Brides for Billionaires - wie angelt man sich einen Milliardär? - 4-teilige Serie

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Wie angelt man sich einen Milliardär? Erfahren Sie dies in dieser wundervollen 4-teiligen Miniserie.

MEHR ALS EIN UNMORALISCHES ANGEBOT ...

Lia kocht vor Wut, als der arrogante Ben Carter auf einem Maskenball als Spende eine Million Dollar für sie bietet. Sie ahnt, der berüchtigte Playboy treibt ein falsches Spiel! Nur für den guten Zweck reist sie mit ihm ein Wochenende nach Brasilien! Doch als er sie am sonnigen Strand von Bahia verlangend küsst, kann sie dem verführerischen Bad Boy plötzlich nicht mehr widerstehen! Bis die Wahrheit Lia wie ein Dolchstoß trifft: Ben reizt nicht nur die Firma ihres Vaters, hinter seinen prickelnden Küssen steckt ein berechnender Plan …

VERLIEBT IN DEN FALSCHEN MANN?

Der umwerfende Fremde, der ihr vor zwei Monaten in einer aufregenden Nacht so sinnlich die Unschuld raubte, ist Dante Mancini? Der Bad Boy der Klatschpresse und heiß begehrter Junggeselle? Allein bei dem Gedanken, ihm jetzt zu sagen, dass sie von ihm ein Kind erwartet, schlägt Pipers Herz viel zu schnell. Und tatsächlich ist Dantes Reaktion verheerend: Nur um einen Businessdeal zu retten, will der attraktive Milliardär sie nun sogar heiraten! Piper ist verzweifelt, denn was ist ein Leben voller Luxus und Glamour wert, wenn Dante sie nicht liebt?

LIEBESSTERN ÜBER DEM WÜSTENPALAST

Ein Schauer der Erregung überläuft Amalia, als sie in dem riesigen Marmorsaal unvermittelt Scheich Zayn Al-Ghamdi gegenübersteht! Mit den dunklen Augen, den breiten Schultern und dem sexy Mund ist der feurige Wüstenprinz ungeheuer erotisch - und stellt ihr verwirrende, indiskrete Fragen. Bis Amalia endlich begreift: Zayn will ihr gar keinen Job als Angestellte in seinem Palastteam anbieten. Er sucht eine Frau! Und unter seinem glühenden Blick wird ihr klar, dass er sich gerade entschieden hat …

NUR DU WECKST DIESE LEIDENSCHAFT

Elizabeth stockt der Atem, als sie erstmals nach Jahren ihren Exmann Xander Trakas wiedertrifft. Es fühlt sich an, als wäre es erst gestern gewesen, dass der feurige griechische Milliardär ihr das Herz gebrochen hat. Und jetzt verlangt er tatsächlich von ihr, ihrer Ehe eine zweite Chance zu geben! Natürlich nur, um so offiziell das Sorgerecht für seine kleinen Neffen bekommen zu können! Denn dass er sich insgeheim noch so leidenschaftlich nach ihr verzehrt wie sie nach ihm, ist bloß eine vergebliche Hoffnung, oder?


  • Erscheinungstag 10.05.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733735937
  • Seitenanzahl 576
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Abby Green, Rachael Thomas, Tara Pammi, Michelle Smart

Brides for Billionaires - wie angelt man sich einen Milliardär? - 4-teilige Serie

IMPRESSUM

JULIA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0
Fax: +49(0) 711/72 52-399
E-Mail: kundenservice@cora.de

© 2016 by Harlequin Books S.A.
Originaltitel: „Married for the Tycoon’s Empire“
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
in der Reihe: MODERN ROMANCE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA
Band 2294 - 2017 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg
Übersetzung: Ivonne Senn

Abbildungen: Harlequin Books S.A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 08/2017 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733708528

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

 

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PROLOG

Benjamin Carter saß in einem Ledersessel in einer Ecke des Privatklubs, in dem nur Mitglieder zugelassen waren. Das Licht war kunstvoll gedimmt und die Atmosphäre gedämpft und exklusiv. Warm leuchtende Lampen und flackernde Kerzen verstärkten das Gefühl der Exklusivität.

Der Klub versprach absolute Diskretion, weshalb Benjamin ihn ausgewählt hatte. Er musterte die drei Männer, die ihm auf seine Bitte hin an seinem Tisch Gesellschaft leisteten.

Scheich Zayn Al-Ghamdi – Regent eines Wüstenreichs, das reich an Öl und Bodenschätzen und dessen Vermögen unermesslich war.

Dante Mancini – italienischer Mogul, der in erneuerbare Energien investierte und dessen charmantes, attraktives Äußeres einen rasiermesserscharfen Verstand, unternehmerisches Talent und eine sarkastische Zunge verbarg – wie Ben vor mehreren Jahren während besonders erbitterter Verhandlungen entdeckt hatte. Im Moment strahlte er jedoch nicht einen Funken Charme aus, sondern warf düstere Blicke in Bens Richtung.

Und zu guter Letzt Xander Trakas – griechische Milliardär und Vorstandsvorsitzender eines globalen Luxusgüterkonglomerats. Er war kühl und unnahbar mit Gesichtszügen, die nichts verrieten. Ben hatte ihm einmal widerstrebend empfohlen, Poker zu spielen, sollte er jemals sein riesiges Vermögen verlieren und es zurückgewinnen müssen. Was ungefähr so wahrscheinlich war wie ein Schneesturm in der Hölle.

Ben mochte nicht über ein Wüstenreich oder halb Europa regieren, aber er regierte Manhattan mit seinen in den Himmel ragenden Kränen und den tiefen Löchern, die er in den Boden grub, um neue und unglaublich ambitionierte Gebäude zu bauen.

Die Spannung am Tisch war beinahe greifbar. Die vier Männer waren so lange Erzfeinde gewesen, dass es beinahe irreal war, dass sie hier zusammensaßen. Was über die Jahre als leichte Angriffe bei verschiedenen Verhandlungen begonnen hatte, hatte sich zu einem Krieg entwickelt, in dem jeder in den anderen eindrucksvolle Gegner sah, die besiegt oder bezwungen werden mussten. Das einzige Problem war, dass jeder genauso rücksichtslos erfolgreich und stur wie die anderen war, sodass sie nie mehr als eine Reihe angespannter Pattsituationen erreicht hatten.

Ben spürte, dass insbesondere Dante Mancini bereit war, jederzeit aufzuspringen, also lehnte er sich vor. Es war an der Zeit zu reden.

„Ich danke euch, dass ihr alle meiner Einladung gefolgt seid.“

Scheich Zayn Al-Ghamdis dunkle Augen waren hart. „Ich schätze es nicht, wie ein unmündiges Kind hierherbeordert zu werden, Carter.“

„Und doch bist du hier“, erwiderte Ben. Er schaute sich um. „Ihr alle seid hier.“

„Und der Preis für das Aussprechen des Offensichtlichen geht an Benjamin Carter“, sagte Dante mit seinem leichten Akzent. Er hob sein schweres Kristallglas in Bens Richtung. Die dunkle Flüssigkeit darin schimmerte mit goldener Opulenz und spiegelte den dekadenten Luxus, der sie umgab. Er leerte sein Glas in einem Zug und bedeutete gleichzeitig dem Ober, ihm ein neues zu bringen. Bens Blick entging ihm nicht. „Lockt es dich, etwas Stärkeres zu trinken als Wasser, Carter?“

Ben bekämpfte den Drang, Dantes Köder zu schlucken. Er war der Einzige, der sich nicht dem Genuss des feinsten Single Malt Whiskys hingab, den man außerhalb Irlands und Schottlands kaufen konnte.

Er warf den anderen einen eindrucksvollen Blick zu. „Meine Herren, so lustig es in den letzten Jahrzehnten auch gewesen ist, mich mit jedem von euch zu duellieren, ich denke, ihr werdet mir zustimmen, dass es an der Zeit ist aufzuhören, der Presse weiterhin Futter zu geben, um uns gegeneinander auszuspielen.“

Xander Trakas schaute von Ben zu den anderen Männern und seufzte. „Er hat recht. Die Presse hat uns alle, einen nach dem anderen, aufs Korn genommen. Was als ein paar saftige Klatschgeschichten in dieser fürchterlichen Sendung Celebrity Spy! begonnen hat, ist zu etwas wesentlich Ernsterem geworden. Auch wenn ich glaube, dass wir mit unserer zu laxen PR für die Geschichten verantwortlich sind, die in diesen Sendungen landen, ziehe ich die Grenze bei falschen Behauptungen über exzessive Partys, sich permanent drehende Schlafzimmertüren und – am Schädlichsten von allem – verdächtiges Fernbleiben von der Arbeit.“

Das Gesicht des griechischen Tycoons verhärtete sich. „Dass ich die ganze Nacht durchgearbeitet habe, während die Presse behauptet, ich hätte gefeiert, macht mich wütend. Ich habe letzte Woche einen lukrativen Auftrag verloren, weil man plötzlich an meiner Kompetenz zweifelte. Das geht eindeutig zu weit.“

Dante Mancini stimmte ihm knurrend zu. „Und ich stehe kurz davor, einen Auftrag zu verlieren, weil sie sich jemanden mit Familienwerten wünschen – was auch immer das sein soll.“ Er nahm einen kräftigen Schluck von seinem neuen Drink.

Die Tatsache, dass Dante Mancini und Xander Trakas immer noch hier und sogar einer Meinung waren, bestätigte Ben darin, dass es richtig gewesen war, sie alle heute Abend hier zu versammeln. Darüber hinaus belegte sie, dass sie es mit einer echten Bedrohung zu tun hatten.

„Wir sind zu Karikaturen verkommen und können diese Übertreibungen, was unser Privatleben angeht, nicht mehr ignorieren. Ich komme damit klar, wenn ich bei der Besichtigung einer Baustelle von meinen Männern mit meinen angeblichen Frauengeschichten aufgezogen werde. Aber es ist vollkommen unakzeptabel, wenn Klatsch und versteckte Anspielungen anfangen, den Wert meiner Firma und meinen professionellen Ruf zu beeinträchtigen“, pflichtete er ihnen bei.

Trakas schaute ihn an, und seine Augen funkelten unverkennbar spöttisch. „Willst du etwa andeuten, dass deine Exgeliebte sich das alles ausgedacht hat, Carter?“

Erinnerungen an schreckliche Schlagzeilen – Der harte Mann vom Bau ist im Bett genauso hart! – ließen Ben scharf erwidern: „Ihre Geschichte war genauso wahr wie dein berüchtigtes schwarzes Buch, das die Namen und Telefonnummern der schönsten Frauen der Welt enthält. Wie heißt es noch, Trakas? Stille Wasser sind tief?“

Trakas’ Miene verfinsterte sich, und Mancini spottete: „Als wenn Trakas das Monopol auf die schönsten Frauen besäße. Jeder weiß, dass ich …“

Eine kühle Stimme unterbrach sie. „Wenn wir dann mit dem Beleidigungswettbewerb fertig sind, können wir vielleicht besprechen, wie wir aus dieser Misere herauskommen. Ich stimme Carter zu, es ist zu weit gegangen. Diese geballte negative Aufmerksamkeit hat nicht nur dem Vertrauen in meine Führungskraft, sondern auch meinen Geschäftsabschlüssen geschadet. Außerdem gefährdet sie die Chancen meiner kleinen Schwester auf die Heirat, die sie sich wünscht, und das ist vollkommen inakzeptabel.“

Alle schauten Scheich Zayn Al-Ghamdi an, der sich vorgebeugt hatte. Im dämmrigen Licht wirkte sein attraktives Gesicht hart. Bis auf Mancini in weißem Dinnerjacket und lose hängender Fliege trugen sie alle klassische schwarze Smokings.

Das erinnerte Ben an die Veranstaltung, von der sie alle gerade kamen. Er sagte grimmig: „Es geht nicht nur um unsere Geschäfte … oder um unsere Familien.“

Nun beugte sich auch Mancini vor und runzelte die Stirn. „Was meinst du damit?“

Ben sah erst ihn, dann die anderen an. „Die Direktorin der Wohltätigkeitsorganisation kam heute Abend auf mich zu und erklärte mir, dass sie uns als Schirmherren absetzen müssen, wenn dieser Presserummel nicht aufhört, weil wir einen negativen Effekt auf die Spendenbereitschaft der Menschen haben.“

Dante fluchte auf Italienisch.

„Also hast du uns deshalb zusammengerufen?“, fragte Zayn nachdenklich.

Ben nickte. „Das Letzte, was wir wollen, ist, dass die Wohltätigkeitsorganisation unseretwegen leidet. Ich denke, darin stimmen wir alle überein.“

Besagte Wohltätigkeitsorganisation war das Einzige, was sie miteinander verband – abgesehen davon, dass sie bei geschäftlichen Verhandlungen gern ihren Verstand aneinander maßen. Die Spendengala war der einzige Anlass im Jahr, zu dem sie sich alle gleichzeitig im selben Raum aufhielten, was unausweichlich zu einem erhöhten Medieninteresse führte.

Die Hope Foundation konzentrierte sich darauf, Mädchen und Jungen aus benachteiligten Familien zu unterstützen, die eine gewisse unternehmerische Begabung zeigten.

„Carter hat recht“, meinte Dante. „Wir dürfen die Organisation nicht in unser Chaos mit hineinziehen.“

Zum ersten Mal verspürte Ben einen Anflug von Kameradschaft. Ihnen allen lag die wohltätige Arbeit sehr am Herzen. Ihn verstörte dieses Gefühl etwas, denn er hatte sich schon sehr lange nur auf sich verlassen. Und doch war es nicht gänzlich unangenehm – beinahe so, als wäre ihm eine Last von den Schultern genommen.

Scheich Zayn fragte mit kühler Stimme: „Wie zum Teufel sieht also die Lösung aus?“

Ben sah einen nach dem anderen an. „Ich schätze, dass ihr euch, genau wie ich, mit euren Anwälten beraten und erkannt habt, dass es sinnlos wäre, Celebrity Spy! noch mehr Publicity zu verschaffen, indem wir sie verklagen?“

Einvernehmliches Nicken.

Als Ben fortfuhr, war seine Stimme so grimmig wie die Mienen der Männer um ihn herum. „Eine Erklärung abzugeben, bringt uns ebenfalls nicht weiter. Das wirkt nur, als versuchten wir, uns zu verteidigen.“ Er seufzte. „Die einzige Lösung ist, ihnen zu zeigen, dass wir in unserem Leben aufräumen. Solange wir das nicht tun, wird es nicht aufhören. Im Gegenteil, dann graben sie höchstens noch tiefer. Und ich kann euch versichern, dass ich keine Lust habe, weitere Enthüllungen über mich ergehen zu lassen.“

Dante verengte die Augen. „Du willst die Leute nicht daran erinnern, dass deine Geschichte vom Tellerwäscher zum Millionär nicht ganz akkurat war?“

„Ich habe meine Ursprünge nie verheimlicht, Mancini. Sagen wir einfach, ich habe keine Lust, dass die alten Geschichten noch einmal aufgewärmt werden. Und ich bin sicher, dass auch du keinen Scheinwerfer auf den Hintergrund deiner Familie gerichtet haben willst?“

Dante war sehr daran gelegen, die Privatsphäre seiner Familie zu schützen. Was nur bedeuten konnte, dass er etwas zu verbergen hatte.

Nach einem angespannten Moment zog ein hartes Lächeln auf Dantes Lippen, und er hob sein beinahe leeres Glas. „Touché, Carter.“

Scheich Zayn unterbrach sie. „Ich glaube, wir alle möchten nicht noch mehr Aufmerksamkeit auf uns ziehen, aus welchen Gründen auch immer.“

Ben spürte, wie Xander Trakas neben ihm unbehaglich das Gewicht verlagerte. Zweifellos dachte er gerade an die Leichen in seinem Keller.

Ein brütendes Schweigen legte sich über die Gruppe, dann verzog Zayn das Gesicht und sagte: „Ich stimme Carter zu, dass unser Privatleben aufzuräumen die einzig brauchbare Lösung zu sein scheint. So sehr ich es auch vermeiden wollte: Nur eine strategische Hochzeit und ein Thronerbe können den Glauben meines Volkes an mich zurückbringen.“

Ben fühlte förmlich, wie alle Männer sich innerlich schüttelten. Widerstrebend erklärte er: „Nach Diskussionen mit meinem PR-Berater und meinem Anwalt bin ich zu einem ähnlichen Schluss gekommen.“

„Eine Ehe?“, fragte Dante entsetzt. „Müssen wir wirklich zu so drastischen Maßnahmen greifen?“

Ben sah ihn an. „Selbst ich sehe die Vorteile einer Ehe mit einer angemessenen Frau. Das wird den Glauben an uns wiederherstellen und uns die Presse vom Leib halten. Außerdem schafft es Vertrauen. Ich war schon auf vielen Veranstaltungen, bei denen die Frauen meiner Kunden ihr Interesse an mir zum Ärger ihrer Männer deutlich gezeigt haben. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis eine Verhandlung wegen etwas so Unbedeutendem wie Eifersucht platzt – oder schlimmer noch, weil sie glauben, es wäre etwas vorgefallen.“ Ben schaute die anderen Männer an. „Wir werden auf mehr als nur eine Art als Bedrohung angesehen. Und das ist nicht gut.“

Dantes Verärgerung war deutlich spürbar. „Du hast gesagt, mit jemand Angemessenem. Was ist das? Gibt es so eine Frau überhaupt?“

Scheich Zayn antwortete mit dem Selbstvertrauen eines Mannes, der aus einer Gesellschaft stammte, in der arrangierte Ehen an der Tagesordnung waren. „Natürlich gibt es das. Eine Frau, die glücklich ist, wenn sie dein Leben vervollständigen kann … Eine Frau, die vor allem diskret und loyal ist.“

Darauf hob Dante eine Augenbraue. „Also, du Genie, wo finden wir diesen Ausbund an Tugend?“

Einen Moment lang herrschte Schweigen. Ben verspannte sich wieder, weil er fürchtete, dass Dante zu weit gegangen war. Scheich Zayn war ein Staatsoberhaupt und es gewohnt, mit mehr Ehrfurcht behandelt zu werden.

Doch der Scheich warf den Kopf in den Nacken und lachte laut. Als er Dante wieder ansah, sagte er. „Weißt du eigentlich, wie erfrischend es ist, wenn jemand mal so mit mir spricht?“

Die Spannung, die sich seit ihrem Eintreffen immer weiter aufgebaut hatte, löste sich sichtlich.

Dante lächelte und hob sein Glas in Richtung des Scheichs. „Wenn du endlich zustimmen würdest, dich mit mir über erneuerbare Energien zu unterhalten, würde ich dich so respektlos behandeln, wie du willst.“

Scheich Zayns Augen blitzten humorvoll auf. „Also, das ist ein Angebot, über das ich nachdenken sollte.“

„So warm und kuschelig dieser Waffenstillstand auch ist, wir müssen uns darauf konzentrieren, wie wir einen gesetzteren Eindruck machen können, um die Situation zu entschärfen. Und dafür müssen wir Frauen finden, die bereit sind, uns schnell und ohne große Ansprüche zu heiraten. Wie Scheich Zayn bereits sagte, es müssen Frauen sein, denen wir vertrauen und die diskret und loyal sind“, unterbrach Ben ihr Geplänkel.

Bei seinen Worten erlosch Dantes Lächeln. „Wir hätten mehr Glück, ein auf einem Einhorn reitendes Heinzelmännchen auf der Fifth Avenue zu finden“, meinte er düster.

Darüber dachten sie schweigend ein paar Sekunden nach, dann sagte Xander Trakas leise: „Ich weiß jemanden.“

Alle schauten den Mann an, der, wie Ben jetzt erst auffiel, bisher verdächtig still gewesen war. „Wen?“, fragte er neugierig.

„Eine Frau. Sie leitete eine sehr diskrete Dating-Agentur, die sich auf Leute wie uns spezialisiert hat. Sie kennt unsere Welt in- und auswendig …“

„Wie stehst du zu ihr?“, unterbrach Dante ihn. „Ist sie eine Exgeliebte?“

Xander funkelte ihn an. „Das geht dich nichts an, Mancini. Vertrau mir einfach, wenn ich dir sage, falls überhaupt jemand uns mit der richtigen Frau zusammenbringen kann, dann sie.“

Der italienische Mogul hob abwehrend eine Hand. „Ist ja schon gut.“

Ben sah Scheich Zayn an. „Nun?“

Der Scheich wirkte, als würde er sich lieber für einen Strickkurs anmelden, sagte aber schließlich schicksalsergeben: „Das könnte die beste Option sein … Wenn wir das wirklich tun wollen, ist Eile geboten – für uns alle.“ Er unterstrich das mit einem gezielten Blick zu jedem von ihnen.

Widerstrebend sagte Dante: „Na gut. Ich notiere mir ihre Kontaktdaten, aber ich verspreche nichts.“

Ben reichte Xander sein Handy und versuchte zu ignorieren, dass sein Kragen sich auf einmal unangenehm eng anfühlte. „Speicher die Nummer da ein. Ich rufe sie nächste Woche an.“

Während Xander die Kontaktdaten in Bens Smartphone eingab, beugte Scheich Zayn sich vor und sagte mit einem seltenen Anflug von Humor in der Stimme. „Wisst ihr, ich habe total vergessen, was uns überhaupt ursprünglich gegeneinander aufgebracht hat …“

„Ich glaube, wir müssen uns eingestehen, dass wir einfach zu gern Gegner waren, um es aufzugeben“, erwiderte Ben und lächelte reumütig.

Xander legte Bens Handy auf den Tisch und hob sein Glas. „Nun dann, vielleicht ist es an der Zeit, zugunsten eines größeren Sieges unsere gegenseitige Niederlage auszurufen. Darauf, dass wir das Vertrauen in unseren Ruf wiederherstellen, was wiederum das Vertrauen in unsere Geschäfte und unsere Gewinnspannen wiederherstellen wird. Denn wir alle wissen ja, dass das am Wichtigsten ist.“

Dante hob sein Glas. „Hört, hört. Auf den Beginn einer wunderbaren Freundschaft, Gentlemen.“

Ben schaute sich unter den Männern um und dachte, dass sich trotz Mancinis spöttischem Ton heute Abend wirklich etwas verändert hatte. Diese Männer waren nicht länger seine Feinde. Sie waren Verbündete und, ja, vielleicht sogar Freunde.

Er hob ebenfalls sein Glas. Nichts würde sich ihnen jetzt mehr in den Weg stellen. Nicht einmal die Frauen, die sie als zweckdienliche Ehefrauen auswählen würden.

1. KAPITEL

Ben Carter stand an dem großen Fenster in seinem Büro mit dem beeindruckenden Ausblick über Manhattan. Was ihn an diesem Blick normalerweise am meisten erfreute, war, seine Kräne zu sehen, die sich überall auf der Insel in den Himmel reckten. Doch heute hatte er dem Ausblick den Rücken zugewandt. Sein gesamter Körper war im Verteidigungsmodus – von den vor der Brust verschränkten Armen bis zu dem breitbeinigen Stand.

„Ich denke, das müsste es so ungefähr sein.“

Die Frau, die neben seinem Schreibtisch saß, schaute ihn an und bemerkte trocken: „Sie mögen es nicht, persönliche Fragen zu beantworten, oder?“

Ben zwang sich zu einem Lächeln. „Wie kommen Sie denn darauf?“

Elizabeth Young, die Kupplerin, zuckte nonchalant mit den Schultern, während sie etwas in ihr Tablet eingab. „Die Tatsache, dass Sie aussehen, als würden sie sich am liebsten aus dem Fenster stürzen, sagt alles.“

Mit finsterem Blick ging Ben zurück zu seinem Schreibtisch. Mit jeder Frage, die sie gestellt hatte – von unverdächtigen wie Was ist Ihr liebstes Ferienziel? bis zu härteren wie Was erwarten Sie von einer Beziehung? – hatte er mehr und mehr Abstand zwischen sie und sich gelegt. Auch wenn er wusste, wie wichtig eine passende Frau für ihn war, der Sprung von flüchtigen Begegnungen mit Frauen zu einer echten Beziehung – wenn auch nur aus praktischen Gründen – ließ seine Haut unangenehm kribbeln.

Nachdem er mit angesehen hatte, wie die Ehe seiner Eltern beim ersten Anzeichen von Problemen wie ein Kartenhaus in sich zusammengefallen war, hatte Ben sich nie nach häuslichem Glück gesehnt.

Wessen Idee war das noch mal gewesen? Xander Trakas. Die Erinnerung an Xanders Reaktion auf Mancinis Frage, ob es sich bei der Vermittlerin um eine Exgeliebte handele, führte dazu, dass Ben sich die schlanke, elegante Blondine vor seinem Schreibtisch genauer ansah.

Ihre Haare, die wirkten, als wären sie normalerweise lockig, waren zu einem Knoten zusammengebunden. Sie war lässig, aber schick gekleidet mit einer maßgeschneiderten Hose und einem lose sitzenden Top unter einer auf Figur geschnittenen, weichen Lederjacke. Elizabeth Young verströmte Eleganz und Stil und, wie er zugeben musste, Diskretion und Professionalität. Xander hatte recht gehabt.

Als sie ihn nun anschaute, fiel ihm auf, dass ihre Augen einen ungewöhnlichen Bernsteinton hatten. Ben wartete einen Herzschlag lang, um zu sehen, ob er körperlich auf sie reagierte. Nichts. Er sagte sich, dass das gut war. Das Letzte, was er jetzt gebrauchen konnte, war eine Ablenkung durch jemanden, den er tatsächlich begehrte. Was ihn wieder zu dem Zweck ihres Treffens zurückbrachte.

„Also, nun, da Sie meine Seele nach jedem winzigen Detail durchforstet haben, wen schlagen Sie als beste Kandidatin für mich vor?“

Er sah das unmissverständliche Aufflackern von Zynismus in ihren Augen und ihr schmales Lächeln.

„Oh, keine Sorge“, entgegnete Elizabeth. „Ich mache mir da keine Illusionen. Ich weiß, dass Sie mir nur das erzählt haben, was Sie preisgeben wollten. Ich kenne Männer wie Sie, Mr. Carter, deshalb bin ich so gut in meinem Job.“

Ben widerstand dem Drang, sie zu fragen, was genau sie mit Männer wie Sie meinte. Er musste sich widerstrebend eingestehen, dass ihre Weigerung, sich von ihm einschüchtern zu lassen, ihm Respekt abnötigte.

„Xander Trakas hat Sie empfohlen.“

Ihre gefasste Fassade verrutschte ein wenig – einfach so, genau wie bei Xander an dem Abend im Klub vor beinahe einer Woche. Jetzt war sie nicht mehr so zuversichtlich.

Sie wich Bens Blick aus. „Ich habe viele Kontakte; er ist nur einer davon.“

Ben war fasziniert von dem Knopf, den er offensichtlich gerade gedrückt hatte, aber nicht fasziniert genug, um sein Ziel aus den Augen zu verlieren. Er wurde wieder geschäftsmäßig und lehnte sich ein wenig vor. „Vergessen Sie, dass ich das gesagt habe. Also haben Sie jemand Speziellen im Sinn?“

Sie legte ihr Tablet auf den Tisch und schob es ihm zu. „Hier sind ein paar Möglichkeiten. Schauen Sie, ob eine davon Ihr Interesse weckt.“

Ben nahm das Tablet und scrollte durch die Fotos von Frauen und die darunter stehenden Kurzbiografien. Sie waren alle auf ihre eigene Art umwerfend. Eine Menschenrechtsanwältin, die Vorsitzende einer Softwarefirma, eine Dolmetscherin bei den UN, ein Supermodel … aber keine von ihnen stach für ihn heraus. Er wollte das Tablet gerade zurückgeben, als die letzte Frau auf dem Display erschien und etwas in ihm ganz still wurde.

Er las nicht einmal ihre Angaben, so gefesselt war er von ihr. Auf dem Bild wurde ihr schulterlanges braunes Haar von einer Brise verweht, und sie lachte in die Kamera, wobei sich zwei Grübchen in ihren Wangen zeigten. Sie hatte hohe Wangenknochen und einen sinnlichen Mund. Ben konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal Grübchen an einer Frau gesehen hatte. Dunkelblaue Augen, lange Wimpern. Sie wirkte unschuldig und gleichzeitig sinnlich. Und unglaublich, lebenssprühend schön.

Eine Sekunde lang fiel ihm das Atmen schwer. Außerdem kam sie ihm vage bekannt vor.

Elizabeth spürte sein Interesse. „Ah, das ist Julianna Ford. Umwerfend, oder? Sie ist Britin und lebt in London, was ein wenig schwierig sein könnte. Aber wie es der Zufall will, ist sie wegen einer Wohltätigkeitsveranstaltung gerade eine Woche in New York.“

Ben runzelte die Stirn und schaute auf. „Ford? Etwa Louis Fords Tochter?“

Elizabeth neigte den Kopf. „Kennen Sie sie?“

Er schaute noch einmal auf das Bild, bevor er Elizabeth das Tablet zurückgab. „Ich habe von ihr gehört. Vor ein paar Jahren habe ich ihren Vater kennengelernt. Ich habe versucht, ihn zu überzeugen, mir seine Firma zu verkaufen. Er hat von ihr gesprochen, und ich habe in seinem Haus Fotos von ihr gesehen, aber sie selbst war damals nicht anwesend.“

Ben versuchte, sich zu erinnern. Was auch immer ihr Vater über sie erzählt hatte, es hatte den Eindruck verstärkt, den er damals auf den Fotos von ihr gewonnen hatte: Sie war die verwöhnte und verhätschelte Tochter eines vernarrten Milliardärs.

Das Ganze hatte sich in London abgespielt, wo die Reichen und Adligen bis zum Exzess feierten. Er hatte es gehasst. Es war eine gewaltsame Erinnerung daran gewesen, dass er, wenn sein Vater nicht so korrupt gewesen wäre, immer noch Teil dieser Welt und der Realität gegenüber blind wäre. Der harten Realität, die ihn zu dem Mann gemacht hatte, der er heute war. Der niemandem gegenüber Rechenschaft ablegen musste und mit seinem astronomischen Erfolg so fest in der Erde verankert war, dass er niemals das Schicksal seiner Eltern teilen würde.

Ben löste sich von den alten, schmerzvollen Erinnerungen und konzentrierte sich wieder auf die Partnervermittlerin – und die Zukunft. Was sie ihm hier anbot, war eine Gelegenheit, die er nicht ausschlagen durfte. Das schwarze Logo auf grünem Grund der Ford-Bauunternehmen war auf vielen Baustellen in Großbritannien zu finden.

Es wäre ein Coup, einen Fuß auf den europäischen Markt zu bekommen, indem er eine der respektabelsten Firmen aufkaufte. Genau darum hatte er es damals versucht. Louis Ford hatte seine Avancen trotz der Gerüchte um seine schwache Gesundheit ausgeschlagen, doch Ben hatte ihn seitdem im Auge behalten. Jetzt fiel ihm auf, dass es um Ford in den letzten Monaten sehr still geworden war.

Nun war seine Tochter hier und suchte nach einem Date.

Julianna Ford könnte die Lösung all seiner Probleme sein. Wenn er sich schon zur Rettung seines Rufs und seiner Firma auf eine Frau einlassen musste, warum dann nicht auf eine, die es ihm ermöglichen würde, seine Firma zu erweitern? Wenn sie zustimmte, ihn zu heiraten, würde Bens Reich sich auch auf Europa erstrecken und er würde endlich das erreichen, was er sich immer vorgenommen hatte. Und das mit einer umwerfend schönen Ehefrau an seiner Seite.

Er schaute Elizabeth an und verspürte einen Anflug von Vorfreude. „Ich möchte sie gerne kennenlernen. Sie können eine Verabredung für uns organisieren.“

Lia Ford versuchte, ihre wachsende Verärgerung zu zügeln, doch das war schwer. Ihre Stilettos klackerten hart auf dem breiten Bürgersteig in Manhattan, als ob sie ihre Stimmung unterstreichen wollten.

Zuerst einmal war sie wütend auf ihren Vater, weil er sich immer einmischte – auch wenn er das Herz am richtigen Fleck hatte. Dann war sie wütend auf die Sekretärin ihres Vaters, die auf seine Anweisung hin alle Informationen über Lia an Leviathan Solutions weitergegeben hatte. Noch wütender war sie über das Foto, das sie der Agentur gegeben hatten. Ein Foto, das ihr Vater während eines Segeltörns unerwartet gemacht hatte. Ein viel zu persönliches Bild für eine Dating-Website!

Da der Hauptsitz von Leviathans weltweit operierender Agentur in New York lag, hatte Lia dem Büro – oder genauer gesagt Elizabeth Young – heute Morgen einen Besuch abgestattet. Sie war entschlossen gewesen zu verlangen, dass ihr Profil sofort gelöscht wurde … nur, um zu erfahren, dass bereits jemand Interesse an einem Date mit ihr angemeldet hatte.

Und Elizabeth Young hatte Lia überrascht. Sie war nicht sicher, was sie von einer Vermittlerin von Milliardären erwartet hatte, aber ganz sicher nicht eine wunderschöne junge Frau in ihrem Alter, deren Stil ganz der von Lia bevorzugten lässigen Eleganz entsprach. Elizabeth Young hatte außerdem wie der Inbegriff von professioneller Diskretion gewirkt, worauf Lia trotz ihrer Vorbehalte sofort reagiert hatte.

Irgendwie war es Elizabeth gelungen, Lia zu überzeugen, diesem Date eine Chance zu geben. Und dann hatte sie Lia ein Foto des fraglichen Mannes gezeigt.

Es hatte Lia ein paar Sekunden gekostet, an den stechend blauen Augen und attraktiven, sehr maskulinen Gesichtszügen vorbeizuschauen. Mit seinem dichten dunklen Haar strahlte er sexy Selbstbewusstsein und Männlichkeit aus. Er war genau die Art Mann, vor der Lia instinktiv zurückscheute. Denn eine Persönlichkeit wie er brachte ihre geheimsten Verletzlichkeiten ans Tageslicht. Und die Erinnerungen an eine andere, zu selbstbewusste Person, die keine Zeit oder Geduld für Lias angeborene Schüchternheit besaß – ihre Mutter, die Lia und ihren Vater verlassen hatte, als Lia gerade einmal zehn gewesen war.

Trotzdem hatte die pure Männlichkeit des Fremden etwas in ihr berührt. Was ihr überhaupt nicht willkommen war. Sie hatte schon einmal versucht, ihren Vater zufriedenzustellen und sich sogar verlobt und an eine Hochzeit gedacht. Aber das hatte in einer schlimmen Demütigung geendet, als sie ihren Verlobten eines Tages in seinem Büro angetroffen hatte, das Gesicht zwischen den Beinen seiner Sekretärin vergraben, die rücklings und laut stöhnend auf dem Schreibtisch lag.

„Du bist frigide, Lia“, hatte er ihr später an den Kopf geworfen. „Ich kann keine Frau heiraten, die keinen Sex mag!“

Dieser Vorfall hatte ihre Unsicherheiten nur verstärkt, und sie hatte sich geschworen, sich einzig auf ihren Beruf zu konzentrieren und ihrem Vater zu beweisen, dass sie auf eigenen Füßen stehen konnte. Unglücklicherweise brachte sein schlechter Gesundheitszustand es mit sich, dass sie wesentlich mehr Zeit damit verbrachte, sich um das Familienunternehmen zu kümmern als sich auf ihre eigenen Ambitionen zu fokussieren.

Elizabeth Young hatte Lia jedoch hart in die Realität zurückgeholt, als sie enthüllt hatte, wer der mysteriöse Mann war. „Benjamin Carter? Der Benjamin Carter von Carter Constructions?“, hatte sie ungläubig gefragt.

„Ja. Er sagte, er kenne Sie, wenn auch nicht persönlich. Er hatte wohl mal geschäftlich mit Ihrem Vater zu tun?“

Lia stäubten sich die Nackenhaare. Vor ein paar Jahren war Benjamin Carter nach England gekommen, um Ford Constructions zu übernehmen. Ihr Vater hatte das sehr großzügige Angebot abgelehnt, aber seine Gesundheit, die schon immer schwach gewesen war, hatte sich nach dem Treffen noch einmal verschlechtert.

Wenn sie Benjamin Carter getroffen hätte, hätte sie ihm gesagt, wo er sich sein Angebot hinstecken könnte, und damit ihrem Vater den Rückfall erspart. Louis Ford war so stolz, dass er eher sterben würde, als jemandem zu zeigen, wie gebrechlich er tatsächlich war. Vor allem jemandem wie dem amerikanischen Baumogul, den ihr Vater als „beeindruckend“ bezeichnet hatte.

Und jetzt wollte Benjamin Carter sich mit ihr treffen? Wenn das ein Zufall war, war sie die Zahnfee.

Lia blieb an einem Fußgängerüberweg stehen und zwang sich, gleichmäßig zu atmen. Natürlich hätte sie die Verabredung einfach absagen und Benjamin Carter informieren lassen können, dass sie während ihrer Zeit in New York nicht für Dates zur Verfügung stand. Aber sie verspürte den Drang, den Mann nachdrücklich und persönlich darüber zu informieren, dass es keinen Weg für ihn gab, an ihren Vater heranzukommen. Schon gar nicht über sie.

Auf der anderen Straßenseite erhob sich das majestätische Algonquin Hotel in den Himmel, in dessen Bar sie verabredet waren. Und Lia konnte im Moment an nichts anderes denken als an sein attraktives Gesicht und diese blauen Augen. Ein wenig atemlos fragte sie sich, wie groß er wohl sein mochte.

Die Fußgängerampel sprang auf Grün. Lia überquerte die Straße, wobei sie sich sagte, dass Benjamin Carter sich ohne Zweifel als Enttäuschung herausstellen würde, wie es so viele Personen des öffentlichen Lebens taten. Auch wenn sie nicht vorhatte, lange genug zu bleiben, um es herauszufinden. Nein, sie würde keine Zeit verlieren, ihm zu sagen, dass sie …

Bums!

Ihre Gedanken zersprangen in tausend Stücke, als sie direkt vor dem Hotel gegen eine Mauer lief. Nach Luft schnappend blickte sie auf und sah, dass es sich bei dieser speziellen Mauer um einen sehr großen Menschen handelte. Einen sehr männlichen Menschen mit sehr breiten Schultern. Und sehr blauen Augen.

Wie durch einen Nebel bemerkte sie, dass der leibhaftige Benjamin Carter überhaupt keine Enttäuschung war. Ganz im Gegenteil. Er lächelte, und ihr fiel der sinnliche Schwung seiner Lippen auf.

„Tut mir leid. Eine Kollision als Vorstellung hatte ich nicht geplant. Ich habe Sie die Straße überqueren sehen und Sie von dem Foto wiedererkannt, also dachte ich, ich warte auf Sie. Geht es Ihnen gut?“

Seine Stimme war so volltönend und tief, dass sie Lia körperlich berührte. Sie kam sich ein bisschen dumm vor, schob das aber auf den Schock und die mangelnde Sauerstoffzufuhr. Sie nickte und brachte ein „Ja, gut … sehr gut“, hervor.

Gleichzeitig bemerkte sie, dass sie sich instinktiv an seinem Arm festgeklammert hatte, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Sie spürte den harten Bizeps sogar durch den Stoff seines Mantels und riss ihre Hände zurück, als hätte sie sich verbrannt.

Benjamin Carter sah sie lange an und trat dann einen Schritt zurück. „Bitte.“ Er deutete mit der Hand auf den Hoteleingang. „Ladys first.“

Lia hatte keine andere Wahl, als auf den Portier zuzugehen, der bereits die Tür aufhielt und sich zur Begrüßung respektvoll an die Mütze tippte.

„Willkommen zurück, Mr. Carter“, hörte sie ihn hinter sich sagen.

„Danke Tom. Es ist mir immer ein Vergnügen.“

Bei dieser aalglatten Antwort wollte Lia schon finster das Gesicht verziehen – nur war an diesem Mann überhaupt nichts aalglatt. Im Gegenteil. Die Wörter, die ihr zu ihm einfielen, waren groß, mächtig, stark.

Der Barmanager begrüßte sie am Eingang zu der dunklen und luxuriös eingerichteten Bar. Mit einem Fingerschnippen rief er einen seiner Mitarbeiter, damit er ihnen die Mäntel abnahm. Lia wollte sagen, dass sie nicht lange bleiben würde, aber bevor sie den Mund öffnen konnte, hatte der Angestellte ihr gekonnt aus dem Mantel geholfen und sie zu einem intimen Tisch für zwei im hinteren Bereich des Raums geführt.

Sie ergab sich dem Unausweichlichen, glitt auf die mit Samt bezogene Bank an der Wand und beobachtete, wie Benjamin Carter sich auf den Stuhl ihr gegenüber setzte. Dann atmete sie so viel Sauerstoff wie möglich ein, in der Hoffnung, dass ihr Gleichgewichtssinn sich nach dem ersten Schock endlich erholen würde.

Mit klopfendem Herzen stellte sie fest, dass Benjamin Carter trotz seines weltmännischen Äußeren etwas Gefährliches und Unzivilisiertes ausstrahlte. Als wäre er eher ein Krieger als ein Geschäftsmann.

Die Erkenntnis löste einen leichten Panikanfall in ihr aus, und sofort platzte es aus ihr heraus: „Hören Sie, Mr. Carter …“

Die Worte erstarben, als er seine Hand ausstreckte, lächelte und ihr Blick wie magisch von seinem Mund angezogen wurde. Eine volle Unterlippe und eine etwas dünnere Oberlippe verliehen ihm eine Sinnlichkeit, bei der Gefühle in ihr aufstiegen, die sie noch nie zuvor für einen Mann empfunden hatte. Und ganz sicher nicht für ihren Exverlobten.

„Verzeihen Sie mir. Ich habe mich noch gar nicht richtig vorgestellt. Ich bin Benjamin Carter.“

Die jahrelange strenge Erziehung durch ihren Vater und das Internat führten dazu, dass sie seine Hand nicht ignorieren konnte. Sie wollte sie schnell und kurz schütteln, doch als seine Hand ihre umfasste, fiel ihr als Erstes eine überraschende Rauheit auf, die den Eindruck verstärkte, dass er weniger zivilisiert war als er aussah.

Zwischen ihren Beinen pochte es mit einem Mal so mächtig, dass sie die Oberschenkel zusammenpresste und ihre Finger sich reflexartig um seine schlossen. „Ich bin Julianna – Julianna Ford“, erwiderte sie schwach.

Als schmale, feminine Finger sich um seine schlossen, konnte Ben nur daran denken, wie es sich wohl anfühlen würde, wenn sich andere, weitaus intimere Muskeln um einen wesentlich sensibleren Teil seines Körpers schließen würden. Noch nie hatte er eine so plötzliche, intime Reaktion auf eine Frau gehabt.

Das Gefühl, als ihr schlanker, kurviger Körper vor dem Hotel mit seinem zusammengestoßen war, hatte einen Eindruck hinterlassen, den er nicht ignorieren konnte. Er spürte immer noch den Druck ihrer Brüste an seinem Oberkörper.

Ihren Körper an seinem zu spüren, war wie eine Adrenalininjektion in sein Herz gewesen. Und er wusste, dass es ihr genauso gegangen war. Die vor Schock geweiteten Augen. Die geröteten Wangen. Ihre Finger, die sich um seine Arme krallten. Sie war so groß, dass er nur den Kopf ein wenig hätte senken müssen, um diesen provokativen Mund zu erobern, wenn er das gewollt hätte.

Und nun ertrank er in dunkelblauen Augen, glänzend braunem Haar, elfenbeinfarbener Haut und einem Mund, der so süß geschwungen war, dass er sich zusammenreißen musste, um nicht den Tisch aus dem Weg zu räumen und sie gleich hier und jetzt zu küssen.

Sie war umwerfend.

Und zog gerade ihre Hand aus seiner zurück. Widerstrebend ließ er es zu.

Ein Kellner kam, um ihre Bestellung aufzunehmen. Julianna wirkte einen Moment nervös, dann bestellte sie einen Bourbon auf Eis. Ben nahm ein Mineralwasser.

Als sie wieder allein waren, schob Ben alle fleischlichen Gelüste beiseite und sagte: „Danke, dass Sie sich mit mir treffen.“

Sie schaute ihn an, und das Blut schoss ihm in die Lenden. Es war nicht einmal so, dass sie etwas besonders Aufreizendes trug. Eine blasse, hochgeknöpfte Seidenbluse und einen dunklen Bleistiftrock, dazu High Heels. Make-up und Schmuck waren diskret. Insgesamt wirkte sie klassisch elegant. Aber was die Reaktion seiner Libido anging, hätte sie genauso gut nackt sein können.

„Hören Sie …“, setzte sie an, wurde aber vom Kellner unterbrochen, der die Drinks brachte.

Ben bemerkte, dass sie einen schnellen Schluck von der bernsteinfarbenen Flüssigkeit trank, bevor sie das Glas wieder absetzte.

Mit einem Mal wirkte sie angespannt. Er versuchte, ihre Nervosität zu lindern, indem er fragte: „Ich habe gehört, Sie sind nur für eine Woche in New York und leben ansonsten in London?“

Sie schluckte, und sein Blick folgte der Bewegung. Ihre kultivierte Eleganz berührte etwas tief in seinem Inneren. Was ihn überraschte. Schon vor langer Zeit hatte er den kühlen Schönheiten der Upperclass abgeschworen, die sich ständig um ihn drängten. Er wusste, dass sie sich von seinen Ecken und Kanten angezogen fühlten, die er sich im Lauf der Jahre zugelegt hatte. Keine von ihnen wollte wissen, dass er einmal einer von ihnen gewesen war. Sie wollten glauben, mit jemandem zusammen zu sein, der vage gefährlich war.

Er genoss es, sie zurückzuweisen, denn er verabscheute ihre Welt. Trotzdem saß er nun hier, nur wenige Zentimeter von einer Frau entfernt, die diese High-Society-Zicken allein durch das Heben einer ihrer eleganten Augenbrauen in den Schatten stellte. Und sein Blut pumpte so hart und heiß durch seinen Körper, dass er kaum klar denken konnte.

Julianna Ford schaute ihn an. Die dunklen Haarsträhnen fielen wie Seide über ihre Schulter. „Ich … ja, ich lebe in London. Also, um ganz ehrlich zu sein, ich denke, diese Verabredung ist ziemlich überflüssig.“

Es brauchte einen Moment, bis die mit ihrem klaren britischen Akzent ausgesprochenen Worte sackten. Dann taten sie es – zusammen mit dem sehr kühlen Ausdruck auf ihrem Gesicht.

Ben blinzelte. „Warum haben Sie dieser Verabredung dann zugestimmt?“

Sie verengte die Augen und atmete tief ein. Ben konnte nicht umhin, zu bemerken, wie sich ihre üppigen Brüste gegen die dünne Seide ihrer Bluse pressten.

„Weil ich Ihnen persönlich sagen wollte, dass ich von Ihrem erfolglosen Versuch, die Firma meines Vaters zu übernehmen, weiß.“

Sein Blick schoss zu ihren dunkelblauen Augen. Die Hitze in seinem Blut verebbte nicht einmal in der frostigen Atmosphäre, die Julianna nun ausstrahlte. Er verbarg seine Überraschung darüber, dass sie die Verbindung hergestellt hatte, und zuckte mit den Schultern. „Die Welt ist klein.“

Sie klang verbittert. „Offensichtlich zu klein.“ Wieder nippte sie an ihrem Drink.

„Was wollen Sie damit sagen?“

Nun wirkte sie beinahe wütend. Zwei rote Flecken bildeten sich auf ihren blassen Wangen. „Was ich sagen will, Mr. Carter …“ Sie betonte seinen Namen, als könnte er immer noch der Illusion erliegen, die Situation würde nicht rapide den Bach hinuntergehen. „Ist, dass Sie angesichts der Vorgeschichte mit meinem Vater doch nicht wirklich erwarten, dass ich dieses Date für einen Zufall halte, oder?“

Ben dachte daran, wie fasziniert er von ihrem Foto gewesen war, und fühlte sich entblößt. Ihr Zynismus hätte ihn nicht überraschen sollen, tat es aber. Vorsichtig erwiderte er: „Ich kann nicht behaupten, dass es purer Zufall war. Ich bin mir bewusst, wer Sie sind – und wer Ihr Vater ist.“

Sie lächelte, doch es war ein hartes Lächeln. „Und so haben Sie die Gelegenheit erkannt und ergriffen?“

Er zwang sich ebenfalls zu einem Lächeln, um die Spannung zu lösen. „Offensichtlich haben Sie sich bei Leviathan angemeldet, weil Sie daran interessiert sind, einen Mann kennenzulernen. Ich dachte, dass wir etwas gemeinsam haben, wäre ein guter Ausgangspunkt für eine Unterhaltung.“

Juliannas Augen funkelten wir dunkle Saphire. „Nun …“, entgegnete sie kühl. „Ich fürchte, ich habe kein Interesse daran, irgendeine Unterhaltung mit Ihnen zu beginnen, Mr. Carter. Ich bin nur hergekommen, um Ihnen das zu sagen.“

Sie trank den Rest ihres Drinks in einem Zug aus und nahm ihre Tasche, die neben ihr auf der Bank lag.

„Was meinen Vater angeht – seine Haltung hat sich nicht geändert. Also schlage ich vor, dass Sie Ihre Gelegenheiten woanders suchen. Danke für den Drink, Mr. Carter. Ich finde allein hinaus.“

Bevor Ben verarbeiten konnte, was passierte, hängte sie sich ihre Handtasche über die Schulter und ging.

Er schaute ihr hinterher und sah, wie der Barmanager ihr in den Mantel half, bevor sie die Bar ohne einen Blick zurück verließ. Ungläubig schaute er auf seine Uhr. Das Date hatte keine Viertelstunde gedauert.

Ihre Worte hallten in seinem Kopf nach. Ich schlage vor, dass Sie Ihre Gelegenheiten woanders suchen. Es wäre lustig, wenn es nicht so verstörend wäre – denn er hatte keinen Gedanken an ihren Vater verschwendet, bis sie ihn zur Sprache gebracht hatte.

Julianna Ford mit den gletscherblauen Augen und dem Upperclass-Akzent hatte ihm gerade den Boden unter den Füßen weggezogen. Und ihn dann mit einem letzten Blick voller Abscheu bedacht, als wäre er nicht einmal gut genug, um ihre Schuhe zu putzen.

Es war lange her, dass ihn jemand so angesehen hatte. Und auch wenn er wusste, dass er Julianna als reiche, verwöhnte Zicke abschreiben sollte, rauschte das Blut noch immer heiß durch seine Adern. Heiß vor Lust und heiß vor Verärgerung, dass sie ihm so schnell unter die Haut gegangen war.

Zu sagen, dass diese Verabredung nicht ansatzweise so gelaufen war wie erwartet, wäre eine maßlose Untertreibung.

Ben bat um die Rechnung und verließ mit grimmiger Miene die Bar. Niemand überraschte ihn – schon gar nicht eine Frau. Und ganz sicher nicht eine Frau, die er wollte.

Zitternd vor Adrenalin ließ Lia sich von einem Taxi zu ihrem Hotel am Central Park bringen. Der zu schnell getrunkene Alkohol machte sie leicht schwindelig. Aber er hatte ihr den nötigen Mut verliehen, das zu sagen, was sie dem einschüchterndsten Mann, den sie je getroffen hatte, zu sagen gehabt hatte.

Noch immer konnte sie nicht glauben, dass sie es geschafft hatte, ihn anzusehen und die Worte auszusprechen. Dieses sexy Lächeln, die harten Muskeln. Mit weichen Knien hatte sie es gerade so aus der Tür geschafft.

Sie wusste, dass sie ein eisiges Selbstvertrauen ausstrahlen konnte, wenn sie musste. Diese Fähigkeit hatte sie sich angeeignet, nachdem ihre Mutter gegangen war und Lia sie vorher hatte sagen hören: „Natürlich nehme ich Lia nicht mit. Was soll ich denn mit einem Kind, das stottert und stammelt und jedes Mal rot wird, wenn jemand sie anschaut?“

Nach all den Jahren fühlte Lia immer noch das Brennen der Scham und Demütigung, das auch die Zuneigung ihres Vaters nicht hatte heilen können. Seit diesem Tag hatte Lia nicht ein einziges Mal mehr gestottert. Was hingegen das Erröten anging … Sie hob eine Hand an die Wange und spürte, wie heiß sie war.

Hoffentlich hatte sie Benjamin Carter davon überzeugt, dass er sie weniger interessierte als ein Pilz, der unter einem Stein wuchs. Auch wenn sie sich eingestehen musste, dass genau das Gegenteil der Fall war. Und aus genau diesem Grund war sie so schnell aus dem Hotel geflüchtet.

Zum Glück hatte der Portier ihr sofort ein Taxi herangewunken, und nun fuhren sie auch schon vor ihrem Hotel vor. Lia bezahlte und versuchte, das Gefühl abzuschütteln, dass sich jederzeit eine große Hand auf ihre Schulter legen und sie zurückhalten könnte.

Gut, das Zusammentreffen mit dem Baumogul war ein wenig außer Kontrolle geraten. Aber falls sie auch nur den geringsten Zweifel gehabt hatte, ob sein Wunsch, sie zu treffen, nicht doch ganz unschuldig war, hatte das Pokerface, mit dem er ihre Worte aufgenommen hatte, sie vom Gegenteil überzeugt.

Sie hatte getan, was sie hatte tun wollen, und ihn ohne Zweifel wissen lassen, was sie von seinen möglichen Plänen hielt, ihren Vater weiterhin zu verfolgen.

Oder sie.

Ohne auf das seltsam hohle Gefühl in ihrem Magen zu achten, betrat Lia den leeren Aufzug. Was ihre unwillkommene körperliche Reaktion auf ihn anging … diese Unruhe, als wäre ihre Haut zu eng, zu heiß … Das waren nur die Nachwirkungen des Adrenalins.

Schließlich war sie frigide. Das hatte ihr zumindest der einzige Mann, mit dem sie je geschlafen hatte, in eindeutigen Worten versichert. Und ihre Erinnerungen daran, wir ihr Körper sich kläglich geweigert hatte, auf sein Liebesspiel zu reagieren, bestätigen diese Einschätzung. Also musste er recht haben.

Ein Gefühl der Sinnlosigkeit übermannte Lia. Erinnerungen an erlebte Demütigungen. Die Fahrstuhltür ging auf, und sie trat hinaus auf den Flur. Als sie die Tür zu ihrem Zimmer aufschloss, unterdrückte sie ein ihr sehr fremdes Gefühl, das sich fürchterlich nach … Sehnsucht anfühlte.

Zurück in seinem Loft tigerte Ben auf und ab. Obwohl er Jackett und Krawatte abgelegt hatte, fühlte er sich beengt. Seine Gedanken kreisten immer noch um Julianna Ford und ihre kühle, aristokratische Schönheit. Um ihre Stimme, die ihn so eisig abgewiesen hatte, dass er nun umso mehr hören wollte, wie sie heiser seinen Namen schrie.

Verdammt. Seit wann habe ich eine so lebhafte Fantasie?

Und noch etwas nagte an ihm – dass sie sofort zu dem Schluss gekommen war, er würde sich nur wegen ihres Vaters mit ihr treffen. Wieder dachte er daran, wie still es in den letzten Monaten um ihren Vater geworden war, was Juliannas Verhalten in ein faszinierendes Licht rückte. Sie war … beschützend gewesen. Und wieso sollte sie das sein, außer, wenn ihr Vater krank war – oder schwach?

Sein Handy vibrierte. Ben runzelte die Stirn, als er den Namen auf dem Display las. Elizabeth Young.

Sie klang missbilligend, als sie ohne Begrüßung sagte: „Ich weiß nicht, was zwischen Ihnen und Julianna Ford vorgefallen ist, aber sie hat mich informiert, dass sie sich nicht mehr mit Ihnen treffen will und ich ihr Profil aus meinem Portfolio löschen soll.“

So sehr es Ben ärgerte zu hören, dass sie ihn wirklich nicht wiedersehen wollte, so sehr freute es ihn, dass sie auch nicht an einem Date mit einem anderen Mann interessiert war. Der Instinkt, eine Herausforderung sofort anzunehmen, regte sich in ihm. „Das Date ist etwas unglücklich gelaufen, aber ich werde mich darum kümmern.“

„So läuft mein Geschäft nicht, Mr. Carter. Sie können sie nicht weiterverfolgen, wenn sie ausdrücklich wünscht, Sie nicht wiederzusehen“, erwiderte Elizabeth Young scharf.

Die Wiederholung dieser Forderung irritierte ihn – genau wie die Andeutung, dass irgendjemand ihm sagen konnte, was er tun durfte und was nicht. Aber Ben erkannte, dass er diese Frau nicht verprellen dufte. Sie war der Schlüssel zu ihrer aller Zukunft – auch wenn er im Moment entschlossen war, seine Zukunft selbst in die Hand zu nehmen.

„Seien Sie versichert, Miss Young, dass ich sie nicht erneut durch Ihre Agentur ansprechen werde.“

Einen Moment herrschte Schweigen. Dann sagte Elizabeth Young: „Danke. Wenn Sie bereit für ein neues Date sind, sagen Sie Bescheid. Aber ich muss Sie warnen, Mr. Carter. Ich werde es nicht tolerieren, wenn Sie meine Klientel verprellen.“

Offensichtlich ließ Miss Young sich von mächtigen Männer nicht einschüchtern. Das gefiel ihm.

Nachdem Ben aufgelegt hatte, traf er einen Entschluss. Er mochte zwar mit der faszinierenden britischen Schönheit aneinandergerasselt sein, aber niemand konnte leugnen, dass die Luft zwischen ihnen förmlich gebrannt hatte. Er wusste, dass Julianna Ford wegen einer Wohltätigkeitsveranstaltung in der Stadt war. Und New York konnte ein erstaunlich kleiner Ort sein, wenn man sich in gewissen Kreisen bewegte. Wenn sie sich erneut wiedertrafen, würde es nicht über Elizabeth Young sein – so, wie er es versprochen hatte.

2. KAPITEL

Lia betrachtete sich kritisch im Spiegel ihrer Hotelsuite. Das lange, ärmellose Abendkleid mit dem tiefen Ausschnitt war wesentlich aufreizender, als ihr lieb war, und noch dazu blutrot.

Aber so sehr es ihr auch widerstrebte, so viel Haut zu zeigen, wusste sie, dass ein solcher Auftritt die Aufmerksamkeit von der Tatsache ablenken würde, dass ihr Vater bei der Wohltätigkeitsauktion verdächtig abwesend war. Sie selbst war jedoch aus eigenen Gründen hier, denn die Organisation, die in krisengeschüttelten Gebieten beim Wiederaufbau half, lag ihr sehr am Herzen.

Ein kurzes Telefonat mit ihrem Vater hatte sie beruhigt. Er klang etwas munterer als in den letzten Tagen. Doch der letzte, zum Glück leichte Schlaganfall hatte ihnen beiden Angst gemacht. Sie hatte ihm auch erzählt, dass sie sich mit einem Mann getroffen hatte. Das hatte ihren Vater so gefreut, dass sie es nicht über sich gebracht hatte, ihm die Identität des Verehrers zu enthüllen. Denn genau wie sie wäre auch er sofort zu dem Schluss gekommen, dass Ben Carter nur ein Geier war, der über ihnen kreiste, um bei der geringsten Chance hinunterzustürzen und Louis Fords Schwäche auszunutzen.

Bei ihrer nächtlichen Internetrecherche über Benjamin Carter war Lia auf ein neueres Paparazzi-Foto von ihm und seinen drei berüchtigten Playboys und Rivalen aus der Geschäftswelt gestoßen. Xander Trakas, Dante Mancini und Scheich Zayn Al-Ghamdi – alles Namen, die für unermesslichen Reichtum, schöne Frauen und eine Abneigung gegen jegliche Form von langfristiger Bindung standen.

Dem dazugehörigen Artikel hatte sie entnommen, dass alle vier Männer in den letzten Monaten unter schlechter Presse gelitten hatten. Der Journalist fragte sich, warum die Vier sich auf einmal zusammentaten.

Da wusste Lia, dass es ein taktischer Fehler gewesen war, Benjamin Carter so unverhohlene Antipathie entgegenzubringen. Er hatte sich nicht ohne Grund mit seinen alten Feinden zusammengetan. Genauso wenig, wie er sich aus persönlichen Gründen mit ihr verabredet hatte. Er hatte definitiv etwas vor.

Ihre Recherche hatte auch ergeben, dass er eine Selfmade-Legende war, die in Pflegeheimen in Queens aufgewachsen und sich über alle Baustellen in New York bis an die Spitze der Industrie hochgearbeitet hatte.

Er war rücksichtslos und ehrgeizig. Frauen dienten ihm nur als kurzfristige Ablenkung – was die Exklusivgeschichte seiner Exgeliebten bestätigt hatte, auf die Lia während ihrer Suche ebenfalls gestoßen war. Normalerweise gab sie nichts auf Klatsch, aber sie hatte fasziniert gelesen, wie seine Rücksichtslosigkeit sich auch auf das Schlafzimmer bezog, sobald er mit der Eroberung fertig war – was normalerweise nach nur einem oder zwei Dates geschah.

Doch all diese Informationen hatten Lia nicht davon abgehalten, sich sehnsüchtig zu wünschen, Benjamin Carter wäre ein ganz normaler, attraktiver Fremder gewesen, als sie auf der Straße in ihn hineingelaufen war. Denn zum ersten Mal seit der Lösung ihrer Verlobung vor einem Jahr hatte ein Mann es geschafft, die hohe Mauer ins Wanken zu bringen, die sie um sich herum aufgebaut hatte. Benjamin Carters spezielle Form der Männlichkeit schien potent genug zu sein, um auch das dickste Eis zu durchbrechen.

Wütend funkelte sie den extravaganten Blumenstrauß in der Vase auf dem antiken Tischchen an, den ein aufmerksamer Hotelpage dort hingestellt hatte. Die dazugehörige Nachricht lag zerfetzt im Papierkorb. Aber sie musste sie nicht vor sich sehen, um die in arroganter Handschrift geschriebenen Worte zu lesen. Sie hatten sich ihr leider unauslöschlich ins Gehirn gebrannt.

Bis wir einander wiedersehen, Julianna. Ben.

Es überraschte sie nicht, dass er wusste, wo sie wohnte, da sie unter ihrem eigenen Namen eingecheckt hatte. Aber in ein paar Tagen würde sie wieder abreisen. Dann wäre sie Benjamin Carter ein für alle Mal los.

Lia richtete ihre Aufmerksamkeit noch einmal auf den Spiegel, atmete tief ein und setzte die mit Federn verzierte, schwarze Spitzenmaske auf. Zum Glück hatte die Wohltätigkeitsorganisation zu einem Maskenball geladen. Mit der Maske fühlte sie sich nicht ganz so entblößt. Dann ließ sie alle Gedanken an Benjamin Carter zurück, sammelte ihre restlichen Sachen ein und verließ ihre Suite.

Keine Stunde später stand Lia in dem großen Saal und schaute sich nach einem Kellner um, um sich etwas zu trinken zu bestellen, als sie von hinten angerempelt wurde. Sie stolperte nach vorn und wurde gerade noch von zwei kräftigen Händen aufgefangen, bevor sie hinfallen konnte. Ihr Herz hämmerte, als sie aufsah und einen Mann sah – einen sehr großen Mann mit breiten Schultern. Er trug ein weißes Dinnerjackett, ein weißes Hemd und eine schwarze Fliege.

Wie die meisten Gäste trug auch er eine Maske, seine war stark verziert und verdeckte sein ganzes Gesicht. Sie sah dichtes, dunkles Haar … Einen Moment dachte Lia – aber nein, es war lächerlich, dass sie glaubte, es könnte Benjamin Carter sein, wo es doch mit Sicherheit einfach nur ein Fremder war.

Als der Mann sprach, wurde seine Stimme von der Maske leicht verzerrt. „Geht es Ihnen gut?“

Lia entspannte sich, als sie die Stimme nicht sofort erkannte. Seine Hände fühlten sich auf ihren nackten Oberarmen heiß an und sie merkte erst jetzt, dass er sie immer noch festhielt. Nervös trat sie einen Schritt zurück. „Mir geht es gut, danke. Entschuldigen Sie, ich war gerade auf der Suche nach einem Kellner für einen Drink.“

„Lassen Sie mich das machen.“

Wie von Zauberhand tauchte ein Kellner auf, und der Fremde reichte Lia ein Glas Champagner. Ihr fiel auf, dass er sich kein Getränk nahm. Nach einem Schluck spürte sie, wie ihr Gleichgewichtssinn wieder ins Lot kam, und versicherte sich, dass ihre Alarmglocken längst geschrillt hätten, wenn wirklich Benjamin Carter neben ihr stünde.

Sie schob alle Gedanken an ihn beiseite und fragte: „Sie trinken nichts?“

Er schüttelte den Kopf. „Ich behalte gern einen klaren Kopf. Und meine Maske macht das Trinken auch nicht gerade leichter. Ich müsste meine Identität enthüllen, was dem Sinn des Abends widerspräche.“

Seine Stimme war kühl, süffisant. Und tief.

Ein aufregendes Kribbeln überlief Lia. Sie konnte seine Augen nicht sehen und wusste daher auch nicht, worauf sein Blick gerade ruhte. Oder ob ihm gefiel, was er sah. Ihr wurde heiß. Vorhin hatte sie sich entblößt gefühlt, doch jetzt war sie sich ihrer selbst auf eine Weise bewusst, die ganz untypisch für sie war.

„Sie hätten eine weniger verhüllende Maske wählen können.“

„Das hätte ich.“

Sie hatte den Eindruck, dieser Fremde würde sich für niemanden verbiegen. Was ein seltsamer Gedanke über jemanden war, den sie erst seit wenigen Sekunden kannte. Noch seltsamer war, dass ihr die Vorstellung einen Schauer über den Rücken jagte.

Als Benjamin Carter gestern ähnliche Gefühle in ihr hervorgerufen hatte, war sie so schnell geflüchtet wie möglich. Jetzt verspürte sie genau das gleiche Bedürfnis, was sehr erleichternd war, bewies es doch, dass nicht er allein diesen Effekt auf sie hatte.

Die Menschen drängten sich immer dichter um sie, und Lia wurde nun ernsthaft heißt. Die starke Reaktion auf den Fremden machte sie ein wenig panisch.

„Es wird hier langsam etwas klaustrophobisch, finden Sie nicht?“, fragte sie.

„Würden Sie gern etwas frische Luft schnappen?“

Als sie nickte, nahm er ihr gekonnt das halb leere Glas ab, legte eine Hand an ihren Ellbogen und geleitete sie durch die Menge zu den großen Glastüren, die nach draußen führten. Es war Spätherbst, und die Luft war schön frisch. Lia löste sich von ihm und atmete ein paar Mal tief durch.

Sie trat an die Steinmauer und registrierte erfreut, dass er sich mit respektvollem Abstand neben sie stellte. Um sie herum funkelten die Lichter von Manhattan. Der Central Park war ein dunkler Schatten in der Ferne. Das Schweigen zwischen ihnen war nicht unangenehm.

„Ich würde dieses Anblicks nie müde werden, selbst, wenn ich hier wohnen würde“, sagte Lia schließlich.

Der Mann wandte sich ihr zu. „Wo wohnen Sie denn?“

Sie sah ihn an und fand die Maske ein wenig verstörend, aber auch … aufregend. Nicht zu wissen, mit wem sie sprach, war auf gewisse Weise befreiend. Als ob die üblichen Höflichkeiten nicht galten.

„Ich wohne außerhalb von London in Richmond.“

Der Mann gab ein zustimmendes Geräusch von sich.

Lia lächelte. „Kennen Sie Richmond?“

Sie hörte das Lächeln in seiner Stimme. „Ja, eine nette Gegend. Aber sehr teuer.“

„Die Tickets für diesen Abend fingen bei sechstausend Dollar an, also schätzte ich, dass Ihnen das obere Ende der Immobilienskala nicht unbekannt ist.“

Jetzt zuckte er leicht mit den Schultern. „Dem kann ich nicht widersprechen.“

Sie glaubte, ein leichtes Funkeln in seinen Augen hinter der Maske zu sehen, und ihr Herz schlug ein wenig schneller.

Beim Flirten hatte sie sich noch nie wohlgefühlt. Ihr fehlte das Vorbild einer Mutter, und das reine Mädcheninternat hatte ihr auch nicht geholfen, sich in Gegenwart von Jungen und Männern zu entspannen.

Zumindest war es ihr gelungen, die akute Schüchternheit zu überwinden und den Eindruck einer erfahrenen Frau zu vermitteln. Darin war sie sogar so gut, dass ihr Exverlobter in ihrer ersten gemeinsamen Nacht überrascht gewesen war zu erfahren, dass sie noch Jungfrau war.

Heute jedoch fühlte sie sich selbstbewusst und ein wenig leichtsinnig. „Ihre Rolle heute Abend ist es also, so geheimnisvoll und unkenntlich zu sein wie nur möglich?“, fragte sie.

„Funktioniert es?“

Sein Tonfall war leicht, aber Lia hörte einen rauen Unterton, der die ganze Begegnung noch aufregender machte.

„Nun, den Teil mit der Unkenntlichkeit haben Sie zumindest perfekt drauf.“

„Autsch“, erwiderte er leise. „Dann muss ich an der geheimnisvollen Seite wohl noch ein wenig arbeiten.“

Wieder hatte Lia das Gefühl, dass geheimnisvoll zu sein für diesen Mann viel zu leicht war – und dass er das wusste.

Übermütig fragte sie. „Werden wir uns unsere Namen verraten?“

„Möchten Sie das denn?“

Sie nickte und erschauerte leicht. Es war, als könnte sie seinen Blick auf sich fühlen. Er war wie ein sanftes Streicheln ihrer nackten Haut.

Er missverstand ihr Zittern und zog sein Jackett aus, um es ihr um die Schultern zu legen. Dabei streiften seine Hände ihre nackten Oberarme und verweilten einen Moment länger, als sie gemusst hätten.

„Danke“, sagte sie mit rauer Stimme.

Er stand jetzt näher bei ihr – so nah, dass sie sein kantiges Kinn unter der Maske sah. Er duftete männlich nach Holz und Moschus.

Zu ihrer Überraschung zog sich ihr Unterleib zusammen, und sie spürte die wohlige Wärme zwischen ihren Beinen. Das holte sie in die Wirklichkeit zurück. So bin ich nicht. Normalerweise empfinde ich nie … Sie fragte sich, was sich verändert hatte. Warum sie innerhalb von zwei Tagen zwei Mal so heftig auf zwei verschiedene Männer reagierte.

„Sind Sie sicher, dass wir unsere Namen tauschen sollten?“, unterbrach der Fremde ihre Gedanken.

Nein, das war sie nicht. Das hier war überhaupt nicht ihr Gebiet – trotzdem wollte sie die sinnliche Blase noch nicht platzen lassen. Sie spielte hier jemanden, der sie nicht war. Jemanden, der selbstbewusst und erfahren war.

Mit seltsamem Bedauern antwortete sie: „Ich bin nicht sicher, ob ich das will … Aber wir können uns nicht für immer verstecken.“

Wieder hörte sie das Lächeln in seiner Stimme. „Aber es ist verlockend, oder?“

Sie nickte. Wie gern wäre sie noch einen kleinen Moment länger jemand, der sie nicht war. Ohne nachzudenken, rückte sie ein Stück näher an ihn heran.

Gleichzeitig streckte er seine Hände aus, umfasste ihr Gesicht und strich mit den Daumen zärtlich über ihre Wangen. „Sie sind wunderschön, wissen Sie das?“

Peinlich berührt schüttelte Lia den Kopf. Sie wusste, dass sie ganz nett aussah, aber sie hatte sich nie wirklich als schön empfunden. Doch jetzt, obwohl ihr halbes Gesicht von einer Maske verborgen war, konnte sie es zum ersten Mal ein wenig glauben. Ihre Lippen kribbelten und sie stellte sich seinen Blick darauf vor. Sie öffnete den Mund, und seine Finger spannten sich an ihrem Gesicht an. Mit einem Mal lag eine Dringlichkeit in der Luft.

Lia hob eine Hand und berührte seine Maske. Ihr Herz klopfte so laut, dass sie sich fragte, ob er es hören konnte. Langsam schob sie die Maske hoch, weil sie unbedingt sein Gesicht sehen, seine Lippen auf ihren spüren wollte.

Sie erhaschte einen Blick auf seine Unterlippe, dann hielt er ihre Hand auf. „Ihnen wird vermutlich nicht gefallen, was Sie sehen“, warnte er sie mit rauer Stimme.

Lia schüttelte energisch den Kopf. Sie musste ihn so dringend sehen, wie sie ihren nächsten Atemzug tun musste. Sie befreite ihre Hand und wollte die Maske gerade noch höher schieben, als eine Stimme die Spannung zwischen ihnen durchbrach.

„Lia! Da bist du ja. Ich habe schon überall nach dir gesucht. Du musst mir helfen, ich hab die totale Krise.“

Sofort kippte die Stimmung. Der Mann trat zurück, und Lia ließ die Hand sinken. Ihr Herz raste, als hätten sie sich geküsst, und sie spürte, dass sie zitterte.

Lia drehte sich um und sah Sarah, die Organisatorin der Veranstaltung. „Was ist denn los, Sarah?“ Sie war froh, dass ihre Stimme ruhiger klang, als sie sich fühlte.

Die attraktive Blondine wirkte panisch. „Stacy Somers, das Supermodel, sollte hier sein und bei der Auktion einen Kuss versteigern. Aber sie kommt nicht und wir haben ein Problem.“

„Aber … du kannst unmöglich meinen, dass ich sie ersetzen soll!“

„Bitte, Lia. Du siehst heute Abend umwerfend aus, und niemanden interessiert, wer du bist. Es geht um einen wohltätigen Zweck und steht in der Auktionsbroschüre, und mein Chef dreht durch bei dem Gedanken, dass sein Zeitplan durcheinander kommt …“

Allein bei dem Gedanken daran, von allen angestarrt zu werden, brach ihr der Schweiß aus.

„Ich würde für einen Kuss von Ihnen bezahlen“, sagte eine tiefe Stimme hinter ihr.

Lia sah den Mann an, den sie beinahe vergessen hatte. Ihr wurde ganz heiß bei dem Gedanken, dass er sie vor aller Augen küssen könnte.

Und dann hörte sie sich wie aus weiter Ferne sagen: „Okay, ich mach’s.“

„Nun, wer gibt das erste Gebot für einen Kuss von unserer englischen Rose Julianna Ford ab?“, sagte der Auktionator hinter dem hohen Pult.

Benjamin stand am Rand des Saals, die Arme vor der Brust verschränkt, weil er fürchtete, er könnte jeden aus dem Weg räumen, der vorhatte, die Frau auf dem Podest zu küssen.

Mir ihren hochgesteckten Haaren, die ihren langen Hals enthüllten, wirkte sie sehr verführerisch, aber gleichzeitig verletzlich. Er hätte gedacht, jemand mit ihrem Hintergrund wäre es gewohnt, sich auf diese Weise zu präsentieren. Als er sie gestern Abend getroffen hatte, hatte sie definitiv ihre autoritäre Seite gezeigt.

Die Maske, die ihr halbes Gesicht verdeckte, betonte noch ihre strahlend blauen Augen und den sinnlichen Mund. Er spürte das Interesse der anderen Männer, und ein unbekanntes Gefühl stieg in ihm auf. Ben brauchte einen Moment, um es als Besitzgier zu erkennen, denn so hatte er noch nie zuvor für eine Frau empfunden.

Meine. Das Wort dröhnte durch Bens Blut, als eine Stimme von weiter vorn im Saal rief: „Fünftausend Dollar!“

Etwas in ihm verspannte sich, als die Gebote sich überschlugen … Zehntausend … Fünfzehn … Zwanzig … Die Anwesenden keuchten kollektiv auf. Dann rief eine dröhnende Stimme: „Fünfzigtausend Dollar.“

Ben wusste sofort, wer das war – ein alter Feind von ihm, der versucht hatte, Bens Firma zu zerschlagen, bevor sie überhaupt richtig angefangen hatte. Er sah, wie sich der kleine, breite Mann mit den hervorstehenden Augen und den Schweißperlen auf der Stirn durch die Menschen drängte.

Und er sah ebenfalls, wie Juliannas Augen sich hinter der Maske weiteten, als sie ihn sah.

Der Auktionator hob seinen Hammer und fragte, ob jemand das letzte Gebot überbieten wollte. Niemand rührte sich. Der Gedanke, dass dieser Kerl auch nur in Juliannas Nähe kam, weckte in Ben gewalttätige Gefühle, die er lange nicht mehr gehabt hatte.

Der Auktionator ließ den Hammer einmal fallen. Zweimal. Kurz vor dem dritten Schlag durchbrach Ben mit autoritärer Stimme das Schweigen: „Eine Million Dollar.“

Alle Köpfe wirbelten zu ihm herum. Er ging nach vorn, und die Menge teilte sich, um ihn durchzulassen.

Als er am Podest angekommen war, blieb er stehen. „Aber ich will mehr als nur einen Kuss. Für eine Million Dollar will ich ein Wochenende mit Julianna Ford.“

Er ist es tatsächlich. Lia hatte in der Menge nach ihm Ausschau gehalten, während die Gebote für einen Kuss von ihr eingegangen waren. Es war ihr so peinlich gewesen, aber sie hatte versucht, es sich nicht anmerken zu lassen.

Und nun war er hier. Immer noch in seiner Maske. Wer ist er?

Als könne er ihre Gedanken lesen, sagte er: „Wenn Sie das Gebot annehmen, werde ich meine Identität enthüllen.“

Ihr Herzschlag beschleunigte sich. Sie hatte sich noch nie so bloßgestellt gefühlt wie in diesem Moment, und doch war sie versucht, alle Vorsicht in den Wind zu schlagen und etwas zu tun, was überhaupt nicht ihrem Charakter entsprach. Zumal die Aussicht auf eine Million Dollar für ihre Lieblingsorganisation sie schwindelig machte.

Der Auktionator hüstelte diskret und fragte: „Miss Ford? Akzeptieren Sie das Gebot? Es ist ein wenig unorthodox …“

Sie nickte schnell, bevor sie die Nerven verlor.

Romantisch, sagte eine kleine Stimme, die sie schnell erstickte. Seit wann war sie an Romantik interessiert? Ganz sicher nicht, nachdem sie gesehen hatte, was der Auszug ihrer Mutter ihrem Vater angetan hatte …

„Ich denke, wir würden alle gern wissen, wer unser großzügiger Spender ist“, riss die Stimme des Auktionators sie aus ihren Gedanken. „Zumindest Miss Ford, die ja ein Wochenende mit ihm verbringen muss.“

Nervöses Lachen brandete durch den Raum, als der Mann die Hand hob und seine Maske abnahm. Kurz bevor er das tat, erhaschte Lia einen Blick auf hellblaue Augen, und eine dunkle Vorahnung befiel sie.

Nein. Das kann nicht sein.

Als die Maske fiel, seufzten alle anwesenden Damen beim Anblick von Benjamin Carter auf.

Lia dagegen fühlte sich, als hätte ihr jemand in den Magen geschlagen. Noch verstand sie nicht, dass er es die ganze Zeit gewesen war. Der Vorstandsvorsitzende der Wohltätigkeitsorganisation geleitete sie vom Podium, schüttelte ihre Hand und versicherte ihr, dass sie keine Ahnung habe, was das für seine Organisation bedeute. Doch Lia hatte nur einen Gedanken: Ich bringe ihn um.

Sie kam sich so lächerlich vor, weil sie einen flüchtigen Moment lang tatsächlich gedacht hatte, ein geheimnisvoller Fremder wäre bereit, eine Million Dollar für ihre Gesellschaft zu bieten.

Eine warme, raue Hand legte sich um ihren Ellbogen, und sie verspannte sich sofort bei dem Wissen, dass allein seine Berührung einen Effekt auf sie hatte und es nicht das Erwachen latenter allgemeiner Sehnsüchte gewesen war.

„Wissen Sie …“, erklärte Benjamin Carter dem Vorsitzenden geschmeidig. „Miss Fords Hingabe an den guten Zweck hat mich beeindruckt. Und außerdem liegt diese Organisation mir sehr am Herzen.“

Lia glaubte ihm kein Wort und hätte ihm am liebsten ins Gesicht gesagt, was sie von seiner Einlage hier hielt. Aber das könnte sie nicht in der Öffentlichkeit tun.

Als Ben sich vom Vorstandsvorsitzenden verabschiedete und Lia aus dem Saal führte, sahen die Leute ihnen flüsternd nach. Lia erhaschte mehr als ein paar neidische Blicke. Doch anstatt zu sagen: „Bitte sehr, ihr könnt ihn gern haben!“, biss sie die Zähne zusammen und ging einfach weiter.

Als sie eine von hohen Pflanzen geschützte Ecke erreicht hatten, riss sie sich von ihm los und wappnete sich gegen seine Anziehungskraft. Für eine Sekunde fehlten ihr die Worte, also löste sie das Band ihrer Maske und nahm sie ab, um Zeit zu gewinnen. Dann verschränkte sie die Arme vor der Brust und sah ihn an.

„Was zum Teufel glauben Sie eigentlich, was Sie da machen?“

Ganz entspannt schob er die Hände in die Hosentaschen. „Abgesehen davon, dass ich extreme Großzügigkeit bewiesen habe, sollte der Rest doch ziemlich offensichtlich sein.“

„Das …“, Lia spie das Wort förmlich aus, „… war die prahlerischste Zurschaustellung von Reichtum, die ich je in meinem Leben gesehen habe.“

Seine Miene verspannte sich, aber sie bedauerte ihre Worte nicht.

„Nun, Sie wirkten nicht sonderlich erfreut über die Vorstellung, Sam Goldstein küssen zu müssen.“

Sie unterdrückte einen Schauder bei dem Gedanken an den fleischigen Mund des anderen Mannes. Dann reckte sie das Kinn. „Ich würde mich lieber von ihm küssen lassen, als auch nur eine Minute in Ihrer Gesellschaft zu verbringen.“

Ben schnalzte mit der Zunge. „Das ist aber sehr hart, Lia …“

Zu ihrem Ärger spürte Lia, wie sie errötete. „Nur meine Freunde und meine Familie nennen mich Lia – und Sie sind weder noch.“

In gespielter Verzweiflung legte Ben eine Hand auf seine Brust. „Das schmerzt …“

Lia schnaubte. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass irgendetwas diesem Mann Schmerzen bereitete. Er war wie eine Naturgewalt. Immun gegen jegliche Drohung. Und ganz sicher immun gegen ihre Feindseligkeit, die, wie sie fürchtete, nichts mit der Bedrohung für die Firma ihres Vaters, sondern einzig mit einer wesentlich persönlicheren Bedrohung zu tun hatte.

„Sie hätten das Gebot nicht akzeptieren müssen“, bemerkte er.

„Sie haben Ihre Identität erst enthüllt, nachdem ich das Gebot angenommen habe. Und wie hätte ich denn eine Million Dollar für die Wohltätigkeitsorganisation ablehnen können?“ Sie schüttelte den Kopf. „Sie haben mich in die Ecke gedrängt, Mr. Carter. Ich hatte keine Wahl.“

Seine blauen Augen funkelten. „Wir haben immer eine Wahl, Lia.“

Ihr fehlte die Kraft, sich gegen die Verwendung ihres Kosenamens zu wehren, und um irgendetwas zu tun, fing sie an, nervös auf und ab zu tigern. „Sie haben mich von Anfang an hinters Licht geführt. Warum haben Sie mir nicht gesagt, wer Sie sind?“

„Warum haben Sie es mir nicht gesagt?“, konterte er.

Lia stöhnte frustriert auf und ballte die Hände zu Fäusten. „Offensichtlich erleben Sie es nicht oft, dass eine Frau ein Date mit Ihnen einfach so verlässt. Aber wenn es hier nur um Ihren verletzten Stolz geht …“

„Seien Sie nicht lächerlich.“ Der harte Unterton in seiner Stimme ließ sie innehalten. „Glauben Sie wirklich, ich würde so viel Geld zahlen, nur um ein Wochenende mit einer Frau zu verbringen, die mich bei einem Date hat sitzenlassen?“

Nein, das glaubte sie tatsächlich nicht. Aber sie wollte auch nicht wirklich wissen, warum er so viel Geld für sie geboten hatte.

„Es wird kein Wochenende geben“, verkündete sie ihm. „Auf keinen Fall werde ich mit einem vollkommen Fremden wegfahren. Jeder wird verstehen, dass es nur für den Showeffekt war.“

Ben schüttelte den Kopf und kam näher. Lia wich nicht zurück. Er war jetzt so nah, dass er sie überragte. Erinnerungen an ihr Treffen auf der Veranda stiegen in ihr auf … als sie sich danach gesehnt hatte, seinen Mund auf ihrem zu fühlen, als er ihr Handgelenk umfasst hatte, um sie davon abzuhalten, ihm die Maske abzunehmen … Ihr war eine gewisse Rauheit an seinen Händen aufgefallen. Aber sie hatte sie ignoriert.

Noch vor nicht einmal einer Stunde hatte sie ihm den Kopf entgegengehoben, um sich von ihm küssen zu lassen. Dabei hatte sie unterbewusst geahnt, wer er war. Ihre Reaktion auf diesen Mann war vollkommen außer Kontrolle geraten. In seiner Nähe konnte sie sich nicht konzentrieren. Sie wollte nur noch weg von ihm. Weit weg.

„Hören Sie“, sagte sie mit eisiger Stimme. „Ich weiß nicht, wie das hier in Amerika so läuft, aber in England stellen wir unseren Reichtum nicht so zur Schau. Ich bin dankbar, dass Sie der Organisation so viel Geld gespendet haben, aber auf keinen Fall werde ich irgendwo mit Ihnen hinfahren.“

Sie schaute Benjamin Carter so direkt in die Augen, wie es der Größenunterschied zuließ, und verschränkte die Arme vor der Brust.

Doch er lächelte nur.

„Kein Grund, so herablassend zu sein, Sweetheart. Denn Sie werden mitkommen. Wenn nicht, werde ich dem Vorsitzenden der Organisation erzählen, dass ich mich gezwungen sehe, meine Spende zurückzuziehen, weil Sie nicht willens sind, Ihren Teil der Abmachung zu erfüllen.“

Lia wurde eiskalt. „Das würden Sie nicht wagen. Nicht, wo jeder weiß, wie viel Sie geboten haben.“

Er nahm die Hände aus den Taschen und verschränkte ebenfalls die Arme. „Wollen Sie mich wirklich auf die Probe stellen?“

In diesem Moment sah er so unverrückbar aus wie ein Berg. Lia hatte ernste Zweifel, was er tun würde, wenn sie ihn wirklich herausforderte. Ein Mann wie er war niemandem verpflichtet und würde vermutlich nicht zögern, um seinen Standpunkt deutlich zu machen.

Sie fühlte sich gefangen. „Warum tun Sie das? Wenn nicht aus Rache, warum dann?“

Er sah sie lange an.

„Das ist ziemlich einfach, Lia. Ich will Sie.“

3. KAPITEL

Die Luft zwischen ihnen vibrierte. Bens direkte Worte hingen wie eine Herausforderung zwischen ihnen. Was hat diese Frau nur an sich, dass ich mich wie ein Monster benehme?

Ihre Augen waren groß, als versuche sie immer noch, seine Worte zu verdauen. Als sie schließlich antwortete, hatte ihre Stimme einen eisigen Unterton. „Sie wollen mich so sehr, dass Sie eine Million Dollar für das Vergnügen zahlen? Ich weiß nicht, mit wem Sie sich sonst herumtreiben, oder was Sie glauben, wer ich bin, aber ich bin keine hochklassige …“

„Ich weiß ganz genau, wer Sie sind“, unterbrach er sie und war selbst überrascht von der Wut, die ihre Anschuldigung in ihm entfachte.

Es war lange her, dass er das Bedürfnis verspürt hatte, sich zu rechtfertigen. Schon gar nicht gegenüber jemandem aus der Gesellschaftsschicht, die ihm den Rücken zugewandt hatte. Trotzdem hörte er sich sagen: „Ich habe noch nie in meinem Leben für eine Frau bezahlt. Das habe ich nicht nötig.“

Faszinierenderweise errötete sie, und mit einem Mal wirkte sie gar nicht mehr so selbstbewusst. „Was meinen Sie damit, dass Sie genau wissen, wer ich bin?“

„Sie mögen nicht adlig sein, aber Sie sind eine Prinzessin. Jemand, dem in seinem ganzen Leben noch nie etwas verwehrt wurde. Sie mögen mich nicht, weil ich Sie scharfmache, und das ertragen Sie nicht von jemandem, den Sie für unter Ihrer Würde halten.“ Er hielt kurz inne. „Draußen auf der Terrasse hatten Sie keine Vorurteile gegen mich, weil Sie offensichtlich geglaubt haben, dass ich etwas … gebildeter wäre.“

Schock. Wut. Demütigung. All das las er auf ihrem Gesicht. Und dann Feuer. „Sie haben mit mir gespielt wie die Katze mit der Maus. Und angesichts Ihrer Einschätzung von mir frage ich mich, warum Sie ein ganzes Wochenende mit mir verbringen wollen.“

Lia wandte sich zum Gehen, aber Ben hielt sie am Arm fest. Ihre Haut war seidig weich und warm. Er kam sich grob und rüpelhaft vor, wie jemand, der so etwas Exquisites wie sie nicht berühren durfte.

Sie wirbelte herum und blitzte ihn wütend an. „Lassen Sie mich verdammt noch mal los. Und nur fürs Protokoll – Sie machen mich nicht im Geringsten scharf.“

Der Drang, ihr das Gegenteil zu beweisen, überwältigte ihn, doch dann sah er etwas in ihren Augen, das beinahe aussah wie Schmerz. Darüber, dass er sie richtig eingeschätzt hatte? Oder weil er vollkommen falsch lag?

„Das war kein persönlicher Angriff. Sie sind ein Produkt Ihrer Erziehung und ich wollte nur ausdrücken, dass ich sehr wohl weiß, dass Sie weit entfernt davon sind, eine hochklassige Prostituierte zu sein.“

Einen Moment zögerte sie. Der Drang, zu beweisen, dass sie ihn wollte, machte sich erneut bemerkbar.

„Aber ich fürchte, die Lüge kann ich nicht akzeptieren.“

„Welche Lüge?“ Sie wirkte argwöhnisch.

„Diese hier.“ Und damit zog er sie an sich und küsste sie.

Alles, was gerade zwischen ihnen vorgefallen war, war vergessen, und die Welt schien in einem weißglühenden Feuerball zu explodieren. Ben spürte nur noch den Druck der weichen, vollen Lippen und diesen Körper, der sich an ihn schmiegte, als wäre er für ihn allein gemacht.

Lias Brüste drückten gegen seinen Oberkörper, und ihre Brustwarzen kribbelten. Scheinbar ermutigt von der Tatsache, dass sie sich nicht sofort zurückzog, wurde sein Griff ein wenig sanfter. Sie wusste, sie sollte das als Gelegenheit nutzen, um sich von ihm zu befreien, doch sie tat es nicht. Sie konnte nicht.

Er schlang einen Arm um ihre Taille und zog sie noch näher an sich. Und bevor Lia sich zurückhalten konnte, erwiderte sie den Kuss, öffnete die Lippen und wusste bei der ersten Berührung seiner Zunge, dass sie verloren war. Verzweifelt klammerte sie sich an seinen Armen fest und spürte seinen Bizeps unter dem Stoff seines Jacketts.

Irgendwie sorgte diese unverfälschte Männlichkeit dafür, dass sie sich sehr weiblich fühlte. Das war aufregend – und viel zu gefährlich.

Benjamin Carters eine Hand umfasste ihren Hinterkopf, mit der anderen packte sie ihn an der Hüfte. Sie spürte seine Erektion, doch es schockierte sie nicht. Nein, vielmehr wollte sie ihn zwischen ihren Beinen fühlen. Da war diese seltsame Leere in ihr, das Verlangen, von ihm erfüllt zu werden …

Sein Kuss war rau und gleichzeitig weich. Und erst, als er seinen Mund von ihrem löste, kam Lia wieder zu Sinnen. Was zum Teufel tust du da?

Abrupt trat sie einen Schritt zurück und sah ihn entsetzt an. Ihre Lippen fühlten sich geschwollen an. Sie sah, dass ihr Ausschnitt verrutscht war und den Ansatz ihrer Brüste freilegte. Schnell zog sie den Stoff zurecht. Ihre Frisur hatte sich halb aufgelöst, und die schwarze Maske lag zu ihren Füßen auf dem Boden. Lia war im Begriff, innerlich zu schmelzen, und hatte sich gerade spektakulär selbst betrogen.

Mit dünner Stimme sagte sie: „Ich weiß nicht, was das war …“

„Ich schon.“

Sie hasste es, dass er aussah, als wäre gar nichts passiert.

„Ich habe dir gerade bewiesen, dass ich dich doch scharfmache – und unglücklicherweise dem Rest der Welt auch.“

Alles in ihr erstarrte. „Was meinst du damit?“

Carter warf einen Blick über ihre Schulter und sah dann sie wieder an. „Ich glaube, wir sind fotografiert worden.“

Ihr wurde eiskalt bei dem Gedanken, dass jemand sie in diesem privaten Augenblick beobachtet hatte, in dem sie so verletzlich gewesen war.

Wütend funkelte sie ihn an. „Das ist alles deine Schuld. Hättest du mich nicht verfolgt und nicht dieses lächerliche Gebot abgegeben, wäre das alles nicht passiert.“

Ben zuckte nur mit der Schulter und ließ ein teuflisch sexy Grinsen aufblitzen. „Sweetheart, ich habe nur bewiesen, dass zwischen uns eine Elektrizität herrscht, mit der man eine ganze Stadt beleuchten könnte. Das war unvermeidlich.“

„Ich bin nicht dein Sweetheart. Und es reicht mir. Ich gehe.“

Dieses Mal versucht er nicht, sie aufzuhalten. Er sagte einfach nur: „Das würde ich an deiner Stelle nicht tun.“

Etwas in seiner Stimme ließ Lia innehalten. Sehnsüchtig blickte sie zum Eingangsbereich des Hotels, drehte sich dann widerstrebend um und fragte so ungezwungen wie möglich: „Und warum nicht?“

„Du warst mit den Bedingungen dieser öffentlichen Auktion einverstanden und ich meine es ernst, dass ich mein Gebot zurückziehe, wenn du deinen Teil der Abmachung nicht erfüllst. Dann wirst du gnadenlos von den Paparazzi verfolgt.“

Er trat einen Schritt näher, und Lia kämpfte gegen seine beinahe magnetische Anziehung an. Die Erinnerung daran, wie seine Zunge ihren Mund erobert hatte, war immer noch sehr lebhaft. Sie hasste das.

„Außerdem …“, fuhr er fort, „… weiß ich, dass du bis nach dem Wochenende hier bist und keine anderen Termine hast, außer vielleicht shoppen zu gehen. Also hast du keinen triftigen Grund, dich einem Ausflug mit mir zu verweigern.“

Wieder hatte er sie vollkommen falsch eingeschätzt. Sie wollte nicht shoppen gehen, sondern einige Vorlesungen an der Universität von New York besuchen, um sich zum Thema Katastrophenhilfe weiterzubilden. Aber irgendwie war die Tatsache, dass er sie so bequem in eine Schublade gesteckt hatte, auch tröstend, denn so war er weit davon entfernt, ihr wahres Ich zu sehen. Wenn sie ein Wochenende seine Überheblichkeit und Arroganz ertragen müsste, um ihrer liebsten Wohltätigkeitsorganisation eine Million Dollar zukommen zu lassen, würde sie es schaffen.

Sie durfte nur nicht wieder so anfällig für ihn sein. Und sie würde ihn garantiert nicht noch einmal küssen.

Seit sie die Veranstaltung gemeinsam verlassen hatten, um Lias Reisepass und ein paar Sachen aus ihrer Hotelsuite zu holen, hatte sie sich in eisiges Schweigen gehüllt und höchstens einsilbige Antworten gegeben. Nun saß sie mit angezogenen Knien in seinem Privatjet neben ihm und schaute aus dem Fenster. Ihre Stola hatte sie fest um sich geschlungen und die langen Haare fielen ihr in seidigen Strähnen auf die Schultern.

Ben verspürte Wut und noch etwas anderes, das er nicht benennen konnte, bei dem Gedanken, dass Lia jetzt nicht hier wäre, wenn er nicht öffentlich eine Million Dollar für das Vergnügen gezahlt hätte. Doch er schob diese Überlegungen beiseite. Sie war da, und das war alles, was zählte.

In der letzten Stunde hatte sie die Rolle der Prinzessin perfekt gespielt. Doch dafür konnte er niemandem außer sich selber die Schuld geben. Schließlich hatte er sie so betitelt. Der geheimnisvolle Ausdruck in ihren Augen kam ihm in den Sinn, das Gefühl, dass er sie verletzt hatte.

Er musste zugeben, dass sie eine faszinierende Mischung aus Gegensätzen war. Und dass er tatsächlich einen kleinen Vorteil gehabt hatte, als sie sich mit ihren Masken begegnet waren. Er hatte vorgehabt, ihr zu sagen, wer er war, aber dann war sie so überraschend süß gewesen und hatte sogar mit ihm geflirtet. Was für ein Kontrast zu ihrem ersten Treffen, bei dem sie ihm sehr deutlich gemacht hatte, dass er bei ihr nie eine Chance hätte.

Als sie ihn auf der Veranstaltung nicht erkannt hatte, hatte er die Stimmung nicht dadurch verderben wollen, dass er seine Identität enthüllte. Seltsam, es sah ihm so gar nicht ähnlich, solchen Impulsen nachzugeben. Das einzige Ziel dieser Übung war es schließlich, sie zu verführen und sie – möglicherweise – zu heiraten.

Im Moment war die Vorstellung, dass diese Frau sich einem Leben des häuslichen Glücks ergeben würde, jedoch selbst für Bens lebhafte Fantasie zu weit hergeholt. Sicher war das der Punkt, an dem er beschließen würde, dass sie den Ärger nicht wert wäre. Es gab eine ganze Reihe Exgeliebter, die nur zu gern Mrs. Carter werden würden. Und doch widerstrebte es Ben, Lia gehen zu lassen.

Er wollte sie. Und die Vorstellung, ihre scharfe Zunge zu zähmen und sie vor Lust fügsam und nachgiebig zu machen, war erregender als alles, was er kannte.

Unwillig löste er den Blick von der verstörenden Provokation, die diese Frau darstellte, und band seine Fliege ab. Er hätte Lia im Hotel Zeit lassen sollen, sich umzuziehen. Dass sich unter diesem Hauch von Stoff ein so verführerischer Körper verbarg, war nicht gerade hilfreich, um sein Verlangen zu dämpfen.

„Da waren keine Paparazzi, oder?“

Ben riss den Kopf herum und sah, dass ihre kühlen blauen Augen auf ihn gerichtet waren. Die Spannung in seinem Inneren löste sich ein wenig, als er merkte, wie ihr Blick ganz kurz nach unten schoss.

Sie wollte ihn. Und er würde es ihr beweisen.

„Wenn du dich recht erinnerst, habe ich gesagt, ich glaube, dass wir fotografiert worden sind.“

Ihre Augen blitzten auf. „Ich kann nicht glauben, dass ich darauf hereingefallen bin.“

Ben nippte an seinem Kaffee. „Du hättest am Ende trotzdem keine Wahl gehabt.“

Sie presste die vollen Lippen aufeinander, und Ben musste sich zurückhalten, um nicht die Hand auszustrecken und sie zu berühren, sie zu entspannen. „Ich mag es, dass man dich Lia nennt. Das ist nicht so … streng.“

„Wie gesagt, das gilt nur für Familie und Freunde.“

Ihr Unbehagen gefiel ihm mehr, als es sollte. „Ich denke, wir sind inzwischen definitiv mehr als Freunde, Lia. Ich weiß nicht, was du so gewohnt bist, aber in meiner Welt küssen Freunde sich nicht so, wie wir es vorhin getan haben. Liebhaber dagegen … das ist eine ganz andere Sache.“

„Wir werden niemals Liebhaber sein, Mr. Carter.“ Sie war wieder zum förmlichen Sie übergegangen. Vermutlich, um ihn auf Abstand zu halten.

Ben ignorierte ihre Bemerkung und lehnte sich zurück. „Hinten in der Kabine gibt es ein Schlafzimmer. Du solltest dir etwas Bequemeres anziehen und dich ein wenig ausruhen. Wir werden noch mindestens sieben Stunden in der Luft sein.“

„Sie wollen mir immer noch nicht verraten, wo wir hinfliegen?“

Gespielt unschuldig schaute er sie an. „Und damit die schöne Überraschung verderben?“

Sie biss die Zähne zusammen. „Ich mag keine Überraschungen, Mr. Carter.“

„Bitte Lia …“, schnurrte er und genoss diesen Schlagabtausch immens. „Nenn mich Ben.“

Nach einem Augenblick, in dem sie aussah, als überlege sie ernsthaft, ihn zu schlagen, öffnete sie ihren Gurt und stand auf. „Sie sind unmöglich. Das hier ist unmöglich.“

Sie nahm ihre Handtasche aus dem oberen Fach, dabei glitt ihre Stola zu Boden. Ben ließ seinen Blick über ihre Kurven gleiten, vor allem über ihren kecken Po.

Als sie herumwirbelte, reichte er ihr die Stola, die er aufgehoben hatte. Lia sagte angespannt: „Ich werde mich ein wenig hinlegen. Und ich will nicht gestört werden.“

Ben lächelte. „Fühl dich wie zu Hause.“

Im hinteren Bereich des Flugzeugs angelangt, zog sie die Tür so fest hinter sich zu, dass Ben leicht zusammenzuckte. Dann hörte er das Klicken, als sie abschloss.

Sein Lächeln erlosch. Er war erregt und fühlte sich wild genug, um die Tür einzutreten und Lia gleich hier und jetzt zu beweisen, dass sie mehr als nur Freunde waren. Aber natürlich tat er das nicht.

Die ersten zwölf Jahre seines Lebens war Ben extrem zivilisiert gewesen. Bis alles sich verändert hatte und ihm die wahre Welt enthüllt worden war.

Sein Handy vibrierte. Froh über die Ablenkung, zog er es aus der Tasche und sah den Namen auf dem Display. „Trakas. Vermisst du mich und unsere neuen Freunde schon?“

„Wohl kaum“, kam die trockene Antwort. „Das Internet platzt förmlich vor Berichten, dass du auf einer Wohltätigkeitsauktion ein wahnwitziges Gebot abgegeben und dich für ein Wochenende mit einer britischen Gesellschaftsprinzessin abgesetzt hast. Ich dachte, du wolltest unseren Ruf verbessern und nicht noch schlimmer machen.“

Ben warf einen Blick zu der geschlossenen Schlafzimmertür. „Keine Sorge. Das ist alles Teil des Plans. Elizabeth Young hat für uns ein Date arrangiert. Wolltest du etwas Bestimmtes mit mir besprechen oder einfach nur ein wenig Klatsch hören?“

Xander Trakas schwieg einen Moment, dann sagte er: „Und? Wie war sie?“

„Wer? Die Partnervermittlerin?“

Trakas klang ungeduldig. „Natürlich.“

Sein Gewissen meldete sich kurz, als Ben überlegte, was Elizabeth Young wohl davon halten würde, dass er Lia weiterverfolgte. „Ihr ging es gut. Warum interessiert dich das?“

„Nur so“, lautete die vage Antwort. „Bis später“, setzte Trakas hinzu und legte auf.

Ben schüttelte den Kopf und warf noch einmal einen finsteren Blick zur Tür. Er hatte keine Ahnung, was zwischen Xander Trakas und der Direktorin von Leviathan Solutions vor sich ging, aber wenn es nur ansatzweise etwas in der Art war, was er gerade durchmachte, wünschte er dem Mann viel Glück. Das konnte er bei Elizabeth Young definitiv gebrauchen.

„Komm, ich führe dich herum.“

Lia musterte Benjamin Carter misstrauisch. Er hatte kein Recht, so frisch und umwerfend auszusehen, nachdem er auf dem Sitz im Flugzeug geschlafen hatte. Den Smoking hatte er gegen eine dunkle Hose und ein schwarzes Polohemd eingetauscht. So konnte sie seinen beeindruckenden Bizeps sehen.

Immer noch ein wenig verwirrt von allem, was in den letzten Stunden passiert war, schaute sie sich um. „Wo genau sind wir hier?“

Vor ungefähr einer Stunde waren sie auf dem Salvador International Airport in Bahia, Brasilien, gelandet, wo ein offener Jeep für sie bereitstand. Carter hatte sie aus der Stadt heraus und eine halbe Stunde an der Küste entlang gefahren. Widerwillig musste Lia zugeben, dass der schäumende Ozean und der meilenweite, weiße Strand sie begeisterten.

„Wir sind in meiner Privatvilla im Norden von Salvador.“

Sein Blick glitt einmal über ihren Körper und Lia bedauerte, dass sie sich im Flugzeug nicht umgezogen hatte. Doch irgendetwas in ihr hatte gewollt, dass er sich mit dem, was er getan hatte, schlecht fühlte, also hatte sie ihr Kleid anbehalten.

Nun kam sie sich albern vor. Um das zu verbergen, fragte sie schnippisch: „Und was sollte mich davon abhalten, mit dem Jeep nach Salvador zu fahren, um den nächsten Flieger nach Hause zu nehmen?“

Ihr Gastgeber wirkte nicht im Geringsten gerührt. „Nun, dann würde ich ihn als gestohlen melden müssen, und die Policia hier ist sehr effizient. Es hat also keinen Sinn.“

Das gleiche Gefühl der Ausweglosigkeit, das sie schon in New York verspürt hatte, überfiel Lia. Sie hatte wirklich keine andere Wahl, als das Wochenende hier zu verbringen.

Als hätte er ihre Gedanken gelesen, reichte Carter ihr eine Hand und bot ihr so an, seine Einladung, ihr alles zu zeigen, anzunehmen.

Nach einem kurzen inneren Kampf ergab Lia sich und schlüpfte aus ihren Schuhen. Sie richtete sich auf und sagte: „Da ich wohl keine andere Wahl habe, bitte, gehen Sie vor.“

Sie folgte ihm in die Villa und bemühte sich, den Blick nicht auf seinen breiten Rücken zu richten, der sich zur Hüfte hin verjüngte und in einen knackigen Hintern überging.

Überrascht registrierte sie die polierten Holzböden und die offenstehenden, weißen Fensterläden, durch die eine warme Brise durchs Haus strich. Die Räume gingen fließend ineinander über und vermittelten einen großzügigen und offenen Eindruck.

Die ganze Villa war lässig, aber elegant. An den Wänden hingen wertvolle Kunstwerke. Die gesamte Einrichtung entsprach ihrem eher minimalistischen Stil, was sie nicht erwartet hatte.

„Ihr Inneneinrichter ist sehr talentiert.“

Sein trockenes „Danke“, ließ sie aufschauen. Ein leichtes Lächeln umspielte Carters Lippen. Sie sah das Funkeln in seinen Augen und fragte ungläubig: „Nein … Sie haben das alles eingerichtet?“

„Es ist schon faszinierend, wie viel Geschmack man mit Geld kaufen kann.“

Sein Ton war noch trockener, und darunter lag etwas anderes. Als hätte sie ihn beleidigt.

„Es ist zauberhaft.“

Große Glastüren führten auf den Strand hinaus. Lia trat hinaus und ihre Füße versanken im warmen, weichen Sand. Die Wellen des Atlantiks schwappten sanft und rhythmisch gegen das Ufer. Sie spürte, wie sich etwas in ihr löste. Es war so lange her, dass sie sich einfach nur … entspannt hatte. Die schwache Gesundheit ihres Vaters bereitete ihr viele Sorgen, und er war so abhängig von ihr …

„Vorsichtig“, warnte Benjamin Carter, der plötzlich viel zu nah neben ihr stand. „Oder ich könnte glauben, dass es dir hier gefällt.“

Sofort war die Entspannung dahin. Lia funkelte wütend seinen Rücken an, als er zurück ins Haus und über einen offenen Innenhof mit einem von Palmen beschatteten Swimmingpool voranging.

Er zeigte ihr eine große Küche mit glänzenden Töpfen und marmornen Arbeitsplatten. „Das ist Esmés Reich“, erklärte er. „Sie ist meine Haushälterin und Köchin und kümmert sich um das Haus, wenn ich nicht hier bin. Sie kommt später, um das Abendessen zuzubereiten.“

Lia ignorierte das unpassende Flattern in ihrem Magen bei dem Gedanken an ein romantisches Dinner bei Kerzenlicht am Strand. Schweigend folgte sie ihm durch die Villa und die Treppe hinauf. Mehrere Schlafzimmer gingen von einem breiten Flur ab. Carter öffnete eine Tür und sagte: „Das ist dein Zimmer.“

Misstrauisch sah sie ihn an.

„Was? Hast du geglaubt, ich wäre nicht zivilisiert genug, um dir ein eigenes Zimmer zur Verfügung zu stellen?“, fragte er mit einer Unschuld, die sie ihm nicht eine Sekunde abkaufte. „Ich habe dir doch schon gesagt – alles, was passieren wird, wird im gegenseitigen Einvernehmen geschehen.“

Sie betrat schnell den Raum, bevor Carter ihr Unbehagen bemerkte. Sie war es nicht gewohnt, dass ein Mann so … offen war. Wenn sie ehrlich war, wusste sie nicht, was genau sie erwartete hatte. Aber sie musste zugeben, dass sie nicht das Gefühl hatte, in Gefahr zu sein. Wenn ihr hier überhaupt irgendetwas gefährlich werden könnte, dann war es ihre eigene Reaktion auf Benjamin Carter.

Sie ließ die Schuhe auf den Boden fallen und ging zu den großen, offenen Türen, die auf einen Balkon hinausführten. Von hier aus konnte sie den Strand und das Meer sehen. Es war umwerfend. Mit einem Anflug von Ironie stellte sie fest, dass dieser Mann keinerlei Zwang einsetzen musste – dieser Ort verführte eine Frau von ganz allein.

Als sie sich umdrehte, sagte Ben: „Dort drüben findest du ein Badezimmer und einen Ankleideraum.“

Neugierig inspizierte Lia das riesige Badezimmer mit der großen Dusche und der auf Klauenfüßen stehenden Badewanne. Das Mädchen in ihr seufzte hingerissen.

Durch die angrenzende Tür sah sie das Ankleidezimmer. Sie trat ein und keuchte überrascht auf, als sie sah, dass Bügel und Regale mit nagelneuer Designerkleidung gefüllt waren, an der noch die Preisschilder hingen.

Die andere Tür, die zum Schlafzimmer führte, ging auf und Benjamin Carter lehnte sich lässig gegen den Türrahmen. Er wirkte wie ein Mann, der genau die Reaktion sah, die er sich von einer Frau in einem Raum voll wunderschöner Kleidung erhofft hatte.

Sie verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihn aus zusammengekniffenen Augen an. „Das ist also Ihre Verführungsroutine, wenn Sie eine Frau hierherbringen? Ehrlich gesagt, bedarf es mehr als nur einen Schrank voll teurer Klamotten, um mein Interesse zu wecken. Ich bin weder so seicht noch so verwöhnt – egal, was Sie glauben.“

In seinen Augen blitzte etwas auf, und einen Moment glaubte Lia, ihn beleidigt zu haben. Er rührte sich nicht, doch sie spürte seine Anspannung.

„Ich habe noch nie eine Frau hierhergebracht. Aber ich vermiete die Villa an Freunde und Geschäftspartner. Ich sorge stets dafür, dass die Schränke in beiden Hauptschlafzimmern gut gefüllt sind, weil die nächste Boutique in Salvador liegt. Die von mir engagierte Stylistin überprüft die Garderoben nach jedem Besuch und gibt sämtliche Kleidung, die getragen wurde, an einen örtlichen Wohltätigkeitsverein.“

Lia schämte sich für ihr vorschnelles Urteil. Das sah ihr so gar nicht ähnlich … Aber er konnte ihre Knöpfe drücken wie kein anderer. Hatte er wirklich noch nie eine Frau mit hierhergebracht? Sie versuchte, in seiner ausdruckslosen Miene zu lesen, und war überzeugt, dass ein Mann wie er bei so etwas nicht lügen würde. Das hatte er nicht nötig.

Um sich von dieser Erkenntnis abzulenken, erwiderte sie steif: „Nun, das ist sehr großzügig von Ihnen, aber ich habe meine eigene Kleidung mitgebracht.“ Zu spät fiel ihr ein, dass ihre Wintergarderobe in diesem Klima vollkommen unpassend war.

Ben richtete sich auf und zum ersten Mal, seitdem sie ihn getroffen hatte, verspürte Lia einen leicht frostigen Hauch in der Luft. Interessanterweise gefiel ihr das gar nicht.

Er sah auf die Uhr. „Ich bin heute zum ersten Mal in diesem Jahr hier, also muss ich mich um ein paar Dinge kümmern. Fühl dich wie zu Hause. Wenn du Hunger hast, in der Küche findest du ausreichend zu essen. Wo der Strand ist, hast du ja gesehen – er ist komplett privat, sodass du dort vollkommen ungestört bist.“

Damit wandte er sich zum Gehen. Ein Gefühlswirrwarr machte Lia einen Moment lang sprach- und bewegungslos. Die Wut darüber, dass er sie entführt hatte … die jedoch angesichts dieser verführerischen Umgebung immer mehr verblasste.

Gleichzeitig ärgerte sie sich, weil sie sich so leicht täuschen ließ. Dieser Mann musste einen Plan haben, das durfte sie nicht vergessen. Sonst lief sie Gefahr, sich in einen Bann ziehen zu lassen, dem sie womöglich nicht widerstehen könnte.

Sie stürzte zum Flur und sah, wie Benjamin Carters breiter Rücken die Treppe hinunter verschwand. „Wenn Sie das alles hier tun, um an meinen Vater ranzukommen, können Sie mich genauso gut direkt wieder nach New York zurückschicken“, platzte es aus ihr heraus. „Denn ich würde mich niemals von jemandem verführen lassen, damit derjenige an ihn herankommt.“

Ben blieb abrupt stehen. Frust stieg in ihm auf. Noch nie hatte eine Frau ihn so konstant abblitzen lassen. Und ganz sicher keine, die ihn wollte. Außerdem hatte noch nie eine Frau eine so schlechte Meinung über ihn gehabt. Auch wenn ihm sonst egal war, was die Leute über ihn dachten, stellte er zu seinem Verdruss fest, dass ihre Meinung ihm wichtig war.

Langsam drehte er sich um, bereit, ihr zu sagen, dass er ihre Rückkehr nach Salvador arrangieren würde. Bis er etwas in ihren Augen sah – Herausforderung, aber auch eine gewisse Unsicherheit. Einen Hauch von Verletzlichkeit. Er dachte an den Anflug von Schmerz, den er wahrgenommen hatte, als er sie eine Prinzessin genannt hatte.

Mit den nackten Füßen und den lose auf die Schultern fallenden Haaren sah sie nach der langen Reise schöner aus als alles, was Ben je zuvor in seinem Leben gesehen hatte.

Und er wollte sie.

Langsam stieg er die Treppe wieder hinauf und sah, wie Lias Augen sich weiteten. Sie war angespannt, aber nicht nur aus Wut über die Situation. Sondern auch, weil sie ihn wollte. Und da wusste Ben, dass er sie auf keinen Fall gehen lassen könnte.

Er blieb ein paar Schritte von ihr entfernt stehen. „Ich werde deine Intelligenz nicht beleidigen, indem ich leugne, ein Interesse an der Firma deines Vaters zu haben. Aber im Moment interessiert mich das nicht im Geringsten.“

Im Moment interessierte ihn nur eines. Lia.

Sie schluckte und erwiderte: „Sie werden bei mir gar nichts erreichen, Mr. Carter. Also halte ich es für das Beste, wenn wir uns voneinander fernhalten, bis es an der Zeit ist, nach Hause zu fliegen.“

Sie tat Ben beinahe leid, als er antwortete: „Du solltest wirklich nicht solche Herausforderungen aussprechen, Lia …“

Autor

Abby Green

Abby Green wurde in London geboren, wuchs aber in Dublin auf, da ihre Mutter unbändiges Heimweh nach ihrer irischen Heimat verspürte. Schon früh entdeckte sie ihre Liebe zu Büchern: Von Enid Blyton bis zu George Orwell – sie las alles, was ihr gefiel. Ihre Sommerferien verbrachte sie oft bei ihrer...

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Michelle Smart
Michelle Smart ist ihrer eigenen Aussage zufolge ein kaffeesüchtiger Bücherwurm! Sie hat einen ganz abwechslungsreichen Büchergeschmack, sie liest zum Beispiel Stephen King und Karin Slaughters Werke ebenso gerne wie die von Marian Keyes und Jilly Cooper. Im ländlichen Northamptonshire, mitten in England, leben ihr Mann, ihre beiden Kinder und sie...
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Tara Pammi

Tara schreibt sexy Romanzen mit anbetungswürdigen Helden und sexy Heldinnen. Ihre Heldinnen sind manchmal laut und rebellisch und manchmal schüchtern und nerdig, aber jede von ihnen findet ihren perfekten Helden. Denn jede Frau verdient eine Liebesgeschichte!

Tara lebt in Texas mit ihrem ganz persönlichen Helden und zwei Heldinnen in der...

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Rachael Thomas

Vor über zwanzig Jahren wählte Rachael Thomas Wales als ihre Heimat. Sie heiratete in eine Familie mit landwirtschaftlichem Betrieb ein und konnte in ihrem neuen Zuhause endlich Wurzeln schlagen. Sie wollte schon immer schreiben; noch heute erinnert sie sich an die Aufregung, die sie im Alter von neun Jahren empfand,...

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