Diese Sehnsucht weckst nur du

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"Ich weiß, dass du mich hassen musst." Entsetzt erkennt Serena, wer ihr neuer Boss ist: ausgerechnet der brasilianische Milliardär Luca Fonseca, der einst ihretwegen unschuldig verurteilt wurde - und der noch immer eine tiefe, romantische Sehnsucht in ihr weckt! Was hat er mit ihr vor? Statt sie auf der Stelle zu feuern, lädt er sie zu einem abenteuerlichen Ausflug in die Wildnis des Amazonas ein. Doch während Serena sich dabei mehr und mehr nach seinen zärtlichen Umarmungen verzehrt, muss sie fürchten, dass er nur einen ausgeklügelten Racheplan verfolgt …


  • Erscheinungstag 26.04.2016
  • Bandnummer 2229
  • ISBN / Artikelnummer 9783733706692
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Serena DePiero saß in dem vornehmen Warteraum und starrte auf die ausladenden silbernen Buchstaben an der Wand vor ihr:

Roseca Industrie und Wohltätigkeitsstiftung

Sie spürte, wie das Entsetzen wieder in ihr hochstieg. Sie hatte ja keine Ahnung gehabt … Erst gerade eben, im Flugzeug nach Rio de Janeiro, hatte sie erfahren, dass die Wohltätigkeitsorganisation, für die sie seit Kurzem arbeitete, zum Roseca-Verband gehörte. Gegründet und geleitet von Luca Fonseca – der Name Roseca war aus den Namen seines Vaters und seiner Mutter zusammengesetzt.

Und jetzt war sie hier, im Vorzimmer genau dieses Luca Fonseca. Und wartete darauf, dem einzigen Mann auf der ganzen Welt zu begegnen, der sie abgrundtief hasste.

Und das zu Recht.

Aber warum hatte er zugelassen, dass sie überhaupt eingestellt wurde? Er musste doch davon gewusst haben. Oder etwa nicht? Hatte er das Ganze vielleicht sogar von Anfang an inszeniert, um sie jetzt umso eindrucksvoller zu vernichten?

Das wäre unglaublich grausam. Aber trotzdem – dieser Mann schuldete ihr nichts außer Verachtung. Sie stand in seiner Schuld, und es bestand eine gute Chance, dass ihre Karriere vorbei war, bevor sie überhaupt begonnen hatte.

Bei diesem Gedanken verspürte sie einen Anflug von Panik. Aber ein wenig Hoffnung hatte sie noch. Vielleicht war inzwischen genug Zeit vergangen. Vielleicht konnte sie Luca Fonseca doch noch davon überzeugen, wie leid es ihr tat.

Bevor sie noch länger darüber nachdenken konnte, öffnete sich eine Tür zu ihrer Rechten, und eine schlanke dunkelhaarige Frau in einem grauen Hosenanzug erschien. „Senhor Fonseca möchte Sie nun sehen, Miss DePiero.“

Serena umklammerte ihre Handtasche. Sie wollte herausschreien: „Aber ich will ihn nicht sehen!“ Doch das war unmöglich. Genauso wenig konnte sie einfach weglaufen. Ihr gesamtes Gepäck befand sich noch in dem Wagen, der sie vom Flugplatz abgeholt hatte.

Als sie sich widerstrebend erhob, durchzuckte sie eine Erinnerung mit einer solchen Wucht, dass sie fast gestolpert wäre.

Luca Fonseca in einem blutbesudelten Hemd, mit einem blauen Auge und einer aufgeschlagenen Lippe. Ein Schatten dunkler Bartstoppeln auf seinem angeschwollenen Kinn, in einer Gefängniszelle. Er lehnte an der Wand und wirkte düster und gefährlich. Dann hob er den Kopf und sah sie an. Seine tiefblauen Augen wurden schmal, ein Ausdruck eisiger Verachtung erschien auf seinem Gesicht. Er richtete sich auf, kam zum Gitter herüber und umfasste die Stäbe, als würde er sich vorstellen, sie wären ihr Hals. Serena erstarrte beim Anblick seiner ramponierten Erscheinung.

„Wäre ich dir nur nie begegnet, Serena!“

„Miss DePiero? Senhor Fonseca wartet.“

Serena zwang ihre Füße dazu, an der Frau vorbei in Luca Fonsecas Büro zu gehen.

Sie hasste es, wie hart und schnell ihr Herz klopfte, als die Tür hinter ihr ins Schloss fiel. In den ersten Sekunden nahm sie niemanden im Raum wahr. Die gesamte Rückwand des Büros bestand aus einem gewaltigen Fenster und bot den unglaublichsten Blick über eine Stadt, den Serena je gesehen hatte.

In der Ferne glitzerte dunkelblau der Atlantik, davor sah sie die beiden berühmten Wahrzeichen von Rio de Janeiro: den Zuckerhut und die dreißig Meter hohe Christusstatue auf dem Corcovado-Berg. Dazwischen befanden sich unzählige Hochhäuser, direkt bis ans Meer. Den Ausblick atemberaubend zu nennen, wäre eine Untertreibung gewesen.

Dann trat Luca Fonseca in ihr Blickfeld. Für eine Sekunde verschmolzen Vergangenheit und Gegenwart, und Serena war wieder in jenem Nachtclub, sah ihn zum ersten Mal.

Groß und breitschultrig hatte er im schummrigen Licht des Clubs gestanden. Nie zuvor hatte sie erlebt, dass jemand so ruhig und doch gleichzeitig so dominant wirken konnte. Mit einem dunklen Anzug und einem am Kragen geöffneten Hemd trug er mehr oder weniger das Gleiche wie die anderen Männer hier, doch durch seine Souveränität und Anziehungskraft hob er sich von ihnen ab. Bevor sie sich hatte bremsen können, war Serena zu ihm gegangen – als würde sie von dem Kraftfeld seiner magnetischen Ausstrahlung magisch angezogen.

Sie blinzelte. Das Bild des Nachtclubs löste sich auf.

Plötzlich war der Raum zum Ersticken heiß. Sie bekam keine Luft mehr. Luca Fonseca sah anders aus als damals. Sie brauchte einige Sekunden, dann erkannte sie, dass sein Haar heute länger und leicht zerzaust war. Ein dunkler Bart überzog sein Kinn und ließ ihn noch männlicher wirken.

Sein helles, am Hals offenes Hemd war in die dunkle Hose gesteckt. Ganz das Bild eines zivilisierten Geschäftsmannes, doch die Schwingungen, die von ihm ausgingen, waren alles andere als zivilisiert.

Er verschränkte die Arme vor seiner breiten Brust. „Was zum Teufel willst du hier, DePiero?“

Serena ging weiter in das enorme Büro hinein, obwohl sie am liebsten in die entgegengesetzte Richtung gerannt wäre. Sie konnte ihren Blick nicht von ihm losreißen. Sie zwang sich zu antworten, so zu tun, als würde sein Anblick sie nicht vollkommen durcheinanderbringen. „Ich bin hier, um meine Arbeit für die Wohltätigkeitsorganisation anzutreten, in der Abteilung für Kapitalbeschaffung.“

„Du hast hier keinen Job. Nicht mehr“, sagte Luca Fonseca. Seine Stimme klang angespannt.

Das Blut schoss Serena in die Wangen. „Ich wusste nicht, dass Sie … beteiligt sind, Mr. Fonseca. Davon habe ich erst erfahren, als ich schon auf dem Weg nach Rio war.“

Luca Fonseca gab ein leises, schnaubendes Geräusch von sich. „Eine ziemlich unwahrscheinliche Geschichte, meinst du nicht?“

„Aber es ist wahr!“, rief sie. „Ich habe nicht geahnt, dass die Wohltätigkeitsorganisation zur Roseca-Gruppe gehört. Sonst hätte ich nie zugesagt.“

Luca Fonseca kam um den Tisch herum, und Serenas Augen weiteten sich. Für einen so großen Mann bewegte er sich mit überraschender Geschmeidigkeit. Aus jeder Pore verströmte er Selbstsicherheit.

„Ich wusste nicht, dass du in unserem Büro in Athen arbeitest“, sagte er sichtlich verärgert. „Um solche Kleinigkeiten kümmere ich mich nicht selbst, dafür habe ich die besten Leute angestellt – obwohl ich nach diesem Vorfall diese Methode noch einmal überdenken werde. Ich wusste nicht, dass man von allen Bewerbern ausgerechnet dich ausgewählt hat.“ Er verzog den Mund. „Aber ich muss zugeben, dass ich interessiert genug war, um dir einen Wagen zum Flughafen zu schicken, anstatt dich direkt ins nächste Flugzeug zurück zu setzen.“

Er hatte also nicht gewusst, dass sie für ihn arbeitete. Serena ballte die Hände zu Fäusten, damit er ihr Zittern nicht sah. Seine herablassende Arroganz machte sie nur noch nervöser.

Luca Fonseca sah auf die große Platinuhr an seinem Handgelenk. „Ich kann fünfzehn Minuten erübrigen, bevor du zurück zum Flughafen gebracht wirst.“

Wie ein unerwünschtes Paket. Er feuerte sie.

Lässig lehnte er sich an seinen Schreibtisch, als wäre dies eine ganz normale Unterhaltung. „Also, DePiero? Was zum Teufel bringt Europas liederlichste Prominente dazu, für ein winziges Gehalt bei einer Wohltätigkeitsorganisation in Athen zu arbeiten?“

Noch vor wenigen Stunden war Serena bei dem Gedanken an ihren neuen Job so beschwingt gewesen. Eine Chance, ihrer besorgten Familie zu beweisen, dass sie es schaffen konnte. Endlich würde sie unabhängig sein. Und jetzt sorgte dieser Mann dafür, dass alles, wofür sie so hart gekämpft hatte, umsonst gewesen war.

Jahrelang war sie das enfant terrible der italienischen Partyszene gewesen, ständig verfolgt von Paparazzi. Was immer sie tat, landete in den Zeitschriften – völlig übertrieben und aus dem Zusammenhang gerissen. Aber hinter den Schlagzeilen steckte immer noch genug Wahrheit, um Serena bei der Erinnerung vor Scham erröten zu lassen.

„Ich weiß, dass Sie mich hassen.“ Ihre Stimme klang rau vor unterdrückten Gefühlen.

Luca Fonseca lächelte, aber seine Augen waren kalt. „Hassen? Bilde dir nichts ein, DePiero, Hass ist eine sehr unzureichende Beschreibung meiner Gefühle für dich.“

Noch eine Erinnerung stürzte auf sie ein: Ein zusammengeschlagener Luca in Handschellen, von der italienischen Polizei zu einem Wagen gezerrt. „Du hast mich reingelegt, du Miststück!“, hatte er wütend hervorgestoßen, unmittelbar bevor sie selbst in einen Polizeiwagen verfrachtet wurde, wenn auch ohne Handschellen.

Er hatte versucht, sich von dem Griff des bulligen Polizisten zu befreien, aber das hatte ihm nur einen Hieb in den Magen eingebracht. Serena konnte nur starr vor Entsetzen zusehen.

„Sie hat mir die Drogen zugesteckt“, hatte sie noch gehört, bevor er im Einsatzwagen verschwand.

Serena versuchte, die Erinnerungen aus ihrem Kopf zu vertreiben. „Mr. Fonseca, ich habe Ihnen die Drogen nicht in die Tasche gesteckt … Ich weiß nicht, wer es war, ich jedenfalls nicht. Ich habe nachher versucht, Sie zu erreichen … aber da hatten Sie Italien schon verlassen.“

Er stieß einen verächtlichen Laut aus. „Nachher? Du meinst, nachdem du von deinem Shopping-Trip in Paris zurückgekommen bist? Ich habe die Fotos gesehen. Eine ganz normale Woche für dich, nicht wahr?“

Serena konnte die Wahrheit nicht abstreiten. Ganz gleich, wie unschuldig sie auch war, dieser Mann hatte ihretwegen gelitten. Sie sah die grellen Schlagzeilen noch deutlich vor sich:

DePieros neuester Liebhaber? Brasilianischer Milliardär Luca Fonseca bei Razzia in exklusivem Nachtclub mit Drogen aufgegriffen

Bevor Serena etwas zu ihrer Verteidigung sagen konnte, stand Luca auf und kam näher. Ihr Mund wurde trocken.

Als er so nah bei ihr war, dass sie die seidigen Härchen im Ausschnitt seines Hemdes sehen konnte, musterte er sie mit einem kalten Blick von Kopf bis Fuß. „Ein Unterschied wie Tag und Nacht zu dem lächerlichen Etwas, das du damals am Leib hattest.“

Serena stieg bei der Erinnerung an ihr Kleid von jenem Abend das Blut in die Wangen. Noch einmal versuchte sie, sich zu verteidigen: „Ich hatte wirklich nichts mit den Drogen zu tun.“

Einen Moment lang sah er sie an, dann legte er den Kopf zurück und lachte schallend. „Eins muss ich dir lassen – feige bist du jedenfalls nicht! Es gehört schon einiges dazu, nach all der Zeit dreist hier hereinzuspazieren und zu behaupten, du wärst unschuldig.“

Serena ballte die Hände zu Fäusten. „Aber es stimmt. Ich weiß, was Sie denken müssen …“ Sie brach ab. Was jeder dachte, schoss ihr durch den Kopf. Fälschlicherweise. „Ich habe nie solche Drogen genommen.“

Jede Heiterkeit verschwand aus Luca Fonsecas Gesicht. „Jetzt reicht´s mit deinen Unschuldsbeteuerungen. Du hattest harte Drogen in deinem hübschen Handtäschchen, und als du gemerkt hast, dass der Club durchsucht wird, hast du sie mir praktischerweise in die Jacke gesteckt.“

„Es muss jemand anderes gewesen sein.“

Luca Fonseca trat noch näher. Sie schluckte und blickte auf. Ihr brach der Schweiß aus.

„Muss ich dich wirklich daran erinnern, wie nah wir uns an jenem Abend waren, Serena? Du konntest mir das Beweismaterial einfach in die Tasche stecken.“

Sie erinnerte sich nur zu gut an seine starken Arme um ihre Taille, an ihre Arme um seinen Hals. Ihr Mund glühend von seinen Küssen. Jemand war zu ihnen gekommen, ein Bekannter von Serena. „Eine Razzia“, hatte er ihnen zugeraunt.

Und Luca Fonseca dachte … Dachte er etwa, sie hätte ihm in den wenigen Sekunden, bevor das Chaos losbrach, die Drogen in die Tasche geschmuggelt?

„Ich bin sicher, du hattest Übung darin. Darum habe ich auch nichts bemerkt.“

Er trat einen Schritt zurück, und Serena konnte wieder atmen. Aber dann ging er langsam um sie herum. Ihre Haut kribbelte. Sie war sich sehr bewusst, dass er sie betrachtete. Am liebsten hätte sie ihren Hosenanzug zurechtgezogen, doch sie beherrschte sich.

Serena schloss einen Moment lang die Augen, dann öffnete sie sie wieder. Sie drehte sich zu ihm um und sah ihn an. „Mr. Fonseca, ich bitte nur um eine Chance …“

Er hob die Hand, und sie brach ab. Sein Gesichtsausdruck war jetzt schlimmer als kalt, er war vollkommen unlesbar. Er schnippte mit den Fingern, als wäre ihm gerade etwas eingefallen.

Spöttisch verzog er den Mund. „Natürlich – es ist wegen deiner Familie, nicht wahr? Sie haben dir die Flügel gestutzt. Andreas Xenakis und Rocco De Marco würden nie dulden, dass du deinen ausschweifenden Lebenswandel wieder aufnimmst. Und in den Kreisen, die dich vorher gefeiert haben, bist du immer noch eine persona non grata. Aber du und deine Schwester habt es trotzdem geschafft – ihr seid auf euren Füßen gelandet, auch wenn euer Vater in Ungnade gefallen ist.“ In seinen harten Zügen las sie Abscheu. „Nach allem, was er getan hat, kann Lorenzo DePiero sich nie wieder irgendwo sehen lassen.“

Serena wurde übel. Sie war die Letzte, die man an die Korruption und die zahlreichen anderen Verbrechen ihres Vaters erinnern musste.

Doch Luca war noch nicht fertig. „Ich vermute, du willst deiner Familie beweisen, dass du dich geändert hast. Welche Gegenleistung haben sie dir dafür versprochen? Unterhalt? Eine luxuriöse Wohnung in Italien? Oder willst du vielleicht lieber in Athen bleiben, wo dein Ruf noch nicht ganz so ruiniert ist? Jedenfalls wärest du dort unter dem Schutz deiner kleinen Schwester. Wenn ich mich richtig erinnere, war sie diejenige, die immer alles für dich ausgebügelt hat.“

Als er ihre Familie erwähnte – insbesondere ihre Schwester – stieg heiße Wut in Serena auf. Ihre Familie bedeutete ihr alles. Sie würde sie niemals im Stich lassen. Sie hatten sie gerettet. Etwas, das dieser kalte, voreingenommene Mann nie verstehen würde.

Serena spürte den Jetlag, ihre Augen brannten, und sie hatte sich noch immer nicht von dem Schock erholt, diesen Mann wiederzusehen. Das alles war ihrer Stimme anzuhören, als sie sagte: „Meine Familie hat damit nichts zu tun. Und vor allem nicht mit Ihnen.“

Luca Fonseca starrte sie ungläubig an. „Oh, ich bin sicher, sie haben alles damit zu tun. Haben sie deinem Chef vielleicht eine großzügige Spende versprochen, wenn du eine Beförderung bekommst?“

Serena errötete. Ein erstickter Laut entfuhr ihr. „Nein. Natürlich nicht.“

Aber die Art, wie sie seinen Blick vermied, sagte etwas anderes. Sowohl ihr Halbbruder Rocco De Marco, als auch ihr Schwager Andreas Xenakis, konnten mit einem Fingerschnippen das Kapital der Wohltätigkeitsorganisation für ein ganzes Jahr sicherstellen. Und auch wenn Luca selbst durchaus vermögend war, war die Organisation immer auf Spenden angewiesen.

Wie leicht mein eigenes Personal zu manipulieren ist! dachte Luca angewidert. „Ich werde mich jedenfalls nicht von dir dazu benutzen lassen, allen vorzuspielen, du hättest dich geändert.“

Serena schaute ihn nur an. Er sah, wie sich ihr langer graziöser Hals bewegte, als sie schluckte. Offenbar wollte sie etwas sagen, bekam aber die Worte nicht heraus. Er spürte kein Mitleid.

Sie hatte nichts mehr mit der glamourösen, provokativen Frau gemein, die in seinem Gedächtnis eingebrannt war. Die Frau vor ihm war blass, und ihr Outfit sah aus, als wäre sie zu einem Vorstellungsgespräch in einem Versicherungsbüro unterwegs. Ihre Unmengen weißblonder Haare waren in einem seriösen Knoten gezähmt. Doch nicht einmal das, zusammen mit dem nüchternen dunklen Anzug, konnte ihre unglaubliche natürliche Schönheit oder das Leuchten ihrer strahlend blauen Augen mindern.

Diese Augen … sie hatten ihn wie ein Schlag in die Magengrube getroffen, als Serena in sein Büro gekommen war und er ein paar Sekunden Zeit gehabt hatte, sie unbemerkt zu beobachten. Die schmucklose Hose konnte ihre berühmten langen Beine nicht verbergen. Ihre üppigen Brüste drängten gegen die Seide ihrer Bluse.

Habe ich gar nichts gelernt? fragte er sich wütend. Sie sollte sich vor ihm auf die Knie werfen und sich dafür entschuldigen, dass sie sein gesamtes Leben auf den Kopf gestellt hatte. Stattdessen besaß sie die Dreistigkeit, sich auch noch zu verteidigen. Meine Familie hat nichts damit zu tun.

Aber bei ihr sollte ihn wirklich gar nichts mehr wundern. Es kümmerte ihn nicht, warum sie hier war. Seine Neugier war befriedigt. „Deine Zeit ist um. Der Wagen wartet draußen, um dich zurück zum Flughafen zu bringen. Und ich hoffe sehr, dass du mir nie wieder unter die Augen kommst.“ Nur warum fiel es ihm so schwer, seine Augen von ihr loszureißen?

Ärgerlich trat Luca zurück hinter seinen Schreibtisch und drehte ihr den Rücken zu. Er erwartete zu hören, wie die Tür geöffnet und geschlossen wurde. Als alles still blieb, wirbelte er herum: „Wir haben nichts mehr zu besprechen. Dort ist die Tür.“

Sie wurde noch blasser. Ihm gefiel nicht, dass er es überhaupt bemerkte. Auch nicht sein Anflug von Besorgnis. Luca Fonseca sorgte sich um keine Frau!

Er konnte sehen, wie sie wieder schluckte, dann überwand ihre weiche, raue Stimme mit dem winzigen italienischen Akzent die Entfernung zwischen ihnen. „Ich möchte nur eine Chance. Bitte.“

Luca öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Er war fassungslos. Wenn er einmal seine Entscheidung mitgeteilt hatte, wagte niemand, ihn infrage zu stellen!

Bis zu diesem Moment. Und dann ausgerechnet diese Frau! Aber die Chance, dass er seine Entscheidung wegen Serena DePiero überdenken würde, war kleiner als Null. Allein die Tatsache, dass sie noch immer in seinem Büro war, machte ihn wütend.

Anstatt sich geschlagen zu geben und endlich zu verschwinden, kam sie jetzt auch noch näher!

Luca spürte den Impuls, sie sich über die Schulter zu werfen und höchstpersönlich aus seinem Büro zu befördern. Aber ausgerechnet in diesem Moment überfiel ihn die Erinnerung an ihren verführerischen Körper in seinen Armen, ihre weichen Lippen, wie sie sich unter seinem leidenschaftlichen Kuss geöffnet hatten. Sein Körper reagierte sofort. Verfluchte Hexe!

Sie stand auf der anderen Seite seines Schreibtischs. Riesige blaue Augen, ihre Haltung hoheitsvoll wie die einer Königin, und er erinnerte sich an ihre makellose Abstammung.

Sie umklammerte ihre Hände so fest, dass die Knöchel weiß hervortraten. „Mr. Fonseca, ich bin mit den besten Absichten hergekommen.“ Ihre Stimme war leise. „Ganz egal, was Sie von mir denken – ich möchte gute Arbeit für die Wohltätigkeitsorganisation leisten. Ich werde alles tun, um Sie davon zu überzeugen, dass ich es ernst meine.“

Ärger über ihre Hartnäckigkeit durchflutete ihn. Über ihr kleinlautes Mr. Fonseca.

Er beugte sich vor und stützte sich mit den Händen auf den Schreibtisch. „Du bist der Grund dafür, dass ich meinen guten Ruf verloren hatte und völlig neu wieder aufbauen musste. Ich hätte fast für immer das Vertrauen der Leute in meine Arbeit verloren. Ich habe Monate, nein, Jahre gebraucht, um den Schaden einer einzigen Nacht wiedergutzumachen. Ein ausschweifendes Leben ist schön und gut, wie du ja selbst genau weißt, aber mit harten Drogen in der Tasche verhaftet zu werden, ist eine ganz andere Sache.“

Er dachte an die Paparazzi-Fotos, die sie beim Shoppen in Paris gezeigt hatten, und Bitterkeit schnürte ihm die Kehle zusammen. „Währenddessen hast du dich ungestört weiter vergnügt. Und nach all dem besitzt du die Dreistigkeit zu denken, ich würde auch nur erlauben, dass dein Name im selben Satz mit meinem ausgesprochen wird?“

Falls das möglich war, wurde sie noch bleicher.

Er richtete sich auf. „Du widerst mich an.“

Seine Worte verletzten sie tief in ihrem Inneren. Er sah sie mit Augen an, so kalt wie Saphire. Unempfindlich gegen Hitze oder Kälte oder ihre Bitten. Und er hatte ja recht! Es war vollkommen verrückt gewesen, auch nur für eine Sekunde zu glauben, er würde sie anhören.

Luca Fonseca sah sie nur an. Ihr Herz sank. Er würde kein weiteres Wort mit ihr reden. Er hatte gesagt, was er zu sagen hatte. Er hatte sie nur zu sich gerufen, um sie zu quälen. Ihr zu zeigen, wie sehr er sie hasste – als hätte sie daran gezweifelt.

Endlich gab sie sich geschlagen und wandte sich zur Tür. Es würde keine Gnadenfrist geben. Als winzige Geste ihrer verblieben Würde, hob sie ihr Kinn. Sie blickte nicht zu ihm zurück, sie wollte seinen eisigen Blick nicht noch einmal sehen. Als wäre sie etwas Widerliches unter seinem Schuh.

Sie öffnete die Tür, schloss sie hinter sich und wurde von seiner unterkühlten Sekretärin in Empfang genommen. Bestimmt war diese in seine Pläne eingeweiht gewesen. Schweigend wurde Serena zum Ausgang begleitet.

Ihre Demütigung war komplett.

Zehn Minuten später sprach Luca angespannt ins Telefon. „Geben Sie mir Bescheid, sobald das Flugzeug mit ihr an Bord gestartet ist.“

Er legte den Hörer auf, schwang seinen Drehstuhl herum und sah auf die Stadt hinunter. Sein Blut kochte immer noch. Seine Sekretärin hatte ihn erst über Serenas Kommen unterrichtet, als sie schon längst im Flugzeug nach Rio gesessen hatte. Warum hatte er sich das zweifelhafte Vergnügen gegönnt, sie noch einmal persönlich zu treffen? Es hatte ihm nur seine eigene Schwäche für sie vor Augen geführt.

Serena DePiero. Allein bei ihrem Namen spürte er einen sauren Geschmack in seinem Mund. Doch das Bild, das dabei vor seinen Augen aufstieg, war alles andere als sauer. Es war das Bild, wie er sie zum ersten Mal gesehen hatte, in jenem verhängnisvollen Nachtclub in Florenz.

Natürlich hatte er gewusst, wer sie war. Jeder in Florenz kannte die DePiero-Schwestern – berühmt für ihr helles Haar, ihre blauäugige aristokratische Schönheit und das ungeheure Familienvermögen, das bis ins Mittelalter zurückreichte.

Serena war der Liebling der Medien gewesen. Anstatt ihr das ausschweifende Leben übelzunehmen, verfolgten sie jeden ihrer Schritte mit Begeisterung. Serenas Partyleben war legendär: Wochenenden in Rom, verwüstete Hotelzimmer, Trips mit privaten Jets in den Nahen Osten, zu irgendeinem Scheich, der eine Party mit seinen europäischen Freunden feierte. Und immer wieder Fotos von ihr in den Zeitschriften, mal mehr, mal weniger angetrunken, immer leicht bekleidet, doch das schien das Interesse an ihr nur noch anzufachen.

An jenem Abend trug sie ein Kleid, das den Namen nicht verdiente. Trägerloses Goldlamé, mit Fransen, die kaum bis zu ihren goldbraunen Oberschenkeln reichten. Silberblondes zerzaustes Haar, ein üppiges Dekolleté. Mit den Armen in der Luft tanzte sie selbstvergessen inmitten ihrer Bewunderer, die Verkörperung von Jugend, Reichtum und Schönheit.

Die Art von Schönheit, die Männer völlig verzaubert auf die Knie fallen ließ. Die Schönheit einer Sirene, die einen Mann in sein Verderben lockte.

Luca verzog den Mund. Er hatte bewiesen, dass er nicht besser als jeder andere sterbliche Mann war. Er trug selbst die Verantwortung für seinen Besuch in dem Club. Natürlich tat er das.

Lucas ganzes Leben drehte sich darum, klar und fokussiert zu sein, denn er hatte sich hohe Ziele gesteckt. Aber Serenas riesige blaue Augen hatten jede einzelne Faser in seinem Körper in Brand gesetzt und seine Bedenken in Nichts aufgelöst. Ihre Haut war makellos, die gebogene Nase ein Zeugnis ihrer Herkunft. Er konnte den Blick kaum von ihrem Mund abwenden. Perfekt geformte Lippen, nicht zu voll, nicht zu schmal, ein Versprechen tiefer, dunkler Sinnlichkeit.

„Wissen Sie nicht, dass es unhöflich ist, jemanden anzustarren?“, hatte sie ihn herausfordernd gefragt.

Angesichts ihrer Arroganz hätte er sich auf der Stelle umdrehen sollen. „Ich müsste blind sein, um nicht geblendet zu sein“, sagte er stattdessen. „Leisten Sie mir bei einem Drink Gesellschaft?“

Sie warf das Haar zurück. Für einen winzigen Moment glaubte Luca, eine seltsame Verletzlichkeit und Wachsamkeit in den atemberaubenden blauen Augen zu sehen, aber es musste eine Täuschung der flackernden Lichter gewesen sein, denn sie flötete: „Mit Vergnügen.“

Luca schob die Erinnerungen beiseite. Er hasste es, wie heftig sein Körper schon bei dem bloßen Gedanken an sie reagierte. Sieben Jahre waren vergangen, und trotzdem spürte er Ärger und Verlangen so heftig wie in jener Nacht.

Er hatte sie gefeuert und nicht den geringsten Zweifel daran gelassen, was er von ihr dachte. Warum empfand er also keinerlei Triumph? Warum ließ dieses unbehagliche kribbelnde Gefühl nicht nach, als wäre noch … eine Rechnung offen?

Er sah vor sich, wie sie ihr kleines Kinn gehoben hatte, bevor sie ging. Widerwillig musste er zugeben, dass er einen winzigen Hauch von Bewunderung empfand, weil sie nicht vor ihm zu Kreuze gekrochen war.

2. KAPITEL

Das Hotel lag in der Nähe vom Copacabana-Strand. Es als einfach zu bezeichnen, wäre noch untertrieben gewesen, aber wenigstens war es sauber – das war die Hauptsache. Und billig – auch das war gut, wenn man bedachte, dass Serena von ihren dürftigen Ersparnissen aus dem letzten Jahr lebte. Sie zog ihre zerknitterte Reisekleidung aus, trat in die kleine Dusche und genoss den spärlichen lauwarmen Strahl.

Ihr Magen krampfte sich bei der Vorstellung zusammen, was Luca sagen würde, wenn er erfuhr, dass sie nicht abgereist war. Hastig schob sie den Gedanken beiseite.

Sie hatte in der Check-in-Schlange gestanden, als ihre Schwester anrief. Serena war zu traurig gewesen, um zuzugeben, dass sie schon wieder nach Hause kommen würde. Außerdem war ihr plötzlich klar geworden, dass Athen sich nicht wie ihr Zuhause anfühlte. Kurzentschlossen hatte sie Siena vorgemacht, alles sei in Ordnung.

Auch wenn sie es hasste, Geheimnisse zu haben – vor allem vor ihrer Schwester – bereute Serena nicht, dass sie geblieben war. Aber ihr Ärger auf Luca Fonseca hatte sie dazu gebracht, aus dem Flughafengebäude zu stürmen und wieder zurück in die City zu fahren.

Selbst jetzt war sie noch wütend auf Luca Fonseca. Er hatte sie nicht einfach nur gefeuert – was schon schlimm genug gewesen wäre. Nein, er hatte mit ihr gespielt wie die Katze mit der Maus, nur um sie dann aus seinem Büro zu werfen.

Unsanft shampoonierte sie ihr Haar. Ihr gefiel gar nicht, wie aufgewühlt ihre Gefühle noch immer waren. Noch weniger gefiel ihr, dass dieser Mann eine ganz bestimmte Art von Wut in ihr ausgelöst hatte, eine Wut, die sie seit langer Zeit nicht mehr gefühlt hatte. Sie war wütend genug, um zu rebellieren … dabei hatte sie geglaubt, dieses Verhalten würde inzwischen lange hinter ihr liegen.

Autor

Abby Green

Abby Green wurde in London geboren, wuchs aber in Dublin auf, da ihre Mutter unbändiges Heimweh nach ihrer irischen Heimat verspürte. Schon früh entdeckte sie ihre Liebe zu Büchern: Von Enid Blyton bis zu George Orwell – sie las alles, was ihr gefiel. Ihre Sommerferien verbrachte sie oft bei ihrer...

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