Sündiges Versprechen im Schlafgemach

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Begehrte er tatsächlich nur ihren Körper? Hatte sie sich so geirrt, dass mehr als nur Lust im Spiel sein könnte?

England, 1214. Dass die schöne Lady Mavis of DeLac ihn heiratet, ist für Ritter Roland of Dunborough fast ein Wunder! Ein noch größeres Mirakel ist die Hochzeitsnacht: Mit sinnlicher Leidenschaft gibt sich seine betörende Braut ihm hin. Als würde sie ihn wirklich lieben, als hätte sie alle Hoffnung für ihre arrangierte Ehe! Doch Mavis‘ heimliche Tränen am nächsten Morgen sprechen eine andere Sprache. Wie soll da nur ihr gemeinsames Leben auf seiner Burg aussehen? Dass Roland die Frau an seiner Seite während des Ritts nach Yorkshire mit eisiger Kälte behandelt, ist sein einziger Schutz vor einem gebrochenen Herzen …


  • Erscheinungstag 02.01.2019
  • Bandnummer 347
  • ISBN / Artikelnummer 9783733736897
  • Seitenanzahl 256
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

England, 1214

Von großen Truhen umgeben, die bis zum Rand mit der Aussteuer vollgepackt waren, standen die beiden jungen Frauen sich in dem Gemach gegenüber, das sie sich bis vor einer Weile noch geteilt hatten. Die eine war dunkelhaarig und trug ein Kleid aus weicher, rehbrauner Wolle. Die andere war blond und von lieblicher Erscheinung, und da sie heute heiraten sollte, trug sie ihr bestes Kleid aus grüner Seide.

„Du musst ihn nicht heiraten, Mavis“, sagte Tamsin zu ihrer geliebten Cousine. „Ganz gleich, was dein Vater dir gesagt hat, womit er dir gedroht haben mag – du hast das Recht, dich zu weigern. Weder er noch die Kirche noch irgendein Gesetz kann dich dazu zwingen, dich gegen deinen Willen verheiraten zu lassen. Rheged und ich gewähren dir liebend gern Zuflucht, oder wir bringen dich, wohin du …“

„Bitte nicht, das wird nicht nötig sein“, unterbrach Mavis sie und schüttelte lächelnd den Kopf. Tamsin war nicht anwesend gewesen, als ihr Vater die Ehe zwischen seiner Tochter und Sir Roland of Dunborough vorgeschlagen hatte. Da sie selbst aber sehr wohl dabei gewesen war, konnte sie voller Überzeugung erklären: „Ich habe aus freiem Willen zugestimmt, Tamsin, und ich habe es gern getan. Ich glaube, du irrst dich, was Sir Roland angeht. Ich weiß, wie sein Vater und sein Bruder waren, aber er ist anders.“

„Wie kannst du dir so sicher sein?“, fragte Tamsin. „Du bist ihm nur einmal begegnet!“

„Als ich mit ihm und meinem Vater im Privatgemach war, da hat Sir Roland mich gefragt, ob ich ihn heiraten würde. Er hat mir die Wahl gelassen, Tamsin, und ich bin davon überzeugt, wenn ich ihn darum gebeten hätte, wäre ich von ihm aus jeder Vereinbarung mit meinem Vater entlassen worden. Und vor allem sah er mich nicht an wie ein Kaufmann, der sich fragt, ob er sich wohl auf einen guten Handel eingelassen hat oder nicht. Und da war nichts Triumphierendes in seinem Blick, so wie bei jemandem, der einen kostbaren Preis errungen hat. Er kam mir vielmehr … sehnsüchtig vor.“

„Sehnsüchtig?“, wiederholte Tamsin skeptisch. „Sir Roland?“

„Man mag es nennen, wie man will. Auf jeden Fall konnte ich etwas sehen, das mir Gewissheit gibt, dass er nicht so ist wie die anderen Männer, die ich bislang kennengelernt habe. Ich habe das Gefühl, dass wir sehr glücklich werden können. Oh, Tamsin, mir ist klar, dass die meisten ihn als hart, abweisend und arrogant empfinden. Aber in Vaters Privatgemach war er weder arrogant noch eitel. Er war freundlich und sanftmütig, ganz anders als sein Vater und sein Bruder. Ein ganz anderes Auftreten als das, was er im großen Saal zeigt.“

„Warst du schon mal mit ihm allein?“

Mavis konnte dem forschenden Blick ihrer Cousine nicht standhalten. „Nein, allein bin ich mit ihm noch nicht gewesen.“

Das stimmte eigentlich nicht, doch bei der einzigen Gelegenheit hatte Roland nicht gewusst, dass sie in seiner Nähe war. Es war in den Stallungen gewesen, wo er leise und besänftigend auf sein Pferd eingeredet hatte, während sie sich dort versteckt gehalten hatte.

Niemand wusste über diesen Morgen Bescheid, als sie alles vorbereitet hatte, um die Flucht zu ergreifen, anstatt auf Geheiß ihres Vaters zu heiraten. Diese Erinnerung war ein schönes Geheimnis, von dem nur sie wusste und das sie mit niemandem teilen wollte. Außerdem konnte sie sich nicht vorstellen, dass es Sir Roland gefallen würde, wenn er herausfinden musste, dass sie jemandem von seinem Gespräch mit seinem Pferd erzählt hatte.

Tamsin griff nach der Hand ihrer Cousine und hielt sie fest, während sie Mavis eindringlich ansah. „Du hast Rolands Vater nur zweimal und den älteren Bruder nur einmal gesehen, und immer nur hier, wo sie sich von ihrer besten Seite gezeigt haben. Mein Ehemann hat einige Zeit in ihrer Burg verbracht. Er kennt sie besser, Mavis, und er hat mir erzählt, wie grausam sich Sir Blane jedem gegenüber verhalten hat, auch gegenüber seinen Söhnen. Er lachte, wenn Broderick und Gerrard Roland verspotteten, und er beschimpfte ihn auf das Übelste, wenn er sich nicht zur Wehr setzte.“

„Aber er hat sich nicht zur Wehr gesetzt.“

„Und deshalb hält Rheged ihn für den Besten aus der ganzen Familie. Aber er kann auch kämpfen. Rheged hat ihn bei einer Auseinandersetzung mit seinem Bruder erlebt. Der geht zwar mutig und nahezu freudig in den Kampf, aber Roland kämpfte, um zu siegen.“

„Daran ist doch nichts verkehrt.“

„In einer Schlacht sicher nicht. Dennoch gibt es mehr als nur das zu bedenken. Sir Blane hat die Rivalität und Feindseligkeit zwischen seinen Söhnen ganz offen gefördert. Er wollte nicht einmal verraten, welcher Zwilling der Erstgeborene war: Roland oder Gerrard. Dadurch werden sie nie wissen, wem von ihnen das Erbrecht zufällt, sollte Broderick etwas passieren.“ Tamsin sah kurz zu Boden. Offenbar war sie immer noch bestürzt über das, was sie getan hatte, auch wenn es nur geschehen war, weil sie den Mann retten wollte, den sie liebte. „So wie es dann auch gekommen ist.“

„Irgendjemand muss es aber gewusst haben“, wandte Mavis ein und hoffte, die Gedanken ihrer Cousine von Brodericks Tod auf etwas anderes lenken zu können. „Ein solches Geheimnis kann in einem großen Haushalt nicht lange Bestand haben.“

„In diesem Fall doch, denn die Mutter starb bei der Geburt, und die Hebamme rutschte kurz darauf auf der Treppe aus und brach sich das Genick. Manche sagen, Sir Blane habe sie umgebracht, damit das Geheimnis gewahrt bleibt. Viele glauben das auch. Und selbst wenn es wirklich ein Unfall war – wenn die Leute solche Gerüchte glauben, was sagt das über das Ansehen der Familie aus?“

Mavis löste sich aus Tamsins Griff. „Über Edelleute werden immer Gerüchte ausgestreut. Und ich bin mir durchaus dessen bewusst, dass Sir Blane ein grausamer Mann sein konnte.“

„Grausam und lüstern. Du hast ja selbst gesehen, wie er und Broderick Frauen behandeln. Was, wenn Roland ganz genauso ist?“

Prompt bekam Mavis einen roten Kopf. Sie hatte miterlebt, wie Sir Blane und Broderick Frauen behandelten. Vor allem Brodericks anzügliche Drohungen waren ihr noch viel zu gut in Erinnerung, und sein Name genügte, um in ihr Abscheu hochkochen zu lassen. Dennoch hielt sie an ihrem ersten Eindruck fest, den sein Bruder Roland bei ihr hinterlassen hatte. „Ich bin davon überzeugt, dass Roland ein besserer Mann ist als sein Vater und seine Brüder. Du hast dich doch auch schnell in deinen Mann verliebt, nicht wahr? So wie du ebenfalls kurz nach eurer ersten Begegnung fest daran geglaubt hast, dass du mit Rheged glücklich sein könntest, glaube ich bei Roland an das Gleiche. Sonst hätte ich die Verlobung verweigert, ohne Rücksicht darauf, was mein Vater mir befohlen oder womit er mir gedroht hätte.“

„Dann werde ich wohl auf dein Urteil vertrauen müssen“, sagte Tamsin und lächelte flüchtig. „Aber wenn …“

Weiter kam sie nicht, da energisch gegen die Tür geklopft wurde. „Mylady“, rief der junge Charlie von der anderen Seite der Tür. „In der Kapelle warten sie schon auf Euch!“

„Wir kommen sofort!“, erwiderte Tamsin und drückte noch einmal ihre Cousine an sich. „Versprich mir, wenn du dich in Roland getäuscht hast und er dich unglücklich macht oder dir wehtut, dann kommst du zu uns nach Cwm Bron. Weder ich noch sonst jemand wird dir irgendwelche Vorwürfe machen.“

„Das werde ich“, versprach Mavis ihr, und sagte sich gleichzeitig, dass sie Sir Roland of Dunborough durchaus richtig einschätzte und es keine Notwendigkeit geben würde, dieses Angebot anzunehmen.

Sir Roland stand kerzengerade da und wartete in der Kapelle von Castle DeLac auf seine Braut. Er wahrte seine ruhige, leidenschaftslose Miene, obwohl er in seinem ganzen Leben noch nie so unruhig gewesen war. Es war einfach zu leicht zu glauben, dass seine Braut sich doch nicht zeigen würde. Immerhin wusste sie, wer sein Vater war, und dieses Wissen genügte, um jede Frau schreiend davonlaufen zu lassen, auch wenn sie erst einmal mit der vorgeschlagenen Heirat einverstanden gewesen war.

Bereits damals hatte er mit einer Weigerung gerechnet, und doch war sie mit dem Angebot einverstanden gewesen. Bemerkenswert daran war, dass sie ihn dabei nicht so angesehen hatte, als zählten für sie nur sein Titel und sein Vermögen, sondern es war ihm so vorgekommen, als wollte sie einfach mit ihm befreundet sein.

Nie zuvor hatte ihn jemand zum Freund haben wollen, weder Mann noch Frau. Er wiederum war seit seiner Kindheit nicht mehr auf der Suche nach Freundschaften gewesen, weil er schon in jungen Jahren hatte lernen müssen, dass die Suche nach Zuneigung ihn für Verlust und Schmerz anfällig machte. Und sie konnte auch dem Ziel dieser Zuneigung Schaden zufügen. Einmal hatte er eine kleine schwarz-weiße Katze gefunden und gesund gepflegt, bis Broderick darauf aufmerksam wurde und das arme Tier zu quälen begann. Er hatte seinen älteren Bruder angefleht, damit aufzuhören und die Katze Shadow in Ruhe zu lassen. Folglich war Broderick auf ihn losgegangen, bis Roland eine blutende Nase und ein zugeschwollenes Auge hatte. Shadow war aus der Scheune geflohen und nie wieder aufgetaucht.

Danach hatte er nie wieder für irgendwen erkennbar Zuneigung für einen Menschen oder ein Tier gezeigt. Er hatte nicht mal mehr mit den Jungs im Dorf oder mit den Söhnen des Dienstpersonals gesprochen, auch wenn die selbst genauso litten.

Gerrards Hohn und Spott schmerzten aber noch schlimmer als jegliche Tracht Prügel, und sie hielten auch viel länger an. „Wird das kleine Kindchen gleich weinen?“, hatte er immer wieder getönt. „Fängt klein Rolly gleich an zu weinen wie ein Mädchen? Wir holen ihm am besten schon mal ein Kleidchen!“

Und das war noch längst nicht alles gewesen. „Keine Frau, die etwas auf sich hält, wird einen Eisklotz wie dich haben wollen. Keine Frau wird dich lieben, wenn sie nicht dafür bezahlt wird. Du hast keinen Humor, keine Ausstrahlung, du hast nichts vorzuweisen außer dem Titel und dem Vermögen unseres Vaters.“

Nun musste er fast lächeln, da er sich Gerrards verblüffte Miene vorstellte, wenn er mit seiner wunderschönen Braut nach Dunborough zurückkehrte. Und dann auch noch mit einer Braut, die mehr von ihm wollte als nur seinen Reichtum und seine Macht. Das würde ein Triumph und die Erfüllung eines Traums werden, an den er selbst kaum noch hatte glauben wollen.

„Wieso braucht das Weib so lange?“, murmelte Lord DeLac, wobei er sich zu Roland vorbeugte, der den Wein in seinem Atem riechen konnte. Die schroffe Art dieses Mannes ließ sich durch nichts verbergen, da halfen auch der teure blaue Waffenrock, der goldene Gürtel tief unter seinem ausladenden Bauch und die dicke Goldkette um seinen Hals nichts.

Zweifellos würde die Dame froh sein, den Haushalt ihres Vaters hinter sich zu lassen. Bei ihm weckte es die Versuchung, sich als Held aus einer jener Balladen zu betrachten, der gekommen war, um ein reizendes Burgfräulein aus den Klauen eines Ungeheuers zu befreien.

„Frauen“, knurrte DeLac und zog die Stirn in Falten, während er über seinen Bart strich. „Machen einem immer nur Ärger.“

„Sogar Eure eigene Tochter, Mylord?“

„Na ja, sie ist schließlich eine Frau, oder nicht?“

O ja, sie war eine richtige Frau, überlegte Roland, während er die Anwesenden in der Kapelle betrachtete, ohne dabei den Kopf zu bewegen. Obwohl zwischen seiner Ankunft und der Heirat nicht einmal eine Woche vergangen war, hatten sich insgesamt gesehen doch all die Gäste eingefunden, die man erwarten konnte, wenn zwei einflussreiche Familien eine Verbindung eingingen, darunter die Edelleute und die Mitläufer, die zu jedem Fest erschienen. Auch waren solche darunter, die um jeden Preis gesehen werden wollten, und diejenigen, von denen man unweigerlich Notiz nahm, so zum Beispiel Sir Rheged von Cwm Bron, Ehemann der Cousine der Braut. Es gab nur wenige Männer, die es mit Rolands Körpergröße aufnehmen konnten, aber er war einer davon. Noch weniger Männer trugen die Haare schulterlang, sie beide taten es. Und sogar noch weniger waren dabei auch noch Waliser, und sie besaßen auch nicht diese Aura der Macht, die Rheged umgab. Ein solcher Mann konnte ein wertvoller Verbündeter sein, aber auch ein gefährlicher Feind.

Aus Rolands Familie oder seinem Haushalt war natürlich niemand gekommen. Selbst wenn er seinen Zwillingsbruder hätte dabeihaben wollen, wäre das in der Kürze der Zeit gar nicht mehr möglich gewesen.

Sein Blick kehrte zu Sir Rheged zurück. Er konnte sich noch sehr gut an Sir Rhegeds Kampfgeschick bei Turnieren erinnern. Niemand hatte lauter gejubelt als er, als Rheged seinen prahlerischen älteren Bruder besiegte, und niemand war dankbarer gewesen als er, als Rhegeds Ehefrau, diese kleine, zierliche Frau, die Welt von Broderick befreit hatte. Nach Brodericks unwürdigem Angriff auf einen alten Mann, der dabei ums Leben gekommen war, hatte er gegen Rheged gekämpft und ihn fast umgebracht, weil der Waliser so krank gewesen war, dass er sich kaum auf den Beinen hatte halten können. Tamsin hatte Broderick daraufhin getötet, um ihren Mann zu retten.

Zweifellos hatte Mavis durch Rheged mehr über ihn erfahren, sodass er es womöglich Rheged verdankte, dass sie so eine hohe Meinung von ihm hatte.

„Wenn ich jemanden losschicken muss, um sie zu holen“, grummelte ihr Vater, „dann wird ihr das noch leidtun.“

„Wenn jemand sie holen muss, dann werde ich derjenige sein“, sagte Roland. Sollte er dabei feststellen, dass sie es sich anders überlegt hatte, würde er DeLac auf der Stelle verlassen.

Glücklicherweise wurde das Gemurmel der Dorfbewohner, Soldaten und Bediensteten, die sich auf dem Hof eingefunden hatten, auf einmal lauter, was bei ihm große Erleichterung auslöste. Alle in der Kapelle drehten sich zum Eingang um, und dann … dann war Mavis auf einmal da. Ihr weißer Schleier bedeckte ihr goldblondes Haar nicht ganz, sodass es im herbstlichen Sonnenschein glänzte. Ein Lächeln zierte ihr wunderschönes Gesicht.

Eine heftige Begierde, die über bloße Lust weit hinausging, ergriff von ihm Besitz, als sich seine Braut mit bedächtigen Schritten näherte. Den Kopf hatte sie hoch erhoben, die Schultern waren gestrafft, mit leuchtenden, kräftig blauen Augen sah sie ihn an. So sehr er auch ihre Freundschaft wollte, erschien sie ihm doch wie etwas Schwaches, Unbedeutendes im Vergleich zu dem, was ihr Lächeln ihm versprach.

„Gott sei Dank“, zischte Lord DeLac.

Roland erwiderte nichts. Seine Freude war geschwunden, denn ihm fiel auf, dass die Lippen seiner Braut leicht zitterten. Unwillkürlich fürchtete er, dass sie doch nicht so entschlossen und glücklich war, wie sie erscheinen wollte.

Vermutlich galt das für jede Braut, sagte er sich, und mit Blick auf seine Familie war ein gewisses Maß an Bedenken wohl gar nicht zu vermeiden. Aber wenn sie erst einmal verheiratet waren, würde er alles in seiner Macht Stehende tun, um ihr zu zeigen, dass er eben nicht so war wie der Rest seiner Familie. Er war der pflichtbewusste, ehrbare Sohn von Sir Blane of Dunborough, aber weder der grausame, habgierige Broderick noch ein solcher Taugenichts wie Gerrard.

Mavis trat vor den Altar und stellte sich zwischen Roland und ihren Vater, gerade als Pater Bryan aus der Sakristei kam, um ihnen den Segen zu erteilen.

Während der gesamten Zeremonie hielt Roland gebannt den Atem an. Ständig rechnete er damit, dass irgendjemand einen Einwand hatte oder dass Gerrard hereingeplatzt kam. Gnädigerweise ereignete sich nichts Unheilvolles, bevor er seiner Braut endlich den Ring auf den Finger stecken konnte und der Geistliche davon sprach, ihre Gelübde zu besiegeln. Dann sah der Mann ihn erwartungsvoll an.

Der Kuss. Er sollte seine Braut küssen.

Keine Frau, die etwas auf sich hält, wird einen Eisklotz wie dich haben wollen.

Roland war kein Anfänger, der noch nie zuvor eine Frau geküsst hatte. Er war mit Frauen zusammen gewesen, wenngleich auch nur dann, wenn natürliche Bedürfnisse drohten, ihn von seinen Pflichten abzulenken. Doch das war immer nur im Austausch gegen Geld geschehen.

Dies hier war aber seine Frau. Seine wunderschöne, begehrenswerte Braut, bei deren Anblick selbst die Götter vor Eifersucht erstarrten – und zweifellos auch Gerrard. Das Beste von allem aber war, dass sie sich aus freien Stücken bereit erklärt hatte, ihn zu heiraten.

Er nahm Mavis in seine Arme und küsste sie, aber es war nicht bloß ein förmlicher Kuss, wie er zur Zeremonie gehörte, sondern ein Kuss, der allen – auch Mavis – zeigen sollte, dass er wusste, wie man eine Frau lieben sollte.

Auf einmal schlang sie die Arme um ihn und öffnete den Mund ein wenig. Vor Begeisterung vergaß er alles um sich herum und nahm nur noch den Kuss wahr. Er hätte Mavis noch unendlich lange küssen können, hätte sich Lord DeLac nicht auf einmal lautstark geräuspert und vor sich hin gemurmelt, er verhungere allmählich.

Roland beendete den Kuss und war noch erfreuter, als er sah, dass Mavis zwar wie für eine Jungfrau angemessen errötet war und den Blick vor sich auf den Boden gerichtet hatte, dass aber auch ein Lächeln ihre Lippen umspielte. Dieses Lächeln ließ ihn wünschen, dass das Fest bald vorüber war und er mit ihr allein sein konnte.

Mit ihr allein im Ehebett.

Mavis konnte kaum jemandem in die Augen sehen, als sie die Kapelle verließ, nicht einmal Tamsin. Sie hatte von dem Kuss am Ende der Zeremonie gewusst, aber Roland war auch nicht der erste Mann, der sie küsste. Der eine oder andere junge Edelmann war kühn genug gewesen, sich bei Festen mit ihr in eine dunkle Ecke zurückzuziehen und die Lippen auf ihre zu drücken.

Diese Küsse waren mehr wie die von Kindern gewesen, die Küssen spielten. Roland dagegen hatte sie auf eine wunderbar andere, allumfassende Weise geküsst. Noch nie hatte sie eine solche Hitze gespürt wie die, die von seinen Lippen auf ihre übergesprungen war, nicht einmal in ihren wildesten Träumen. In keiner Weise war sie auf Rolands Umarmung gefasst gewesen, auch nicht auf ihre eigene leidenschaftliche Reaktion auf das Verlangen, das noch in ihr weiterbrannte, nachdem er sie losgelassen hatte.

Bis zu dem Moment, in dem ihr Vater an ihr vorbeigestürmt war, um zum Saal vorauszueilen.

Gemeinsam mit Roland betrat sie den großen Saal. Die Tische waren mit weißen Leinentüchern bedeckt, frische Binsen lagen auf dem Boden verteilt, neue Kerzen standen auf Haltern und Tischen. Girlanden aus Immergrün hingen an den Wänden von den Halterungen für die Fackeln herab. Zweifellos war das alles Tamsins Werk. Der Duft der brennenden Kerzen erfüllte die Luft und vermischte sich mit dem Aroma der Speisen, die aus der Küche hereingetragen wurden.

„Wo ist der Wein?“, wollte ihr Vater wissen.

Ein Diener kam mit einem Kelch zu ihm geeilt, und ihr Vater konnte nicht mal abwarten, bis Pater Bryan dem Herrn für Speis und Trank gedankt hatte, da hatte er den Wein schon hinuntergestürzt. Das „Amen“, das er dann von sich gab, war eigentlich mehr ein Rülpsen.

Für die anderen Gäste gab es offensichtlich nichts Wichtigeres als das Essen, die Gesellschaft der anderen und die Aussicht auf die kommende Unterhaltung. Sie aßen und tranken genüsslich und warfen den Hunden, die um die Tafeln strichen, Knochen und Fleischreste hin. Die Diener hatten alle Hände voll zu tun, jeden mit Ale und Wein zu versorgen und genug Nachschub an Suppe, Braten, Eintöpfen und Brot, Gebäck und Süßspeisen zu den Tischen zu bringen. So knauserig ihr Vater sonst war, scheute er keine Ausgaben, wenn es ums Essen ging. Das galt im Übrigen auch für ihre Aussteuer, die er sich einiges hatte kosten lassen, damit die von ihm so begehrte Allianz auch zustande kam.

Roland, der so starr und steif wie ein Soldat bei einer Parade neben ihr saß, aß nur wenig und trank noch weniger. Er probierte kaum etwas von den Leckereien, die sie selbst zubereitet hatte. Glücklicherweise waren seine Tischmanieren makellos, was für sie eine angenehme Überraschung war, denn sein Vater und sein älterer Bruder ließen in dieser Hinsicht sehr zu wünschen übrig.

Bedauerlicherweise sagte Roland kaum ein Wort. Ihr war bereits bekannt, dass er kein geschwätziger Mann war, dennoch wünschte sie, er würde auf ihre Bemerkungen und Fragen hin mehr als nur Ja oder Nein über die Lippen bringen. Umso mehr, da sie von Tamsin und Rheged aufmerksam beobachtet wurden.

Genau deswegen und auch weil andere Gäste ebenfalls von Zeit zu Zeit in ihre Richtung schauten, ließ sie sich nicht anmerken, wie sehr ihr das eigentlich zu schaffen machte. Unablässig äußerte sie sich über verschiedene Gäste, über die Ernte, die Geschäfte im Allgemeinen und das Wetter – einfach über alles, was ihr in den Sinn kam. Auch wenn Roland bestenfalls einsilbig antwortete, war es für Mavis schon ein großer Trost, dass er ihr nicht den Mund verbat.

Ihr Vater nahm keinerlei Notiz von ihr, seine ganze Aufmerksamkeit galt dem Essen, vor allem aber dem Wein.

Endlich neigte sich das Festmahl dem Ende entgegen. Ungefähr zur gleichen Zeit begann ihr Vater auf seinem Platz einzunicken. Dass noch all seine Gäste und sein frischgebackener Schwiegersohn anwesend waren, konnte ihn nicht davon abhalten. Mavis warf ihrem Ehemann einen flüchtigen Blick zu, doch der ließ sich erfreulicherweise nicht anmerken, ob ihm dieses Verhalten aufgefallen war.

Unauffällig winkte sie Denly zu sich, den ältesten Diener, der damit über dem Rest der Dienerschaft stand. „Zwei Männer sollen meinen Vater in sein Schlafgemach bringen“, sagte sie leise. „Außerdem wird es Zeit für die Unterhaltung. Die Tische müssen abgeräumt und an den Rand gestellt werden.“

Denly nickte, dann rief er Arnhelm und Verdan zu sich, zwei Soldaten, die seit Jahren dem Haushalt angehörten und von Kindheit an alle möglichen Aufgaben erledigten. In der Zwischenzeit setzte ein Minnesänger mit lockigem Haar und schmalem Kinn dazu an, eine fröhliche Melodie zu spielen. Nachdem Platz geschaffen worden war, stellten sich mehrere Paare einander gegenüber auf, die Frauen auf der einen, die Männer auf der anderen Seite.

Erwartungsvoll drehte sie sich zu ihrem Ehemann um. „Werdet Ihr mit mir tanzen, Roland?“

„Ich bedauere, Mylady, aber ich tanze nicht“, erwiderte er mit ernster und unergründlicher Miene. „Ihr könnt gerne tanzen, wenn Ihr das möchtet.“

„Nein, das ist schon gut so“, versicherte sie ihm, obwohl ihr Fuß im Takt der Melodie mitzuwippen begann. Sie hatte immer gern getanzt, aber sie war jetzt eine verheiratete Frau, deren Aufgabe es war, ihren Mann glücklich zu machen, und genau das würde sie auch tun. Immerhin hatte dieser Kuss bei ihr das Gefühl aufkommen lassen, dass er sie ebenso glücklich machen würde, wenn die Zeit gekommen war. „Vielleicht möchtet Ihr Euch ja lieber für die Nacht zurückziehen, Mylord?“

Als er sich daraufhin zu ihr umdrehte, ließ sein Blick ihr Herz prompt schneller schlagen. „Das möchte ich tatsächlich“, erwiderte er, stand auf und hielt ihr seine Hand hin, um ihr hochhelfen zu können. Als sie danach fasste, konnte sie seine Kraft spüren. Begeisterung und Vorfreude erwachten in ihr.

Alle im Saal drehten sich zu ihnen um, und dann nahm Roland sie ohne ein warnendes Wort in seine Arme und trug sie in Richtung Treppe, als wäre sie eine der Sabinerinnen und er ein römischer Krieger der Antike, der gekommen war, um sie zu rauben.

Die Leute im Saal tuschelten, ein paar lachten verhalten, doch das machte ihr nichts aus. Sie hatte auch keine Angst, denn sie wusste um den sanftmütigen Mann, der sich hinter der ernsten Miene des Kriegers verbarg. Ihre Gedanken kreisten nur um die kommende Nacht und das Schlafgemach, in dem sie sich abspielen würde.

Also schlang sie die Arme um seinen Hals und ließ sich gegen ihn sinken. Keiner von ihnen sagte ein Wort, nicht mal, als er mit ihr zwei Stufen auf einmal nahm und mit der Schulter die Tür zu ihrem Gemach aufdrückte. Er überschritt mit ihr die Türschwelle und setzte sie im Zimmer ab, das von einer einzelnen Kerze nur schwach erhellt wurde. Ringsum standen alle Kisten und Truhen, die für die morgige Abreise gepackt waren.

Noch immer sprach er kein Wort, sondern zog sie an sich und küsste sie, als hätte er jahrelang auf diesen Moment gewartet und als könnte er sich jetzt nicht mehr länger zurückhalten.

Ihr Körper schien vor Verlangen dahinzuschmelzen, und als sie sich gegen Roland sinken ließ, gab sie sich ganz und gar diesem Verlangen hin.

Seine Hand glitt langsam nach oben und legte sich um ihre Brust, um sie sanft zu massieren. Es war eine ungewohnte und überraschend erregende Berührung, die sich sehr wohltuend von den grabschenden Händen mancher Männer unterschied, die auf diese Weise nach ihr zu fassen versucht hatten.

Als er den Knoten aufzog, zu dem die Schnüre ihres Kleids zusammengebunden waren, und eine Hand unter ihr Mieder schob, steigerte sich ihre Erregung umso mehr. Mit den Fingerkuppen strich er über die steil aufgerichtete Brustspitze und löste ein Feuer in Mavis aus, das tief unten in ihrer Bauchgegend zu einem stürmischen Pulsieren führte.

Irgendetwas musste sie aber auch tun, also unterbrach sie den Kuss und nahm seine Hand. Sein Gesicht nahm einen erstaunten Ausdruck an, als sie eine Fingerspitze nach der anderen küsste. Dann fasste sie nach dem Knoten am Halsausschnitt seines dunklen Waffenrocks, zog ihn auf und streifte ihm in einer flinken Bewegung das Oberteil und das Hemd über den Kopf, das er darunter trug. Dann stand er mit nacktem Oberkörper vor ihr.

Mit den Fingern strich sie behutsam über die zahlreichen Narben. „Ihr habt so viele Verletzungen“, murmelte sie mit einer Mischung aus Bewunderung und Mitleid in ihrer Stimme. „Seid Ihr in viele Schlachten gezogen?“

„Die meisten davon stammen nicht aus der Art von Schlachten, die Ihr meint“, antwortete er heiser.

Sie presste die Lippen auf die Narbe, die ihrem Mund in diesem Moment am nächsten war. „Von Turnieren und Kampfübungen, nehme ich an.“

„Manche“, brachte er angestrengt heraus und schob dabei ihr Kleid und das Unterkleid nach unten, bis ihre Schultern unbedeckt waren.

Tausend Dinge wollte sie diesen Mann fragen, um mehr über ihren Ehemann zu wissen, doch all diese Fragen waren vergessen, als er sie auf ihre Schulter küsste. Sie wollte nur noch mehr von seinen Lippen und seinen Berührungen. Forsch zog sie das Kleid und das Unterkleid aus, bis beides auf dem Boden gelandet war und sie so nackt wie Eva im Garten Eden vor ihm stand. Dann zog sie auch noch die Bänder aus dem Haar, damit es offen über ihre Schultern fallen konnte.

Nie hatte sie bei einem Mann einen solchen Blick beobachtet, wie sie ihn jetzt bei Roland sah. Es war mehr als bloße Bewunderung oder Lüsternheit. Was sie sah, war genau jener Ausdruck, durch den er sich von allen anderen Männern unterschied, die sie kannte – eine sehnsüchtige Wehmut, die ihr Herz berührte.

Sie griff nach seiner Hand und zog ihn hinter sich her zum Bett.

Sie war noch Jungfrau, und er stammte aus einer Familie, die für alles, aber nicht für eine sanfte Ader bekannt war. Und dennoch verspürte sie keine Angst, als sie aufs Bett kletterte und die Arme nach ihm ausstreckte.

Schnell zog er seine Stiefel aus, seine Wehmut wich einer feurigen Begierde, die es mit ihrer aufnehmen konnte. Als er sich auch noch seiner Hose entledigte, drehte Mavis sich weg. Sie hatte ihn halbnackt gesehen. Ihn nun auch noch völlig nackt sehen zu wollen, das wäre … unziemlich gewesen.

Er löschte die Kerze, im Zimmer wurde es dunkel. Das Bett knarrte, als Roland sich zu ihr legte.

„Ich werde dir nicht wehtun, Mavis“, sagte er im gleichen sanften Tonfall, der ihr schon bei ihrer ersten Begegnung aufgefallen war, als sie ihn mit seinem Pferd hatte reden hören. Da war sie von dieser Stimme fasziniert gewesen, und das war auch jetzt wieder der Fall, ganz abgesehen davon, dass sie eine beruhigende Wirkung hatte. Keinen Mann hatte sie je so reden hören, so weich und sanft, als wäre seine Kehle mit Honig bestrichen.

Sie entspannte sich und lag ruhig da, während er über ihre Wange, ihren Hals und ihre Schultern strich, von dort an ihrem Arm entlang, weiter zur Hüfte und bis zum Oberschenkel, wo er dann kehrtmachte. Es waren neckende Berührungen, so verführerisch und so leicht wie seine Stimme, da seine Finger ihre warme Haut kaum berührten.

Da sie sich versucht fühlte, diese Geste zu erwidern, begann sie bei seinen Haaren, die über seinen Schultern ausgebreitet waren, glitt über seine kantigen Kiefer, am Hals entlang, über die muskulöse Schulter und seinen ebenso muskulösen Arm, die schmale Taille bis hin zu seinem Oberschenkel.

Dabei rutschte er ein wenig näher an sie heran. Seine Hand berührte sanft ihre Brust, wanderte über ihren Bauch nach unten … weiter nach unten …

Sie biss sich auf die Lippe und legte eine Hand auf seine Brust, wobei sie erstaunt feststellte, dass auch seine Brustwarzen sich versteift hatten. Möglicherweise erregte es ihn genauso, von ihr so berührt zu werden. Sie beugte sich vor und ließ die Zunge über seine Brust streichen, worauf er mit leisem Stöhnen reagierte, was für sie die Bestätigung war, dass es ihm ebenfalls gefiel. Da sie mehr wissen wollte, schmiegte sie sich mit ihrem ganzen Körper an seinen und küsste ihn innig. O ja, er war genauso erregt wie sie.

Er küsste und streichelte sie, bis sie so von Verlangen erfüllt war, dass sie sogar bereit war ihn anzuflehen, er möge sie endlich nehmen.

Doch das war gar nicht nötig, denn gerade als ihre Vorfreude schier unerträglich wurde, zog er sie unter sich und drang fast quälend langsam in sie ein. Sie hatte gewusst, dass es mit Schmerzen verbunden sein würde, und das war auch der Fall, doch das unangenehme Ziehen war schnell vergessen, als er tiefer in sie eindrang. Mit jeder Bewegung steigerten sich ihr Verlangen und ihre Erregung, was ihr das Gefühl gab, als sei sie auf der Suche nach einem ihr unbekannten Reich der Lust und der Leidenschaft … weiter und weiter auf der Suche …

So plötzlich, als wäre sie von einer Klippe gestürzt, die gerade eben noch nicht da gewesen war, hatte sie den Ort erreicht, den Ort, an dem nur das Empfinden existierte und nichts anderes mehr von Bedeutung war. Sie schrie laut auf, ihr ganzer Leib spannte sich an. Es war so überwältigend, dass ihr erst klar wurde, dass Roland fast im gleichen Moment aufgestöhnt hatte, als das heftige Pulsieren nachließ und er seinen Kopf erschöpft auf ihre Brust legte.

Schwer atmend zog er sich zurück und drehte sich auf den Rücken. Mavis griff nach der Bettdecke, die sie beide nach unten getreten haben mussten, und zog sie hoch, um ihre beiden nackten Körper zuzudecken. Völlig erstaunt, erfreut, erleichtert und glücklich lag sie eine Weile da, bis sie sich zu fragen begann, was nun von ihr erwartet wurde. Sollte sie etwas sagen? Sollte sie schweigen und abwarten, bis er zu reden anfing? Sollte sie sich auf die Seite drehen und einschlafen oder das zumindest versuchen?

„Roland?“, fragte sie leise.

Seine Antwort bestand aus nichts weiter als ruhigem, gleichmäßigem Atmen. Ihr Ehemann war eingeschlafen.

Was war das für ein Geräusch? fragte sich Roland, als er allmählich wach wurde.

Er schlug die Augen auf und stellte auf den ersten Blick fest, dass er nicht in Dunborough war. Sein Gemach dort war deutlich größer als dieses hier und zugleich weitaus karger eingerichtet. Daheim standen keine Kerzen auf dem Tisch gleich neben dem Bett, und es gab auch nur eine einzige Truhe … und vor allem gab es dort keine wunderschöne Frau, die in einen Mantel gehüllt am Fenster stand und den Tagesanbruch betrachtete.

Mavis. Seine Ehefrau. Die Frau, die ihn mit solcher Leidenschaft, mit solcher Begeisterung geliebt hatte, obwohl sie sich kaum kannten. Die sich ihm so vorbehaltlos hingegeben hatte – trotz der Umstände, unter denen diese Ehe zustande gekommen war.

Er war nicht in der Erwartung hergekommen, eine Braut zu finden. Vielmehr war er hergekommen, um Lord DeLac zu erklären, dass alle Pläne für eine Allianz zwischen beiden Häusern mit seinem Vater und seinem Bruder zusammen gestorben waren. Er war im Begriff gewesen, DeLacs Vorschlag zurückzuweisen, er solle doch stattdessen die Tochter des Hausherrn heiraten.

Und dann hatte Mavis den Raum betreten.

Ein erster Blick auf sie hatte genügt, um sein Verlangen nach dieser Frau zu wecken, die er von diesem Moment mehr als alles andere in seinem Leben hatte haben wollen, mehr sogar als das Vermögen seiner Familie.

Lächelnd richtete er sich auf, um das Bett zu verlassen, da vernahm er wieder dieses seltsame Geräusch, als würde jemand nach Luft schnappen. Es kam von Mavis, und nun sah er auch, dass ihre Schultern leicht zitterten.

Sie weinte.

Diese Erkenntnis traf ihn schwerer als jeder Hieb mit einem Schwert. Es fühlte sich schlimmer an alles, was er je erlebt hatte. Es war schlimmer als die Prügel, die er von seinem Vater und seinem älteren Bruder bekommen hatte. Schlimmer als die spöttischste, gehässigste Bemerkung von Gerrard.

Keine Frau wird dich lieben, wenn sie nicht dafür bezahlt wird. Du hast keinen Humor, keine Ausstrahlung, du hast nichts vorzuweisen außer dem Titel und dem Vermögen unseres Vaters.

Vermögen, einen Titel und eine Allianz, auf die ihr Vater so versessen war – und das alles mit der Unschuld seiner Tochter erkauft? Auch wenn sie noch so heftig errötet und noch so angetan gelächelt hatte, musste sie zu dieser Heirat gezwungen worden sein. Warum sonst sollte sie weinen? Scham und Erniedrigung nagten an seiner Freude und Hoffnung.

Vor langer Zeit hatte er gelernt, seinen Schmerz vor anderen zu verstecken und seine Scham zu überspielen. Er hatte gelernt so zu tun, als würde er nichts empfinden, als konnte nichts und niemand ihm etwas anhaben oder ihm antun. So würde es auch weiterhin wieder sein. Aber erst einmal musste er sich zurückziehen, da ein verwundetes Tier seine Wunden dort pflegte, wo es von niemandem gesehen wurde.

Er zog die Hose an und schlüpfte in die Stiefel.

„Hast du gut geschlafen, Roland?“, fragte sie auf einmal.

Als er den Kopf hob, sah er, dass sie ihn anschaute. Ihre Augen waren gerötet und verquollen, doch ihre Lippen zierte ein breites falsches Lächeln.

Selbst jetzt wollte er trotz ihrer Tränen glauben, dass sie sich aus freien Stücken für ihn entschieden hatte.

Du Narr!

War sie tatsächlich dazu gedrängt oder sogar gezwungen worden, ihn zu heiraten, dann war ihm das weder aufgefallen, noch war es mit seinem Einverständnis geschehen. Aber die Zeremonie war vorbei, die Ehe vollzogen. Er und Mavis waren durch die Kirche und durch das Gesetz vereint worden, und das konnte nicht mehr rückgängig gemacht werden.

Ihre Ehe stellte auch weiterhin eine wertvolle Allianz dar, mit der eine beträchtliche Aussteuer einhergegangen war, auch wenn sein Schwiegervater ein trinkfreudiger Taugenichts war, der vermutlich niemals auf einen Hilferuf reagieren würde. Mavis war zudem Simon DeLacs einziges Kind, womit ihm noch mehr zufallen würde, wenn der Mann starb. DeLac seinerseits besaß nun den mächtigen Verbündeten im Norden, den er hatte bekommen wollen.

Roland griff nach seinem Hemd und zog es über den Kopf. „Ich nehme an, du bist zur Abreise bereit, wenn du gefrühstückt hast“, sagte er in einem Tonfall, als hätte er eine Dienstmagd vor sich.

„Ja, ich glaube schon.“

„Das erwarte ich auch.“ Er legte seinen Waffenrock an und befestigte den Gürtel, an dem er sein Schwert trug.

Sie hatte sich nicht von der Stelle gerührt, doch als er sie wieder ansah, fiel ihm auf, dass sie barfuß dastand. Auch ihre Fußgelenke waren nicht von Stoff bedeckt. War sie unter diesem Mantel etwa völlig nackt?

Verlangen regte sich so plötzlich in ihm, als wollte es ihn überwältigen. Erinnerungen an die gemeinsame Nacht kamen ihm so lebendig ins Gedächtnis zurück, als würde er alles noch einmal erleben.

Nein, er durfte seine Schwäche nicht erkennen lassen, denn damit würde sie die Macht über ihn erlangen und darüber entscheiden können, ob sie ihn beschämen und demütigen wollte. Er musste die Gefühle ignorieren, die sie in ihm weckte. Er musste auf Abstand zu ihr bleiben. Sie durfte für ihn immer nur die Frau sein, die sich um seinen Haushalt kümmerte und von Zeit zu Zeit das Bett mit ihm teilte, wenn das Verlangen so stark wurde, dass er nicht länger darüber hinweggehen konnte.

Als er nach dem Türgriff fasste, sagte er ohne sich zu ihr umzudrehen : „Da die Ehe nun vollzogen ist, werde ich es dir überlassen, wann du mich künftig in dein Bett einladen möchtest. Ansonsten werde ich dich in Ruhe lassen.“

2. KAPITEL

Nachdem Roland gegangen war, ließ Mavis sich aufs Bett sinken. Sie hatte einen Kloß im Hals, Tränen standen ihr in den Augen. Nur hatten die Tränen diesmal nichts damit zu tun, dass sie im Begriff war, den einzigen Ort zu verlassen, der je ihr Zuhause gewesen war, und dabei auch ihre Cousine zurücklassen zu müssen, die sie wie eine Schwester liebte.

Was war mit Roland geschehen? Wo war der gute, sanfte Liebhaber geblieben?

Sie wusste nicht, womit sie ihn verärgert haben sollte … außer sie hatte gestern Abend zu viel geredet. Oder er störte sich am Benehmen ihres Vaters.

Auch wenn sie das Gegenteil glaubte, konnte es sein, dass er diese Ehe doch nur als einen Handel zwischen ihm und ihrem Vater betrachtete. Er hatte alles Erforderliche getan, um die Ehe zu vollziehen, alles Weitere kümmerte ihn nicht.

Und vielleicht war er auch nur so behutsam und vorsichtig gewesen, weil sie noch Jungfrau gewesen war.

Vielleicht war er nicht mit dem zufrieden, was sie ihm im Bett gegeben hatte.

Sie wusste nichts darüber, was genau einem Mann Lust bereiten mochte. Für sie selbst war die Hochzeitsnacht etwas ganz Außergewöhnliches gewesen, aber ein erfahrener Mann sah das wohl ganz anders. Angesichts der Tatsache, dass ihr Ehemann sehr gut aussah, konnte sie davon ausgehen, dass sie nicht die erste Frau war, die mit ihm das Bett geteilt hatte.

Dann kam ihr eine andere, erschreckende Erklärung in den Sinn. Sie hatte von Männern gehört, die jegliches Interesse an einer Frau verloren, sobald sie ihr die Unschuld genommen hatten.

Nein, das konnte bei Roland nicht der Fall sein. Ihr wäre aufgefallen, wenn er nur ihren Leib begehrt hätte. Dieser Art von Lust war sie oft genug begegnet, sogar bei seinem älteren Bruder, und sie wäre ihr sofort aufgefallen.

Sie sah über die Schulter aufs Bett und bemerkte den kleinen Blutfleck auf dem Laken. Dabei fiel ihr noch eine mögliche Erklärung ein, die viel besser zu dem Mann passte, dem sie im Privatgemach ihres Vaters begegnet war. Sollte er glauben, er hatte ihr wehgetan, dann war er womöglich auf sich selbst wütend, was seine knappen Worte zum Abschied erklären würde.

Zwar fühlte sie sich ein wenig wund, aber das Erlebnis war nicht allzu schmerzhaft gewesen. Sobald sie wieder mit ihm allein war, würde sie versuchen müssen, ihm das zu sagen. Bis dahin würde sie an seinem Verhalten auch erkannt haben, ob er sie geheiratet hatte, weil er sie haben wollte – was sie ja inständig hoffte –, oder ob er die Ehe nur zu dem Zweck eingegangen war, eine Allianz mit ihrem Vater schließen zu können.

Wenig später stand Roland auf dem Burghof, hielt die Arme vor der Brust verschränkt und ließ sein Gewicht auf einem Bein ruhen. Der Wagen war mit den Truhen beladen, die Mavis’ Aussteuer enthielten, der Ochse war angespannt worden, und sein eigenes Pferd und Mavis’ Stute waren gesattelt und bereit. Das Frühstück war beendet, sie konnten jederzeit losreiten. Die Wolkendecke brach auf und ließ die Sonne durch, die mit ihren warmen Strahlen den noch verbliebenen Raureif auf den Pflastersteinen verschwinden ließ. Eine leichte Brise wehte, die seine Haare zerwühlte und die Banner an der Burgmauer flattern ließ. Der kalte Wind sorgte dafür, dass die Mitglieder ihrer Eskorte schniefend und mit geröteter Nase dastanden.

„Ihr könnt Euch glücklich schätzen.“

Roland drehte sich ein Stück weit um und stellte fest, dass Rheged von Cwm Bron neben ihm stand. „Dem kann ich nur zustimmen“, entgegnete er mit ruhiger Stimme und wich dem Blick des Mannes nicht aus.

„Mavis ist eine liebe und reizende junge Frau“, redete Rheged weiter. „Meine Frau liebt sie wie eine Schwester, und wir wollen beide, dass Mavis glücklich ist.“

Die Worte des anderen Mannes klangen ganz beiläufig, doch etwas an seinem Blick verriet Roland, dass es mehr als eine bloße Feststellung war. Dennoch antwortete er auch jetzt nur: „Das ist auch mein Wunsch.“

„Es freut mich, das zu hören. Ansonsten wären wir auch sehr besorgt.“

Wieder verbarg sich hinter den Worten des Walisers mehr, als er aussagte. Aber Wortspiele, Andeutungen und Anspielungen waren die Sprache jener, die betrügen und täuschen wollten, doch so etwas machte Roland nicht mit. „Wenn Ihr etwas Wichtiges zu sagen habt, Mylord, dann sprecht es unmissverständlich aus.“

„Wie Ihr wollt“, erwiderte Rheged. „Tamsin sagt mir, dass Ihr Mavis die Wahl überlassen habt, sich für oder gegen die Verlobung zu entscheiden, und sie war dafür. Das ist alles schön und gut. Aber Mavis ist noch jung und unerfahren, und ihr Vater hat ihr bereits genug Schwierigkeiten bereitet. Daher hoffe ich, dass Ihr sie so freundlich und respektvoll behandelt, wie sie es verdient hat.“

Der Waliser redete mit ihm, als würde er ihn für einen Schläger halten, der keinen Deut besser war als sein Vater oder sein älterer Bruder. Von Rheged hatte er etwas Besseres erwartet. Unwillkürlich fragte er sich, was der Mann wohl alles über ihn gesagt hatte. Sollte Mavis dazu gezwungen worden sein, sich mit dieser Ehe einverstanden zu erklären, und hatte der Mann ihrer Cousine abfällig über ihn geredet, war es kein Wunder, dass sie in Tränen aufgelöst war.

„Wenn ich bedenke, dass Ihr die Frau entführt hattet, die Ihr später zum Weib genommen habt“, gab er mit dem Anflug eines gereizten Untertons zurück, „dann befindet Ihr Euch meiner Meinung nach nicht in einer Position, aus der heraus Ihr einem Mann Ratschläge geben solltet, wie man eine Frau zu behandeln hat.“

Rhegeds Augen flammten wütend auf, dennoch fuhr er ruhig fort: „Dann betrachtet es nicht als Ratschlag, sondern als Warnung. Solltet Ihr oder Euer Bruder ihr auf irgendeine Weise wehtut, dann werdet Ihr mir Rede und Antwort stehen.“

„Auf Drohungen bin ich nicht gut zu sprechen, Mylord, nicht einmal dann, wenn sie von Verwandten kommen“, gab Roland zurück.

Die Tür zum Saal ging auf, und Lord DeLac kam nach draußen geschossen, bei jedem hastigen Schritt darum bemüht, sich irgendwie auf den Beinen zu halten. Er trug die gleiche Kleidung wie am Abend zuvor, doch der feine Stoff seines Waffenrocks war nun mit Wein- und Fettflecken übersät. Brotkrümel hingen in seinem Bart fest. Seine Haare waren zerzaust, sein Gesicht war gerötet, da er offenbar zu viel Wein getrunken hatte – schon wieder!

Dennoch war Roland zum ersten Mal froh, den Mann zu sehen, da seine Anwesenheit Rheged verstummen ließ. Er reagierte tatsächlich nicht gut auf Drohungen, aber er wollte es deswegen nicht zu einer Handgreiflichkeit kommen lassen, erst recht nicht auf dem Burghof seines Schwiegervaters.

„Ah, Sir Roland!!“, rief Lord DeLac. „Da seid Ihr ja! Es wird Zeit zu gehen, nicht wahr? Jetzt nehmt die Aussteuer und meine Tochter, und dann nichts wie los mit Euch!“

Es wirkte so, als wollte er nur so schnell wie möglich den Handel unter Dach und Fach bringen, denn zweifellos war das das Einzige, was Lord DeLac interessierte, wenn er an die Ehe der beiden dachte. Zu gern hätte Roland den habgierigen Trunkenbold gepackt und in die nächste Pferdetränke getaucht.

„Mavis!“, brüllte DeLac, drehte sich langsam um sich selbst und sah nach oben, als erwarte er, sie auf dem Wehrgang zu entdecken. „Wo bist du, Mädchen? Dein Ehemann wartet auf dich!“

„Hier bin ich, Vater“, rief sie und tauchte im gleichen Moment in der Tür zur Küche auf, dann kam sie mit ihrer Cousine zusammen hergeeilt.

Rolands wunderschöne junge Frau trug ein schlichtes braunes Reisekleid, darüber einen dicken braunen Mantel mit einem Kragen aus Kaninchenfell. Ihr Erscheinungsbild hatte etwas nahezu Nonnenhaftes, ihr Auftreten erinnerte an eine Jungfrau, was ein krasser Gegensatz zu der wollüstigen jungen Frau war, die er letzte Nacht in seinem Bett erlebt hatte.

Nie hatte er solche Begeisterung, solch vollkommene Befriedigung in den Armen einer Frau gefunden. Er war sich sicher gewesen, dass sie genauso empfunden hatte, doch dann hatte er ihre bitteren Tränen gesehen.

Zugegeben, sagte er sich, wäre sie gezwungen gewesen, ihn zu ihrem Ehemann zu nehmen, dann wäre sie nicht so willig und wollüstig gewesen. Aber warum hatte sie dann geweint? Ihm wollte nicht einfallen, was er gesagt oder getan haben könnte, das sie so aufgeregt hatte, außer dass er sie geliebt hatte – sie, diese aufregende, jungfräuliche …

Sie war Jungfrau gewesen. Zweifellos hatte sie Schmerzen empfunden, was er bislang nicht in Erwägung gezogen hatte. Vielleicht waren die Schmerzen so stark gewesen, dass sie deswegen in Tränen ausgebrochen war.

Mavis kam außer Atem zu ihm gelaufen und lächelte ihn strahlend an. „Ich bin jetzt soweit.“

Forschend betrachtete er ihr Gesicht und versuchte zu bestimmen, ob sie tatsächlich so fröhlich war oder ob sie ihm nur etwas vorspielte.

Sollte es Letzteres sein, dann war sie darin sehr gut.

„Das wird auch Zeit!“, rief ihr Vater. „Nehmt sie, Roland, und kehrt wohlbehalten heim. Herrgott, ist das eine Eiseskälte hier draußen!“

Mit diesen Worten lief Lord DeLac los und verschwand durch die Tür zum Saal, ohne seiner einzigen Tochter, seinem einzigen Kind einen letzten Blick zuzuwerfen. Unterdessen ging Rhegeds Frau zu Mavis, um sie zum Abschied in die Arme zu nehmen, während Rheged selbst Roland weiterhin finster anstarrte. Jedem anderen Mann wäre dabei das Blut in den Adern gefroren, nicht aber Roland. Er war sein Leben lang allen nur denkbaren Einschüchterungsmethoden ausgesetzt gewesen, und das von Männern, die härter und brutaler waren, als ein Rheged von Cwm Bron es jemals sein konnte.

„Möge Gott mit euch sein, damit es eine sichere Reise wird“, redete Tamsin eindringlich auf Mavis ein. „Und vergiss nicht, dass du auf Cwm Bron stets willkommen bist.“

Mavis erwiderte die innige Umarmung. „Das werde ich nicht vergessen.“

„Kommt, Mylady, lasst uns aufbrechen“, sagte Roland und kam zu ihr, damit er ihr aufs Pferd helfen konnte.

„Wie Ihr wünscht, Mylord“, entgegnete Mavis und lächelte ihn wieder so strahlend an.

Er bezweifelte, dass irgendjemand so überzeugend vortäuschen konnte, überglücklich zu sein. Er musste mit seiner Vermutung richtigliegen, dass es lediglich körperliche Schmerzen waren, die bald vergessen sein würden.

Wenn es doch nur eine Möglichkeit gäbe herauszufinden, ob das der einzige Grund für ihre Tränen war! Anders als Gerrard fiel es ihm nicht leicht, sich mit einer Frau zu unterhalten.

Als Mavis im Sattel saß, lief Tamsin zu ihrem Pferd und legte die Hand an Mavis’ Stiefel. „Denk daran, was ich dir gesagt habe!“, flehte sie sie fast an. „Egal, was du brauchst, du musst es nur sagen! Wenn du unsere Hilfe benötigst, lass es uns sofort wissen.“

Was sie sagte, hörte sich so an, als sei Mavis im Begriff, in ihr Unglück zu reiten. Prompt schwand seine Hoffnung, dass er wirklich den Grund für ihre Tränen kannte. Während er das Handzeichen zum Aufbruch gab, sagte er sich, dass die Frage nach dem Grund, wieso sie sich auf diese Ehe eingelassen hatte, letztlich bedeutungslos war. Die Antwort änderte nichts daran, dass er Sir Roland, Lord of Dunborough, war – und dass seine Braut jeden vor Neid erblassen lassen würde, der sie zu sehen bekam.

Und das galt vor allem für seinen Bruder.

Es war ein angenehmer, wenngleich auch kalter Tag, und Mavis hätte den Ritt sicherlich genießen können, wären da nicht zwei Dinge gewesen: Ihr Ehemann war mit seinem Pferd ein Stück weit vor ihr, als wollte er nicht mit ihr reden. Und die Männer ihrer Eskorte nicht weit hinter ihr redeten fast ohne Unterlass.

„Ganz ehrlich, ich wünschte, ich wäre zurück auf Castle DeLac“, brummte Arnhelm, ein großer, schlanker Mann mit Vollbart. Er führte die Eskorte an. „Seht ihn euch nur an. Der reitet, als hätte er einen Speer verschluckt. Was ist das überhaupt für ein Mann, der ganz allein aus dem gottverlassenen Yorkshire zu uns geritten kommt?“

„Einer aus Dunborough“, antwortete Verdan, ein kleinerer, stämmiger Mann, der sein Bruder und Stellvertreter war. „Und jetzt, Gott möge uns beschützen, müssen wir mit ihm ausgerechnet da hinreiten!“

„Stimmt schon, das ist keine gute Zeit, um nach Yorkshire zu reiten. Aber wir müssen wenigstens nicht dableiben. Sie dagegen schon. So ein armes Ding“, sagte Arnhelm und deutete mit einem Nicken auf Mavis. „Diese Heirat ist nicht in Ordnung.“

„Aye, er verdient sie gar nicht. Er ist kalt und abweisend, und sie ist so reizend und so sanftmütig wie ein Lamm.“

Mavis schaute stur auf ihren Ehemann und versuchte, nicht auf das Gerede zu hören, doch das war unmöglich. Arnhelm redete dafür viel zu laut. Um seinetwillen war sie sogar froh, dass Roland einen so großen Vorsprung hatte. So weit entfernt konnte er nichts von der Unterhaltung der Männer mitbekommen. Tatsächlich saß er so in seinem Sattel, als würde sein Rücken durchbrechen, sobald er versuchte sich nach vorn zu beugen.

Autor

Margaret Moore

Ihre ersten Schreibversuche als Autorin machte Margaret Moore mit acht Jahren, als der verwegene Errol Flynn sie zu einer Geschichte inspirierte. Wenig später verfiel sie dem kühlen Charme von Mr. Spock aus Raumschiff Enterprise. Er ließ bei sich keine Emotionen zu – ganz anders als die Helden in ihren Romances!...

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