Einmal Playboy, immer Playboy?

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Zwei Wochen zusammen mit ihrem Ex in seiner Strandvilla! Bereits bei dem Gedanken an den attraktiven Playboy Yiannis Savas schlägt Cats Herz ungewollt höher. Doch sie hat keine Wahl, sie muss vorübergehend bei ihm wohnen, um sich um ihren Neffen kümmern zu können. Immerhin ist sie mittlerweile klüger und weiß, dass Yiannis seine Freiheit über alles liebt, während sie von Heiraten und Familie träumt. Und deshalb wird sie ihm diesmal widerstehen! Aber als sie ihm schließlich gegenübersteht, genügt ein Blick. Schon vergeht sie vor Sehnsucht nach seinen zärtlichen Küssen …


  • Erscheinungstag 30.08.2023
  • ISBN / Artikelnummer 9783745753530
  • Seitenanzahl 121
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Yiannis?“

Jemand rief ihn aus weiter Ferne. Ach nein, er hielt nur den Hörer verkehrt herum. Schlaftrunken drehte Yiannis sich auf den Rücken und hielt sich das richtige Ende des Telefons ans Ohr.

„Yiannis? Bist du da?“

Schon besser. Aber wer wollte um diese Zeit etwas von ihm? Er hatte sich gerade erst ins Bett gelegt.

„Ja“, meldete er sich heiser.

„Ach je, ich habe dich geweckt! Das hatte ich schon befürchtet.“

Jetzt erkannte er die zerknirscht klingende Stimme. Sie gehörte Maggie, seiner ehemaligen Vermieterin, die ihm vor knapp drei Jahren ihr Strandhaus verkauft hatte und seitdem als seine Mieterin in dem Apartment über der Garage wohnte. Sie bat ihn nur ungern um einen Gefallen. Maggie war der eigenständigste Mensch, den er kannte. Es musste sich also um einen Notfall handeln, wenn sie ihn um diese Zeit anrief. Wie spät war es eigentlich? Was wollte sie? Waren beim Sturm Ziegel vom Dach geweht?

„Was ist passiert, Maggie?“ Die Zeitumstellung machte ihm mächtig zu schaffen. Vor dreißig Stunden war er noch in Malaysia gewesen. Ihm dröhnte der Schädel. Das lag wohl am Schlafmangel. Yiannis kniff die Augen zu und öffnete sie dann wieder.

Durch die halb geöffneten Jalousien fiel gedämpftes Licht ins Zimmer. Draußen schien es diesig zu sein. Erst im Laufe des Tages vertrieb die Hitze den Nebel an der kalifornischen Küste. Er warf einen schlaftrunkenen Blick auf den Wecker. Noch nicht einmal sieben Uhr!

„Gar nichts ist passiert. In der Wohnung ist alles in Ordnung“, antwortete Maggie zögernd. „Ich möchte dich um einen Gefallen bitten“, fügte sie widerstrebend hinzu.

Yiannis richtete sich auf. „Jederzeit.“

Als er ein Angebot für ihr Haus auf Balboa machte, hatte der Makler damals nervös erklärt: „Die Eigentümerin verkauft nur, wenn sie die Wohnung über der Garage mieten und dort wohnen kann.“

Gar keine schlechte Idee, hatte Yiannis gedacht, denn mit einer fünfundachtzigjährigen Mieterin hätte er sicher weit weniger Scherereien als mit anderen Leuten, die nur nach Südkalifornien kamen, um zu feiern.

„Ich würde einen Mietvertrag über sechs Monate empfehlen“, hatte der Makler geraten.

Aber Yiannis hatte sogar angeboten, dass Maggie im Haus bleiben und er in die Wohnung ziehen könnte. Er war mehr an dem Grundstück interessiert als daran, wo er darauf wohnte. Maggie hatte den Vorschlag mit der Begründung abgelehnt, dass sie sich verkleinern wolle. Außerdem sei es gut für ihre Mobilität, Treppen zu steigen.

Also war er ins Haus gezogen und Maggie in die Wohnung über der Garage. Mit dieser Lösung konnten sie beide gut leben. Yiannis im- und exportierte Edelhölzer für handgefertigte Möbel und flog ständig in der Welt umher, wohingegen Maggie auf Balboa blieb und während seiner Abwesenheit nach dem Rechten sah. Er schickte ihr Postkarten aus aller Welt und brachte bei seiner Rückkehr jedes Mal originelle Geschirrtücher mit. Sie verwöhnte ihn mit selbst gebackenen Keksen und kochte gelegentlich für ihn.

Maggie war die ideale Mieterin. Sie konnte so lange bleiben, wie sie wollte. Zumal dadurch auch die Anzahl seiner Gästezimmer auf ein Minimum beschränkt war. Ein großer Vorteil, wenn man nicht ständig von Mitgliedern der riesigen Familie Savas heimgesucht werden wollte.

Er liebte seine Familie heiß und innig – aus der Entfernung. Es war ihm also sehr recht, dass sie auf einem anderen Kontinent lebte.

Unmittelbar vor seiner Abreise nach Südostasien vor zwei Wochen hatte seine Cousine Anastasia sich bei ihm gemeldet und gefragt, ob sie und ihre Drillingsschwestern die Osterferien bei ihm verbringen könnten. Glücklicherweise hatte er ja keinen Platz. Diese wilde Truppe hatte ihm gerade noch gefehlt. Yiannis lächelte stillvergnügt vor sich hin, als er an das Gespräch dachte.

Jetzt streckte er sich und schwang die Beine aus dem Bett. „Du weißt, dass du alles von mir haben kannst, Maggie. Insbesondere Geschirrtücher. Ich habe dir ein halbes Dutzend mitgebracht.“

„Meine Güte!“ Sie lachte. „Du verwöhnst mich.“

„Wen, wenn nicht dich.“ Yiannis warf einen flüchtigen Blick aus dem Fenster. Das Dach schien unbeschädigt zu sein. „Was kann ich für dich tun?“ Er war nur zu gern bereit, eine Glühbirne auszuwechseln, ein Scharnier zu reparieren oder Maggie die Einkäufe hinaufzutragen. Doch darum würde es um sieben Uhr am Morgen wohl kaum gehen.

„Ich bin vorhin über den blöden Teppich gestolpert und hingefallen“, erklärte sie zerknirscht. „Ich wollte fragen, ob du mich vielleicht ins Krankenhaus fahren könntest.“

„Ins Krankenhaus?“ Es schien ihm, als hätte man ihm einen Schlag versetzt. „Ist es so schlimm?“

„Ach wo. Ich habe nur Probleme mit der Hüfte“, erklärte sie schnell, um ihn zu beruhigen. „Aber als ich vorhin im Krankenhaus angerufen habe, hat man mir geraten, mich röntgen zu lassen.“

„Ich bin sofort bei dir.“ Hastig zog er sein altes Sweatshirt der Universität Yale und eine Jeans an und schlüpfte in seine abgetragenen Segeltuchschuhe. Eine Minute später lief er bereits die Treppe zu Maggies Apartment hoch und öffnete die Tür.

Maggie saß auf dem Sofa und blickte frustriert vor sich hin. Das weiße Haar trug sie hochgesteckt. „Entschuldige, dass ich dich bemühen muss.“

„Kein Problem. Kannst du gehen?“ Er hockte sich neben sie.

„Ich erwarte nicht, dass du mich trägst.“ Sie stand auf – sichtlich unter Schmerzen.

„Ich tue es trotzdem.“ Maggie konnte kaum mehr wiegen als das Fischernetz, das eine Wand zierte.

„Unsinn, Yiannis!“ Vorsichtig versuchte sie, einen Schritt zu gehen, stöhnte vor Schmerz und wäre gefallen, wenn Yiannis sie nicht aufgefangen hätte.

„Wahrscheinlich wäre es besser, einen Krankenwagen zu rufen.“ Stattdessen hob er sie hoch und trug sie die Treppe hinunter zur Garage, wo sein Porsche und ihr Ford Seite an Seite geparkt waren. Unsicher betrachtete er die Autos.

Maggie seufzte ergeben. „Wir sollten meinen Wagen nehmen.“

Yiannis lächelte. „Du möchtest wohl nicht in meinem Angeberporsche vorfahren, oder?“

„Doch, sehr gern sogar. Aber im Porsche ist kein Platz für einen Kindersitz.“

Vor Verblüffung hätte er sie fast fallen lassen. „Wofür?“, fragte er ungläubig.

„Wir brauchen einen Kindersitz. Harry ist bei mir.“

„Harry?“ Wer, zum Kuckuck, war Harry?

„Mistys Baby“, erklärte sie. „Erinnerst du dich? Du hast ihn doch mal gesehen.“

Er erinnerte sich an Misty. Sie war die Enkelin von Walter, Maggies verstorbenem zweiten Ehemann, und streng genommen nicht mit ihr verwandt. Doch für Maggie gehörte Misty zur Familie.

Misty mit dem unehelichen Kind, wie Yiannis jetzt einfiel. Sie war eine sportliche, langhaarige Blondine mit blauen Augen – sonnengebräunt vom Surfen. Hübsch anzuschauen, aber verantwortungslos und kindisch. Sie war jetzt etwa zwanzig Jahre alt und musste stets im Mittelpunkt stehen. Er war entsetzt gewesen, als er hörte, dass sie Mutter geworden war.

„Ich frage mich gerade, wer da wen erzieht“, überlegte er.

Maggie verdrehte die Augen. „Vielleicht wird sie jetzt endlich erwachsen.“

Das konnte er sich kaum vorstellen.

Wie alt mochte der Kleine inzwischen sein? Yiannis erinnerte sich, wie Misty vor einigen Monaten mit dem Baby im Wickeltuch zu Besuch gekommen war.

„Was tut Harry hier?“, erkundigte er sich erstaunt.

„Er schläft im Gästezimmer. Du kannst ihn ruhig wecken. Er macht keinen Aufstand. Jedenfalls keinen großen“, fügte sie hinzu und warf ihm einen beschwichtigenden Blick zu. Besonders überzeugend wirkte der allerdings nicht gerade.

„Sehr beruhigend“, antwortete er trocken und trug Maggie zur Beifahrerseite ihres Wagens. „Und wo steckt Misty? Oder ist das eine indiskrete Frage?“

Er bemühte sich, ihr möglichst wenig Schmerzen zuzufügen, als er sie vorsichtig hineinsetzte.

Trotzdem musste sie die Zähne zusammenbeißen. „Sie will mit Devin reden.“

Das war der Vater des Kindes. Yiannis hatte ihn zwar nie kennengelernt, hielt aber nicht viel von dessen Beuteschema. Eigentlich wusste er nur, dass Devin beim Militär war.

„So halte ich es eine Weile aus“, erklärte Maggie tapfer.

Allerdings war sie blass um die Nase, wie Yiannis besorgt feststellte. „Werd’ mir jetzt ja nicht ohnmächtig!“

„Versprochen.“ Maggie rang sich ein Lächeln ab. „Holst du jetzt bitte Harry? Meine Autoschlüssel befinden sich übrigens in der Küche in der Schale auf dem Bücherbord.“

Er sprintete die Treppe hinauf, fand den Schlüssel und eilte ins Gästezimmer, wo Harry friedlich in einem Reisebettchen schlief. Immerhin hat Misty sich um einen Kindersitz und ein Reisebett gekümmert, statt den Kleinen einfach ohne Vorkehrungen bei Maggie zu parken, dachte Yiannis. Vielleicht wurde sie doch langsam erwachsen.

Das Baby schlug die Augen auf und sah sich um, als Yiannis sich ihm näherte.

„Hallo, Harry, alter Kumpel“, sagte er fröhlich, während er sich über das Bett beugte.

Harry richtete sich auf und blickte ihn an. Verängstigt verzog sich sein kleines Gesicht, sobald er den Unbekannten entdeckte.

O nein, nur keine Tränen!

„Das lässt du schön bleiben!“ Blitzschnell hob Yiannis ihn hoch. Harry wusste kaum, wie ihm geschah, und vergaß zu weinen. Erstaunt betrachtete er ihn. „Wir gehen jetzt zu deiner Grandma.“ Yiannis setzte ihn sich auf die Hüfte und lief die Treppe hinunter.

Harry gab keinen Laut von sich, bis er Maggie sah. Er streckte ihr sofort die Ärmchen entgegen.

„Ach, Schätzchen, ich kann dich nicht auf den Arm nehmen.“ Maggie wirkte genauso verzweifelt wie der kleine Kerl. „Du kannst aber schnell Windeln wechseln“, sagte sie dann zu Yiannis.

„Was?“ Er hatte die Tür hinten rechts geöffnet und überlegte gerade, wie er Harry am besten in den Sitz bugsieren sollte.

„Er ist gerade aufgewacht und sicher nass.“

Das vermutete Yiannis auch. „Du musst aber ins Krankenhaus.“

„Ich kann warten.“ Aufmunternd lächelte sie ihm zu.

Er wusste, wann er verloren hatte. Frustriert richtete er sich wieder auf und musterte Maggie. Sie hatte die Hände im Schoß gefaltet.

„Dir macht das wohl auch noch Spaß“, sagte er vorwurfsvoll.

Sie schniefte. „Ich finde es nicht lustig, dass mir die Hüfte wehtut.“

Verlegen verzog er das Gesicht. „Aber die Situation findest du schon komisch“, hielt er ihr vor, um das letzte Wort zu haben.

Jetzt lächelte sie. „Schon möglich.“

„Hältst du mich etwa für unfähig, eine Windel zu wechseln?“, erkundigte er sich misstrauisch.

„Nein, ich weiß ja, dass du alles kannst“, beschied sie ihm betont unbekümmert.

Allerdings! Und das würde er ihr auch gleich beweisen! „Wir sind in einer Minute zurück. Komm, Harry!“

Es war ja nun wirklich nicht so, als hätte er noch nie eine Windel gewechselt. Er entstammte einer großen Familie. Zwar war er das zweitjüngste Kind seiner Eltern, aber das entband ihn noch lange nicht von seinen Pflichten als Babysitter. Bei ihm zu Hause wurden ständig Cousinen, Nichten und Neffen abgeliefert, auf die er aufpassen musste.

Im Handumdrehen entsorgte er die nasse Windel und legte Harry eine frische an. Wenn man einmal wusste, wie es ging, verlernte man es nicht mehr – wie Radfahren. Glücklicherweise zeigte Harry sich auch durchaus entgegenkommend. Nur zweimal versuchte er zu entwischen. Doch da hatte er die Rechnung ohne Yiannis mit dem schnellen Reaktionsvermögen gemacht!

„So, das hätten wir.“ Triumphierend lächelte er dem Baby zu. „Jetzt bringen wir deine Grandma ins Krankenhaus.“

Er kritzelte noch schnell eine Nachricht für Misty, damit sie wusste, wo sie waren, und Harry abholen konnte.

Der Kleine hüpfte vergnügt auf Yiannis’ Hüfte, wedelte mit den Armen und klatschte in die Hände, als er seine Großmutter wiedersah. Maggie winkte ihm lächelnd zu.

„Du kennst dich wohl mit allem aus“, bemerkte sie, als Yiannis das Baby im Kindersitz festschnallte.

Das Krankenhaus lag nur einige Kilometer entfernt. „Walter ist dort gestorben“, bemerkte sie.

„Du wirst nicht sterben“, sagte Yiannis im Brustton der Überzeugung.

Maggie lachte. „Jedenfalls nicht heute.“

„Noch lange nicht.“ Das kam gar nicht infrage! Schweigend konzentrierte er sich auf die Fahrt. Bereits nach wenigen Minuten hielt er vor der Notaufnahme und stieg aus, um einen Rollstuhl zu organisieren. Eine Schwester und ein Hilfspfleger kamen ihm zuvor und schoben Maggie ins Gebäude.

„Wenn Sie den Wagen auf dem Parkplatz abgestellt haben, können Sie sich um den Papierkram kümmern“, rief die Schwester ihm zu.

„Aber ich bin nicht …“ Zu spät. Die Tür hatte sich bereits hinter ihr geschlossen, und er war allein – mit Harry.

Der hüpfte vergnügt auf seinem Sitz und freute sich, als Yiannis ihm durchs Fenster zuzwinkerte, bevor er sich wieder ans Steuer setzte.

„So, dann wollen wir uns mal einen Parkplatz suchen“, sagte er.

Als das schließlich erledigt und Harry aus dem Kindersitz befreit war, herrschte gähnende Leere in der Notaufnahme.

„Sie ist beim Röntgen“, erklärte die Dame an der Information und strahlte Harry an. „Du bist aber ein Süßer. Wie alt ist er?“, fragte sie Yiannis.

„Keine Ahnung.“

Erstaunt musterte sie ihn.

„Ich bin nicht der Vater.“

„Wie schade!“ Dem konnte Yiannis nicht beipflichten, was er aber wohlweislich für sich behielt. „Sie kommen gleich zurück. Sie hat den Papierkram selbst erledigt. Wenn Sie möchten, können Sie gern im Wartezimmer Platz nehmen.“ Sie zeigte auf eine Glastür, hinter der er einen blutüberströmten Mann entdeckte. Jemand anders hustete sich die Seele aus dem Leib. „Sie können aber auch in dem Zimmer warten, das wir ihr zugewiesen haben.“

Harry wurde unruhig. Warten war sicher nicht sein Ding. „Danke, ich glaube, wir machen erst mal einen kleinen Spaziergang.“ Yiannis gab der Empfangsdame seine Handynummer. „Bitte rufen Sie mich an, wenn sie zurück ist.“

Bis dahin wollte er die Zeit nutzen und selbst einige Anrufe erledigen. Er war ja zwei Wochen im Ausland unterwegs gewesen, um sich nach Holzlieferanten umzusehen, und hatte zwar seine E-Mails beantwortet, aber nicht auf Anrufe reagiert. Also spielte er die aufgezeichneten Nachrichten ab und arbeitete die Liste ab, während Harry auf dem Rasen umherkrabbelte.

Gerade hatte er das fünfte Telefongespräch beendet, als die Empfangsdame sich meldete. „Mrs Newell ist zurück vom Röntgen.“

Also setzte er sich Harry auf die Schultern und machte sich auf den Weg.

„Zimmer drei.“ Die Empfangsdame wies ihm die Richtung.

Umringt von den üblichen Geräten in einem Notfallraum, lag Maggie auf einem Krankenhausbett. Die Schwester tätschelte ihr tröstend den Arm. „Ich bereite alles vor und bin dann gleich wieder da.“

„Danke.“

Fast hätte er die sonst so energiegeladene Maggie gar nicht erkannt. Klein, blass und verloren lag sie da, nur mit einem Krankenhaushemd bekleidet.

Als sie ihn mit Harry auf den Schultern bemerkte, rang sie sich ein Lächeln ab.

„Hast du Schmerzen?“, erkundigte Yiannis sich besorgt.

„Es geht.“

„Wenigstens bist du hier in guten Händen“, versicherte er ihr. „Bald geht es dir wieder so gut, dass du den Marathon laufen kannst, von dem du immer redest.“

„Ja, das haben die hier auch gesagt. Nicht das mit dem Marathon, aber den Rest.“ Besonders glücklich schien sie allerdings nicht zu sein.

„Gut, dann fängst du erst mal mit einem Halbmarathon an“, schlug er vor, um sie aufzumuntern. „Das wird schon wieder.“

„Ja, das meinen die auch.“

Und warum wirkte sie dann so deprimiert? Maggie gewann doch sonst jeder Situation etwas Positives ab. Langsam machte er sich wirklich Sorgen. „Was ist los, Maggie?“

„Sie ist gebrochen.“

„Was ist gebrochen?“ Er blinzelte verständnislos.

„Die Hüfte“, erklärte sie resigniert. „Ich muss operiert werden.“

„Operiert?“ Harry boxte ihn aufs Ohr.

Maggie nickte bejahend. „Ja, morgen früh.“

Bevor Yiannis klar wurde, was das bedeutete, kehrte die Schwester zurück.

„So, das hätten wir“, sagte sie freundlich zu Maggie. „Wir verlegen Sie jetzt auf die chirurgische Station. Ich habe das bereits mit Dr. Singhs Stationsschwester abgesprochen. Morgen früh um neun Uhr erhalten Sie dann eine neue Hüfte.“ Geschäftig machte sie Maggie von den Monitoren los und beließ nur den Zugang auf dem Handrücken. Dann öffnete sie die Tür und rief nach einem Hilfspfleger, bevor sie sich Yiannis zuwandte. „Es tut mir sehr leid, aber Sie können nicht mit auf Station kommen. Seit der Grippeepidemie im vergangenen Winter hat die Krankenhausleitung den Zugang für Kinder unter vierzehn Jahren verboten.“

„Der Kleine gehört nicht zu mir.“

„Er sitzt auf Ihren Schultern.“

„Aber …“

„Wenn Sie jemanden haben, der auf ihn aufpasst …“, schlug die Schwester vor.

Doch Yiannis schüttelte frustriert den Kopf.

Daraufhin lächelte sie bedauernd. „Tut mir wirklich leid, aber das sind nun mal die Bestimmungen. Am besten fahren Sie nach Hause und rufen Mrs Newell in einer halben Stunde an. Bis dahin hat sie sich in ihrem Zimmer eingerichtet. Oder sie meldet sich bei Ihnen. Keine Sorge, wir kümmern uns um sie.“

„Ja, aber …“

Der Hilfspfleger kam herein, die Schwester entschwand. Tatenlos musste Yiannis mit ansehen, wie der Mann Maggies Sachen einpackte und ans Fußende des Bettes stellte. Eine Minute später war er bereit, Maggie den Korridor entlang zu ihrem Zimmer zu schieben und Yiannis zurückzulassen – allein mit Harry.

„Was nun, Maggie?“, fragte Yiannis, als ihm die Tragweite seiner Situation bewusst wurde.

„Ich weiß es auch nicht“, antwortete sie geknickt. „Es tut mir schrecklich leid.“

„Dich trifft keine Schuld. Schließlich hast du dir nicht absichtlich die Hüfte gebrochen. Mach dir keine Gedanken, es wird schon gehen.“ Zwei, drei Stunden konnte er sich um Harry kümmern.

Maggie schien Bedenken zu haben.

„Kann’s losgehen?“, fragte der Pfleger und löste die Bremse.

„Kommst du bis heute Abend klar, Yiannis?“

„Bis heute Abend?“ Yiannis versuchte, seinen Ärger zu verbergen. Was fiel Misty eigentlich ein, Maggie ihren Sohn so lange aufzubürden? Das war mal wieder typisch. Ständig mussten andere Leute ausbaden, was sie angerichtet hatte. Und jetzt war sie verschwunden und erwartete von einer Fünfundachtzigjährigen, dass diese sich um das Baby kümmerte! Offensichtlich hatte sie nicht einmal die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass Maggie sich die Hüfte brechen könnte.

Na ja, er selbst wäre auch nicht auf die Idee gekommen. Maggie warf schließlich so leicht nichts um. Trotzdem …

Er eilte hinter dem entschwindenden Bett her. „Klar, Maggie, das geht in Ordnung“, rief er und stieß einen Schmerzenslaut aus, als Harry ihn an den Haaren zog.

„Ich weiß, dass das sehr viel verlangt ist“, sagte Maggie kleinlaut.

„Für dich würde ich doch alles tun, meine Liebe.“ Aufmunternd zwinkerte Yiannis ihr zu. „Harry und ich kommen schon klar. Aber gib mir sicherheitshalber Mistys Handynummer.“

Wenigstens wollte er sie über Maggies OP in Kenntnis setzen. Ganz nebenbei würde er ihr auch die Leviten lesen, weil sie die Großzügigkeit ihrer Stiefgroßmutter ausnutzte. Aber das brauchte Maggie nicht zu wissen. Es wäre ihr nämlich gar nicht recht. Niemand sollte auf die Idee kommen, dass sie nicht mehr so fit wie früher war.

„Die Handynummer ist in derselben Schale wie die Autoschlüssel“, sagte Maggie, während sie auf den Fahrstuhl warten mussten.

Der Pfleger drückte auf den Knopf. „Bis hierher und nicht weiter.“ Er musterte Yiannis streng, als die Tür sich öffnete und er das Bett in den Lift schob.

Es gelang Yiannis gerade noch, Maggie tröstend die Hand zu drücken. „Keine Sorge, Harry und ich halten die Stellung.“ Er kitzelte den Fuß des Kleinen, und dieser krähte vergnügt. „Wann holt Misty ihn ab?“

„Am fünfzehnten.“

Er musste sich verhört haben. „Neunzehn Uhr fünfzehn?“

„Nein, am fünfzehnten.“

Fassungslos starrte er sie an. „Was?“

Maggie seufzte verzweifelt. „Am fünfzehnten März.“

Die Fahrstuhltür glitt zu.

Fast zu, denn Yiannis schob schnell einen Fuß dazwischen. „Bis dahin sind es noch zwei Wochen!“, rief er entsetzt.

Maggie nickte bestätigend. „Sie hofft, bis dahin alles erledigt zu haben und zu heiraten, wenn Devin zurück ist. Am liebsten würde sie natürlich gleich drüben heiraten“, fügte sie hinzu.

„Drüben?“

„In Deutschland.“

Harry boxte ihn erneut aufs Ohr. „Sagtest du gerade ‚Deutschland‘, Maggie?“, fragte Yiannis daher lieber noch einmal nach.

„Nicht so laut, Sir“, bat der Pfleger vorwurfsvoll.

„Schon gut.“ Beschwichtigend nickte Yiannis ihm zu, bevor er sich wieder Maggie zuwandte. „Sag jetzt bitte nicht, dass Misty in Deutschland ist!“

„Doch. Zuerst ist sie nach London geflogen, von da aus nach Deutschland. Devin hat zwei Wochen Urlaub.“

„Und da wollte er nicht nach Hause kommen, um sein Kind zu sehen?“ Yiannis war fassungslos.

„Soweit ich informiert bin, weiß er nichts von Harrys Existenz.“

„Das darf doch alles nicht wahr sein!“, brauste er auf.

„Bitte mäßigen Sie sich, Sir!“

„Tut mir wirklich leid, Yiannis.“

„Schon gut.“ Yiannis riss sich zusammen, um Maggie nicht noch mehr zu beunruhigen. „Ich rufe Misty an und sage ihr, dass sie sofort zurückkommen muss.“

„Nicht nötig. Ich habe schon alles in die Wege geleitet, Yiannis.“

Dem Himmel sei Dank! Er lächelte erleichtert.

„Du musst dich nicht allein um Harry kümmern.“ Maggie rang sich ein Lächeln ab. „Cat ist schon auf dem Weg hierher.“

Cat kam her? Er war fassungslos. Blieb ihm denn gar nichts erspart?

„Sie freut sich schon, dich wiederzusehen“, rief Maggie, als die Lifttür sich vor seiner Nase schloss.

Das wagte er zu bezweifeln.

Catriona MacLean war die verführerischste Frau, der er je begegnet war. Sie war Maggies richtige Enkelin und im Gegensatz zur flatterhaften Misty sehr vernünftig.

Und sie hasste ihn.

Mit dem Flugzeug wäre sie schneller bei ihrer Großmutter gewesen, selbst wenn man zu dem einstündigen Flug von San Francisco nach Orange County die Wartezeit am Flughafen hinzurechnete.

Aber auf Balboa war sie auf den Wagen angewiesen. Südkalifornien war nichts für Leute, die nur öffentliche Verkehrsmittel benutzten. Außerdem wurde Gran erst morgen operiert. Obwohl sie erst nach Feierabend losgefahren war, blieb ihr noch genug Zeit, um rechtzeitig am Krankenhausbett ihrer Großmutter zu sein.

Es ging ja nicht um Leben und Tod.

Jedenfalls noch nicht.

Doch darüber wollte sie jetzt ganz sicher nicht nachdenken!

Cat versuchte, ganz ruhig zu bleiben und sich auf die Straße zu konzentrieren. Gran lag nicht im Sterben. Sie war gefallen und hatte sich die Hüfte gebrochen.

Das war schon vielen Leuten vor ihr passiert, und sie hatten sich wieder erholt.

Aber die meisten waren auch noch nicht fünfundachtzig Jahre alt.

Gran ist aber sehr jung für ihre fünfundachtzig, beruhigte Cat sich. Zwar hatte sie keine Ahnung, was sie damit genau meinte, aber es klang gut.

Sie hätte es nicht ertragen, ihre Großmutter zu verlieren.

Normalerweise hätte sie auch keinen Gedanken an diese Möglichkeit verschwendet. Gran war Gran und unverändert, seit sie sie vor einundzwanzig Jahren bei sich aufgenommen hatte. Margaret Newell war schon immer eine willensstarke, gesunde Frau gewesen. Sonst wäre sie gar nicht in der Lage gewesen, mit einem wütenden, traurigen Waisenkind von sieben Jahren zurechtzukommen.

„Sie ist noch immer die Alte. Sie hat sich nur die Hüfte gebrochen. Bald geht es ihr wieder gut“, redete Cat beschwörend auf sich ein.

So recht mochte sie trotzdem nicht daran glauben. Die Zeit war nicht auf Grans Seite. Irgendwann war auch ihre Uhr abgelaufen.

Doch den Gedanken, dass sogar ihre Großmutter sterblich war, konnte Cat nicht ertragen.

Ein merkwürdiges Motorengeräusch lenkte sie glücklicherweise ab. Ihr Chevrolet war jetzt schon fünfzehn Jahre alt und schien einige Macken zu entwickeln. Normalerweise war sie nicht auf den Wagen angewiesen, denn in San Francisco fuhr sie entweder mit dem Bus oder ließ sich von ihrem Verlobten Adam durch die Gegend chauffieren.

Rechtzeitig vor ihrem geplanten Osterbesuch in vier Wochen bei Gran hatte sie neue Reifen aufziehen lassen wollen. Das hatte sie so kurzfristig leider nicht mehr erledigen können. Also war sie noch mit den alten Reifen unterwegs.

Sie ärgerte sich, weil sie den Werkstattbesuch immer wieder aufgeschoben hatte. Ihre einzige noch lebende Verwandte war fünfundachtzig. Da musste man immer auf einen Notfall vorbereitet sein!

„Du darfst nicht sterben“, rief Cat beschwörend. Huxtable und Bascombe, die beiden Katzen in den Körben auf dem Rücksitz, schliefen weiter und zuckten nicht einmal mit einem Barthaar.

Die beiden interessierte sowieso nur ihr Fressen.

„Du schaffst das, Gran.“ Immer wieder sprach Cat die Worte mehr oder weniger überzeugend vor sich hin, wie ein Mantra.

„Wenn du überzeugend genug bist, wird es auch passieren“, hatte Gran ihr vor Jahren einmal erklärt.

Autor

Anne McAllister
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