Historical Weihnachten Band 8

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EIN WEIHNACHTSENGEL FÜR DEN LORD von MCCABE, AMANDA
London, 1571: Nie hat Meg dem betörenden Sir Robert verziehen, dass er sie ohne Abschied verließ. Entsprechend kühl ist ihre Begrüßung, als sie ihn im höfischen Adventstrubel wiedertrifft. Werden seine brennenden Küsse das Eis um ihr Herz dennoch zum Schmelzen bringen?

SINNLICHE BESCHERUNG FÜR MISS EMMA von STYLES, MICHELLE
Frohes Fest? Als reicher Mann kehrt Jack nach England zurück - und ist überglücklich, seine Jugendliebe Emma wiederzusehen. Nun scheint seine Chance gekommen, sich ihrer würdig zu erweisen. Doch ausgerechnet an Weihnachten droht eine böse Intrige alles zu zerstören ...

FEURIGE KÜSSE IM WINTERPALAST von SKYE, LINDA
Für die warmherzige Ekaterina ist der winterlich geschmückte Katarinenpalast ein Gefängnis und die Dekadenz der Zarin schockiert sie. Einziger Lichtblick sind die leidenschaftlichen Momente mit dem verführerischen Andrej - für die Ekaterina schon bald ihr Leben riskiert!


  • Erscheinungstag 16.10.2015
  • Bandnummer 0008
  • ISBN / Artikelnummer 9783733763756
  • Seitenanzahl 400
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Amanda McCabe, Michelle Styles, Linda Skye

HISTORICAL WEIHNACHTEN BAND 8

AMANDA MCCABE

Ein Weihnachtsengel für den Lord

Sir Robert hatte so gehofft, dass die süße Meg auf ihn warten würde. Doch als er nach drei Jahren an den Hof zurückkehrt, zeigt sie ihm die kalte Schulter. Dabei spürt er das Verlangen, das immer noch in ihr brennt! Als ein Schneesturm sie unverhofft zusammenbringt, ist Robert wild entschlossen, für ein sinnliches Weihnachtsfest zu sorgen …

MICHELLE STYLES

Sinnliche Bescherung für Miss Emma

Miss Emma hat den Frivolitäten des Heiratsmarktes entsagt: Die hübsche Ingenieurstochter findet Eisenbahnbrücken ohnehin spannender als Ballsäle. Dennoch wird die Rückkehr des unvergessenen Jack Stanton zur prickelnden Herausforderung. Ein erregender Walzer und heiße Küsse unterm Mistelzweig bringen Emmas Prioritäten gefährlich ins Wanken …

LINDA SKYE

Feurige Küsse im Winterpalast

Russland, Weihnachten 1733: Andrej ist entsetzt, als er erfährt, dass das bezaubernde Bauernmädchen Ekaterina in Wahrheit eine Prinzessin ist. Wie soll er seine Geliebte nun bloß vor dem Zorn der Zarin schützen? Denn die grausame Herrscherin hat selbst ein Auge auf den jungen Künstler geworfen und duldet keine blaublütige Konkurrenz ...

1. KAPITEL

England, 1569

Pst! Leise, Bea, sonst werden sie dich hören. Und wenn sie uns entdecken, können wir niemals herausfinden, was hier geschieht“, flüsterte Margaret streng. Sie und ihre Cousine hatten sich in dem Schrank auf der Galerie oberhalb der Großen Halle von Clifford Manor, dem Landsitz ihrer Eltern, versteckt. Beatrice war ihre beste Freundin, obwohl sie drei Jahre jünger als sie selbst war. Leider neigte sie mit ihren fünfzehn Lenzen dazu, ständig zu kichern. Vor vielen Jahren hatten ihre Eltern das verwaiste kleine Mädchen liebevoll aufgenommen.

Beatrice schlug sich die Hand vor den Mund und kuschelte sich dichter an sie. Zwischen gespreizten Fingern murmelte sie: „Ich werde ganz still sein, Meg. Versprochen.“

„Ich hätte dich niemals mitnehmen sollen“, flüsterte Margaret. Sie hatte unbemerkt aus der gemeinsamen Schlafkammer schlüpfen wollen, war jedoch nicht schnell genug gewesen. Beatrice hatte so inständig gebettelt, dass sie ihr den Wunsch nicht hatte abschlagen können. Sie hatte nicht viel Zeit und wollte unbedingt herausfinden, worüber ihre Eltern mit Lord und Lady Erroll unten in der Halle sprachen.

Margaret kniete sich auf die rauen Bodenbretter, um besser durch eine der Ritzen des alten Schranks lugen zu können. Bea klammerte sich an den Ärmel ihres Samtkleides und kicherte schon wieder, sodass sie sie erneut auffordern musste, keinen Ton von sich zu geben. Selbst bei völliger Stille war es schwer, etwas von der Unterhaltung mitzubekommen. Und es war von äußerster Wichtigkeit für sie, zu erfahren, worum es bei dem Gespräch ging.

Beim Himmel, es machte sie verrückt, dass ihre Eltern sich weigerten, vernünftig mit ihr zu reden. Sie behandelten sie wie ein Kind. Aber sie war kein Kind mehr. Sie war mehr als alt genug um zu …

Heiraten?

Sind die Errolls aus diesem Grund nach Clifford Hall gekommen? fragte sich Margaret. Um über meine Verlobung mit ihrem Sohn zu sprechen? Sie presste ihre Fäuste auf den Bretterboden. Ihr Herz hämmerte in ihrer Brust. Oh bitte, möge das der Grund sein!

Denn seit sie Robert Erroll vor ein paar Monaten bei den weihnachtlichen Festivitäten gesehen, mit ihm getanzt und ihm in die Augen geblickt hatte, ging er ihr nicht mehr aus dem Kopf. Sie konnte an nichts anderes mehr denken. Selbst wenn sie mit Bea im Garten spazieren ging oder wenn ihre Mutter sie ausschalt, weil sie die wertvollen seidenen Stickgarne durcheinandergebracht hatte, sah sie einzig Roberts tiefblaue Augen vor sich. Erinnerte sie sich an nichts anderes als daran, wie er ihre Hand genommen und seine Finger mit ihren verflochten hatte.

Und ständig hatte sie sich seitdem gefragt, wann sie einander wiedersehen würden.

Bis heute. Bis zu dem Augenblick, als sie den Feldweg entlang- spaziert war und einen Reiter erspäht hatte, der auf sie zugaloppierte …

Margaret summte eine alte Volksweise, als sie den Weg zu Mis­tress Browns Cottage einschlug.

„Los, Meg, hol den Korb. Wir brauchen frische Eier“, hatte ihre Mutter sie aufgefordert. „Versunken in deine Tagträume, bist du heute keine Hilfe bei den Näharbeiten. Beatrice kann sie beenden.“ Mit einer Handbewegung hatte sie ihre jüngsten Söhne, die Zwillinge Henry und Thomas, aus dem Weg gescheucht.

Die Cliffords waren eine alteingesessene, angesehene Familie, jedoch nicht wohlhabend genug, um sich viele Dienstboten zu leisten, schon gar keine, die nähten und die Kleidung ausbesserten. Oder die Eier holen gingen.

Ein kalter Wind zerrte an ihrem Umhang und fegte durch die kahlen Zweige der Büsche am Feldrand, aber das kümmerte Margaret nicht. Endlich hatte sie ein wenig Zeit für sich – fern von dem häuslichen Trubel – und konnte ungestört ihren Gedanken nachhängen. Je weiter sie sich von Clifford Manor entfernte, desto ruhiger wurde es um sie herum. Jetzt konnte sie sich ganz ihren Tagträumen hingeben, in der Vorstellung schwelgen, wie sie mit Robert Erroll tanzte …

Bis sie eine Biegung des Weges umrundete und das große schwarze Pferd auf sich zugaloppieren sah.

Margaret schrie auf und sprang seitwärts. Beinahe wäre sie in den Matsch gefallen, und als ihr die Kapuze ihres Umhangs über die Augen rutschte und ihr die Sicht raubte, wurde sie von Panik ergriffen.

Das Pferd jagte nur wenige Handbreit an ihr vorbei. Kaum hatte sie sich aufgerappelt, hörte sie einen Mann rufen.

Hastig schob sie die Kapuze aus dem Gesicht, blickte sich um und sah, wie der Reiter vom Sattel sprang. Sein Wams aus feinem Samt und die Reithose aus teurem weichem Leder wirkten zu edel für einen einfachen Landjunker und betonten den schlanken und doch kräftigen Körper des Gentlemans.

„Seid Ihr verletzt?“, rief er besorgt und zog gleichzeitig galant das mit Federn besetzte Barett vom Kopf.

Die Panik wich purer Freude, als Margaret den Reiter erkannte. Robert Erroll. Endlich war er zurück!

„Mir geht es gut, Master Erroll“, beeilte sie sich zu sagen, während sie auf ihn zuging. „Ihr scheint es sehr eilig zu haben.“

„Ihr seid es, Mistress Margaret.“ Seine Augen leuchteten auf, ein breites Lächeln erhellte sein Gesicht.

Wie gut er aussieht, dachte Margaret verträumt.

„Ich bin auf dem Weg zu Eurem Haus. Meine Eltern wollen den Euren einen Besuch abstatten. Ihre Kutsche ist jedoch zu langsam für mich. Und nun, da ich Euch getroffen habe, bin ich doppelt froh, dass ich vorausgeritten bin.“

Lachend blickte sie zu ihm auf – er war so herrlich groß gewachsen. Er stimmte in ihr Lachen ein. Und sie fand, dass er … noch besser aussah als am Weihnachtsfest. Falls das überhaupt möglich war.

„Wie reizend Ihr seid, Mistress Margaret“, sagte er. „Ich habe seit unserem Tanz an Euch gedacht.“

Pure Freude durchströmte sie bei diesen Worten. Also erinnerte er sich genau wie sie daran. „Ach, tatsächlich, Master Erroll?“, antwortete sie ein wenig schnippisch. Sie mochte zwar nur ein Mädchen vom Lande sein, aber sie wusste genau, dass sie nicht zu eifrig wirken durfte. Erst recht nicht bei einem Gentleman, der so gut aussah und sogar bei Hofe verkehrte. „In der Tat, äußerst großzügig von Euch.“

Nun lachte er noch lauter. „Wollt Ihr etwa behaupten, Ihr hättet nicht an mich gedacht?“

„Es gibt hier so viel zu tun in Clifford Manor, dass wir keine Zeit haben unnützen Gedanken nachzuhängen. Wenn wir vielleicht auch nicht so beschäftigt sind wie Ihr bei Hofe“, setzte sie hinzu. Sie machte auf dem Absatz kehrt, schlenderte den Weg entlang und fragte sich insgeheim, ob er ihr wohl folgen würde.

Und das tat er. Schnell hatte er sie mit großen Schritten eingeholt, gerade als sie eine niedrige Mauer am Feldrand erreichten. Er griff nach ihrem Arm und hielt sie fest.

Margaret fuhr herum, gleichzeitig freudig erregt und erschrocken.

„Natürlich geht es bei Hofe sehr ereignisreich, skandalös und prachtvoll zu“, erwiderte Robert. „Aber Ihr könntet Euch mit Eurer Schönheit mit jeder Dame dort messen, Mistress Margaret. Nie zuvor sah ich solche Augen wie die Euren …“

Mit den Fingerspitzen fuhr er über ihre Wange, so hauchzart wie der Flügel eines Schmetterlings, doch die federleichte Berührung ließ Margaret erschauern. Sie sah zu ihm auf. Oh, wie sehr wollte sie ihm glauben! Wie sehr wünschte sie sich, mit seinen süßen Worten hätte er die Wahrheit gesprochen! Und tatsächlich blickte er sie genauso an, wie sie es sich immer von einem Verehrer erträumt hatte. Bewunderung spiegelte sich in seinen edlen Zügen.

Aber sie wusste auch, dass ihre Augen von einem gewöhnlichen Braun waren. Und natürlich wusste sie, dass das, was sie hier tat, nicht schicklich war für eine junge Dame aus gutem Hause. Ebenso war ihr klar, dass ihre Eltern sie ausschimpfen würden. Einerseits verspürte sie den Wunsch, davonzulaufen, um dieser Situation zu entkommen.

Andererseits hielt die Seite in ihr, von der sie fürchtete, es sei ihre unschickliche, sie zurück.

„Wollt Ihr mir etwa schmeicheln, Sir?“, brachte sie mit einem gekünstelten Lachen heraus.

„Keineswegs. Wenn Ihr die Damen bei Hofe kennen würdet …“ Zart strich er über eine der seidigen braunen Haarsträhnen, die sich unter Margarets Kapuze gelöst hatten. „Keine von ihnen kommt Euch gleich.“

Er ließ die Hände an ihren Armen hinabgleiten. Die Berührung war leicht, spielerisch. Bis er sie ihr plötzlich um die Taille legte und sie näher zu sich heranzog. Margaret ließ es geschehen, ohne zu protestieren. Neugier erfasste sie und dieses verwirrende, überwältigende Gefühl, das sie jedes Mal in seiner Nähe ergriff. Es machte sie so schwindlig, dass sie sich an seinen Schultern festklammern musste, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.

Was für ein berauschendes Gefühl, dachte Margaret. Wie nach dem Genuss eines Pokals Würzwein oder wie das, was man an einem warmen Sommernachmittag empfand, wenn man im duftenden Gras lag. Robert verwirrte ihr die Sinne. Allein ihn hart, warm und lebendig unter ihren Händen zu spüren, beglückte sie so sehr, dass es sie erschreckte. Aber es war so köstlich …

Als sie ihm in die blauen Augen blickte, fühlte sie sich wie in einem wundervollen Traum. Und doch war alles so real, so greifbar, so nah.

Und auf einmal stand Verlangen in seinem Blick. Er senkte den Kopf – und küsste sie.

Zuerst streiften seine Lippen die ihren nur leicht, zart, liebkosend. Als sie sich dichter an ihn drängte, seine Schultern fester umfasste, vertiefte er den Kuss.

„Wunderschöne Meg“, flüsterte er, nachdem er sich kurz von ihrem Mund gelöst hatte. Doch gleich darauf küsste er sie erneut. Heißer, verlangender, rauer.

So heftig reagierte sie auf diese drängende Begierde, dass sie fürchtete, vor lauter Wonne dahinzuschmelzen. Weiter öffnete sie ihm ihre Lippen, gewährte seiner Zunge tieferen Einlass, genoss das schockierende und doch so erregende Spiel.

Die Kapuze war ihr vom Kopf gerutscht, sodass er seine Finger in ihr Haar schieben konnte. Hingebungsvoll erwiderte sie seinen aufwühlenden Kuss. Seine Berührungen, sein Geschmack, seinen Körper an ihrem zu spüren, all das weckte die wundervollsten Gefühle in ihr. Sie glaubte zu schweben.

In seinen Armen fühlte sie sich endlich frei. Fühlte sich so herrlich lebendig. Ihr war bewusst, dass es nur einen Augenblick anhalten würde und sie anschließend wieder in ihr eintöniges Leben zurückkehren musste. Doch ein Augenblick konnte gewiss nicht schaden.

Oder dieser Augenblick könnte alles ändern. Es kümmerte sie nicht. Er war alles, was sie wollte.

Noch fester umklammerte sie seine Schultern. Er löste die Finger aus ihren Haaren, begann, die Bänder ihres Umhangs zu öffnen, und schon flatterte er zu Boden. Im kalten Wind zitterte sie, doch Robert wärmte sie mit seinem Körper.

Jetzt ließ er seinen geöffneten Mund zu ihrem Hals gleiten, dann tiefer bis zum Ausschnitt ihres schlichten Kleids. Mit den Zähnen kniff er leicht in ihre Haut, sodass sie vor Lust keuchte und erschauerte.

Sie legte den Kopf in den Nacken, bot ihm ihre Kehle dar, hoffte, er würde sie dort küssen und noch köstlichere Gefühle in ihr wecken.

„Wunderschöne Meg“, flüsterte er rau. Doch anstatt ihren Hals zu küssen, bückte er sich, fasste den Saum ihrer Röcke und hob sie hoch bis zur Mitte ihrer Schenkel, gerade oberhalb ihrer Strümpfe, sodass sie den kühlen Wind auf ihrer entblößten Haut spürte. Er streichelte sie durch die dünne Seide und schob einen Finger unter ihr Strumpfband.

Es war schockierend – und wundervoll. Nie zuvor hatte sie jemand so berührt – und sie wollte mehr. Und mehr! Seine Hand glitt aufreizend höher, und als sie stöhnte, lachte er kehlig.

„Leidenschaftliche Meg.“

„Leidenschaftlich für dich“, erwiderte sie und schmiegte sich enger an ihn.

Die Umwelt versank. Es gab nur noch ihn und sie, einander küssend, einander berührend, einander Lust bereitend. Sie wollte, dass dieser vollkommene Moment niemals endete.

Aber das Ende kam viel zu schnell.

Zuerst glaubte Margaret, ihr Herz, das so wild in ihrer Brust schlug, dass sie glaubte, es würde zerbersten, verursachte dieses Geräusch, das ihr in den Ohren dröhnte. Noch fester klammerte sie sich an Robert, denn nur er allein konnte ihr Halt geben. Aber er löste sich hastig von ihr, wich zurück und ließ ihre Röcke los, sodass sie sich um ihre Beine bauschten.

Und dann hörte sie es: Das Rattern von Rädern auf dem steinigen Weg. Eine Kutsche näherte sich. Sie verursachte das Geräusch, nicht ihr heftig klopfendes Herz.

„Schnell“, rief Robert. „Wir können uns hinter der Mauer verstecken.“

Margaret war noch so durcheinander, dass sie kaum mitbekam, wie er sie an der Taille packte und kraftvoll über die niedrige Mauer hievte, die das Feld begrenzte. Kaum hatte er sie abgesetzt, hob er den Umhang vom Boden auf und sprang zu ihr. Er drückte sie nach unten, damit man sie nicht sehen konnte, und kauerte sich neben sie.

Margaret bekam kaum Luft. Er war so dicht neben ihr, dass die Wärme seines Körpers sie einhüllte, und doch fühlte es sich an, als hätte er sich meilenweit von ihr entfernt. Da das Rattern der Räder lauter wurde und das Nahen der Kutsche ankündigte, wandte er sich von ihr ab und hob den Kopf, um über das Mäuerchen zu spähen.

Ein Gefühl von Kälte und Leere erfasste sie, und sie schlang schützend die Arme um ihren Oberkörper. Noch konnte sie nicht nachvollziehen, aus diesem Kokon der Glückseligkeit herausgerissen worden zu sein. Was war geschehen?

War es falsch gewesen, Robert zu küssen?

Vorsichtig lugte sie ebenfalls über die niedrige Steinmauer. Die Kutsche war fast auf gleicher Höhe mit ihnen, ein in Braun gehaltenes, mit Matsch bespritztes Gefährt, das von zwei Füchsen gezogen wurde. Normalerweise hätte Margaret den Anblick genossen, denn nur die Königin und hochrangige Adlige verfügten über solch komfortable Reisewagen. Im Augenblick war sie jedoch im Bann von Robert Erroll, der die Kutsche mit zusammengekniffenen Augen betrachtet.

Margaret erspähte ein schmales, blasses Gesicht am Fenster, wippende Federn auf einem Samtbarett. Das schwarze Haar der Dame schimmerte ebenso glänzend wie Roberts.

So plötzlich, wie sie aufgetaucht war, verschwand der Wagen hinter der Wegbiegung. Robert sank neben sie, und mit einem Mal ging Margaret ein Licht auf.

„Das waren deine Eltern“, stellte sie fest. Und er hatte sie vor ihnen versteckt!

Er nickte. „Ja.“ Als er sie über die Mauer hob, wirkte er noch immer kühl und abwesend. „Kommt, Mistress Margaret. Ich bringe Euch nach Hause.“ Außer ein paar Bemerkungen über das Wetter sagte er auf dem ganzen Heimweg nichts zu ihr.

Seine Eltern. Und er hatte nicht gewollt, dass die beiden sie zusammen sahen. Je öfter sie über die Szene nachdachte, desto sicherer wurde sie sich dessen.

„Meg“, zischte Beatrice und zog sie erneut am Ärmel. Die Berührung brachte Margaret aus ihren Erinnerungen zurück in die Gegenwart. Sie kauerte mit ihrer Cousine in dem Schrank auf der Galerie von Clifford Manor. „Was geschieht dort unten?“

Margaret verdrängte die Erinnerungen an Roberts wundervollen Kuss und sein anschließendes so erschreckend distanziertes Verhalten. Erneut spähte sie durch die Ritze in der Schranktür und erblickte ihre Eltern und die Errolls, die am Kamin saßen, in dem ein Feuer flackerte.

Robert war nicht zum Dinner erschienen. Nach einer knappen Verbeugung und einem flüchtigen Handkuss war er gegangen und hatte sie an der Küchentür stehen lassen, nachdem er sie nach Hause gebracht hatte. Nur seine Eltern hatten dem Abendessen beigewohnt: sein stattlicher bärtiger Vater, edel gewandet in Samt und Pelz, und seine schöne schwarzhaarige Mutter mit den kalten Augen. Obwohl der Besuch der Errolls ihre Mutter überrascht haben musste, war es ihr dennoch gelungen, eine schmackhafte Mahlzeit auf den Tisch zu bringen. Außerdem hatte sie dafür gesorgt, dass Margaret und ihre Cousine angemessen gekleidet waren.

Das Gespräch hatte sich ausschließlich um Neuigkeiten vom Hof in London gedreht. Über Robert war nicht gesprochen worden. Und natürlich wagte Margaret es nicht, nach ihm zu fragen. Unmittelbar nach dem Dinner hatte man sie und Beatrice zu Bett geschickt – und nun saßen sie in ihrem Versteck.

„Pst, sonst kann ich kein einziges Wort verstehen“, flüsterte Margaret und blickte angestrengt durch die Ritze.

Ihr Vater füllte die Weinkelche nach. „Euer Besuch ehrt uns, Lord Erroll“, sagte er und fügte hinzu: „Hier in Clifford Manor hört man selten etwas von dem, was bei Hofe vor sich geht.“

Es war Lady Erroll, die ihm antwortete. „Das ist äußerst bedauerlich, Master Clifford. Schließlich geschieht dort alles, was von Bedeutung ist, nicht wahr?“ Sie hob ihren Kelch und trank einen Schluck von dem gewürzten Wein.

„Von Zeit zu Zeit müssen wir nach unseren Ländereien sehen“, warf Lord Erroll ein. „Wir sind auf dem Weg dorthin. Und da die Königin das wusste, hat sie uns eine Nachricht für Euch mitgegeben.“

Die Königin? Beatrice schnappte nach Luft, und Margaret legte die Hand auf ihre, um sie zu beruhigen. So viel Aufregung an einem einzigen Tag war zu viel in ihrem sonst so ruhigen Leben.

„Ihre Majestät“, rief Mistress Clifford verblüfft. „Die Königin hat eine Botschaft für uns?“

„In der Tat“, sagte Lady Erroll, die ebenso perplex wirkte wie ihre Gastgeberin. „Sie hat vernommen, dass Ihr eine hübsche, liebenswerte Tochter habt, wovon wir uns heute Abend selbst überzeugen konnten. Unser Sohn hat sie ja bereits beim Weihnachtsball kennengelernt. Die Königin wünscht, dass Margaret an den Hof kommt, damit sie prüfen kann, ob sie sich als Ehrendame eignet.“ Ein frostiges Lächeln umspielte ihre Lippen bei diesen Worten.

„Meg!“, flüsterte Beatrice aufgeregt und zerdrückte ihr beinahe die Hand. „Hast du das gehört? Du könntest der Königin dienen.“

Auch Margaret hatte vernommen, was Lady Erroll gesagt hatte, vermochte es jedoch kaum zu glauben. Sie bei Hofe? Das konnte sie sich nicht vorstellen. Zwar war ihre Großmutter Ehrendame einer der Gemahlinnen König Heinrichs gewesen und ihr Vater reiste gelegentlich nach London, um im Palast ein Neujahrsgeschenk für Ihre Majestät abzugeben – jedoch war nie die Rede davon gewesen, dass sie ein solch angesehenes, begehrtes Amt bekleiden sollte.

So schmeichelhaft dies auch war, ein anderer Grund für den Besuch der Errolls wäre ihr lieber gewesen. Sie hatte zu hoffen gewagt, sie wären gekommen, um mit ihrem Vater über eine Verlobung zu sprechen.

Tränen stiegen ihr in die Augen, aber sie unterdrückte sie, da sie sich in Gegenwart ihrer Cousine beherrschen wollte. Wegen dummer Träume sollte sie keine Tränen vergießen.

Doch wie wundervoll sich doch sein Kuss angefühlt hatte …

Sie rief Beatrice erneut zur Ordnung und verrenkte sich den Hals, um die Gesichter ihrer Eltern sehen zu können. Sie blickten sich in der ihnen eigenen innigen Art an, mit der sie auch ohne Worte miteinander kommunizieren konnten.

„Unsere Tochter ist noch jung und vollkommen unerfahren, was das Leben bei Hofe betrifft“, sprach Margarets Vater schließlich bedächtig. „Der Wunsch der Königin ehrt uns sehr, doch er kommt auch völlig überraschend. Wir müssen in Ruhe darüber nachdenken.“

Lady Erroll zuckte mit den Schultern. „Wie Ihr es für richtig haltet, Master Clifford. Aber bedenkt, eine Position im Dienste Ihrer Majestät bietet die besten Voraussetzungen, um den Wohlstand und die Zukunft einer Familie zu sichern. Unsere Tochter ist erst sechzehn und bekleidet bereits seit einem Jahr das Amt einer Ehrendame. Und unser Sohn …“ Plötzlich schwang Stolz in ihrem zuvor gelangweilten Tonfall mit. „Unser Sohn hat die glänzendsten Aussichten. Ihre Majestät schickt ihn mit anderen Gesandten nach Paris. Er wird ein Jahr lang dort weilen. Und nach seiner Rückkehr hoffen wir auf eine exzellente Partie für ihn.“

„Wenn es ihm gelingt, ein ernsthafteres Leben zu führen“, brummte Lord Erroll. „Er sollte endlich aufhören, mit seinen Kumpanen London unsicher zu machen.“

Lady Erroll warf ihm einen finsteren Blick zu. „Robert ist jung und sieht gut aus. Warum sollte er sich nicht vergnügen? Der Ernst des Lebens beginnt früh genug. Schon bald wird er einen hohen Posten bekleiden. Und mit der richtigen Ehefrau an seiner Seite …“

Margaret wollte nichts mehr davon hören. Sie stieß die Tür auf und kletterte aus dem Schrank. Die schweren Röcke gerafft, rannte sie so schnell sie konnte mit Tränen in den Augen den Korridor entlang und die Treppe hinunter.

„Mistress Margaret“, rief Jane, die Magd, an der sie vorbeistürmte. „Wartet! Ich habe …“

Doch sie mochte nicht innehalten. Sie wollte nicht, dass irgendjemand ihre Tränen sah. Als sie weiterstürmte, rutschte ihr die Haube vom Kopf, aber sie bemerkte es kaum.

Erst auf dem Treppenabsatz machte sie Halt, um nach Luft zu schnappen. Ein kalter Luftstrom lenkte ihren Blick zu dem kleinen geöffneten Fenster. Sie trat näher und blickte in den dunklen Nachthimmel, an dem einige Sterne funkelten. Der Mond sandte sein Licht auf die Einfahrt unter ihr. Es herrschte eine vollkommene Stille, alles wirkte wie eingefroren.

Plötzlich nahm sie zwischen den Bäumen der kleinen Allee eine Bewegung wahr. Sie lehnte sich weiter vor, um besser sehen zu können – und erblickte im fahlen Schein des Mondes das blasse Gesicht eines Reiters, der zum Haus schaute.

Ihr Herz schlug schneller, ein Funke Hoffnung erwachte in ihr, vertrieb das Gefühl der Enttäuschung, das sie nach dem belauschten Gespräch erfasst hatte. Ja, dieser Reiter musste Robert Erroll sein. Er trug dasselbe, mit Federn besetzte Barett wie am Nachmittag, als sie sich geküsst hatten.

Sie stürmte die restlichen Stufen hinab, riss die Haustür auf und lief hinaus in die nächtliche Kälte. Doch da war niemand. Kein Pferd, kein Reiter mit einem modischen Barett. Nur das Rauschen des Windes durchbrach die Stille.

„Hallo“, rief sie. „Seid Ihr dort draußen?“ Keine Antwort. Erneut löste sich ihre Hoffnung in nichts auf.

„Meg“, schrie ihre Cousine. Margaret fuhr herum und sah, wie Beatrice auf sie zurannte. „Warum bist du so plötzlich verschwunden?“

Ihr goldblondes Haar schimmerte im Mondlicht, mit weit aufgerissenen Augen starrte Bea sie schockiert an. Plötzlich schämte sich Margaret, weil sie sich so unbeherrscht verhalten hatte. Schämte sich wegen ihrer dummen Träume. Wie konnte sie erwarten, dass ein Mann wie Robert Erroll, ein Mann, der als Gesandter der Königin nach Frankreich ging, ein Mann, der in die höchsten Kreise einheiraten würde, ernsthafte Absichten gegenüber einem unbedeutenden Mädchen vom Lande haben könnte. Ja, es war nur ein dummer Traum. Lady Erroll hatte recht: Jeder war seines Glückes Schmied und musste sich darum kümmern, das Beste aus der Zukunft zu machen.

Doch es war ein so süßer Traum gewesen.

Langsam, mit schleppenden Schritten, ging sie zu Beatrice und nahm deren Arm. Es gelang ihr sogar, ein Lächeln aufzusetzen.

„Ich brauchte nur etwas frische Luft“, behauptete sie. „Beinahe wäre ich in diesem alten Schrank erstickt.“ Sie zog die Cousine in Richtung des Hauses.

„Ist das nicht aufregend, Meg?“, sagte Beatrice, die wie ein kleines Mädchen neben ihr her hüpfte. „Du gehst an den Hof, siehst die Königin. Du wirst tanzen und musizieren. Und du wirst die hübschesten Kleider tragen …“

Unwillkürlich musste Margaret über die kindliche Begeisterung ihrer Cousine lachen. Eigentlich sollte sie ebenfalls begeistert sein, und vielleicht würde sich Enthusiasmus einstellen – falls sie ihren dummen Traum aufgeben konnte, die Gemahlin von Robert Erroll zu werden.

„Es steht doch noch gar nicht fest, ob ich an den Hof gehen werde“, wandte sie ein.

„Oh, du wirst gehen! Und eines Tages, wenn ich älter bin, werde ebenfalls der Königin dienen und dich im Palast wiedersehen. Wäre das nicht wundervoll?“

„Ja“, erwiderte Margaret einsilbig. Bevor sie ins Haus trat, blieb sie stehen und blickte sich noch einmal suchend um. Doch niemand hielt sich im Garten auf. Wahrscheinlich hatte sie sich das alles nur eingebildet. „Ja, das wäre wundervoll, Bea.“

Robert zügelte sein Pferd, sobald er sicher sein konnte, dass die Bäume ihn verbargen, und blickte zu dem in silbriges Mondlicht getauchten Haus. Margaret stand auf der Schwelle und schaute auf die Allee. Einen Augenblick lang glaubte er, dass sie ihn entdeckt hatte. Der Wind spielte mit ihrem glänzenden dunklen Haar und bauschte ihre Röcke. Sie rieb sich die Arme, als friere sie, aber sie wandte sich nicht ab.

Er musste sich mit aller Willenskraft beherrschen, um nicht zu ihr zu reiten.

„Zur Hölle“, presste er hervor und umklammerte die Zügel noch fester. Er wusste, dass es keine gute Idee gewesen war, nach Clifford Manor zu kommen, aber er hatte nicht anders gekonnt. Er hatte sie unbedingt wiedersehen müssen, und sei es nur, um festzustellen, dass dieser seltsame Zauber, den sie auf ihn ausgeübt hatte, während sie miteinander tanzten, nichts als Einbildung war.

Wie könnte es denn auch anders sein? Am Hof der Königin gab es so viele schöne, geistreiche Frauen. Frauen, mit denen er lachen und tändeln konnte. Frauen, die nur allzu gern einer Einladung in sein Bett folgten.

Margaret Clifford hingegen war so jung, so unschuldig und völlig unerfahren, was höfische Ränke betraf. Als seine Schwester ihm auf dem Weihnachtsball lachend vorgeschlagen hatte, mit dem „Landmäuschen“ zu tanzen, hatte er angenommen, es könne ihn für eine kleine Weile amüsieren.

Niemals hätte er sich ausmalen können, wie es sich anfühlen würde: ihre schmale, zitternde Hand in seiner, der Blick ihrer dunklen Augen, wenn sie zu ihm aufsah, ihr süßes Lächeln, ihre Anmut. Ihr offenes, natürliches Lachen, so ganz anders als das gekünstelte Trillern der Hofdamen. Ja, sie hatte ihn verzaubert.

Und während sie nach dem Tanz durch den Saal geschlendert waren, hatte sie ihn nach seinen Aufgaben im Dienste der Königin gefragt. Und er hatte ihr seine kühnsten Träume verraten, von seinen Ambitionen und Zielen gesprochen – Ziele, so hoch gesteckt, dass seine Eltern und Freunde ihm niemals zugetraut hätten, dass er sie erreichte.

Margaret hingegen hatte ihm gespannt zugehört, ihm ernsthafte Fragen gestellt – und daran geglaubt, dass er es schaffen würde. Und das hatte ihn mit nie zuvor empfundener Freude erfüllt.

Und gerade weil sie so wundervoll war, konnte er jetzt nicht zu ihr gehen, gleichgültig wie sehr es ihn danach verlangte. Denn er wusste, wenn er nun zu ihr ging, sie bat, die Seine zu werden, ihre Eltern um Zustimmung ersuchte, dass er ihrer nicht würdig war. Erst musste er sich bewähren, um sie zu gewinnen. Um ihr das Leben bieten zu können, das ihr, rein und schön, wie sie war, zustand. Seine Familie besaß zwar einen angesehenen Namen, jedoch kein bedeutendes Vermögen. Seine Eltern wünschten, dass er sich mit einer reichen Erbin vermählte, um ihnen zu helfen, aber er war sicher, dass es ihm aus eigener Kraft gelingen würde, sie zu unterstützen.

Und das musste er schaffen, wenn er die Frau seiner Wahl ehelichen wollte.

Die Mission in Frankreich war der erste Schritt. Er würde der Königin, seinen Eltern und natürlich Margaret zeigen, dass viel mehr in ihm steckte als ein modisch gekleideter Höfling, der die neuesten Tänze beherrschte und die Damen geistreich zu unterhalten wusste. Er würde sein Glück machen, Reichtümer erwerben und zu ihr zurückkehren, wenn einer gemeinsamen Zukunft nichts mehr im Wege stand.

Der Brief, den er einer Magd für Margaret gegeben hatte, würde ihr gewiss erklären, was er ihr nicht von Angesicht zu Angesicht zu sagen vermochte. Jetzt konnte er nur noch beten, dass sie auf ihn warten würde, ihm schreiben würde, dass sie das Gleiche empfand wie er.

„Warte auf mich, süße Meg“, flüsterte er, dann trieb er sein Pferd an und ließ Clifford Manor hinter sich.

„Nein, nein, das dürfen wir nicht“, protestierte Jane, die Magd, kichernd. Sie wich vor Jamie zurück, bis sie mit den Hüften gegen den ummauerten Brunnen im Küchengarten stieß. Dabei hoffte sie, dass der Ansatz ihrer Brüste im Mondlicht gut sichtbar war. Sie wollte, dass Jamie sie verführte. Jetzt!

Und das tat er. Er legte ihr die Hände um die Taille und zog sie an sich. Als er die Lippen auf ihren Busen presste, kicherte sie noch lauter, weil sein Bart kitzelte.

Und dann begann er, sie auszuziehen, streifte ihr die Schürze ab und warf sie achtlos beiseite. Dass dabei der Inhalt ihrer Taschen – ein Kräutersträußchen, ein Schnupftuch und ein zusammengefalteter Brief – in den Brunnen fielen, bemerkte Jane nicht.

2. KAPITEL

London, Dezember 1571

Kannst du es glauben, Meg? Wir werden Göttinnen sein!“

Margaret lächelte, als Beatrice sie eifrig am Arm nahm und durch das Foyer des Hauses von William Cecil zog. Sie gehörten zu einer Gruppe junger Damen und Herren, die anlässlich der bevorstehenden Vermählung von dessen Tochter Anne mit dem Earl of Oxford ein Maskenspiel aufführen sollten. William Cecil, Lord Burghley, war der engste Berater der Königin und der gut aussehende Earl der begehrteste Junggeselle Englands. Dies war die Hochzeit des Jahres, einer der Höhepunkte der weihnachtlichen Festivitäten – und bei einem Maskenspiel mitwirken zu dürfen, stellte nicht nur eine große Ehre und Auszeichnung dar, sondern bot auch die Gelegenheit, vor Ihrer Majestät und dem ganzen Hofstaat in Erscheinung zu treten.

Doch Margaret lag nichts daran, im Mittelpunkt zu stehen. In den Jahren, in denen sie nun bereits im Dienste der Königin stand, war es stets ihre größte Freude gewesen, alles zu beobachten, was bei Hofe vor sich ging. Die Damen und Herren, mit denen Ihre Majestät sich umgab, kamen ihr wie bunte Figurinen aus Kristall vor, schillernd, glitzernd, faszinierend, aber gefährlich scharf wie Glassplitter, wenn man ihnen zu nahe kam.

„Ich bin nur als deine Begleiterin hier, Bea“, sagte sie. Sie hielt ihre junge Cousine fest bei der Hand, als die anderen Darsteller des Maskenspiels das Foyer betraten, denn Beatrice neigte dazu, unüberlegt auf jemanden zuzustürzen, wenn sie aufgeregt war. Und da sie erst seit Kurzem bei Hofe weilte und unbedingt alles sehen und mitbekommen wollte, war sie ständig aufgeregt.

So wie jetzt. Unruhig wippte sie auf den Zehenspitzen, während sie sich mit glänzenden Augen in der prächtigen Eingangshalle umschaute. Wertvolle Tapisserien schmückten die mit Holz vertäfelten Wände. Auf dem Marmorboden lagen dicke Teppiche, in dem riesigen Kamin flackerte ein Feuer, das die Kälte dieses eisigen Wintertags vertrieb.

Beatrice hüpfte wie damals, als sie noch ein kleines Mädchen gewesen war. Margaret lächelte ihr zu und fragte sich, ob sie das Leben jemals so interessant gefunden hatte, ob sie jemals auch nur halb so begierig gewesen war, es in all seinen Facetten auszukosten. Vielleicht als sie zum ersten Mal all die Pracht und den Prunk in den Palästen Elisabeths gesehen hatte?

Nein, auch damals nicht, musste Margaret sich traurig eingestehen. Denn vor nunmehr beinahe drei Jahren war sie zu niedergeschlagen gewesen, weil sie den Mann verloren hatte, der niemals für sie bestimmt gewesen war. Der sehnlichste Traum eines einfachen Mädchens vom Lande war geplatzt.

Er war nicht aus Frankreich zurückgekehrt, weil er sich als so nützlich für die Königin erwiesen hatte, dass sie ihn sogleich auf eine neue Mission nach Venedig und anschließend nach Moskau geschickt hatte. Lady Erroll brüstete sich ständig mit ihrem erfolgreichen Sohn, dem es gelungen war, wichtige Allianzen zu schmieden und hervorragende Kontakte zu den Herrschern der von ihm besuchten Länder herzustellen.

Margaret fand es sogar erfreulich, dass er nicht zurückgekehrt war, denn er würde sie stets nur daran erinnern, wie naiv sie dereinst gewesen war. Inzwischen war sie zu beschäftigt, trug zu viel Verantwortung und war zu alt, um sich solchen Fantasien hinzugeben. Wie sie zu Beatrice gesagt hatte, war sie lediglich hier, um als ihre Begleiterin zu fungieren. Gewiss würde ihre hübsche, lebhafte Cousine die ausgezeichnete Partie machen, die ihr selbst versagt geblieben war.

„Was für ein Unfug!“, protestierte Beatrice, die sich endlich von dem imposanten Anblick des prachtvollen Foyers in William Cecils Haus losgerissen hatte. „Du bist doch keine ältliche Jungfer, die ihre Zeit damit verbringt, wie eine Henne über ihre Küken zu wachen. Dafür bist du viel zu hübsch.“

„Lange nicht so hübsch wie du, Bea“, erwiderte Margaret, voller Stolz auf ihre reizende Cousine mit dem seidigen goldblonden Haar. „Und deshalb muss ich ein Auge auf dich haben.“

„Nicht nötig“, widersprach Beatrice. „Ich bin durchaus vernünftig, meine liebe Meg, und weiß genau, dass ich auf Schmeicheleien nichts geben darf.“ Sie warf den modisch aufgeputzten jungen Gecken, die ihr schöne Augen machten, einen verächtlichen Blick zu. „Ich strebe nichts anderes an als eine so großartige Verbindung wie die von Anne Cecil mit dem Earl of Oxford.“

Margaret überlegte, was Anne Cecil in der Zukunft erwarten mochte. Ihretwegen hatten sie sich hier versammelt, um für die festlichen Darbietungen anlässlich ihrer Vermählung zu proben. Gewiss, auf den ersten Blick betrachtet, hatte sie das große Los gezogen. Doch Anne war erst fünfzehn und im Haus ihrer einflussreichen, mächtigen Eltern sehr behütet aufgewachsen. Der Earl hingegen war als Unruhestifter mit feurigem Temperament bekannt. Ja, Anne Cecil würde eine Countess werden. Aber würde sie an der Seite dieses Mannes auch ihr Glück finden?

Glück – das wünschte Margaret sich am sehnlichsten für ihre entzückende Cousine.

„Achte darauf, einen guten Ehemann zu finden, Bea“, legte sie ihr ans Herz. „Einen freundlichen, liebevollen Mann, der weiß, was für einen großen Schatz er in dir hat.“

„Zuerst müssen wir einen solchen Mann für dich finden, Meg“, sagte Bea. „Du bist ja keineswegs zu alt, um dich zu vermählen.“

Margaret lachte. „In der Tat brauche ich noch keinen Gehstock. Aber ich bin noch keinem Mann bei Hofe begegnet, mit dem ich es länger als eine Stunde ausgehalten hätte.“

Beatrice riss die Augen auf. „Ist es wegen Master Ambrose? Es war alles so traurig …“

Margaret schüttelte den Kopf. Als ihre Eltern vor gut einem Jahr eine Verbindung mit dem ältesten Sohn der Familie Ambrose vorschlugen, hatte sie zögernd zugestimmt. Warum auch nicht? Ihr Traum von einer wundervollen Romanze war geplatzt, und Charles Ambrose machte einen netten Eindruck. Nach seinem überraschenden Tod nur einen Monat nach ihrer Verlobung hatte sie lediglich Mitleid mit seiner Familie empfunden.

Und sich gefragt, ob sie möglicherweise nicht für die Ehe bestimmt war.

„Darüber bin ich längst hinweg“, versicherte sie ihrer Cousine. „Jetzt halte ich die Augen offen, um eine gute Partie für dich zu finden.“

Bevor Beatrice antworten konnte, erschien Mildred Cecil, Lord Burghleys Gemahlin, am Kopf der imposanten Holztreppe. Als sie die beeindruckende Dame in dem schwarzen Samtgewand sahen, verstummten alle Anwesenden sofort. Lady Burghley ließ den Blick über die in ihrem Foyer versammelten Höflinge schweifen.

Ihre Tochter Anne, ein zartes, blasses Mädchen mit hellbraunen Haaren, das eine lohfarbene Seidenrobe trug, verschmolz beinahe mit den Paneelen der Wand.

„Ich danke Euch allen, dass Ihr heute hergekommen seid“, begrüßte Lady Burghley ihre Gäste. „Die Hochzeit findet, wie Ihr wisst, bereits in wenigen Tagen statt, es gibt also viel zu tun.“

Majestätisch schritt Lady Burghley die Stufen hinunter, gefolgt von ihrer Tochter, während Lakaien in der grün-goldenen Livree der Cecils eilfertig die Doppeltüren zur Großen Halle öffneten. Der Strom der Menschen zog Margaret und Beatrice mit sich in den Saal.

Ihnen blieb kaum Zeit, die kunstvoll bemalte Holzdecke zu bewundern oder die leuchtenden Farben der Tapisserien oder die silbernen Teller und Servierplatten auf den Büfetttischen. Alles drängte zum hinteren Teil des riesigen Raums, wo man eine Bühne für die Maskenspiele errichtet hatte.

Diener waren damit beschäftigt, die bemalten Kulissen aufzustellen, Näherinnen beugten sich über die bestickten Samt- und Seidenstoffe, um die Kostüme fertigzustellen.

„Dies ist der Hain der Diana“, erklärte Lady Burghley und deutete ungeduldig auf die Bäume, denen noch die Blätter fehlten. „Dort ist die Laube der Flora, und dort drüben befindet sich das ‚Haus der Nacht‘. Wir benötigen neun Ritter des Apollo, neun …“

Sie hielt mitten im Satz inne, denn die Tür zur Großen Halle wurde erneut geöffnet. Missbilligend betrachtete sie Neuankömmlinge, die es wagten, zu spät einzutreffen. Jedermann verdrehte den Hals oder stellte sich auf die Zehenspitzen, um zu sehen, wer eingetreten war. Einige der jungen Damen fingen an zu kichern.

Auch Beatrice stimmte mit ein. „Sieh mal, Meg“, wisperte sie aufgeregt. „Dort ist Peter Ellingham.“

Margaret unterdrückte ein Lachen. Peter, Lord Ellingham, war blond wie Beatrice und ebenso lebenslustig wie sie. In letzter Zeit hatte er ihrer Cousine viel Aufmerksamkeit geschenkt, sie zum Tanz aufgefordert, Duette auf der Flöte mit ihr vorgetragen oder Karten mit ihr gespielt. Natürlich hatte sie stets ein Auge auf die beiden gehabt.

Beatrice tat so, als würde sie ihn nicht ernst nehmen, doch Margaret fragte sich, ob er ein würdiger Heiratskandidat für ihre Cousine sein könnte.

Sie musterte die Neuankömmlinge. Lord Ellingham befand sich tatsächlich unter ihnen, gekleidet in schillerndes Pfauenblau. Sein Blick ruhte auf Beatrice. Begleitet wurde er von seinen Freunden, jungen Herren, die ebenso gutmütig und lebenslustig wie er und hervorragend geeignet, in die Rolle der Ritter Apollos zu schlüpfen.

Plötzlich kam Bewegung in die Gruppe, als ein weiterer Mann den Saal betrat. Margaret kniff die Augen zusammen.

Mit einem Mal fror sie in dem überfüllten, überhitzten Raum, und sie erstarrte. Unruhig verschränkte sie ihre zitternden Hände und starrte wie gebannt auf den Neuankömmling inmitten Lord Ellinghams fröhlicher Freunde. Es war der Mann, von dem sie geglaubt – gehofft – hatte, ihn nie wiederzusehen.

Robert Erroll.

Wie sie hatte er sich in den vergangenen Jahren verändert. Sein Gesicht mit dem gepflegten kurzen Bart war schmaler, markanter geworden, die von der Sonne gebräunte Haut wies leichte Spuren von Wind und Wetter auf. Das schwarze Haar trug er länger, sodass es den Kragen seines Wamses aus purpurrotem Samt berührte. Ein amüsiertes Lächeln umspielte seine sinnlichen Lippen, als er Lord Ellingham und seine lebhaften Freunde betrachtete.

Dann ließ er den Blick durch den Saal schweifen – und entdeckte sie. Seine tiefblauen Augen, an die sie sich so gut erinnerte, weiteten sich ein wenig. Trotz der vielen Menschen um sie herum fühlte sie sich verletzlich. Sein Lächeln wurde breiter, doch es wich schnell einer Maske höfischer Langeweile. Er verbeugte sich leicht, bevor er sich Lord Ellingham zuwandte.

„Darf ich um Eure Aufmerksamkeit bitten, meine Herrschaften“, rief Lady Burghley. „Wir haben keine Zeit zu verlieren.“

Margaret zitterte am ganzen Leib, in ihrem Kopf drehte sich alles, und sie fürchtete, in Ohnmacht zu fallen. „Entschuldige mich für einen Augenblick, Bea“, brachte sie heraus.

„Was ist …“, fragte Beatrice verwirrt und griff nach der Hand ihrer Cousine.

Doch Margaret gelang es, davonzuschlüpfen. Sie bahnte sich einen Fluchtweg durch die Menge. Und dank des durch die Neuankömmlinge verursachten Trubels erreichte sie ohne Aufsehen zu erregen durch die noch geöffnete Tür das leere Foyer.

Ohne zu wissen, wohin sie gelangen würde, hastete sie durch einen langen Korridor. Ein paar Diener kamen ihr entgegen, schenkten ihr jedoch keine Beachtung, da sie zu beschäftigt waren. Im Hinblick auf die Hochzeitsvorbereitungen hatte jedermann zahlreiche Aufgaben zu erfüllen.

Warum musste Robert nach all der Zeit zurückkehren? Endlich war es ihr gelungen, ihre jugendliche Narrheit, ihre romantischen Träume hinter sich zu lassen. Und nun war er hier. Bewirkte mit einem Blick seiner schönen blauen Augen, dass sie sich genauso jung und berauscht von Liebe fühlte wie damals.

Gewiss würde er erneut im Auftrag der Königin London verlassen. Hoffentlich bald! Bis dahin musste sie alles tun, um ihm aus dem Weg zu gehen. Das sollte doch nicht allzu schwer sein, oder?

Margaret lief einen anderen Korridor entlang und dann noch einen. Seltsamerweise fand sie sich in der Eingangshalle wieder. Verwirrt stolperte sie über die Kante eines türkischen Teppichs und taumelte. Sie ruderte mit den Armen, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren, griff blindlings nach Halt …

Und hielt plötzlich ein Stück eines Samtwamses umklammert.

Die starken Arme eines Mannes umschlossen sie und hielten sie fest. Niemand anderer als Robert Erroll hatte sie vor dem Sturz bewahrt. Das wusste sie, ohne ihm in sein attraktives Gesicht zu sehen. Sie nahm seinen ganz eigenen Duft wahr, ihr verräterischer Körper kannte noch immer die Wonnen, die seine Berührung auslöste. Sie zwang sich, auf der Stelle zu verharren und nicht wie eine Närrin kopflos davonzustürzen.

„Ihr müsst eine sehr wichtige Verabredung haben, Mistress Clifford“, sagte er gelassen. Beim Klang seiner tiefen Stimme erschauerte sie. „Ihr heißt doch noch Clifford, oder habt Ihr einen neuen Namen?“

„Ich … ja“, murmelte sie und starrte auf die goldenen Knöpfe an seinem purpurroten Wams. „Und ich habe gehört, Ihr seid jetzt Sir Robert. Die Königin hat Euch zum Dank für Eure großen Verdienste zum Ritter geschlagen.“

„Ich bin mir nicht sicher, ob sie groß waren“, erwiderte er lachend. „Aber inzwischen bin ich tatsächlich Sir Robert. Wir haben uns seit unserer letzten Begegnung viel zu lange nicht gesehen, Mistress Margaret.“

Seit unserer letzten Begegnung.

Damals hatte er sie geküsst, ohne auf ihre mädchenhaften Gefühle zu achten, und sie war zu unerfahren gewesen, um zu wissen, dass sein Kuss ihm nichts bedeutete. Hätte das jemand bei Beatrice versucht, so hätte sie ihm die Augen ausgekratzt. Es machte sie wütend, wie unbekümmert Männer mit den Herzen junger weltfremder Mädchen spielten und sich dann aus dem Staub machten.

„Nicht lange genug“, sagte sie kühl und versuchte, sich von ihm zu lösen, doch er hielt sie noch fester, zog sie enger an sich.

„Habt Ihr seit meiner Abreise jemals an mich gedacht?“, fragte er. Das Lachen war einem seltsam ernsthaften Unterton in seiner Stimme gewichen.

„Ich bin hier bei Hofe viel zu beschäftigt, um mich mit solch nebensächlichen Dingen zu befassen“, erwiderte sie und hoffte, dass sie kalt und distanziert geklungen hatte. „Es gibt so viel zu tun. Ich nehme an, Ihr wart ebenfalls sehr beschäftigt.“

Damit beschäftigt, Frauen zu küssen. In Paris. In Venedig. In Moskau.

„Das stimmt. Ich hatte viel zu tun und habe viel gesehen.“ Noch immer hielt er sie in seinen Armen. „Aber ich habe niemals eine Frau wie dich getroffen – Meg.“

„Ihr habt recht. Ich bin nicht wie andere Frauen.“ Erneut versuchte sie, von ihm frei zu kommen. „Ich habe Euch vollkommen vergessen.“

„Meg, das meinst du nicht wirklich“, sagte er und klang verletzt. Doch Margaret ließ sich davon nicht beirren.

„Nennt mich nicht Meg“, erwiderte sie kühl. „Ich bin Mistress Margaret Clifford.“

„In meiner Erinnerung warst du immer Meg. Was ist mit dir geschehen?“

„Was wollt Ihr damit sagen?“ Sie wusste, es war unmöglich, sich aus seiner Umarmung zu befreien. Deshalb stand sie reglos da und starrte auf sein Kinn. Auf einmal war ihr nach Weinen zumute, denn sie wollte, dass er sie weiterhin an sich geschmiegt hielt. Wollte sich wieder so fühlen, wie er sie sich damals hatte fühlen lassen: so lebendig und frei.

Doch sie wusste, es würde niemals wieder so sein.

„Du siehst aus wie die Meg, an die ich mich erinnere“, sagte er und strich über den Ärmel ihres Gewands, rieb dabei den Seidenstoff über ihre Haut, ließ die Hand tiefer gleiten, bis seine Finger ihre berührten. „Du bist mit den Jahren noch schöner geworden. Aber deine Augen wirken kalt.“

In einem Anflug von Ärger rief Margaret: „Ihr meint, ich bin nicht mehr die närrische kleine Person, die ich einmal war? Die man mit ein paar schönen Worten und ein paar Küssen verführen kann? Ich versichere Euch, Sir Robert, ich habe meine Lektion gelernt seit unserer letzten Begegnung.“

Er hob ihre Hand und betrachtete ihre Finger, die kein Ehering schmückte, als hätte er sie nie zuvor gesehen. Als würden sie ihn faszinieren.

„Nehmt Ihr Euch immer noch einfach das, was Ihr wollt, ohne an die Gefühle des anderen zu denken?“, flüsterte Margaret.

Ihre Blicke trafen sich, und einen Augenblick lang sah sie in seinen schönen tiefblauen Augen einen Ausdruck von Ärger – oder Schmerz? Doch er wich umgehend einer eisigen Kälte. „Du weißt nichts über mein Leben. Wenn du nur …“

„Wenn ich nur … was?“, fragte sie verwirrt.

„Du treibst mich in den Wahnsinn“, stieß er hervor und riss sie erneut in seine Arme. Er zog sie dicht an seinen Körper, hob sie auf die Zehenspitzen und presste seinen Mund auf ihre Lippen.

Robert war nicht rau, doch beharrlich. Er öffnete die Lippen über ihren, strich verlangend darüber, suchte mit der Zunge Einlass in ihren Mund. Willig öffnete sie ihn für ihn, denn ein so heftiges Begehren, ein so verzehrendes Verlangen hatte sie ergriffen, dass sie nicht widerstehen konnte.

Erst als sie seine Lippen auf ihren spürte, war ihr klar geworden, wie tief sich jener erste Kuss in ihrem Gedächtnis eingebrannt hatte, wie sehr sie sich danach gesehnt hatte, diese Gefühle erneut zu spüren, die er in ihr geweckt hatte. Der nüchterne Alltag, in dem sie die praktische, vernünftige Margaret spielen musste, wich einem Paradies unbeschreiblicher Wonnen. Es war erschreckend, berauschend – und wundersam zugleich.

Robert presste sie noch begieriger an sich, vertiefte den Kuss und streichelte ihren Rücken. Als sie lustvoll aufstöhnte, legte er ihr die Hände um die Hüften und hob sie zu sich hoch, damit sie spürte, wie heftig er sie begehrte.

Sie klammerte sich an seine Schultern, ließ den Kopf in den Nacken sinken und bot ihm ihren Hals dar. Sie spürte die Spitze seiner Zunge auf ihrer Haut, genau an der Stelle, wo ihr Herzschlag wild pulsierte. Oh, wie sehr wollte sie ihn nach all der Zeit! Ihr war klar, dass sie sich zusammenreißen sollte, doch ihr Verlangen nach ihm war so unermesslich, dass sie sich nicht beherrschen konnte.

Er umfasste eine ihrer Brüste, strich über die Seide, die sie bedeckte, bis sie erneut aufstöhnte.

„Meg, es ist so lange her …“

„Ich weiß.“ Sie schob die Finger in sein seidiges nachtschwarzes Haar, genoss seine Lippen auf ihrer Haut, seinen warmen Atem an ihrem Hals.

Mit einer Hand glitt er tiefer, fasste den Stoff ihrer Röcke, hob sie hoch. Ein kühler Luftzug holte sie in die kalte Realität zurück.

Durch die geschlossene Tür zur Großen Halle drang lautes Gelächter und erinnerte Margaret daran, wo sie und Robert waren: In Cecil House, und die Hälfte des Hofstaats hielt sich gleich nebenan auf. Hastig löste sie sich von Roberts Lippen und rang nach Luft. Die widersprüchlichsten Gefühle übermannten sie: Begehren, Verwirrung, Freude, Ärger.

„Bitte“, keuchte sie, „mach das nie wieder mit mir.“

„Was, Meg?“, sagte er rau. „Alles, was ich jemals wollte, war …“

„Meg?“

Als sie Beatrice’ Stimme hörte, fuhr Margaret herum. Ihre Cousine stand auf der Schwelle der geöffneten Tür und sah sie mit großen Augen fragend an.

Margaret nahm wahr, wie Robert sich von ihr entfernte und in der Nische unter der Treppe verschwand. Während sie zu Beatrice eilte, fuhr sie sich mit dem Handrücken über die feuchten Augen und versuchte, ein Lächeln aufzusetzen. „Werde ich für das Maskenspiel gebraucht?“

„J…ja“, murmelte Beatrice und sah sich suchend um. „Du sollst eine der Feen der Nacht darstellen. Wer war das eben bei dir?“

„Niemand“, sagte Margaret kurz und steuerte ihre Cousine energisch zurück in den überfüllten Saal. „Ein alter Bekannter meiner Eltern, der einige Zeit im Ausland verbracht hat. Er hat mir Grüße für sie aufgetragen.“

„Tatsächlich? Er kam mir zu jung vor, um ein Freund meines Onkels zu sein.“ Beatrice warf einen Blick zurück, doch Margaret schob sie in die Große Halle und schlug die Tür hinter ihnen zu.

„Mag sein“, sagte sie. „Aber mach dir keine Gedanken darüber. Erzähl mir lieber über unsere Rollen in dem Maskenspiel.“

Margaret. Meg.

Nach all den Jahren. Sie war es wirklich! Und doch war sie nicht die Meg, an die er sich erinnerte.

Robert fuhr sich mit den Fingern durch die Haare, während er ruhelos den Korridor im Haus der Cecils auf und ab schritt. Nur das Geräusch seiner Absätze auf dem polierten Holzfußboden durchbrach die Stille.

Dann drang Gelächter durch die geschlossene Tür der Großen Halle zu ihm, das abrupt endete, als Lady Burghley die versammelten Höflinge zur Ordnung rief. Er hätte ebenfalls dort sein sollen, aber er musste sich erst sammeln und zur Ruhe kommen. Das Einzige, woran er denken konnte, waren Megs dunkle Augen, mit denen sie ihn so kühl, so abweisend angeblickt hatte.

Sie hatte ihm niemals auf seinen Brief geantwortet, den er der Magd in Clifford Manor in die Hand gedrückt hatte, bevor er nach Frankreich aufgebrochen war. Natürlich war ihm klar gewesen, dass sie womöglich nicht auf ihn warten würde. In Wahrheit kannten sie sich ja kaum. Ein Tanz. Ein Spaziergang. Ein Kuss. Und trotzdem hatte er bei den kurzen Begegnungen eine Gewissheit empfunden, etwas gespürt, das er bei keiner anderen Frau gefühlt hatte. Meg war der Grund, der ihn getrieben hatte, sein Glück in der Fremde zu versuchen, um als erfolgreicher Mann zu ihr zurückzukehren.

Auf all seinen Reisen – nach Paris, Venedig, Moskau – hatte er stets an sie gedacht. Nur Meg zuliebe hatte er all das unternommen, alle Strapazen auf sich genommen, um sich ihrer als würdig zu erweisen. Aber die Meg, an die er sich erinnerte, das lachende Mädchen, das sich für alles begeisterte und das an ihn glaubte, existierte nicht mehr.

An Megs Stelle war Mistress Margaret Clifford getreten, eine kühle Ehrendame, die sich hinter der steifen höfischen Tracht verschanzte. Er schauderte bei dem Gedanken, dass sich sein Traum von Meg in Luft aufgelöst hatte.

Und doch – für einen Moment hatte er nach ihrem verzehrenden Kuss in ihren dunklen Augen einen Schimmer von seiner Meg, der jungen Meg, erhaschen können. Wie das Funkeln eines Diamanten, der unter der Eisschicht eines gefrorenen Teichs glitzerte. Nicht leicht zu bergen, aber auch nicht völlig unerreichbar.

Wenn es ihm nur gelang, das Eis zu brechen.

Plötzlich wurde das Portal von Cecil House geöffnet. Ein eisiger Windstoß fegte herein, als eine Gruppe junger Männer lärmend ins Haus strömte. Der Bräutigam und seine Begleiter waren eingetroffen. Ihre mit Edelsteinen besetzten Zierdegen klirrten, ihre kurzen, mit Pelz verbrämten Capes raschelten, ihr dröhnendes Lachen hallte von den Wänden des ehrwürdigen Hauses wider.

Auf einmal empfand Robert Mitleid für die blutjunge, stille Anne Cecil, auch wenn sie bald einen glanzvollen Titel tragen würde. Er war froh, dass Meg in der Zwischenzeit keinen Mann wie Oxford geehelicht hatte. Noch war sie frei für ihn – sofern sie sich anhörte, was er ihr zu sagen hatte.

„Erroll“, rief Oxford jovial, „Ihr seid gekommen, um meine Vermählung mit uns zu feiern. Jeder Mann sollte heiraten – zumindest sagt das der geschätzte Lord Burghley, mein zukünftiger Schwiegervater. Ich wette, Ihr seid der Nächste …“

3. KAPITEL

Sie hatte sich verirrt.

Margaret umklammerte die Zügel ihres Pferdes und versuchte, in dem heftigen Schneegestöber, das sie einhüllte, einen Orientierungspunkt zu finden. Warum nur hatte sie sich von der Jagdgesellschaft entfernt? Doch als sie sich spontan entschieden hatte, einem anderen Weg zu folgen, hatte es noch nicht geschneit, und die Sicht war gut gewesen. Der Schneefall hatte plötzlich eingesetzt, ihr die Sicht geraubt, und sie konnte nicht einmal mehr die Unterhaltung ihrer Begleiter oder das Schnauben ihrer Pferde hören.

Ja, es war dumm gewesen, die Flucht zu ergreifen – wegen ­Robert. Aber als er sich der Jagdgesellschaft im Palasthof anschloss, hatte sein unerwartetes Erscheinen sie verwirrt. Sie wollte ihn nicht sehen, wollte seine Stimme, sein Lachen nicht hören, sich nicht an seine Küsse erinnern. Wollte sich nicht daran erinnern, was für eine Närrin sie gewesen war.

Wie närrisch sie sich immer noch verhalten konnte, wenn sie es zuließ.

Sie hatte die Gesellschaft verlassen und wäre in den Palast zurückgekehrt, um sich mit ihren lächerlichen Gefühlen in ihrer Kammer zu verstecken, hätte sie nicht bereits im Sattel gesessen. Zum Glück war Beatrice, die sich mit Peter Ellingham unterhielt, zu abgelenkt gewesen, um ihr Erröten zu bemerken. Und Robert hatte sich bemüht, Anne Cecil, die allzu ernste Braut, zum Lachen zu bringen.

Ja, er war sehr gut darin, junge Damen zu betören und sie die Realität vergessen zu lassen.

Und nun hatte sie sich verirrt, irgendwo im verschneiten Wald, weit vom Palast entfernt.

„Hier entlang“, hörte sie jemanden rufen. „Meg, kannst du mich hören?“

In der Stimme des Mannes schwang Besorgnis mit. Margaret hatte sie sofort erkannt: Robert rief nach ihr. Sie kannte seine Stimme nur allzu gut, sie ließ ihr Herz schneller schlagen.

„I…Ich bin hier“, antwortete sie. „Ich fürchte, ich habe mich verirrt.“

„Bleib genau da, wo du bist. Ich werde dich finden.“

Margaret atmete tief durch und zwang sich, auf der Stelle zu verharren. Ihre unbedachte Flucht hatte sie in diese unangenehme Situation gebracht. Schließlich konnte sie Robert erkennen, seine ganz in Schwarz gekleidete Gestalt inmitten des weißen Flockenwirbels. Er streckte die Hand nach dem Zügel ihres Pferds aus.

„Ich habe bemerkt, dass du verschwunden warst, und befürchtet, du könntest dich verirrt haben. Deshalb habe ich mich auf die Suche nach dir gemacht“, erklärte er. „Nicht weit von hier befindet sich ein kleines Jagdhaus. Es gehört Sir Christopher Finch­ley. Er hat mir einmal verraten, wo er den Schlüssel versteckt hat. Dort können wir abwarten, bis der Schneefall nachlässt.“

Er hatte nach ihr gesucht? Wollte sie in einen Unterschlupf bringen? Dieser Gedanke ließ sie mehr frösteln als die Eiskristalle der Schneeflocken. Sie wollte nicht mit ihm allein sein in einem unbewohnten Haus, aber ihr war klar, dass sie nicht länger hier draußen bleiben konnte. Ihre Kleidung war feucht, die Kälte drang ihr bis ins Mark. Sie wischte sich die Schneeflocken von den Wimpern und nickte.

Langsam lenkte er ihr Pferd zurück auf den Weg, den sie gekommen war, dann über eine vereiste Brücke zu einem kleinen viereckigen Ziegelhaus auf einer Lichtung. Es handelte sich tatsächlich um eine Jagdhütte. Kein Licht fiel durch die Fenster, aus dem Kamin drang kein Rauch. Aber an der Tür hing ein festlicher Kranz aus Christdorn, passend zur Weihnachtszeit.

„Christdorn“, sagte sie wehmütig, als Robert ihr aus dem Sattel half. „Meine Kinderfrau erzählte, dass Feen unter den stacheligen Blättern vor der winterlichen Kälte Schutz suchen.“

„Eine hübsche alte Geschichte“, erwiderte er. Seine Hände lagen noch an ihrer Taille, sie spürte ihre Wärme durch ihr Reitgewand. Unwillkürlich wollte sie sich an ihn schmiegen, doch er trat einen Schritt zurück.

Sie verscheuchte den Schmerz, der sie überfiel, als er sie losließ und sie nicht länger seine Berührung spürte.

Er ging zum Haus, nahm den Schlüssel aus seinem Versteck hinter einem losen Ziegelstein und schloss die Tür auf. „Geh doch schon mal hinein. Ich bringe schnell die Pferde in den Stall“, sagte er ruhig. Seinem Tonfall konnte sie nichts entnehmen, ebenso wenig dem Ausdruck seiner Augen. Die behandschuhten Hände hatte er zu Fäusten geballt.

Sie nickte und beeilte sich, ins Haus zu kommen. Durch einen schmalen Korridor gelangte sie in den Wohnraum mit dunklen Balken an den Decken und einem gemusterten Teppich auf dem Fußboden. Das Mobiliar bestand aus ein paar Stühlen und Schemeln und einem Tisch. Behänge an Wänden und Fenstern schützten vor eindringender Kälte. Über dem großen Kamin hing ein Kranz aus Immergrün. Eine Tür führte in einen Nebenraum, wahrscheinlich die Schlafkammer.

Als sie ihren Umhang an einen der Haken hängte, nahm Margaret sich vor, sich bei Sir Christopher zu bedanken, dass sie in seinem Haus Schutz gefunden hatten.

Sie und Robert.

Margaret erschauerte bei dem Gedanken daran, dass sie nicht allein hier war. Dass er bald mit ihr zusammen in diesem behaglichen Raum sein würde. Eigentlich sollte sie vor ihm fliehen – trotz des Schneesturms –, denn sie wusste, welche Wirkung er auf sie ausübte. Doch sie blieb.

„Dir ist kalt.“ Erschrocken zuckte sie zusammen, denn sie hatte sein Eintreten nicht bemerkt. Sie fuhr zu ihm herum und stellte wieder einmal fest, wie gut er doch aussah, in der Tat noch besser als vor seiner Abreise.

„Nein, nein. Es ist alles in Ordnung.“ Aber er nahm seinen pelzgefütterten kurzen Umhang ab und legte ihn ihr fürsorglich um die Schultern. Er strömte seinen Duft aus – und die Wärme seines Körpers.

„Ich mache uns ein Feuer.“ Er nahm sie beim Arm und führte sie zu einem mit Kissen gepolsterten Lehnstuhl am Kamin.

„Du weißt, wie man ein Feuer macht?“, fragte sie amüsiert.

Lachend kniete sich Robert auf den Boden und nahm einige Scheite aus dem großen, mit Holz gefüllten Korb. „Ich bin nicht vollkommen untalentiert, Meg. Und auf meinen Reisen habe ich viel gelernt.“

„Nein, nicht vollkommen untalentiert, nehme ich an“, murmelte Margaret. Sie machte es sich bequem und beobachtete, wie er sich seines eng anliegenden Wamses entledigte und sich daran machte, die Scheite aufzuschichten. Sie überlegte, was er wohl in der Zeit, in der sie getrennt waren, alles erlebt haben mochte.

Unter seinem weißen Leinenhemd zeichneten sich die kräftigen Muskeln seines Rückens ab. Bei diesem Anblick erinnerte sie sich, wie sich seine warme Haut unter ihren Fingern angefühlt hatte. Sie musste schlucken und wollte wegsehen, doch es gelang ihr nicht.

Schon bald flackerte ein munteres Feuer im Kamin und vertrieb die Kälte. In einem Wandschrank entdeckte Robert eine Flasche Wein, ein Stück Rauchfleisch und einen Laib Brot. Schweigend stillten sie ihren Hunger. Nach und nach entfalteten die Wärme und der Wein ihre Wirkung, und Margaret spürte, wie die Anspannung von ihr wich. Robert, der zu ihren Füßen saß, lehnte sich gegen ihre Beine, und durch ihre Röcke spürte sie seinen muskulösen Körper. Es fühlte sich herrlich vertraut an – so hätte es schon seit Jahren sein können …

„Berichte mir, was deine alte Kinderfrau dir über Weihnachten erzählt hat“, bat er sie, als spürte er, dass es besser war, nicht über allzu persönliche Dinge zu reden. Darüber, warum er sie damals ohne ein Wort verlassen hatte. Dieser Augenblick war zu köstlich, um ihn zu zerstören.

Margaret setzte sich neben ihn auf den Teppich, dicht vor dem Feuer. Sie starrte in die tanzenden rotgoldenen Flammen, nippte an ihrem Wein und erinnerte sich an die Geschichten ihrer alten Kinderfrau. Erinnerte sich an die Weihnachtsfeste in ihrer Kindheit und Jugend, an köstliche Speisen und Naschwerk, an Singen und Musizieren. Am liebsten erinnerte sie sich daran, wie sie und Beatrice darüber gerätselt hatten, wie wohl ihre zukünftigen Ehemänner sein würden. Aber diese Jungmädchenträume konnte sie Robert natürlich nicht erzählen.

„Häufig sangen wir eine alte Weise“, sagte sie ausweichend. „Über den Christdorn und wie es möglich ist, dass er immer grünt.“ Im Gegensatz zu der Liebe. Mit weicher Stimme begann sie, das Lied zu singen: „Christdorn und Efeu schmücken den kahlen Wald im Winterweiß, doch von allem Strauchwerk gebührt dem Christdorn der höchste Preis. Der Christdorn …“ Sie stockte, als Robert sich zu ihr beugte und ihr einen Kuss auf den Mund hauchte. Sie spürte seinen Atem, die Wärme seiner Haut, seine Lippen … Es berauschte sie stärker, als der stärkste Wein es gekonnt hätte.

„Meg …“, flüsterte er.

Sie wollte nicht, dass er aufhörte. In diesem Augenblick, allein mit ihm in der Jagdhütte, geborgen in seinen Armen, beglückt vom Zauber der Vorweihnachtszeit, wichen die Schatten der Vergangenheit. Sie war wieder das junge Mädchen, das sich nach seiner Berührung sehnte. Sie wusste, sie sollte ihrer Sehnsucht nicht nachgeben, sollte sich wie die vernünftige, respektable Frau benehmen, die sie bei Hofe geworden war. Doch sie war dieser Rolle so überdrüssig.

Und so schlang sie die Arme um ihn, presste ihre Lippen fester auf seine. Sie spürte seine Hände an ihrer Taille, als er sich so mit ihr drehte, dass sie beide auf dem weichen Teppich zu liegen kamen.

„Meine süße Meg“, sagte er mit vor Verlangen rauer Stimme. Mit der Zunge zeichnete er die Konturen ihrer Lippen nach, bis sie sie ihm öffnete, damit er ihren Mund erobern konnte.

Sie fühlte sich frei und glücklich – auch wenn es nur für diesen kostbaren Augenblick war.

Durch die Nebel ihres Traums spürte sie, wie er sie so dicht an sich zog, dass nicht einmal eine Schneeflocke zwischen sie gepasst hätte. Sie schmiegte sich an ihn, fühlte, wie hart und erregt er war, Beweis dafür, dass er sie ebenso begehrte wie sie ihn.

Ihr Kuss wurde wilder, tiefer, spiegelte ihrer beider ungezügelte Begierde. Margaret zerrte an den Schnüren seines Hemds, bis sie die glatte warme Haut seiner Brust berühren konnte. Als sie darüber strich, hielt er den Atem an.

Die herrlichsten Empfindungen durchströmten sie, und sie fühlte sich wunderbar lebendig. Nur er vermochte dies zu bewirken. Sie grub die Finger in seine Schultern, hielt ihn fest. Noch leidenschaftlicher wurde ihr Kuss, doch das genügte ihr nicht. Sie wollte mehr, wollte alles, wollte vergessen …

Aber er zog sich von ihr zurück. „Meg, meine schöne Meg“, sagte er dicht an ihrem Mund und legte seine Stirn an ihre. „So darf es nicht sein. Nicht jetzt. Noch nicht.“

Seine Worte verwirrten sie. Kälte kroch durch ihren Körper, der sich eben noch so warm und voller Leben angefühlt hatte. „Was willst du damit sagen?“

Er schüttelte nur den Kopf und schob sie sanft ein Stück von sich. „Es muss alles richtig sein, Meg. Nach allem, was ich getan habe …“

Ein Gefühl grenzenloser Verlassenheit überkam sie. Mit zitternden Händen ordnete sie ihre Kleidung, war nicht in der Lage, ihn anzusehen oder irgendetwas zu sagen. Sie wollte nur fort von hier.

Er stand auf, ging zum Fenster und schob den Vorhang beiseite. „Es hat aufgehört zu schneien“, stellte er nach einem Blick nach draußen fest. „Wir sollten uns auf die Suche nach den anderen machen.“

Auch Margaret sah hinaus. Der Schneesturm hatte sich gelegt. Warum nur war ihr dann kälter als jemals zuvor?

4. KAPITEL

Die Braut sieht entzückend aus, dachte Beatrice. Sie stand neben Margaret und beobachtete, wie Anne ­Cecil, nun die Countess of Oxford, am Arm ihres frisch angetrauten Gatten die Große Halle im Haus ihrer Eltern betrat. Ihr kostbares Gewand, mit Gold- und Silberfäden bestickt, schimmerte im Licht der Tausend Wachskerzen. Das dunkle Haar zierte ein Perlenkranz. Sie sieht so hübsch aus, wie jede Braut aussehen sollte, fand Beatrice – wie eine Märchenprinzessin.

Doch sie schaute nicht zu den Hochzeitsgästen, die sie hochleben ließen. Den Blick auf den Boden gesenkt, ging Anne am Arm ihres Ehemannes hinter ihren Eltern her, als führte er sie zum Galgen.

Der Earl of Oxford hingegen, ebenso wie seine Braut in Weiß und Gold gekleidet, winkte den Geladenen zu und schenkte seiner jungen Frau keinen Blick.

Autor

Amanda McCabe
Amanda McCabe schrieb ihren ersten romantischen Roman – ein gewaltiges Epos, in den Hauptrollen ihre Freunde – im Alter von sechzehn Jahren heimlich in den Mathematikstunden.
Seitdem hatte sie mit Algebra nicht mehr viel am Hut, aber ihre Werke waren nominiert für zahlreiche Auszeichnungen unter anderem den RITA Award.
Mit einer...
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Michelle Styles
Obwohl Michelle Styles in der Nähe von San Francisco geboren und aufgewachsen ist, lebt sie derzeit mit ihrem Ehemann, drei Kindern, zwei Hunden, zwei Katzen, Enten, Hühnern und Bienenvölkern unweit des römischen Hadrianswalls im Norden Englands. Als begeisterte Leserin war sie schon immer an Geschichte interessiert, darum kann sie sich...
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