Julia Royal Band 40

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GOLDENES FEUER DER WÜSTE von JANE PORTER

„Ich möchte heiraten.“ Sophie muss sich verhört haben. Niemals kann der Playboy Zayed Fehz diese Worte ausgesprochen haben. Doch das goldene Feuer in seinen Augen erlaubt keine Zweifel: Um den Thron seines Landes zu besteigen, braucht der Scheich wirklich eine Ehefrau – sie!

OASE DER LIEBE von JENNIE LUCAS

Stürmisch wie der Wüstenwind ist die Liebe zwischen Jasmine und Kareef – bis ein verhängnisvoller Unfall ihre gemeinsame Zukunft zerstört. Trennung … Doch in einer geheimnisvollen Nacht sehen sie sich wieder und Jasmin erkennt: Die Liebe zwischen ihr und dem Scheich lebt!

KRÖNUNG DER LIEBE – KRÖNUNG DES GLÜCKS von CAROL MARINELLI

Nie hat Scheich Zakari eine Frau so begehrt wie das Hausmädchen Effie! Sacht will er die unschuldige Schöne verführen. Aber als er sie in seinen Armen hält, entdeckt er ungläubig den Schmuck auf ihrer nackten Haut – einen funkelnden Diamanten, zwei Königreiche wert …


  • Erscheinungstag 31.05.2025
  • Bandnummer 40
  • ISBN / Artikelnummer 9783751534055
  • Seitenanzahl 400
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Jane Porter, Jennie Lucas, Carol Marinelli, {$author4}, {$author5}

JULIA ROYAL BAND 40

Jane Porter

PROLOG

Monte Carlo

Scheich Zayed Fehz, der mittlere der drei mächtigen Fehz-Brüder, musste den Brief zweimal lesen, obwohl der knappe Inhalt unmissverständlich war. Der Brief war auf dem schweren elfenbeinfarbenen Pergamentpapier des Königshauses Fehz geschrieben, aber er kam nicht von Sharif, dem König, sondern von Zayeds jüngerem Bruder Khalid.

Zayeds Hand zitterte.

Ihm stockte der Atem. In seiner Brust explodierte ein glühender Schmerz. Zayed stemmte sich gegen den Schock und atmete tief und langsam aus.

Das konnte nur ein Missverständnis sein, etwas anderes war undenkbar.

Unmöglich.

In diesem Moment spürte Zayed, der vermeintlich Herzlose, zum ersten Mal seit fünfzehn Jahren, dass er ein Herz besaß.

Weil es gerade brach.

Das Flugzeug seines geliebten älteren Bruders Sharif war in der Sahara abgestürzt. Sharif selbst wurde vermisst und war vermutlich tot.

Von Zayed wurde erwartet, dass er umgehend nach Hause kam. Da Sharifs Sohn erst drei Jahre alt war, musste Zayed die Thronfolge antreten. Doch vorher brauchte er eine Ehefrau.

1. KAPITEL

Vancouver, Kanada

„Scheich Zayed Fehz ist hier? Wo hier? In Vancouver?“ Dr. Sophie Tornell nahm die Brille ab und fuhr sich mit zittrigen Fingern über den Nasenrücken.

Dass sie zitterte, konnte nur an ihrer Erschöpfung liegen. Kein Wunder nach einer anstrengenden siebenwöchigen Lesereise.

Natürlich hatte es nichts, aber auch gar nichts mit Scheich Zayed Fehz, dem jüngeren Bruder von König Sharif Fehz, zu tun. Auch wenn er der einzige Mann war, der es je geschafft hatte, sie zu demütigen und zu verletzen.

Jamie, Sophies Assistentin, kam mit besorgt gerunzelter Stirn an den Schreibtisch. „Ja … hier.“

„Was meinen Sie mit hier?“ Sophies normalerweise kühle Stimme bebte leicht.

„Na ja … hier im Hotel.“

„Was?“ Sophie setzte die Brille wieder auf und starrte Jamie entsetzt an. In der Öffentlichkeit trug sie normalerweise Kontaktlinsen, aber im Hotel war ihr die Brille lieber. „Warum?“

„In Portland hatten Sie keine Zeit für ihn und in Seattle auch nicht. Deshalb ist er jetzt hier“, erklärte Jamie und nestelte nervös an ihrer Bluse herum. „Ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass er sich abweisen lässt … es scheint dringend zu sein. Angeblich geht es um Leben und Tod.“

Um Leben und Tod. Genauso schamlos hätte ihr Vater in einer ähnlichen Situation auch übertrieben. Die beiden Männer waren aus demselben Holz geschnitzt, allerdings mit dem feinen Unterschied, dass Sophies Vater nicht mehr lebte.

„Ich kann jetzt nicht …“, stammelte Sophie unglücklich.

„Aber eigentlich ist es im Moment doch ganz günstig …“

Sophie musste deutlicher werden. „Ich will aber nicht.“

„Ähm … kennen Sie ihn eigentlich persönlich?“, fragte die dreiundzwanzigjährige Jamie leicht atemlos.

„Flüchtig“, gab Sophie wortkarg zurück. Die Einzelheiten ihrer schmerzlichen und demütigenden Begegnung vor drei Jahren gingen Jamie nichts an.

„Er sieht ja wirklich umwerfend aus“, schwärmte Jamie mit leuchtenden Augen. Ihre Wangen hatten sich gerötet.

„Möglich“, gab Sophie mit einem Schulterzucken zurück. „Aber das macht noch keinen guten Menschen aus ihm.“

Jamie atmete tief durch. „Er wirkt aber sympathisch … sehr sogar …“

„Wieso? Haben Sie denn mit ihm gesprochen?“

„Na ja … sicher. Er ist doch hier. Draußen im Vorraum.“

„Was? In meiner Suite?“

Die Röte auf Jamies Wangen vertiefte sich noch. „Na ja, ich dachte, dass Sie vielleicht ein paar Minuten für ihn haben. Die Medienberaterin kommt erst in einer halben Stunde.“ Als Jamie Sophies Gesichtsausdruck sah, fügte sie eilig hinzu: „Es scheint wirklich dringend zu sein.“

Sophie fühlte Panik in sich aufsteigen. Zayed hier? Im Vorraum ihrer Suite?

„Habe ich etwas falsch gemacht?“, fragte Jamie ängstlich.

Ja! „Nein, nein.“ Sophie schluckte schwer, als ihr bewusst wurde, dass ihre Hände feucht waren und ihr Herz raste.

Und Jamie war plötzlich den Tränen nahe. Das brauchte Sophie jetzt wirklich nicht. Dabei war Jamie so ein nettes Mädchen, das sich viel Mühe gab und bisher sehr effizient gearbeitet hatte. Sophie konnte es ihr nicht verdenken, dass sie sich von Zayeds Aussehen blenden ließ. Wie auch? Wo Zayed sie, Sophie, doch damals ebenfalls in seinen Bann gezogen hatte.

„Ich dachte einfach … na ja … wenigstens fünf Minuten …“, stammelte Jamie.

Sophie presste ihre Hände gegen die Schreibtischkante, damit sie aufhörten zu zittern. Zeit war nicht das Problem. Das Problem war Zayed Fehz. Sie wollte ihn nicht sehen. Nicht einmal fünf Sekunden. „Wie lange wartet er schon?“, fragte sie schließlich.

„Eine halbe Stunde.“

Sophie zuckte innerlich zusammen, aber sie ließ sich nichts anmerken. „Und warum sagen Sie das erst jetzt?“

„Ich …“ Wieder hob Jamie unsicher eine Schulter. „Ich dachte …“

„Egal. Also gut.“ Sophie drückte das Kreuz durch und schob sich das schulterlange, feine silberblonde Haar hinters Ohr. „Holen Sie ihn rein. Aber nur fünf Minuten.“ Ihre Stimme war wieder fest geworden, sie hob das Kinn. „Sorgen Sie dafür, dass er das versteht.“

Zayed stand im Vorraum der Suite und wartete darauf, von Sophie Tornell, Bestsellerautorin, begehrter Vortragsrednerin auf internationalen Kongressen, Psychotherapeutin und professioneller Heiratsvermittlerin mit erstklassigem Ruf, empfangen zu werden.

Heiratsvermittlerin! Er verzog süffisant den Mund.

Wer hätte gedacht, dass Sharifs schüchterne kleine Stipendiatin jemals Prominentenehen schmieden würde?

Wer wäre je auf die Idee gekommen, dass die staubtrockene unsichere Sophie Tornell etwas von sexueller Anziehungskraft oder romantischen Bindungen verstehen könnte? Ausgerechnet Sophie Tornell, das sprödeste, verklemmteste weibliche Geschöpf, das ihm je untergekommen war? Da nützte es auch nichts, wenn Sharif behauptete, dass sie eben nur sehr auf ihre Arbeit konzentriert sei. Zayed wusste es besser.

Freiwillig wäre er heute bestimmt nicht hier. Aber er hatte keine andere Wahl.

Weil etwas Unvorstellbares passiert war. Eine Maschine des Königshauses Fehz war abgestürzt – mit dem König an Bord.

Von Schmerz überwältigt, schloss Zayed die Augen. Die erste Nachricht hatte ihn vor fünf Tagen erreicht. Er war umgehend nach Sarq geflogen, um mit seinem jüngeren Bruder Khalid die nächsten Schritte zu besprechen.

Sharifs Frau Jesslyn war am Boden zerstört gewesen. Und den vier Kindern fehlte der geliebte Vater.

Die Atmosphäre im Palast war genauso düster gewesen wie erwartet, überall Trauer, Angst, Kummer und Schmerz. Niemand wusste, was passiert war. Das Flugzeug war ohne jede Vorwarnung vom Radar verschwunden und nicht mehr aufgetaucht. Morgen würde seit dem Verschwinden der Maschine eine Woche vergangen sein.

Am vierzehnten Tag musste laut Gesetz ein Nachfolger benannt werden.

Und dafür kam nur Zayed infrage, obwohl es eigentlich eine Unmöglichkeit war. Zayed gehörte nicht nach Sarq, er hatte der Wüste schon lange den Rücken gekehrt. Er sehnte sich nicht nach Sonne, sondern nach Regen und bewohnte keine Paläste, sondern moderne Apartments oder Hotelsuiten.

Aber er konnte sich seiner Verantwortung nicht entziehen. Ich brauche dich, hatte Khalid geflüstert, als sie sich zum Abschied umarmt hatten. Wir brauchen dich. Komm zurück, komm nach Hause.

Khalid hatte Zayed noch nie um etwas gebeten. Niemand von seiner Familie hatte ihn je um irgendetwas gebeten. Für alles war Sharif zuständig gewesen. Sharif war der Älteste, der Fels, auf den alle bauten, das Oberhaupt der Familie.

Und jetzt … jetzt war Sharif nicht mehr da.

Einfach so, völlig unerwartet. Die Welt geriet plötzlich aus den Fugen. Nichts würde je wieder so sein wie zuvor.

Die Tür zum Wohnraum der Suite öffnete sich. Die hübsche, leicht mollige Assistentin kam heraus.

„Dr. Tornell lässt jetzt bitten.“ Ihre runden Wangen waren gerötet. „Aber sie hat leider nur ein paar Minuten für Sie.“

„Kein Problem“, gab er beiläufig zurück. Typisch Sophie Tornell, immer zack, zack!

Er sah sie sofort, als er den Raum betrat. Sie saß mit einer Brille auf der Nase am Schreibtisch und gab vor, an ihrem Laptop zu arbeiten. Das lange blonde Haar hatte sie sich hinters Ohr gestrichen. Die überschlanke, fast dünne Sophie Tornell wirkte sehr intellektuell und sehr steif und kalt wie ein Eiszapfen. Und ungefähr genauso interessant. Aber auf ihrem Gebiet war sie erfolgreich, und genau deshalb brauchte er sie jetzt.

Die Assistentin zog sich zurück.

„Guten Tag, Scheich Fehz“, begrüßte Sophie ihn, nachdem sich die Tür geschlossen hatte. „Ich bin leider etwas in Eile, aber Jamie sagte mir, dass es wichtig ist.“

Natürlich war ihr Tonfall frostig, was sonst. Er presste die Lippen zusammen. Nicht Eiszapfen, Eisberg, korrigierte er sich in Gedanken. Sie konnte einfach nicht anders. „So ist es, Dr. Tornell.“

Mit versteinertem Gesicht lehnte sie sich zurück und faltete die Hände im Schoß. „Und womit kann ich dienen?“

Sophie ärgerte sich, weil ihr Herz viel zu schnell klopfte. Sie mochte ihn nicht. Sie hatte ihn schon damals nicht gemocht. Und der einzige Grund dafür, dass sie sich heute darauf eingelassen hatte, ihn zu empfangen, war Sharif.

„Wann haben wir uns zuletzt gesehen?“, fragte er, während er auf sie zuging. „Vor zwei Jahren?“

„Drei.“ Sophie verspürte einen Stromstoß, als Zayed näher kam. Er war noch attraktiver als in ihrer Erinnerung. Außerdem hatte sie vergessen, was für eine unglaubliche Präsenz er besaß. Und dann war da seine beeindruckende Statur, dieser hochgewachsene, auserlesen und teuer gekleidete Körper. Ihr Vater, einer der größten Filmstars seiner Zeit, hatte eine ganz ähnliche Ausstrahlung gehabt.

Zayed war jedoch weder ein Filmstar noch eine Pop-Ikone. Er war ein Scheich und ein Playboy. Ein Mann, der Milliarden gescheffelt hatte und keine Rücksichten kannte.

Sophie presste die Lippen zusammen, bewegte ganz leicht die Finger.

Sie war immer noch wütend, weil er sie damals verletzt hatte. Sie hätte nie zulassen dürfen, dass ein Mann so viel Macht über sie gewann. Andererseits war aus dieser schmerzlichen und demütigenden Erfahrung ihr zweiter Bestseller hervorgegangen. Das war immerhin etwas.

„So lange?“, erwiderte er. „Mir ist, als sei es erst gestern gewesen.“

„Pippa ist bereits zweifache Mutter.“ Sophie hielt seinem Blick stand, obwohl sich ihr Magen schmerzhaft zusammenzog. Gott, sie verabscheute ihn. Sie verabscheute ihn mit jeder Faser ihres Herzens.

„Zwei schon? Da war sie ja richtig fleißig.“

Und plötzlich war Sophie wieder in Winchester beim Hochzeitsempfang ihrer Klientin Lady Pippa Collins. Zayed war in Vertretung seines älteren Bruders Sharif gekommen, der verhindert gewesen war, und Pippa hatte sie einander vorgestellt.

Wenn Sophie ganz ehrlich war, musste sie zugeben, dass sie beim ersten Blick auf ihn verloren gewesen war. Augen wie dunkles Gold, rabenschwarzes Haar. Ein glattrasiertes energisches Kinn, nicht kantig und trotzdem sehr männlich, markante Nase, hohe Wangenknochen. Ein schöner Mann, atemberaubend. Aber in ihrem tiefsten Innern war sie ihm gegenüber von Anfang an misstrauisch gewesen, obwohl er Sharifs Bruder war. Schönen Männern war grundsätzlich nicht zu trauen.

„Ohne die liebe Sophie wären wir alle heute nicht hier“, hatte Pippa strahlend verkündet und dabei ihren Arm getätschelt. „Sie hat mich nämlich vor einem Jahr mit Henry zusammengebracht.“

„Was für ein glücklicher Zufall“, bemerkte er in dem sarkastischsten Tonfall, der ihr je zu Ohren gekommen war, mit spöttisch glitzernden Augen. Sophie hatte sich versteift, was Pippa jedoch entgangen war. Pippa war einfach zu glücklich gewesen, um irgendwelche Misstöne wahrzunehmen, und hatte den Scheich angestrahlt. „Ja, nicht wahr? Sophie – Dr. Tornell – hat ein echtes Talent. Ich bin ihre hundertste Braut, das muss man sich mal vorstellen!“ Pippa wandte sich an Sophie. „Das ist doch richtig, Sophie?“ Da in diesem Moment Pippas frischgebackener Ehemann seine euphorisierte Gattin zu sich gewinkt hatte, war Sophie mit dem Scheich allein geblieben, was bei ihr einiges Unbehagen ausgelöst hatte.

Doch dann hatte Zayed sie an seinen Tisch gebeten, und wider Erwarten hatten sie den Rest des Abends zusammen verbracht. Sie hatten sich angeregt unterhalten und sogar getanzt, und zum Ausklang hatten sie in der kleinen Hotelbar noch etwas getrunken.

Sophie erinnerte sich an jede Einzelheit dieses Abends. Sogar an das Glas mit Orangenlikör in ihrer Hand. Sie hatte sich in Zayeds Aufmerksamkeit gesonnt, hatte es genossen, dass er ihren Worten – scheinbar – interessiert gelauscht und über ihre schüchternen Scherze gelacht hatte.

Sie war seit einer halben Ewigkeit nicht mehr mit einem Mann aus gewesen, geschweige denn mit einem so atemberaubenden Mann wie Zayed Fehz. Einem Mann, dem es gelungen war, ihr das Gefühl zu vermitteln, schön und begehrenswert zu sein. Woraufhin sie sich prompt Hals über Kopf in ihn verliebt und sich dann auch noch eingebildet hatte, dass er ihre Gefühle erwiderte.

Und so hatte sie seit jenem Abend auf einen Anruf von ihm gewartet.

Der nie gekommen war. Seine wahre Meinung über sie hätte Sophie nie erfahren, wenn Sharif nicht aus Versehen eine E-Mail an sie geschickt hätte, die für Zayed bestimmt und eine Rückantwort auf dessen Mail gewesen war. Sharif bemerkte sein Versehen zwar sofort und beschwor sie, die E-Mail unbesehen zu löschen.

Aber Sophie war viel zu neugierig gewesen, um die Mail nicht zu lesen.

Der Abend mit ihr war sterbenslangweilig. Mein einziger Trost war, dass ich eine gute Tat tue und Dir einen Gefallen, sonst hätte ich ihn kaum überstanden. Das Schlimmste aber ist, dass sie offenbar Gefallen an mir gefunden hat. Dass das nicht auf Gegenseitigkeit beruht, brauche ich wohl nicht extra zu betonen. Auf mich hat sie ungefähr die Wirkung einer ausrangierten Schaufensterpuppe.

„Sie sind also immer noch als Heiratsvermittlerin tätig“, sagte Zayed jetzt, während er sich ihr gegenüber in einen Sessel setzte.

Die Wirkung einer ausrangierten Schaufensterpuppe, dachte Sophie. Ihre Wangen brannten. Sterbenslangweilig. Die Hände in ihrem Schoß zitterten. „Ja“, sagte sie ausdruckslos. Sie hasste dieses Herumstochern in alten Wunden. Zum Glück wusste er wenigstens nichts von der irrtümlich erhaltenen E-Mail. „Und was kann ich für Sie tun, Scheich Fehz?“

„Hören Sie eigentlich nie Ihre Mailbox ab? Ich habe wahrscheinlich ein Dutzend Nachrichten hinterlassen, und Mails habe ich Ihnen ebenfalls geschrieben.“

Sie musterte ihn einen langen Moment. Er trug einen teuren Maßanzug, dazu ein weißes Hemd ohne Krawatte. Sein dunkles Haar war jetzt kürzer, was seine edle Kopfform noch besser zur Geltung brachte. „Ich befinde mich auf Lesereise“, antwortete sie schroff.

„Vielleicht ist Ihre Technologie ja nicht auf dem neuesten Stand.“

Sie kniff leicht die Augen zusammen. „Darf ich erfahren, was Sie zu mir führt?“

„Ich suche eine Ehefrau. Ich möchte heiraten.“

Das konnte nur ein Witz sein. Sophie starrte ihn verblüfft an und wartete auf die Pointe. Sie lachte.

Er verzog keine Miene.

„Und womit kann ich Ihnen wirklich dienen, Scheich Fehz?“

„Damit, dass Sie Ihre Unterlagen rauskramen, dann können wir gleich loslegen. Der Name ist Fehz, F-e-h-z. Vorname Zayed. Soll ich buchstabieren?“

„Nein.“ Sie biss die Zähne zusammen. Und das lag nicht nur an seinem Ton, sondern auch an seiner Stimme. Die immer noch genauso war wie in ihrer Erinnerung. Tief und heiser, fast zärtlich.

Kein Wunder, dass ihm die Frauen zu Füßen lagen.

Kein Wunder, dass sie sich damals in ihn verliebt hatte.

Eine Riesendummheit, wirklich.

„Warum haben Sie es so eilig?“, fragte sie schärfer als angemessen. „Außerdem glaube ich mich zu erinnern, dass Sie nichts von der Ehe halten.“

„Die Zeiten ändern sich.“ Seine Stimme wurde tiefer. „Ich habe keine Wahl, Gesetz ist Gesetz. Der König muss verheiratet sein.“

„Der König?“ Sie musterte ihn irritiert.

„So steht es geschrieben.“

Geschrieben? Wo? Welcher König? In Sarq war Sharif König. Aber vielleicht ging es ja um ein anderes Land oder um irgendeinen Beduinenstamm oder sonst etwas. Sophie wusste, dass ihr die entscheidenden Informationen fehlten, aber sie hatte keine Lust nachzufragen. Je weniger sie von ihm wusste, desto besser. „Wie auch immer, ich bin sicher, dass Sie kein Problem haben, die richtige Frau zu finden“, sagte sie.

„Es eilt aber.“

„Ich verstehe“, sagte sie spöttisch, obwohl sie rein gar nichts verstand. Sie wusste nur, dass sie ihn verabscheute und dass sie ihn so schnell wie möglich loswerden wollte. Für wen hielt er sich? Und was bildete er sich ein, wenn er glaubte, einfach so unangemeldet hier hereinplatzen und sie um Hilfe bitten zu können?

„Dann sind Sie also bereit?“, drängte Zayed.

„Nein. Auf gar keinen Fall“, sagte sie entschieden und fühlte sich kein bisschen schlecht dabei. Genauer gesagt kostete sie ihre Machtposition genüsslich aus. „Um den richtigen Partner, die richtige Partnerin zu finden, benötigt man Zeit. Das ist oberstes Gebot. Man muss sehr sorgfältig und planmäßig vorgehen. Außerdem sind Sie kein geeigneter Kandidat für meine Agentur. Was aber keineswegs heißen soll, dass ich Sie als hoffnungslosen Fall einstufe. Im Gegenteil, ich bin überzeugt, dass Sie sehr bald fündig werden.“

Sein Lächeln blitzte auf – ein Raubtierlächeln. „Ich brauche Sie aber, Dr. Tornell. Sonst könnte ich die Suche nämlich gleich meiner Mutter überlassen. Ich suche eine intelligente, emanzipierte Ehefrau, die mir ebenbürtig ist und zu mir passt, verstehen Sie? Sie verfügen über Erfahrung und die richtigen Beziehungen, deshalb bin ich mir sicher, dass Sie mir helfen können.“

„Das ist ein Irrtum“, widersprach sie fest. „Ich bedauere.“ Obwohl sie gar nichts bedauerte. Sie würde ihm ganz bestimmt keine Frau suchen. Einen Mann wie ihn würde sie keiner Frau der Welt zumuten.

Plötzlich musste sie an ihre Mutter denken, die ein berühmtes englisches Model gewesen war, von der ganzen Welt beneidet und bewundert. Trotzdem war es ihr nicht gelungen, ihren Mann glücklich zu machen.

Es klopfte. Jamie steckte den Kopf herein und deutete auf ihre Armbanduhr. Seine Zeit war um. In fünfzehn Minuten würde die Medienberaterin da sein, und vorher musste Sophie sich noch umziehen. Sie stand auf. „Ich muss Sie jetzt leider bitten zu gehen, Scheich Fehz, mein nächster Termin …“

„Ist es wegen Angela Moss?“

Sophie erstarrte. „Ich weiß nicht …“

„Sie war Ihre Klientin. Vor einem Jahr. Sie erinnern sich? Eine atemberaubende Rothaarige. Sechsundzwanzig. Ehemaliges Model, das jetzt Handtaschen entwirft. Klingelt es da bei Ihnen?“

Natürlich erinnerte sich Sophie an Angela. Eine schlimme Geschichte, in der Scheich Fehz eine mehr als unrühmliche Rolle gespielt hatte. Die arme Angela war völlig verzweifelt gewesen.

Nach zwölf Berufsjahren wusste Sophie, dass Liebe die stärkste Droge war, die ein Mensch sich zumuten konnte. Sie war köstlich und machte süchtig, im ungünstigsten Fall wirkte sie tödlich.

„Ich habe Angela zu Ihnen geschickt“, fügte Zayed ausdruckslos hinzu. „Weil ich sah, dass sie dringend Hilfe brauchte. Ich hatte gehofft, Sie könnten ihr helfen.“

Sophie sank wieder auf ihren Stuhl. „Sie waren das?“ Sie schüttelte ungläubig den Kopf. Das hatte Angela nie erzählt. „Warum?“

Er zog die Augenbrauen zusammen und hob hilflos die Hände. „Weil ich mir Sorgen um sie gemacht habe.“

„Dann haben Sie also doch ein Gewissen.“

„Ich habe sie nicht geliebt, aber ich wollte ihr nie wehtun.“

Sie musterte ihn angewidert. „Vielleicht sollten Sie sich in Zukunft auf leblose Objekte spezialisieren.“

Eine schwarze Augenbraue hob sich. „Zum Beispiel?“

„Marionetten. Roboter. Puppen. Aufblaspuppen.“ Sie lächelte dünn. „Die kann man problemlos fallen lassen.“

In seinen Augen blitzte irgendetwas auf – Überraschung vielleicht – und erlosch gleich wieder.

„Sie sind wütend.“

Als Sophie bemerkte, dass Jamie immer noch an der Tür wartete, bedeutete sie ihr mit einer Geste, dass sie sich noch fünf Minuten gedulden sollte. Danach schaute sie Zayed wieder an. „Ich bin nicht wütend. Ich habe nur kein sonderliches Verlangen nach Ihrer Gesellschaft.“

„Verlangen?“, fragte er gedehnt zurück.

„Schön, dann muss ich wohl deutlicher werden.“ Sie beugte sich vor, wobei sie ihm fest in die Augen schaute. „Ich bin nicht gerade ein Fan von Ihnen, Scheich Fehz, und da ich mich nicht über zu wenig Arbeit beklagen kann, erlaube ich mir, Sie als Klienten abzulehnen. Ich hoffe, Sie nehmen es mir nicht übel.“

„Und warum lehnen Sie mich ab?“

„Das sagte ich bereits …“

„Nein, wirklich, es interessiert mich. Verraten Sie es mir?“

Gott, war er arrogant. „Weil ich zu viel über Sie weiß. So etwas trübt das Urteilsvermögen …“

„Meinen Sie wegen Angela? Weil ich sie nicht geliebt habe?“

„Weil Sie überhaupt nicht lieben können“, platzte sie heraus. Sobald sie ihre eigenen Worte hörte, hätte sie sich am liebsten die Zunge abgebissen. Es stand ihr nicht zu, so etwas zu sagen. Das hatte Angela ihr anvertraut, und es war ausgesprochen unprofessionell, es ihm gegenüber zu erwähnen.

„Tut mir leid“, fügte sie eilig hinzu. „Das war ein Lapsus. Aber jetzt verstehen Sie sicher, warum ich nicht mit Ihnen arbeiten kann. Nachdem Angela bei mir in Therapie war, weiß ich natürlich gewisse Dinge über Sie, woraus sich ein Interessenskonflikt ergeben könnte.“

Er musterte sie ruhig. „Von wessen Interessen sprechen Sie?“

„Von Ihren.“

„Und dürfte ich vielleicht erfahren, wovon Sie reden?“

„Sie wissen genau, was ich meine, Scheich Fehz.“ Ihre Stimme wurde härter. „Sie haben Angela wiederholt versucht klarzumachen, dass Sie nicht die Absicht haben, jemals zu heiraten, und dass Sie auch keine feste Beziehung möchten. Weil Sie nicht fähig sind zu lieben …“

„Es geht hier nicht um Liebe.“ Er schaute sie aus langbewimperten Augen fest an.

Jamie steckte wieder den Kopf durch die Tür. „Tut mir leid, dass ich noch mal störe, aber Ihre Medienberaterin ist eingetroffen, Dr. Tornell. Sie wartet unten in der Lobby.“

Sophie nickte, ohne Zayed aus den Augen zu lassen. Nachdem sich die Tür geschlossen hatte, sagte sie: „Wir müssen Schluss machen.“

„Ich bin nicht taub. Deshalb schlage ich vor, dass wir heute Abend zusammen essen gehen, dann kann ich Ihnen alle erforderlichen Hintergrundinformationen …“

„Nein.“ Sophie konnte sich nicht erinnern, jemals so angespannt gewesen zu sein. „Auf gar keinen Fall.“

„Auf gar keinen Fall?“

„Es wäre einfach nicht richtig. Ich könnte Ihre Interessen nicht angemessen vertreten und …“, sie holte tief Atem, „und ich bin mir auch nicht sicher, ob ich das überhaupt wollte.“

„Ich bitte Sie nicht darum, ein Wunder zu vollbringen, Dr. Tornell. Ich bitte Sie nur, für mich eine geeignete Frau zu finden.“

Sie erhob sich langsam aus ihrem Sessel. „Ein Wunder wäre einfacher.“

Wenn sie gehofft hatte, ihn damit zum Schweigen zu bringen, sah sie sich getäuscht. Er lachte bitter auf. „Und ich dachte, Sie sind ein Profi.“

„Das bin ich auch.“

„Dann machen Sie Ihren Job. Es ist das, was Sie können, und offenbar das Einzige, worin Sie gut sind.“

Seine Unverschämtheit nahm ihr den Atem. „Das war unter der Gürtellinie.“

„Und was tun Sie? Sie urteilen über mich, ohne mich zu kennen. Meinetwegen. Ich brauche Ihre Sympathie nicht, ich will nur Ihre Zeit und Ihre Fähigkeiten. Wenn Sie mir helfen, werden Sie es nicht bereuen, ich zahle gut.“

„Geld interessiert mich nicht. Mir geht es um Werte und Moral, und es verstößt gegen meine Grundsätze, mit Ihnen zu arbeiten. Kein Geld der Welt könnte mich dazu bringen …“

„Ich biete Ihnen fünf Millionen Pfund.“

Sie schnappte nach Luft. Sie musste sich verhört haben. „Fünf Millionen britische Pfund?“, wiederholte sie schließlich fassungslos. Das waren acht Millionen Dollar. Acht Millionen Dollar! „Das ist lachhaft. So viel Geld würde ich weder jemals verlangen noch annehmen. Sie müssen wirklich sehr verzweifelt sein.“

„Sagen wir lieber: entschlossen“, stellte er klar. „Und sicher ist es ein Anreiz für Sie, Ihre Bedenken hintanzustellen, meinen Sie nicht?“

„Ich mache mir nichts aus Geld“, fauchte sie, verzweifelt um Fassung ringend. „Ich tue, was ich für richtig halte, und Geld spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Ich mache es … weil … weil …“ Ihr versagte die Stimme. Die Worte weigerten sich, über ihre Lippen zu kommen. Die Motive für ihre Arbeit waren viel zu persönlich, um darüber mit einem Mann wie Zayed zu sprechen.

„Dann betrachten Sie mein Angebot eben als Spende für das Forschungszentrum, das Sie schon seit ein paar Jahren in Oakland eröffnen wollen. Wenn Sie eine Frau für mich finden, finanziere ich Ihnen die Einrichtung. Wäre das nicht ein faires Angebot? Jeder bekommt, was er will, und allen ist gedient.“

„Das Problem ist, dass ich mir leider überhaupt nicht sicher bin, ob damit wirklich allen gedient wäre. Ihre zukünftige Frau zum Beispiel …“

„Aber Sie geben selbst zu, dass Sie es nicht wissen“, unterbrach er sie fast sanft, während er sich erhob. „Und das können Sie auch nicht, weil Sie mich nicht kennen. Sie glauben vielleicht, mich zu kennen, aber ich wette, dass Sie ein falsches Bild von mir haben.“ Er fixierte sie mit seinem durchdringenden Blick. „Ich finde, Sie sollten zuerst mal Ihre Hausaufgaben machen, bevor Sie irgendwelche voreiligen Schlüsse ziehen.“

Kurz bevor er den Raum verließ, drehte er sich noch einmal um: „Sie haben um sieben eine Lesung bei Firestone Books. Ich bin um neun da und hole Sie ab. Bis dann!“

2. KAPITEL

Als Zayed wie angekündigt um neun bei Firestone Books eintraf, war sie bereits weg. Er erfuhr, dass Dr. Sophie Tornell die Signierstunde eine halbe Stunde früher als geplant beendet hatte.

So war das also. Die eiserne Jungfrau war vor ihm geflohen.

Eine Frau lief vor ihm davon? Nun, das war definitiv neu und gerade in ihrem Fall doch recht überraschend, nachdem sie sich bei Lady Pippas Hochzeit wie eine Klette an ihn gehängt hatte.

Zayed zog das Handy aus seiner Tasche. Nach diesem überstürzten Aufbruch aus der Buchhandlung durfte man getrost vermuten, dass Sophie Tornell nun auch die Stadt schnellstmöglich hinter sich lassen würde. Und zwar nicht, um zurück in die heimatlichen Gefilde San Franciscos zu fliegen, sondern nach Österreich, wo sie an einer Prominentenhochzeit teilnehmen würde, die sie ebenfalls eingefädelt hatte.

Eine Situation, die Zayed für seine Zwecke auszunutzen gedachte. Weil er zu Prinzessin Georginas Hochzeit nämlich auch eingeladen war.

Und nun erkläre ich euch zu Ehemann und Ehefrau.

Die Gäste applaudierten, während der Bräutigam den Schleier der Braut lüftete, um diese zu küssen. Auf Georginas seidenem Brautkleid glitzerten Abertausende von Perlen, die in Handarbeit in den Stoff gestickt worden waren.

Jetzt drehte sich das Paar zu der Hochzeitsgesellschaft um. Sophie beobachtete, wie die strahlende Braut unter den anschwellenden Klängen der Musik am Arm des Bräutigams zum Ausgang schritt. Georgina hatte ihre zweite Hälfte gefunden. Den Mann fürs Leben.

Nach einer schweren Enttäuschung war für Georgina am Ende doch noch alles gut geworden. Baron Ralf van Kliesen war der perfekte Partner für sie – eine starke, unabhängige Persönlichkeit, intelligent und gut aussehend. Vor allem aber ein ungemein freundlicher, geduldiger Mensch, und genau das brauchte Georgina am allermeisten. Einen starken, zärtlichen Mann, der sie aufrichtig liebte. Ein Leben lang.

Ein Leben lang.

Plötzlich wurde Sophie die Brust eng, in ihren Augen brannten Tränen.

Ein Leben lang geliebt werden. Welch ein Glück!

Als Kind hatte Sophie sich beschützt und geliebt gefühlt, doch dann war die Beziehung ihrer Eltern zerbrochen. Von da an war ihr Leben nie wieder so gewesen wie zuvor. Weil ihre Eltern so berühmt waren, war die schmutzige Scheidung in den Massenmedien breitgetreten worden, Paparazzi hatten Telefonate abgehört und anschließend genüsslich in allen Einzelheiten darüber berichtet. Sophies Eltern hatten sich erbittert um das Sorgerecht für ihre Tochter gestritten, doch am Ende hatte Sophie erkennen müssen, dass sich niemand wirklich für sie interessiert hatte. Ihre Eltern hatten nur um sie gekämpft, um zu gewinnen.

In der Liebe aber ging es nicht ums Gewinnen. Sophie war von ihren Eltern als Trophäe benutzt und für die eigenen Zwecke missbraucht worden.

Liebe war verständnisvoll und großzügig. Respektvoll. Wohlwollend. Und genau deshalb liebte Sophie ihren Beruf, der ihr die Möglichkeit bot, Paare auf Basis gemeinsamer Wertvorstellungen und ähnlicher Bedürfnisse zusammenzubringen. Es ging nicht um Äußerlichkeiten, obwohl der erste Eindruck eines Menschen natürlich eine wichtige Rolle spielte. Aber dahinter musste noch mehr sein, etwas wirklich Verbindendes, ein tiefes Verständnis. Liebe.

Als Sophie die Kapelle verließ und die Steinstufen hinunter auf die Straße ging, fühlte sie sich immer noch ziemlich mitgenommen. Draußen war es bereits dunkel geworden, und ein kalter Herbstwind trieb raschelndes Laub vor sich her.

Sophie schlug den Kragen ihres schwarzen Samtcapes hoch, während sie auf eine wartende Limousine mit Chauffeur zuging. Der warme weiche Stoff hatte etwas Tröstliches. Das extravagante schwarze Cape mit der brillantenbesetzten Silberschnalle war ein Erbstück ihrer Mutter. Sophie erinnerte sich an ein gerahmtes Foto aus ihrer Kindheit, das ihre Eltern bei einem Filmfestival auf dem roten Teppich zeigte, ihre strahlende Mutter in dem schwarzen Samtcape.

Das Foto gab es schon lange nicht mehr. Nach der Scheidung hatte ihre Mutter alles vernichtet, was sie an ihre Ehe erinnerte – Briefe, Fotos und sogar sämtliche Kleider aus jener Zeit. Nur das Cape war ihrer Zerstörungswut entkommen. Ihre Mutter hatte es bei einer ihrer Reisen nach England zu Sophies Großmutter vergessen, wo die sechzehnjährige Sophie es zwei Jahre nach dem Tod ihrer Mutter in einem Schrank entdeckt hatte.

Nur kurze Zeit später erreichte die Limousine ihr Ziel. Sophie betrat langsam das Schloss, wo der Empfang stattfinden würde, gab ihr geliebtes Cape an der Garderobe ab und ging dann in Richtung Festsaal. Vor den großen Doppeltüren zögerte sie einen Moment, während ihr klar wurde, dass sie allein war und niemand ihr Beachtung schenken würde. Ihre Eltern hatten mit ihrer Schönheit und ihrem Charme die ganze Welt bezaubert. Sophie bezauberte niemanden. Aber das wollte sie auch gar nicht, weil sie überzeugt war, dass sie nur so in Ruhe leben und die Kontrolle behalten konnte. Und das war das Wichtigste für sie, eine Art Überlebensstrategie.

Mit einer schnellen Handbewegung strich sie den feinen Jerseystoff ihres schlichten schwarzen Abendkleides über den Hüften glatt, dann betrat sie den Festsaal.

Und erstarrte im selben Augenblick.

Das kann nicht sein, schoss es ihr durch den Kopf, während sie instinktiv einen Schritt zurückwich. Dabei hätte sie fast einen Kellner angerempelt, der ein randvolles Tablett mit gefüllten Champagnergläsern balancierte.

Sie stammelte eine Entschuldigung und schaute wieder auf den Mann auf der anderen Seite des Raumes.

Nein, sie irrte sich nicht, das war er. Unverkennbar. Scheich Zayed Fehz. Ein Irrtum war ausgeschlossen. Und jetzt … oh Gott … jetzt schien es gar, als käme er geradewegs auf sie zu.

Sophie trat überstürzt den Rückzug an und floh in den großen eleganten Vorraum der Damentoilette, um zu überlegen, was sie tun sollte.

Was wollte er hier? Die Antwort lag auf der Hand. Er hatte sie um Hilfe gebeten, und sie hatte sich geweigert. Deshalb war er ihr gefolgt. Ziemlich dreist, wirklich.

Sie wagte sich fast zwanzig Minuten nicht aus ihrer Deckung. Erst als ein lauter Tusch die Ankunft des Brautpaars verkündete, wusste sie, dass ihr nichts anderes übrig blieb, als sich der Realität zu stellen. Aber vielleicht hatte das Schicksal ja Erbarmen mit ihr, vielleicht war Zayed verschwunden.

Was natürlich nur ein frommer Wunsch war. Sie hatte die Damentoilette kaum verlassen, da verstellte er ihr auch schon den Weg.

„Oh, was für eine Überraschung! Wie war die Lesung in Vancouver?“, erkundigte er sich zynisch.

Sophie schluckte, ihr Herz begann zu rasen. Sie bekam keinen Ton heraus und wünschte sich ihr Samtcape, um sich darin verkriechen zu können.

„Wie ich gehört habe, war weniger Andrang als erwartet, sodass Sie früher gehen konnten“, behauptete er. „Waren Sie sehr enttäuscht?“

Ihre Augen schleuderten wütende Blitze. „Nein.“

„Dann war Ihr wenig glanzvoller Auftritt also nicht der Grund für Ihre überstürzte Abreise?“

Sophie spürte, dass sie rot wurde, aber sie war machtlos dagegen. „Ich kann es nicht glauben, dass Sie mir bis hierher nachstellen“, brachte sie mühsam heraus.

„Wirklich, Sie tun mir unrecht! Ich habe nämlich ebenfalls eine Einladung. Deshalb finde ich das Wort nachstellen ziemlich unangebracht.“

„Auf jeden Fall legen Sie eine bemerkenswerte Sturheit an den Tag“, konterte sie wütend.

Zayed musste sich ein Grinsen verkneifen. „Sagen wir lieber: Entschlossenheit“, schlug er vor. „Und normalerweise bekomme ich auch, was ich mir in den Kopf gesetzt habe. Deshalb sollten Sie die Sache nicht unnötig verkomplizieren.“

Er sah beeindruckend aus in seinem dunklen Frack, wahrhaft atemberaubend. Ein geheimnisvoller Fremder mit intensiven goldenen Augen.

Nur mit Mühe riss sie den Blick von ihm los und tat so, als würde sie die immer noch hereinströmenden Gäste beobachten. „Wenn hier irgendwer etwas verkompliziert, dann ja wohl Sie, indem Sie sich weigern, ein Nein zu akzeptieren.“

„Ich darf Sie daran erinnern, dass diese Aussage nicht ganz korrekt ist, Dr. Tornell. In Vancouver haben Sie mich nämlich in dem Glauben gelassen, dass es eine Zusammenarbeit zwischen uns geben könnte. Wir waren verabredet, aber Sie haben mich schmählich versetzt.“

Sophie schaute einem Pärchen nach, das eng umschlungen in einem Alkoven verschwand, unübersehbar versessen darauf, sich unbeobachtet berühren zu können. Das war am Anfang immer so – außer bei ihr. Sie hatte noch nie echtes körperliches Verlangen verspürt oder auch nur den Wunsch, einem anderen Menschen nah zu sein.

Sie versuchte sich wieder auf ihr Gegenüber zu konzentrieren. „Weil ich ausgebucht bin. Es wäre meinen Klienten gegenüber einfach nicht fair, noch jemanden anzunehmen. Dazu fehlt mir die Zeit.“

„Und warum haben Sie das nicht gleich gesagt?“

Sophie seufzte verärgert auf. „Hören Sie, ich …“

„Bitte keine Ausreden, Dr. Tornell“, unterbrach er sie. „Ich brauche dringend Ihre Hilfe, wirklich. Soweit ich weiß, wurde noch keine der Ehen geschieden, die Sie vermittelt haben, und das stimmt mich zuversichtlich.“

Sophie lief es kalt den Rücken hinunter. Allein das Wort „geschieden“ löste Beklemmungen in ihr aus. Anwälte. Richter. Gerichtssäle. Hasserfüllte Beschuldigungen. Sieben lange Jahre hatten sich ihre Eltern eine erbitterte Schlacht um Geld geliefert. Ganze sieben Jahre! Und dabei hatten sie alles, was ihnen einst wichtig gewesen war, zerstört, einschließlich ihrer Tochter und sich selbst.

Sophie hatte bis Mitte zwanzig gebraucht, um sich von dem Scheidungskrieg ihrer Eltern einigermaßen zu erholen. Dass ihre Wunden überhaupt verheilt waren, war nur der Freundlichkeit und Großmut von König Sharif Fehz zu verdanken. Er hatte dafür gesorgt, dass sie wieder zur Schule gehen konnte, und später hatte er ihr ein Hochschulstudium ermöglicht. Nur durch ihn arbeitete sie heute in einem Beruf, der ihr Spaß machte. Plötzlich sehnte sich Sophie nach der Stille und Geborgenheit ihres Hotelzimmers. „Ich glaube, ich muss jetzt …“

„Sie wollen doch nicht schon wieder kneifen, Dr. Tornell? Das sollte eine Psychologin aber nicht tun“, bemerkte er mit beißendem Spott. „Oder sind Sie vielleicht gar keine Psychologin? Haben Sie sich Ihren Doktortitel womöglich gekauft?“

„Ganz bestimmt nicht“, schleuderte sie ihm wütend entgegen.

Sein Lächeln erreichte seine Augen nicht. „Dann sollten Sie sich auch so benehmen.“

„Was fällt Ihnen ein!“, fauchte sie, bevor sie sich abrupt umdrehte und hastig davoneilte.

Ihr zitterten die Knie. Sie fühlte sich fast krank – bloßgestellt. Unter anderen Umständen wäre sie jetzt einfach gegangen, aber von hier konnte sie nicht ohne ein Wort verschwinden, jedenfalls nicht sofort.

Zayed versuchte nicht sie aufzuhalten. Er beobachtete, wie die schmale schwarz gekleidete Gestalt in der Menge untertauchte.

Er brauchte sie. Wenn er sich nicht sehr beeilte, würde seine lästige Mutter ihm eine Ehefrau auf dem Präsentierteller servieren, und da die Zeit drängte, würde er sich nicht lange dagegen sträuben können. Deshalb war er auf Sophie Tornell angewiesen.

Sie hatte sich gerade auf ihren Platz an einer der festlich geschmückten Tafeln gesetzt. Zayed überlegte nicht lange und nahm neben ihr Platz.

Sie warf ihm einen eisigen Blick zu und zischte: „Gehen Sie. Lassen Sie mich gefälligst in Ruhe.“

Er zuckte nonchalant lächelnd die Schultern und erwiderte: „Das geht leider nicht, Dr. Tornell. Sie wissen, dass ich Ihre Hilfe brauche.“

Sie wandte den Kopf ab und schaute sich um.

Es war eine illustre Gästeschar, die sich hier eingefunden hatte, königliche Hoheiten, Prinzessinnen und Grafen ebenso wie berühmte Prominenz aus dem Kunst-, Film- und Musikgeschäft. Und natürlich war die Garderobe dementsprechend pompös.

Nur Sophies fast streng wirkendes Abendkleid war von ausgesuchter Schlichtheit. Noch während Zayed es eingehend studierte, stutzte er. Konnte es sein, dass sie es vor drei Jahren bei Pippas Hochzeit auch schon getragen hatte?

„Irgendwie kommt mir Ihr Kleid bekannt vor“, bemerkte er betont beiläufig. „Kann es sein, dass ich es schon einmal an Ihnen gesehen habe?“

Als sie den Kopf wandte, sah er, dass ihr die Röte in die Wangen geschossen war. „Ja, warum? Gefällt es Ihnen nicht?“

Zayed beglückwünschte sich zu seinem guten Gedächtnis. Mit Genugtuung beobachtete er, wie Empörung und Abscheu über ihr Gesicht huschten. Jetzt sah sie sogar fast hübsch aus mit den blitzenden Augen, den geröteten Wangen und den bebenden Lippen. „Nun, ich könnte mir für Sie durchaus etwas Schmeichelhafteres vorstellen“, erwiderte er.

Sie presste die Lippen zusammen und maß ihn mit Blicken. „Schwarz steht jedem.“

„Nicht wenn man darin aussieht wie ein Gespenst. Rosa würde Sie bestimmt besser kleiden.“

Ihre Augen wurden dunkel vor Wut. „Ich wiederhole mich nur ungern, aber offenbar geht es nicht anders. Lassen Sie mich in Frieden!“

„Ich kann nicht.“

„Können oder wollen Sie nicht?“

Sophie stockte der Atem, als seine Schulter ihre streifte. „Beides.“

Sein Gesicht war so nah, dass sie die feinen Fältchen in seinen Augenwinkeln erkennen konnte. Sein Oberschenkel berührte ihren. Sobald ihr das bewusst wurde, durchzuckte es sie heiß. Entschlossen rutschte sie ein Stück von ihm ab.

„Ich bin einfach nicht bereit dazu.“ Ihr Herz raste, und ihr Körper fühlte sich gefährlich übersensibilisiert an.

„Vielleicht ändern Sie ja Ihre Meinung, wenn ich Ihnen sage, dass Sie es nicht für mich tun. Es geht nämlich gar nicht um mich, sondern um meinen Bruder. Um unser Land. In Ihrer Hand liegt das Wohlergehen eines ganzen Volkes.“

Jetzt war sein Kopf nur noch wenige Zentimeter von ihrem entfernt. Sein Arm ruhte auf ihrer Stuhllehne, die Finger bedenklich nah an ihrer Haut. „Vielleicht denken Sie doch noch einmal darüber nach. Es ist wirklich sehr wichtig.“

Sie versteifte sich abwehrend, atmete zur Beruhigung tief durch. Das hatte den peinlichen Nebeneffekt, dass sie seinen schwach würzigen Duft in sich aufnahm. Und sie war sich nicht sicher, ob es dieser Duft war oder seine Körperwärme, die ihre Sinne überfluteten und ihre Nerven drangsalierten.

Sie meinte fast zu ertrinken. Und das war nur seine Schuld. Er überwältigte sie, bedrohte ihre Sicherheit. Das durfte sie nicht zulassen. Aus irgendeinem Grund schien es ihr plötzlich, als ob ihr Überleben auf dem Spiel stände.

Das durfte sie nicht auf die leichte Schulter nehmen.

Schon bei Pippas Hochzeit hatte sie geahnt, dass er ihr gefährlich werden könnte, aber sie hatte trotzdem mit ihm getanzt und bis spät in die Nacht hinein mit ihm geplaudert. Sie hatte sich überwältigt gefühlt, gleichzeitig aber war es wundervoll gewesen, so von einem anderen Menschen erfüllt zu sein. Inzwischen war sie längst klüger, und natürlich wusste sie, dass er alle Register ziehen würde, um seinen Willen durchzusetzen. Das war seine Art. Für die sie ihn verabscheute.

„Gehen Sie“, sagte sie erstickt und sprang auf. „Ich bitte Sie sehr, Scheich Fehz, lassen Sie mich in Frieden.“ Jetzt war sie so aufgeregt, dass sie am ganzen Leib zitterte. Sie wusste, dass sie knapp davor war, die Fassung zu verlieren, und das war nur seine Schuld. Plötzlich war sie wieder das kleine Mädchen, das seine Welt von allen Seiten bedroht sah.

Ihr Blick irrte durch den Festsaal. Wie kam sie am schnellsten auf den Flur und zur Garderobe?

Zayed, der ihre Gedanken erriet, versuchte sie aufzuhalten, indem er seine Hand über ihre legte. „Beruhigen Sie sich, Dr. Tornell.“

„Ich kann nicht! Sie erlauben es mir ja nicht. Ich habe Sie gebeten, mich in Ruhe zu lassen!“

„Ich will Ihnen wirklich nicht zu nahe treten, Dr. Tornell. Aber ich brauche Sie. Ich brauche …“

Den Rest hörte Sophie nicht mehr, weil sie sich in einer Umarmung schier erdrückt fühlte. „Sophie, Sie böses Mädchen, wo stecken Sie denn? Ich halte schon die ganze Zeit Ausschau nach Ihnen!“ Sophie hörte Georginas atemlose Stimme wie durch einen Nebel.

Dankbar erwiderte sie die Umarmung. Georgina. Die Hochzeit. Wien. Alles war in Ordnung. Alles würde gut werden.

„Sie sehen wunderschön aus“, sagte Sophie, während sie Georgina herzlich umarmte. „Ich habe nie eine glücklichere Braut gesehen.“

„Und dieses Glück habe ich Ihnen zu verdanken“, gab Georgina zurück. „Sie haben meinen Traumprinzen gefunden, obwohl Sie gesagt haben, dass es keine Traumprinzen gibt.“

Georgina trat einen Schritt beiseite, damit Ralf Sophie begrüßen konnte. „Ich werde Ihnen mein Leben lang dankbar sein, Dr. Tornell“, sagte er, während er ihr die Hand reichte.

Gleich darauf wandten sich Georgina und Ralf zu Zayed um und bedankten sich für sein Kommen.

„Es ist mir ein Vergnügen“, sagte Zayed. „Und auch von meiner Familie soll ich Ihnen die allerbesten Glückwünsche ausrichten.“

„Oh, vielen Dank.“ Ralfs Gesicht verdüsterte sich. „Aber viel wichtiger ist doch, gibt es Neuigkeiten von Sharif? Wir haben es eben erst in den Nachrichten gehört.“

„Ach ja?“, wunderte sich Zayed. „Ich hätte nicht gedacht, dass es hier überhaupt eine Meldung wert ist.“

Ralf und Georgina wechselten einen kurzen Blick. „Und das Flugzeug ist wirklich spurlos vom Radar verschwunden?“

Zayed nickte.

„Und Jesslyn?“, erkundigte sich Georgina besorgt. „Ist sie … war sie …“

„Sie war nicht bei ihm, nein. Und die Kinder zum Glück auch nicht.“

„Ich kann es immer noch nicht fassen“, sagte Ralf und berührte Zayed an der Schulter. „Wir können leider nichts tun, aber wir werden für Sie beten. Am wichtigsten ist, dass Sie nicht die Hoffnung verlieren. Und wenn wir irgendwie helfen können, scheuen Sie sich nicht, sich an uns zu wenden.“

Nachdem das Brautpaar weitergegangen war, starrte Sophie Zayed erschrocken an. „Ich wollte mich nicht einmischen, aber was hat das zu bedeuten? Was ist mit Sharif?“

„Ich sagte bereits …“

„Mir haben Sie gar nichts gesagt.“

„Sharifs Flugzeug ist wahrscheinlich in der Wüste abgestürzt. Er wird seit zehn Tagen vermisst. Aber ich habe Ihnen doch …“

„Nein, Sie haben es mir nicht erzählt, ganz bestimmt nicht.“ Ihre Stimme brach. In ihren Augen standen Tränen. „Und ich hatte es noch nicht gehört. Mein Gott, Sharif! Ich verdanke ihm so viel, so unendlich viel.“

3. KAPITEL

Die neue Situation veränderte alles.

Sophie und Zayed hatten sich für den nächsten Morgen um neun in der Hotellobby verabredet. Um noch einmal ganz von vorn anzufangen.

Zumindest hatte Sophie es vor sich so begründet. Trotzdem verbrachte sie eine schlaflose Nacht.

Sie verehrte Sharif. Zayed aber fürchtete sie.

Trotzdem hatte sie versprochen, ihm zu helfen – Sharif zuliebe.

Ohne Sharif und das Fehz-Stipendium hätte sie niemals in Cambridge studieren können. Sharif war an der Universität sechs Jahre lang ihr Mentor gewesen, und sie verehrte ihn wegen seiner Großzügigkeit und Menschenliebe.

Sharif war für sie wie der große Bruder gewesen, den sie nie gehabt hatte.

Und jetzt wurde er vermisst. Das Königreich Sarq hatte seinen König verloren.

Natürlich würde sie Zayed helfen. Wie könnte sie nicht? Aber sie würde die Zeit, die sie mit ihm verbrachte, strikt begrenzen und extrem auf der Hut sein. Es gab keinen Grund, warum sie nicht per Handy, E-Mail oder Fax kommunizieren sollten. Sie würde sich morgens mit ihm hinsetzen, Notizen machen und den Rest aus sicherer Distanz erledigen.

Das Wichtigste war, dass Zayed so schnell wie möglich die Führung in Sarq übernehmen konnte, bis sein Bruder gefunden war.

Weil Sharif gefunden werden würde. Er würde zurückkehren – lebend. Er musste zurückkehren, eine andere Möglichkeit gab es nicht. Weder für seine Frau Jesslyn noch für seine vier Kinder oder sein Land. Sharif wurde geliebt und gebraucht.

Was man von Zayed nicht unbedingt sagen konnte. Sharif hatte fast nie über seinen Bruder gesprochen, aber seinen wenigen Andeutungen hatte Sophie geglaubt entnehmen zu können, dass der mittlere Bruder das schwarze Schaf der Familie war.

Am nächsten Morgen durchquerte Zayed die luxuriöse Hotellobby und schaute sich suchend nach Sophie um.

Und da war sie auch schon. Sie saß, bekleidet mit einem mausgrauen Kostüm, an einem niedrigen Tisch auf der anderen Seite des Foyers.

Heute Morgen hatte sie sich das blonde Haar straff aus dem Gesicht gebürstet und im Nacken zu einem strengen Knoten geschlungen. Sie saß zusammengesunken vor ihrem Laptop, mit übereinandergeschlagenen Beinen. Auffallend schönen Beinen, wie er zu seiner Überraschung feststellen musste. Gar nicht enden wollenden, atemberaubenden Beinen …

Um den Anblick noch etwas länger genießen zu können, verlangsamte Zayed seine Schritte. Sie trug flache Schuhe, der Rock reichte züchtig bis zum Knie, und durch die hellen Strümpfe schimmerte helle Haut.

Jetzt hob sie den Kopf und schaute ihm entgegen.

Er atmete aus.

Da war sie wieder, die steife, bis obenhin zugeknöpfte Dr. Tornell. Der Fairness halber musste er allerdings zugeben, dass sie nicht hässlich war, aber schön war sie auch nicht. Nicht einmal hübsch konnte man sie nennen. Heute Morgen trug sie eine schwere Schildpattbrille auf der zierlichen geraden Nase, mit der sie noch blasser wirkte. Ihre Lippen waren zusammengepresst, das Kinn war energisch.

Sophie blickte kurz auf, als Zayed ihr gegenüber in einem Sessel Platz nahm. „So weit alles in Ordnung?“, fragte sie.

„Es gibt noch keine Neuigkeiten, falls Sie das meinen“, antwortete er.

Sie nickte. Natürlich, genau das hatte sie gemeint.

Zufriedengestellt öffnete Zayed seinen Aktenkoffer und entnahm einen Stapel Unterlagen, den er ihr hinschob. „Mein Profil habe ich bereits ausgefüllt.“

Sie schaute auf das Paket vor sich. Das waren ihre eigenen vertraulichen Klientenformulare. „Das sind ja meine Formblätter“, sagte sie in einem Ton vorwurfsvollen Erstaunens.

„So ist es.“

„Aber woher haben Sie die?“

Zayed, der meinte, ihre Gedanken lesen zu können, schüttelte nachdrücklich den Kopf. „Nein, nein. Verdächtigen Sie jetzt bitte nicht Ihre Assistentin. Die war es nämlich nicht.“

Sophie hob tadelnd die Augenbrauen. „Versuchen Sie nicht, Jamie zu decken …“

„Also schön, wenn Sie es unbedingt wissen müssen: Es war Pippa. Sie war so freundlich, mir von ihren eigenen Unterlagen Kopien zu schicken.“ Bevor Sophie etwas sagen konnte, fuhr er auch schon fort: „Hier ist der Persönlichkeitstest von Myers-Briggs. Ich habe ihn ausgefüllt, obwohl ich das Ergebnis bereits kenne.“

„Sie haben mir ja kaum noch Arbeit übrig gelassen“, protestierte sie matt.

„Das sehe ich anders, das Wichtigste kommt nämlich erst noch. Sie müssen die richtige Frau für mich finden. Darum geht es bei diesem ganzen Papierkram doch nur, oder? Um die richtige Partnerwahl.“

Die richtige Partnerwahl. Das waren ihre eigenen Worte, aber aus seinem Mund klang es so unendlich nüchtern, so abstoßend geschäftsmäßig. Sie schaute ihn an. Als ihre Blicke sich begegneten, machte ihr Herz einen verrückten Satz. Das brachte Sophie völlig aus dem Gleichgewicht.

Sie bekam Herzklopfen.

So etwas war ihr seit Jahren nicht mehr passiert. Zuletzt war ihr das … nun, genau genommen war es ihr bei Lady Pippas Hochzeit zum letzten Mal passiert, als sie sich Knall auf Fall in Zayed verliebt hatte.

Während er sie sterbenslangweilig und lächerlich gefunden hatte.

Das darfst du nicht noch einmal mit dir machen lassen, ermahnte sie sich selbst. Das sind nur deine Hormone, die da verrücktspielen, du findest ihn ja nicht einmal sympathisch. Mehr noch, du verabscheust ihn. Wahrscheinlich reagierst du bloß so, weil er dir Angst macht.

Und das stimmte. Immer wenn sie in seiner Nähe war, fühlte sie sich wie auf einem sinkenden Schiff. Oder wie in einem Flugzeug, das in heftige Turbulenzen geraten war.

Zayeds Hand lag plötzlich an ihrem Ellbogen. „Alles okay?“, fragte er. „Sie sind plötzlich ganz blass geworden.“

„So bin ich immer.“ Sie befreite sich aus seinem Griff. „Keine Sorge, mir geht es gut. Aber könnten wir jetzt nicht endlich zur Sache kommen? Es wird langsam Zeit.“

In der nächsten Stunde unterzog Sophie Zayed einem eingehenden Verhör, und er antwortete geduldig. Am Anfang der zweiten Stunde klingelte sein Handy. Frühere Anrufe hatte er ignoriert, aber diesmal meldete er sich.

Er sagte nur ein paar Worte, dann hörte er zu. Sophie lehnte sich zurück und beobachtete ihn.

Er war bleich geworden. Als er auflegte, wirkten seine Augen wie erloschen.

„Sie haben das Wrack gefunden“, verkündete er tonlos, während er das Handy wieder in seine Tasche gleiten ließ. „Zumindest geht man davon aus, dass es Sharifs Flugzeug ist. Es ist völlig ausgebrannt, deshalb ist eine eindeutige Identifizierung nicht möglich, aber man hat den Flugschreiber gefunden. Wir werden bald mehr erfahren.“

Sophie brachte kein Wort hera...

Autor

Jennie Lucas
<p>Jennie Lucas wuchs umringt von Büchern auf! Ihre Eltern betrieben einen kleinen Buchladen und so war es nicht weiter verwunderlich, dass auch Jennie bald deren Leidenschaft zum Lesen teilte. Am liebsten studierte sie Reiseführer und träumte davon, ferne Länder zu erkunden: Mit 17 buchte sie ihre erste Europarundreise, beendete die...
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Carol Marinelli
<p>Carol Marinelli wurde in England geboren. Gemeinsam mit ihren schottischen Eltern und den beiden Schwestern verbrachte sie viele glückliche Sommermonate in den Highlands. Nach der Schule besuchte Carol einen Sekretärinnenkurs und lernte dabei vor allem eines: Dass sie nie im Leben Sekretärin werden wollte! Also machte sie eine Ausbildung zur...
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