Adam liebt Eve

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Absolut erregend findet es Jocelyn, wie dieser blenden aussehende Fremde mit ihr flirtet. Sie genießt seine bewundernden Blicke. Heute Nacht will sie mit ihm Adam und Eve spielen - sinnlich und sorglos wie im Paradies... Aber am nächsten Morgen ist die erfolgreiche Journalistin Jocelyn über sich selbst entsetzt. Sie will ihren Liebhaber - den bekannten Architekten Daniel - nie wiedersehen. Doch der Zufall bringt sie erneut zusammen. Nie wieder wollen sie sich trennen! Dann wird Jocelyn jedoch von Daniel in einer zweideutigen Situation mit ihrem Ex-Verlobten Peter überrascht. Ohne ihr Gelegenheit zu einer Erklärung zu geben, verlässt Daniel sie wütend endgültig. Jocelyn versucht, ihn zu vergessen. Aber wie soll ihr das gelingen? Schließlich erwartet sie sein Baby ...


  • Erscheinungstag 11.09.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733727581
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Sowie sie sicher sein konnte, dass sie allein auf dem Balkon war, gab Jocelyn Hunter es auf, eine fröhliche Miene aufzusetzen. Es war anstrengend, stundenlang zu lächeln und sich angeregt mit anderen Partygästen zu unterhalten, wenn einem überhaupt nicht danach war. Jetzt konnte sie nicht mehr. Sie war nur zu dieser Verlobungsparty gekommen, um Anna nicht zu enttäuschen, mit der sie schon seit vielen Jahren befreundet war.

In ihrem ärmellosen Kleid fröstelte Jocelyn, denn es wehte eine recht kühle Brise. Hoffentlich kann ich mich bald verabschieden, dachte sie. Aber wo sollte sie dann hin? Etwa in ihre leere Wohnung? Wütend betrachtete sie die Aussicht, bis ein diskretes Hüsteln an der Balkontür verriet, dass sie nicht mehr allein war. Als sie sich unwillig umdrehte, bemerkte sie einen großen Mann, der in jeder Hand ein Glas hielt.

„Ich habe beobachtet, wie Sie sich davongestohlen haben.“ Er hielt ihr ein Glas hin. „Ich dachte, Sie hätten vielleicht gern einen Schluck getrunken.“

Da es sehr unhöflich gewesen wäre, einem von Annas Gästen eine rüde Abfuhr zu erteilen, bedankte Jocelyn sich und nahm das Glas.

„Möchten Sie lieber allein sein?“, fragte der Mann nach längerem Schweigen.

Jocelyn sah auf und musste den Kopf zurücklegen, um ihn ansehen zu können. Das Gefühl war etwas ganz Neues für sie. „Sie haben ebenso das Recht, über den Hydepark zu blicken wie ich“, sagte sie und zuckte die Schultern.

„Okay, dann bleibe ich.“ Er stieß mit ihr an. „Worauf trinken wir?“

„Auf das glückliche Paar?“

„Auf das glückliche Paar.“ Er trank nur einen winzigen Schluck.

„Mögen Sie keinen Champagner?“, fragte sie höflich.

„Nein. Sie?“

Sie schüttelte den Kopf. „Ich kann das Zeug nicht leiden, aber das muss unter uns bleiben.“

„Ihr Geheimnis ist bei mir bestens aufgehoben“, versicherte er ihr.

Jocelyn lehnte sich an einen Pfeiler und wunderte sich darüber, dass sie sich so bereitwillig mit dem Mann unterhielt. Jedenfalls war es besser, nicht mehr allein zu sein. „Sind Sie mit Hugh befreundet?“

„Nein.“ Er zuckte die breiten Schultern. „Ein Bekannter hat mich mitgeschleift.“

Sie musterte ihn amüsiert. „Sie sind eigentlich zu groß, um mitgeschleift zu werden. Warum hatten Sie denn keine Lust, zu dieser Party zu kommen?“

„Ich mache mir nichts aus solchen Veranstaltungen. Aber mein Bekannter hat darauf bestanden, dass ich mich auch mal amüsiere und nicht immer nur arbeite.“ Er lehnte sich lässig gegen die andere Seite des Pfeilers. „Damit liegt er mir ständig in den Ohren. Ab und zu gebe ich daher nach. Sie brauchen den Champagner nicht zu trinken, wenn Sie ihn nicht mögen“, fügte er hinzu.

„Ich habe mich die ganze Zeit mit Mineralwasser begnügt. Ein Glas Champagner hebt vielleicht meine Stimmung.“ Sie trank das Glas in einem Zug leer.

Der Mann nickte nachdenklich. „Ich verstehe.“

„Was verstehen Sie?“

„Ich beobachte Sie schon eine ganze Weile. Ihre Körpersprache ist sehr ausdrucksvoll.“

Gespielt entsetzt sah Jocelyn ihn an. „Was haben Sie denn daraus gefolgert?“

„Dass irgendwas in Ihrem Leben schief gelaufen ist.“

„Aha. Und deshalb haben Sie beschlossen, mir das Allheilmittel Champagner herauszubringen. Spielen Sie öfter den barmherzigen Samariter?“

„Nein, eigentlich nie.“

„Und warum tun Sie es jetzt?“

Er beugte sich vor. „Aus verschiedenen Gründen. Hauptsächlich aber, weil ich neugierig bin.“

„Worauf?“

„Die Stimmung hinter dem aufgesetzten Lächeln.“

„Oh. Und ich dachte, man würde mir nichts anmerken.“ Jocelyn wandte sich ab und ließ den Blick über den Park gleiten.

„Außer mir hat niemand etwas bemerkt.“

„Hoffentlich haben Sie recht. Ich möchte Anna nämlich auf keinen Fall das Fest verderben.“

„Sind Sie mit Anna befreundet?“

„Ja. Sie ist meine älteste und beste Freundin. Heute Abend ist sie viel zu aufgeregt, um zu bemerken, dass etwas nicht stimmt.“

Der Mann kam um den Pfeiler herum und stellte sich so dicht zu Jocelyn, dass er mit dem Smokingärmel ihren nackten Arm berührte. Ein Schauer überlief sie.

„Wohnen Sie bei Anna?“, fragte der Mann.

„Nein.“ Sie fröstelte.

„Ihnen ist kalt. Vielleicht sollten Sie wieder hineingehen.“

„Noch nicht. Aber lassen Sie sich nicht aufhalten.“

„Möchten Sie mich los sein?“

„Von mir aus können Sie gern bleiben.“ Sie hoffte, dass er ihr weiterhin Gesellschaft leisten würde. Er war wirklich sehr groß, hatte ein beeindruckendes Profil und dichtes dunkles Haar. Mehr konnte sie in der Dunkelheit leider nicht erkennen. Aber was sie sah, gefiel ihr ausnehmend gut.

„Kommen Sie, gleich wird Ihnen wärmer.“ Fürsorglich legte er ihr sein Jackett um die Schultern, das nach einem frischen Eau de Cologne duftete. „In dem Fähnchen holen Sie sich sonst noch eine Lungenentzündung.“

Jocelyn lachte amüsiert und verlegen zugleich. „Haben Sie etwas gegen das Kleid?“

„Ja.“

„Warum?“

„Wären Sie meine Freundin, würde ich Sie so nicht losziehen lassen.“

Sie musterte ihn vernichtend. „Ich muss doch sehr bitten.“

„Ich bin nicht gerade für mein Taktgefühl bekannt“, gab er zu und konnte sich nur mit Mühe ein Lächeln verbeißen. „Sie haben gefragt, und ich habe geantwortet.“

„Stimmt.“ Jocelyn hatte sich schnell wieder beruhigt. „Das Kleid war sehr teuer, ich habe es extra für Annas Verlobungsfeier gekauft. Mir gefällt es.“

„Mir auch.“

Das Kleid war aus schwarzem Crêpe de Chine, eng anliegend und knöchellang. Es war am Dekolleté und am Saum mit Spitzen besetzt, hatte Spaghettiträger und war bis zu den Knien geschlitzt. „Aha, es gefällt Ihnen also, aber Sie haben etwas dagegen“, stellte sie amüsiert fest.

„Genau.“

„Und ich war so sicher, dass ich darin eine gute Figur machen würde“, sagte sie gespielt enttäuscht.

„Alle Männer hier finden Sie einfach sensationell“, versicherte er ihr.

„Außer Ihnen.“

„Ich ganz besonders. Aber es ist ein zweideutiges Kleid.“

Jocelyn fand langsam Gefallen an der Unterhaltung. „Das ist aber eine komische Beschreibung für ein Kleidungsstück.“

Er lachte mit tiefer Stimme. „Sie mögen es als Partykleid gekauft haben, aber ich finde, es gehört eher ins Schlafzimmer.“

„Es ist ganz bestimmt kein Nachthemd.“ Sie hob herausfordernd das Kinn. „In so einem Ding würde ich niemals schlafen.“

„Jetzt haben Sie meine Neugier erst recht geweckt. Ich würde zu gern wissen, was Sie im Bett tragen oder nicht tragen“, sagte er leise.

Jocelyn überlief ein Schauer. „Das ist eine ungebührliche Unterhaltung.“

„Wieso?“

„Wir kennen uns doch gar nicht.“

„Dem kann abgeholfen werden.“ Der Mann umfasste ihre Hand mit warmem, festem Griff. „Verraten Sie mir Ihren Namen.“

Jocelyn senkte den Blick. Der harmlose Händedruck erregte sie seltsamerweise. „Ach, ich möchte heute Abend jemand anders sein“, behauptete sie. „Sagen Sie einfach Eve zu mir.“

„Dann bin ich Adam.“ Der Mann schüttelte ihr höflich die Hand. „Die Party nähert sich ihrem Ende. Nehmen Sie sich eines einsamen Mannes an, Miss Eve. Gehen Sie mit mir essen.“

Sie sah ihn direkt an. „Ich dachte, Sie hätten einen Bekannten begleitet.“

„Ja, aber es würde ihm nichts ausmachen.“ Er sah ihr in die Augen. „Was hatten Sie heute Abend denn ursprünglich vor?“

Wieder wandte sie sich ab und ließ den Blick über den Hydepark gleiten. „Eigentlich hatte ich eine Verabredung, doch daraus ist dann doch nichts geworden. Deshalb komme ich auch nicht richtig in Partystimmung und habe keine Lust, in ein Restaurant zu gehen, Adam.“

„Dann könnte ich uns etwas auf mein Hotelzimmer bringen lassen“, sagte er und lachte, als er ihren vernichtenden Blick auffing. „Ich lade Sie wirklich nur zum Abendessen ein, Eve. Keine Angst.“

„Wenn ich die Einladung annehme, könnten Sie eventuell weit mehr von mir erwarten.“

„Ich habe Sie schon den ganzen Abend lang beobachtet“, gab er zu bedenken. „Daher weiß ich inzwischen, dass Sie nicht so ein Mädchen sind.“

„Tatsächlich?“ Jocelyn gab ihm das Jackett zurück. „Sie sind eindeutig im Vorteil, Adam. Wenn Sie mich schon die ganze Zeit beobachtet haben, wissen Sie wenigstens, wie ich aussehe. Leider hatte ich noch keine Gelegenheit, Ihr Gesicht richtig zu sehen.“

Er schlüpfte in sein Jackett und stellte sich so hin, dass das Licht aus dem Ballsaal auf ihn fiel.

Nun konnte Jocelyn erkennen, dass er eine leicht gebogene Nase hatte, einen ausdrucksvollen Mund, hohe Wangenknochen und leicht schräg gestellte Augen.

Er zog eine Augenbraue hoch. „Und, wie ist es?“, fragte er trocken. „Habe ich den Test bestanden?“

Mit eins plus, dachte sie und nickte. „Okay, Adam. Ich würde gern mit Ihnen zu Abend essen, aber nicht in Ihrem Hotelzimmer.“

Er lächelte. „Dann sagen Sie mir, in welchem Restaurant Sie gern essen würden, und ich lasse einen Tisch reservieren.“

Einfach so? Sie musterte ihn neugierig. Kein Restaurantbesitzer würde diesem Mann einen Tisch verweigern. Einen Moment lang überlegte sie, ob sie es auf einen Versuch ankommen lassen sollte, dann überlegte sie es sich doch anders. „Wie Sie wissen, bin ich nicht gerade in Partylaune. Aber wenn Sie möchten, könnten wir bei mir zu Abend essen.“

Adam lächelte amüsiert. „Können Sie kochen?“

„Ich sagte ‚Abendessen‘, nicht ‚Haute Cuisine‘“, antwortete sie.

Er lachte und umfasste ihre Hand. „Herzlichen Dank für die Einladung, Miss Eve.“

Bei der Berührung überlief sie wieder ein Schauer, den Jocelyn jedoch nicht weiter beachtete. „Wollen wir gehen?“, fragte sie kurz angebunden. „Aber nicht zusammen. Sie verabschieden sich zuerst.“

Er nickte. „Einverstanden. Wir sehen uns dann in zwanzig Minuten vor dem Hoteleingang. Ich warte in meinem Wagen auf Sie.“

Als Jocelyn wieder allein war, lehnte sie sich über die Balkonbrüstung und war fast sicher, dass sie sich diese Begegnung nur eingebildet hatte. Doch als sie durch einen Spalt im Vorhang blickte, entdeckte sie ihren neuen Bekannten, der sich angeregt mit Anna und Hugh unterhielt. Wirklich sehr nett, dachte sie und wartete, bis er sich verabschiedet hatte, bevor sie den Saal betrat, um sich selbst von Anna und Hugh zu verabschieden.

„Wir wollten gerade einen Suchtrupp losschicken. Wo hast du eigentlich die ganze Zeit gesteckt, Jocelyn?“, fragte Anna pikiert.

„Ich war auf dem Balkon und habe die Aussicht bewundert“, antwortete Jocelyn gelassen.

„Allein?“ Hugh lächelte frech.

„Wo denkst du hin.“ Sie klimperte gespielt kokett mit den Wimpern. „So, jetzt muss ich aber los. Ich bin zum Abendessen verabredet. Vielen Dank für die schöne Party. Bis bald.“ Sie umarmte Anna herzlich, küsste Hugh auf die Wange, verabschiedete sich von den anderen Gästen, die sie kannte, und verschwand im Waschraum, wo sie ihr Make-up auffrischte. Dann nahm sie den Fahrstuhl zum Foyer. Ein Mann in Livree führte sie zu einem wartenden Wagen.

„Sie haben sich verspätet“, murrte Adam, sowie sie auf dem Beifahrersitz saß.

„Tut mir leid, ich konnte nicht eher weg.“ Zögernd nannte sie ihm ihre Adresse und hoffte, wirklich keinen Fehler zu machen. Heutzutage konnte man ja nie wissen …

„Ich dachte schon, Sie hätten es sich anders überlegt“, sagte er und fuhr los.

Konnte er etwa Gedanken lesen? „Dann hätte ich Ihnen eine Nachricht zukommen lassen“, antwortete sie kühl.

„Aha. Eine Frau mit Prinzipien.“

„Allerdings.“ Jocelyn betrachtete sein Profil.

Adam lächelte verstohlen. „Ich habe Sie schon richtig verstanden. Keine Sorge, Eve.“

„Gut. Was hat Ihr Freund eigentlich gesagt, als Sie sich verabschiedet haben?“

„Als er hörte, dass ich mit einer Schönheit zum Abendessen verabredet bin, hat er mir seinen Segen gegeben.“

Sie lachte. „Sie kennen sich wohl schon sehr lange.“

„Ja, unser ganzes Leben lang.“

„Wie Anna und ich.“ Sie seufzte. „Hoffentlich macht Hugh sie glücklich!“

„Haben Sie Grund, das Gegenteil zu befürchten?“

„Nein. Ich finde Hugh sehr sympathisch.“

„Dann haben Sie etwas gegen die Ehe?“

„Eigentlich nicht. Ich mache mir nur Sorgen um Anna. Sie ist so sicher, dass sie glücklich und zufrieden leben werden, bis ans Ende ihrer Tage, und ich bin etwas realistischer. Viele Ehen werden geschieden.“

„Überlassen Sie Ihre Freundin ruhig ihrem Verlobten. Er ist nämlich völlig vernarrt in Anna. Und Sie konzentrieren sich auf Ihr eigenes Leben, Eve.“

„Vielen Dank für den guten Ratschlag.“ Sie unterhielten sich, bis Adam den Wagen vor dem modernen Wohnblock in Notting Hill parkte, in dem Jocelyn ein Apartment hatte. Das Haus fügte sich erstaunlich gut in seine viktorianische Nachbarschaft ein.

„Ich wohne im sechsten Stock“, sagte Jocelyn, als sie den Lift betraten. Sie fühlte sich etwas beengt, weil Adam so viel Platz für sich beanspruchte.

Er musterte sie besorgt. „Sie bedauern Ihren Entschluss, oder?“

„Ja und nein.“

„Dann werde ich Sie jetzt zur Wohnungstür bringen und mich dann verabschieden.“

So hatte sie es nun auch wieder nicht gemeint! „Aber nein“, widersprach sie bestimmt. „Ich habe Sie zum Essen eingeladen, und dabei bleibt es.“ Sie sah ihn fragend an. „Hätten Sie mich wirklich nur zur Tür gebracht?“

„Wenn Sie es so gewollt hätten. Aber nur widerwillig.“ Er drückte ihr beruhigend die Hand. „Ich halte mein Wort, Eve.“

„Wenn ich davon nicht überzeugt wäre, hätte ich Sie nicht eingeladen“, versicherte sie ihm.

Jocelyn führte ihren Gast durch den schmalen Korridor ins Wohnzimmer. Die großen Fenster gaben den Blick auf einen Garten frei, der von allen Bewohnern der umliegenden Häuser benutzt wurde. Das Zimmer war geräumig und lediglich mit frei stehenden Regalen, auf denen zwei Messinglampen standen, einem kleinen Sofa und einem großen Sitzkissen möbliert.

„Setzen Sie sich bitte“, sagte Jocelyn. „Es wird nicht lange dauern, bis ich das Abendessen zubereitet habe. Zum Glück habe ich heute eingekauft. Allerdings hatte ich nicht mit Gesellschaft gerechnet und kann Ihnen daher nur Rotwein oder Whisky anbieten.“

„Ich nehme gern ein Glas Wein.“ Adam setzte sich aufs Sofa und streckte seine endlos langen Beine aus. „Aber erst zum Essen. Rotwein soll ja erst atmen, bevor man ihn trinkt. Kann ich Ihnen helfen?“

Sie lachte und schüttelte den Kopf. „In meiner Küche ist kein Platz für Riesen. Machen Sie es sich gemütlich, es dauert nicht lange.“

Beim Herrichten des Abendessens dachte Jocelyn über ihren neuen Bekannten nach. Er gefiel ihr sehr gut, denn er war kein Schönling, sondern ein anziehender Mann mit markantem Äußeren. Sie machte Kopfsalat mit Essig und Öl an, zerteilte ein kaltes Brathähnchen in mundgerechte Stücke, schnitt ein Baguette auf und bestrich die Scheiben mit Butter und legte ein Stück Käse auf einen Teller. Dann richtete sie Hähnchen und Salat auf zwei Tellern an, wobei sie Adam eine größere Portion zudachte, und stellte die Teller auf ein Tablett mit Besteck, Servietten und Gläsern. Nachdem sie das Brot, den Käse und Wein sowie eine Schale mit frischem Obst hinzugefügt hatte, ging sie damit ins Wohnzimmer und stellte es auf den Fußboden.

Ihr Gast, der gerade interessiert die Bücher betrachtet hatte, wandte sich lächelnd um. „Sie haben wirklich etwas zu jedem Thema.“

„Ja. Ich liebe Bücher. Nehmen Sie doch bitte wieder Platz.“ Jocelyn lächelte entschuldigend, als sie ihm ein Glas Wein einschenkte. „Tut mir leid, es ist eher ein Picknick. Vielleicht hätten Sie doch lieber im Hotel gegessen.“

„Das wage ich zu bezweifeln.“ Adam nahm seinen Teller entgegen. „Das sieht nämlich sehr appetitlich aus.“ Er sah auf. „Vielen Dank, Eve.“

„Es ist mir ein Vergnügen.“ Sie setzte sich auf das Sitzkissen und war wirklich froh, den Abend nicht allein verbringen zu müssen.

„Mir ist es ein Vergnügen“, bekräftigte Adam und hob sein Glas. „Ich hätte es mir nicht träumen lassen, den heutigen Abend mit Ihnen verbringen zu dürfen, als ich Sie vorhin entdeckt habe.“

„Und wann war das?“

„Sowie ich eingetroffen war. Sie heben sich wohltuend von der Menge ab.“

„Das liegt an meiner Körpergröße“, sagte Jocelyn resigniert. „Aber wieso sind Sie mir nicht gleich aufgefallen?“

„Weil wir erst spät gekommen sind. Sie standen mit dem Rücken zu mir, und zuerst ist mir Ihr Haar aufgefallen, nicht Ihre Größe. Vor Ihnen hing ein Spiegel, daher konnte ich Ihr schmales Gesicht sehen. Dabei ist mir auch aufgefallen, dass Sie zwar mit dem Mund gelächelt haben, aber nicht mit den Augen. In dem Moment habe ich mir vorgenommen, den Grund dafür herauszufinden.“

„Gut, dass ich davon nichts bemerkt habe. Das ist ja wie bei der ‚Versteckten Kamera‘. Hoffentlich habe ich mich nicht danebenbenommen.“

„Selbstverständlich nicht. Sie waren der perfekte Gast.“ Adam nahm sich Brot. „Aber mir war bewusst, dass Sie nicht in Partystimmung waren. Es hat mich überrascht und beeindruckt, dass Sie es trotzdem so lange ausgehalten haben.“

„Sie haben also auch mein Verschwinden bemerkt“, sagte Jocelyn nachdenklich.

Er nickte. „Und da habe ich mir gedacht, ich spreche Sie einfach mal an. Im schlimmsten Fall hätten Sie mir die kalte Schulter gezeigt.“

„Und im Idealfall?“

„Im Idealfall hätten Sie sich mit mir unterhalten.“ Er sah sie an. „Hiervon hätte ich nicht einmal zu träumen gewagt.“

„Von Hähnchensalat und billigem Rotwein?“, fragte sie frech.

„Genau. Nun erzählen Sie mir bitte, warum Sie mich eingeladen haben.“

„Jedenfalls nicht, damit Sie das Bett mit mir teilen.“

„Ich dachte, das Thema wäre bereits abgehakt“, antwortete er ungeduldig. „Hören Sie mir zu, Eve! Ich schwöre, ich werde mich nicht auf Sie stürzen, sowie wir gegessen haben. Und auch nicht später. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?“

„Ja, vielen Dank.“ Sie spürte, dass sie ihm vertrauen konnte.

Adam sah sie fragend an. „Haben Sie in einer ähnlichen Situation schon mal schlechte Erfahrungen gemacht?“

Jocelyn schüttelte den Kopf. „Ich habe noch nie einen Mann hierher zum Abendessen eingeladen.“

Er zog eine dunkle Augenbraue hoch. „Noch nie?“

„Nein.“

„Und warum haben Sie bei mir eine Ausnahme gemacht?“

„Weil Sie zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort waren. Ich wollte heute Abend nicht allein sein, und Sie haben mich eingeladen, Ihnen Gesellschaft zu leisten.“

Adam beugte sich vor. „Sie hätten also irgendeinen Mann eingeladen?“

„Selbstverständlich nicht!“ Sie funkelte ihn wütend an und sprang auf. „Sie waren nett und zuvorkommend. Das hat mir gefallen. Aber was das Beste ist: Sie sind sehr groß.“

Er lächelte amüsiert. „Ist das so wichtig?“

„Für mich schon. Ich bin einen Meter achtzig groß und trage gern hohe Absätze.“

Adam lachte, schenkte Wein nach und nahm dankbar ihr Angebot an, Brot und Käse aufzuessen.

Jocelyn hielt ihm den Obstkorb hin. „Nehmen Sie ruhig einen dazu.“

Amüsiert griff er nach einem glänzenden roten Apfel. „Sehr passend, Eve. Wird mein Leben sich nach einem Bissen für immer verändern?“

„Lassen Sie es auf einen Versuch ankommen.“ Lächelnd setzte sie sich wieder und sah zu, wie er in den Apfel biss. „Tut mir leid, dass ich Ihnen keinen richtigen Nachtisch bieten kann.“

„Das Essen war auch so wunderbar. Von der Gesellschaft ganz zu schweigen“, fügte er hinzu. „Fühlen Sie sich jetzt besser?“

„Ja. Ich habe in der letzten Zeit wenig Appetit gehabt.“

„Das meine ich nicht.“

„Ich weiß. Ja, ich fühle mich besser.“

„Gut.“ Adam hatte alles aufgegessen und stellte den leeren Teller aufs Tablett. „Soll ich das Tablett in die Küche bringen?“

Sie schüttelte den Kopf. „Nein, das mache ich später.“

„Viel später.“ Er sah ihr tief in die Augen. „Ich denke nämlich nicht daran, mich schon zu verabschieden.“

Sie war froh darüber, denn sie wollte jetzt nicht allein sein.

„Sie wollen mir zwar Ihren Namen nicht verraten, aber würden Sie mir trotzdem erzählen, was Sie beruflich machen?“

Jocelyn beschloss, zu verschweigen, dass sie als Journalistin arbeitete. Das wäre zu verräterisch gewesen. An diesem Abend wollte sie nur die romantische, geheimnisvolle Eve sein. „Ich bin bei einem Verlag beschäftigt“, erwiderte sie daher ausweichend.

„Romane?“

„Nein, Fakten.“ Sie machte es sich auf dem Sitzkissen gemütlich. „Und was machen Sie?“

„Ich bin im Baugewerbe tätig.“

Sie stellte sich seinen sonnengebräunten, muskulösen Körper vor. Im Sommer arbeitete er bestimmt mit nacktem Oberkörper. „Scheint gut bezahlt zu werden“, sagte sie und ließ den Blick vielsagend über den maßgeschneiderten Smoking gleiten.

„Falls Sie auf den Anzug anspielen, der ist nur für besondere Gelegenheiten.“

„Wirklich?“

„Aber ja.“ Interessiert betrachtete er ihr goldblondes Haar, die ausdrucksvollen Augen, den sinnlichen Mund, das Kleid und die schwarzen Seidenpumps. „Sie kleiden sich aber auch nicht gerade von der Stange.“

„Stimmt. Für Annas Verlobungsfeier habe ich mir etwas ganz Besonderes gegönnt. Außerdem war ich wütend, als ich es mir gekauft habe.“

„Hatte das etwas mit Ihrer ursprünglichen Verabredung zum Abendessen zu tun?“

„Ja, irgendwie schon.“

„Das ist aber nicht der einzige Grund gewesen.“

„Nein.“ Bei der Erinnerung funkelten ihre Augen wütend.

„Möchten Sie mir gern davon erzählen?“

Jocelyn sah ihn erstaunt an.

„Es ist leichter, sich jemandem anzuvertrauen, den man nicht so gut kennt“, erklärte er.

„Ach so. Ich erzähle Ihnen meine traurige Geschichte, darf mich an Ihrer Schulter ausweinen, und anschließend verschwinden Sie auf Nimmerwiedersehen.“ Sie lächelte wehmütig. „Der Film kommt mir bekannt vor.“

„Ich würde das Drehbuch gern etwas abändern.“ Adam lachte. „Jedenfalls können Sie sich mir ruhig anvertrauen, ich erzähle bestimmt nichts weiter.“

„Wie ein Priester, der sich an das Beichtgeheimnis halten muss?“

„Das ist die falsche Besetzung für mich.“

Jocelyn nickte zustimmend. „Ja, die Rolle passt nicht zu Ihnen.“

„Aber ich kann wirklich sehr gut zuhören.“

„Und Sie sind neugierig?“

„Sagen wir, es interessiert mich.“

Sie war nahe dran, sich ihm anzuvertrauen. Normalerweise hätte sie Anna alles erzählt, doch die Gelegenheit hatte sich einfach noch nicht ergeben. „Sind Sie sicher?“

Adam nickte bereitwillig. „Es interessiert mich, warum Sie heute Abend so eine Vorstellung gegeben haben. Eigentlich hätten Sie einen Oscar dafür verdient.“

Jocelyn lächelte verlegen und beschloss, es zu riskieren. „Ich habe hier mit meinem Verlobten zusammengelebt, bis er mich vor einigen Wochen verlassen hat.“

2. KAPITEL

Jocelyn hatte sich sehr bemüht, wenigstens einmal früh nach Hause zu kommen. Voll bepackt mit Lebensmitteln für ein feierliches Abendessen, war sie in die Wohnung geeilt und wäre fast über die vielen Gepäckstücke gestolpert, die im Korridor den Weg versperrten.

Verwundert betrachtete sie die Sachen, als Peter Sadler mit schuldbewusster Miene aus dem Schlafzimmer eilte. „Du bist früher nach Hause gekommen“, sagte er vorwurfsvoll.

Jocelyn nickte kurz. „Du scheinst ja überaus erfreut zu sein, mich zu sehen“, bemerkte sie ironisch. „Gibt es Probleme?“

„Ja, das kann man wohl sagen.“ Er nahm ihr die Einkaufstasche ab. „Ich bringe die Lebensmittel in die Küche. Möchtest du eine Tasse Tee trinken?“

Mit einem unguten Gefühl beobachtete sie, wie er Wasser aufsetzte und Teebeutel in eine Teekanne hängte. „Und worin besteht dieses Problem? Warum stehen die Koffer im Korridor? Gehst du auf Geschäftsreise?“

„Nein.“ Er sah sie trotzig an. „Ich habe gekündigt.“

Sie glaubte, sich verhört zu haben. „Du hast was?“

„Ich habe gekündigt, um ihnen zuvorzukommen.“

Fassungslos schüttelte sie den Kopf. „Das kommt aber plötzlich, Peter. Wieso hast du mir nicht eher gesagt, dass du befürchtest, an die Luft gesetzt zu werden?“

„Wann denn?“ Wütend funkelte Peter sie an. „Du bist ja nie zu Hause.“

„Jetzt übertreibst du aber. Immerhin verbringen wir die Nächte miteinander. Du hättest mich informieren können, als du mal nicht zu müde gewesen bist, um gute Nacht zu sagen.“

„Du weißt doch, dass ich meinen Schlaf brauche“, antwortete er beleidigt. „Und in der letzten Zeit hätte sich das Wachbleiben sowieso nicht gelohnt. Wir haben uns seit Wochen nicht mehr geliebt. Dein Job macht dir wesentlich mehr Spaß, als mit mir zu schlafen.“

Autor

Catherine George

Die öffentliche Bibliothek in ihrem Heimatort nahe der walisischen Grenze war der Ort, an dem Catherine George als Kind in ihrer Freizeit meistens zu finden war. Unterstützt wurde sie dabei von ihrer Mutter, die Catherines Lesehunger förderte. Zu einem Teil ist es sicher ihrer Motivation zu verdanken, dass Catherine George...

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