Bianca Exklusiv Band 261

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SO ZART ERBLÜHT DIE LIEBE von DARCY, LILIAN
Auf den ersten Blick wirkt Rowena, die Bens historischen Garten restaurieren soll, unscheinbar. Doch schnell stellt er fest, dass sich hinter der grauen Maus eine wunderbare Frau verbirgt - die etwas Besseres verdient hat als einen beziehungsunfähigen Mann wie ihn!

NUR AUGEN FÜR IHN von LEIGH, JO
Scott Dillon ist zurück! So lange hat Emily sich danach gesehnt. In der High School hat sie ihm ihre Liebe nie gestehen können, und so hat Scott in ihr nie mehr als eine gute Freundin gesehen. Leider scheint sich das immer noch nicht geändert zu haben …

VERBOTENE SEHNSUCHT von CAMPBELL, LAURIE
Beth ist tot! Also muss sie Anne sein, Beths Zwillingsschwester. Erinnern kann sich die junge Frau seit dem Unfall daran leider nicht. Immerhin ist Rafe da, um ihr Trost zu spenden. Nur warum fühlt sie sich zu ihm so hingezogen? Er war doch der Mann ihrer Schwester - oder?


  • Erscheinungstag 14.08.2015
  • Bandnummer 0261
  • ISBN / Artikelnummer 9783733730222
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Lilian Darcy, Jo Leigh, Laurie Campbell

BIANCA EXKLUSIV BAND 261

LILIAN DARCY

So zart erblüht die Liebe

Auf den ersten Blick wirkt Rowena, die Bens historischen Garten restaurieren soll, unscheinbar. Doch schnell stellt er fest, dass sich hinter der grauen Maus eine wunderbare Frau verbirgt – die etwas Besseres verdient hat als einen beziehungsunfähigen Mann wie ihn!

JO LEIGH

Nur Augen für ihn

Scott Dillon ist zurück! So lange hat Emily sich danach gesehnt. In der High School hat sie ihm ihre Liebe nie gestehen können, und so hat Scott in ihr nie mehr als eine gute Freundin gesehen. Leider scheint sich das immer noch nicht geändert zu haben …

LAURIE CAMPBELL

Verbotene Sehnsucht

Beth ist tot! Also muss sie Anne sein, Beths Zwillingsschwester. Erinnern kann sich die junge Frau seit dem Unfall daran leider nicht. Immerhin ist Rafe da, um ihr Trost zu spenden. Nur warum fühlt sie sich zu ihm so hingezogen? Er war doch der Mann ihrer Schwester – oder?

1. KAPITEL

Rowena biss die Zähne zusammen. Sie war kurz davor, die Geduld zu verlieren. „Nur noch eine letzte Frage“, sagte sie.

„Die letzte Frage? Wirklich? Gott sei Dank“, murmelte der Mann neben ihr.

Er würdigte sie keines Blickes, sondern griff in die Jackentasche und holte sein Handy heraus. Offenbar brach für ihn eine Welt zusammen, wenn er nicht in den nächsten drei Sekunden telefonieren konnte.

Rowena ging davon aus, dass er sie als den steifen, konservativen und uninteressanten akademischen Typ eingeordnet hatte, der sie meistens auch sein wollte. Um diesen Eindruck eventuell zu korrigieren, hätte er sie zumindest noch einmal anschauen müssen. Aber das tat er nicht.

Sie ignorierte sein unhöfliches Benehmen. „Mögen Sie Grillpartys?“

„Ob ich was mag?“

„Man lädt Freunde ein. Es gibt Salate und Bier. Und das Fleisch wird auf einem Grill gegart.“

„Ich weiß, was eine Grillparty ist, Dr. Madison.“ Jetzt schaute er ihr doch noch ins Gesicht, wenn auch nur kurz. „Hören Sie, ich bin ein beschäftigter Mann …“

„Ja. Und Sie sind genau der Typ Mann, den ich nicht mag“, unterbrach sie ihn ohne nachzudenken. Die Worte sprudelten einfach aus ihr heraus. In kühlem Ton fuhr sie fort: „Ich sehe, dass Sie beschäftigt sind. Scheinbar ist das unglaublich wichtig. Im Gegensatz zu mir. Sie müssen nicht auch noch mit Ihrem Handy herumspielen.“

Wütend warf sie das Klemmbrett mit ihren handschriftlichen Notizen auf die alte Hobelbank, die ohne erkennbaren Grund auf der Veranda stand. Die Zettel flatterten im Wind. Jetzt steckte Ben Radford sein Handy wieder ein und trat schockiert einen Schritt zurück.

Eine Maus, die wie eine Löwin brüllte? Darauf war er nicht gefasst gewesen.

Seine Reaktion amüsierte Rowena. Vor Staunen stand ihm der wohlgeformte Mund für einen Moment offen, bevor er ihn irritiert zuklappte und sich mit seinen schlanken Fingern den Nacken rieb. Er sah umwerfend aus und war ebenso gekleidet. Man sah ihm seinen Erfolg buchstäblich an. So einen Mann aus der Fassung zu bringen, wenn auch nur für ein paar Sekunden, war ein ausgesprochen gutes Gefühl, fand Rowena.

Sollte sie ihn noch etwas mehr reizen oder in ihr warmes, vertrautes Mauseloch zurückkriechen?

Rowena folgte ihrem Instinkt.

„Sie haben dieses außergewöhnliche, wundervolle historische Anwesen gekauft“, begann sie. „Für mindestens zwanzig Millionen, vermute ich. Und Sie haben mich gebeten, Sie bei der Restaurierung des Gartens zu beraten. Sie wissen, dass meine Honorarsätze, meiner Kompetenz entsprechend, hoch sind.“

Bleib beim Thema, ermahnte sie sich.

„Ich versuche, Ihre Prioritäten auszuloten, Ihr Budget und Ihre Interessen. Wie wichtig ist Ihnen das historische Vorbild? Wie wollen Sie den Garten nutzen? Wie viel Geld wollen Sie ausgeben? All das sind entscheidende Punkte. Trotzdem haben Sie von Anfang an deutlich gemacht, dass ich Ihnen auf die Nerven gehe und Sie wichtigere Dinge zu tun haben.“

„Dr. Madison …“

„Darf ich Sie daran erinnern, dass Sie mich um diesen Termin heute gebeten haben? Ich frag mich allerdings, warum. Bestellen Sie doch lieber einen Bulldozer, etwas Rollrasen und eine Wagenladung Geranien.“

Wütend nahm sie ihr Klemmbrett von der Hobelbank, die eigentlich eine hübsche Antiquität war. Ob Ben Radford das wusste? Aber das konnte ihr im Grunde auch egal sein, nach allem, was sie gesagt hatte.

Tat es ihr leid?

Diese Frage stellte sie sich, als sie auf den Seitenausgang des üppig wuchernden Gartenhofs zusteuerte. Sie nahm den kürzesten Weg zu ihrem Auto, denn es gab keinen Grund, noch einmal durch das wunderschön restaurierte Wohnhaus zu gehen. Sie würde Ben Radford ihre Reisekosten in Rechnung stellen und ihre kurze Geschäftsbeziehung als beendet betrachten.

Nein, es tat ihr nicht leid, dass sie so klare Worte benutzt hatte. Schließlich hatte sie ihre Berufsehre verteidigt und gleichzeitig ihre Wertschätzung gegenüber diesem vernachlässigten und verwilderten Stück Land zum Ausdruck gebracht.

Sie war stolz auf sich! So entschlossen kannte sie sich gar nicht, und sie genoss ihren kleinen persönlichen Triumph.

Noch vor zwei Jahren hätte ein so arroganter und erfolgreicher Mann sie nachhaltig eingeschüchtert. Wahrscheinlich wäre sie unter Tränen nach Hause gefahren, hätte sich verkrochen und wäre eine Woche lang nicht ans Telefon gegangen, aus Angst, Mr Radford könnte anrufen.

In ihrer Vorstellung hätte sie die Begegnung so oft wiederholt und in der Erinnerung übertrieben, bis sie davon völlig gelähmt gewesen wäre und ihre Wohnung nicht mehr verlassen hätte.

Heute jedoch hatte sie tatsächlich das ausgesprochen, was sie dachte. Ein aufregendes Gefühl. Diesen Sieg wollte sie irgendwie feiern. Rowena beschloss, sobald wie möglich ihre Zwillingsschwester Rox anzurufen und ihr alles ausführlich zu erzählen. Rox würde ihr bestimmt Champagner schicken.

Natürlich bedauerte Rowena es, dass sie nun nicht an der Wiederherstellung dieser märchenhaften Gartenanlage arbeiten konnte, aber es ließ sich nicht ändern. Wenn sich schon die erste Begegnung mit Ben Radford so schwierig gestaltete, wäre bestimmt der ganze Job ein Albtraum. Wie die Dinge lagen, war sie glücklich davongekommen.

„Warten Sie, Dr. Madison!“

Ben Radford holte sie an der Gartenpforte ein und musterte sie, als ob er darüber nachdachte, wie er mit ihr umgehen sollte. „Sie sind voreilig“, sagte er nach einer Weile.

„Ich war bei unserer Besprechung nicht diejenige, die es eilig hatte.“

„Nein, aber jetzt laufen Sie weg.“

„Stimmt. Wenn Ihnen dieses Projekt nichts bedeutet, ist es sinnlos, mich zu beauftragen.“ Sie hob das Kinn und schaute ihm direkt ins Gesicht.

Beide schwiegen eine Weile.

„Sie haben einen schlechten Moment erwischt. Tut mir leid“, entschuldigte er sich völlig unerwartet. Er klang ehrlich zerknirscht. Und er klang, als hätte er sich schon lange nicht mehr für irgendetwas entschuldigt. Rowena vermutete, dass ihm Fehler nur selten passierten. „Dieses Projekt bedeutet mir durchaus etwas.“

„Gut.“ Was sollte sie sonst auf dieses überraschende Eingeständnis erwidern? Doch plötzlich meldete sich irgendein Teufelchen in ihr, von dessen Existenz sie bisher nichts gewusst hatte. „Ich hoffe, es steckt mehr dahinter.“

„Wohinter?“

„Hinter Ihrer Entschuldigung.“ Sie wagte ein Lächeln. „Wie oft muss ich mit diesen schlechten Momenten rechnen, wenn ich für Sie arbeite?“

Wieder dauerte es einen Moment, bis er antwortete. „Kurz bevor Sie angekommen sind, habe ich mit meiner Frau, oder besser gesagt mit meiner Exfrau telefoniert. Es war wie immer unangenehm. Genügt das? Eine Scheidung ist kein Vergnügen.“ Er sprach das Wort Scheidung voll Missfallen und Abscheu aus. „Aber ich hätte meine Laune nicht an Ihnen auslassen dürfen. Das war nicht richtig.“

Sein Gesicht blieb ernst und verschlossen. Sie konnte sehen, wie sehr er unter der Scheidung litt.

„Und Sie haben völlig recht“, fuhr er fort. „Natürlich müssen Sie meine Interessen und meinen Geschmack erforschen, wenn dieses Projekt erfolgreich sein soll. Können wir noch einmal von vorn anfangen?“

Als er angespannt und etwas leidend lächelte, fühlte sie ein Kribbeln im Magen. Sie ahnte, dass dieser große, gut gebaute, attraktive Mann sehr charmant sein konnte, wenn er wollte. Doch offenbar war er jetzt nicht wirklich dazu bereit.

Immerhin hatte er sich angemessen entschuldigt.

„Wir müssen nicht von vorn anfangen. Ich hab mir Notizen gemacht.“

„Das meine ich nicht.“ Als Ben Radford diesmal lächelte, begannen seine dunklen Augen zu funkeln. Keine Spur mehr von Verletzlichkeit. Für einen Moment glitzerte sein Haar in der Morgensonne. Das Kribbeln in Rowenas Bauch verstärkte sich merklich.

Vorsicht, sagte sie sich. Ruhig bleiben.

Zwar meldete sich schlagartig der vertraute Impuls, wegzulaufen, doch sie bekämpfte ihn. Sie konnte mit diesem Mann umgehen. Mit seinem Charme, seinem guten Aussehen, seinem ganzen Geld, dem verwirrenden Moment, als er ehrlich über seine Scheidung gesprochen hatte. Mit dem ganzen Paket.

„Dann also zurück zur Grillfrage.“ Sie strich geistesabwesend die Revers ihres grauen Jacketts glatt. „Könnte ich darauf eine Antwort bekommen?“

Er legte die Hand auf das rostige Eisentor und blickte über den Garten. Mit seinen dunklen Augen und dem gebräunten Teint sah er nicht wie ein Engländer aus. Auch seine Aussprache klang nicht besonders britisch. Er lebte lange genug in Südkalifornien und hatte sich perfekt angepasst. Dass er aus England kam, wusste Rowena nur, weil sie im Internet recherchiert hatte.

Ben Radford stammte aus der englischen Oberschicht und hatte eine sehr teure Schule besucht. Nach seinem Studium in Oxford hatte er eine Amerikanerin geheiratet und sein Vermögen in der Biotechnologie verdient. Vor einem Jahr hatte er dann seine Firma verkauft und das Geld in verschiedene Projekte investiert. Unter anderem besaß er eine Kunstgalerie, eine Casting-Agentur und ein Restaurant.

Die Information, dass er mitten in der Scheidung steckte, hatte Rowena nicht im Internet gefunden.

„Wenn ich es nur wüsste“, murmelte er.

„Sie wissen nicht, ob Sie Grillpartys mögen?“

„Ich weiß nicht, ob wir in diesem Garten einen Grillplatz einrichten sollten. Darauf zielt Ihre Frage doch ab. Schauen Sie sich den Dschungel nur mal an!“ Er zeigte auf die wild wuchernden Pflanzen. „Ich würde den Garten gern restaurieren. Aber ich kann mir noch nicht ganz vorstellen, wie das funktionieren soll.“

„Deswegen bin ich ja hier“, erinnerte sie ihn.

Eine Weile betrachteten sie schweigend das Grundstück. Das dreiflügelige Ranchhaus war bereits weitreichend instand gesetzt. Ben Radford hatte keine Mühen gescheut, ein Vorzeigeobjekt daraus zu machen. Es war geschmackvoll eingerichtet, mit ungewöhnlichen Farben und sorgfältig ausgesuchten Antiquitäten. Der Kontrast zwischen Haus und Garten war geradezu schockierend.

Bis auf ein oder zwei staubige Wege war das gut viertausend Quadratmeter große Grundstück ein einziges Gewirr verschiedenster Kakteenarten. Darunter Exemplare, die vielleicht schon hundert Jahre und älter waren. Viele Feigenkakteen, Agaven und ein halbes Dutzend anderer Arten hatten sich zu einem bizarren Labyrinth verschlungen. Abgestorbene Pflanzenteile mit ihren gefährlichen Stacheln bedeckten den Boden, wo Vögel nisteten. Es gab jede Menge Insekten, Schlangen …

Zwar waren San Diego, Oceanside und La Jolla weniger als eine Autostunde entfernt. Doch das zersiedelte Umland dieser Städte war mit der alten spanischen Ranch nicht zu vergleichen. Wie ein Paradies lag sie oberhalb von Weingütern und Obstplantagen am Fuße der Berge. Die Luft war wunderbar klar. Das Lehmsteinhaus schien besser in diese Natur zu passen als der Mensch.

„Sie haben eben von Bulldozern gesprochen“, bemerkte Ben Radford nachdenklich.

„Das hab ich nicht ernst gemeint“, erwiderte Rowena hastig.

„Warum nicht?“

Sie wusste, sie musste ihm eine handfeste Erklärung liefern, wenn sie ihn überzeugen wollte. „Weil wir nicht wissen, was sich hier alles verbirgt. Es wäre sträflich, mit schwerem Gerät zu arbeiten. Wir könnten seltene Pflanzen zerstören, die heute kaum noch zu finden sind. Sehen Sie diese silbrigen Flecken auf dem Feigenkaktus?“

„Sieht aus wie Stockflecken.“

„Stimmt. Nehmen Sie mal etwas davon zwischen die Finger und zerreiben Sie es.“

Er tat, was sie verlangte, und runzelte erstaunt die Stirn, als er sah, wie sich seine Fingerspitzen leuchtend rot färbten. „Was ist das?“

„Cochenille. Diese Flecken sind Kolonien von Schildläusen. Früher hat man diese Insekten auf Kakteen gezüchtet, um roten Farbstoff zu gewinnen. Er war sehr wertvoll und wurde lange Zeit zum Färben von Lebensmitteln verwendet.“

„Davon habe ich gehört.“

„Wahrscheinlich haben Sie es sogar schon gegessen in Bonbons oder anderen Süßigkeiten.“

„Faszinierend.“

„Für Sie klingt das vielleicht seltsam“, fuhr sie langsam fort. „Aber ich habe das Gefühl, dass wir noch viele derartige Entdeckungen in diesem Garten machen können. Dinge, die man auf den ersten Blick gar nicht sieht. Es wäre wirklich schade, hier mit einem Bulldozer drüberzufahren, Mr Radford.“

„Nennen Sie mich Ben.“

„Ben“, wiederholte sie. Im selben Moment spürte sie wieder dieses Kribbeln im Bauch. Warum gefiel es ihr so gut, ihn Ben zu nennen? „Und nennen Sie mich Rowena. Oder Rowie.“ Warum hatte sie das dazugefügt? Es war ihr Kosename aus Kinderzeiten. Den brauchte ein Kunde nicht zu wissen.

Als er wieder auf die rote Farbe an seinen Fingern sah, folgte sie seinem Blick. Er hatte unglaubliche Hände. Schlank, kräftig und ebenmäßig. Hände, die Sicherheit ausstrahlten, wie alles an ihm.

In seiner Nähe schlug ihr Herz schneller, und die letzten Minuten fiel es ihr zunehmend schwerer, einen klaren Gedanken zu fassen. Es war ein ebenso beunruhigendes wie aufregendes Gefühl.

„Wir könnten einige wertvolle Dinge verlieren“, beendete sie ihre Erklärungen.

Er nickte. „Keine Bulldozer. Einverstanden.“

„Ich würde die Arbeiten die ganze Zeit beaufsichtigen, damit nichts Wichtiges beschädigt wird. Wenn das hier mein Grundstück wäre, würde ich vorher gar nichts auf dem Papier planen, sondern abwarten, was wir entdecken.“

Sie ließ den Blick begeistert über das Dickicht wandern. Am liebsten hätte sie sofort angefangen. Dort hinten, die alten Steine, war das ein Brunnen? In einem passenden Umfeld wäre das ein wunderschöner Akzent.

„Denken Sie ruhig laut, Rowena“, bat Ben sie. „Was sehen Sie? Beschreiben Sie es mir.“

Rowena zögerte anfangs ein wenig. Doch als sie merkte, dass er ihr interessiert zuhörte, taute sie immer mehr auf. Sie erzählte ihm sogar, dass sie bei einem früheren Projekt ein altes Spielzeug irrtümlich für eine Gürtelschnalle aus dem Bürgerkrieg gehalten hatte, weil sie ihre Brille vergessen hatte. Und dass sie sich gleich am nächsten Tag Kontaktlinsen geholt hatte.

Ben lachte über diese Anekdote. Es klang tief und ein wenig brüchig, als ob er nur selten lachte.

„Mehr kann ich Ihnen im Augenblick wirklich nicht sagen“, meinte sie nach einigen Minuten.

Ben betrachtete sie so eindringlich, dass sie sich beunruhigt fragte, was er wohl sah. Wirkte ihr Blick zu verträumt? Oder ihr Lächeln verunsichert? Oder sah er noch mehr? Hatte sie mit ihren Beschreibungen womöglich übertrieben?

„So hatte ich mir die Planung nicht vorgestellt, als ich mich entschlossen habe, einen Experten hinzuzuziehen“, sagte er.

„Sie dachten, man plant auf dem Papier und setzt diesen Plan dann in die Praxis um.“

„So ungefähr.“

„Ich könnte es so machen“, räumte sie ein.

„Aber Sie würden lieber anders verfahren.“

„Ja. Sie haben das Haus so wunderschön renoviert. Alles passt perfekt zusammen. Eine gelungene Mischung aus modernem Komfort und authentischen, historischen Stilelementen. Ich würde dasselbe gern mit dem Garten machen. Es soll ein Ort sein, der einladend, nutzbar und gleichzeitig schön ist. Ich bin sicher, es wird Ihnen gefallen.“

Er lächelte diesmal etwas zynisch. „Sie sind sich also sicher. Und wenn ich nun sage, dass ich völlig andere Vorstellungen habe?“

Sie hatte ihre Gefühle zu deutlich gezeigt und zu viele Vermutungen über ihren zukünftigen Kunden angestellt. „Dann machen wir es so, wie Sie es entscheiden. Sie sind der Kunde, Mr … Ben. Wenn Sie sich entschließen, mir den Auftrag zu geben“, fügte sie hastig hinzu.

Daran glaubte Rowena im Grunde nicht. Ihre erste Begegnung war unangenehm gewesen. Da Ben offensichtlich ein Mann schneller Entscheidungen war, hatte er sein Urteil bestimmt schon gefällt und würde es nicht revidieren.

Selbst jetzt, nachdem sie eine gewisse Basis gefunden hatten, lag eine Spannung in der Luft, die sie nervös machte und aus der sie so schnell wie möglich flüchten wollte. Jeanette, ihre Therapeutin, würde wahrscheinlich von ihr verlangen, dass sie diese Spannung in der nächsten Sitzung näher beschrieb, aber Rowena war nicht davon überzeugt, dass sie eine nähere Betrachtung riskieren sollte.

Ben blickte geistesabwesend auf seine roten Fingerkuppen. „Meine Frau findet diese ganze Idee verrückt“, bemerkte er unvermittelt. Dann fluchte er leise. „Ich muss mich noch daran gewöhnen, sie als Exfrau zu bezeichnen.“

Rowena wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte.

„Tut mir leid“, entschuldigte sich Ben. „Ich hatte das gar nicht sagen wollen.“ Er warf ihr einen scharfen Blick zu, als fragte er sich, wie es kam, dass er sich schon zum zweiten Mal innerhalb einer halben Stunde bei ihr entschuldigte.

„Schon gut.“ Sie lächelte höflich.

„Sie haben wahrscheinlich nicht damit gerechnet, dass wir über meine Scheidung reden“, hielt er am Thema fest.

„Da haben Sie recht. Im Internet habe ich nur gefunden, dass Sie glücklich verheiratet sind.“ Kaum hatte sie es gesagt, verfluchte sie sich im Stillen dafür.

„Dieses Märchen haben wir eine Weile aufrechterhalten. Aber inzwischen ist das überholt“, erklärte er verbittert.

„Und was ist schiefgelaufen?“, fragte sie, ohne nachzudenken. Oh, nein, die Sache lief in die völlig falsche Richtung. Nur weil er ein paar Details preisgegeben hatte, was er wohl längst bereute, musste sie das Thema doch nicht auch noch vertiefen. Hatte seine Haushälterin, eine sehr direkte Person, ihnen vielleicht irgendwelche Wahrheitstropfen in den Kaffee getan?

„Vergessen Sie die Frage.“

„Ich antworte, wenn Sie wollen.“

„Nein, bitte nicht.“

„Lassen Sie mich antworten“, beharrte er. „Ich brauche Übung.“

Sie lachte spontan. Meine Güte, was sollte er nur von ihr denken? Aber sie konnte nicht anders, weil sie genau das, was er eben gesagt hatte, vor ein paar Minuten gedacht hatte. Nur, dass sie die Übung im Umgang mit Männern wie Ben Radford brauchte.

„Es ist gut, darüber zu lachen“, bemerkte er, obwohl er nicht einmal lächelte. „Entweder man lacht, oder man schlägt mit der Faust gegen die Wand. Was wehtut, wie ich festgestellt habe.“ Als er sich zur Illustration die Handknöchel rieb, lachte sie noch einmal.

Dabei war auch sie wie Ben kein Typ, der viel lachte.

Ganz im Gegensatz zu ihrer Zwillingsschwester.

Roxanna lachte viel. Sie war fröhlich, übersprudelnd und voller Selbstvertrauen. Inzwischen lebte Rox in der Toscana. Sie hatte sich in einen reichen italienischen Geschäftsmann verliebt, der ihre quirlige Persönlichkeit sehr mochte. Von Geburt an war sie die stärkere und gesündere der Zwillinge gewesen. Rowena dagegen war mit einem Herzfehler zur Welt gekommen und hatte als Kind mehrmals operiert werden müssen.

Auch noch als Erwachsene waren sie sehr unterschiedlich. Während Rox Partys und Musik liebte und gern unter Leute ging, bevorzugte Rowena die meditative Stille von Bibliotheken, wo sie über die Geschichte von Gärten forschte. Während Rox den Männern mit ihrem betörenden Lächeln den Kopf verdrehte, geriet Rowena in Verlegenheit, wenn ein Mann sie näher anschaute.

Seit einigen Jahren hielt eine schwere Angststörung sie gänzlich davon ab, sich mit Männern zu treffen. Sie hatte inzwischen mithilfe ihrer Therapeutin zwar große Fortschritte gemacht, aber am Ziel war sie noch lange nicht.

„Ich habe mich noch nie scheiden lassen“, gab Rowena zurück. „Ich war nie verheiratet und auch nicht verlobt. Ich hatte noch nicht einmal eine ernste Beziehung.“

Ben zögerte einen Moment und schaute sie von der Seite an. „Lassen Sie mich Ihnen erzählen, was in meiner Ehe schiefgelaufen ist.“

„Oh, bitte, Sie müssen sich nicht dazu verpflichtet fühlen.“ Offenbar berührte sie eine verletzliche Seite in ihm, von der sie kaum geglaubt hätte, dass sie existierte.

Aber er ließ sich nicht abhalten. „Nachdem ich Radford Biotech verkauft habe, ist mir klar geworden, dass unsere Auffassung zu Geld unvereinbar ist.“

„Mm“, bestätigte sie höflich.

„Wie klingt das? Kann man das so sagen?“

Sie verstand seine Motivation zwar nicht ganz, aber was sollte sie tun? Er war der Kunde.

„Zu förmlich.“ Sie tippte mit dem Kuli auf ihre Unterlippe. „Wie wäre es damit: Sie hatten unterschiedliche Lebensziele.“

Er schenkte ihr ein kurzes Lächeln. „Nicht schlecht, Dr. Madison. Wirklich nicht schlecht. Vor allem sagt es nichts darüber, was wirklich passiert ist.“

Und was ist wirklich passiert? fragte sie sich.

„Und natürlich bleiben Sie Freunde“, fantasierte Rowena weiter. „Das sagen die Filmstars auch immer, selbst wenn sie es nicht einmal ertragen könnten, zur gleichen Zeit mit ihrem Expartner in derselben Stadt zu sein.“

„Genau das sagen wir. Heather wird begeistert sein. Vielleicht sollte ich es ihr aufschreiben.“

Er lächelte sie immer noch an, mit seinem leicht zynischen und gefährlich verruchten Lächeln. Flirteten sie etwa miteinander? Nein, Dr. Rowena Madison flirtete nicht.

Sie wusste gar nicht, wie das ging.

Und sie wollte es auch nicht lernen.

Aber er stand zu dicht neben ihr. Sie fühlte sich von ihm angezogen wie von einem Magneten. Sie atmete den Duft ein, der ihn umgab. Ein teurer, verführerischer, männlicher Duft, der sich mit der klaren, trockenen Luft von Südkalifornien mischte und hierherzugehören schien. Es gab auch ihr eine gefährliche Illusion von Zugehörigkeit.

Entsetzt schüttelte sie den Kopf. Der Adrenalinschub, der sie eben noch zu mutigen Äußerungen veranlasst hatte, verebbte schnell. Übrig blieben die gewohnten Zweifel.

„Sie können jetzt wieder ernst werden, Mr Radford“, sagte sie steif.

„Sie sollen mich doch Ben nennen.“

„Ja, sicher. Aber ich würde gern eine förmliche Umgangsform wählen, um zu Persönliches in Zukunft zu vermeiden.“

„War Ihnen unser Gespräch eben zu persönlich, obwohl wir unsere Scherze darüber gemacht haben?“

„Ja.“

Als man ein Auto kommen hörte, reckte Ben den Kopf in Richtung Auffahrt und sah gerade noch das Heck eines gelben Wagens.

„Leider wird die Sache jetzt noch persönlicher“, sagte er. „Und gar nicht mehr zum Lachen. Heather ist gerade gekommen.“

Als Heather Radford aus ihrem gelben Sportwagen ausstieg, sah sie Rowena und Ben am Gartentor stehen. Sie kam den alten Lehmsteinweg entlang auf direktem Weg zu ihnen.

„Die Wertfestsetzung unseres gemeinsamen Vermögens.“ Mit diesen Worten drückte sie Ben die beeindruckend dicke Mappe ihres Anwalts in die Hand.

„Ich sehe es mir später an“, erwiderte Ben. „Heather, das ist Dr. Rowena Madison. Sie gestaltet den Garten.“

Seine Stimme klang völlig verändert. Hart, entschieden und mit jetzt deutlich hörbarem englischen Akzent. Auch sein Gesicht hatte sich verändert. Innerhalb von nur einer Stunde hatte Rowena ihn als arroganten, ungeduldigen Geschäftsmann, als intelligenten Zuhörer und als ironischen Charmeur kennengelernt. Jetzt sah sie ihn als Mensch aus Fleisch und Blut, empfindlich und verletzlich.

In diesem Moment wurde ihr klar, dass er mehr unter der Scheidung litt, als er sich eingestehen wollte. Ihr unernstes Gespräch über das Thema bedeutete keineswegs, dass er die Sache auf die leichte Schulter nahm. Im Gegenteil, er machte darüber Späße, um seinen Schmerz und seine Wut zu verbergen. Vor anderen und auch vor sich selbst. In Rowenas Augen war er ein ziemlich erfolgsverwöhnter Geschäftsmann, der seine gescheiterte Ehe womöglich als den schlimmsten Fehlschlag seines Lebens betrachtete.

Ob er sich dessen selbst bewusst war?

„Dr. Madison?“, wiederholte Heather mit scharfer Stimme. „Sie sind Ärztin und müssen nebenbei noch als Gärtnerin arbeiten?“ Sie war eine kleine, attraktive, blonde Frau mit schönen blauen Augen, einem makellosen Porzellanteint und einer kessen Nase. Ihr Hosenanzug aus cremefarbener Seide saß wie maßgeschneidert.

Ohne den extrem sarkastischen Ton wäre es eine witzige Bemerkung gewesen. Rowena hatte den Eindruck, dass Heather sehr unterhaltsam sein konnte, wenn sie wollte. Witzig, intelligent und bezaubernd. Und noch zynischer als Ben.

„Ich habe den Doktor nicht in Medizin, sondern in Philosophie gemacht.“

„Aha, verstehe. Auf dem Gebiet ist ja absolut kein Geld zu verdienen. Haben Sie wirklich einen Doktortitel in Gartengestaltung? Gibt es so was?“

„Ich gestalte und restauriere historische Gärten. Meine Dissertation befasst sich mit …“

Heather war an Rowenas Dissertation augenscheinlich nicht interessiert. Sie sah Ben vorwurfsvoll an. „Was soll das werden? Warum beauftragst du jemanden wie sie? Willst du das ganze verdammte Grundstück umgraben?“

„Nicht das ganze verdammte Grundstück, Heather. Die Weiden lasse ich in Ruhe“, sagte Ben gedehnt. „Das Vieh scheint mit dem Gras ganz zufrieden zu sein. Ich will nur den Bereich hinterm Haus erneuern.“

„Nur? Das ist mehr als ein Morgen! Und wie ich dich kenne, reden wir hier nicht über ein paar Lieferungen Erde und Blumen. Die Sache wird teuer. Du steckst noch mehr Geld in dieses unmögliche Stück Land. Damit ist die Wertfestsetzung hinfällig, und die Scheidung verzögert sich. Das machst du mit Absicht. Mir kannst du nichts vormachen, Ben.“

„Ich tu das nicht, um dir Schwierigkeiten zu machen“, widersprach er energisch. „Heather, bitte, dass ich hier alles renovieren will, hast du doch schon gewusst, als wir das Haus gekauft haben.“

„Du hast es gekauft. Gegen meinen Willen. Du hast eine hoch profitable Firma zum Schnäppchenpreis verkauft. Hättest du nur ein paar Jahre gewartet, hättest du das Dreifache dafür bekommen. Stattdessen hast du für das Geld diese Galerie gekauft, dieses Restaurant und diese heruntergekommene historische Ranch, die jetzt schon Unsummen verschlungen hat. Es macht alles keinen Sinn! Und erzähl mir nicht wieder, dass du dich sooo gelangweilt hast.“

„So war es aber. Ich habe mit Radford Biotech alles erreicht, was ich wollte. Ich habe viel Geld verdient. Und ich wollte nicht bis an mein Lebensende immer dasselbe machen, nur um noch mehr Geld zu verdienen. Heather, das haben wir alles hundertmal besprochen.“

„Ja“, entgegnete sie bitter. „Und es führt zu nichts. Deswegen lassen wir uns ja auch scheiden.“

„Deswegen?“

„Ja! Also bitte, wenn dir unsere gemeinsame Zeit noch irgendetwas bedeutet, dann ruiniere diese sorgfältige und faire Wertfestsetzung meines Anwalts nicht mit deinen verrückten Plänen für den Garten.“

Sie riss ihm die Mappe aus der Hand, machte auf dem Absatz, der für ein solches Manöver viel zu hoch war, kehrt und stolzierte zu ihrem Auto zurück. Mit den Pfennigabsätzen hörte sich jeder Schritt wie ein Pistolenschuss an.

Ein perfekter Abgang, dachte Rowena nicht ganz ohne Neid.

2. KAPITEL

Ben blickte seiner Frau mit bitteren Gefühlen nach.

Sie waren einmal glücklich zusammen gewesen. Heather konnte einen Mann betören, wenn sie wollte. Vor zwölf Jahren, als er völlig auf sein Biotechnologiestudium konzentriert war, hatte er nicht verstanden, warum sie sich ausgerechnet ihn ausgesucht hatte.

„Ich habe mich eben in dich verliebt“, hatte sie später einmal gesagt und etwas hinzugefügt, was vielleicht ehrlicher war. „Ich habe dein Potenzial erkannt.“

Verliebt, das Potenzial erkannt und Verbesserungen vorgenommen.

An seinem Körper hatte es nicht viel zu verbessern gegeben. Der war perfekt, dank des Krafttrainings, mit dem er aus Einsamkeit schon als Schüler auf seinem teuren Internat begonnen hatte. Für Kleidung dagegen hatte er sich nie interessiert. Heather überwachte seine Körperpflege und seine Garderobe. In ihrer vitalen, entschlossenen Art holte sie ihn aus seiner Zurückgezogenheit und seiner übertriebenen Ernsthaftigkeit heraus. Und da er den Erfolg liebte, sah er alles, was sie für ihn wollte, als notwendig und wichtig an.

Heather unterstützte ihn dabei, seine Ideen patentieren zu lassen, anstatt in die Forschung zu gehen, wie er es ursprünglich vorgehabt hatte. Und sie half ihm bei der Firmengründung, die er gegen Ende seines Studiums vornahm.

Dafür hatte er ihr immer Respekt entgegengebracht. Er hatte sie wirklich geliebt und ihre Ehe als nahezu perfekt angesehen.

Heather war eine intelligente Frau. Ein Stipendium ermöglichte ihr das Chemiestudium in England. Sie war aber nicht nur intelligent, sondern auch ehrgeizig, und hatte, genau wie Ben, vorgehabt, in die Forschung zu gehen. Als sie diesen Plan aufgab, um mit ihm Radford Biotech zu gründen, war er überzeugt gewesen, dass sie ein Opfer für ihn brachte.

Heute betrachtete er die Dinge etwas anders. Womöglich hatte sie in ihm von Anfang an nur den Goldesel gesehen. Ein bitterer Gedanke, der ihn an seiner eigenen Urteilsfähigkeit zweifeln ließ.

Vor zweieinhalb Jahren hatte er zum ersten Mal vorgeschlagen, die Firma zu verkaufen. „Die Firma steckt immer noch in den Kinderschuhen. Ihr Potenzial ist bei Weitem nicht ausgeschöpft“, hatte Heather entgegnet.

„Aber was ist mit mir, Heather?“, hatte er beharrt. „Ich stecke sechzehn Stunden am Tag im Anzug. Ich bringe so viele Flugmeilen zusammen, dass ich dafür ein Freiticket zum Mond und zurück bekäme. Ich komme ja nicht einmal mehr ins Labor, um zu experimentieren. Von anderen Interessen ganz zu schweigen. Als wir uns kennengelernt haben, hast du mir oft gesagt, dass ich die Arbeit zu ernst nehme. Und genau da bin ich jetzt wieder. Wozu das Ganze?“

„Oh, schätzungsweise für fünfhundert Millionen. Vielleicht auch mehr.“

„Haben wir nicht schon mehr als genug Geld? Ich jedenfalls komme vor lauter Arbeit gar nicht dazu, es auszugeben.“

Er hatte ihr erklärt, dass er seine Energie für neue Ziele einsetzen wollte. Dass er einen Teil ihres wachsenden Vermögens in eine Stiftung geben wollte, dass er sich Kinder wünschte und ein Haus auf dem Land. Dieses Haus sollte eine Geschichte haben, es sollte nicht irgendeine Megavilla in einer Millionärssiedlung sein. Heather fand all diese Ideen unsinnig.

Sie machten ihr regelrecht Angst.

Und sie blieb dabei, dass sie auf keinen Fall Kinder wollte.

Heather kam aus schwierigen Verhältnissen: unglückliche Eltern, Armut, Schulden. Mit eisernem Willen, Verstand und harter Arbeit hatte sie die Frau aus sich gemacht, die sie heute war. Sie wollte auf der Erfolgsleiter immer noch höher steigen. Sie schien panische Angst davor zu haben, dass Ben in ein Geschäft investieren könnte, dass sich nicht rentierte, dass sie nach fünf Jahren vielleicht ein paar Millionen Dollar weniger auf dem Konto hatten, anstatt ein paar hundert Millionen mehr.

Heathers Leben war von der irrationalen Angst geprägt, alles zu verlieren und am Ende in der Gosse zu landen. Ben begann zu begreifen, dass kein Vermögen der Welt diese Ängste auslöschen konnte.

Er sprach mit ihr darüber und versuchte, ihr klarzumachen, dass sie ein Problem hatte. Er schlug vor, dass sie einen Therapeuten aufsuchte. Aber davon wollte sie nichts wissen. „Ich bin eine starke Persönlichkeit, Ben. Ich weiß, was ich will und was nicht. Und ich hab nicht vor, mich zu ändern. Ist das falsch?“

Zwei Jahre lang hatten sie miteinander diskutiert, ohne dass einer von ihnen von seiner Haltung abgewichen wäre. Dabei entfernten sie sich immer mehr voneinander. Ben verkaufte Radford Biotech. Danach sprach Heather einen Monat kein Wort mehr mit ihm. Dann kaufte er die Santa Margarita Ranch und versuchte, seine Träume mit ihr zu teilen. Sie begann, mit Scheidung zu drohen.

Selbst dann noch hielt er an der Ehe fest. Sein eigener Vater hatte seine Mutter jahrelang tyrannisiert. Die beiden passten einfach nicht zusammen. Sie ließen sich scheiden, als Ben vierzehn war. Damals kam er aufs Internat, wo er todunglücklich war. Doch das interessierte seine Eltern nicht, und er erzählte es ihnen auch nicht. Aber er schwor sich damals, dass er niemals dieselben Fehler machen wollte wie sie.

Ben war kein Typ, der leicht aufgab. Fehlschläge kannte er nicht. Er wollte auch diese verfahrene Situation lösen.

Doch zu einer Ehe gehören zwei. Heather hatte weniger Interesse daran gehabt, ihre Beziehung fortzuführen. Sie wollte nur noch ihren gerechten Anteil am Vermögen. Und zwar möglichst viel flüssiges Kapital, das sie in solide Aktien investieren konnte, damit sie wie Scarlett O’Hara in „Vom Winde verweht“ nie wieder Hunger leiden musste.

Wenn sie irgendwann noch einmal heiratet, dann bestimmt nicht aus Liebe, überlegte Ben, der ihr zum Auto gefolgt war. Die Ehe ist für sie ein Geschäft wie jedes andere. Die Vermarktung von Schönheit, Verstand und Ehrgeiz gegen das beste Gebot. Er war wütend auf sie, enttäuscht von sich selbst, weil er sie nicht hatte ändern können, und gleichzeitig tat sie ihm unbeschreiblich leid.

„Erklär mir etwas, Heather“, sagte er, als sie sich in ihren Sportwagen setzte. „Warum berührt die Gartengestaltung die Wertfestsetzung unseres Vermögens?“

„Weil du einen Haufen Geld dafür ausgibst, was sich aber im Wert des Hauses nicht niederschlagen wird. Du gibst eine Viertelmillion aus, und der Wert des Hauses steigt um zwanzigtausend.“

„Selbst wenn es so wäre, spielt das eine Rolle?“

„Du meinst, was sind schon ein paar hunderttausend Dollar unter Freunden?“

„Ja, genau.“

„Ich will, was mir zusteht, Ben.“

„Bekommst du nicht schon genug?“ Viele Millionen Dollar, wie er sehr genau wusste.

„Willst du behaupten, dass ich zum Erfolg von Radford Biotech nicht genauso viel beigetragen habe wie du?“

„Heather …“

„Vergiss es.“ Sie startete den Motor. „Lass unsere Anwälte darüber streiten. Wir beide kommen in der Sache bestimmt nicht auf einen Nenner.“

„Allerdings nicht“, stimmte er zu. In diesem Punkt waren sie sich ausnahmsweise einig.

„Und übrigens, ich glaube, du machst einen großen Fehler mit … wie war noch ihr Name?“ Sie deutete mit einer Kopfbewegung zum Garten.

„Meinst du das Gartenprojekt oder die Gartenarchitektin?“

„Beides.“ Heather legte den Gang ein und startete durch. Der von ihren Reifen aufgewirbelte Wüstenstaub landete auf seinen Schuhen.

„Gott sei Dank, dass wir keine Kinder haben“, murmelte er. Das war der einzig positive Aspekt an diesem ganzen Schlamassel.

Als er sich umwandte, bemerkte er Rowena, die in der Nähe auf ihn wartete. Anscheinend hatte sie den Garten verlassen, als Heather losgefahren war. Nun stand sie da und sah ihn aus ihren großen, tiefblauen Augen besorgt an. Ihre schlanke Gestalt wirkte etwas abweisend. Gebeugte Ellbogen, hochgezogene Schultern. Ihre gesamte Körperhaltung signalisierte eindeutig Distanz.

Sie hatte einen schönen Körper, wie er fand, schien sich dessen aber nicht bewusst zu sein und kleidete sich auch nicht besonders vorteilhaft. Einen Moment lang sah er sie ungeduldig an.

Die strengen Farben und Formen passten überhaupt nicht zu ihr. Vor allem die strenge Frisur wirkte abweisend. Sie hatte die Haare bis auf eine einzelne Strähne, die sich gelöst hatte, am Kopf festgesteckt. Ihre Augen waren wunderschön, machten aber viel zu wenig auf sich aufmerksam. Jemand sollte ihr mal sagen, dass sie nicht eine Lehrerin aus dem neunzehnten Jahrhundert kopieren muss, um kompetent zu wirken, dachte Ben.

Die lose Haarsträhne wehte ihr ins Gesicht und blieb an ihren vollen Lippen hängen. Sie nahm die Strähne in den Mund und begann darauf zu kauen. Als er das sah, hätte er sie am liebsten gepackt und ihr die Haarsträhne hinters Ohr geklemmt.

Auf den Haaren kauen, Dr. Madison? Was für eine schreckliche Angewohnheit. Dass ich das nicht noch einmal sehe! Und machen Sie mal irgendwas mit Ihrer Kleidung!

Plötzlich fühlte Ben sich daran erinnert, wie er selber vor fünfzehn Jahren war. Mit achtzehn oder neunzehn hatte er über bestimmte Themen erstaunlich viel gewusst und von anderen Dingen nie etwas gehört. Wenn er sich hatte ändern können, dann konnte sie es auch.

Heather dagegen konnte sich scheinbar nicht ändern. Sie wollte es auch gar nicht erst versuchen …

Doch jetzt wollte er nicht weiter an seine Exfrau denken.

Stattdessen hätte er am liebsten Rowena Madison vor einen Spiegel gestellt und zu ihr gesagt: Schauen Sie sich an! Sie sind attraktiv, intelligent, weitblickend. Haben Sie keine Angst, das auch zu zeigen. Haben Sie keine Angst vor Risiken und Gefühlen. Kämpfen Sie. Haben Sie den Mut, sich zu ändern. Und bitte, haben Sie keine Angst, andere Menschen an sich heranzulassen.

Aber nicht mich, fügte er in Gedanken hinzu. Ich bin zu einer solchen Nähe noch nicht bereit.

Gerade wollte er sie tatsächlich auf die Haarsträhne ansprechen, als sie plötzlich bemerkte, was sie tat. Erschrocken klemmte sie sich die Strähne hinters Ohr.

„So ist es besser“, murmelte er.

„Oh …“ Die Szene war ihr sichtlich peinlich.

„Ich wollte Sie gerade darauf aufmerksam machen.“

„Vielen Dank. Ich bin dabei, es mir abzugewöhnen. Aber manchmal passiert es eben doch noch, wenn ich über irgendetwas nachdenke.“

Nun wurde Ben auch klar, worüber sie nachgedacht hatte. Über seine letzte Bemerkung, dass er froh war, keine Kinder zu haben. Sie musste es gehört haben.

Verdammt.

„Aber wenigstens kaue ich nicht mehr auf den Fingernägeln.“ Als Beweis hielt sie die Hände hoch und lächelte ein wenig unsicher, aber durchaus triumphierend.

Er gab ihr, was sie verlangte. „Prima. Wirklich gut.“ So ähnlich hätte er auch ein fünfjähriges Kind dafür gelobt, dass es an drei Tagen hintereinander sein Gemüse aufgegessen hatte. Aber er meinte es nicht ironisch. „Schlechte Angewohnheiten wird man nicht so leicht wieder los.“

Sie nickte. „Wie lange waren Sie eigentlich verheiratet?“

„Elf Jahre.“

„Eine Trennung nach so langer Zeit ist bestimmt nicht einfach.“

„Ich habe von Ihren Fingernägeln gesprochen. Sie haben sich das Nägelkauen abgewöhnt.“

„Oh. Entschuldigung.“ Sie sah ehrlich betroffen aus. „Ich wollte nicht behaupten, dass Ihre Ehe eine schlechte Angewohnheit war.“

„Vielleicht war sie genau das.“

„Das müssen Sie wissen …“

Merkwürdig, wie unbeholfen sie die ganze Zeit miteinander umgingen. Sie hörten nicht richtig zu. Sagten zu viel. Lachten an der falschen Stelle. So etwas passierte Ben mit Fremden eigentlich nie. Er war zu vorsichtig und zu höflich, um sich mit einer völlig unbekannten Person auf ein derart emotionales Niveau zu begeben.

„Ich mag kein Durcheinander“, erklärte er knapp. „Und ich mag keine Fehlschläge. Eine Scheidung bedeutet beides, ganz gleich, ob nach elf Monaten oder elf Jahren.“

Wieder nickte sie. „Und Sie haben recht, mit Kindern wäre es noch viel schlimmer.“

„Ich wollte nicht, dass Sie das hören.“

„Ich rufe deswegen nicht die Presse an.“ Als sie unvermittelt lächelte, verwandelte sich ihr ganzes Gesicht. Sie sah plötzlich bezaubernd aus. Schelmisch und voller Lebensfreude. „Sie können sich ganz an das Drehbuch halten, Mr Radford.“

„Sie meinen, dass Heather und ich Freunde bleiben?“

„Genau.“

Sie lächelten einander an. Doch nur für einen kurzen Moment.

Ben konnte nicht begreifen, warum er einer völlig fremden Frau, die noch dazu offensichtlich Probleme mit sich selbst hatte, so viel von seiner bevorstehenden Scheidung erzählt hatte. Ihm wurde klar, dass sie auf seinen zynischen Ton, mit dem er sein eigenes Versagen hatte kaschieren wollen, nicht hereingefallen war.

Schon nach weniger als zwei Stunden in seiner Gesellschaft wusste Dr. Rowena Madison eindeutig zu viel von ihm.

Vier Wochen waren vergangen, seit Rowena ihr Angebot unterbreitet hatte. Da Ben Radford nicht darauf reagierte, ging sie davon aus, dass er sich anders entschieden hatte. Er kam ihr nicht vor wie jemand, der Entscheidungen lange vor sich herschob. Entweder hatte er einen anderen Landschaftsplaner beauftragt, einen, der nicht gleich bei der ersten Begegnung in die Tiefen seiner Seele schaute, oder er hatte das ganze Projekt aufgegeben. Vielleicht stimmte er mittlerweile seiner Exfrau zu, die diese ganze Idee für einen großen Fehler hielt.

Oh ja, auch diese Bemerkung hatte Rowena gehört.

Ebenso wie Bens Bemerkung, als Heather davongefahren war.

Gott sei Dank, dass wir keine Kinder haben.

Rowena war sich sicher, dass sie diesen Satz nie vergessen würde. Schließlich bewies er, dass sich hinter Bens arroganter Fassade ein durchaus sensibler Mensch verbarg, der sich auch um andere Gedanken machte. Stark und dennoch einfühlsam. Gut aussehend, aber alles andere als oberflächlich. Ben wirkte charmant, kreativ und voller Leben. Dennoch schien er momentan nicht sehr glücklich zu sein.

Auf Rowena wirkte er faszinierend und beängstigend zugleich. Definitiv eine gefährliche Mischung. Eigentlich konnte sie froh sein, dass sie den Auftrag nicht bekommen hatte und Ben vermutlich nie wiedersah.

Aber je mehr Zeit verstrich, desto stärker wurde ihr Wunsch nach ein wenig Gefahr in ihrem Leben.

„Woran wollen wir dieses Frühjahr arbeiten?“, fragte Jeanette bei der nächsten Therapiestunde in ihrem Büro in Santa Barbara.

„Männer.“ Rowena hörte ihre eigene entschlossene Stimme und zuckte entsetzt zusammen. Sie hätte das Thema doch wenigstens ein bisschen umschreiben können!

Jeanette schien sich an so viel Direktheit nicht zu stören. „Sind Sie mit jemandem zusammen?“

Rowena schüttelte den Kopf. „Aber ich glaube, ich möchte es gern. Nein, ich bin mir sicher. Allerdings weiß ich nicht, ob der Typ Mann, der mich interessiert, das auch mitbekäme.“

Jeanette lachte. Sie war Ende vierzig und ein ausgesprochen sachlicher Mensch. Ein endloses Aufarbeiten von Kindheitserfahrungen interessierte sie nicht. Ihr ging es um Lösungen für die Probleme des täglichen Lebens. Sie erwartete von Rowena, dass sie klare Ziele formulierte, an deren Erreichen sie dann gemeinsam arbeiteten. Diese Strategie hatte sich bisher als sehr erfolgreich erwiesen.

Rowena ging seit einem Jahr zu Jeanette, nachdem sie von Florida nach Kalifornien umgezogen war. Der Kontakt war auf Empfehlung ihrer damaligen Therapeutin Francine zustande gekommen. Das erste Ziel, das Rowena vor zwei Jahren bei Francine formuliert hatte, lautete: Ich möchte in der Lage sein, meine Wohnung allein zu verlassen.

Ob man es nun soziale Phobie nannte, Angststörung oder einfach nur den Wunsch, sich zu verkriechen, Rowena hatte eine schrecklich lähmende Phase in ihrem Leben durchgemacht. Ohne eine vertraute Person an ihrer Seite hatte sie nicht mehr unter Menschen gehen können.

Seit dieser ersten Therapiesitzung vor zwei Jahren waren ihr jedoch riesige Fortschritte gelungen, einschließlich ihres Umzugs an die Westküste.

Ihre Eltern waren anfangs sehr besorgt gewesen: Was? Nach Kalifornien? Ganz allein? Und wenn die Panikattacken nun wiederkommen?

Aber Rowena war von ihrem Entschluss überzeugt gewesen. Schließlich hatte Rox damals schon in Italien gewohnt. Und Rowena war nur nach Florida zu ihren Eltern geflüchtet, weil sie mit ihren Angstattacken nicht mehr allein fertig geworden war.

Damals war es einfach Zeit gewesen, unabhängig zu werden und ihren Platz in der Welt zu finden. In Fort Lauderdale hatte sie kaum Kontakte geknüpft, und auch nach New Jersey, wo sie und Rox aufgewachsen waren, gab es keine wichtigen Verbindung mehr. Abgesehen davon ließen sich auch ihre beruflichen Ambitionen in Florida kaum verwirklichen: Die Art von Gärten, die sie interessierten, lagen selten im sandigen Flachland.

Einige größere Aufträge in der Gegend von Santa Barbara hatten ihren Entschluss dann besiegelt. Und inzwischen, nach einem Jahr, fühlte sie sich hier wie zu Hause. Rowena wohnte in einer hellen Neubauwohnung. Ihr Büro lag ganz in der Nähe in einem Gebäude mit Zahnärzten, Architekten und Rechtsanwälten. Und die Pazifikküste bot eine überwältigende Vielfalt an Landschaften mit einer faszinierenden Pflanzenwelt.

Auch Jeanette war ein Glückstreffer. Ob es nun daran lag, dass sie die richtige Person war, oder einfach daran, dass Rowena zu Veränderungen bereit war, die Therapie funktionierte. Sie hatte gelernt, ihre Wohnung allein zu verlassen und bei Konferenzen das Wort zu ergreifen. Und nun wollte sie lernen, eine Beziehung zu einem Mann aufzubauen.

„Ehrlich gesagt, glaube ich, dass es eine Weile dauern wird“, bemerkte Rowena.

„Sie sind stärker, als Sie denken, Rowena.“

„Manchmal.“ Rowena seufzte. „Aber manchmal glaube ich, ich mach drei Schritte vorwärts und zwei zurück.“

„So geht es uns allen. Aber drei vorwärts und zwei zurück sind immer noch ein Fortschritt. Unterschätzen Sie die Vorwärtsschritte nicht. Schreiben Sie sie auf.“

„Und die Rückwärtsschritte auch?“

„Wir konzentrieren uns auf die Richtung. Vorwärts. Vergessen Sie alles andere. Es bringt nichts, darüber nachzugrübeln.“

Der Frühling verging. Die Natur entfaltete ihre volle Pracht, erblühte und – begann sich langsam dem Herbst entgegenzuneigen.

Und dann …

„Hier ist Ben Radford.“ Es war ein Montagmorgen im September, als er anrief. „Sind Sie noch an dem Projekt auf meiner Ranch interessiert, Dr. Madison?“

Ben Radford. Der gut aussehende, wohlhabende, zynische, unmögliche Ben, der innerhalb weniger Stunden in Rowena den Wunsch nach etwas Gefahr in ihrem Leben geweckt hatte.

Sie ließ sich in ihren Drehstuhl sinken und kleckerte dabei mit dem Kaffee, den sie sich gerade geholt hatte. „Ich habe Ihnen das Angebot vor sechs Monaten geschickt“, sagte sie verdutzt.

Es entstand eine kurze Pause. „Das heißt also, nein.“

„Nun, nicht direkt.“

„Was dann?“ Er wurde ungeduldig. „Dass sich der Preis verdoppelt hat?“

„Das auch nicht. Es heißt, dass ich noch darüber nachdenken muss.“

„Wenn Sie im Moment ausgebucht sind, kann ich auch warten. Ich brauche nur einen ungefähren Zeitplan.“ Seine tiefe Stimme mit dem englischen Einschlag klang absurd vertraut nach dieser langen Zeit. Gott sei Dank, dass wir keine Kinder haben. Dieser Satz war ihr monatelang immer wieder durch den Kopf gegangen. So viel Emotion hatte sie selten in der Stimme eines Mannes gehört.

In letzter Zeit achtete sie stärker auf Männer und Männerstimmen, aber trotzdem hatte sie Ben Radford nicht vergessen. Zwar hatte Rowena sich öfter verabredet, aber daraus war nie etwas Ernstes geworden. Dennoch betrachtete sie ihre Dates als Erfolg.

Sie hatte gelernt, sich beim Essen zu unterhalten und Fragen zu stellen, und hatte entspannte, nette Abende erlebt. Zwei Männer hatte sie sogar geküsst und sich dann lächelnd verabschiedet, ohne den Zwang, sich dafür entschuldigen zu müssen, dass sie beim ersten Mal nicht gleich mit ihnen ins Bett wollte.

Ja, sie hatte großartige Fortschritte gemacht.

Doch all das schien wie ausgelöscht, als sie Ben Radfords Stimme hörte. Nervosität, Unsicherheit und Aufregung waren schlagartig wieder da.

„Ich bin ziemlich ausgebucht, aber es gibt noch einige Zeitfenster“, sagte sie unentschlossen. Dann fand sie die Professionalität wieder, die ihr durch jede Schwierigkeit half. „Die meisten Leute brauchen nicht sechs Monate, um zu entscheiden, ob sie ein Angebot akzeptabel finden. Was war denn los, Ben?“

„Ich wollte erst meine Scheidung abwarten“, erklärte er. „Es hat länger gedauert als erwartet.“

„Oh. Natürlich. Entschuldigung.“ Sie hätte nicht danach fragen sollen.

„Aber inzwischen geht es mir viel besser.“

Mir auch, hätte sie fast erwidert.

Allerdings meldete sich genau in diesem Moment die vertraute Angst, die sie schon überwunden glaubte: Tut mir leid, ich habe gerade festgestellt, dass ich für die nächsten fünfzig Jahre ausgebucht bin. Suchen Sie sich jemand anderen. Auf Wiederhören.

Nimm dich zusammen, Rowie, du wolltest doch das Risiko.

„Gut, ich schaue mal in meinen Kalender.“ Sie begann in ihrem Wochenkalender zu blättern. Tatsächlich war sie für die übernächste und die darauf folgenden zwei Wochen komplett ausgebucht. Sie seufzte und blätterte weiter.

„Darf ich fragen, wie Sie vorgehen wollen?“

Trotz der vielen Gärten, die sie in den letzten Monaten gestaltet hatte, konnte sie sich an die Santa Margarita Ranch genau erinnern.

„Wir müssen in zwei, vielleicht sogar in drei Phasen arbeiten“, begann sie. „Als Erstes brauchen wir eine Bestandsaufnahme. Der derzeitige Bewuchs muss gelichtet werden. Danach kann ich hier im Büro einen detaillierten Plan entwerfen. Anschließend käme die Umbau- und Pflanzphase. Sämtliche Kosten sind im Angebot enthalten.“

„Und die Bestandsaufnahme könnte wann stattfinden?“

Sie blätterte wieder in ihrem Kalender. Diesmal rückwärts, nur um bestätigt zu finden, was sie ohnehin schon wusste. Bis auf zwei Ortsbegehungen, die sie verschieben konnte, war ab übermorgen bis Ende nächster Woche kein Termin eingetragen.

Es war gut, dass ich gewartet habe, dachte Ben, als er zwei Tage später Rowena Madison in dem kleinen Pendler-Terminal am Flughafen von San Diego sah.

Hätte er das Gartenprojekt vorangetrieben, noch während er mit der Scheidung beschäftigt war, würde er wohl jede einzelne Pflanze in seinem Garten hassen und damit wahrscheinlich auch Rowena. Vermutlich hätte er sie mit seiner Gereiztheit und seiner unaufmerksamen Distanz schon nach kurzer Zeit vertrieben.

Und wenn er eine örtliche Gartenbaufirma beauftragt hätte, wäre ihm diese wunderbare Vorfreude entgangen, die er jetzt spürte.

Für dieses Projekt hatte er sich die nächsten neun Tage bis auf wenige Termine und einige Abendveranstaltungen freigehalten. Wenn Dr. Madison glaubte, dass er ihre Arbeit aus sicherer Entfernung beobachten würde, so täuschte sie sich. Er hatte sich vorgenommen, seine Geschäftsanzüge gegen Jeans, T-Shirt und Arbeitsstiefel einzutauschen und sich an Rowenas Seite mit vollem Einsatz in die Gartenarbeit zu stürzen.

Als sie ihn entdeckte, lächelte sie. Es war ein vorsichtiges, berufsmäßiges Lächeln. Nun, ihre Vorsicht konnte er ihr nicht verübeln. Sie war berechtigt, wenn sie sich genauso deutlich an den gemeinsamen Vormittag vor sechs Monaten erinnerte wie er.

Wie sie sich gegenseitig wachgerüttelt hatten.

Wie sie ihm unter die Haut gegangen war.

Und wie sie einander bei Weitem zu viel erzählt hatten.

Jetzt schüttelten sie sich die Hand. Die Ärmel ihres schlichten grauen Jacketts waren zu lang und konnten dennoch die Spuren der Gartenarbeit an Rowenas Händen nicht vollständig verbergen. Die leicht rauen Handflächen verrieten ihm, dass auch sie nichts dagegen hatte, sich bei der Arbeit die Hände schmutzig zu machen.

„Danke, dass Sie mich abholen, Ben.“ Man hörte, dass es ihr schwerfiel, ihn beim Vornamen anzusprechen. „Wäre wirklich nicht nötig gewesen.“

„Dachten Sie, ich schicke einen Wagen?“

„Nein, ich hatte vor, einen Leihwagen zu nehmen. Nächstes Mal fahre ich mit meinem eigenen Wagen, aber er ist zurzeit in der Werkstatt. Hatten wir uns nicht für drei Uhr auf Ihrer Ranch verabredet?“

„Sicher, die Verabredung gilt auch noch. Aber da ich sowieso in der Stadt war, dachte ich, ich hole Sie gleich vom Flughafen ab.“

„Einen Wagen brauche ich aber trotzdem“, beharrte sie.

„Sie können meinen Geländewagen nehmen. Darin lassen sich Geräte und Muster bequem verstauen.“

„Vielen Dank.“ Wieder lächelte sie zurückhaltend.

Ihre Vorsicht schien eine Angewohnheit zu sein. Eine Maske, die sie schon einmal hatte fallen lassen, als sie über seine Scheidung gesprochen hatten. Rowena besaß Verstand, Herz und Humor – warum nur versteckte sie all diese Eigenschaften?

„Müssen wir auf Gepäck warten?“, fragte er.

„Ja … allerdings.“ Sie zuckte ein wenig zusammen. Ein paar Minuten später verstand er, warum.

Drei große Koffer. Natürlich in grau.

Am liebsten hätte er ihr gesagt, dass eine Frau im Geschäftsleben auch andere Farben tragen kann, ohne unprofessionell zu wirken. Es gab einflussreiche Geschäftsfrauen, die sich in Burgunderrot oder sogar mit Blumenmuster in die Öffentlichkeit wagten. Manche zeigten sogar ein wenig Haut.

Doch statt etwas zu sagen nahm er ihre Koffer vom Band und wunderte sich aufs Neue. „Was haben Sie denn da drin? Pflastersteine?“

„Studienmaterial.“

„Bücher?“

„Hauptsächlich.“

„Fühlt sich an wie Lexika.“

„Es sind tatsächlich ziemlich dicke Bücher. Ich weiß auch nicht, warum die Verlage keine dünnen Fachbücher rausgeben.“ Einen Moment lang lächelte Rowena fast kokett, doch Ben bemerkte, wie sie sich – gleich einer verschreckten Katze – sofort wieder zurückzog.

Und er begann darüber nachzudenken, ob ihre Widersprüchlichkeit wohl auch in ihrer Kleidung zum Ausdruck kam. Was trug sie in ihrer Freizeit, wenn sie allein war? Was trug sie zum Beispiel im Bett? Einen Flanell-Pyjama? Oder ein hochgeschlossenes Baumwollnachthemd? Oder nur einen Seidenslip?

„Kann ich einen Teil davon auf der Ranch lassen?“, fragte Rowena.

Wahrscheinlich das Baumwollnachthemd. Mit langen Ärmeln.

„Einen Teil davon?“ Ben musste sich zwingen, dem Gespräch wieder zu folgen. „Wo lassen Sie den Rest?“

„In meinem Hotel.“

Du meine Güte, das alles hätten sie im Vorfeld klären sollen!

„Ich dachte, Sie wohnen vielleicht lieber auf der Ranch. Wir haben einen separaten Gästeflügel. Meine Haushälterin hat alles für Sie vorbereitet. Wir werden nicht zu eng aufeinanderhocken.“

„Einverstanden“, bestätigte sie verlegen. „Es ist ja wirklich ein großes Haus.“

„Die Entscheidung liegt natürlich bei Ihnen. Ich dachte nur, es wäre für Sie bequemer, wenn Sie nicht hin- und herfahren müssen. Das nächste Motel, das ich empfehlen kann, liegt einige Meilen von Santa Margarita entfernt.“

„Das … ist wirklich sehr nett von Ihnen. Vielen Dank.“

„Sie können natürlich kommen und gehen, wann Sie wollen“, versicherte er ihr. „Es gibt einen separaten Eingang. Sie sind völlig ungestört.“

Die Sache schien ihr immer noch unangenehm zu sein. Und ihr Unbehagen machte ihn nervös. Warum zum Teufel hatte diese Frau einen derartigen Einfluss auf ihn?

Rowena warf ihre wohlüberlegten Pläne über den Haufen. Sie würde sich also nicht in einem Hotel in Ruhe auf das Treffen mit Ben vorbereiten. Sie würde auch keine Plastikplane in einem Leihwagen ausbreiten, um darin Mustersteine und Pflanzen aus den Gartencentern zu transportieren. Stattdessen würde sie seinen Geländewagen fahren und in seinem Gästeflügel wohnen. Doch zuvor begleitete sie ihn offenbar auch noch zum Lunch.

„In La Jolla“, erklärte Ben, als sie neben ihm im Wagen saß. „Das liegt nicht ganz auf dem Weg, aber beinahe. Ich kenne dort ein schönes Seafood-Restaurant direkt am Meer. Es steht zum Verkauf, und ich beobachte es seit einiger Zeit, weil ich mit dem Gedanken spiele, es zu übernehmen. Wir können dort den Beginn des Projekts mit Champagner feiern.“

Der Anlass schien Rowena für ein teures Essen zu unbedeutend, aber sie behielt diese Meinung für sich.

„Großartig“, sagte sie steif. „Dann können wir während des Essens schon einige Ideen für die Gartengestaltung austauschen.“

Auf dem Weg zum Restaurant kamen sie am Hauptsitz von Radford Biotech vorbei. Das niedrige weiße Gebäude war von einer riesigen Rasenfläche umgeben, die im Schachbrettmuster gemäht war und an eine schottische Decke erinnerte.

Die Sonne spiegelte sich in den Fensterscheiben des Gebäudes. Majestätische Wüstenstauden strukturierten das Grundstück, und die asphaltierte Einfahrt zum Parkplatz war glatt und eben wie die Glasur auf einer Hochzeitstorte.

„Das ist immer noch mein ursprünglicher Entwurf.“ Sein Kommentar klang so uninteressiert und abweisend, dass sie es nicht wagte, sich noch einmal umzuschauen.

Die Firma gehörte ihm ja auch nicht mehr.

Dennoch sagte der Firmensitz einiges über ihn. Über seinen Blick fürs Detail und die Energie, die er in dieses Unternehmen gesteckt hatte. War er wirklich so desinteressiert, wie er tat?

„Haben Sie die Firma vollständig verkauft? Haben Sie gar keine Anteile behalten?“

„Ich habe alles verkauft.“ Dann fügte er fast reumütig hinzu. „Und nach drei Monaten kam ein größeres Aktienpaket auf den Markt. Ich habe es um zwanzig Prozent teurer zurückgekauft. Genau wie meine Exfrau prophezeit hat, der Wert steigt immer noch weiter. Aber jetzt bin ich wieder mit zehn Prozent beteiligt.“

„Sie wollten doch nicht ganz loslassen.“

„Sagen wir, ich wollte Einblick in den Geschäftsbericht haben und sicher sein, dass das neue Management die Firma nicht in die Pleite führt.“

Rowena schwieg einen Moment höflich.

Dann fuhr Ben fort: „Okay, ich gebe es zu. Es war pure Sentimentalität. Da die Firma noch meinen Namen trägt, wollte ich auch irgendwie dazugehören.“

„Und Sie wollen sich gar nicht mehr aktiv einmischen?“

Er lachte. „Mit Radford Lateral Enterprises hab ich wirklich keine Zeit dazu.“

Im Restaurant bekamen sie einen Fensterplatz mit Blick aufs Meer. Rowena zog ihr Jackett aus. Darunter trug sie ein ärmelloses Seidentop. Sie blickte aufs Meer und fragte sich, warum ihr nichts einfiel, was sie zu Ben hätte sagen können.

„Es gibt niemals zwei gleiche“, brach er das Schweigen.

„Wie meinen Sie? Die Wellen? Ja, man muss die ganze Zeit hinschauen.“

„Geht mir auch so.“ Er klappte die Speisekarte zu.

„Wirklich?“

„Lassen Sie sich nicht stören. Wir beobachten einfach beide die Wellen.“

„Gut.“

Sie lächelten einander zu und blickten dann wieder auf die heranrollenden Wellen, bis der Kellner kam, um ihre Bestellung aufzunehmen. Erst dann merkte Rowena, dass sie sich noch gar nichts ausgesucht hatte. Hastig entschied sie sich für Pasta mit Meeresfrüchten und einen kleinen Salat. Ben nahm gegrillten Fisch mit Mangosoße. Dazu bestellte er Champagner, erlaubte sich allerdings nur ein halbes Glas.

Für Rowena genügte ein halbes Glas, um sie ein wenig schwindlig zu machen und ihre Zunge zu lösen. Als Ben sie nach ihren bisherigen Projekten fragte, erzählte sie in vielen Details von Rosen in Italien, Springbrunnen in Oregon und Obstgärten in Maine.

Das Restaurant war kein Ort, an dem man zur Eile getrieben wurde. Sie hätten den ganzen Nachmittag hier verbringen können. Als sie das Restaurant schließlich verließen, war es bereits nach zwei. Rowena fühlte sich wie in einem Kokon aus Wohlbefinden und gespannter Erwartung.

3. KAPITEL

„Wirklich sehr schön.“ Rowenas Augen strahlten, als sie sich in dem frisch renovierten Gästeflügel umsah. „Sie haben die Originaltüren behalten. Das alte Holz ist wunderbar. Mir gefallen auch die Farben, die Sie ausgesucht haben.“

Ben hatte sich nicht für die Idee seines Dekorateurs erwärmen können, die für diese Region klassischen Erdtöne zu verwenden. Stattdessen hatte er sich für eine Mischung aus weiß, türkis und gold entschieden.

„Ich mag diese ruhige, kühle Ausstrahlung“, betonte Rowena.

„Wenn Sie aber lieber im Motel wohnen möchten …“ Er ließ den Satz im Raum stehen und beobachtete ihre Reaktion.

Wieder einmal faszinierten ihn die Veränderungen in ihrem Gesicht, die sich jedes Mal vollzogen, wenn sie voller Begeisterung schöne, alte Dinge betrachtete. Dann weiteten sich ihre blauen Augen und färbten sich dunkler. Ihre vollen Lippen entspannten sich zu einem weichen Lächeln.

In diesen Momenten war nichts mehr zu spüren von der Nervosität und schüchternen Zurückhaltung, die sie sonst wie eine steife Rüstung umgaben und ihre natürliche Anmut verhüllten. Ihre Unsicherheit machte ihn manchmal fast wütend. Er sah absolut keinen Grund für ihren Mangel an Selbstvertrauen, und er hatte wenig Verständnis für Menschen, die sich von ihren Schwächen leiten ließen.

Nun, im Augenblick bremsten diese Schwächen sie jedenfalls nicht.

Sie lächelte nicht wirklich. Es lag ein noch schönerer Ausdruck auf ihrem Gesicht. „Strahlend“ wäre das Wort gewesen, das er benutzt hätte, wenn nicht gerade diese Scheidung hinter ihm läge, die ihm jede Assoziation zu einer Braut verdarb.

Voller Ehrfurcht strich sie über eine Eichensitzbank aus dem neunzehnten Jahrhundert, die im Flur der Gästesuite stand. „Wunderschön.“

Sie betrachtete das Gemälde an der Wand, eine Landschaft aus kräftigen Farbspritzern von einem modernen italienischen Künstler, der streng genommen nicht hierhergehörte. Aber in diesen Dingen war Ben großzügig, wenn ihm etwas gefiel.

„Wenn Sie Kunst mögen, kommen Sie doch morgen Abend mit in meine Galerie zur Vernissage“, lud er Rowena spontan ein. Als sie zögerte, fügte er hinzu: „Es wird Ihnen bestimmt gefallen.“

„Aber ich bin doch zum Arbeiten hier.“

„Abends haben Sie frei. Außerdem hat Ihr Beruf so viel mit schönen Dingen zu tun, dass Sie Ihre Sinne verwöhnen sollten, wann und wo immer möglich.“ Als sie auf diese Beschreibung alarmiert reagierte, wurde er wieder ungeduldig mit ihr. „Und erzählen Sie mir nicht, dass Sie zu müde sind. Es ist kein großer Aufwand. Ein kurzer Flug im Helikopter.“

„Helikopter …“

„Ja. Das ist bequem und geht schneller als mit dem Auto.“

Rowena machte ein ängstliches Gesicht.

„Dann ist es also abgemacht“, drängte Ben. „Und wenn wir Hunger haben, gehen wir hinterher essen. Der Helikopter kommt um halb sechs.“

„Ich … okay.“ Sie breitete die Hände aus und lachte ein wenig hilflos, als könnte sie es eigentlich nicht glauben.

Auch Ben wunderte sich über seine spontane Einladung. Im Stillen fragte er sich, was morgen wohl auf ihn zukam, eine Reihe von Unannehmlichkeiten oder ein richtig netter Abend.

Sie stellten Rowenas Gepäck auf einem handgewebten Läufer ab. Dann machte Rowena einen kleinen Rundgang durch die Räume und warf einen Blick ins Badezimmer.

„Es ist alles perfekt hier“, sagte sie. „Vielen Dank.“

„Nur im Wohnzimmer fehlt noch ein Tisch oder etwas Ähnliches. Der Dekorateur hat es mit einem Schreibtisch mit Rollaufsatz probiert. Es sah fürchterlich aus. Aber Sie brauchen noch irgendetwas als Arbeitsplatz. Abgesehen davon können Sie auch das Büro meiner Sekretärin benutzen, wenn sie nicht da ist.“ Er unterhielt ein großes Büro in San Diego. Bei Bedarf kamen seine Mitarbeiter aber auch zu ihm nach Santa Margarita. „Und auch meinen Konferenzraum. Aber ich nehme an, Sie wollen die meiste Zeit hier arbeiten.“

„Was ist denn mit der alten Hobelbank draußen?“

„Das alte Ding?“

„Alt ist gut.“

„Meinen Sie, alt genug, um interessant zu sein?“

„Ich denke, die Werkbank ist wesentlich älter und interessanter, als man auf den ersten Blick glaubt.“ Ihre Unsicherheit verschwand sofort, als sie ihre fachkundigen Argumente vortrug. „Ich habe keinen einzigen Nagel gesehen. Diese Werkbank ist mit Schwalbenschwanzverbindung gebaut. Das ist eine alte Handwerkstechnik. Ich denke, das Stück ist über hundert Jahre alt.“

„Ich wusste gar nicht, dass Sie sich auch mit Antiquitäten auskennen.“

„Oh, ich bin ganz bestimmt keine Expertin“, wehrte Rowena bescheiden ab. Und wie bei ihrer ersten Begegnung wurde ihr erst im letzten Moment klar, dass sie im Begriff war, auf den Nägeln zu kauen. „Aber man schnappt hier und da mal was auf. Das bleibt nicht aus, wenn man sich mit historischen Gärten beschäftigt. Es ist ein nettes Hobby …“

Er unterbrach ihren Redefluss. „Was müsste denn daran gemacht werden, bevor man sie wieder benutzen kann?“

„Man muss die Oberfläche abziehen, schleifen und neu behandeln. Mit einem möglichst dezenten Finish, das die Maserung schön zur Geltung bringt.“ Jetzt war sie wieder selbstbewusst und engagiert. Bleib so, um Himmels willen, hätte er ihr am liebsten zugerufen.

„Ich sage Pablo und Wayne Bescheid. Sie sollen morgen damit anfangen“, sagte er.

„Pablo und Wayne?“

„Dachten Sie, Sie müssen die ganze Arbeit allein machen?“

Ben schenkte ihr ein Lächeln, das sie nicht deuten konnte. Lachte er sie an oder aus?

Bitte nicht immer diese Zweifel, dachte er. Sei einfach Rowena Madison, sonst bringst du mich ganz schnell um den Verstand.

„Wenn Sie hier frühstücken möchten, bringt Ihnen Kate alles, was Sie brauchen. Schreiben Sie einfach eine Liste und legen Sie sie auf die Sitzbank im Flur.“

Rowena hatte seine irische Haushälterin nur einmal im Vorbeigehen getroffen.

„Kate kann Ihnen natürlich auch die übrigen Mahlzeiten hierherbringen, aber es wäre einfacher, wenn Sie mit mir zusammen im Esszimmer essen.“

„Oh, natürlich. Kate …“

„Sie kocht und führt den Haushalt. Streitet sich mit den Handwerkern herum. Ich halte Sie beide ein wenig auf Abstand, bis ich denke, dass Kate Sie verkraften kann.“

„Mich verkraften?“

„Kate ist ein wenig schüchtern. Sie dagegen sind ziemlich resolut.“

Rowena wurde rot. Sicher, sie war schüchtern, wie er ganz richtig erkannt hatte, aber gab es einen Grund, sich darüber lustig zu machen?

Als Ben sah, dass sie über seinen Scherz nicht lachen konnte, verfluchte er sich selbst. Und Rowena auch.

Zum Teufel mit ihrer Unsicherheit. Sie war eine intelligente, attraktive Frau, die sich nicht zu verstecken brauchte. Aber in diesem Moment stand sie da und drückte mit ihrer Körpersprache nur einen Wunsch aus: Gehen Sie jetzt, und lassen Sie mich allein.

Okay, diesen Gefallen konnte er ihr tun.

„Lassen Sie sich so viel Zeit, wie Sie wollen“, sagte er.

„Kann ich nachher gleich anfangen?“

„Anfangen?“

„Mit dem Garten. Ich will nur schnell auspacken. Wäre schön, wenn ich heute noch für ein paar Stunden in den Garten kann.“

„Ja, sicher.“ Jetzt war er derjenige, der sich hilflos fühlte. Ihr plötzlicher Eifer gab ihm das Gefühl, in einen Spiegel zu schauen.

Auch er konnte es kaum abwarten, wenn er ein neues Projekt in Angriff nahm. Wie ein Kind am Ticket-Schalter von Disney World. Aber er fand diesen Eifer für seine Position unangemessen und versuchte deshalb, ihn zu verbergen.

Genau genommen gab es eine ganze Menge, die er zu verbergen versuchte. Vielleicht waren die offenkundigen Unterschiede zwischen ihm und Rowena gar nicht so groß, wie es zunächst den Anschein hatte.

Rowena schob die Koffer mit den Büchern unters Bett und verstaute das meiste ihrer Kleidung in Schubläden. Ein paar Stücke hängte sie in den Schrank. Ben Radford musste sie für verrückt halten, dass sie es so eilig hatte, in den Garten zu kommen. Wahrscheinlich ging er davon aus, dass sie erst einmal ein Schaumbad nahm und anschließend ein Nickerchen machte. Womöglich mit Gurkenscheiben auf den Augen und einer Reinigungsmaske im Gesicht.

Machte es ihr etwas aus, wenn sie seinen Vorstellungen von Frauen nicht entsprach?

Zum Teufel, nein!

Sie schrieb eine Frühstücksliste für Kate. Orangensaft, Kaffee, Milch, Müsli, frisches Obst.

Knapp zwei Minuten später hatte sie ihren grauen Hosenanzug gegen Jeans, ein lila T-Shirt und bequeme Arbeitsstiefel eingetauscht. Sie setzte ihre rote Baseball-Kappe auf und ging in den Garten.

Auf der schattigen Veranda standen die Gartengeräte mit den Holzstielen an die Wand gelehnt für sie bereit. Daneben eine Schubkarre, ein Paar nagelneue, lederne Gartenhandschuhe und eine Auswahl an Scheren und Sägen.

Sie zog die Handschuhe an und machte sich auf den Weg durch den Kakteendschungel. Nach zwanzig Minuten erreichte sie eine niedrige, bröckelige Steinmauer, die den Garten zum offenen Land hin begrenzte.

Rowena stellte sich auf die Mauer und blickte über das Weideland, auf dem die Santa-Gertrudis-Rinder grasten. In der Nähe entdeckte sie die restaurierten Ställe für die vier Pferde, die Ben sich als Hobby hielt.

Sie schloss die Augen bis auf einen kleinen Spalt und begann zu planen.

Wenn dieses Stück Land mir gehören würde, was würde ich mir wünschen?

Die Bilder ließen nicht lange auf sich warten. Bunte Fliesen um einen Brunnen. Ein schattiger Sitzplatz. Traditionelle Motive und die typischen, einst von spanischen Missionaren mitgebrachten Pflanzen. Farbenprächtige Blumen, Kräuter und Orangenbäume voller Früchte. Die Struktur von Holz und Stein. Lebendige Dinge.

Rowena setzte sich auf die Mauer und ließ ihre Fantasie weiter fließen. Sie sah einen Teich mit Fischen. Eine Spielzeugeisenbahn mit Holzrädern. Das Lachen von Kindern …

Hey!

Lachende Kinder gehörten nun wirklich nicht in ein Gartendesign. Abgesehen davon schienen sie auf absehbare Zeit auch nicht zu Ben Radfords Lebensplanung zu gehören.

Aber sie passten einfach nach Santa Margarita. Dieser Ort strahlte Wärme und Geborgenheit aus. Er schrie förmlich nach Kindern. Auch wenn Ben es nicht tat.

Genug davon, ermahnte sie sich.

Rowena stand auf und machte sich auf den Rückweg. Auf der Veranda wurde sie schon erwartet. Pablo und Wayne begrüßten sie mit einem freundlichen Lächeln. Aber wer war nun Pablo und wer Wayne?

Die beiden Männer ähnelten einander. Beide waren stämmige Kerle mit dunklen Haaren, dunklem Teint und kräftigen Händen. Der eine war Anfang dreißig, der andere vielleicht zehn Jahre älter. Nur an der Sprache waren sie gut zu unterscheiden. Der eine sprach den gedehnten texanischen Akzent, der andere schien überhaupt kein Englisch zu sprechen und kommunizierte mit Gesten, Mimik und Brocken einer undefinierbaren Sprache.

Okay, das war wohl Pablo. Pablo aus Mexiko und Wayne aus Texas.

Sie erklärte den Männern, dass sie damit beginnen wollte, die Kakteen am Haus herunterzuschneiden. Nach kurzer Zeit war das Bild von den lachenden Kindern genauso vergessen wie Bens komplizierte Persönlichkeit und die morgige Vernissage, zu der sie ihn begleiten würde.

„Pablo, schneiden Sie das hier mal weg.“

Mit größter Überzeugung rief Rowena Wayne beim falschen Namen. Ben stand im Schatten des Hauses und beobachtete diese Szene. Normalerweise fand er es äußerst ärgerlich, wenn Leuten solch ein Fehler passierte, aber bei Rowena war es einfach nur … reizend.

Die ganze Frau war reizend. Diese groben Stiefel, die sie mit einer bemerkenswerten Anmut trug. Die Schmutzspuren in ihrem Gesicht. Die rote Kappe zum lila T-Shirt. Diese Mischung aus Autorität und kindlicher Aufregung, wenn sie sprach.

„Fantastisch! Leute, das ist ein alter Brunnen. Schaut euch nur die schönen, alten Steine an. Pablo, schneiden Sie das hier auch noch weg.“

Sie ging flink beiseite, um nicht im Weg zu stehen. Die Baseball-Kappe hatte sie tief in die Stirn gezogen, was ihre hohen Wangenknochen betonte.

Ben fragte sich, wie sie über dreißig hatte werden können, ohne sich bewusst zu sein, wie hübsch sie war.

„Wayne, wir brauchen zum Abtransport irgendein Fahrzeug. Mit der Schubkarre ist es einfach zu mühsam. Vielleicht frage ich Ben mal …“ Während sie diesen Gedanken aussprach, schaute sie zum Haus hinüber und hielt inne. „Oh, hallo.“

Schlagartig verloren ihre Bewegungen jede Anmut und Leichtigkeit. Die vertraute Steifheit, die ihn so ungeduldig machte, gewann wieder die Oberhand. Und es stand ihr ins Gesicht geschrieben, dass sie sich fragte, wie lange er sie schon beobachtete.

Manchmal war sie gar nicht reizend!

Sie war wie eine Vollblutstute, die im offenen Gelände prächtig galoppierte und sofort blockierte, sobald sie auf die Rennbahn kam.

„Sie meinen, das könnte ein alter Brunnen sein?“ Vielleicht konnte er sie von ihrer Unsicherheit ablenken, indem er ein Thema ansprach, das sie interessierte … Denn er hatte wirklich keine Lust, die nächsten acht oder neun Tage mit einer so femininen Frau zu verbringen, die die meiste Zeit kompliziert war.

„Sehen Sie doch die runde Mauer. Fühlen Sie mal.“ Sie zog ihren Handschuh aus und strich mit der bloßen Hand über den rauen Stein.

Ben folgte ihrem Beispiel. Der Stein war warm. Die sandigen Reste an seinen Fingern fühlten sich seltsam angenehm an. Ihm war klar, dass er nicht so empfunden hätte, wenn nicht Rowena seine Aufmerksamkeit auf diese Dinge lenkte. Plötzlich stellte er sich vor, wie ihre Hände über weichere Dinge glitten. Über seidigen Stoff, schaumige Seife, männliche Haut …

Das Bild verschwand, wie es gekommen war, hinterließ aber eine heftige Abwehrreaktion bei ihm. Er wollte sich nicht zu ihr hingezogen fühlen. Diese Art von Herausforderung brauchte er wirklich nicht. Und für eine kleine, bedeutungslose Affäre war Rowena absolut nicht die Richtige.

„Vielleicht hat er sogar noch Wasser“, hörte er sie sagen. „Wer weiß, vielleicht finden wir auch ein eingemeißeltes Datum. Dann wissen wir genau, wann er erbaut wurde.“

„Die Arbeit scheint Ihnen Spaß zu machen.“ Dieser Satz klang für seine eigenen Ohren merkwürdig. Seine vielen neuen Unternehmungen waren ja alle unter dem Aspekt zustande gekommen, dass sie Spaß machen sollten. Doch die Rolle des souveränen, distanzierten Erwachsenen, die Heather immer so wichtig gefunden hatte, ließ sich nicht so leicht abschütteln.

„Oh, uns geht es blendend.“ Sie runzelte die Stirn. „Zumindest mir. Ich weiß nicht, wie Pablo es findet …“ Sie lächelte Wayne an. „Oder Wayne.“ Sie deutete auf Pablo.

Die beiden Männer blickten verlegen auf ihre Stiefel. Offenbar wussten sie nicht, wie sie Rowena ihren Irrtum erklären sollten.

Ben nahm es ihnen ab. „Wayne und Pablo“, verbesserte er sie.

„Bitte?“

„Sie verwechseln die beiden.“ Er legte dem Einwanderer die Hand auf die Schulter. „Das ist Wayne.“ Nun zeigte er auf den Texaner. „Das ist Pablo.“

„Oh.“ Rowena lachte verlegen.

„Pablos Familie lebt jetzt in der dritten Generation in Texas. Stimmt’s, Pablo?“

„Meine Mutter sogar schon in der vierten.“

„Und Wayne kommt aus Rumänien. Er ist mit einer Kalifornierin verheiratet. Sie haben sich in Bukarest kennengelernt, wo sie als Dolmetscherin gearbeitet hat. Die beiden sind erst seit zwei Monaten in den Vereinigten Staaten.“

„Lerne Englisch im Abendkurs“, steuerte Wayne zur Erklärung bei.

„Sein Vater war ein großer Western-Fan. Waynes Bruder heißt Clint.“

„Entschuldigung noch mal“, sagte Rowena. „Darf ich euch dann auch bitten, mich Rowena zu nennen? Ihr sagt den ganzen Nachmittag Dr. Madison zu mir. Das klingt, als hätte ich eine dicke Brille auf der Nase und würde mit Bügelfaltenhosen herumlaufen. Rowena, okay?“

Die beiden nickten und wiederholten ihren Namen.

„Danke, das ist prima.“ Und dann war sie schon wieder bei ihrer neuesten Entdeckung und spekulierte darüber, was sie wohl fänden, wenn sie den Brunnen freilegten. Ihre Begeisterung ließ sie die peinliche Namensverwechslung vergessen und ihre Augen funkeln.

Auch Ben vergaß bei ihrem Eifer ein paar Dinge.

„Pablo, morgen früh hängst du am besten den Anhänger hinter den Traktor“, sagte er. „Rowena hat recht. Wir haben schnell einen ganzen Berg Gestrüpp zusammen. Aber Sie wollen doch nicht alles herausnehmen, Rowena, oder?“

„Hier am Haus schon“, erwiderte sie. „Wir brauchen Platz und Licht für Grünpflanzen, die man von drinnen sehen kann.“ Während sie sprach, versuchte sie, den Brunnen von weiteren Pflanzenteilen zu befreien, sodass die Form besser sichtbar wurde. Ben ging das nicht schnell genug.

„Darf ich Ihre Handschuhe mal haben?“, fragte er Wayne, der Rowena mit einem bewundernden Lächeln zuschaute, ohne auf den Gedanken zu kommen, ihr zu helfen.

Ben nahm ihm die Arbeit ab.

Autor

Jo Leigh

Seit Jo Leigh 1975 bei der großen Filmgesellschaft 20-Century-Fox als Lektorin in der Abteilung für Comedys einstieg, ist sie im Filmgeschäft zu Hause. Sie war für die Mediengesellschaften CBS, NBC und verschiedene andere große Produktionsfirmen tätig, wobei sie zunehmend Drehbücher konzeptionierte und bearbeitete. Kein Wunder, dass bei so viel Sachkenntnis...

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