Die unverschämten Schwestern (2 Miniserien)

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Hochzeitsnacht mit einer Fremden

"Sie dürfen die Braut jetzt küssen." Der charismatische Alexander King glaubt sich am Ziel seiner Träume. Neben ihm steht seine schöne, junge Ehefrau, und mit dem Ja vor dem Altar steuert er sie beide in eine glückliche, wenn auch etwas langweilige Zukunft. Doch als sich ihre Lippen berühren, durchfährt Alex ein unbekanntes, wildes Verlangen. Sein Verstand weigert sich zu glauben, was sein Körper mit jeder Faser fühlt: Die Frau, der er auf der romantischen Karibikinsel das Ja-Wort gegeben hat, ist niemals Kim - sondern ihre sexy, skandalumwitterte Zwillingsschwester Liv!

Verräterische Versuchung

Schwanger! Fassungslos starrt Kim auf den verräterischen Teststreifen. Ihre Gedanken rasen. Warum hat sie den Test ausgerechnet jetzt gemacht, statt sich auf die alles entscheidende Präsentation vor millionenschweren Investoren zu konzentrieren? Wie soll sie die nächste Stunde bloß überstehen? Doch als Kim mit eiserner Beherrschung den Konferenzsaal betritt, entdeckt sie sofort: der brasilianischen Tycoon Diego Pereira ist ungeladen erschienen - ihr Noch-Ehemann und Vater ihres Kindes! Mit brennenden Blicken sieht er sie an, als kenne er längst ihr Geheimnis …

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Kurz vor der geplanten Traumhochzeit in Rom lässt Emilio Andreoni seine Verlobte fallen. Schließlich hat er mit eigenen Augen gesehen, dass Gisele ihn betrügt! Erst als ihre Zwillingsschwester auftaucht, erkennt der Millionär: Die Trennung war ein großer Fehler …

Eine Sekunde, tausend Gefühle

"Niemals heirate ich diesen Mann!", ruft Sienna voller Empörung. Aber die Ehe mit dem ebenso verhassten wie verführerischen Playboy-Milliardär Andreas Ferrante ist leider die Voraussetzung, wenn sie ein malerisches Schloss in der Provence erben will …


  • Erscheinungstag 23.09.2021
  • ISBN / Artikelnummer 9783751512862
  • Seitenanzahl 576
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Tara Pammi, Melanie Milburne

Die unverschämten Schwestern (2 Miniserien)

IMPRESSUM

JULIA erscheint in der Harlequin Enterprises GmbH

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: 040/60 09 09-361
Fax: 040/60 09 09-469
E-Mail: info@cora.de

© 2013 by Tara Pammi
Originaltitel: „A Hint of Scandal“
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
in der Reihe: MODERN ROMANCE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA
Band 2169 - 2015 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg
Übersetzung: Anike Pahl

Abbildungen: Harlequin Books S.A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 03/2015 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733701482

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

 

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1. KAPITEL

„Kimberly, willst du diesen Mann, Alexander King, zu deinem rechtmäßigen Ehemann nehmen, ihn lieben und ehren, bis dass der Tod euch scheidet?“

Nein!

Olivia Stanton sah sich gehetzt um. Hatte sie das etwa laut gesagt? Nervös wickelte sie die Seidenschleife ihres Brautstraußes um den Zeigefinger. Ihr Herz hämmerte wie verrückt, während der ältere Priester sie durch seine riesige Brille mit einem gütigen, geduldigen Blick bedachte. Es zischte, als sie nach Luft schnappte und ihr von dem süßen Duft der Brautorchideen schlagartig übel wurde.

Die Sekunden vergingen. Hinter ihr schwoll das erwartungsvolle Schweigen der Hochzeitsgäste zu einer unsichtbaren Welle an, die jeden Moment über Olivia zusammenschlagen konnte. Dann würde sie untergehen, dann wäre alles vorbei …

Neben ihr stand Alexander King und betrachtete sie aus kühlen blauen Augen. Seine äußere Ruhe brachte sie an den Rand eines Nervenzusammenbruchs.

Ich kann es nicht tun! schoss es ihr durch den Kopf. Sicher, Kim und sie hatten das schon früher gemacht – einfach heimlich die Rollen getauscht. Kein Kunststück, schließlich waren sie eineiige Zwillinge. Normalerweise hatte die fleißige Kim immer so getan, als wäre sie Liv, um ihre Schwester vor dem Vater oder dem Rektor der Schule zu beschützen. Liv stand wirklich tief in ihrer Schuld. Kim hatte ihr mehr als nur einmal den Hals gerettet.

Aber dafür an ihrer Stelle Alexander King heiraten? Dieser Schritt erschien ihr doch ein wenig zu extrem!

Erzähl bloß Alex nichts! Er wäre unheimlich enttäuscht von mir. Außerdem versucht er immer, selbst die leiseste Spur eines Skandals zu vermeiden.

Was war er für ein Mann? Weshalb wagte Kim es nicht, ihm ihre Zweifel bezüglich der Heirat zu gestehen?

Eine Hand an ihrem Ellenbogen – der Griff freundlich, aber bestimmt – holte Olivia zurück in die Gegenwart. Sie legte den Kopf schief und erwiderte Alexanders erwartungsvollen Blick.

Der Ausdruck in seinen Augen war sanft. Demnach empfand er wirklich etwas für ihre Schwester. Olivia dagegen mochte er überhaupt nicht, das war bei den wenigen Begegnungen mit ihm mehr als deutlich geworden!

Ich will ihn nicht verlieren!

Kims verzweifelte Bitte weckte Olivias Verstand zu neuem Leben. Sie holte tief Luft und brachte die furchterregenden Worte über die Lippen: „Ja, ich will.“

Das faltige Gesicht des Priesters glättete sich ein wenig vor Erleichterung. „Dann erkläre ich Sie hiermit zu Mann und Frau. Sie dürfen die Braut jetzt küssen.“

Es war, als hätte ihr jemand den Boden unter den Füßen weggezogen. Olivia schwankte und wurde gleichzeitig von Alexanders warmen Händen gestützt, die er ihr auf die nackten Schultern legte. Mit jedem Atemzug wurde der Duft seines Aftershaves intensiver. Gleich würde er ihr einen Kuss geben und damit die Eheschließung besiegeln.

Olivia war wie gelähmt. Und es beschämte sie zuzugeben, dass sie sich in diesem Moment nichts mehr wünschte, als seinen Kuss zu erwidern.

Er neigte den Kopf, und sein Atem streifte ihre Wange.

Nein! Sekundenbruchteile bevor sich ihre Lippen berührten, drehte sie den Kopf zur Seite und stemmte ihre Hände gegen Alexanders Brust. Sein warmer, federleichter Kuss landete auf ihrem Mundwinkel. Obwohl diese Geste höchst unschuldig war, hatte Olivia das Gefühl, vor Verlangen in Flammen zu stehen. Was ist bloß los mit mir?

Neugierig und etwas ratlos starrte Alexander sie an. Dann legte er einen Arm um ihre Taille und zog Olivia enger an sich.

Sie schloss kurz die Augen und wehrte sich gegen den Effekt, den sein kraftvoller, durchtrainierter Körper auf sie hatte. Sich gegen seinen verheißungsvollen Kuss zu sträuben, war mit Abstand das Schwerste, was sie je im Leben gemacht hatte.

Diese ganze Farce war eine Schnapsidee. Wie lange würde es wohl dauern, bis er den Betrug aufdeckte?

Alexander King betrachtete das Profil seiner Ehefrau mit wachsendem Misstrauen. Am Hals zeichnete sich ihr rasender Puls ab, und sie vermied ganz bewusst jeden Blickkontakt. Das war extrem ungewöhnlich, genau wie ihr merkwürdiger Gesichtsausdruck, als sie seinem Kuss ausgewichen war.

Irgendetwas stimmte hier nicht.

Das hatte er schon gespürt, als sie neben ihm vor den Altar getreten war. Anstatt ihm in die Augen zu sehen, hatte sie sich wie ein gehetztes Tier verhalten. Normalerweise bewegte sie sich mit einer natürlichen Grazie und hatte eine ruhige, würdevolle Haltung. Davon war heute nichts zu merken. Sie hielt den Kopf anders als sonst … energischer. Und sie zerrte an der Diamantkette um ihren Hals, als würde diese sie würgen.

Und ihr Aussehen erst! Natürlich hatte er erwartet, dass Kim in entsprechender Aufmachung in der Kirche erscheinen würde. Doch er war regelrecht überwältigt davon, wie erotisch sie in ihrem Hochzeitskleid wirkte! Wer hätte gedacht, dass sich zurückhaltende Eleganz im Handumdrehen in bodenständigen Sexappeal verwandeln ließ? Außerdem hatte er seine Braut noch nie mit knallrotem Lippenstift geschminkt gesehen.

Auch vorher hatte Alexander sich schon zu ihr hingezogen gefühlt. Das war allerdings nichts im Vergleich zu der unbändigen Lust, die ihn heute bei Kims Anblick gepackt hatte. Er wollte sein Gesicht an ihren zarten hellen Hals pressen und ihre vollen Brüste mit beiden Händen berühren.

Nachdem sie vor der Kirche die Glückwünsche ihrer Freunde und Verwandten entgegengenommen hatten, entführte Alexander seine Braut spontan in eine unbeobachtete Ecke. Obwohl sie steif wie ein Brett neben ihm stand, hatte er alle Mühe, seine Libido unter Kontrolle zu bekommen. Bebend vor Verlangen zog er seine frisch Angetraute an sich und atmete tief ihren betörenden Duft ein.

Was ist heute so anders zwischen uns? Anders als in den vergangenen sechs Monaten? Er hatte kein Problem damit gehabt, ihrem Wunsch zu entsprechen und es ruhig angehen zu lassen. Aber jetzt konnte ihn nichts mehr davon abhalten, von den süßen Früchten zu kosten, die diese Ehe für ihn bereithielt.

„Ist alles in Ordnung mit dir?“, erkundigte er sich.

Mit einem gequälten Lächeln sah sie über seine rechte Schulter hinweg in die Ferne. „Ja, danke“, antwortete sie und ging etwas auf Abstand. „Ich glaube, der ganze Hochzeitsstress zerrt an meinen Nerven.“

Sein vages Misstrauen blieb, ohne dass er genau benennen konnte, was ihn störte. Ihre Wangen färbten sich rosa, und zum zweiten Mal innerhalb einer Stunde hörte er, wie ihr ein leiser Fluch über die Lippen glitt. Unter ihren Augen zeichneten sich helle Schatten ab, und ihre Gesichtszüge wirkten schärfer gezeichnet als sonst.

Normalerweise war er ein höchst aufmerksamer Mann, heute allerdings hatte er nicht bemerkt, wie abgekämpft seine Braut war. Immerhin hatte sie diesen Tag ganz allein geplant, ohne dass er sich an den Vorbereitungen beteiligt hätte.

Kim war erfolgreich, kultiviert, und ihr eilte ein tadelloser Ruf voraus. Genau so eine Respektperson brauchte er als Vorzeigefrau an seiner Seite. Außerdem war sie ein gutes Vorbild für seine Schwester. Emily wurde immer unglücklicher und wilder. Auch das – und die Gerüchte über ihre gemeinsame Mutter – hatten Alexander zu einer raschen Vermählung gedrängt. In Kim hatte er die Lösung für all seine Probleme gefunden.

„Du hast diesen Tag hervorragend organisiert, Kim. Bis jetzt ist alles reibungslos verlaufen, es war einfach perfekt. Wie du.“

Ihre schokoladenbraunen Augen weiteten sich, und die rotgeschminkten Lippen wurden schmal. „Ja … ich meine, danke.“

Während der Fotograf die Gästeschar am Eingang für das Gruppenbild aufstellte, wurde Alexander endlich bewusst, was ihm schon die ganze Zeit über aufgefallen war. Prüfend betrachtete er die Brautjungfern, allesamt in blassrosa gekleidet. Natürlich! Olivia fehlt! Bestimmt war Kim darum so angespannt.

„Wo ist deine Schwester?“

„Sie … musste plötzlich weg.“ Sie hob die Schultern. „War wohl irgendetwas Wichtiges.“

Er zog die Stirn kraus. Seines Wissens war Olivia grundsätzlich unberechenbar und vor allem egoistisch und verantwortungslos. Dennoch zeigte sich Kim jedes Mal wieder überrascht über die Eskapaden ihrer Zwillingsschwester und nahm sie sogar in Schutz.

„Das hätte ich mir denken können“, murmelte er. „Was ist denn jetzt schon wieder mit ihr los?“

Sofort ging Liv in die Defensive, schob ihr Kinn vor und kniff die Augen zusammen. „Sie hat überhaupt nichts getan.“

Alexander war schleierhaft, warum sie ihre nichtsnutzige Zwillingsschwester ständig verteidigte. „Dauernd tut sie dir weh, Kim. Ist es nicht langsam an der Zeit, sie aus deinem Leben zu streichen, so wie euer Vater es getan hat?“

Entgeistert starrte sie ihn an und ballte ihre Hände zu Fäusten. Seine Arroganz verschlug ihr die Sprache.

Da rät er meiner vermeintlichen Schwester, sich von mir zu distanzieren? ereiferte Olivia sich. Dabei war Kim die einzige Person, der überhaupt noch etwas an ihr lag! Olivia wurde fuchsteufelswild. „Sie ist meine Schwester! Anders als du werde ich meine Familie nicht verraten, nur weil sie vielleicht nicht perfekt ist!“

Innerlich wappnete sie sich gegen seinen Wutausbruch. Das hatte sie schließlich schon tausendmal mit ihrem Vater erlebt. Die Tiraden des alten Herrn waren jedes Mal wie ein zerstörerischer Hurrikan gewesen. Nur die standhafte Kim hatte ihrer Schwester die Kraft gegeben, sich dagegen aufzulehnen. Und zum Dank stand Olivia jetzt hier und verdarb Kim ihre Chancen bei Alexander!

Doch der erwartete Ausbruch blieb aus. Stattdessen lächelte er sie an. Ganz offensichtlich hatte er sich völlig unter Kontrolle. „Ich habe dich unnötig provoziert“, sagte er, und es klang fast wie eine Entschuldigung.

Seine Selbstbeherrschung zerrte noch mehr an ihren Nerven. Eigentlich hätte sie gern gesehen, wie er explodierte. Das hätte zumindest ihren Eindruck von ihm bestätigt. Verstohlen beäugte sie die silberne Rolex, die an seinem tief gebräunten Arm funkelte. Von seinem Vater hatte er ein nordisches Aussehen geerbt, gepaart mit dem italienischen Blut seiner Mutter. Vielleicht war es genau diese exotische Mischung, die ihr Herz zum Rasen brachte.

Seit Kims überstürztem Aufbruch waren erst zwei Stunden vergangen, und trotzdem erschien Liv dieser Tag schon unerträglich lang. Starr blieb sie in seiner Umarmung stehen, ihre Schultern schmerzten vor Verspannung. Sie spürte Alexanders warme Hand auf ihrer Hüfte, und es fiel ihr schwer, sich nicht automatisch gegen ihn zu lehnen.

Ihre Brüste fühlten sich voller an als sonst, und zwischen ihren Schenkeln erwachte die Sehnsucht. Olivia schloss die Augen. Verdammt, das ist doch der Mann meiner Schwester! Nervös dachte sie an Kim. An die Freude auf dem Gesicht ihrer Schwester, nachdem die Verlobung verkündet worden war. An den begeisterten Klang ihrer Stimme, wann immer Kim von Alexander sprach. Das dämpfte die Erregung etwas.

Sie sah zur Seite und wollte ihn gerade darum bitten, sie loszulassen. Stattdessen trafen sich ihre Blicke und verfingen sich ineinander. Olivia fühlte sich ertappt.

„Entspann dich, Kim! Dies soll der schönste Tag deines Lebens sein!“

Mit beiden Händen stützte Olivia sich auf dem Marmorwaschtisch in Kims Suite ab. Es widerstrebte ihr, in den Bankettsaal zurückzukehren. Sie zögerte den Moment des Hochzeitsempfangs so weit wie möglich hinaus.

Das riesige Badezimmer, das fast ausschließlich Kerzenleuchter erhellten, war ein willkommener Ort der Ruhe. Am liebsten hätte sie sich hier ewig versteckt. Aber das würde Alexander nur unnötig beunruhigen. Wenn er nicht sowieso schon etwas ahnte …

Bei diesem Gedanken drehte sich ihr der Magen um.

Sie ließ sich kaltes Wasser über die Handgelenke laufen, um ihren Kreislauf wieder in Schwung zu bringen. Zu gern hätte sie sich das Make-up vom Gesicht gewaschen, aber das kam nicht infrage. Ihre Schwester achtete grundsätzlich auf ein perfektes Äußeres, und sie hatte Kim versprochen, sie heute würdig zu vertreten.

Müde starrte Olivia in den goldumrandeten Spiegel und konnte kaum glauben, wie makellos sie aussah. Ihre widerspenstigen braunen Locken waren mit einem Glätteisen gebändigt und zu einer kunstvollen Frisur aufgetürmt worden. Ihren Hals zierte eine elegante Diamantkette aus Weißgold – ein Hochzeitsgeschenk von Alexander. Normalerweise trug sie das herzförmige Amulett ihrer Mutter an einem schlichten schwarzen Lederband. Wenigstens hatte sie sich für ihren eigenen knallroten Lippenstift entschieden. Nie im Leben würde sie sich mit Kims pinkfarbenem Lipgloss in der Öffentlichkeit sehen lassen.

Auf in den Kampf!

Olivia atmete tief durch und machte sich auf den Weg zum Bankettsaal. Kurz vor dem Eingang bewunderte sie durch das Panoramafenster den endlos langen weißen Strand hinter der Villa und wünschte sich, sie könnte ihre nackten Füße im feinen Sand versinken lassen. Am Ende dieses grauenhaften Tages würde sie sich definitiv ein ausgiebiges Bad im Meer gönnen. Welchen Sinn machte es, eine Scheinhochzeit auf einer karibischen Insel zu ertragen, wenn man nicht einmal in den Genuss kam, im Ozean abzutauchen?

Der Saal war atemberaubend schön geschmückt. Kim hatte diese Feier tatsächlich perfekt vorbereitet, und jetzt war sie nicht einmal hier, um ihr Werk zu bewundern. Olivia gingen unzählige Fragen durch den Kopf. Sobald sie ihre Schwester in die Finger bekam, würde sie auf Antworten bestehen!

Die vielen runden Tische waren in weißen Stoff gehüllt und mit roséfarbenen Orchideen und Schleifen verziert. Von der Decke hingen weit über fünfzig Kristallleuchter herab und brachten das Geschirr und die Gläser zum Funkeln. Selbst für ein bodenständiges Mädchen wie Olivia, die wenig für traditionelle Hochzeiten übrig hatte, war dies ein wahrer Traum. Genau wie das zauberhafte Designerkleid, das sie trug.

Eine eiskalte Faust schloss sich um ihr Herz, als sie darüber nachdachte, was ihr selbst im Leben entging. Kim dagegen hatte alles … vor allem einen Mann, der sie liebte. Und der unfassbar attraktiv war.

Schluss damit!

Es brachte nichts, über Dinge nachzugrübeln, die niemals wahr wurden. Mit zitternden Händen fuhr Olivia sich über die Hüften und glättete die kostbare Seide ihres Kleids. Dann ging sie schnurstracks auf die Bar zu und ignorierte die neugierigen Blicke der anwesenden Gäste. Mit leiser Stimme bestellte sie sich einen Scotch, den sie in einem Zug leerte, ohne sich dabei umzudrehen. Sie brauchte das Gefühl von flüssigem Feuer in der Kehle, um auf klare Gedanken zu kommen.

Plötzlich begann ihre Haut zu kribbeln, und sie spürte die Anwesenheit ihres vermeintlichen Bräutigams.

„Hier versteckst du dich also?“

Unauffällig schob sie das leere Glas weit von sich. Kim vertrug keinen Alkohol, erst recht keinen Scotch, und das wusste Alexander natürlich. Seufzend setzte Olivia eine möglichst freundliche Miene auf und wandte sich ihm zu. Sein Anblick wirkte belebender auf sie als der Drink.

„Verstecken? Ich wollte nur wieder zu Kräften kommen“, antwortete sie und legte ihre Hand in seine.

Mit Schwung zog er sie an sich und runzelte die Stirn. „Hast du gerade etwas getrunken?“

Sie biss sich von innen in die Wange und suchte nach einer Ausrede. „Ich habe eine Aspirin gegen meine Kopfschmerzen genommen. Sie werden immer schlimmer.“ Zumindest das war nicht gelogen. Hinter ihren Schläfen hämmerte es unaufhörlich, es war zum Wahnsinnigwerden.

„In dem Fall wird wohl jeder Verständnis dafür haben, wenn wir uns früh verabschieden. Immerhin ist es unsere Hochzeitsnacht.“

Erschrocken sah sie zu ihm hoch, als er eine Hand in ihren Nacken schob und am Verschluss ihres Brautkleids herumspielte. „Ich kann es gar nicht erwarten, dir dieses Ding vom Leib zu reißen!“, flüsterte er ihr zu.

Olivia wurde gleichzeitig heiß und eiskalt. Hastig hakte sie sich bei ihm ein, sonst wäre sie wohl eingeknickt, so weich wie ihre Knie sich anfühlten. Doch der enge Körperkontakt regte ihre heimlichen Fantasien noch weiter an. Es musste wahnsinnig aufregend sein, von ihm gehalten zu werden, kurz bevor er …

Wo, zur Hölle, bleibt Kim eigentlich? Olivia fiel es von Sekunde zu Sekunde schwerer, diese riskante Scharade durchzuhalten!

Lieber Himmel, dieses Prachtexemplar von einem Mann gehört zu meiner Zwillingsschwester! sagte sie sich immer wieder. Sie durfte ihn nicht begehren.

Irgendwie gelang es Olivia, Haltung zu bewahren und angeregt mit den Gästen zu plaudern. Sie nickte begeistert, wenn Kims und Alexanders Freunde ihr versicherten, wie ausgezeichnet sie beide zusammenpassten. Ständig musste sie auf der Hut sein und vorgeben, ihre Gesprächspartner gut zu kennen – keine leichte Aufgabe. Aber falls die Leute sich wunderten, dass die intelligente, wortgewandte Kim ungewöhnlich still war, so ließ sich das bestimmt mit der Aufregung des heutigen Tages entschuldigen.

Später wusste Olivia nicht mehr, wie sie es geschafft hatte, mit Alexander den Hochzeitswalzer zu überstehen. Die sinnlichen, harmonischen Bewegungen, mit denen sie sich über die Tanzfläche bewegten, fachten ihre Erregung neu an. Zwischen ihr und Alexander herrschte eine Spannung, die allmählich ein gefährliches Ausmaß annahm!

Livs Muskeln schmerzten vor Anspannung, nachdem der letzte Takt verklungen war. Und gerade als sie erleichtert aufatmete und sich aus Alexanders Umarmung löste, kündigte ein Mitglied der Liveband den traditionellen Tanz von Braut und Brautvater an. Nein, nein, nein!

Stocksteif blieb Olivia am Rand stehen. Sämtliche Farbe wich aus ihrem Gesicht. Die nackte Angst erstickte sie beinahe, während sie ihren Vater auf sich zukommen sah. Er war immer noch ein gutaussehender Mann und lächelte, als wäre er unendlich stolz auf seine hübsche Tochter.

Ich kann das nicht! schoss es ihr durch den Kopf. Ich kann nicht mit ihm tanzen. Spätestens jetzt wird alles auffliegen.

Sie fühlte sich in die Rolle des fünfzehnjährigen Mädchens zurückversetzt, das an ihrem Geburtstag mit dem alten Herrn hatte tanzen sollen. Noch heute hörte sie das verächtliche Zischen, das er ausgestoßen hatte, als sie ihm versehentlich auf den Fuß getreten war. Er hatte seine Finger fest in ihre Schulter gebohrt, und ihr damit ein weiteres Mal schmerzhaft zu verstehen gegeben, wie wenig er von ihr hielt.

Je öfter er sie kritisiert hatte, desto häufiger war sie gescheitert. Es wäre wohl endlos so weitergegangen, wenn Kim sich nicht eingeschaltet und den alten Herrn mit ihrer unnachahmlichen Perfektion besänftigt hätte. Damit hatte sie natürlich versucht, ihn von ihrer Schwester abzulenken, das wusste Liv. Doch am Ende hatte Kims Makellosigkeit Olivias Versagen nur noch deutlicher vorgeführt.

Die Erinnerung daran war wie ätzende Säure, die sich durch den inneren Schutzwall fraß, hinter dem Olivia ihre wahren Gefühle verbarg. Alte Wunden – von denen sie geglaubt hatte, sie wären längst verheilt – brachen wieder auf.

Überrascht schnappte sie nach Luft, als ein Gast plötzlich ihren Vater aufhielt. Seit sechs Jahren hatte sie nicht mehr mit ihm gesprochen. Trotzdem würde er sofort merken, wen er vor sich hatte – und ihr sicherlich keine Gelegenheit geben, das Ganze zu erklären.

Nein, stattdessen würde er sie hier an Ort und Stelle zur Schnecke machen, bis die ganze Welt erfuhr, dass Olivia Stanton wieder einmal versagt hatte. Und dieses Mal betraf es auch noch das Leben ihrer geliebten, perfekten Zwillingsschwester!

Das schlechte Gewissen schnürte ihr die Kehle zu. Sie würde ihrem Vater zu gern einmal in die Augen blicken können, ohne maßlose Enttäuschung darin zu sehen. Leider war das ein Wunschtraum, der sich nicht erfüllen würde. Sie war einfach nicht gut genug für ihn – sie war es nie gewesen. Nicht einmal als Kims Double.

Mit dem Handrücken rieb sie sich über die Stirn und fasste einen Entschluss. „Meine Kopfschmerzen sind kaum noch auszuhalten. Bitte entschuldige mich bei meinem Vater!“

Als sie den Saal verließ, spürte sie Alexanders verwunderten Blick im Rücken, trotzdem drehte sie sich nicht mehr um. Im Moment blieb ihr nur die Flucht nach vorn.

Alexander nahm einem vorbeieilenden Kellner ein Glas Champagner vom Tablett und starrte seiner Braut hinterher. Kim wirkte blass und ziemlich verstört. Ihr Abgang war alles andere als würdevoll. Sie schien auf ihren hohen Schuhen nicht gut laufen zu können. Dabei hatte sie damit doch sonst keine Schwierigkeiten …

Seine Zweifel verwandelten sich in eine Gewissheit, die ihn wie der Blitz traf. Die Frau, die da gerade auf wackeligen Beinen davoneilte, war Olivia Stanton. Der Inbegriff dessen, was er an einer Frau verabscheute. Sie war selbstsüchtig, impulsiv und hatte ein Händchen für Skandale. Und sie war in der Lage, alles zu ruinieren: seinen Ruf und leider auch die rechtliche Fürsorge für seine Schwester.

Kim hätte niemals vor ihrem Vater die Flucht ergriffen. Bei Olivia lagen die Dinge anders. Die Kluft zwischen ihr und Jeremiah Stanton war ein beliebtes Thema in einschlägigen Klatschzeitschriften.

Glühende Wut packte ihn. Warum hatten die beiden Schwestern die Rollen getauscht? Und wann hatten sie es getan?

Die Antwort lag auf der Hand. Er hatte Olivia den Ehering an den Finger gesteckt und dabei ihren verführerischen, knallrot geschminkten Mund bewundert. Während der vergangenen sechs Monate war ihm nie aufgefallen, wie unglaublich erotisch diese Frau war …

Alles, wofür er im Leben geschuftet hatte, lag nun in der Hand dieses unzuverlässigen Partyluders, für das Verantwortung ein Fremdwort war. Unfassbar!

Er ignorierte die Tatsache, dass der Champagner aus seinem Glas schwappte und Jeremiah ihn besorgt musterte. Wild entschlossen machte er sich auf den Weg zur Suite, die Kim seit ihrer Ankunft vor einer Woche bewohnte, und nahm auf der Treppe zwei Stufen auf einmal.

Olivia wird den Tag noch verfluchen, an dem sie das Licht der Welt erblickt hat!

2. KAPITEL

Als Alexander die Suite leer vorfand, setzte er seine Suche nach Olivia am Strand fort. Im Mondlicht entdeckte er eine hell schimmernde Gestalt direkt am Wasser. Mit klopfendem Herzen schritt er den hölzernen beleuchteten Weg hinunter, der zum Ozean führte. Dieser Strandabschnitt direkt hinter seinem riesigen Luxusanwesen war sein ganz persönlicher Himmel auf Erden.

Er blieb stehen, und sein Puls raste weiter. Erst jetzt erkannte er eine feine Alabasterschulter, die in diesen Sekunden in den Fluten versank. Olivia war etwa eine halbe Meile von ihm entfernt, und Alexander bemerkte, wie sie mit den hohen Wellen zu kämpfen hatte.

Das Brautkleid und die hochhackigen Sandalen lagen im Sand, und obenauf die teure Diamantkette, die er Kim zur Hochzeit geschenkt hatte.

Seufzend sah er den privaten Strandabschnitt hinunter. Niemand würde hierherkommen, selbst seine Sicherheitskräfte nicht. Sie könnte ertrinken, ohne dass es jemand bemerkte.

Olivia verlieh dem Begriff Leichtsinn eine völlig neue Dimension. Wahrscheinlich versuchte Kim in dieser Sekunde, irgendwo ein Chaos zu richten, das ihre Zwillingsschwester angerichtet hatte. Man hätte Olivia längst Manieren beibringen müssen!

Alex ließ sich in einen Liegestuhl fallen und bemühte sich, seinen Ärger unter Kontrolle zu bekommen. Eine interessante Frage drängte sich ihm auf. Wie weit würde Olivia wohl gehen, um diese Farce aufrechtzuerhalten?

Bevor eine weitere Welle über ihrem Kopf zusammenschlug, holte Olivia gierig Luft. Eigentlich hatte sie nur ein bisschen im Wasser treiben wollen, aber die Strömung war derart stark, dass ihre Arme und Schultern bereits schmerzten. Sie war noch nie eine gute Schwimmerin gewesen und hatte Mühe, sich überhaupt an der Oberfläche zu halten.

Die Stille und das gleißende Mondlicht waren für eine Weile eine willkommene Abwechslung gewesen, aber inzwischen geriet dieser verwegene Ausflug zu einer ziemlich anstrengenden und gefährlichen Sache. Keuchend strampelte sie und ruderte verzweifelt mit den Armen, um nicht unterzugehen.

Wenn es um ihren Vater ging, war sie schon immer feige gewesen. Sie hatte nie den Mut gehabt, sich wirklich gegen ihn aufzulehnen, sondern war jedem offenen Konflikt mit ihm aus dem Weg gegangen. Genau wie heute.

Nach einer Ewigkeit erreichte sie endlich den Strand. Ihre Gliedmaßen fühlten sich an, als wären sie aus Gummi. Mit dem Gesicht nach unten lag sie im Sand, und ihre Lunge brannte wie Feuer. Dem Zorn ihres Vaters war sie um Haaresbreite entwischt, aber sie musste sich noch mit Alexander herumschlagen. Vorausgesetzt, Kim ließ noch länger auf sich warten.

Plötzlich stellten sich ihr die Nackenhaare auf, da ihr bewusst wurde, dass sie nicht allein war.

„Bist du etwa nackt?“

Erschrocken wandte sie den Kopf in Richtung der Stimme. Unmittelbar neben ihr lag Alexander ausgestreckt auf einem Liegestuhl. Er betrachtete sie unter halb geschlossenen Lidern.

Seine blauen Augen glitzerten im Mondschein, während er Liv ungeniert musterte. Das Jackett hatte er abgelegt, und die obersten Knöpfe seines Hemds waren geöffnet, sodass sie direkt auf seine braungebrannte Brust sehen konnte. Dies war nicht mehr der reservierte Geschäftsmann, sondern ein attraktiver Verführer, von dem eine gewisse Gefahr ausging.

Olivia schluckte. Die Vorstellung, einfach zurück ins Wasser zu fliehen, erschien ihr wie ein willkommener Ausweg. Selbst wenn sie im Meer wie ein Stein zu Boden sinken würde …

Mit letzter Kraft setzte sie sich aufrecht hin und zog die Knie vor die Brust. Sie gab vor, sich den Sand von der Haut abzustreifen, um zu verbergen, wie stark ihre Hände zitterten. Dabei starrte sie stur geradeaus.

Alexander kam auf sie zu, und Olivia wurde stocksteif. Ihr Blick fiel auf seine nackten, schönen Füße, und sie dachte an die Worte ihrer Freundin Amelie: Du weißt, was man über Männer mit großen Füßen sagt?

Nicht jetzt, Liv! ermahnte sie sich. „Natürlich bin ich nicht nackt“, sagte sie, und ihre Stimme bebte. Eilig klopfte sie sich den restlichen Sand von den Beinen. „Ich bräuchte eine Dusche.“

Stumm hockte er sich neben sie und legte ihr seine warmen Hände auf die Schultern.

Seine Berührung verbrannte ihre Haut. „Alexander …“ Sie spürte seinen Zeigefinger an ihren Lippen und verstummte.

„Du hast mir das Vergnügen genommen, dir das Kleid vom Leib zu reißen. Jetzt lass mich wenigstens sehen, was sich darunter verborgen hat!“

Ihr Magen zog sich zusammen, als er sich aufrichtete und einen Schritt zurücktrat.

Sieh ihm nicht in die Augen, Liv! ermahnte sie sich. Es kostete sie immense Willenskraft, die Lider zu schließen. Zu ihrem Entsetzen erwachten dadurch all ihre übrigen Sinne. Sie hörte ihren eigenen Atem, der stoßweise ging, und ihre Nase registrierte den Duft von Salz und Männlichkeit. Ihre Haut reagierte, als würde Alexander sie mit seinen Händen streicheln.

Alex konnte den Blick nicht von ihr abwenden. Seine innere Hitze brannte allmählich unerträglich und sammelte sich in der unteren Körperregion. Das Blut rauschte schneller durch seine Adern. Olivias heiseres Keuchen durchbrach die Stille um sie herum. Ihre zarten Schultern schimmerten im Mondlicht. Die geschwungenen Linien ihrer Figur raubten ihm den Verstand.

Sie sah hinreißend aus. Goldene Strähnen durchzogen die braunen Haare. Er bemerkte erst jetzt, dass sie hautfarbene Unterwäsche trug – darum hatte er geglaubt, sie wäre nackt. Spitzenbesetzte Reizwäsche kannte er zur Genüge, aber er hatte nie etwas Aufregenderes als diese nasse Funktions-Unterwäsche gesehen.

Olivias Brüste hoben und senkten sich bei jedem Atemzug, und die Brustwarzen waren aufgerichtet. Seine Kehle fühlte sich trocken an. Ihre Taille, ihre Hüften … alles stellte für ihn eine unwiderstehliche Einladung dar.

„Du starrst mich an“, sagte sie.

Das war nicht seine Absicht gewesen. Aber sie hatte einen Körper, der puren Sex ausstrahlte. Verloren deshalb alle Männer in ihrer Gegenwart den Kopf? Schwache Männer wie sein eigener Vater, die sich von ihrer Leidenschaft leiten ließen? Diese Vorstellung brachte Alexander auf den Boden der Tatsachen zurück. Das war wirksamer als ein Eimer voller Eiswasser!

Er wich noch einen Schritt zurück. „Du bist eine lausige Schwimmerin.“

Sie streckte ihr Kinn vor. Diese Geste konnte zweierlei bedeuten: Widerstand oder Kränkung.

„Wärst du ertrunken, hätte es niemand mitbekommen.“

Olivia spürte, wie ihre Wangen heiß wurden. Tatsächlich hatte die starke Strömung sie schließlich gezwungen, zurück an Land zu gehen. Aber das konnte sie ihm gegenüber schlecht zugeben. „Ich bin aber nicht ertrunken“, murmelte sie und stand auf.

„Wo willst du hin?“, fragte Alexander und griff nach ihrem Handgelenk.

Energisch machte sie sich los und verschränkte die Arme vor der Brust. Sie wollte klingen wie ihre Zwillingsschwester, aber das war gar nicht so leicht, solange ihr Puls derartig raste. Sie musste so schnell wie möglich hier weg – und sich bis morgen früh in ihrem Zimmer einschließen. Nicht weil sie Angst vor Alexander hatte, sondern vor ihrer eigenen, mangelhaften Selbstbeherrschung! „Ich würde heute gern allein schlafen“, gestand sie und hoffte inständig auf sein Verständnis. „Bitte, Alex.“

„Gut.“

Ihr fiel ein Stein vom Herzen. Doch noch bevor sie ihm etwas antworten konnte, zog er sie an der Hand zu sich und setzte sich gemeinsam mit ihr in den Sand – Schulter an Schulter.

„Küss mich!“

Im ersten Moment wusste Olivia nicht, ob sie lachen oder erschrocken sein sollte. „Aber …“

Er hob eine Augenbraue und verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln. „Nur ein Kuss. Den kannst du deinem Ehemann doch wohl kaum abschlagen, oder?“

Welche Frau küsste ihren Mann nicht in der Hochzeitsnacht? Der Punkt ging definitiv an ihn. Trotzdem kostete es sie einige Überwindung, sich einzugestehen, dass sie seiner Bitte nachkommen musste.

Scheinbar ratlos strich er mit dem Daumen über ihre Lippen. „Du hast dich den ganzen Abend schon seltsam verhalten“, murmelte er. „Ich frage mich allmählich …“

Bereitwillig rückte sie noch näher an ihn heran, um ihn von seinen Zweifeln abzulenken. Kim schuldet mir wirklich eine Erklärung! Warum lässt sie mich hier einfach sitzen? Olivia wollte sich gar nicht vorstellen, wie Alexander reagierte, wenn er die Wahrheit erfuhr. Sie bekam eine Gänsehaut, obwohl das auch an ihrem Verlangen liegen konnte …

Schweigend wartete er ab, und sie beugte sich lächelnd zu ihm, damit er nicht misstrauisch wurde. Ihre Lider schlossen sich automatisch, als sie seinen Atem dicht an ihrem Mund spürte. Dann fanden ihre Lippen seine, und jede Zurückhaltung war augenblicklich vergessen. Mit einem leisen Stöhnen ergab sie sich diesem gestohlenen Kuss, hatte sich jedoch im nächsten Moment sofort wieder im Griff.

Auch wenn sie sich zu gern mit ihm unter den funkelnden Sternen im Sand gewälzt hätte, nahm Olivia all ihre Selbstkontrolle zusammen und löste sich von Alexander. Ihr schlechtes Gewissen brachte sie fast um den Verstand und lähmte ihre Lust. Auch wenn die Presse sich dabei überschlug, sie zum Partygirl abzustempeln, gab es doch eine Grenze, die Olivia niemals überschreiten würde.

Jedenfalls nicht noch einmal!

Beschämt rückte sie von ihm fort. „Bitte, nicht heute Nacht.“ Sie zwang sich zu einem Lächeln. „Ich bin wirklich extrem müde.“

Er bedachte sie mit einem eiskalten Blick. „Du schmeckst nach Scotch und Salzwasser. Dabei erträgt Kim nicht einmal den Geruch von Alkohol.“

Blitzartig schoss ihr Kopf hoch. Der Anblick von Alexanders zusammengepressten Lippen bestätigte ihre schlimmsten Befürchtungen. Er wusste es also. „Du weißt Bescheid?“, fuhr sie ihn an und schlug gegen seinen Arm. „Du wusstest es und hast mich trotzdem gezwungen, dich zu küssen? Bastard!“

Seine Miene blieb ausdruckslos. „Ich wollte nur mal sehen, wie weit du gehst. Und ich bin in der Tat überrascht, dass ausgerechnet Olivia Stanton so etwas wie Moralvorstellungen kennt.“

Ohne nachzudenken, holte sie zu einem weiteren Schlag aus, doch er fing ihre Hand mühelos ab.

Olivia war außer sich. Es war ihr unendlich schwergefallen, sich zurückzunehmen, und dieser Mistkerl hatte sie lediglich auf die Probe gestellt. Ihr kamen die Tränen, während sie darum kämpfte, ihre Hände wieder freizubekommen.

Aber anstatt sie loszulassen, drückte Alexander Liv in den Sand und legte sich halb über sie. „Hör auf damit, Olivia!“

Schwer atmend stemmte er sich wieder hoch, aber der Druck seiner Erektion hatte sich auf ihrem Oberschenkel buchstäblich verewigt. Olivias Körper stand in Flammen.

Einen Moment war sie durch ihr unwillkommenes Verlangen wie gelähmt, dann rappelte sie sich hoch und schüttelte sich den Sand aus dem Haar. „Ich habe dich nur geküsst, weil ich so tun musste, als wäre ich Kim. Und ja, ich gebe zu, dass ich dich in gewisser Weise auch anziehend finde. Jeder weiß, was für einen grauenhaften Männergeschmack ich habe. Aber was hast du für eine Entschuldigung?“

Alexander fiel keine ein.

Er konnte sich nicht daran erinnern, jemals so spontan erregt gewesen zu sein. Von einer Sekunde zur anderen war er nicht mehr Herr seiner Sinne gewesen. Normalerweise hatte er kein Problem mit seiner Selbstbeherrschung.

Noch immer jagte das Adrenalin mit Hochgeschwindigkeit durch seine Adern, und er zählte innerlich bis zehn, um sich zu beruhigen. Dann drehte er sich zu dem verführerischen Wildfang an seiner Seite um – und die Erregung kehrte sofort zurück. Seine Knie zitterten, und er hätte sich zu gern wieder an Olivias aufregenden Körper geschmiegt.

Mit dem Handrücken strich er über ihren nackten Arm und zog ruckartig die Hand wieder zurück, als hätte er sich verbrannt. Was tue ich hier? Impulsives Verhalten stand ihm ganz und gar nicht! Außerdem musste er herausfinden, wo Kim steckte, und er musste in ein Flugzeug nach Paris steigen …

Verwirrt zerrte er an seinem Hemd. „Was du in mir ausgelöst hast, ist eine rein physische Reaktion. Animalisch, könnte man fast sagen. Ich habe vorübergehend den Kopf verloren – kein Wunder nach sechs Monaten Abstinenz! Dabei gibt es kaum etwas auf der Welt, das ich mehr verachte als unkontrolliertes Verhalten.“

Der Kampfgeist hatte sie verlassen, und Olivia sackte in sich zusammen. „Bitte, Alexander, lassen wir es für heute gut sein!“

Als sie sich die feuchten Haarsträhnen aus dem Gesicht strich, fielen ihm die roten Abdrücke an ihren Handgelenken auf. Das habe ich ihr angetan! Egal, wie sehr sie ihn provoziert hatte, für Gewalt gab es keine Entschuldigung. Er hätte Olivia nicht so brutal zu Boden drücken dürfen.

Die Scham kühlte sein Verlangen ab und breitete sich in ihm aus – ein ebenso unangenehmes wie vertrautes Gefühl. Seinen Willen mit körperlicher Kraft gegen eine Frau durchsetzen … tiefer konnte man kaum sinken.

Als er nach ihren Fingern griff, wich sie zurück. Alexander runzelte die Stirn. „Wir sollten deine Handgelenke in kaltes Wasser halten“, brummte er.

Olivia stand auf und klopfte sich den Sand ab. „Ich habe weitaus Schlimmeres überstanden. Das ist gar nichts.“

Ihm war wichtig, ihr klarzumachen, dass er nicht zu dieser Sorte Mann gehörte. „Vermutlich kannst du von den Männern in deinem Umfeld nichts Besseres erwarten. Aber ich erwarte definitiv ein anderes Verhalten von mir selbst! Darum möchte ich mich bei dir entschuldigen, Olivia. Obwohl mein Benehmen eigentlich nicht zu entschuldigen ist.“

Verwundert musterte sie sein Gesicht, und ihre steife Haltung entspannte sich etwas. „Ich habe dich provoziert und …“

Er schüttelte heftig den Kopf. „Das wäre die lahme Ausrede eines Schwächlings, dem die Hand ausgerutscht ist!“

Bevor sie protestieren konnte, hob er einen Arm. „Zieh dich an! Wir sehen uns gleich drinnen“, erklärte er knapp. „Und denk nicht einmal daran, dich aus dem Staub zu machen!“

3. KAPITEL

Alexander hatte damit gerechnet, besser gegen Olivias Reize gewappnet zu sein, sobald sie wieder angezogen war. Doch er wurde enttäuscht. Gerade als er die geräumige Wohnküche betrat, erschien Olivia im Durchgang zum Essbereich und rieb sich im Gehen mit einem Handtuch den Nacken trocken.

Sie trug seinen weißen Bademantel, den er zwei Tage zuvor Kim geliehen hatte, und ihr honigblondes Haar hing in feuchten Strähnen um ihre Schultern. Mit den rosigen Wangen und den glänzenden Augen sah sie einfach umwerfend aus.

Energisch riss er den Blick von ihrem tiefen, v-förmigen Ausschnitt los und schenkte sich an der Bar einen großzügig bemessenen Drink ein. Zur gleichen Zeit fuhrwerkte Olivia in der Küche herum. Das Geklapper dröhnte schmerzhaft in seinem Kopf nach. Sein Geduldsfaden war bereits gefährlich dünn, und während er den Scotch hinunterstürzte, konnte er nur daran denken, wie dieser edle Tropfen vorhin auf ihren Lippen geschmeckt hatte.

„Ich bin ganz Ohr, Olivia.“

Frustriert warf sie die Tür des Edelstahlkühlschranks zu und lehnte sich dagegen. „Gibt es in diesem verfluchten Palast irgendwo etwas zu essen? Oder möchtest du, dass ich den Hungertod sterbe?“

Alexander setzte sich auf einen der Esszimmerstühle und streckte seufzend die Beine aus. Hinter seinen Schläfen machte sich ein klopfender Schmerz bemerkbar. „Wo ist Kim?“

Geschäftig durchsuchte sie die Oberschränke. „Ich weiß es nicht.“

„Lass die Spielchen!“ Heute Morgen war sein Leben noch vollkommen in Ordnung gewesen. Er hatte eine vernünftige, bescheidene Frau heiraten wollen. Eine, die nichts weiter als Zuneigung und Respekt in ihm wachrief. Die an seiner Seite stand, damit er seiner Schwester das Leben ermöglichen konnte, das sie verdiente. Doch stattdessen hatte er den kostbaren Diamantring einer Verrückten an den Finger gesteckt.

In Sekundenschnelle war er bei ihr und drängte sie in die Küchenecke. „Stell meine Geduld nicht weiter auf die Probe, Olivia!“ Sie wollte sich an ihm vorbeischlängeln, doch das ließ er nicht zu. Ihr frischer Duft hüllte ihn ein und sofort stellte er sich vor, wie sie wohl nackt unter der Dusche ausgesehen hatte. „Heute früh ging es ihr noch gut – bis du aufgetaucht bist. Ganz offensichtlich musste sie also irgendwohin aufbrechen, um den Scherbenhaufen aufzusammeln, den du mal wieder angerichtet hast.“

Ihr Mund öffnete sich, aber es kam kein Protest über ihre Lippen. Sie schluckte und legte sich schützend die Arme um den Körper. Die Nervosität war ihr deutlich anzusehen. Endlich würde er seine Antworten bekommen!

„Ich habe wirklich großen Hunger, Alexander“, erklärte sie leise, anstatt mit der Wahrheit herauszurücken. „Das Mittag habe ich verpasst, und auf dem Empfang konnte ich nur ein oder zwei kleine Häppchen ergattern. Kannst du nicht deinen berühmten, französischen Koch bitten, etwas Leckeres zu zaubern? Wenn es geht, etwas Herzhaftes.“

Fassungslos ballte er die Hände zu Fäusten und zählte innerlich bis zehn. Hinter seiner Stirn pochte es inzwischen heftig. Stumm zeigte er auf das Telefon an der Wand.

Mit einem leisen Jubelschrei griff Olivia nach dem Hörer, plapperte kurze Zeit später auf Französisch los und bestellte genügend Essen, um eine ganze Armee zu versorgen.

Als sie fertig war, legte Alexander Olivias Handy auf den Arbeitstresen, zusammen mit der silbernen Handtasche, die er aus Kims Suite geholt hatte. „Ruf sie an!“

Ihre Augenbrauen schossen beinahe bis zum Haaransatz in die Höhe, gleichzeitig kniff sie die Augen zu Schlitzen zusammen. „Du hast in meinen Sachen gewühlt?“

„Und du hast dich heute neben mich gestellt und ein falsches Ehegelübde abgelegt“, konterte er. Obwohl die ganze Situation allmählich außer Kontrolle geriet, musste er lächeln. „So spielt das Leben.“

Wütend stopfte sie ihr Mobiltelefon zurück in die Tasche. „Hast du nicht gesehen, dass ich sie etwa viertelstündlich angerufen habe? Sie nimmt nicht ab.“

„Dann müssen wir sie eben finden. Sag mir, wo sie ist!“

Zum ersten Mal an diesem Abend sah Olivia verloren aus. „Ich habe wirklich keine Ahnung. Wahrscheinlich wollte sie die Hochzeit verschieben und hat sich nicht getraut, dich darum zu bitten.“ Sie faltete die Hände und lehnte sich mit dem Rücken gegen die massive Granitarbeitsplatte. „Ich kann mir kaum vorstellen, dass sie die Insel überhaupt verlassen hat. Eigentlich wollte sie sowieso längst zurück sein.“

„Du hältst das alles wohl für einen Witz?“ Tief in ihm kochten die verschiedensten Gefühle hoch. Er wollte die Lage unbedingt wieder unter Kontrolle bringen. Wenn er dafür Olivias Hilfe benötigte, ließ sich das leider nicht ändern. „Warum sollte Kim kurz vor der Trauung ohne ein Wort der Erklärung verschwinden? Dahinter kann doch nur etwas stecken, das du angerichtet hast?“

Gereizt starrte sie ihn an. „Ich verschwende meine Zeit mit dir, weil meine Schwester mich inständig darum gebeten hat. Ob du mir glaubst oder nicht, es war allein ihre Idee. Und wenn du jetzt damit fertig bist, mir Vorwürfe zu machen, nachdem ich dir heute geholfen habe, würde ich gern gehen.“

„Du kannst aber nicht gehen.“ Sein Lächeln wurde breiter. „Selbst wenn das ziemlich undankbar klingt – nach all deiner Hilfe.“

Sein Sarkasmus machte sie rasend. „Hör zu, Alexander! Kim hat lediglich gesagt, sie könne dich heute nicht heiraten. Der Himmel weiß warum. Aber sie wird wiederkommen.“

Ihr war elend zumute. Ihre Schwester hatte sich nicht einmal ihr anvertraut, dabei war Kim immer diejenige von ihnen gewesen, die ihr Leben fest im Griff hatte. Es passte nicht zu ihr, am Tag ihrer Hochzeit sang- und klanglos zu verschwinden. Das war einfach nicht … Kim. Olivia hatte Angst um sie.

„Kim will dich immer noch, ganz bestimmt. Ich meine, sie hat mich zu dieser Scharade überredet, um dich nicht zu verlieren. Jedenfalls hat sie das behauptet.“

Seine Miene blieb starr. „Falls es ein Problem gegeben hätte, wäre sie zu mir gekommen. Für mich klingt es reichlich unwahrscheinlich, dass sie sich mit ihren Sorgen ausgerechnet an dich wendet.“

Demnach kann er mich wirklich nicht ausstehen, schloss Olivia und fühlte sich ziemlich verletzt. Dabei müsste sie doch längst an Angriffe dieser Art gewöhnt sein. Trotzdem verunsicherte es sie regelmäßig wieder, dass ihr ein derart schlechter Ruf vorauseilte.

„Du meinst also, dass es für dich völlig okay gewesen wäre, wenn sie zu dir gekommen wäre und dir gesagt hätte, dass sie dich heute nicht heiraten kann? Mir gegenüber hat sie nämlich erwähnt, du würdest jedem möglichen Skandal tunlichst aus dem Weg gehen.“ An dem Punkt hätte Olivia es eigentlich gut sein lassen sollen, doch einen Nachsatz konnte sie sich nicht verkneifen. „Nicht dass es sonderlich skandalös wäre, mal eine Hochzeit zu verschieben.“

„Auf der Verlobungsparty hast du einem Freund von mir vor versammelter Mannschaft ins Gesicht geschlagen. Einem Mann, der dir einen Job gegeben hat. Aber du hattest ja nichts Besseres zu tun, als eines Tages urplötzlich Vertragsbruch zu begehen und zu verschwinden! Dir ist nichts skandalös genug, Olivia, und demnach haben wir wohl kaum die gleichen Vorstellungen von Anstand!“

Sie schwieg. Solche Anschuldigungen hörte sie nicht zum ersten Mal. Trotzdem trafen seine harten Worte einen wunden Punkt bei ihr.

„Mal angenommen, du sagst die Wahrheit, dann will ich dir eine Antwort auf deine Frage geben: Wenn Kim sich an mich gewandt hätte, wäre ich inzwischen mit ihr verheiratet, anstatt mit dir darüber diskutieren zu müssen, wie man einen Skandal definiert.“

Es fiel Olivia schwer, ihr Temperament zu zügeln, andererseits war dies nicht ihr Kampf. Was kümmerte es sie, wenn Alexander schlecht von ihr dachte? Sie hatte ihrer geliebten Schwester nur einen Gefallen getan. Aber es störte sie, dass er davon ausging, Kim hätte sich so einfach von ihm umstimmen lassen. Interessierte er sich denn gar nicht für die wahren Gefühle seiner Verlobten?

Offenbar nicht. Alexander King ging es ausschließlich um den Schein und nicht um das Sein. Eine Schande, dass ihre Zwillingsschwester ihr Leben mit ihm verbringen wollte.

„Aber sie hat sich nicht an dich gewandt, sondern mich um Hilfe gebeten, und ich bin für sie eingesprungen. Und ich freue mich schon jetzt auf den Augenblick, wenn du von ihr die ganze Wahrheit erfährst und mich auf Knien um Verzeihung bitten musst.“

Eher würde die Hölle zufrieren, dessen war Olivia sicher. Andererseits brauchte jedes Mädchen waghalsige Fantasien, um sich durchs Leben zu schlagen. Darum stellten sich die meisten auch irgendwann einmal vor, mit jemandem wie Johnny Depp glücklich werden zu können …

Ein Gutes hatte das alles jedenfalls: Sie musste nicht länger vorgeben, Kim zu sein, und konnte in ihre eigene Persönlichkeit zurückschlüpfen. Eine echte Erleichterung.

„Jedenfalls gibt es keine Notwendigkeit mehr für uns, es noch länger zusammen auszuhalten“, schloss sie.

Die folgende Stille bereitete ihr Unbehagen. Wachsam beobachtete sie den attraktiven Mann vor sich, der sich nachdenklich über seinen Drei-Tage-Bart strich. Er roch unheimlich gut. Wie eine Mischung aus Rasierwasser und Zartbitterschokolade. Zweifellos brachte er Frauen jeglichen Alters dazu, sich ihm vor die Füße zu werfen.

Plötzlich stupste er mit dem Zeigefinger an ihre Nasenspitze. „Du glaubst doch wohl nicht, ich würde allein in die Flitterwochen fahren, oder?“

Ihre Kehle fühlte sich trocken an. „Das ist nicht dein Ernst!“ In seinem entschlossenen Blick las sie die Antwort. „Eine gemeinsame Reise ist völlig unnötig. Kim wird bestimmt bald zurück sein.“

„Dann fang an zu hoffen, dass sie bis spätestens morgen früh wieder auftaucht!“

Mit beiden Händen umklammerte Olivia die Granitplatte hinter sich. „Ich kann nirgendwo mit dir hin. Wir beide hassen uns, schon vergessen?“

Sein tiefes Lachen ging ihr unter die Haut. „Noch mehr hasse ich es allerdings, von der Klatschpresse zerrissen zu werden.“

„Das ist nicht lustig“, ereiferte sie sich und kramte ihr Telefon wieder hervor. „Ich habe in zwei Wochen einen wichtigen Agenturtermin, den ich nicht verpassen darf.“

„Du spielst immer noch die hart arbeitende Karrierefrau?“, erkundigte er sich und betrachtete das Skizzenbuch, das halb aus ihrer Tasche ragte. „Gib es auf, Olivia! Das nimmt dir eh keiner ab.“

Ruckartig stieß sie den Atem aus, als hätte ihr jemand einen Schlag in die Magengrube versetzt. Bevor ihr das Handy aus den Fingern rutschen konnte, ließ sie es unter dem Skizzenbuch verschwinden. Der Pitch – also die Präsentation – für LifeStyle Inc. war ihre einzige Chance, ihre Karriere anzukurbeln und allen miesen Gerüchten ein Ende zu setzen. Sie konnte und durfte nicht riskieren, dass ihr jemand dazwischenfunkte. „Es sind deine ganz privaten Flitterwochen, Alexander. Niemand wird erfahren, dass du allein bist, solange du die Medien nicht selbst informierst.“

Er packte sie am Oberarm. „Du lebst tatsächlich in deiner eigenen kleinen Welt oder?“, fragte er in schneidendem Ton. „Diese Aasgeier verfolgen mich überall hin. Ich werde einen Teufel tun und ihnen freiwillig als Kanonenfutter dienen! Solange du mir nicht die ganze Wahrheit sagst, wirst du gefälligst bei mir bleiben und weiterhin die Rolle deiner Schwester übernehmen – bis Kim zurückkommt!“

Beinahe hysterisch riss sie sich von ihm los. Dieser Tag konnte wohl kaum noch schlimmer werden. Es war, als hätte sich das Universum gegen Olivia verschworen …

„Schön, ich werde dich begleiten. Aber in zwei Wochen muss ich in New York sein. Und falls du versuchen solltest, mich aufzuhalten … denk daran, dass ich keine Scheu davor habe, einen handfesten Skandal vom Zaun zu brechen. Schließlich habe ich nichts zu verlieren.“

„Du würdest das Glück deiner Schwester aufs Spiel setzen?“

„Allmählich bezweifle ich, dass sie es an deiner Seite finden kann.“ Sie presste die flache Hand gegen ihre Stirn, hinter der es unangenehm zu schmerzen begann. „Wo flittern wir eigentlich?“

Keine Antwort. Er sah sie einfach nur an. Irgendwann kam ihm dann doch noch ein Wort über die Lippen. „Paris.“

Einzig Olivia Stanton konnte wie ein Reh im Scheinwerferlicht aussehen, wenn sie den Namen dieser Stadt hörte. Alexander war fasziniert.

Mit verschränkten Armen stand er im Türrahmen und wartete ab, bis seine Angestellten den Esstisch zu Ende gedeckt hatten. Aber nicht einmal Pierres kulinarische Künste weckten heute seinen Appetit – zumindest nicht den auf Essen.

Eigentlich sollte er längst mit Kim im Bett liegen und die Welt hinter sich lassen. Sechs Monate lang hatte er auf ihren Wunsch hin gewartet und sich gezügelt, um die Hochzeitsnacht zu einer ganz besonderen zu machen.

Was für eine Ironie des Schicksals, dass seine Libido jetzt ausgerechnet auf eine Frau ansprang, die er nicht leiden konnte. Er vergrub die Hände tief in beiden Hosentaschen und reckte den Hals, um seine Anspannung loszuwerden.

Endlich ließ das Personal sie allein, und Alexander beobachtete, wie Olivias Gesicht beim Anblick der vielen leckeren Speisen aufleuchtete.

„Ich hätte gewettet, du bist zu aufgeregt, um zu essen“, bemerkte er trocken.

Schulterzuckend setzte sie sich an den großen Eichentisch. „Dein Problem.“ Dann biss sie in ein weiches Sandwich und schloss beim Kauen die Augen.

Ihm wurde seltsam warm ums Herz.

„Wie jeder andere Mensch auf diesem Planeten glaubst du, mich zu kennen“, sagte sie beim Kauen. „Aber das tust du nicht. Und nur zu deiner Information: Ich bin aufgeregt. Aber deshalb muss ich ja nicht verhungern.“

Nach einer Weile nahm sie einen kräftigen Schluck Wein und stand auf, um noch einmal zum Telefonhörer zu greifen. Erstaunt hörte Alexander, wie sie Pierre in perfektem Französisch für seinen Einsatz dankte und ihm ein herzliches Lachen schenkte. Vermutlich hatte sie den Koch damit im Sturm erobert.

Ergeben ließ Alexander sich ebenfalls am Tisch nieder und aß ein paar Kanapees. Anschließend wies er seinen Sicherheitschef per Mobiltelefon an, Kims Aufenthaltsort ausfindig zu machen, und starrte stumm aus dem Fenster in die Dunkelheit.

Seine Braut hätte es besser wissen sollen, als ihn mit ihrer verantwortungslosen Zwillingsschwester im Stich zu lassen. Er konnte doch nicht ohne seine rechtmäßige Ehefrau nach Paris fliegen!

Eine halbe Stunde später verabschiedete sich Olivia von ihm und verschwand aus der Wohnküche. Tja, leider war er vorerst auf dieses Frauenzimmer angewiesen – ob es ihm nun gefiel oder nicht.

Auf Zehenspitzen schlich Olivia quer durch das dunkle Schlafzimmer und zog sich dabei an. Dann klemmte sie sich ihren Laptop unter den Arm und warf einen letzten Blick auf den Koffer, den sie zurücklassen musste. Sie konnte ihn unmöglich mit durch die Villa schleppen. Außerdem ließ sich alles darin ersetzen.

Mit klopfendem Herzen trat sie auf den Flur hinaus und hatte sofort ein Déjà-vu-Erlebnis. Wie oft hatte sie sich als Teenager aus ihrer Privatschule hinausgestohlen? Und kein einziges Mal war es gut gegangen.

Innerhalb weniger Minuten hatte sie die Eingangshalle erreicht, die dezent beleuchtete Kunstwerke schmückten. Zu jedem anderen Zeitpunkt hätte sie die exklusive Schönheit des Gebäudes zu schätzen gewusst. Kein Vergleich zu ihrem winzigen Studioapartment in Manhattan. Nein, hier in diesem Wohnparadies hätte sie unter normalen Umständen entspannt und motiviert all die kreativen Ideen zu Papier bringen können, die in ihrem Kopf umherschwirrten.

Allerdings störte sie sich an dem starrsinnigen Eigentümer, der skrupellos ihr Leben durcheinanderbrachte, um seine eigenen Interessen zu verfolgen. Keine Minute länger wollte sie seine Anwesenheit ertragen und schon gar nicht mit ihm nach Paris fliegen! Allein der Gedanke an diese Stadt verursachte bei ihr Bauchschmerzen und jede Menge unliebsamer Erinnerungen.

An der Eingangstür stahl sie die Schlüssel zum Range Rover, der vor dem Haus stand. Jetzt musste sie nur noch die fünfzig Meilen zum Flughafen fahren und die Insel verlassen. Das Ticket würde ihre Kreditkarte zwar ziemlich belasten, aber jeder Preis war angemessen, solange ihr nur die Flucht gelang.

Als sie auf der Suche nach dem Wagen über den Vorplatz huschte, prallte sie plötzlich gegen einen harten, warmen Männerkörper. Ihr blieb die Luft weg. Alexander! Seine kräftigen Arme schlossen sich um sie, und Olivia war gefangen.

„Wo willst du denn hin, Olivia?“, erkundigte er sich leicht amüsiert und sah in der dunklen Cargohose und dem schwarzen Sweater einfach zum Anbeißen aus.

Bevor sie etwas erwidern konnte, hatte er sie schon umgedreht und schob sie zurück auf die Eingangstür zu, als wäre sie ein störrischer Teenager. Währenddessen bellte er Befehle in sein Handy, und Olivia sah ihre Chance auf Flucht in weite Ferne rücken.

Im Haus wandte sie sich zu ihm um, während er mit verschränkten Armen vor ihr stand. „Ich kann nicht mit dir gehen“, sagte sie, und es klang beinahe wie ein Flehen. „Es ist besser, wenn du hier auf Kim wartest, anstatt mich nach Paris zu entführen.“

Seine kalte Wut war ihm anzumerken. „Komm mit!“, sagte er knapp und ging an ihr vorbei.

Stumm folgte sie ihm durchs Erdgeschoss auf eine marmorgeflieste Terrasse hinaus. Strategisch platzierte Solarlichter illuminierten den schön angelegten Garten und das weit auslaufende Grundstück dahinter. Grünflächen, Palmen und in der Ferne der herrliche Strand – Alexander war wirklich zu beneiden.

Einzig die vielen dunklen Vans am Verbindungsweg zwischen Rasenfläche und Wäldchen störten. Olivia entdeckte mehrere Teleskope, die auf die Terrasse gerichtet waren. Instinktiv suchte sie hinter Alexanders breitem Oberkörper Schutz.

„Sind das etwa …“

„Reporter? Ja, allerdings.“

Die Angst griff mit ihren eiskalten Krallen nach Olivia, und sie sah die Titelseiten mit ihrem tränenüberströmten Gesicht wieder vor sich. Bilder, die sie nicht betrachten wollte, und Geräusche, die sie nicht hören wollte. Damals waren ihr Mikrofone und Objektive ins Gesicht gehalten worden, während ihr Vater seine verstörte Tochter grob über die Auffahrt seines Anwesens gezerrt hatte.

Nachdem er sie buchstäblich auf die Straße geworfen hatte, waren die Journalisten wie blutrünstige Parasiten über sie hergefallen. Es war ein einziger Albtraum gewesen.

Ihr brach der Schweiß aus, und sie drängte sich dichter an Alexander. Sie klammerte sich sogar an ihm fest und fühlte sich durch die Wärme seines Körpers eingehüllt und unmittelbar beruhigt.

Er legte einen Arm um sie. „Die brauchen zwei Minuten, um zu erkennen, dass du allein bist. Fünf, um dich in eine Ecke zu drängen, selbst wenn du dir meinen Range Rover schnappst. Und höchstens zehn, um dich als die berüchtigte Olivia Stanton zu entlarven. Auch wenn du es irgendwie ohne die Hilfe meines Sicherheitspersonals unbehelligt bis zum Flughafen schaffen solltest, würde das allgemeine Interesse an dir auf jeden Fall erwachen. Und dann graben sie gnadenlos auch das letzte dunkle Detail deiner Vergangenheit aus. Und da gibt es einiges zu holen, wie ich hörte.“

Olivia riskierte noch einen Blick auf die Pressemeute und bekam eine Gänsehaut. Auf keinen Fall würde sie einen einzigen Schritt dort hinaus wagen. Nicht ohne Alexanders Armee von spezialisierten Sicherheitsleuten an ihrer Seite!

Hektisch befeuchtete sie ihre trockenen Lippen. „Und die Chancen, dass du mir deine geschulten Fachkräfte für meinen Weg zum Flughafen zur Verfügung stellst …“

„… sind gleich Null. Genau.“

Er neigte den Kopf und küsste sie auf die Stirn – und Olivia fühlte sich gebrandmarkt. Ihre empfindliche Haut reagierte auf den Kontakt, und dieses wohlige Gefühl würde sie niemals wieder vergessen.

Sie wankte, und er zog sie fester an sich. Automatisch öffnete sie den Mund und wollte darauf bestehen, dass er sie wieder losließ, aber ihr kam kein einziges Wort über die Lippen. Stumm ließ sie es geschehen, dass er seine Hand in ihr Haar schob und ihren Kopf umfasste. Sein Gesicht war ihrem ganz nah …

Hilfe! Das läuft hier absolut falsch! Obwohl es ihr gefiel, dass er sie offenbar begehrte, durfte sie ihn nicht küssen. Außerdem hatte er – im Gegensatz zu ihr – bestimmt alles unter Kontrolle und verfolgte mit seinem Handeln einen nüchternen Plan.

„Du ziehst für diese Schmeißfliegen eine Show ab“, warf sie ihm vor und schluckte ihre heimliche Enttäuschung hinunter.

Mit dem Daumen strich er über ihre Wange. „Das sollte sie zumindest einen Tag lang zufriedenstellen.“

Dass ihre Vermutung ins Schwarze traf, bereitete ihr keine Genugtuung – im Gegenteil. „Woher wusstest du, dass ich abhauen wollte?“

„Für mich bist du in jeder Hinsicht berechenbar. Und damit wir beide uns richtig verstehen: Falls du das noch mal versuchen solltest, werfe ich dich den Wölfen höchstpersönlich zum Fraß vor.“

Es beunruhigte sie, wie knapp sie dieser Katastrophe entkommen war. „Wie lange muss ich mich fügen?“

„Sag mal, willst du dich unbedingt mit mir streiten? Ich bitte dich doch bloß, mit mir ein paar luxuriöse Tage zu verbringen. Ist das denn zu viel verlangt?“

„Wenn ich sie mit dir zusammen verbringen muss, dann ja!“

„Mit dieser Meinung stehst du ziemlich allein da“, konterte er arrogant. „Andererseits bleibt dir keine Wahl, solange Kim verschollen ist. Anschließend kannst du meinetwegen zum Nordpol verschwinden.“

Ihre Angst vor der Presse war berechtigt. Aber warum scheute der selbstbewusste Alexander einen kleinen Skandal? „Du kannst dir von denen doch nicht dein Leben vorschreiben lassen.“

„Übertreib es nicht, Olivia!“

Doch seine Warnung stachelte sie nur noch mehr an. „Dir geht es um deinen Stolz und dein Image, oder? Dir soll man natürlich nicht nachsagen, dass du die falsche Frau geheiratet hast … den unperfekten Zwilling. Man darf dir natürlich nicht nachweisen, dass du Fehler begehst, wie jeder andere von uns auch.“

Sein Blick war eiskalt. Trotzdem lächelte er. „Jeden einzelnen Tag meines Lebens bin ich von Journalisten gejagt worden. Mit sieben, als meine Eltern mich bei einer Filmpremiere aus den Augen verloren hatten, und mit siebzehn, als ich in zweifelhafte polizeiliche Ermittlungen hineingezogen worden bin. Meine Kindheit kommt mir wie eine dieser bizarren Realityshows aus Hollywood vor, deren Produzenten nichts und niemand heilig ist. Nur dass es mein eigenes, ganz persönliches Leben war, das man unter dem Mikroskop seziert hat. Seit ich laufen kann, hat man mich verfolgt und buchstäblich auseinandergenommen. Genau aus diesem Grund will ich dieser Meute keinen Anlass mehr bieten, meine Existenz in der Luft zu zerreißen.“

Olivia erschrak vor dem verzweifelten Ausdruck in seinen Augen. Am liebsten hätte sie ihn spontan in die Arme geschlossen.

„Ich habe das irgendwann hinter mir gelassen und mein Leben selbst in die Hand genommen“, fuhr er fort. „Aber soll ich dir was sagen? Die Schatten dieser Vergangenheit sind nie weit entfernt. Kannst du dir vorstellen, wie sich das anfühlt? Jede einzelne deiner Entscheidungen, jede einzelne Handlung wird minutiös nach Fehlern untersucht. Und die gesamte Welt, inklusive deiner eigenen Eltern, wartet nur darauf, dass du scheiterst.“

Ihr bitteres Lachen schnitt ihm das Wort ab. „Offensichtlich weißt du nicht allzu viel über mich.“

„Doch, das tue ich. Allerdings provozierst du die öffentliche Aufmerksamkeit durch dein rücksichtsloses, unüberlegtes Verhalten.“

Seine Worte taten ihr weh, gleichzeitig fiel ihr auf, wie mitleidig Alexander sie musterte. Bereut er seinen Vorwurf etwa? Oder bilde ich mir das bloß ein?

Spontan ergriff sie seine Handgelenke. „Wieso müssen wir überhaupt wegfahren?“ Für sie war es unvorstellbar, nach Paris zu fliegen – erst recht als seine vermeintliche Ehefrau! „Können wir nicht einfach hier zusammen auf Kim warten, und dann verreist ihr beide zusammen?“

Ihre flehende Bitte dämpfte seinen Zorn. Er betrachtete ihren verführerischen Schmollmund und empfand so etwas wie Mitgefühl für ihre Situation. Kein Mensch kehrte gern an den Schauplatz der eigenen Schande zurück. Andererseits blieb ihnen beiden kaum eine Wahl.

Seit mehr als zehn Jahren hielt Alex sich erfolgreich aus den Klatschspalten heraus, kümmerte sich um seine Schwester und bemühte sich um ein unauffälliges Leben. Niemand sollte seine gesicherte Existenz oder die seiner Schwester gefährden – weder die Presse noch seine eigene Mutter.

„Das geht nicht, weil ich gewisse Verpflichtungen habe, Olivia. Da gibt es Leute in Paris, die es kaum abwarten können, mich mit meiner liebenden Ehefrau begrüßen zu können. Wenn wir beide nicht überzeugen, werden die Journalisten nicht nur dir und mir, sondern auch deiner Schwester die Hölle heiß machen. Wir müssen so lange zusammen funktionieren, bis ich Schadensbegrenzung betreiben kann. Und nachdem Kim dir unzählige Male die Haut gerettet hat, wird es dir doch wohl nicht schwerfallen, ihr diesen kleinen Dienst zu erweisen, oder?“

4. KAPITEL

Rein gar nichts funktionierte.

Olivia blies sich eine widerspenstige Haarsträhne aus der Stirn und fasste den Rest ihrer Frisur in einem strammen Pferdeschwanz zusammen. Dann entwarf sie eine weitere Skizze auf ihrem Block, und der Kohlestift flog nur so über das Papier. Lifestyle Inc. erwartete für die nächste Herbstsaison Sportmode der Superlative. Und wenn sie diesen Auftrag für ihre Agentur an Land ziehen konnte, wäre ihre Karriere gerettet.

Allerdings war sie mit ihrem Entwurf nicht zufrieden. Wütend riss sie die Seite aus dem Block und knüllte sie zusammen. Es war diese verdammte Stadt, die ihre Kreativität ausbremste, da gab es keinen Zweifel. Seit sie am Flughafen aus Alexanders Privatjet ausgestiegen war, fühlte sie sich, als hätte man ihr Bleischuhe angelegt. Da halfen auch die warme Sommerbrise und der herrlich blaue Himmel nichts.

Sie fühlte sich in der Zeit zurückversetzt. Jaques’ Gesicht erschien vor ihrem inneren Auge. Es war, als hätte sie ihn gerade erst geküsst und angefleht, sie nicht zu verlassen – und nicht schon sechs Jahre zuvor. Damals hatte sie alles Mögliche getan, um ihn zu halten und dazu zu bringen, sie zu lieben.

Doch er hatte sie verlassen und auf ihrem gebrochenen Herzen herumgetrampelt. Diese schmerzhaften Erinnerungen verfolgten sie permanent. Ihr kamen erneut die Tränen.

Zum hundertsten Mal überflog sie die Nachricht von Kim auf ihrem Blackberry: Mir geht es gut. Ich kann noch nicht zurückkommen. Tut mir unendlich leid.

Diese kurze SMS sagte überhaupt nichts aus, rückte allerdings Olivias Hoffnung, aus ihrer misslichen Lage befreit zu werden, in noch weitere Ferne.

Resigniert betrat sie das Wohnzimmer, wo Alexander ihr vom Sofa aus kurz zunickte. Seit sie hier waren, hatten sie kaum ein Wort miteinander gewechselt. Als würde er ahnen, wie blank ihre Nerven lagen. Sein Instinkt trog ihn nicht: ein falsches Wort von ihm, und sie hätte Alexander auf der Stelle erwürgt. Aber diese Genugtuung verschaffte er ihr natürlich nicht. Stattdessen hatte er sich den ganzen Tag über wie ein perfekter Gentleman verhalten.

Eigentlich hatte sie ihn ignorieren wollen, aber jetzt fesselte er ihren Blick, da er sich langsam und geschmeidig vom Sofa erhob. Die enge schwarze Jeans brachte seine muskulösen Beine deutlich zum Vorschein und seine Kehrseite … du lieber Himmel! Olivia wurde richtig heiß!

„Bist du inzwischen wieder ansprechbar?“, wollte er wissen.

Zum Glück verlor er kein Wort darüber, dass sie ihn gerade angegafft hatte. Wenigstens hatte sein Anblick ihre trüben Gedanken vorübergehend verscheucht. So etwas schaffte eben nur verbotene Lust!

Die geschmackvoll eingerichtete Lounge mit den dunkelroten Möbeln führte auf eine Dachterrasse, von der aus man den Eiffelturm sehen konnte. Trotz ihrer düsteren Laune war Olivia von ihrer Umgebung tief beeindruckt. Mit den Fingerspitzen fuhr sie über das steinerne Geländer und machte sich dabei ihre Gedanken.

Alexander King hatte sich im zarten Alter von siebzehn Jahren von seinen berühmten Hollywood-Eltern losgesagt. Die Tatsache, dass er trotzdem unermesslich reich war, wurmte sie. Warum konnte er nicht genauso ein Außenseiter und Versager sein wie sie?

Dabei hatte sie bisher nicht feststellen können, dass er sich auf diesen persönlichen Erfolg viel einbildete – ganz im Gegensatz zu ihrem Vater. Kein übertriebener Luxus und kein herablassendes Verhalten dem Personal gegenüber.

Die Angestellten schienen sogar eifrig darum bemüht, Alexander zufriedenzustellen, weil sie ihn aufrichtig schätzten. Er hatte es offenbar nicht nötig, sich auf seinem Erfolg auszuruhen. Aber diese latente Arroganz in seinem Tonfall, die sie unglaublich nervte, schien angeboren zu sein.

Sie kehrte in den Wohnbereich des Apartments zurück und betrachtete lächelnd das Gemälde von Andy Warhol an der Wand: Marilyn Monroe in Türkis. Ausgerechnet eine skandalöse Hollywood-Diva hatte Alexander sich ausgesucht.

„Worüber amüsierst du dich?“, fragte er.

„Ich hatte mir deine Wohnung einfach anders vorgestellt. Entgegen aller Erwartung hat die Einrichtung etwas Gemütliches.“

„Dann findest du mich also ansonsten zu steif?“

Lächelnd zeigte sie auf das Gemälde, hob die Schultern und sparte sich eine direkte Antwort.

„Emily hat das hier alles gestaltet“, gab er zu. „Sie versucht sich als Inneneinrichterin.“

Seine Schwester? überlegte Olivia. Die er Zeit seines Lebens zu beschützen versucht hat?

Mit zwanzig, nachdem er die ersten geschäftlichen Erfolge verzeichnet hatte, war er gegen seine eigenen Eltern vors Familiengericht gezogen, um das Sorgerecht für seine damals sechsjährige Schwester einzuklagen. Mit Erfolg. Das sprach in Olivias Augen für Verantwortungsgefühl und gnadenlose Entschlossenheit.

„Deine Schwester?“

Er nickte.

„Auf der Hochzeit habe ich sie gar nicht gesehen.“

Jetzt hob er die Schultern. „Sie ist ziemlich beschäftigt.“

„Zu beschäftigt, um der Hochzeit ihres eigenen Bruders beizuwohnen?“

Alexander warf ihr einen warnenden Blick zu, doch Olivia zog nur die Augenbrauen hoch. Emily hätte die Feier sicher gefallen, aber momentan konnte er ihre Sicherheit keinesfalls aufs Spiel setzen.

„Im Nachhinein war es wohl gut, dass sie nicht dabei gewesen ist“, brummte er.

Die letzten zwei Tage waren nicht so verlaufen, wie er es geplant hatte, und das brachte Alexander aus dem Konzept. Sein Sicherheitschef Carlos hatte bisher nichts über Kims Aufenthaltsort herausfinden können, und seine Kontaktpersonen in Paris hatten seine schlimmsten Befürchtungen bestätigt.

Isabella wohnte schon seit über drei Monaten inkognito in der Stadt, und das hatte ganz sicher nichts mit ihrer Arbeit zu tun. Die Tatsache, dass sie sich in der Nähe von Emilys Schule aufhielt, war kein Zufall. Zum Glück war Emily zurzeit auf Klassenfahrt in den Schweizer Alpen. Und er selbst musste sich auf eine Frau verlassen, die man am ehesten als eine tickende Zeitbombe beschreiben konnte.

Während des Flugs war Olivia seltsam still gewesen, als würde eine dunkle Wolke über ihrem Kopf schweben. Dabei hatte er damit gerechnet, sich ununterbrochen ihren Vorwürfen stellen zu müssen.

Er wusste, dass sie seinerzeit in Paris eine Affäre mit einem zwanzig Jahre älteren, verheirateten Mann gehabt hatte. In genau dieser Stadt war ihr Ruf nachhaltig zerstört worden, und Alexander hatte Verständnis dafür, dass Olivia nicht hierher zurückkehren mochte … seltsamerweise.

Es erinnerte ihn an sein altes Ich … bevor er gelernt hatte, die eigenen Emotionen in Eis zu verpacken. Allerdings war es wohl kaum ein kluger Schachzug, sich ausgerechnet mit Olivia Stanton zu identifizieren.

Als er hörte, wie sie in der Küche mit den Schranktüren knallte, legte er seine Papiere beiseite und folgte den Geräuschen. Für eine derart schlanke Person war sie verdächtig häufig auf Nahrungssuche, fand er. Während sie auf Zehenspitzen die oberen Regale inspizierte, gab ihr Baumwoll-T-Shirt den Blick auf ein nacktes Stück Rücken frei. Und um Alexander war es geschehen …

Fluchend steuerte er auf die Kaffeemaschine zu. „Hast du etwas von Kim gehört?“, fragte er, um sich von seiner aufkeimenden Lust abzulenken.

Sie erstarrte und drehte sich zu ihm um. „Ja, sie hat eine SMS geschickt. Angeblich geht es ihr gut.“

Als er die Kaffeetassen aus dem Schrank nahm, prallte Olivia aus Versehen gegen ihn, und er musste sie abstützen. Sie war extrem sexy in ihrem engen Shirt und den ultrakurzen Hotpants. Und so anders als die Frauen, die er normalerweise anziehend fand: die erfolgreichen und kultivierten Damen der höheren Gesellschaft.

Olivia war ihr absolutes Gegenteil, trotzdem reagierte seine Libido auf sie stärker als auf irgendjemanden sonst. Das ergab für seinen analytischen Verstand überhaupt keinen Sinn.

„Sieht aus, als würden wir Fortschritte machen“, raunte er und grinste. „Du hast mich nicht mehr belogen und auch keinen weiteren Fluchtversuch unternommen.“

Sie füllte zwei Tassen mit Kaffee und trug sie ins Wohnzimmer. Alexander folgte ihr wie ein Raubtier, das einer Beute nachjagte.

„Ich finde, Emily hat hier fantastische Arbeit geleistet“, verkündete Olivia. „Sie sollte ihre beruflichen Pläne als Inneneinrichterin unbedingt weiterverfolgen.“

„Anders als du es mit deiner Karriere getan hast?“

Mit einem schmalen Lächeln zog sie sich aus der Affäre. Wozu Erklärungen abgeben? Niemand traute ihr etwas zu, nicht einmal Kim. Selbst sie brachte selten Verständnis für die impulsiven Entscheidungen ihrer Schwester auf. Doch das würde sich bald ändern.

Mit einem Kribbeln im Bauch dachte Olivia an den bevorstehenden Pitch. Endlich hatte sie die Gelegenheit, sich beruflich zu beweisen. Allerdings musste sie noch einiges an Arbeit in ihr Projekt stecken. „Nicht jedem fliegt der Erfolg zu.“

Alexander setzte sich ihr gegenüber auf die Ledercouch. „Zumindest bist du eine Frau mit vielen Talenten. Verwöhnte Erbin, temperamentvolles Model, Reality-TV-Star und neuerdings vielleicht sogar ein Werbeguru?“

Sein Spott verletzte sie, und sie vergaß die Höflichkeit, an der sie sich eigentlich hatte festhalten wollen. Mit Männern und der großen Liebe war sie endgültig durch. Aber ihre berufliche Zukunft nahm sie ausgesprochen ernst.

„Was stört dich eigentlich so sehr an mir?“, wollte sie wissen. „Schließlich gebe ich hier immer noch deine Ehefrau, auch wenn ich dich am liebsten niemals wiedersehen würde.“

„Du hast das Gelübde abgelegt.“

„Es hat mir nicht das Geringste bedeutet.“

„Nein, natürlich nicht.“ Er stellte seine Tasse ab. „Was ich mich die ganze Zeit über frage, ist: Lässt sich die kleine Scharade, die du deiner Schwester zuliebe eingegangen bist, überhaupt mit deinem bunten Liebesleben vereinbaren?“

Ihr Lächeln war gekünstelt. „Machst du dir etwa Sorgen um mich?“

„Sagen wir, ich will mich nicht unnötig gegen eifersüchtige Liebhaber zur Wehr setzen müssen.“

Wäre das die Wahrheit, würde sie sich ernsthaft geschmeichelt fühlen. Doch ihretwegen war niemand jemals eifersüchtig gewesen oder hatte ihr gegenüber einen Beschützerinstinkt entwickelt. „Ich habe keinen festen Freund, falls das die Frage ist.“

„Seit dieser zweitklassige Schauspieler in der Realityshow mit dir Schluss gemacht hat?“

Nein, seitdem nicht mehr. Im Fernsehen einen Korb zu kassieren, war der letzte Sargnagel für ihre Beziehungsfähigkeit gewesen. Aus Stolz hatte sie selbstverständlich vorgegeben, gut damit klarzukommen. Doch seitdem hielt sie ihre Emotionen streng unter Verschluss und verließ sich stattdessen auf ihren Verstand.

Mit einem kräftigen Schluck Kaffee spülte sie ihren Schmerz hinunter. „Ich mache mir Sorgen um Kim. Das Ganze sieht ihr überhaupt nicht ähnlich.“

Alexanders gleichgültige Reaktion auf diesen Satz störte Olivia, und sie baute sich wütend vor ihm auf. „Die Frau, die du heiraten wolltest, ist spurlos verschwunden. Aber für dich scheint das nicht mehr als eine kleine Unannehmlichkeit zu sein. Liebst du meine Schwester eigentlich?“

Sein kaltes Lächeln erschreckte sie.

„Wäre es dir lieber, wenn ich mich vor Kummer selbst zerfresse? Oder soll ich mich wie du benehmen? Einfach jedem Impuls blind folgen, auch wenn es die Menschen in meiner nächsten Umgebung ins Unglück stürzt? Ich halte nichts davon, den logischen Teil des Gehirns einfach auszuschalten. Und was deine Definition von Liebe angeht: Nein, dann liebe ich deine Schwester eben nicht. Was wir beide füreinander empfinden, spielt sich eher auf einer rationalen Ebene ab.“

Es dauerte eine Weile, bevor Olivia ihm in die Augen sehen konnte. Ihr selbst war es auch nicht gelungen, jemanden dazu zu bringen, sie aufrichtig zu lieben. Unsterbliche Liebe konnte sie wohl von ihrer Wunschliste streichen, und das tat verdammt weh!

Sie wandte sich ab und blieb stumm.

Alexander fluchte innerlich. Olivia sah blass und elend aus, und sie benahm sich, als hätte er ihr eine Ohrfeige verpasst. Dabei war es nicht seine Art, eine Frau zu beleidigen, aber Olivia reizte ihn bis aufs Blut. Sie schien zwischen ihrem Gehirn und ihren Lippen keinen Filter zu haben. Ständig sprach sie genau das aus, was ihr durch den Kopf ging. Sie diskutierte und stritt so eifrig mit ihm, als hätte sie Spaß daran.

Behutsam fasste er nach ihrem Ellenbogen und drehte sie zu sich um, sodass sie gegen seine breite Brust taumelte. Im ersten Moment sah es aus, als würde sie in Tränen ausbrechen. Doch dann stieß sie ihn von sich, und sie fielen zusammen auf die lederne Couch, weil er ihren Arm einfach nicht losließ.

Ihre festen Brüste pressten sich gegen seinen Oberkörper, und ihre Hände waren zwischen ihren Körpern gefangen. In Alexander explodierte ein Lustgefühl, wie er es nie zuvor erlebt hatte. Er spürte ihre Schenkel an seinen, ihren heißen Atem auf seiner Haut, und er sog ihren verführerischen Duft ein. Wie konnte es jetzt noch ein Zurück geben?

„Bist du fertig?“, fragte er mit bebender Stimme.

Sie wurde rot und rappelte sich auf. „Du hast mich provoziert und holst damit immer das Schlechteste in mir zum Vorschein!“

„Glaub mir, das beruht auf Gegenseitigkeit.“

Sie lachte trocken. „Wenn du mich derart verabscheust, kann ich auch gehen.“

Er schüttelte den Kopf. Trotzdem musste dieser Zauber zwischen ihnen schleunigst aufhören! „Heute Abend muss ich zu einer Veranstaltung gehen – und zwar in Begleitung meiner Frau.“

„Und dir sagt man nach, du seist ein Stratege“, spottete sie. „Aber permanente Beleidigungen sind ganz sicher nicht der richtige Weg zu meinem Herzen!“

Schweigend zog er einen ausgefüllten Scheck aus der Tasche und reichte ihn ihr. „Ich will nicht dein Herz, Olivia, sondern lediglich deine … Kooperation.“ Während der kurzen Pause hatte er sie mit einem Blick bedacht, der ihr die Schamesröte weiter ins Gesicht trieb.

Sie nahm das Stück Papier entgegen. „Was ist das?“

„Nennen wir es eine informelle Abmachung“, murmelte er. „Solange wir zusammen sind, wirst du niemandem gegenüber zugeben, dass du die berüchtigte Olivia Stanton bist.“

Ihre Stimme zitterte. „Du bezahlst mich dafür, dass ich den Mund halte und Kims Rolle einnehme?“

„So können wir es auch nennen.“

„Warum?“

„Weil mir nichts anderes eingefallen ist, was dir etwas bedeuten könnte.“

„Soll das eine Erpressung werden?“

Er rieb sich übers Gesicht und seufzte. „Nein, ich möchte dich lediglich um deine Mitarbeit bitten. Wie ich schon sagte.“

„Und du glaubst, mit Geld bekommst du sie?“

„Sicher. Trotz all deiner Ambitionen scheinst du relativ klamm zu sein. Immerhin hat Kim dir das Flugticket für die Hochzeit bezahlt.“

Wutentbrannt stapfte sie auf ihn zu und stemmte die Hände in die Hüften. „Dein Geld kannst du dir in die Haare schmieren.“

„Es wäre unklug, mein Angebot abzulehnen. Dein Stolz wird dir kaum die Miete für das Loch zahlen, das du dein Zuhause nennst.“

„Woher kennst du …“ Ihr Pferdeschwanz wippte hin und her, als sie heftig den Kopf schüttelte. „Ach, ich will es gar nicht wissen.“ Dann betrachtete sie den Scheck in ihrer Hand. „Weißt du was? Du hast recht. Wenn ich schon einmal hier bin und deine ekelhafte, überhebliche Präsenz ertragen muss, sollte ich wirklich dafür bezahlt werden.“

Er grinste frech. „Ich habe meistens recht. Daran solltest du dich gewöhnen.“

„Aus einem bestimmten Grund brauchst du mich jetzt.“ Ihre hübschen Augen funkelten gefährlich. „Allerdings kostet es ein wenig mehr als das Geld, das du mir vor die Füße geworfen hast, um meine Kooperation zu garantieren.“

Überrascht sah er sie an. „Ich verhandle nicht.“

Unbeirrt fuhr sie fort. „Ich will dein Ehrenwort, dass du mir beim Pitch für den Werbevertrag über die neue Sportlinie von LifeStyle Inc. hilfst.“

Damit war die Überraschung perfekt. Anfangs fand Alexander keine Worte, vor allem weil die Firma zu seiner eigenen Unternehmensgruppe gehörte. „Nein“, sagte er schließlich.

„Bevor du wieder ausfallend wirst, lass mich ausreden“, verlangte sie. „Du sollst nichts unter der Hand arrangieren. Unsere Agentur ist mittlerweile ohnehin schon in der engeren Auswahl. Ich möchte von dir nur wissen, auf was bei einer Kampagne dieser Art besonders geachtet oder worauf großer Wert gelegt wird. Bisher hatte ich noch nie mit einem Projekt dieser Größenordnung zu tun.“

„Na schön, du hast mein Wort darauf. Aber es wird kaum einen Unterschied für deinen Erfolg machen. Diese Sportlinie ist momentan der letzte Modeschrei. Und wer den Zuschlag bekommt, muss extrem hart arbeiten und außerdem innovativ und talentiert sein.“ Es missfiel ihm, ihren augenscheinlichen Enthusiasmus zu zerstören, aber sie hatte sich einfach zu hohe Ziele gesteckt. Im Grunde tat er ihr einen Gefallen, wenn er sie wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholte. „Du hast keine Chance, diesen Fisch an Land zu ziehen.“

Die Begeisterung war aus ihrem Gesicht verschwunden. „Ich habe dich nicht nach deiner Meinung gefragt.“

Warum schämte er sich, obwohl er lediglich die Wahrheit gesagt hatte? „Ich muss jetzt los, bin aber in ein paar Stunden zurück. In der Zwischenzeit wird dich eine professionelle Einkäuferin besuchen. Bestell bei ihr, was du für deinen Aufenthalt benötigst!“

„Warum?“

„Weil du in dem Aufzug nicht mit mir ausgehen kannst.“

Angriffslustig warf sie den Kopf in den Nacken. „Was soll das heißen?“

Dass man in einem sexy Shirt und mit mörderischen Hotpants jeden gesunden Mann um den Verstand bringen konnte! Aber das durfte er ihr natürlich nicht sagen. Es war unglaublich … eine gewöhnliche Unterhaltung mir ihr kostete ihn mehr Energie als eine stundenlange, hartnäckige Geschäftsverhandlung.

„Außerdem siehst du aus, als hättest du wochenlang keine richtige Mahlzeit mehr zu dir genommen“, behauptete er, ohne ernsthaft daran zu glauben. Er duckte sich, als sie ein Sofakissen nach ihm warf. „Vermutlich liege ich damit gar nicht so falsch, was? Mit einem geringen Einkommen bleibt der Kühlschrank eben meistens leer.“

„Du wirst es noch bereuen, dass du mich hierher gebracht hast“, zischte sie.

„Kauf jedenfalls alles, was du willst! Richte dabei ruhig so viel Schaden wie möglich an! Aber vergiss nicht, dass du Kims Rolle spielst! Keine körperlichen Auseinandersetzungen, keine verbalen Ausfälle, kein Alkohol und selbstverständlich darfst du auch nicht mit anderen Männern flirten. Selbst wenn es sich um den tollsten Kerl aller Zeiten handeln sollte!“

Ein Schatten fiel über ihr Gesicht, und sie schluckte. „Wie könnte ich vergessen, was ich zu tun habe? Wäre es nicht für Kim, würde ich keine einzige weitere Minute in deiner Gegenwart verbringen.“

Alexander schlüpfte in sein Armani-Jackett und richtete sich die Krawatte. Der Ausblick auf Paris und die Seine, die im Sonnenlicht glitzerte, schafften es nicht, ihn von seinen Gedanken abzulenken.

Sein Meeting im Büro hatte länger als erwartet gedauert, daher blieb ihm nicht mehr viel Zeit. Gespannt starrte er auf die geschlossene Schlafzimmertür und dachte darüber nach, wie aufregend und interessant er Olivia fand – auch wenn er es nicht gern zugab.

Wie durch ein Wunder öffnete sich die Tür genau in diesem Moment, und Olivia erschien. Sie hatte ihre honigblonden Locken zu einem eleganten Knoten im Nacken zusammengesteckt und trug ein knallrotes Cocktailkleid, dessen Korsage ihre aufregenden Brüste unverschämt gut zur Geltung brachte. Goldene Sandaletten mit hohen Absätzen vervollständigten das Outfit und ließen Olivias schlanke Beine tief gebräunt wirken.

Objektiv betrachtet hatte ihre Aufmachung nichts Provokatives an sich, selbst das Make-up war dezent und geschmackvoll, und der rote Lippenstift war auf die Farbe des Stoffs abgestimmt. Doch Alexander wusste, was sich hinter dieser makellosen Fassade wirklich verbarg. Und er war noch keiner Frau mit mehr Sexappeal begegnet.

Die Lust, die sie in ihm weckte, war in ihrer Intensität fast unerträglich. Er wippte auf den Fußballen vor und zurück – und genoss nach dem ersten Schock dieses neue Gefühl von Lebendigkeit und Feuer. Allerdings wusste er, dass dies nichts weiter als eine natürliche, biologische Reaktion seines Körpers war. Wenn auch eine ungewöhnlich heftige …

Geduldig wartete er darauf, dass sich die Lust legte und er wieder Herr seiner Sinne wurde … vergeblich. Je länger er Olivia betrachtete, desto stärker wuchs sein Verlangen. Ihre Körpersprache hingegen verriet, dass sie sich innerlich gegen einen Angriff seinerseits wappnete. Kein Wunder nach allem, was er und andere Menschen ihr vorgeworfen hatten. Seit er sie kannte, vermittelte sie ihm den Eindruck einer permanenten Abwehrhaltung – und das aus gutem Grund.

Schweigend griff er nach ihrer Hand und hatte das Gefühl, es würden kleine Funken überspringen, während sich ihre Fingerspitzen berührten. Er spielte mit dem schmalen Diamantring und spürte, wie Olivia zitterte. Bevor sie sich ihm entziehen konnte, verstärkte er seinen Griff.

„Bis Kim wieder auftaucht, musst du diesen Ring tragen“, erinnerte er sie.

Dieser Umstand erregte ihn auf seltsame Weise. Die ganze Situation erwies sich als große Herausforderung für ihn. Er musste beweisen, dass er nicht so verantwortungslos wie seine Eltern war. Hoffentlich gelang es ihm!

5. KAPITEL

Olivia kuschelte sich tiefer in den weichen Rücksitz der Limousine und schloss genüsslich die Augen. Obwohl es nicht gerade zu ihrer Entspannung beitrug, dass Alexander sie ununterbrochen von der Seite musterte. Also ehrlich, dieser Mann hatte die längsten Wimpern, die sie je gesehen hatte. Und sie wusste nie genau, was in ihm vor sich ging.

Seufzend drehte sie den Kopf und betrachtete ihr Spiegelbild in der getönten Scheibe. Den ganzen Nachmittag lang hatte sich Olivia den fähigen Händen einer professionellen Einkäuferin und einer Stylistin anvertraut, um am Ende so umwerfend auszusehen wie jetzt. Bisher hatte ihr das Geld gefehlt, um sich Kosmetikbehandlungen oder eine Maniküre zu gönnen.

Mittlerweile sah sie ihrer Schwester auch vom Stil her ähnlich – die perfekte Kopie. Aber Alexander wollte Kim heiraten und nicht sie! Obwohl er sich auch zu ihr hingezogen fühlte. Ein verwirrender Gedanke, der ihr sofort ein schlechtes Gewissen bescherte. Sie fröstelte und zog sich ihre Kaschmirstola enger um die Schultern.

Es fiel ihr zunehmend schwer, ruhig sitzen zu bleiben. Alexanders Anwesenheit machte sie nervös, und ihr Herz klopfte schneller, wann immer sie ihn ansah. Von allen Männern dieser Erde musste ausgerechnet er es sein, der ihre festen Überzeugungen ins Wanken brachte. Wie sollte sie ihm und Kim später gegenübertreten, wenn die beiden wieder zusammen waren?

Als der Wagen hielt, sah Olivia einen livrierten Mann auf sich zuschreiten. Er öffnete die Autotür und begrüßte sie mit einer angedeuteten Verbeugung. Dann wechselte er einige schnelle Worte mit Alexander und verabschiedete sich wieder. Mit einer schwarzen Schatulle in der Hand lehnte sich Alexander auf seinem Sitz zurück, und die Limousine nahm wieder an Fahrt auf.

Misstrauisch hob Olivia die Augenbrauen. „Ich trage schon den Ring meiner Schwester und bin mit ihrem Ehemann unterwegs. Reicht das nicht allmählich?“ Ihre Stimme klang heiser, und sie sprach diese Worte laut aus, um ihre eigenen Schuldgefühle zu mildern. „Kein äußerer Schnickschnack wird mich jemals in sie verwandeln. Glaub mir, ich habe es ausprobiert!“ Verkrampft knetete sie ihre Finger im Schoß. „Und ich hasse Diamanten!“

Entschlossen nahm er ihre eiskalte Hand in seine und öffnete mit der anderen die Schatulle. „Etwas in der Art habe ich mir schon gedacht“, murmelte er und präsentierte ihr einen beeindruckend großen Rubin an einer goldenen Kette.

„Den hast du für heute Abend besorgt? Der muss ja ein Vermögen gekostet haben.“

„Nicht der Rede wert. Jedenfalls passt er hervorragend zum Kleid.“

Natürlich, dachte sie. Nicht der Rede wert. Von wegen! In seiner Welt vielleicht!

Sie holte tief Luft und hielt dann den Atem an, während er ihr die Kette um den Hals legte. Dabei streiften seine Fingerknöchel ihre Haut, die sich plötzlich unerträglich heiß anfühlte. Olivia war tief bewegt, auch wenn sie sich einzureden versuchte, dass er sich mit dem Rubin lediglich ihre Kooperation sichern wollte.

„Dankeschön“, hauchte sie und berührte den Anhänger mit den Fingerspitzen. Der Edelstein ruhte knapp oberhalb ihrer Brüste, und Alexander schien seinen Blick nicht mehr davon losreißen zu können. Verlegen starrte sie aus dem Fenster und suchte fieberhaft nach einem möglichst neutralen Gesprächsthema. „Ist dir eigentlich mal die Idee gekommen, Schauspieler zu werden?“, wollte sie wissen.

Sein Schweigen wurde von einem strafenden Blick begleitet.

„Also, wirklich!“, beschwerte sie sich. „Du erlaubst dir Urteile über praktisch jeden einzelnen Aspekt meines Lebens, aber ich darf nicht einmal eine harmlose Frage stellen?“

„Diese Frage nennst du harmlos?“

„Aber sicher. Immerhin bist du der Sohn zweier Oscargewinner und eine wahre Augenweide, da liegt der Gedanke doch nahe?“

„Bin ich das?“

„Was?“

„Eine Augenweide?“

Gelassen zuckte sie mit den Schultern. „Ich kenne keinen Mann mit mehr Sexappeal“, gestand sie offen. „Auch wenn du mich wegen meines angeblich sündhaften Lebens verachtest.“

Seine Augen schimmerten in aufregenden Blautönen. „Das ewige Drama um meine Eltern ist Grund genug für mich, von allem Abstand zu nehmen, das mit ihnen zu tun hat.“

„Seht ihr euch denn gar nicht mehr?“ Ihr war bewusst, dass sie sich auf sehr dünnem Eis bewegte. Alexander war gleichermaßen für seinen Wunsch nach Privatsphäre und sein betriebswirtschaftliches Talent berühmt. Aber Olivia konnte nicht anders. Sie musste entweder ihre Sinnlichkeit oder eben ihre Neugier befriedigen, und da wählte sie das kleinere Übel.

Der warnende Ausdruck auf seinem Gesicht war nicht zu übersehen. „Nein.“

Das klang nach einem endgültigen Zerwürfnis. Sein kalter Tonfall ließ keinen Zweifel aufkommen. Für einen Alexander King gab es keinen Blick zurück. Verständlich, nachdem seine Mutter auf seinen Vater geschossen und damit einen der größten Skandale Hollywoods verursacht hatte. „Meistens wird doch von der Presse alles aufgebauscht“, versuchte sie das Thema elegant abzuschließen.

„Wo Rauch ist, ist auch Feuer, Olivia.“

Ihr war nicht danach, über die Vergangenheit zu urteilen – oder urteilen zu lassen. „Manchmal passieren Fehler. Und meistens ohne Absicht, sondern einfach aus Dummheit und Naivität.“

Früher hatte sie noch daran geglaubt, ihr Leben würde wunderbar werden, sobald sie den Klauen ihres entsetzlichen Vaters entkommen war: eine erfolgreiche Karriere und ein Partner, der sie aufrichtig liebte. Olivia beneidete ihre Schwester darum, in Alexander King einen perfekten Mann gefunden zu haben. Allerdings bewegte er sich in einer Welt, in der keine Fehler begangen werden durften. Darin war für jemanden wie Olivia kein Platz.

„Im Fall meiner Eltern hat die Presse leider nicht übertrieben“, brummte er mit finsterer Miene. „Sie waren beide unfähig, an etwas anderes als ihre eigenen Bedürfnisse und Wünsche zu denken. Oder an ihre eigene Leidenschaft, wie meine Mutter sich gern ausdrückte. Als wäre unsere Familie nichts weiter als eine große Produktion, in der sie die Hauptrolle spielte. Ihretwegen sind Emily und ich monatelang zwischen den Gerichten, dem Jugendamt und den Medien zerrieben worden. Habe ich deine Neugier mit diesen Informationen wenigstens halbwegs gestillt?“, setzte er sarkastisch hinzu.

Was sollte sie dazu sagen? Sie hoffte nur, dass seine Schwester damals noch zu jung gewesen war, um den ganzen Wahnsinn in vollem Maß zu begreifen. Er selbst hatte definitiv großen emotionalen Schaden genommen. Das erklärte natürlich auch den Drang, sein Privatleben und vor allem das seiner kleinen Schwester um jeden Preis zu schützen und unter Kontrolle zu halten.

„Mir wäre es lieber gewesen, wenn meine Mutter auf meinen Vater geschossen hätte, anstatt uns mit ihm allein zu lassen“, sagte sie kleinlaut und bereute die Bemerkung sofort, als sie seinen wütenden Blick bemerkte.

Entgegen ihrer Erwartung ließ Alexander den dreisten Vergleich jedoch unkommentiert. „Warum ist sie denn gegangen?“

„Hat Kim nie mit dir darüber gesprochen?“

„Ich weiß, wie unangenehm ihr das Thema ist. Darum habe ich sie nicht darauf angesprochen.“

Sie hat uns im Stich gelassen, Liv. Kims Worte klangen ihr noch heute im Ohr nach. Ihre Mutter war aus der Ehe geflohen und hatte ihre Töchter dem rücksichtslosen Vater überlassen, der sein zerstörerisches Temperament daraufhin an ihnen ausließ.

„Ihr beide passt wirklich hervorragend zusammen“, spottete Olivia. „Immer schön hochnäsig auf schwächere Menschen herabblicken und eigene Probleme unter den Teppich kehren, um unangreifbar zu bleiben, was? Kim und ich waren uns in diesem Punkt nämlich nie einig. Sie konnte unserer Mutter nicht verzeihen, dass sie uns mit Vater alleingelassen hatte.“

Fassungslos starrte er sie an. Er konnte Kims Haltung absolut nachvollziehen, und ihn überraschte die verständnisvolle Einstellung ihrer Zwillingsschwester, die seines Wissens am meisten unter der Situation hatte leiden müssen. „Aber du hast es getan?“

Sie faltete die Hände im Schoß, und zum ersten Mal schaffte sie es nicht, ihren inneren Schmerz vor Alexander zu verbergen, der ihre Qual fast am eigenen Leib spürte. „Da gibt es nichts zu verzeihen.“

„Nichts?“ Seine Stimme wurde heiser. „Was für eine Mutter lässt ihre beiden Töchter in den Händen eines Mannes zurück, mit dem sie nicht einmal selbst zurechtgekommen ist? Und ich weiß aus eigener Erfahrung, wie unausstehlich Jeremiah sein kann.“

„Eventuell blieb ihr ja keine andere Wahl?“, stellte sie als Frage in den Raum. „Bestimmt war es nicht leicht, mit ihm und uns auszukommen. Außerdem war sie gesundheitlich nicht gerade auf der Höhe. Ich für meinen Teil steckte ständig in Schwierigkeiten und bin entweder sitzengeblieben oder habe mit den falschen Leuten herumgehangen. Und jedes Mal, wenn ich versagt habe, hat mein Vater ihr vorgeworfen, eine nutzlose, schlechte Mutter zu sein.“

Er griff nach ihrer Hand, die sie inzwischen zur Faust geballt hatte. Ihn beschäftigte es, dass sie sich für die Entscheidung ihrer Mutter verantwortlich fühlte. Dieser gähnende Abgrund kam ihm nämlich äußerst bekannt vor, da er selbst jahrelang gegen ähnliche Dämonen gekämpft hatte.

„Dein Verhalten hat nichts damit zu tun, dass sie euch verlassen hat. Auch wenn du kein einfaches Kind gewesen bist, ist das keine Entschuldigung dafür, das Handtuch zu werfen.“

Er sollte es am besten wissen, weil er buchstäblich alles getan hatte, um der perfekte Sohn zu sein. Leider war das nie genug gewesen.

Mit einem Ruck zog sie ihre Hand zurück. „Nicht jeder ist so stark und so makellos wie meine Schwester und du.“

Dieser Vorwurf erschien ihm lächerlich, denn er selbst war weit davon entfernt, makellos zu sein. In diesem Moment – zum Beispiel – konnte er an nichts anderes denken, als endlich Olivias bebende Lippen zu küssen und ihre seidigen Haare zu zerwühlen. Nein, er war nicht besser als jeder andere Mann, der sich zum Sklaven seiner eigenen Leidenschaft machte.

Und er lief sogar Gefahr, innerlich wieder zu dem kleinen, unsicheren Jungen zu werden, der er einst gewesen war. Allein der Gedanke an seine Kindheit erfüllte ihn mit Grauen. Wie viele Rückschläge hatte er einstecken müssen, ehe er endgültig begriffen hatte, dass er sich nicht in die Beziehung seiner Eltern einmischen durfte? Ständig waren seine Hoffnungen zerstört worden, die familiäre Situation retten zu können. Es hatte ihn viel Kraft gekostet, die erdrückende Schuld loszuwerden, nachdem er seinen persönlichen Schlussstrich unter dieses Thema gezogen hatte.

„Niemand, der dich kennt, würde dir jemals Schwäche vorwerfen, Olivia.“

Ihre Lider flatterten kurz. „Dann hast du wohl nicht mitbekommen, wie ich meinem Vater auf dem Empfang feige ausgewichen bin?“

Die Bitterkeit ihrer Worte überraschte ihn. Vor allem weil Olivia dadurch ungewohnt selbstkritisch wirkte. Sie hatte ohnehin ein ziemlich widersprüchliches Wesen. Mal hatte man es mit einer wahren Kämpfernatur zu tun, und im nächsten Augenblick verwandelte sie sich in eine verletzliche Frau, die sich ihrer vermeintlichen Schwäche schämte.

„Ich muss zugeben, dass ich erst einmal fassungslos war, nachdem ich dich erkannt hatte. Obwohl ich mittlerweile verstehe, warum du für deine Schwester eingesprungen bist. Und was deinen Vater angeht, ich habe mehr als einmal erlebt, wie unberechenbar Jeremiahs Temperament sein kann. Und nicht jede Schlacht ist es wert, geschlagen zu werden. Das macht noch lange keinen Feigling aus dir.“ Er selbst hatte das auf die harte Tour lernen müssen.

Endlich schlich sich ein zaghaftes Lächeln in ihr Gesicht. „Dann willst du dich also bei mir bedanken, dass ich während des Empfangs keine Szene gemacht habe?“

Dass sie den Spieß umdrehte, brachte ihn zum Lachen. „Nicht ganz. Immerhin haben wir diesen ganzen Schlamassel allein dir und deiner Schwester zu verdanken.“

Autor

Melanie Milburne

Eigentlich hätte Melanie Milburne ja für ein High-School-Examen lernen müssen, doch dann fiel ihr ihr erster Liebesroman in die Hände. Damals – sie war siebzehn – stand für sie fest: Sie würde weiterhin romantische Romane lesen – und einen Mann heiraten, der ebenso attraktiv war wie die Helden der...

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Tara Pammi

Tara schreibt sexy Romanzen mit anbetungswürdigen Helden und sexy Heldinnen. Ihre Heldinnen sind manchmal laut und rebellisch und manchmal schüchtern und nerdig, aber jede von ihnen findet ihren perfekten Helden. Denn jede Frau verdient eine Liebesgeschichte!

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