Du bringst mein Herz in Gefahr!

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Mit unerklärlicher Macht fühlt Freya sich zu dem geheimnisvollen Fremden hingezogen, den sie bei einer Feier im Hotel trifft. Doch nach einer rauschhaften Liebesnacht folgt kurz darauf das böse Erwachen: Ihr Verführer ist ausgerechnet der neue Herzchirurg ihrer Klinik!


  • Erscheinungstag 30.08.2023
  • ISBN / Artikelnummer 9783745753424
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Du weißt es schon, oder, Freya?“

„Was weiß ich?“ Freya runzelte die Stirn und zog noch einmal kräftig am Reißverschluss, um das Hochzeitskleid ihrer Freundin Beth zu schließen – doch er bewegte sich kein Stück. Ganz anders als bei der letzten Anprobe eine Woche zuvor. „Hast du …?“

Gerade noch rechtzeitig biss sie sich auf die Zunge. Schließlich wusste Freya nur zu gut, wie verletzend eine beiläufige Bemerkung über das Gewicht sein konnte, und das wollte sie Beth nicht antun. Besonders nicht an ihrem Hochzeitstag.

Plötzlich dämmerte es Freya, warum das Kleid so verdammt eng saß. Ihre Freundin hatte vorhin den Champagner abgelehnt, während sie sich auf die Hochzeit am späten Nachmittag vorbereiteten, und der Mädelsabend letzte Woche in Freyas Wohnung war auch eine sehr zahme Angelegenheit gewesen.

Kurz bevor ihre Freundin es aussprach, machte es klick.

„Ich bin schwanger!“

Entsetzt kniff Freya die Augen zu, als wieder eine Freundin ihre frohe Botschaft verkündete, aber als sich Beth zu ihr umdrehte, lächelte sie begeistert. „Das ist ja fantastisch, Beth.“

„Tu doch nicht so, als wüsstest du es nicht schon längst.“

„Ich hatte ehrlich keine Ahnung“, versicherte Freya ihr.

„Dabei hab ich keinen einzigen von den Cocktails getrunken, die du gemixt hast!“

„Das fand ich schon etwas seltsam“, gestand Freya, denn Beth lehnte sonst nie einen Drink ab. „Aber ich habe dir geglaubt, dass du für die Hochzeit entgiften willst.“

Oh, es war wirklich ein überaus braver Abend gewesen – kein Wunder bei zwei Schwangeren und einer weiteren Freundin, die stillte. Den ganzen Abend durfte sich Freya anhören, dass sie bestimmt bald an der Reihe wäre und ob sie denn niemanden treffen würde. Ihre Freundinnen wussten nichts von ihrer Unfruchtbarkeit, darum waren sie nicht absichtlich gefühllos gewesen. Sie hätte ihnen an jenem Abend erzählen können, dass sie eine Blutuntersuchung hatte machen lassen und sich weiteren Tests unterziehen würde, um zu sehen, ob sie für eine künstliche Befruchtung mit einer Eizellenspende infrage kam.

Doch Freya war sehr verschlossen, öffnete sich kaum jemandem.

„Wann hast du es erfahren?“, fragte sie.

„Vor zwei Wochen. Zuerst war ich richtig am Boden zerstört.“

„Am Boden zerstört?“, hakte Freya vorsichtig nach. Dabei wünschten sich Beth und Neil beide eine Familie. Stimmte mit dem Baby vielleicht etwas nicht?

„Naja, ich war ziemlich verärgert“, erklärte Beth. „Wir haben so lange für die Hochzeitsreise gespart, damit alle Getränke inklusive sind …“ Sie rollte über die vermeintliche Ungerechtigkeit die Augen. „Aber jetzt bin ich drüber weg.“

Drüber weg?

Es kostete Freya einiges, ruhig zu bleiben. Doch endlich ließ sich der Reißverschluss schließen, und sie richtete die riesige Schleife an Beths Kleid.

Freya wusste, sie war bei dem Thema empfindlich, aber es ärgerte sie einfach, wenn so über eine Schwangerschaft gesprochen wurde.

„Wissen es eure Eltern schon?“, fragte sie

„Noch nicht. Neil wird die Neuigkeiten während der Rede verkünden, dann können wir die Reaktionen von allen Gästen einfangen. Warnst du den Kameramann vor?“

„Natürlich.“

„Du wirst es nicht vergessen?“

„Ich vergesse nie etwas“, versprach Freya. „Deswegen lässt du mich doch deine Hochzeit planen, richtig?“

Oh, Freya war genervt und gab sich große Mühe, es nicht zu zeigen, aber Beth war wirklich eine schwierige Braut.

„Okay, fertig. Wow! Du siehst umwerfend aus.“

Zum Glück sah man Freya nicht an, wenn sie log. Denn Beth hatte sich für ein langes Schlauchkleid aus elfenbeinfarbenem Tüll mit einer riesigen Satinschleife um die Taille entschieden.

Und leider hatte sie für Freya ein ähnliches Kleid ausgesucht. Allerdings war ihres knielang und altweiß. Sie kam sich vor, als würde sie einen gebrauchten Teebeutel tragen. Aber wenigstens war Freyas Schleife deutlich kleiner. Ihr glattes, braunes Haar war zu Locken frisiert worden, und Beth hatte auf roten Lippen für sie beide bestanden.

Wir sehen aus wie zwei schlecht frisierte Pudel, dachte Freya und starrte ihr Spiegelbild an.

„Trägst du einen BH?“, fragte Beth.

„Das geht unter diesem Kleid nicht“, entgegnete Freya.

„Dann kleb dir Pflaster drüber“, verlangte Beth. „Ich will nicht, dass deine Nippel auf meinen Fotos zu sehen sind.“

Es klopfte an der Tür, und da Bräute an ihrem Hochzeitstag natürlich nicht die Tür öffneten, übernahm die Brautjungfer das. Sie lächelte, als sie Beths Vater sah. Das bedeutete, es war für sie Zeit, im Festsaal noch einmal alles zu kontrollieren.

„Gut, ich fahre dann nach unten und sorge dafür, dass alles vorbereitet ist“, verkündete Freya. „Genieß jeden Moment und überlass alles andere mir.“

„Werde ich.“ Beth nickte. „Ist für Mitternacht alles vorbereitet?“

„Ist es.“

„Alle sollen sehen, wie wir uns küssen, wenn das neue Jahr beginnt.“

„Das werden sie. Ich sehe dich dann unten in der Hotelkapelle.“

„Vergiss die Pflaster nicht“, ermahnte Beth sie. Lächelnd nahm Freya ihr Sträußchen aus roten Blumen, das selbstverständlich zu ihren roten Lippen passte, verließ das Zimmer und atmete tief durch.

Diese Hochzeit zu organisieren, war die reinste Hölle gewesen. Zwei der Hotels, die für Beth und Neil infrage kamen, hatten ihr erklärt, dass die Treppen und Rolltreppen allen Gästen zur Verfügung standen, gerade zu Silvester. Es war nicht gerade leicht gewesen, einen Ort zu finden, der all ihren Ansprüchen genügte, aber Freya hatte es geschafft.

Die Hochzeit fand um siebzehn Uhr statt, dann waren Abendessen und Reden geplant, aber statt sich danach entspannen zu können, musste sie dafür sorgen, dass sowohl der Kameramann als auch der Fotograf nüchtern blieben und zweihundert Gäste rechtzeitig aus dem Ballsaal auf die Haupttreppe kamen. Oh, und Edward, ihr Ex, würde auch hier sein.

Wie bei den anderen drei Hochzeiten, an denen sie dieses Jahr schon teilgenommen hatte.

Freya hatte die Nase gestrichen voll von Hochzeiten!

Sie wusste, dass Beth sie wegen ihrer PR-Fähigkeiten zur Brautjungfer gemacht hatte. Doch das störte sie nicht. Um in L. A. als PR-Berater zu überleben, musste man sich mit seinen Kontakten gutstellen. Beth war Journalistin, und die vielen Stunden, die Freya in die Organisation der Hochzeit gesteckt hatte, würden sich auszahlen.

Schnell betrat sie ihr Hotelzimmer, um sich frisch zu machen. Dabei überprüfte sie auch ihr Make-up und wünschte, sie hätte es nicht getan – es war übertrieben dick aufgetragen.

Und dieses Kleid – es zeigte zu viel von ihren Schultern und ihrem Rücken. Dadurch fühlte sie sich bloßgestellt. Freya drehte sich vor dem Spiegel hin und her und verrenkte sich den Hals – auch wenn sie sich immer wieder sagte, dass alle nur auf die Braut achten würden und nicht auf die Wirbelsäule der Brautjungfer.

Aus Gewohnheit schaltete sie ihr Handy ein und entdeckte mehrere SMS und verpasste Anrufe von ihrem Bruder James.

Arbeit.

Was auch sonst?

James Rothsberg war der Schönheitschirurg in Los Angeles, und die letzten sechs Jahre hatte er alles in den Aufbau der Hollywood Hills Klinik gesteckt. Eine wunderbare Einrichtung für die Reichen und Berühmten. The Hills – wie sie genannt wurde – bot alles von der Geburtshilfe bis hin zu intensivmedizinischer Behandlung und war die Adresse für medizinische Versorgung. Vor zwei Jahren hatte James sie ins Team geholt, und sie hatte ihre PR-Fähigkeiten äußerst gewinnbringend eingesetzt.

Bis jetzt.

Nun war es Zeit, etwas Dank zu zeigen, das hatte sie auch James gesagt.

Und er hatte ihr zugehört.

Aus diesem Grund rief Freya ihren Bruder auch zurück, statt mit den Augen zu rollen, weil er sie Silvester erreichen wollte.

„Hallo, James“, begrüßte sie ihn. „Du hattest angerufen.“

„Ja“, antwortete James. „Freya, ich brauch dich morgen früh um neun in der Klinik.“

„An Neujahr?“, fragte sie verwundert nach.

„Geoff hat angerufen, Paulos Zustand hat sich verschlechtert. Ich habe gerade mit Zackary gesprochen, er hat zugestimmt, sein Vorstellungsgespräch auf morgen vorzuziehen, statt bis Montag zu warten. Ich möchte, dass du dabei bist.“

„Ich?“ Freya versuchte, sich das Zittern ihrer Stimme nicht anmerken zu lassen. „Seit wann brauchst du mich, wenn du medizinisches Personal einstellst?“

„Seit du mich dazu überredet hast, wohltätige Fälle zu übernehmen“, entgegnete James scharf. „Und wenn man bedenkt, dass wir ihn darum bitten werden, seine Fähigkeiten unentgeltlich einzusetzen …“

„Er weiß bereits, dass er manchmal auch ohne Honorar arbeiten wird.“

„Freya?“

Ihr Bruder klang überrascht, weil sie nicht sofort zusagte. Schließlich war Freya diejenige gewesen, die darauf gedrängt hatte, dass The Hills sich darauf einließ. Sie hatte sich nach einem passenden Fall umgesehen, und jetzt kam die Sache endlich ins Rollen. Nur wusste James nicht, dass sich seine sonst so kontrollierte Schwester in eine ungünstige Situation gebracht hatte.

Und dann war da noch etwas, wovon er nichts wusste. Denn der Fall, den sie gefunden hatte, wurde von seiner ehemaligen Verlobten, Mila Brightman, betreut.

Doch hauptsächlich graute ihr davor, den erstklassigen Herzchirurgen Zackary Carlton zu treffen.

Oder Zack. So wurde er lieber genannt, wie sie erfahren hatte.

Sie hatten per E-Mail miteinander geflirtet.

Nicht zu intensiv, aber für Freya fühlte es sich intensiv an.

„Ich brauche dich morgen früh hier“, wiederholte James. „Er wird bestimmt Fragen zur PR-Seite des Falls haben, und ich möchte eine Pressemitteilung veröffentlichen, dass wir Zackary im Team haben.“

„Zack!“, betonte Freya. „Er wird lieber Zack genannt.“

„Verstanden“, antwortete James. „Ich sehe dich morgen um neun. Nachher schicke ich dir noch einige Details.“

„Danke.“

Oh Gott!

Nach dem langweiligen Mädelsabend mit ihren selbstzufriedenen, verheirateten Freundinnen hatte sich Freya noch einen Cocktail gegönnt, ihren Laptop aufgeklappt und ein paar bestimmte E-Mails gesucht.

Sie ließ sich nie mit Leuten ein, mit denen sie arbeitete. Eigentlich ließ sich Freya nie ganz auf jemanden ein. Punkt. Aber dieser klitzekleine Flirt hatte Spaß gemacht, und Zack hatte gleich gefragt, ob sie Single wäre.

Mehrere Daiquiris später hatte Freya ihm an jenem Abend geantwortet.

Definitiv Single. (Verrat das nur James nicht.)

Und morgen musste sie sich ihm nun stellen.

Seine Antwort hatte ihr die Röte ins Gesicht getrieben, und selbst jetzt wurde ihr noch heiß, wenn sie daran dachte.

Ein Gentleman genießt und schweigt.

Hoffentlich bekommt er die Stelle nicht, dachte Freya. Aber wem wollte sie etwas vormachen? James wollte Zack Carlton in seinem Team haben, und zwar so sehr, dass er ihn im Moment in einem Luxusapartment untergebracht hatte, das der Klinik gehörte, und ihn an Neujahr zu einem Vorstellungsgespräch bat.

Es war ein dummer Flirt gewesen, zwar nur ein ganz kleiner, doch für sie völlig untypisch und unprofessionell. Freya flirtete nicht gern, dafür war sie viel zu kontrolliert.

An der ganzen Misere waren nur die Daiquiris schuld.

Doch das stimmte nicht so ganz, denn sie hatten schon einige E-Mails zuvor angefangen zu flirten.

Sie seufzte. Wahrscheinlich war er um die fünfzig Jahre alt, verheiratet und Vater von sechzehn Kindern. Morgen konnte sie deswegen noch ausgiebig vor Scham im Boden versinken, jetzt musste sie sich um diese Hochzeit kümmern.

Aber zu allererst schickte sie ihrem Nachbarn Red eine Nachricht, ob er Cleo, ihren kleinen Hund, morgen rauslassen und füttern würde.

Nachdem das geklärt war, wollte sie das Zimmer verlassen, doch dabei fiel ihr Blick auf ihre nackten Schultern; sie drehte sich und schaute erneut auf ihre Wirbelsäule.

Es war dieser Anblick gewesen, der James einen riesigen Schock eingejagt hatte. Freya konnte sich noch gut an seine Reaktion darauf erinnern.

Diesen Teil ihres Körpers hatte sie immer bedeckt, ihr Geheimnis versteckt und bestritten, dass sie ein Problem hatte. Während der schrecklichen Scheidung ihrer Eltern hatte sie ausgiebig gefeiert und so getan, als ob es sie nicht interessierte.

Es war schon hart genug, prominente Schauspieler als Eltern zu haben und den Namen Rothsberg zu tragen, aber als die Ehe in die Brüche ging, wurde der Rosenkrieg über die Medien ausgetragen.

Und als ein Journalist beiläufig bemerkte, dass Freya nur ein wenig jünger war als die neueste Freundin ihres Vaters, war ein Magazin einen hässlichen Schritt weitergegangen und hatte geschrieben, dass Freya deutlich dicker war.

Während der sehr öffentlichen Trennung war Essen ihr Trost gewesen, als sie damit klarkommen musste, dass auch sie und James plötzlich im Rampenlicht standen.

Nach der Bemerkung hatte sie es sich rigoros verboten.

Extrem rigoros!

Und außerdem hatte sie kräftig gefeiert.

James hatte sie schließlich aus einem Nachtklub gezerrt und, als Freya zusammengebrochen war, ins Krankenhaus gebracht.

Dort hatte man sie ausgezogen und in ein Krankenhaushemd gesteckt, bevor ihr Bruder wieder zu ihr durfte. Da hatte er ihren Rücken gesehen – das wahre Ausmaß ihres Problems war enthüllt.

Jetzt, vierzehn Jahre später, war der meistgehasste Teil ihres Körpers entblößt, und … Oh Freude! … sie würde am Tisch mit den Brautleuten essen.

Freya ging es inzwischen besser – wirklich sehr viel besser.

Sie war kuriert, geheilt, welches Wort eben am besten passte, aber mit den Auswirkungen kämpfte sie noch immer, und eine große davon war, dass sie sehr selten ihre Periode bekam.

Extrem selten.

Einmal, vielleicht auch zweimal im Jahr.

„Du bist selbst schuld“, rief Freya ihrem Spiegelbild zu, bevor sie ihr Zimmer verließ und zum Aufzug lief.

Sie stieg ein und schloss die Augen, lehnte sich an die Wand und dehnte dabei ihren Hals, um die Anspannung loszuwerden. Als sie sie wieder öffnete, war sie nicht im Zwischengeschoss, sondern im Erdgeschoss angekommen und blickte in seine Augen!

„Hm, Sie beweisen meine Theorie“, sagte er mit seiner tiefen, sexy Stimme.

Er war es!

Der Mann, den sie vor ein paar Tagen gesehen hatte.

Da hatte Freya mit der Veranstaltungskoordinatorin des Hotels gerade ausgearbeitet, wie lange die Rolltreppen angehalten werden mussten, doch als sie Schritte auf dem Marmorboden hörten, hatten sie aufgesehen und waren verstummt. Und aus gutem Grund. Groß, gebräunt, mit wirrem, lockigem Haar war er in einer dunklen Jeans und einem engen T-Shirt an ihnen vorbeigegangen, einen großen Rucksack auf dem Rücken. Bei seinem Anblick waren um ihn herum die Gespräche verstummt. Beide Frauen hatten ihm hungrig nachgesehen, als er zum Empfangstresen ging, um einzuchecken, und sich dann verlegen angelächelt.

Und jetzt stand Freya mit ihm im Aufzug.

„Und was wäre Ihre Theorie?“

„Dass alle guten Frauen vergeben sind.“ Dann fragte er, in welche Etage sie wollte.

„Ich habe schon gedrückt …“ Doch ihre Wahl schien gelöscht worden zu sein. „Das Zwischengeschoss bitte.“ Lange, gebräunte Finger drückten auf den Knopf mit der gewünschten Etage und wählten dann die achtundzwanzigste Etage. Sie wünschte, sie hätte ihm die dreißigste Etage als Ziel genannt, um noch ein oder zwei Minuten länger mit ihm allein zu sein.

„Sollte die Braut an ihrem Hochzeitstag nicht lächeln?“, fragte er, und Freya versuchte, seinen Akzent einzuordnen.

„Glauben Sie mir, die Braut lächelt“, erwiderte sie trocken. „Ich bin die Brautjungfer.“

„Habe ich da das Wort Jungfer gehört?“

Freya lachte über die freche Bemerkung, und bei dem trägen Lächeln, das er ihr dafür schenkte, zog sich ihr Magen zusammen. Sexy, grüne Augen musterten sie und gaben ihr nicht im Geringsten das Gefühl, eine alte Jungfer zu sein …

Die Veranstaltungskoordinatorin hatte seufzend gemeint, dass er wahrscheinlich schwul war, worauf Freya geantwortet hatte, dass sie dann wirklich raus müsste aus L. A.

Oh, er war garantiert nicht schwul, denn sein Blick setzte sie förmlich in Brand.

Leider öffneten sich in dem Moment die Türen des Aufzugs.

„Genießen Sie die Hochzeit“, sagte er.

„Das werde ich bestimmt nicht, es wird ein sehr langer Abend“, erwiderte Freya und löste sich von der Wand, auch wenn sie eigentlich nicht aussteigen wollte.

„Ja, das verstehe ich. Darum tue ich auch mein Bestes, Hochzeiten zu vermeiden.“ Er sah ihr tief in die Augen. „Besonders meine eigene.“

Wollte er ihr damit sagen, dass er Single war?

Sie dachte zurück an die Flirt-E-Mails, die sie morgen bereuen würde, aber Flirten machte wirklich Spaß, wie Freya merkte, und sie war eindeutig Single.

„Genau wie ich“, antwortete sie.

Die Aufzugtüren standen offen, und er schob seinen Fuß dazwischen, damit sie sich nicht schlossen, während er Freya eine Frage stellte: „Warum feiert man an einem Donnerstag eine große Hochzeit?“

„Weil Silvester ist.“

„Darum also! Danke, dass Sie mich daran erinnern. Ich bekomme sonst großen Ärger, wenn ich nicht zu Hause anrufe.“

„Sie sind Australier?“ Jetzt konnte Freya seinen Akzent endlich zuordnen.

Er nickte.

„L. A. ist aber ziemlich weit weg von zu Hause.“

„Das ist es“, stimmte er ihr zu. „Und ich fühle mich plötzlich richtig einsam.“

Dabei wirkte er überhaupt nicht so, nicht mit diesem Lächeln.

„Sie Ärmster!“, erwiderte Freya amüsiert und begegnete seinem heißen Blick. Seine dunkelgrünen Augen wurden von dichten Wimpern umrahmt. Ihr Blick wanderte zu seinem Mund und über sein stoppeliges Kinn.

Er war so heiß, so direkt, so sexy und ihre Reaktion auf ihn so heftig, dass Freya sich bestimmt verzeihen könnte, wenn sie den Knopf drückte, der die Türen schloss, und auf seine schmalen Hüften kletterte.

„Ich gehe besser.“ Ja, das sollte sie wirklich. „Es war nett, Sie kennenzulernen …“, Freya zögerte.

„Wir brauchen keine Namen, oder?“

Ich sollte beleidigt sein, dachte Freya. Aber sie war es nicht.

„Genießen Sie die Hochzeit“, wiederholte er, „und danke dafür, dass Sie meine Theorie umgeworfen haben.“

„Aber das habe ich doch gar nicht.“ Sie konnte einfach nicht anders, als diesen wunderbaren, seltenen Flirt noch ein wenig zu verlängern, und genau wie in dieser verdammten E-Mail gab sie eine Antwort, die sie nicht zurücknehmen konnte. „Ich bin kein braves Mädchen.“

„So scheint es aber“, antwortete er locker, „schließlich wollen Sie aussteigen.“

Die Schleife um ihre Taille brachte Freya um. Am liebsten hätte sie sie runtergerissen, genau wie das Kleid, und wäre genüsslich darauf herumgetrampelt. Stattdessen stand sie stumm da, während sein Blick langsam über ihren erregten Körper glitt. Beth würde wütend sein, denn ihre Brustspitzen pulsierten und wurden hart. Sie wollte seinen Mund darauf spüren. Oh ja!

Sie konnte sich nicht beschweren, als sein Blick verweilte und verweilte, denn Freya tat dasselbe bei ihm. Ihr Blick wanderte über sein silbergraues T-Shirt, das sich über seiner breiten Brust spannte. Dann glitt ihr Blick über seinen flachen Bauch. Er hatte sein T-Shirt nur zur Hälfte in den Hosenbund gesteckt, und am liebsten wollte sie es ganz herausziehen. Er trug einen schweren Ledergürtel, bei dessen Anblick sie ihre Schenkel fest zusammenpresste. Sie starrte auf die dicke Beule in seiner Jeans. Warum Knöpfe? Frustriert starrte sie auf seinen Schritt, denn sie würde sich die Nägel abbrechen, um sie zu öffnen und an ihn heranzukommen. Was zum Teufel geht hier vor sich? fragte sich Freya. Denn sie wollte vor ihm auf die Knie gehen und genau das tun.

Ein merkwürdiges Gefühl. Sie war im Bett nicht gerade offen und auch nicht die großzügigste Geliebte. Sie hoffte einfach nur, dass ihre Bedürfnisse erfüllt wurden. Doch meist war es so enttäuschend, dass sie sich fragte, warum sie es nicht genießen konnte. Freya kontrollierte alles, was in ihren Mund kam, und was sie gerade anstarrte, gehörte definitiv nicht dazu.

Freya leckte sich die Lippen, nicht absichtlich, aber sehr provokativ, wie es schien, denn die Beule wurde vor ihren Augen noch größer.

Widerwillig löste Freya den Blick, und er schenkte ihr ein anerkennendes Lächeln als Belohnung dafür, dass sie ihn so schnell so hart hatte werden lassen.

„Ich bin beeindruckt“, sagte er.

„Wovon?“, fragte Freya atemlos.

„Es braucht schon großes Talent, um in dem Kleid so anzutörnen.“

Und Freya konnte deutlich sehen, wie erregt er war. „Ich muss gehen.“

„Dann gehen Sie.“

Doch weil sein Fuß noch immer die Tür blockierte, musste Freya entweder über sein Bein steigen oder um ihn herumgehen. Sein Geruch vermischte sich mit ihrer Erregung, und in diesem schrecklichen Moment war Freya absolut überzeugt davon, dass sie es nicht rechtzeitig zur Hochzeit schaffen würde.

Er war purer Sex.

Und plötzlich, zum ersten Mal in ihrem Leben, war sie das auch.

Deshalb ging Freya nicht um ihn herum, sondern schob einen Fuß, der in High Heels steckte, über seine Wade und stieg umständlich über das Hindernis.

Dabei war sie nicht gerade koordiniert, aber er war furchtbar höflich, denn er umfasste ihren Arm und half ihr, als sie strauchelte.

Oh, sie brauchte wirklich Hilfe, denn seine warmen Finger auf ihrer nackten Haut zu spüren, brachte Freya beinahe dazu, sich rittlings auf ihn zu setzen, und sie wusste, dass er das wusste.

„Wollen Sie auf einen Drink mit nach oben kommen?“, fragte er mit dieser tiefen, sexy Stimme. Doch ein Drink war das Letzte, woran sie beide dachten.

„Ich muss zu einer Hochzeit“, krächzte Freya. „Das muss ich wirklich.“

„Dann sollten Sie besser gehen, sonst sind Sie sehr bald extrem unpräsentabel.“

Oh, diese Augen, dachte Freya. Widerstrebend löste sie sich von seinem Blick, aber dann sah sie auf seinen Mund, als er bestätigte, was er bereits erreicht hatte.

„Ich will Ihnen das Kleid vom Körper reißen“, raunte er. „Ich will Sie zerzaust sehen.“

Sie verdiente eine Goldmedaille samt Nationalhymne, denn sie stieg tapfer über sein Bein. Freya wollte schnell gehen, aber ihre Muskeln protestierten, und als sie spürte, wie feucht ihr Slip war, errötete sie heftig – sogar ihre Schultern.

„Hey“, rief er ihr nach. Sie konnte seinen Blick auf ihrem Rücken spüren, und erstaunlicherweise machte es sie nicht krank, sondern brachte Freya dummerweise, gefährlicherweise dazu, sich umzudrehen. „Falls die Hochzeit ein bisschen zu anstrengend wird …“ Er zuckte die Schultern, bevor er ihr locker eine Freikarte in den Himmel gab. „Zimmer 2812.“

2. KAPITEL

„Freya?“, fragte die Veranstaltungskoordinatorin des Hotels nach, als Freya nicht gleich reagierte.

„Ich habe es nur auf mich wirken lassen“, erwiderte Freya, um davon abzulenken, dass sie in Gedanken noch im Aufzug war. Aufmerksam sah sie sich im Festsaal um. „Beth wird sehr zufrieden sein.“

Die Tische waren rot dekoriert, aber statt für Blumen hatte sich Beth für riesige Schleifen als Mittelstücke entschieden. Sogar die Stühle waren damit verziert. Freyas sorgfältig formulierte Antwort sagte der Veranstaltungskoordinatorin, dass sie furchtbare Anweisungen wunderbar umgesetzt hatte.

Sie teilten ein kleines Lächeln, und Freya hätte beinahe laut losgelacht. Ein Teil von ihr wollte der anderen Frau von ihrer kleinen … Begegnung mit dem Mann erzählen, den sie noch vor ein paar Tagen heimlich bewundert hatten. Stattdessen behielt sie es für sich und lächelte geheimnisvoll. Solchen Spaß hatte Freya noch nie gehabt. Dazu war sie zu zurückhaltend und empfindsam.

Dank ihres Abschlusses in Psychologie, der ungenutzt auf ihrem Lebenslauf herumdümpelte, wusste sie, dass sie sehr selbstkritisch war. Und warum sie sich niemandem öffnete.

Freya vertraute ihre Gefühle niemandem an.

Und einer der Gründe dafür kam gerade auf sie zu.

Edward!

„Freya, wir müssen wirklich aufhören, uns so zu treffen.“ Er lächelte anzüglich.

„Nun, da jetzt alle unsere Freunde verheiratet sind, sollte das kein Problem sein“, antwortete Freya frostig.

„Bekomme ich denn keine Einladung zu deiner Hochzeit?“, fragte Edward.

„Bestimmt nicht.“

„Bist du in Begleitung hier?“

Freya wollte diese Unterhaltung nicht unnötig verlängern, darum lächelte sie verkrampft und ging weiter.

Oh, wie sie ihn hasste.

Er war verheiratet und Vater von Zwillingen, aber das hatte ihn nicht davon abgehalten, sie auf der letzten Hochzeit, auf der sie sich über den Weg gelaufen waren, anzumachen. Weil Freya sich um die Zusagen auf die Einladungen gekümmert hatte, wusste sie, dass Cathy, seine Frau, heute Abend nicht dabei war, weil eines ihrer Kinder krank war.

Auf eine weitere Anmache von Edward konnte sie getrost verzichten.

Ich habe schließlich Mr. Zimmer 2812, dachte Freya amüsiert.

Natürlich würde sie sein Angebot nicht annehmen, aber es schmeichelte doch so ungemein, dass es ihr über die Trauung und das anschließende Essen hinweghalf. Das endlose Fünf-Gänge-Menü am Tisch der Brautleute.

Abwechselnd wurden Hühnchen und Rind serviert, und Freya atmete erleichtert auf, als sie das Hühnchen bekam. Das wäre ihre Wahl gewesen.

„Würdest du tauschen?“, fragte da Beths Mutter. „Ich esse kein rotes Fleisch.“

„Natürlich.“ Freya lächelte, um zu zeigen, dass es ihr nichts ausmachte, und sie tauschten die Teller.

Wegen des Essens hatte sie sich schon Sorgen gemacht und wollte darüber mit ihrer Freundin Mila sprechen. Manchmal vertraute sie sich ihr wegen ihrer Essstörung an, denn Mila behandelte sie nicht wie ein rohes Ei. Aber Hochzeiten waren zwischen ihnen ein heikles Thema, seit James ihre Freundin vor dem Altar hatte stehen lassen. Außerdem ging sie Mila im Moment etwas aus dem Weg, denn Freya musste ihrem Bruder erst noch beichten, dass die Bright-Hope-Wohlfahrtsklinik von seiner Exverlobten geleitet wurde. James wusste nicht einmal, dass sie noch immer befreundet waren.

Das Essen zog sich endlos hin, und dann folgten die Reden.

Freya warf dem Kameramann einen finsteren Blick zu, der sich über den Champagner hermachte. Ihr wäre es lieber gewesen, Beth hätte jemand anderen dafür engagiert, aber dafür war laut der Braut das Hochzeitsbudget zu knapp gewesen. Freyas vorsichtiger Vorschlag, dafür auf ein paar Schleifen zu verzichten, war gar nicht gut angekommen.

Autor

Carol Marinelli
<p>Carol Marinelli wurde in England geboren. Gemeinsam mit ihren schottischen Eltern und den beiden Schwestern verbrachte sie viele glückliche Sommermonate in den Highlands. Nach der Schule besuchte Carol einen Sekretärinnenkurs und lernte dabei vor allem eines: Dass sie nie im Leben Sekretärin werden wollte! Also machte sie eine Ausbildung zur...
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