Blitzaffäre aus Leidenschaft

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Die verführerische Ellie Dixon zu Gast im Palazzo seines Patenonkels? Da sieht Rio Benedetti rot! Niemals wird er zulassen, dass diese unberechenbare Femme fatale seinem Patenonkel das Geld aus der Tasche zieht! Denn der attraktive Playboy kennt die rothaarige Schönheit nur zu gut. Schließlich hat sie auch ihn einst tief enttäuscht! Dafür soll sie bezahlen: Mit feurigen Liebesstunden in seinem Bett! Doch durch eine schockierende Nachricht bekommt die Blitzaffäre für den perfektionistischen Geschäftsmann plötzlich eine ganz neue Bedeutung …


  • Erscheinungstag 12.09.2017
  • Bandnummer 2300
  • ISBN / Artikelnummer 9783733708610
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Rio Benedetti biss sich auf die Zunge, um den Fluch zurückzuhalten, während sein Patenonkel begeistert von dem Gast erzählte, den er heute erwartete. Beppe Sorrentino war stets gutgläubig, vertrauensselig und großzügig gewesen, und das keineswegs immer zum eigenen Besten. Ihm kam es gar nicht in den Sinn, dass dieser Gast, der sich selbst eingeladen hatte, vielleicht Hintergedanken haben könnte. Nur gut, dass Beppe einen Patensohn wie Rio hatte, der entschlossen war, seinen Onkel vor jedem zu schützen, der ihn ausnehmen wollte.

Rio, seines Zeichens Milliardär und erfolgreicher Unternehmer, war klar, dass er hier umsichtig vorgehen musste. Ellie Dixon hatte mächtige Freunde. Nicht nur war sie die Schwester der Königin von Dharia, sie selbst war auch eine beeindruckende Erscheinung. Das wusste Rio, weil er sie auf der Hochzeit seines Freundes Prinz Rashad mit Ellies Schwester Polly kennengelernt hatte. Sie war schön, intelligent und eine angesehene Ärztin. Doch das Image der korrekten Medizinerin erhielt rapide trübe Flecken, sah man sich ihren Hintergrund genauer an. Das Harmloseste, was Rio vermutete, war, dass sie eine Goldgräberin sein könnte, im schlimmsten Falle war sie eine Diebin und Betrügerin, die sich das Vertrauen älterer Menschen erschlich, um sie dazu zu bringen, ihr Testament zu Ellies Gunsten zu ändern.

Gegen Ellie lief bereits ein Verfahren, weil eine ältere Patientin ihr vor dem Tod sämtliche Besitztümer vermacht hatte. Der Neffe der alten Dame war vor Gericht gezogen, um das Testament anzufechten. Zudem gab es Hinweise, dass Ellies Geldgier sich bereits früher gezeigt hatte. Rio dachte dabei an den Teil in dem ihm vorliegenden Bericht, der sich auf die Diamantbrosche ihrer Großmutter bezog. Die wertvolle Brosche hätte an Ellies Onkel gehen sollen, doch irgendwie war Ellie in deren Besitz gekommen, was für reichlich Spannungen in der Familie gesorgt hatte.

An Ellie Dixon war vieles obskur, nicht zuletzt dieser überraschende Brief an seinen Paten mit der Bitte um ein persönliches Treffen, weil Beppe angeblich Ellies verstorbene Mutter gekannt haben sollte.

Natürlich ist es auch möglich, dass ich das eigentliche Ziel der guten Dr. Ellie bin, dachte Rio zynisch. Vielleicht war ihr auf der Hochzeit noch nicht klar gewesen, wie reich er war, und jetzt hatte sie sich über ihn erkundigt und die Verbindung hergestellt, um die verpasste Chance wettzumachen. Er hatte oft genug miterlebt, welche Anstrengungen Frauen unternahmen, um sein Interesse zu wecken, aber bisher war es ihm immer gelungen, eine ernsthafte Bindung zu vermeiden.

Das Erlebnis mit Ellie auf Rashads Hochzeit versuchte er zu verdrängen. Vergangenes war vergangen. In Bezug auf Frauen war er eher der kurzfristige Genießer. Festen Beziehungen ging er grundsätzlich aus dem Weg. Warum sich mit einer zufrieden geben, wenn man alle haben konnte? Er war verboten reich und sah sündhaft gut aus. Sollte Dr. Ellie sich also vorgenommen haben, sich ihn zu angeln, würde sie eine Enttäuschung erleben. Und überhaupt … die Frau war eine Kratzbürste, noch dazu mit dem Hang überzureagieren.

„Du bist so still, Rio“, drang Beppes Stimme in seine Gedanken. „Du bist nicht einverstanden, dass Annabels Tochter mich besucht, oder?“

„Wie kommst du darauf?“ Rio war überrascht, dass der Ältere ihn offensichtlich so mühelos durchschaute.

Von seinem Lieblingssessel aus grinste Beppe den Patensohn an. Der kleine rundliche Mann mit dem ergrauenden Haar war Rio so lieb wie ein Vater. „Mir ist aufgefallen, wie du den Mund verzogen hast, als ich meine Enttäuschung beschrieb, dass Ellie nicht in meinem Haus als mein Gast übernachten möchte, sondern in einem Hotel unterkommt. Sie ist eine äußerst entschiedene junge Dame, die kein Blatt vor den Mund nimmt. Sie meinte, sie würde sich nicht wohl hier fühlen, da sie mich ja nicht kennt.“

„Für dich wäre es auch nicht angenehm, jemand Fremdes im Haus zu haben“, merkte Rio an. Seit fast zwanzig Jahren war Beppe Witwer, Kinder hatte er keine. Er lebte ein sehr ruhiges und zurückgezogenes Leben in dem Familienpalazzo etwas außerhalb von Florenz.

„Mag sein. Aber ich langweile mich“, gab Beppe zu. „Und es ist einsam. Nein, sieh mich nicht so an, du besuchst mich oft genug, aber … Ellies Besuch ist mal etwas anderes. Ein neues Gesicht …“

„Von Ellies Mutter willst du nichts erzählen, und doch bist du so aufgeregt, dass die Tochter kommt“, meinte Rio nachdenklich.

Beppes Miene verschloss sich. „Verstehe das bitte nicht falsch, Rio, aber darüber möchte ich wirklich nicht reden.“

Rio biss die Zähne zusammen. Er hatte schon darüber nachgedacht, ob Ellie seinen Patenonkel mit irgendeinem dunklen Geheimnis zu erpressen versuchte, aber dann würde Beppe sich nicht so freuen. Außerdem konnte Rio sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass Beppe ein dunkles Geheimnis haben sollte. Der Mann war der offenste und freundlichste Mensch, den er kannte, obwohl auch Beppe Unglück erfahren hatte. Seine wunderbare Frau Amalia hatte eine Totgeburt gehabt und in späteren Jahren einen massiven Hirnschlag erlitten, der sie an den Rollstuhl gefesselt hatte. Beppe hatte seine geliebte Amalia bis zu ihrem Tod gepflegt und nie eine andere Frau auch nur angesehen.

Rio allerdings war von Natur aus misstrauisch, er vertraute grundsätzlich niemandem. Sohn einer drogensüchtigen Mutter und eines unbekannten Vaters, war er in einem Waisenhaus aufgewachsen, bis Amalia Sorrentino sich seiner angenommen hatte. So hatte er dann auch Beppe, ihren Mann und seinen Wohltäter, kennengelernt. Er wusste, dass er dem Mann, der dort neben dem brennenden Kamin saß, alles verdankte, und genau deshalb würde er auch alles tun, damit Beppe keinen Schaden erlitt. Rio war fest davon überzeugt, dass Ellie Dixon nichts Gutes im Schilde führte.

Lockende Verführerin? Goldgräberin? Diebin? Feministin? Betrügerin? Auf Rashads Hochzeit hatte er eine witzige, charmante Ellie kennengelernt – und eine absolut empörte. Er war bis zu seinem Hotelzimmer von ihr begleitet und dann … Nein, weder hatte er den Vorfall vergessen noch vergeben. Lange Jahre war er das namenlose Heimkind gewesen, wertlos und unwichtig. Und Ellie Dixon hatte ihn zusammengestutzt wie die schlimmste Nonne in dem Heim, Schwester Teresa.

Manchmal träumte er sogar noch von Ellie, sah sie in ihrem grünen Kleid über die Tanzfläche wirbeln, sah ihre roten Locken um ihr erhitztes lachendes Gesicht fliegen. Dass er sie an jenem Abend mehr als alles andere in seinem Leben begehrt hatte, nagte noch immer an ihm, auch wenn er sich sagte, dass es nur am Alkohol gelegen hatte, der die romantische Stimmung der Hochzeit verstärkt hatte.

Nun, jetzt würde er also auf ihre Ankunft warten, sie genau im Auge behalten und ihre wahre Natur aufdecken. Würde sie sich als Verführerin geben, als nüchterne Ärztin oder als neugierige Touristin?

Eines war auf jeden Fall sicher: Das Spiel war nicht zu Ende, es fing gerade erst an

Verblüfft starrte Ellie auf die auf ihrem Bett ausgebreiteten Kleidungsstücke. „Ja, dein Geschenk ist angekommen“, sagte sie zu ihrer Schwester am Telefon. „Was, um alles in der Welt, hast du dir dabei gedacht?“

„Ich weiß doch, dass du nie einkaufen gehst“, kam es fröhlich von Polly zurück. „Deshalb habe ich das für dich übernommen. Du brauchst schließlich eine Urlaubsgarderobe für Italien, oder nicht?“

Was ihre Abneigung gegen Shopping anbelangte, so hatte ihre Schwester sicherlich recht, aber Ellie fühlte sich wie erschlagen von Pollys Großzügigkeit. Sie nahm ein Sommerkleid in die Hand und erkannte das Designerlabel. Nein, das war nicht nur einfach Großzügigkeit, sondern grenzenlose Großzügigkeit, die verlegen machte. „Natürlich bin ich dir sehr dankbar, aber eigentlich bin ich doch mehr der Typ für Jeans und T-Shirt. Und ich wünschte, du würdest nicht so viel Geld für mich ausgeben. Ich bin Assistenzärztin, ich nage nicht gerade am Hungertuch.“

„Und ich bin deine große Schwester, der es Spaß macht, dich ein wenig zu verwöhnen. Komm schon, Ellie, stell dich nicht so an. Wir haben beide als Kinder nie große Geschenke bekommen. Ich möchte dich einfach an meinem Glück teilhaben lassen. Es ist doch nur Geld, das ändert doch nichts zwischen uns.“

Doch, alles hat sich geändert, dachte Ellie mit einem stillen Seufzer. Zwar war sie, Ellie, die Jüngere, aber sie war immer die Anführerin ihres Duos gewesen. Ihr fehlte die enge Vertrautheit mit der Schwester, die jetzt auf der anderen Seite der Welt in Dharia lebte. Polly brauchte sie nicht mehr um Rat zu fragen, sie hatte jetzt Rashad und einen ganz großartigen kleinen Sohn. Ellie vermutete, dass bald ein weiterer kleiner Prinz oder eine kleine Prinzessin dazukommen würde. Außerdem hatte Polly in Dharia einen Teil ihrer bis dahin unbekannten Familie wiedergefunden.

Das war der Hauptgrund, weshalb Ellie jetzt nach Italien reiste. Sie sah auf den Smaragdring, das Erbe ihrer verstorbenen Mutter, die sie nie kennengelernt hatte. Annabel war früh gestorben, die Großmutter hatte die Mädchen aufgezogen. Ihren drei Töchtern hatte Annabel je einen Ring in einem Umschlag vermacht. Dass es drei Umschläge gegeben hatte, war ein Schock für sie und Polly gewesen, von einer dritten Schwester hatten sie nicht einmal geahnt. Die Jüngste von ihnen war offenbar im staatlichen Pflegesystem gelandet und adoptiert worden. Auf jeden Fall waren in den drei Umschlägen auch die Namen der Väter angegeben.

Polly war damals nach Dharia geflogen, in der Hoffnung, ihren Vater zu finden. Sie hatte dann erfahren müssen, dass er noch vor ihrer Geburt umgekommen war, aber sie hatte liebende Großeltern gefunden und zudem König Rashad kennengelernt und war jetzt Königin von Dharia. Rashad hatte eine Detektei beauftragt, die dritte Schwester aufzuspüren, doch die Mühlen der Verwaltung mahlten eben sehr langsam, bisher hatten sie noch nicht sehr viel herausgefunden.

In Ellies Umschlag hatten ein Smaragdring und ein Zettel mit zwei Namen gelegen – Beppe und Vincenzo Sorrentino. Ellie ging davon aus, dass einer der beiden ihr Vater war. Sie wusste bereits, dass einer der Männer verstorben war, aber mehr eben nicht. Sie war sich nicht einmal sicher, ob sie wirklich herausfinden wollte, welche Beziehung ihre Mutter mit den Brüdern damals gehabt hatte. Und wenn man sie deshalb prüde nennen wollte … bitte. So war sie eben. Vielleicht war ja auch keiner der beiden ihr Vater, sie machte sich keine allzu großen Hoffnungen. In dem Falle würde sie eben akzeptieren müssen, dass sich das Rätsel ihrer Abstammung nicht lösen ließ. Aber es wäre schon schön, vielleicht entfernte Verwandte zu finden. Denn seit Pollys Heirat vermisste sie es, Familie in der Nähe zu haben.

Gleichzeitig fragte sie sich allerdings, weshalb sie noch immer an dem idealistischen Bild von Familie festhielt. Die Großmutter, die die beiden Mädchen aufgezogen hatte, war alles andere als warm und liebevoll gewesen, und Jim, der Bruder ihrer Mutter, war schlicht unmöglich zu ihnen gewesen. Noch heute schoss brennender Ärger in Ellie auf, wenn sie sich daran erinnerte, wie ihr Onkel sie nach dem Tode seiner Mutter behandelt hatte. Diese traurige Geschichte hatte sie Polly noch immer nicht erzählt. Polly glaubte einfach immer an das Gute im Menschen.

Genau wie Polly behauptete, ihre Ehe würde nichts an dem Verhältnis zwischen den Schwestern ändern. Ellie rief die Schwester selten genug an, wusste sie doch, dass sie reichlich Pflichten als Ehefrau, Mutter und Königin wahrzunehmen hatte. Und öfter zu Besuch fliegen konnte sie auch nicht, allein der lange Flug fraß die wenigen freien Tage auf, die sie als Assistenzärztin hatte.

Deshalb ahnte Polly auch nicht, wie sehr Ellie sich wünschte, sie möge ihren Vater in Italien finden. Denn bis jetzt hatte sie sich immer eher kühl und zynisch zu dem Thema geäußert.

Zwei Tage später ging Ellie zum Frühstück auf die sonnige Terrasse der kleinen Pension hinaus, in der sie untergekommen war, und atmete tief die würzige Luft der Toskana ein. Zum ersten Mal seit Wochen fühlte sie sich entspannt, als sie auf die grünen Weinberge um sich herum blickte.

Für morgen hatte sie einen Termin mit Beppe Sorrentino vereinbart, sie würde ihn in seinem Palazzo besuchen, aber der heutige Tag stand zu ihrer freien Verfügung. Ein seltener Luxus, den sie dazu nutzen wollte, sich ein wenig die Gegend anzusehen.

Sie lächelte dem Ober dankend zu, als er einen dampfenden Cappuccino und einen Teller mit frischen Croissants vor sie auf den Tisch stellte. Normalerweise bekam sie während der Arbeit höchstens Kaffee in Pappbechern und Sandwichs aus dem Automaten, und der frisch gebrühte Cappuccino und die knusprigen Hörnchen schmeckten einfach himmlisch.

Sie leckte sich gerade die Krümel von den Lippen, als eine dunkle Silhouette sich in die Sonne stellte und ihr die wundervolle Aussicht nahm. Hinter ihrer Sonnenbrille blinzelte sie. Nun, so klein es auch war, es war eben ein Hotel, das auch andere Gäste beherbergte.

Der Neuankömmling, dessen Gesicht Ellie nicht sehen konnte, weil die Sonne in seinem Rücken stand, wurde vom Ober mit einem aufgeregten Schwall Italienisch begrüßt. Wahrscheinlich ein Stammkunde oder ein Ansässiger, vermutete Ellie. Der Mann antwortete in fließendem Italienisch. Aber diese dunkle weiche Stimme kam ihr irgendwie bekannt vor und rührte etwas in ihr an …

Ellie wurde blass. Nein, das konnte unmöglich derselbe Mann sein. Er lebte in Florenz, und sie waren hier meilenweit von der Stadt entfernt, in einer Pension in der Nähe von Beppe Sorrentinos Haus. Nein, das war ganz bestimmt nicht der Mann, der ihr die Laune auf der Hochzeit ihrer Schwester verdorben hatte und Selbstverachtung und Reue in ihr geweckt hatte. So grausam konnte das Schicksal nicht sein, ihr ein Treffen mit Rio Benedetti zuzumuten!

Oder?

Buongiorno, Ellie.“ Rio zog einen Stuhl unter dem Tisch hervor und setzte sich.

Ellie wurde blass. „Was, zum Teufel, hast du hier verloren?“

Rio Benedetti lehnte lässig den Kopf zurück. Geradezu lächerlich lange Wimpern beschatteten seine bernsteinfarbenen Augen. Das blauschwarze Haar trug er kurz geschnitten, dennoch kringelten sie sich etwas, verrieten nicht nur die Locken, sondern ließen es auch wirr und sündhaft sexy aussehen. Mit der geraden Nase und den feinen Gesichtszüge hätte er einem alten Ölgemälde entstiegen sein können – dem Porträt eines dunklen Engels.

Jetzt lächelte er sie an, und am liebsten hätte Ellie ihn wieder geohrfeigt und ihm genau gesagt, was sie von ihm hielt. Aber das hatte sie schon einmal getan. Der Mann sah umwerfend aus, und er wusste es. Das reichte, um ihn auf ihre Schwarze Liste zu setzen. Die Wahrheit allerdings war, dass sie noch nie einen so gut aussehenden Mann getroffen hatte. Noch heute verachtete sie sich dafür, wie schnell sie vor zwei Jahren bei ihm alle ihre Vorsätze vergessen hatte.

Solcher Leichtsinn war völlig untypisch für sie. Sie hatte es mit seinem enormen Charme, seiner Intelligenz und seinem Sexappeal gerechtfertigt und damit, dass sie ihn nie wiedersehen würde. Fast hätte sie sich auf einen One-Night-Stand mit ihm eingelassen. Noch heute schämte sie sich dafür und fragte sich, wie sie sich so hatte irren können. Dieser unsägliche Moment, als er die Tür seines Hotelzimmers geöffnet und sie gesehen hatte, dass sein Bett bereits besetzt war … Das Bild würde ihr nie wieder aus dem Kopf gehen.

Rio hatte nicht lächeln, sondern sie böse anfunkeln wollen. Er hatte sich auch nicht zu ihr setzen, sondern stehen bleiben wollen, um einschüchternder zu wirken. Doch ein Blick auf Ellie, und alle seine Pläne waren verpufft. Zu beobachten, wie diese pinke Zungenspitze genüsslich Croissant-Krümel von den Lippen leckte, wäre fast zu viel für seine Libido gewesen. Schon allein deshalb hatte er sich setzen müssen, um sich nicht selbst in Verlegenheit zu bringen.

Wie alt war er? Fünfzehn? Rot zog auf seine hohen Wangenknochen.

Obwohl er Ellie nicht über den Weg traute, musste er zugeben, dass sie eine echte Schönheit war. Ihre Haut schimmerte wie feinstes Porzellan, ihre Augen strahlten smaragdgrün, und eine tizianrote Lockenmähne umrahmte ihr Gesicht. Zwar war sie nicht sehr groß, aber ihre Kurven waren atemberaubend.

Auf den ersten Blick war er damals von ihr fasziniert gewesen. Dass er von ihr auch den ersten Korb seines Erwachsenenlebens erhalten hatte, war eine Erfahrung, die ihn noch immer ärgerte. Sie war mit ihm zu seinem Hotelzimmer gekommen, doch dann war alles schiefgelaufen. Sie hatte ihn geohrfeigt und beschimpft. Bei der Erinnerung daran stöhnte er rau auf. In seiner Kindheit hatten ihn zu viele nur mit Verachtung behandelt, als dass er heute mit einem Lachen darüber hinweggehen könnte.

„Was glaubst du wohl?“, antwortete er mit einer Gegenfrage.

Ellie konzentrierte sich auf ihren Cappuccino. Sie wollte nicht mit ihm reden. Aber würde sie es über sich bringen, so unhöflich zu sein? Immerhin war er der beste Freund ihres Schwagers, und sie mochte Rashad. „Hat Rashad dir gesagt, wo ich zu finden bin?“ Das wäre typisch für ihren Schwager – ihr eine Eskorte als Schutz in einem fremden Land zur Seite zu stellen, in der festen Überzeugung, ihr einen Gefallen damit zu tun.

„Nein. Ich denke, Rashad weiß nicht einmal, dass du in Italien bist“, gab Rio zu.

„Na, dann besteht auch keine Veranlassung, höflich zu sein.“ Erleichtert griff Ellie nach dem nächsten Croissant.

Das Grinsen ließ sich nicht aufhalten. „Nein, für uns beide nicht.“

Dieses Lächeln … es blendete Ellie wie ein Sonnenstrahl an einem grauen Wintertag. Impulsiv wollte sie zurücklächeln, doch mit übermenschlicher Anstrengung hielt sie sich zurück. Dennoch hatte Rio diese Runde eindeutig gewonnen, denn ihr ganzer Körper reagierte auf ihn auf höchst unerwünschte Weise. Grimmig biss sie die Zähne zusammen, als sie merkte, wie ihre Brustwarzen sich aufrichteten und schmelzende Wärme sich in ihrem Unterleib ausbreitete. Der Mann schaffte es allein mit einem Blick, ihre Hormone durcheinanderzubringen! Sie hasste ihn dafür, dass er solche Macht über ihren verräterischen Körper hatte. Wo war ihr Stolz geblieben? Und er … nach dem, was er ihr angetan hatte, besaß er auch nur einen Funken Anstand?

„Da wir also nicht höflich sein müssen … Verzieh dich, Rio.“

Nur selten passierte es ihm, dass er etwas nicht verstand. Hatte sie denn nicht die angebliche Verbindung zwischen ihrer Mutter und seinem Paten erfunden, damit sie Zugang zu ihm erhielt? Entweder spielte sie ihre Rolle nach einem ausgeklügelten Plan … oder aber er hatte wirklich nichts damit zu tun, dass sie in die Toskana gekommen war.

„Ich glaube nicht an Zufälle …“, setzte er an, doch in diesem Augenblick brachte der Hotelbesitzer höchstpersönlich den Cappuccino für Rio und wechselte einige Worte mit ihm.

„Ich auch nicht“, sagte Ellie, als der Mann sich zurückgezogen hatte und sie wieder allein waren. „Es war schlimm genug, dir auf Pollys Hochzeit zu begegnen, aber das hier ist wirklich die Krönung.“

„So?“ Von ihrem Lächeln würde er noch Frostbeulen bekommen. Wie konnte sie wagen, ihn mit solcher Verachtung zu behandeln?

„Natürlich ist mir klar, dass ich in deinem Heimatland bin, aber ich bezweifle, dass dieses Treffen hier zufällig sein soll.“

„Damit hast du völlig recht“, bestätigte Rio. Er nippte an seinem Kaffee und gab sich größte Mühe, lässig zu wirken.

Nur wusste Ellie, dass er keineswegs entspannt war. Bestimmte Zeichen hatte sie schon auf Pollys Feier erkannt. Die Augen hatte er leicht zusammengekniffen, und er hielt die Tasse viel zu verkrampft. Ja, Rio war angespannt, sehr sogar, und sie fragte sich, wieso. Allerdings sollte es ihr auch gleich sein. Er war der Playboy, mit dem sie fast geschlafen hätte. Glücklicherweise hatte sie noch rechtzeitig entdeckt, was für ein Mann er war.

„Also … weshalb verfolgst du mich? Und woher weißt du überhaupt, dass ich hier bin?“

„Ich wollte wissen, was dich in die Toskana bringt“, ließ er sie tonlos wissen.

„Ich mache Urlaub.“

„Das ist bestimmt nicht die ganze Wahrheit, Ellie.“ Er schnaubte.

„Nun, das ist die einzige Wahrheit, die du von mir hören wirst.“ Sie stand auf. Mühsam beherrschter Ärger war in ihren feinen Zügen zu erkennen. „Es ist ja nicht so, als wären wir besten Freunde.“

Auch Rio erhob sich mit einer fließenden Bewegung. Diese Geschmeidigkeit, mit der er sich bewegte, war das Erste, was Ellie auf der Hochzeit ihrer Schwester an ihm aufgefallen war. Wie ein Raubtier auf der Jagd, kraftvoll, kontrolliert, zielorientiert. „Wärst du denn gern mit mir befreundet?“, fragte er lauernd.

Unwillkürlich versteifte Ellie sich. Die sinnliche Anspielung war nicht zu überhören. „Nein. Ich bin wählerisch, welche Männer ich Freunde nenne“, erklärte sie kühl. Ihr war gleich, ob er an „Freunde mit gewissen Vorzügen“ dachte oder nicht.

Wie eine Sturmwarnung blitzte Hitze in seinen Augen auf. „In Dharia hattest du mich gewählt“, erinnerte er sie zynisch.

Ellies Handfläche schien plötzlich wieder zu brennen, als sie sich daran erinnerte, wie sie ihn geohrfeigt hatte. Die geballte Faust wäre wahrscheinlich angebrachter gewesen. Wie konnte er diesen Abend wieder zur Sprache bringen, wenn er derjenige ohne jegliche Moral war? Rio Benedetti war arrogant und egoistisch und schamlos. Dass er aber auch heiß wie die Sünde selbst war, machte sie nur maßlos wütend.

„Dich würde ich nicht mit der Kneifzange anpacken“, sagte sie spitz, drehte sich auf dem Absatz um und ging in die Pension zurück.

„Ellie, wir werden das Gespräch führen, ob es dir passt oder nicht“, rief er ihr leise nach. „Wegrennen wird dir nichts nützen.“

„Und dieses arrogante Benehmen wird dir nichts nützen“, schoss sie giftig über die Schulter zurück. „Ich gehöre nicht zu dem Typ Frau, der bei Machoallüren dahinschmilzt.“

„Möglich, aber sonst hättest du mich nie kennengelernt“, raunte er.

„Du hast bleibenden Eindruck hinterlassen, glaube mir“, flötete sie zuckersüß. „Ich bin lernfähig, Rio. Du nicht?“

Und mit diesem letzten Seitenhieb verschwand Ellie im kühlen Inneren der Pension. Am liebsten hätte Rio jetzt etwas zerschlagen oder laut geflucht. Dieser kleine Schlagabtausch rief ihm in Erinnerung, dass Ellie eine weitere Eigenschaft besaß: Sie ging ihm unter die Haut und machte ihn aggressiv. Das war völlig untypisch für ihn. So benahm er sich nie in Gesellschaft von Frauen. Normalerweise war er die Verkörperung von Charme und Weltgewandtheit. Gleichzeitig schossen ihm alle möglichen erotischen Bilder in den Kopf: Ellie erschöpft ausgestreckt in seinem Bett, Ellie auf den Knien, Ellie über die Motorhaube seines Sportwagens gebeugt … Seine Fantasie lief auf Hochtouren, nur Ellie löste diese Reaktion bei ihm aus. Eine höchst unerwünschte Reaktion. Er war nicht ausgehungert nach Sex, eher das Gegenteil. Vermutlich langweilte es ihn mittlerweile, wie willig die Frauen sich anboten und dann klammerten. Ja, das musste es sein.

Nun, wenn er Ellie Dixon wollte, dann höchstens auf die primitivste männliche Art. Hatte sie nicht gesagt, sie sei lernfähig? Dann würde sie lernen müssen, dass niemand, absolut niemand, ihn mitten in einem Gespräch stehen ließ! Und deshalb ging er ihr jetzt auch ins Hotel nach.

Ellie schloss die Tür ihres Zimmers und lehnte sich erschöpft dagegen. In ihr tobte ein Tumult, den niemand ihr zugetraut hätte, ihr Puls raste. Doch dann nahm sie sich zusammen, reckte die Schultern und ging ins Bad, um sich Gesicht und Hände zu waschen. Sie musste sich erst einmal beruhigen. Normalerweise ließ sie sich nicht von Männern derart durcheinanderbringen.

Aber vor zwei Jahren hatte Rio Benedetti ihre schützende Mauer überwunden. Er hatte erreicht, was vor ihm kein anderer Mann erreicht hatte. Fast hätte sie sich komplett zur Närrin gemacht

Ellie zog eine Grimasse. Ein Mann, den sie nur wenige Stunden gekannt hatte, hatte ihren Verstand benebelt, hatte ihre Barrieren eingerissen und hätte ihr fast die Unschuld genommen. Mit ihrem vollen Einverständnis. Nur hatte er dann seine Zimmertür aufgeschlossen, und sie hatte sehen können, dass er bereits erwartet wurde. Nicht nur von einer, sondern gleich von zwei splitterfasernackten Frauen. Zutiefst entsetzt war sie zurückgewichen, hatte ihn beschimpft und geohrfeigt. Mit hoch erhobenem Kopf war sie davongerauscht, aber der Vorfall hatte sie monatelang verfolgt.

Diese Geschichte war einfach zu peinlich, um sie mit Polly zu teilen. Außerdem würde Polly es wahrscheinlich ihrem Mann weitererzählen, und Ellie hätte es nicht ertragen, wenn die Sache die Runde machte. Wenigstens wusste außer den Beteiligten niemand sonst davon.

Es klopfte. Ellie erwartete das Zimmermädchen, daher sah sie nicht durch den Spion und war mehr als überrascht, als Rio vor ihrer Schwelle stand. Der Mann war ihr doch tatsächlich nach oben gefolgt!

„Ich will nicht mit dir reden. Lass mich in Frieden“, verlangte sie kurz angebunden.

„Das geht leider nicht, principessa. Wenn das mit dem Lernen nur so einfach wäre“, spöttelte er.

„Nenn mich nicht so“, fauchte sie. „Und du wirst sicher nicht hereinkommen.“

Schlanke kräftige Finger griffen nach der Tür, die Geste sollte wohl entschieden und vielleicht sogar bedrohlich wirken, aber so leicht war Ellie nicht einzuschüchtern. In der Notaufnahme musste sie oft genug mit randalierenden Betrunkenen und Drogensüchtigen umgehen, da würde sie sich von Rio Benedetti ganz bestimmt nicht einschüchtern lassen.

Autor

Lynne Graham
Lynne Graham ist eine populäre Autorin aus Nord-Irland. Seit 1987 hat sie über 60 Romances geschrieben, die auf vielen Bestseller-Listen stehen.

Bereits im Alter von 15 Jahren schrieb sie ihren ersten Liebesroman, leider wurde er abgelehnt. Nachdem sie wegen ihres Babys zu Hause blieb, begann sie erneut mit dem...
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