall heiraten müssen. In einer Woche. Wie es seine Pflicht war. Ein Chilton hatte das einst so prächtige DeMayne Erbteil verspielt, also war es an ihm als dem Erben des unbetrauerten Großvaters, es zurückzubekommen.

Seine Großmutter war eine geborene Lady Margaret DeMayne. Als Letzte ihrer Linie galt sie damals als großartige Partie, als Zachs charmanter Gauner von einem Großvater sie heiratete. Seit vielen Generationen war Holdfast Castle von den DeMaynes für den König gehalten worden, bevor Schottland und England unter der schottischen Krone vereinigt wurden. Danach gab es keinen Grund mehr für weitere Kämpfe. Die DeMaynes mussten sich damit abfinden, nur noch mächtige Earls in Northumberland zu sein. Doch Lady Margaret hatte aus Liebe einen Verschwender geheiratet, und ihr Gemahl, der vorletzte Viscount Elderwood, hatte im Spiel ihr wundervolles Erbe auf eine Karte gesetzt und verloren. Anschließend erschoss er sich und entzog sich damit den Konsequenzen seiner Taten.

Zachs Vater war noch sehr jung gewesen und hatte zusammen mit seiner Mutter sehr hart arbeiten müssen, um Flaxonby Hall und die Anwesen der Familie Chilton aus den Schulden herauszuholen. Sein Vater war tragischerweise jung verstorben, und darum war es Zachs Pflicht, wie versprochen das Schloss und die Ländereien zurückzugewinnen, die sein Großvater verloren hatte. Nun war Holdfast zum Greifen nah, selbst wenn für ihn der Preis hoch war. Er würde seine Freiheit und dazu noch seine Integrität verlieren.

Die Hochzeit mit Lady Fetherall war die einzige Chance für ihn, Holdfast zu erlangen, also würde er sie heiraten. Zach hatte mehrmals versucht, Tolbourne zum Verkauf des baufälligen Schlosses zu überreden, war jedoch immer wieder abgewiesen worden. Wie durch eine Fügung des Schicksals, war Sir Ambrose Fetherall bei einem tödlichen Sturz ums Leben gekommen, und Tolbourne hatte Zach den Preis für das Holdfast-Anwesen genannt: die Hochzeit mit seiner Enkelin. Ansonsten würde er das Schloss dem Verfall überlassen.

Zach hatte überlegt, ob er noch abwarten sollte. Der Mann war alt, und vielleicht konnte man das Anwesen später zu einem tieferen Preis erwerben, da es nicht mehr viel wert war. Doch dafür war Tolbourne zu schlau. Er drohte damit, es zum alleinigen Eigentum der Kinder seiner Enkelin zu bestimmen, sodass Zach es niemals in die eigenen Hände bekommen würde. Also musste er entweder eine Frau heiraten, die sich anzog und aufführte wie eine kostspielige Kurtisane – oder für immer jede Hoffnung auf Holdfast aufgeben.

Aus diesem Grund stand er nun am Fuß der vulgär vergoldeten Treppe in diesem vulgär vergoldeten Haus und wartete auf Lady Fetherall. Sie würden in gutem Stil ihre Verlobung feiern, und danach begann der Countdown zu diesem Pakt mit dem Teufel.

Sie standen in Tolbournes Haus. Weil er seine Familie nicht in diese schmutzige Angelegenheit mit hineinziehen wollte, hatte er niemanden aus seiner Familie zur Verlobung eingeladen. Außerdem wollte er verhindern, dass Tolbourne sich in Flaxonby Hall aufplusterte und sich Zachs Freunden und Nachbarn aufzudrängen versuchte. Zachs Gefühl sagte ihm, er solle so schnell wie möglich davonlaufen, aber er zwang sich zum Stillstehen, bis er sich vorkam, als sei er aus Marmor gemeißelt. Vor Weihnachten hatte er den Chilton-Smaragd an den schlanken Finger Ihrer Ladyschaft gesteckt, und die Verlobung war in den Morgenausgaben der Zeitungen veröffentlicht worden, also gab es kein Zurück mehr. Er war hier, um die vermaledeite Frau zu heiraten.

Der Marmor erstarrte zu Eis, als Lady Fetherall ihn warten ließ wie einen Bittsteller. Tolbourne hatte recht behalten: Jeder Mann hatte einen Preis, und dies war seiner. Doch er schäumte innerlich, während er auf Ihre Ladyschaft wartete, und schwor sich, einen Weg zu finden, um Tolbournes Klauen zu entkommen. Er atmete tief durch und tat so, als sei Tolbournes hämischer Blick ihm gleichgültig.

Zumindest konnte er dafür sorgen, dass Tolbourne niemals den adligen Urenkel bekommen würde, mit dem er sich bereits bei seinen Kumpanen brüstete. Zach verspürte kein Verlangen, mit dieser Frau das Bett zu teilen. Wenn er den Eheschwur abgelegt hatte und die Urkunde von Holdfast in der Hand hielt, würde er dieser Frau und dieser Ehe den Rücken kehren. Zachs jüngerer Bruder Max konnte die Familie fortführen, wenn er wollte. Mit einer solchen Person wollte er keine Nachkommen, denn er würde sich dabei fühlen wie ein Zuchtstier, von Tolbourne gekauft, um seine Herde zu verbessern. Nun musste er lediglich noch eine Woche herumbringen, an deren Ende er von Tolbourne und seiner flatterhaften Enkelin fortreiten konnte, weil er wusste, Holdfast war wieder in seiner Familie.

Endlich vernahm er das Geräusch leichter Schritte und das Rascheln von Lady Fetheralls Seidenröcken. Es klang schockierend laut in der plötzlichen Stille, als aller Augen auf sie statt auf ihn gerichtet waren. Zach wappnete sich dagegen, wieder ihrem leeren Blick zu begegnen. Wenn er sich darauf konzentrierte, sein Gesicht ebenso nichtssagend und seinen Körper stillzuhalten, würde es ihm vielleicht nicht mehr wichtig sein, dass Lady Fetherall die Treppe hinabglitt, als habe sie keinerlei Sorgen. Sie war immer auffällig gekleidet, also sollte er auch nicht von ihrem neuesten Kleid schockiert sein. Doch er war es. Sie zeigte mehr von sich, als die meisten Frauen, wenn sie ausgezogen waren. Zach sagte sich, er sei immun gegen ihr schönes Gesicht und die üppige feminine Figur, also was kümmerte es ihn? Er war ein erwachsener Mann mit den üblichen maskulinen Bedürfnissen, also verwunderte es ihn nicht, dass sein Körper auf diese Zurschaustellung reagierte. Sein Körper mochte sie begehren, aber er würde seine frostige Distanz wahren, sagte er sich. Er bevorzugte subtilere Formen der Verführung. Als sie nun auf ihn zu trat, als gäbe es nichts, für das sie sich schämen müsste, war nichts an ihr subtil.

Dennoch musste er seine lächerliche maskuline Reaktion auf ihre kurvenreiche feminine Figur mühsam unterdrücken. Ihr Haar war in kunstvoller Unordnung frisiert, ihre Schlafzimmeraugen blickten herausfordernder als je zuvor. Er musste alles aufbieten, um sich wieder zum Eisblock zu machen. Eine neue Herausforderung war in dem dreisten Blick, den sie wie eine Waffe auf ihn richtete. Bisher hatte er noch nie auch nur vorübergehend Interesse an der Frau hinter dem gekünstelten Lächeln gehabt, also was war heute los mit ihm?

Ein unbehaglicher Schauder rann ihm den Rücken hinab, als er sie anschaute. Er wünschte, er hätte ein Monokel, um sie besser ansehen zu können. Doch es war zu spät vorzugeben, er könne nicht jeden Zoll ihrer nackten Haut sehen, die sie ihm in dem skandalösen Kleid präsentierte. Er glaubte Schock und offenen Widerstand in ihrem Blick zu erkennen, aber Tolbourne war offenbar zufrieden mit ihrem zuckersüßen Lächeln. Zach glaubte ein wilderes Leuchten in ihren dunklen Augen zu sehen als sonst, und auch ihr Lächeln schien heute etwas Wölfisches zu verbergen.

Warum hatte er bisher nicht versucht, die wahren Gefühle dieser Frau über ihn und diese verdammte Heirat zu ergründen? Natürlich, weil er zu wütend war, in der Falle zu sitzen, entschied er. Aber war ihr nicht klar, dass sie mit einem Ehemann, der zur Ehe gezwungen worden war, nicht zusammenleben konnte? Nicht, dass er wirklich mit ihr leben wollte … also war es vermutlich unwichtig, ob sie es wusste oder nicht. Sie hatte es geschafft, jahrelang mit Fetherall zu leben, und dagegen wäre das Leben mit ihm gewiss ein Kinderspiel. Und doch erblickte er etwas Komplizierteres und Unerwartetes, als sie ihn nun das erste Mal direkt anschaute. Bisher hatte er sie für seicht wie einen Tümpel im Sommer gehalten, aber heute fragte er sich, ob er diese Einschätzung ändern musste. Hatte er ihre Gefühle bisher keines zweiten Gedankens gewürdigt, weil er nur in sein eigenes Elend verstrickt war?

„Lady Fetherall“, begrüßte er sie steif, um sich von der plötzlichen, lächerlichen Vorstellung ihrer weichen Kurven in seinem Schlafzimmer abzulenken.

„Lord Elderwood?“, sagte sie mit der leichten Andeutung eines Zweifels in ihrer rauchigen Stimme. Wahrscheinlich wollte sie ihn dazu bringen, sie noch einmal direkt anzublicken.

Er fragte sich, welche Augenfarbe sie wohl bei Tageslicht hatte, und warum er bisher nie darüber nachgedacht hatte. Doch es war unwichtig, ob sie schlammfarben oder dunkel-verführerisch waren wie die einer Göttin, denn er würde nicht lange genug hineinblicken, um es herauszufinden. Wenn sie so treulos war, wie die Gerüchte besagten, musste er nur ihren ersten neuen Liebhaber abwarten, ihn des kriminellen Umgangs mit seiner Frau bezichtigen und sich von ihr scheiden lassen. Er würde das Schloss behalten, und daran konnte auch Tolbourne nichts ändern.

Es war der perfekte Plan, darum konnte er sich nicht leisten, sie dafür zu bewundern, dass sie zu ihrem Verlobungsball in einem tiefroten Kleid erschienen war und aussah wie die verkörperte Ablehnung.

„Wollen wir zu den Gästen gehen, Mylady?“, schlug er vor, bevor Tolbourne seine Autorität als Herr dieses vulgären Hauses geltend machen konnte, um an seiner Stelle zu sprechen.

„Natürlich, Mylord“, erwiderte sie mit so meisterhaft mangelndem Enthusiasmus, dass Zach erneut fasziniert war.

Sie klang nicht so, als sei sie kurz davor, ihren Lebenstraum von einer Viscountess-Krone zu verwirklichen. Vielleicht hatte sie ja einen Liebhaber, den sie lieber heiraten würde, wenn er einen Titel hätte. Sein Stolz war verletzt und er war seltsamerweise sogar etwas eifersüchtig bei dem Gedanken, ein nicht vollkommen perfekter, zukünftiger Ehemann zu sein. In steifer Haltung hielt Zach der Frau, die zu heiraten er gekommen war, den angewinkelten Arm entgegen. Als sie jedoch die Fingerspitzen auf seinen Ärmel legte, hätte er beinahe den Arm weggezogen, denn es fühlte sich an, als sei ein Blitz in ihn gefahren.

Es war nur ein Ausbruch plötzlicher Abneigung. Natürlich.

Er hasste ihre Berührung selbst durch den dunklen Abendanzug und das Leinenhemd hindurch. Es war Widerwille und nicht das unpassendste sinnliche Gefühl, das er je erlebt hatte. Lügner, schrie sein inneres Gefühl, aber er ignorierte es mannhaft.

„Geht weiter“, sagte Tolbourne mit kratziger Stimme hinter ihnen und Zach schaute Lady Fetherall an, um zu sehen, wie sie auf den unhöflichen Befehl ihres Großvaters reagierte.

Ein großer Fehler. Aus dieser Nähe konnte er bei seiner Größe viel zu viel von ihrem üppigen Busen sehen. Ihre dunklen Haare waren in kunstvoller Unordnung aufgetürmt, und er fragte sich, warum er bisher noch nie so in Versuchung gewesen war, sie mit den Fingern noch weiter zu zerwühlen. Ihre Lippen waren nur wenig stärker gerötet als normal, und sie sahen voll und köstlich aus. Das geschickt aufgetragene Rouge auf den Wangen und der Ruß auf den Wimpern veranlassten eine Lady dazu, laut zu flüstern: „Lady Fetherall malt sich an“, und sie hatte recht.

Er wollte nicht, dass sie noch mehr Fleisch zeigte, indem sie knickste oder sich auf der Tanzfläche über Gebühr bewegte. Seine eiskalte Oberfläche schmolz fast bei dem wütenden Gedanken, dass jeder hier anwesende Mann sie lüstern angaffte. Wenn sie seine Schwester, Cousine oder auch nur seine Mätresse wäre, würde er an ihrer Art, sich zu kleiden, Anstoß nehmen, weil keine Frau mit Selbstachtung so verwegen sein sollte. Er zwang sich zum Wegschauen von ihrer eng geschnürten Figur und dem kaum vorhandenen Kleid, aber er glaubte einen weiteren Blitz wilder Ablehnung in ihren schläfrig wirkenden Augen zu sehen, bevor sie züchtig den Blick wieder senkte.

Er ließ seinen Blick auf ihrem angemalten Gesicht und dem unzüchtig freiliegenden Busen liegen, um zu testen, ob sie wohl auch dieses Fiasko hasste. Dann befahl er sich selbst, voll Schrecken daran zu denken, dass sie nächste Woche seine Ehefrau sein würde. Er hatte plötzlich den Verdacht, dass eine völlig andere Frau unter der Schminke und dem auffälligen Verhalten steckte. Aber das war wohl Wunschdenken.

Wie zum Beweis sandte sie einen hexenartigen Blick unter den angemalten Wimpern hervor, der wohl bedeutete, sie sei für Flirts und vielleicht noch mehr zugänglich, wenn er wollte. Seine Männlichkeit war einverstanden, aber Zach rief sich zur Ordnung. Und überhaupt war er viel mehr an dem wilden Geist interessiert, den er unter der auffallenden Oberfläche entdeckt hatte.

Aber nein, er musste sich irren. Sie konnte nichts anderes als die hohlköpfige und lüsterne Frau sein, für die jedermann sie hielt, sonst hätte sie wohl mehr Seidenstoff gekauft und an all ihre Kleider angefügt. Er verstand nicht, warum sie ihn heute faszinierte, obwohl sie kein Geheimnis haben konnte. Fast alles, was sie zu bieten hatte, stellte sie offen zur Schau. Vorher hatte er nie auch nur einen Funken von Anziehung zu ihr empfunden, doch nun war seine Gewissheit bedroht, dass er nicht hier sein wollte und diese Frau nicht heiraten wollte. Er musste sich selbst daran erinnern, warum er trotz allem hier war, und was er wirklich von dieser lächerlichen Verlobung erwartete.

Er führte sie in den spärlich erleuchteten, farbenfrohen Ballsaal. Dort hob er eine Hand, um für Ruhe zu sorgen, bevor Tolbourne es für ihn tun konnte.

„Ladys und Gentlemen, ich präsentiere Ihnen hiermit meine künftige Braut, Lady Fetherall“, verkündete er, als es leiser wurde. Er hielt ihre vereinten Hände hoch, sodass man den Smaragd am Finger seiner Verlobten funkeln sah. Er schien grünes Feuer zu sprühen im Licht von zu vielen Kristalllüstern. Kein Wunder, dass es hier so heiß war.

Ein verdächtiger Schauder durchlief ihn beim Anblick des kalten grünen Feuers und wegen der Falschheit dieser hastig arrangierten Heirat. Seine Mutter hatte es immer abgelehnt, den Chilton-Smaragd zu tragen. Sie hielt ihn für vulgär, altmodisch und vielleicht sogar verflucht. Da Zach sich nicht darum scherte, ob seine Hochzeit oder die Ehe mit dieser Braut verflucht sein könnte, kümmerte es ihn nicht, als er ihn ihr an den zitternden Finger steckte. Doch nun fiel ihm Tolbournes habgieriger Blick an dem Tag wieder ein, als die Verlobung offiziell wurde, und er zitterte für sie. Sie hatte so merkwürdig verhalten gewirkt beim Anblick des alten Rings, der an ihrem schlanken Finger so schwer aussah. Nun spürte er ihre Hand zittern, als einer von Tolbournes Speichelleckern zu applaudieren begann und der Rest der Menschen sich anschloss. Nach einem besorgten Blick auf ihren Großvater schien sie sich jedoch zu entspannen. Sein dünkelhafter Blick hatte sie wohl beruhigt.

Warum war es Zach bisher nicht aufgefallen, wie viel Angst sie vor dem skrupellosen Gauner hatte?

Weil es ihn nicht genug interessiert hatte, vermutlich. Er schaute sie von der Seite an und korrigierte sich. Sie sah nicht wirklich angstvoll aus, eher so, als befürchte sie eine harsche Zurückweisung.

Verdammt sei dieses Gefühl, an Lady Fetherall sei weit mehr, als er bisher wahrgenommen hatte. Irgendwie schien es ihm nun seine Pflicht zu sein, sie vor dem alten Mann zu verteidigen. Eine Woche vor der Hochzeit. Er wusste, dass dies Tolbournes Art war, den feinen Leuten eine lange Nase zu zeigen. Zach war in diese Gesellschaftsschicht hineingeboren worden, und man würde seine Viscountess in ihrer Mitte aufnehmen, ob sie ihnen gefiel oder nicht.

Er schaute hinüber zu Lady Fetherall und sah, dass sie so selbstzufrieden aussah wie immer. Vielleicht war sie ja doch eine bemalte Puppe und machte gern mit bei den großen Plänen ihres Großvaters, wenn sie dafür ein Leben im Luxus und so viele knappe Seidenkleider haben konnte, wie sein Geld ihr kaufen konnte.

Natürlich war keine heißblütige und rebellische Frau unter dieser Oberfläche verborgen. Obwohl so viel weiche Haut zu bewundern war, wünschte sich Zach, sie würde sich bedecken – für ihn, aber auch für sich selbst.

2. KAPITEL

Gefügig? Warum in aller Welt dachte ich, er sei gefügig? Martha war über diesen kraftvollen Adligen an ihrer Seite so schockiert, dass sie kaum glauben konnte, dass er ihre Halbschwester in einer Woche hätte heiraten sollen.

Als er sie mit diesen außergewöhnlichen eisblauen Augen zum ersten Mal anschaute, vergaß sie alle anderen Menschen im Raum. Sie hätte sich beinahe verraten, indem sie ihn mit offenem Mund anstarrte.

Dieser Viscount, den Caro auf keinen Fall heiraten wollte, war groß und markant und kraftvoll … und offenbar voll innerlich angestauter Wut über diese Angelegenheit.

Neben ihm verblasste jeder andere, und Martha schaute sich um, weil sie wissen wollte, ob er tatsächlich Lord Elderwood war und nicht etwa sein Freund oder Bruder. Doch niemand anders als er stand unten an der Treppe, außer ihrem Großvater. Dieser zornige, eiskalte Wikinger mit den stahlharten Augen musste also wirklich Lord Elderwood sein. Er hatte sie mit einem gleichgültigen Blick bedacht und dann weggesehen, als sei sie keinen zweiten Blick wert. Ihr heftiger Herzschlag verriet ihr, dass es viel einfacher gewesen wäre, den erwarteten trotteligen Titelträger irrezuführen als diesen Mann. Und sie musste gegen ihren Willen daran denken, wie es wäre, wenn sie wirklich diejenige wäre, die ihn in einer Woche heiraten würde …

Sie fühlte sich herausgefordert, eingeschüchtert und insgeheim ein wenig zu erregt bei dem Gedanken an einen Mann wie ihn als ihren Liebhaber. Doch das würde nicht geschehen.

In einer anderen Zeit könnte sie ihn sich als Anführer einer Schar wilder Wikinger auf Beutezug vorstellen. Ihr Mund wurde trocken, ihr Puls raste. Es fiel ihr schwer, ganz gelassen die letzten Stufen nach unten zu ihm zu gehen, als sei er irgendein gewöhnlicher Adliger. Ganz offensichtlich war er nicht irgendwer, und er sah auch nicht gewöhnlich aus.

Wie hatte sie annehmen können, sie könne diesen kraftvollen Mann so lange hinhalten und täuschen?

Natürlich würde sie es versuchen müssen, aber es würde ihre gesamte Willenskraft erfordern – und sehr viel Glück außerdem – diese Rolle durchzuhalten.

Lord Elderwood war viel jünger, als sie erwartet hatte, und mit den sonnengebleichten Strähnen in den dicken dunkelblonden Haaren sah er so wild aus wie seine nordischen Vorfahren ausgesehen haben mussten, als sie beutesuchend auf dem Nordmeer segelten. Sie wusste, dass die Wikinger jahrhundertelang Teile von Nordengland beherrscht hatten, und Caro hatte ihr erzählt, dass sein Landsitz in Yorkshire lag. Es war also wohl nicht verwunderlich, dass er wütend war, in dieser Falle einer unerwünschten Heirat mit Caro zu sitzen. Sie bemitleidete ihn beinahe. Es erschien ihr falsch, so viel eiserne Kraft gedemütigt zu sehen, aber sie durfte nicht vergessen, dass er der Feind war.

Seine breiten Schultern und schmalen Hüften kamen in dem schwarzen Abendanzug perfekt zur Geltung. Und obwohl er in dem makellosen Leinenhemd und der grauen Seidenweste aussah wie das perfekte Bild eines zivilisierten Lords, bewies die kalte Intelligenz seiner eisblauen Augen, dass in seinem Inneren immer noch ein Krieger versteckt war.

Überrascht stellte sie fest, dass er aussah, als würde er am liebsten jeden Ausweg aus diesem leidigen Ballsaal nehmen, den er finden konnte. Wenigstens das hatten sie gemeinsam.

Lord Elderwood hatte sie inzwischen in den Ballsaal geführt, wo er mit kurzen Worten ihre Verlobung bekanntgab. Zu ihrem eigenen Ärger stellte sie fest, dass sie seinen feindseligen Blick nicht noch einmal ertragen wollte. Darum schaute sie nur auf seinen harten Mund. Sie dachte, er könne ein Wikinger-Krieger mit der Seele eines Poeten sein, wenn sein Mund nicht so streng zusammengepresst wäre, dass die Poesie nicht entweichen konnte. Welch ein abstruser Gedanke. Er war weder Poet noch Wikinger, und sie wäre treulos, wenn sie auf die hinterhältige innere Stimme hören würde, die flüsterte: Ich hätte ihn gewählt, Caro, nicht Mr. Harmsley.

Martha hob den Blick, und für einen atemlosen Moment kam es ihr vor, als dränge etwas Heißes, Drängendes sie zu ihm hin. Auch in seinen eisblauen Augen sah sie eine unausgesprochene Frage, als wolle er sagen: Ist das gerade wirklich passiert? Doch ihr Puls raste immer noch, und der rebellische Teil in ihr wollte seine Herausforderung annehmen und an ihn zurückgeben.

Seit Toms Tod hatte sie nicht ein einziges Mal von einem anderen Mann geträumt, also warum jetzt diese Fantasien? Sie schüttelte den Kopf, und das ungewohnte Gefühl der Ringellöckchen auf den nackten Schultern half ihr, wieder zurück zum Boden zu kommen. All dies war nur eine Lüge, und in Wirklichkeit war sie Tom Lingtons Witwe, eine hart arbeitende Frau, die nichts mit einem arroganten Viscount gemeinsam hatte.

„Die Gäste warten darauf, dass wir den ersten Tanz anführen, Mylady“, sagte er. Als müsse er sie daran erinnern. Er neigte den Kopf so wenig, dass man es kaum als Verbeugung bezeichnen konnte.

„Ist das so, Lord Elderwood?“, sagte sie, als habe sie es nicht bemerkt. Sie versank in einen tiefen Knicks, sodass er einen ausgezeichneten Blick auf ihr Dekolleté erhielt. Sie wollte, dass er sich fragte, wie tief ein Kleid ausgeschnitten sein konnte, ohne dass ihr Busen ganz herausquoll.

Nehmen Sie es als Schlag für Ihren kalten Stolz, dass Ihre künftige Ehefrau sich so vulgär aufführt, wie Sie es von ihr erwarten, Mylord. Sie kam hoch aus dem Knicks mit dem sittsam einladenden Lächeln, das Caro und Noakes ihr mit viel Mühe beigebracht hatten. In diesem Moment schien es ihr die perfekte Waffe gegen ihn zu sein. Und tatsächlich wurde sein Gesichtsausdruck noch eisiger, als er bereits war.

„Dann sollten Sie mich wohl zum Tanz führen, nicht wahr, Mylord?“, erwiderte sie beinahe natürlich und versuchte auszusehen, als sei sie sich nicht bewusst, wie ungern er sich den Formalitäten ihres Verlobungsballs unterwarf. Sie hörte eine Regenbö heftig auf die hohen Fenster prasseln, als würden sogar die Elemente gegen solch eine zynische Verlobung protestieren. Ein Schauder rann ihren Rücken hinab, als sie Lord Elderwood mit einem so falschen Lächeln anschaute, dass ihre Wangen davon schmerzten.

Dies alles ist so falsch. Daraus kann nichts Gutes hervorgehen. Plötzlich empfand sie diese Scharade als Verbrechen wider die Natur. Sie spürte die harten neugierigen Blicke der versammelten Gäste geradezu körperlich. Diese Mitglieder der feinen Gesellschaft waren zu einem Possenspiel gelockt worden mit der Aussicht auf eine gute Klatschgeschichte, die sie am Ende mit nach Hause nehmen konnten. Welch einen skandalösen Leckerbissen würden sie am Ende zu verdauen haben, wenn sie herausfanden, was Lady Fetherall getan hatte, um keinen stolzen Aristokraten heiraten zu müssen.

„Es ist mir ein Vergnügen, Lady Fetherall“, log er mit einem offensichtlich eingefrorenen Blick. Beinahe hätte sie gelacht über den Anblick, den sie vermutlich boten. Er … so absolut elegant und sie … so geschmacklos und kokett gekleidet im tief ausgeschnittenen roten Kleid ihrer Schwester.

Der Drang zu lachen erstarb sofort, als sie bei der Berührung seiner behandschuhten Hände wieder etwas Unerwünschtes tief in sich spürte. Er zog hochmütig eine Augenbraue hoch und schaute zu Tolbourne, als wolle er sagen: Worauf warten Sie? Geben Sie endlich dem Orchester das Signal zum Anfangen. Dann könnte der Viscount einen weiteren Akt dieser ermüdenden Farce hinter sich bringen. Vielleicht würde er sich sinnlos betrinken müssen, um die geschmacklose Aussicht, sie am Ende heiraten zu müssen, zu ertragen. Sie hoffte es. Vermutlich hatte er höllische Kopfschmerzen verdient, wenn er zu denken wagte, dass Caro ihn wirklich heiraten wollte.

„Celine sagt, ich kann bei einer zweiten Heirat kein Weiß tragen, Mylord, aber ich verstehe den Grund nicht“, zwang sie sich zu plappern, als Lord Elderwood ihre Hand nur mit den Fingerspitzen hielt. Wie gern hätte sie ihm entgegengerufen, wie gut sie ihn verstand, und dass schlechter Geschmack und schlechte Umgangsformen auch für sie nicht sehr anziehend waren. Stattdessen tanzte sie besonders schwungvoll, damit er von seinen Gedanken abgelenkt wurde. Er sollte sich über Veränderungen an seiner zukünftigen Braut nicht zu sehr wundern.

Erwarte nicht zu viel. Diskutiere nicht, widersprich nicht. Was auch immer du tust, lasse niemanden erkennen, dass du eine eigene Meinung hast und etwas planen könntest, das den Männern, die dein Leben kontrollieren, nicht zusagen würde.

An diesen Ratschlag zu denken, machte Martha wieder wütend, aber es half ihr ein wenig gegen die unwillkürlichen Schauer, wenn Lord Elderwood seinen harten Körper beim Tanzen etwas zu dicht an sie presste.

Selbst im dichten Gewühl, nachdem andere Paare sich ihnen auf der Tanzfläche angeschlossen hatten, könnte ihm auffallen, dass er dieses Zittern verursacht hatte, denn kalt war es hier gewiss nicht. Ausnahmsweise war sie beinahe froh, dass sie nicht genug Stoff am Körper trug, um eine Mücke warm zu halten. Dann war der Tanz vorbei, und die Hitze des Raumes brach mit voller Wucht über sie herein.

Alle Blicke waren wieder auf sie gerichtet, als er ihre Hand mit einem Gesichtsausdruck hochmütigen Unglaubens hoch hielt. Martha sah ihn an und bemerkte, wie störrisch sein Kinn aussah und wie sehr er seinen eigentlich sinnlichen Mund kontrollierte.

Er musste wirklich verzweifelt wollen, was auch immer Tolbourne benutzt hatte, um ihn zu der Heirat mit Caro zu erpressen. Was konnte er wohl so dringend wünschen, dass er bereit war, eine Person zur Frau zu nehmen, die er verachtete? Er schien all seine Selbstbeherrschung aufbringen zu müssen, um diese Farce zu ertragen.

Sie stellte sich vor, dass er am liebsten nach seinem Pferd rufen würde, um in die Dunkelheit und den strömenden Regen hinaus zu galoppieren, damit er keine weitere Minute dieses elenden Spiels mehr ertragen musste.

Nur zu gern würde sie sich ihm anschließen.

Wie wäre es wohl, wenn sie einander ihre wahren Gründe offenbaren würden, warum sie sich auf diesen Handel eingelassen hatten, und dann in ihr normales Leben zurückkehrten?

Welch eine dumme Idee, Martha. Er würde Caros verleumdete und abgewiesene Halbschwester gewiss noch mehr ablehnen als Caro selbst.

Sie begann zu überlegen, welche dunklen Familiengeheimnisse und Gräueltaten wohl erklären würden, warum Lord Elderwood offenen Auges Tolbourne ins Netz gegangen war.

„Ich habe einen großartigen Preis vor Augen, Lady Fetherall“, log er in diesem Moment und verbeugte sich wieder knapp in ihre Richtung.

„Sie sind zu freundlich, Mylord“, log sie zurück und kicherte leise.

„Und Ihre Modistin hat übrigens ganz recht. Weiß stünde völlig außer Frage bei Ihrer zweiten Hochzeit“, beantwortete er ihre vorige Frage mit so einem schmeichelnden Grinsen, dass es ihren eifrigen Zuhörern entging. Sie sollte ihm dankbar sein, dass er sie rechtzeitig daran erinnerte ihn zu hassen.

„Der blassrosa Satin, den sie für mich auswählte, passt sowieso viel besser zu mir als das kalte Weiß eines jungfräulichen Kleides“, sagte sie mit einem so süßen Lächeln, dass er daran hoffentlich erstickte.

„Ja, ein roter Farbton steht Ihnen viel besser und unterstreicht Ihre Persönlichkeit“, sagte er, und sie stellte sich belustigt vor, ein noch skandalöseres Kleid als jetzt bei einer Hochzeit zu tragen, die niemals stattfinden würde.

Als habe er sie vergessen, hielt er immer noch ihre Hand, aber sie wagte nicht, sie wegzuziehen. Sie versuchte ihr nervöses Zittern zu stoppen, aber er schaute sie fragend an. Er befürchtete anscheinend, sie werde etwas Hysterisches tun, und platzierte ihre Hand in seiner Armbeuge. Das machte alles nur noch schlimmer.

Sie war eine Witwe, um Himmels willen. Sie wusste genau, wie sich Begehren anfühlte, aber so etwas wollte sie nicht für jemanden wie ihn empfinden. Es war unentschuldbar, dass sie sich in diesem Augenblick diesen Mann nackt und erregt im Bett ihrer Schwester vorstellte. Und nun wagte sie nicht einmal mehr ihn anzusehen, falls er diese wilde Fantasie in ihren Augen erkennen konnte. Offenbar war sie schon zu lange verwitwet.

Immerhin erinnerte der Gedanke an ihren verstorbenen geliebten Ehemann sie daran, dass sie eine Frau war, die von ihrem Geliebten mehr erwartete als nur ein schönes Gesicht und einen maskulinen Körper. Sie wollte alles für ihn sein, so wie sie und Tom es für einander gewesen waren. Für Lord Elderwood würde sie nie irgendetwas sein.

„Soll ich nach Ihrer Zofe rufen?“, fragte er, als sei er erstaunt, dass ein echter Mensch in Lady Fetheralls skandalösem Körper lebte.

Am liebsten hätte Martha ihn geohrfeigt. „Mir wurde die Hitze hier etwas zu viel, aber diese Nacht ist mir viel zu wichtig, um auch nur das Geringste davon zu verpassen, Mylord“, erwiderte sie mit rauchiger Stimme und hängte sich an seinen Arm. Sie drängte so viel von ihrer nackten Haut wie möglich an seinen kraftvollen Körper und hoffte sehr, dass ihr übertrieben schamloses Benehmen ihn abstoßen würde.

„Dann gehen Sie eben nicht“, sagte Lord Elderwood mit ausdrucksloser Stimme.

Lords verkehrten nicht freundschaftlich mit den Enkelinnen verarmter Squires, die von ihren eigenen Verwandten zum Bastard erklärt worden waren. Martha wollte nicht bereuen, dass sie ihn kennengelernt hatte.

Mrs. Lington hatte nur in der Zeit zwischen Herbst und dem strengen nordischen Winter gelegentlich genug Muße, um Scharade zu spielen. Wahrscheinlich war der harte Winter bereits auf dem Weg zu ihnen. Das Leben eines Landbesitzers, Farmers und Schäfers brachte viel Mühsal, und das war ihr wirkliches Leben. Bald würde sie dorthin zurückkehren und viel zu viel Arbeit haben, um an den hochmütigen Fremden mit den eisblauen Augen und dem Gesicht und Körper eines altnordischen Gottes denken zu können.

Zach war seltsam verwirrt, fühlte sich aber auch irgendwie beschützerisch gegenüber dieser widersprüchlichen Frau an seiner Seite. Er hatte bis heute so wenig Zeit mit ihr verbracht, dass er eigentlich keine Ahnung hatte, wer sich wirklich unter der Schminke und den skandalösen Kleidern versteckte. Ein unverheirateter Viscount, der noch einen Funken Verstand besaß, hielt sich normalerweise von Frauen wie ihr fern.

Vor langer Zeit schon hatte er festgestellt, dass sie schön war, aber das war nur eine zufällige glückliche Harmonie von Gesicht und Körper, die Mutter Natur ihr mitgegeben hatte. Eine andere Frau würde wahrscheinlich lächerlich in solch einem Kleid aussehen, aber sie nicht.

Er wünschte sehr, sie stünde weiter entfernt von ihm. Seine Entschlossenheit, Tolbourne nicht zu einem adligen Urenkel zu verhelfen, wurde irgendwie schwächer, seit sie heruntergekommen war. Und sie schaute ihn mit einem so unvermutet skeptischen Blick an, dass es ihn verwunderte. Auch ihre Hand auf seinem Arm fühlte sich kräftiger an als erwartet. Er runzelte nachdenklich die Stirn, weil ihr Auftreten und ihre Figur zwar wie erwartet von Müßiggang sprachen, jedoch die schlanken Gliedmaßen, die sie an ihn drückte, waren kräftiger als er gedacht hätte.

Er wusste, dass sie eine soziale Aufsteigerin war, ein Raubtier in Röcken, und außerdem Fetheralls Witwe. Das waren genügend Gründe, um sich an seinen Plan zu halten und sie zu verlassen, sobald die Trauung vollzogen und die Dokumente unterzeichnet sein würden. Doch dann sah er, wie sie zus...

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