Verführung in Las Vegas

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Ohne Gepäck und Papiere - nur mit einem Bademantel bekleidet - sitzt Kate Denton in einem Luxushotel in Las Vegas fest. Woher soll sie bloß das Geld für den Rückflug nehmen? In ihrer Not wendet sie sich an den Hotelbesitzer Nicolas Boudreaux. Der ist nicht nur äußerst hilfsbereit, sondern auch so sexy, dass Kate sich in das heißeste Liebesabenteuer ihres Lebens stürzt. Doch was als Affäre begann, wird bald mehr: Gegen ihren Willen muss sie sich eingestehen: Sie ist dabei, unrettbar ihr Herz zu verlieren! Ausgerechnet an einen Mann, der behauptet, nicht lieben zu können …


  • Erscheinungstag 29.11.2009
  • Bandnummer 0026
  • ISBN / Artikelnummer 9783862954797
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Ich habe Ihnen doch schon gesagt, dass ich keine Prostituierte bin!“ Kate Denton warf dem Mann auf der anderen Seite des Mahagoni-Schreibtisches einen Blick zu, der „mit mir ist nicht zu spaßen!“ bedeuten sollte. Angesichts der Tatsache, dass sie unter Jetlag litt, aufgewühlt und unter dem Hotel-Bademantel praktisch nackt war, gelang ihr das jedoch nur bedingt.

Der Mann antwortete nicht. Stattdessen tippte er unentwegt energisch mit einem Füller auf die Tischplatte, was in der Stille geradezu ohrenbetäubend wirkte. Die helle Sonne von Las Vegas schickte ihre Strahlen durch die Glaswand links von ihm, sodass sein Gesicht im Schatten lag und seine Miene nicht zu erkennen war, geschweige denn, was in ihm vorging.

Na super, dachte Kate, nachdem ich gerade die schlimmste Demütigung meines Lebens erlebt habe, werde ich nun von einem Hoteldirektor verhört, der sich für einen Gott hält.

Der Magen zog sich ihr zusammen, und sie wurde von einem unguten Vorgefühl ergriffen. Als der Hotelportier die Polizei hatte rufen wollen, hatte Kate darauf bestanden, mit dem Hoteldirektor zu sprechen. Doch sobald sie die luxuriösen Büroräume im Penthouse betreten hatte, waren ihr Zweifel gekommen. Dieser Mann verhielt sich nicht wie die Hoteldirektoren, denen sie bisher begegnet war.

Und offenbar genoss sein Berufsstand in den USA auch ein besonders hohes Ansehen, denn verglichen mit diesem Arbeitszimmer würde sogar das Oval Office im Weißen Haus schäbig wirken – edler blauer Teppichboden und Fenster, die vom Boden bis zur Decke reichten und aus denen man aufgrund der großartigen Lage des Hotels einen fantastischen Blick auf den Las Vegas Strip hatte. Doch nicht nur wegen des Ausblicks war Kate schwindelig: Der Raum war so groß, dass ein eigener Sitzbereich mit drei edlen Ledersofas darin Platz fand. Und das tolle Gemälde an der Wand gegenüber stammte von einem zeitgenössischen Künstler, von dem Kate wusste, dass seine Werke Millionen kosteten. Außerdem hatte Kate bemerkt, dass draußen nicht nur eine Sekretärin Wache hielt, sondern gleich drei. Kein Wunder also, dass der Mann sich für einen Gott hielt.

Als er nun endlich etwas sagte, ließ seine angenehm tiefe Stimme Kate zu ihrem Ärger erschauern. „Ich habe gar nicht gesagt, dass ich Sie für eine Prostituierte halte, Honey.“

Kate biss die Zähne zusammen, als sie seinen leicht amüsierten Tonfall wahrnahm. „Wer hat Ihnen eigentlich erlaubt, mich ‚Honey‘ zu nennen?“ Sie war froh, dass es ihr gelang, leicht herablassend zu klingen.

„Dafür brauche ich keine Erlaubnis“, erwiderte der Mann trocken. „Immerhin hat die betreffende junge Dame versucht, eine Tür in meinem Hotel einzutreten, wobei sie nichts als einen BH und einen Tanga trug.“

Kate schluckte. „Ich trage einen richtigen Slip, keinen Tanga“, platzte sie heraus und errötete, als sie daran dachte, wie der Portier sie ertappt und in einen Bademantel gesteckt hatte. Dass ihr Hinterteil von minimal mehr Stoff bedeckt wurde, erschien ihr plötzlich nicht mehr von Bedeutung – dass sie diese Tatsache gegenüber dem Hoteldirektor angesprochen hatte, beschämte Kate dagegen zutiefst.

„Ob nun ein richtiger Slip oder nicht, jedenfalls haben Sie eine Ruhestörung verursacht.“

Was hat der eigentlich für ein Problem?, dachte Kate. Immerhin war man mit ihr unsanft umgesprungen. Ja, sie war laut geworden und hatte gegen die Tür getreten. Aber das hätte doch jeder getan, der praktisch nackt auf dem Flur eines Hotels ausgesperrt worden war.

„Ich wollte zurück ins Zimmer.“

„Aber es war nicht Ihr Zimmer, stimmt’s?“ Als der Mann sich vorbeugte und die Ellenbogen auf den Schreibtisch stützte, schien ihm die Sonne ins Gesicht.

Kates Herz begann, heftig zu schlagen, denn ihr Gegenüber hatte ein unglaublich attraktives sonnengebräuntes Gesicht und grüne Augen, mit denen er sie eindringlich ansah. Schwarze Augenbrauen, markante Wangenknochen und dunkles lockiges Haar betonten seine maskuline Schönheit. Er ließ sich nicht anmerken, was in ihm vorging, und wirkte gleichzeitig einfach unwiderstehlich.

Wartete er etwa darauf, dass sie anfing dahinzuschmelzen? Kate zog den Gürtel des Bademantels enger zusammen und beschloss, auf keinen Fall schwach zu werden. Zum Glück war sie momentan ziemlich immun gegen Alpha-Männchen.

„Doch, es war mein Zimmer, oder zumindest hätte es das sein sollen“, entgegnete sie, schlang die Arme um ihren Körper und spürte die kalte Luft aus der Klimaanlage an ihren nackten Beinen.

Als der Mann den Blick über sie gleiten ließ, erschauerte sie. Na gut, dachte sie, vielleicht bin ich doch nicht so ganz immun.

„Sie werden nicht als Hotelgast geführt“, stellte ihr Gegenüber fest. „Mr. Rocastle dagegen schon. Und er hat sich über Sie beschwert. Erklären Sie mir doch bitte, warum ich Sie mitsamt Ihres ‚richtigen Slips‘ nicht einfach rauswerfen sollte.“ Wieder hatte seine Stimme jenen leicht amüsierten Ton.

Andrew Rocastle hatte sie reingelegt, sie praktisch überfallen und gedemütigt – und dieser Kerl schien das auch noch lustig zu finden!

„Ich kann nichts dafür, dass Mr. Rocastle meinen Namen heute Morgen beim Einchecken nicht angegeben hat. Und ich ging davon aus, dass er zwei Einzelzimmer gebucht hatte“, sagte Kate, noch immer aufgebracht wegen Andrews hinterlistigem Annäherungsversuch. „Außerdem bin ich Ihnen keine Erklärung schuldig. Schließlich sind Sie Hoteldirektor und nicht meine Mutter.“

Nicolas Boudreaux zog die Augenbrauen hoch. Die junge Frau sah so zart aus, hatte aber eine ziemlich große Klappe. Er hielt sich nicht für eingebildet, aber in der Regel verhielten sich Frauen ihm gegenüber wesentlich liebenswürdiger. Eine solche Feindseligkeit hatte er noch nie erlebt.

Normalerweise erfuhr er als Hoteldirektor von solchen Vorkommnissen gar nichts und brauchte sich erst recht nicht damit zu befassen. Doch da der Manager des „Phoenix“ heute freihatte und sein Stellvertreter eine Weiterbildung machte, hatte der Portier Nicolas’ Assistentin von der Angelegenheit berichtet. Aus Neugier hatte Nicolas nachgefragt, und da er sich den Rest der Woche freigehalten hatte, um sich auf eine Reise nach Kalifornien vorzubereiten, war ihm zum ersten Mal seit fast zehn Jahren langweilig gewesen.

Doch mit der Langeweile war es in dem Moment vorbei gewesen, als dieses streitlustige kleine Temperamentbündel in seinem Büro aufgetaucht war – in einem Bademantel und in äußerst kämpferischer Stimmung. Aus irgendeinem Grund fand Nicolas ihre frechen Retourkutschen äußerst unterhaltsam. Außerdem malte er sich aus, wie sie wohl auf dem Hotelflur ausgesehen hatte – ohne den Bademantel …

„Ich bin nicht nur der Direktor, sondern das Hotel gehört mir auch, ebenso wie zwei weitere im Südwesten.“

„Wie schön für Sie“, entgegnete die junge Frau, doch ihre Worte erzielten nicht die gewünschte Wirkung, weil ein Ausdruck von Panik über ihr Gesicht glitt.

„Alles, was hier passiert, geht mich etwas an. Das ist mir sehr wichtig“, fügte Nicolas hinzu und sah sie mit undurchdringlicher Miene an. Schließlich hätte er in seiner Jugend kein Vermögen beim Pokern machen können, wenn er sein Blatt zu früh gezeigt hätte. So einfach wollte er die junge Frau nicht davonkommen lassen. Immerhin hatte sie eine Störung verursacht, und er wollte unbedingt erfahren warum.

„Vielleicht sollte es Ihnen dann auch wichtig sein, dass ich meine Kleidung wiederbekomme“, erwiderte sie wütend.

Um Nicolas’ Mund zuckte es leicht. Mit ihrem blonden Haar, das ihr Gesicht in ungebändigten Wellen umrahmte, ihren zu einem empörten Schmollen verzogenen sinnlichen Lippen und ihren runden, funkelnden, blaugrünen Augen wirkte sie sehr süß, sehr wütend und sehr sexy. Wie eine Elfe, die ihre Aggressionen nicht im Griff hatte. Unwillkürlich verzog sich sein Mund zu einem Lächeln.

Die junge Frau kniff die Augen zusammen. „Finden Sie das Ganze etwa lustig?“, sagte sie mit eindeutig britischem Akzent.

Eigentlich hätte ihre Aussprache ihn an dünnen Tee und prahlerische Aristokraten erinnern müssen – zwei der Dinge, die er während der Jahre, die er als Teenager in London verbracht hatte, besonders gehasst hatte – doch bei dem leicht rauchigen, verführerischen Unterton musste er an zerwühltes Bettzeug und warme duftende Haut denken.

Nicolas räusperte sich. „Nein, als lustig würde ich es nicht bezeichnen. Und Sie werden Ihre Kleidung wiederbekommen. Aber zuerst möchte ich wissen, was Sie und Rocastle verbindet und was er getan hat, damit Sie beinahe Sachschaden in meinem Hotel angerichtet hätten.“

Kate fühlte sich in die Ecke gedrängt. „Ich bin seine Assistentin, oder zumindest war ich das mal.“ Sie hob das Kinn und riss sich mit aller Macht zusammen, damit ihre Stimme nicht zitterte. „Er wollte unsere Beziehung ‚auf eine neue Ebene führen‘, und ich nicht. Das ist alles.“

Vielleicht würde dieser neugierige amerikanische Adonis sie nun endlich gehen lassen. Er hatte ihr einen so glühenden Blick zugeworfen, als könnte er durch den Bademantel hindurchsehen. Das war nicht gut für ihren Puls und ebenso wenig für ihren Seelenfrieden.

Denn wie, um alles in der Welt, konnte sie diesen Mann nur attraktiv finden? Zugegeben, er sah einfach fantastisch aus, aber bisher hatte er sich als sehr von sich überzeugt und unsensibel erwiesen.

„Verstehe“, sagte er jetzt mit leicht ironischem Tonfall. „Und das haben Sie ihm in Ihrer Unterwäsche mitgeteilt?“

„Ich wollte gerade duschen und wusste nicht, dass er die Suite für uns beide zusammen gebucht hatte.“ Kate kämpfte gegen die Tränen an, die ihr in die Augen stiegen. Hätte sie früher begriffen, warum Andrew sie eingestellt hatte, dann hätte sie zumindest einen Teil ihres Stolzes retten können. Dass sie dumm genug gewesen war, ihm zu vertrauen, schmerzte sie mehr als alles andere.

„Ich verstehe immer noch nicht, was Sie das alles angeht. Werden Sie mich anzeigen oder nicht?“

„Eher nicht“, erwiderte ihr Gegenüber nach einem kurzen Moment, der ihr wie eine Ewigkeit vorkam.

„Vielen Dank“, sagte Kate zutiefst erleichtert und stand auf.

„Moment, noch sind wir nicht fertig.“ Zu ihrem Entsetzen stand er auf und kam auf sie zu.

Er war sehr groß und schlank, und seine breiten Schultern zeichneten sich durch das feine Hemd aus teurem weißen Leinen ab. Sie selbst war nur ein Meter dreiundsechzig groß und musste also zu ihm aufschauen.

„Ich wüsste nicht, was wir noch zu besprechen hätten“, erwiderte sie, doch ihre Stimme bebte leicht.

„Ach, zum Beispiel …“, begann er langsam, hielt jedoch wieder inne, weil das Telefon klingelte. „Rühren Sie sich nicht von der Stelle.“ Er zeigte mit dem Finger auf sie, als wäre sie ein dressierter Beagle. Dann nahm er den Hörer ab und meldete sich barsch: „Boudreaux.“

Kate war wütend, doch ohne die Erlaubnis des Sexgottes würde sie sich ihre Sachen nicht aus Andrews Zimmer holen können.

„Hat er gesagt, wo er hinwollte?“, fragte der ‚Sexgott‘ ins Telefon und hörte dann aufmerksam zu, während er ihr Gesicht betrachtete. „Und was ist mit dem Pass?“ Er fluchte leise und strich sich durch die kurzen Locken.

Schließlich knallte er den Hörer auf die Gabel und wies mit dem Kinn auf einen ledergepolsterten Stuhl. „Setzen Sie sich lieber hin.“

Er klang gereizt, doch seine Augen drückten eine Wärme aus, die zuvor nicht da gewesen war. Kate setzte sich beklommen.

Ihr Gegenüber lehnte sich an den Schreibtisch. Er war ihr so nahe, dass Kate seinen maskulinen Duft wahrnehmen konnte. Sie konzentrierte sich auf die perfekte Bügelfalte seiner Hose und ignorierte, wie sich der teure Stoff um seine schlanken, durchtrainierten Oberschenkel spannte.

„Rocastle hat ausgecheckt.“

Ruckartig hob sie den Kopf und atmete hörbar aus, weil sie diesen verachtenswerten Mistkerl nun nie wiedersehen musste. „Dann geben Sie mir bitte den Zimmerschlüssel, damit ich mich anziehen und ebenfalls abreisen kann.“

„So einfach ist die Sache leider nicht. Er hat Ihr gesamtes Gepäck mitgenommen – bis auf Ihren Pass.“

„Was?“, fragte Kate fassungslos.

„Rocastle lässt Ihnen ausrichten, dass Sie entlassen sind und dass er Ihre Sachen mitnimmt und Ihr Flugticket zurückgibt, um für seine Ausgaben aufzukommen.“

Kate wurde von Panik ergriffen. „Wie soll ich denn jetzt zurück nach London kommen?“

Nicolas hatte damit gerechnet, dass sie wieder wütend werden würde, und sich sogar darauf gefreut, das temperamentvolle Funkeln in ihren Augen zu sehen. Doch als ihr Gesicht nun Verzweiflung und Verwirrung ausdrückte, fand er ihre Lage alles andere als lustig.

Ihr Liebhaber oder Chef, oder was auch immer er war, schien auch ziemlich anstrengend zu sein. Dass er einfach abgereist war und sie allein in einem fremden Hotel in einer fremden Stadt zurückgelassen hatte – noch dazu mit nichts am Leib als ihrer Unterwäsche –, das war schon eiskalt.

Sie senkte den Blick auf ihre Hände, die in ihrem Schoß ineinander verkrampft waren. Als sie wieder aufblickte, wirkte sie nicht wütend, sondern am Boden zerstört. Nicolas stellte fest, dass das Blaugrün ihrer Augen von einem dünnen intensivgrünen Ring umgeben war. Die ungewöhnliche Farbe wurde noch dadurch betont, dass ihre Augen feucht glänzten. Sie setzte sich aufrecht hin und schniefte leise, begann jedoch nicht zu weinen, wie Nicolas voller Anerkennung feststellte.

„Soll ich die Polizei anrufen?“, fragte er, weil er dies für den logischen nächsten Schritt hielt.

Sie schüttelte den Kopf. „Darf ich Sie um einen Gefallen bitten?“

Jetzt würde sie ihn um Geld bitten. Eigentlich nicht überraschend, denn sie steckte in der Klemme, und nach ihrem Akzent und ihrem Verhalten zu urteilen, war sie die verwöhnte Tochter arroganter reicher Briten. Dennoch war Nicolas zu seiner eigenen Überraschung enttäuscht. „Ja“, sagte er nur.

„Könnte ich für Sie arbeiten? Ich habe Erfahrung als Bedienung am Tresen, als Kellnerin und als Zimmermädchen.“

Sie haben Toiletten geschrubbt?“ Nicolas konnte sich das noch eher von der Queen vorstellen.

„Ja“, bestätigte sie ein wenig pikiert.

„Haben Sie denn eine Arbeitserlaubnis?“

„Ja, ich bin in New York geboren und habe die doppelte Staatsbürgerschaft.“

„Gut. Wir können sicher etwas für Sie finden, aber Sie brauchen doch gar keine Arbeit, sondern müssen nur die Polizei darüber informieren, dass Ihr Freund …“

„Er ist nicht mein Freund“, fiel sie ihm ins Wort.

„Also gut, trotzdem kann er nicht einfach Ihre Sachen klauen.“

„Es ist ja nur Kleidung – die kann Andrew von mir aus behalten.“

„Sie vergessen etwas.“

Ihre Augen funkelten aufgebracht. „Und was?“

„Sie können nicht in Unterwäsche am Tresen arbeiten.“

„Da haben Sie wahrscheinlich recht“, erwiderte Kate und versuchte, flapsig zu klingen, doch unter seinem durchdringenden Blick ließ ihr Kampfgeist nach.

Sie war zu stolz, um die Polizei einzuschalten. Und auf keinen Fall wollte sie Andrew je wiedersehen. Andererseits hatte sie nur zwanzig Pfund im Portemonnaie, denn bei ihrer Ankunft bei der Arbeit am Vortag hatte sie nicht damit gerechnet, mit ihrem Chef auf „Geschäftsreise“ nach Las Vegas zu gehen. Sie hatte keine Arbeit mehr, der Rahmen ihrer Kreditkarte war ausgeschöpft, und keiner ihrer Freunde könnte ihr genug Geld leihen, damit sie nach Hause fliegen konnte. Und ihren Vater würde sie um keinen Preis um Hilfe bitten. Kate schlug sich aus gutem Grund allein durch, seit sie siebzehn war.

Sie versuchte, ihre Panik in den Griff zu bekommen, bekam aber Magenschmerzen beim Gedanken daran, dass sie dem Mann vor sich praktisch ausgeliefert und auf ihn angewiesen war, wenn sie sich aus ihrer misslichen Lage befreien wollte. Denn Kate fand es furchtbar, jemandem etwas zu schulden, besonders einem so reichen, von sich überzeugten Kerl wie ihm.

Sie ballte die Hände zu Fäusten und sagte: „Ich weiß, es ist ein bisschen frech, aber …, wenn ich morgen anfange zu arbeiten, können Sie mir dann einen Gehaltsvorschuss geben?“

Nicolas merkte deutlich, wie schwer ihr diese Bitte fiel. Ihr ohnehin blasses Gesicht war nun aschfahl, und sie saß sehr steif und aufrecht da. Dennoch überraschte es ihn selbst, wie stark sein Wunsch war, den niedergeschlagenen Ausdruck aus ihren Augen zu vertreiben.

Denn eigentlich war er keiner dieser Männer, die sich der Rettung in Not geratener junger Damen verschrieben hatten. Vielleicht lag es an dieser Kombination aus Verletzlichkeit und Mut, vielleicht auch an ihrer Offenheit. Immerhin hätte sie ja auch einfach ihr Aussehen einsetzen und auf die Waffen der Frauen vertrauen können. Doch das hatte sie nicht getan, und das rechnete Nicolas ihr hoch an.

„Die Suite ist bis übermorgen bezahlt“, log er. „Ich werde den Portier anweisen, Sie hineinzulassen. Und dann lassen wir Ihnen Kleidung bringen.“

Auf dem Gesicht der jungen Engländerin spiegelten sich Erleichterung und Überraschung, doch dann wirkte sie misstrauisch. „Ich …“ Sie hielt kurz inne und fuhr dann fort: „Das ist sehr großzügig von Ihnen.“ Wieder zögerte sie. „Es tut mir leid, dass ich so unhöflich zu Ihnen war. Der Tag war ziemlich anstrengend für mich.“

„Schon in Ordnung“, erwiderte Nicolas schulterzuckend und hatte leichte Gewissensbisse, weil er sie auf diese Weise köderte.

Sie reichte ihm die Hand. „Ich heiße übrigens Kate Denton.“

Kate. Der nette, schlichte und unscheinbare Name passte gar nicht zu ihr.

„Nicolas Boudreaux. Schön, Sie kennenzulernen.“ Nicolas nahm ihre Hand und stellte überrascht fest, dass Kate erschauerte, bevor sie ihre Hand wieder zurückzog.

„Was für eine Kleidergröße haben Sie?“, fragte er und ließ den Blick über sie gleiten.

„In den USA wäre es Größe acht“, erwiderte Kate errötend.

Es gefiel ihm, dass er ihr offenbar auch nicht ganz gleichgültig war.

„Ich fange gleich morgen früh an zu arbeiten“, sagte sie betont geschäftsmäßig. „Wahrscheinlich wache ich wegen der Zeitverschiebung sowieso schon beim Morgengrauen auf.“

„Meine Personalchefin wird sich bei Ihnen melden“, erklärte Nicolas, hatte jedoch keinesfalls vor, ihr eine Stelle zu geben. Er würde den Portier beauftragen, ihr ein paar Hundert Dollar zu geben, ihr einige Outfits aufs Zimmer bringen lassen und ihr dann einen Flug nach Hause buchen.

„Denken Sie daran, die Kosten für die Kleidung von meinem Lohn abzuziehen“, sagte Kate und wandte sich zum Gehen.

Nicolas blickte ihr nach. Ihre nackten Füße sanken in den dicken Teppich ein, sodass sie fast wie ein Kind wirkte. Doch dann bemerkte er, wie gerade sie sich hielt und wie verführerisch ihre Hüften schwangen.

Sie ist wirklich etwas Besonderes, dachte er, als sich die Tür hinter ihr schloss. Kate würde ihm fehlen – und das, obwohl er sie gerade erst kennengelernt und sie nicht gerade mit ihm geflirtet hatte.

Nicolas setzte sich an den Schreibtisch, um aufzuschreiben, was er vor seiner Reise nach Kalifornien Ende der Woche noch erledigen musste.

Zwanzig Minuten später hatte er sich noch keinen einzigen Punkt notiert.

„Mist!“ Er riss das Blatt ab, knüllte es zusammen und warf es in den Papierkorb. Er konnte sich einfach nicht konzentrieren, weil vor seinem inneren Auge ständig eine Elfe mit blauen Augen, blondem Haar und einem sehr eigenen Kopf auftauchte.

Warum faszinierte Kate Denton ihn so? Sie war zwar hübsch, aber eigentlich nicht sein Typ: Nicolas mochte elegante, weltgewandte und vor allem berechenbare Frauen. Nach ihrer kurzen Begegnung zu urteilen, war die junge Frau mit dem „richtigen Slip“ so berechenbar wie Fortuna.

Nicolas stand auf und rieb sich den Nacken.

Vielleicht war genau das der Grund. Vor zehn Jahren hatte er mit dem Spielen aufgehört und sein ganzes Geld und seine gesamte Zeit in den Aufbau seines Hotel-Imperiums investiert, um die düstere Welt hinter sich zu lassen, in der er aufgewachsen war. Die Frauen, mit denen er seitdem ausgegangen war, benahmen sich untadelig, waren bildschön und machten es ihm immer leicht. Und sie gaben ihm nie so freche Antworten, wie Kate Denton es getan hatte. Mit anderen Worten: Es war viele Jahre her, dass Nicolas den Nervenkitzel verspürt hatte, eine Frau erobern zu müssen.

Jetzt, mit zweiunddreißig, wurde er von der Newsweek als einer der zehn erfolgreichsten Unternehmer Amerikas bezeichnet. Er nannte ein Strandhaus auf den Bahamas und einen Privatjet sein Eigen. Und das Phoenix hatte sich von einem kleinen Casino-Hotel in Vegas zur begehrtesten Hotelkette im gesamten Südwesten der USA entwickelt.

Nicolas ging zum Fenster und blickte nach draußen. Zwanzig Stockwerke tiefer lag der Strip im Sonnenlicht fast nackt dar. Ohne die nächtliche Dunkelheit und das Blinken von Millionen bunter Lichter wirkten die Straßen öde. Die Stadt war auf dem Versprechen des schnellen Geldes errichtet – ein Versprechen, das Leben zerstören konnte. Auch Nicolas wäre das um ein Haar passiert. Und da er sein altes Leben endgültig hinter sich lassen wollte, musste er auch Las Vegas verlassen. Er hatte mit der Phoenix-Kette erfolgreich in New Mexico und Arizona expandiert und beschlossen, das Ursprungshotel zu verkaufen.

Laut Monty, seinem besten Freund und Manager, konnte das Ganze in wenigen Wochen über die Bühne gehen. Nicolas konnte jetzt also wirklich keine Ablenkung gebrauchen. Aber wenn sein Traum nun in Erfüllung ging, warum fühlte er sich dann noch immer so leer und trostlos wie die Stadt, die er inzwischen so verachtete?

Das Zusammentreffen mit der streitlustigen, äußerst faszinierenden Kate Denton hatte ihm klargemacht, dass sich durch geschäftliche Pläne sein Problem nur teilweise lösen ließ. Auch in seinem Privatleben musste sich grundsätzlich etwas ändern. Nicolas dachte an die oberflächlichen Affären, auf die er sich in den letzten Jahren eingelassen hatte, und an das alte Sprichwort „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen.“ Zum ersten Mal seit langer Zeit hatte er ein paar Tage frei, das war doch der perfekte Zeitpunkt für ein bisschen „Vergnügen“. Und die eigensinnige Kate Denton wäre eine willkommene Herausforderung.

Nicolas musste an ihr bezauberndes Gesicht, ihr ungebändigtes blondes Haar, die faszinierenden blauen Augen und ihre sinnlichen Lippen denken, die zum Küssen geradezu einluden. Er wurde von heftigem Verlangen erfasst.

Als er die Nummer der Rezeption wählte, fühlte er sich so lebendig wie seit Jahren nicht mehr. Zwar würden sie nur wenige Tage Zeit haben, um miteinander Spaß zu haben, aber er war fest entschlossen, Miss Kate Denton und ihren „richtigen Slip“ besser kennenzulernen.

2. KAPITEL

Im Gegensatz zur weit verbreiteten Meinung fand Kate nicht, dass Weinen guttat. Man fühlte sich danach schlechter – und sah auch so aus, wie sie bei einem Blick in den Badezimmerspiegel feststellte.

Ich hätte ahnen müssen, was Andrew vorhatte, dachte sie und betrachtete ihre geröteten Augen. Ursprünglich hatte sie angenommen, Andrews Interesse an ihr beruhe auf Anerkennung und gegenseitigem Respekt. Dabei gab es doch schließlich kaum einen Mann, der Anerkennung und Respekt für Frauen empfand, die eine eigene Meinung hatten und diese auch äußerten. Ihr Vater war da keine Ausnahme gewesen.

Wie immer, wenn sie an ihren Vater dachte, wurde Kate von tiefer Traurigkeit und dem Gefühl erfüllt, nicht gut genug zu sein.

James Dalton Asquith III hatte ihre Mutter nur aus einem Grund gewollt – und eine Tochter hatte er sich ganz sicher nie gewünscht. Als er Kate nach dem Tod ihrer Mutter bei sich hatte aufnehmen müssen, hatte sie alles versucht, um ihm zu gefallen. Mit siebzehn hatte sie sich dann endlich eingestanden, dass die Schuld nicht bei ihr, sondern bei ihm lag. Diese Erkenntnis machte es noch schwerer erträglich, dass seine Ablehnung sie in einem verborgenen Winkel ihres Herzens noch immer schmerzte.

Damals von Zuhause wegzugehen war das Beste gewesen, was sie je getan hatte. Kate hatte es als unglaublich befreiend empfunden, festzustellen, dass sie von ihrem Vater weder Anerkennung noch Almosen brauchte. Sie atmete tief ein, trocknete sich die Tränen und beschloss, nie wieder wegen ihres Vaters zu weinen – und auch nicht wegen Andrew Rocastle.

Als sie aus dem Badezimmer ging, fiel ihr Blick auf die Couch, auf der Andrew unerwartet gesessen hatte, als sie aus der Dusche gekommen war. Mit aller Macht verdrängte Kate den Gedanken an dieses unangenehme Erlebnis, denn sie hatte dringendere Probleme: Sie war wieder da, wo sie vor zehn Jahren gestanden hatte, als sie sich von ihrem Vater und seiner Gleichgültigkeit losgesagt und Toiletten geschrubbt hatte. Nur dass sie es jetzt Tausende von Meilen weit weg von Zuhause tun würde – und es ihr an Kleidungsstücken mangelte.

Kate sank aufs Sofa. Zumindest habe ich etwas aus dem Ganzen gelernt, dachte sie: Wenn etwas zu gut wirkt, um wahr zu sein, ist es das meistens auch.

Sie schaltete den Fernseher an. Doch wann immer ein Mann auf dem riesigen Plasmabildschirm erschien, verglich sie ihn unwillkürlich mit Nicolas Boudreaux, der mit seinen faszinierenden grünen Augen, den breiten Schultern und der zutiefst maskulinen Ausstrahlung jedes Mal besser abschnitt.

Frustriert schaltete sie den Fernseher wieder aus. Sie hatte sich doch gerade geschworen, nie wieder auf einen Mann angewiesen zu sein! Von Nicolas Boudreaux sollte sich jede Frau, der ihre Unabhängigkeit wichtig war, lieber fernhalten – das war ihr schon nach zwanzig Minuten klar gewesen.

Hör sofort auf, an ihn zu denken, ermahnte Kate sich, verärgert und erschrocken über das ganz neue Gefühl heftiger Erregung, das sich in ihrem Innern ausbreitete.

In diesem Moment klopfte es an der Tür. Eine junge Frau mit diesem typischen strahlenden Verkäuferinnen-Lächeln stellte sich als Michelle vor. „Ich komme im Auftrag von ‚Ella’s Boutique‘ unten im Hotel. Mr. Boudreaux hat uns gebeten, Ihnen eine Auswahl von Outfits zu zeigen.“ Sie rollte einen Kleiderständer in die Suite. „Sie sollen sich so viele davon aussuchen, wie Sie während Ihres Aufenthalts bei uns benötigen.“

Kate war sprachlos, denn eigentlich hatte sie damit gerechnet, einen oder zwei hoteleigene Overalls zu bekommen. Sie ließ den Blick über Seidenkleider, Designer-Jeans, Kaschmirpullover und ein Dolce und Gabbana-T-Shirt gleiten, befühlte den tieflilafarbenen seidenglatten Stoff eines Satin-Oberteils, nahm es vom Kleiderständer und betrachtete die perfekte Verarbeitung und den mit winzigen Perlen besetzten Ausschnitt. Ein so wunderschönes Kleidungsstück hatte sie noch nie in ihrem Leben besessen, und wahrscheinlich auch kein so teures.

„Warum sind da keine Preisschilder dran?“, fragte sie und hängte das Teil zurück an den Kleiderständer.

„Mr. Boudreaux hat gesagt, dass alles auf Kosten des Hotels geht“, erwiderte die junge Frau strahlend.

Autor

Heidi Rice

Heidi Rice wurde in London geboren, wo sie auch heute lebt – mit ihren beiden Söhnen, die sich gern mal streiten, und ihrem glücklicherweise sehr geduldigen Ehemann, der sie unterstützt, wo er kann. Heidi liebt zwar England, verbringt aber auch alle zwei Jahre ein paar Wochen in den Staaten: Sie...

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