Erotik im Spiel

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Mit ihrer Werbeagentur ist die ehrgeizige Lucy so ausgebucht, dass sie nicht einmal für ihre Ehe Zeit hat. Frisch geschieden und nach dem Tod des Vaters auch noch Erbin eines Marine Parks auf den Bahamas, schwebt sie in Nassau ein- um die Hinterlassenschaft in Augenschein zu nehmen - und ist überwältigt! Von den Sonnenuntergängen am Strand, der paradiesischen Natur, den Tieren - und von Chris Maddox. Der Aussteiger und Delfinexperte, der alles ablehnt, was ihr wichtig ist, ihren Ehrgeiz belächelt und auf ihren Erfolg pfeift, bringt sie in Wut - und entzündet gleichzeitig ein Feuer in ihr. Plötzlich ist da Lust auf Freiheit und Abenteuer - und Lust, das Spiel mit diesem Mann zu gewinnen, der ihre Leidenschaft so heftig entfacht, wie er auf seine Freiheit pocht...


  • Erscheinungstag 01.09.2013
  • Bandnummer 1041
  • ISBN / Artikelnummer 9783954460021
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

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1. KAPITEL

Lucy Donovan blieb vor dem ausgeblichenen Schild stehen und setzte ihre Reisetasche ab. Sonny’s Ozeanpark - Besuchen Sie Randy, den Delfin! stand darauf. Sie holte tief Luft und starrte auf das erste Wort. Sonny war nicht mehr hier. Ihr Vater war gestorben und hatte seiner Tochter diesen Park, besser gesagt diesen Meereszoo in Nassau hinterlassen. Sie kam sich albern vor, als sie merkte, dass ihr Tränen in die Augen traten, weil sie den Verlust so schmerzlich empfand. Schließlich hatte sie Sonny kaum gekannt.

Ihre Mutter hatte ihren geschiedenen Mann für einen Nichtsnutz gehalten. In Lucys Augen war er eher ein Freigeist und Idealist gewesen. Obwohl ihr Leben die sittlichen Werte ihrer Mutter widerspiegelte, floss in Lucy das Blut dieses großen Abenteurers, als den sie ihn sich immer vorgestellt hatte.

Sie wischte sich über die Augen und ging weiter. An der Kasse, der ein Souvenirladen angeschlossen war, saß ein junger Mann. Er nickte ihr zu, als sie näher trat.

“Hallo, ich bin Lucy Donovan, Sonnys Tochter. Ich soll hier einen gewissen Bailey treffen.”

Er lächelte sie freudig und gleichzeitig erleichtert an. “Oh, wir sind heilfroh, Sie zu sehen, Lucy. Herzlich willkommen. Ich bin Bill. Bailey ist im Büro dort drüben.”

“Danke, Bill.”

Sie blieb am Eingang stehen und konnte noch immer nicht glauben, dass dieser Park direkt am Meer jetzt ihr gehörte. Zu ihrer Linken glitzerten mehrere Becken mit Meerestieren in der Sonne. Um einen davon scharte sich neugierig eine Gruppe von Touristen. Ein Schild wies zu den Aquarien, die in einem größeren Gebäude untergebracht waren.

Lucy ging zum Büro, in dem ein dünner Farbiger hinter einem Schreibtisch stand und lautstark telefonierte. Er nahm einen Brief in die Hand. “Aber das muss ein Fehler sein, Mann. Ja, ich seh die Unterschrift, aber … Also kann ich ihn nicht mal erschießen? Okay, okay. Nein, ich werd ihn nicht erschießen, ich versprech’s.” Seine Art zu reden ließ Lucy lächeln. Er knallte verärgert den Hörer auf die Gabel.

Sie kam näher und reichte ihm die Hand. “Sie müssen Bailey sein. Ich bin Lucy Donovan, Sonnys …”

Er ergriff ihre Hand und schüttelte sie. “Ah, Miss Lucy! Ja, man sieht, dass Sie Sonnys Tochter sind. Die gleichen braunen Augen und Haare, sogar die gleiche Haarlänge.” Automatisch berührte sie ihr schulterlanges Haar, doch er fuhr schon fort: “Ich bin so froh, dass Sie da sind. Wir haben ein Riesenproblem. Der Mann da draußen klaut uns den großen Fisch. Ein böser Mann ist das. Niemand wird mehr hier in den Park kommen, wenn es keinen großen Fisch mehr gibt. Und ohne Leute haben wir kein Geld, ohne Geld keinen Park, ohne Park keinen Job, ohne Job kein Essen. Ich muss fünf Kinder versorgen und drei Ziegen.” Er holte tief Luft. “Miss Lucy, Sie müssen den Mann rauswerfen.”

Sie war mit der Absicht hierhergekommen, die Wohnung ihres Vaters aufzulösen und zu entscheiden, was mit dem Park, der jetzt ihr gehörte, geschehen sollte. Einen bösen Mann zu vertreiben stand nicht auf ihrer Liste mit den zu erledigenden Dingen. “Sie sagten, der Mann stiehlt etwas?”

“Ja, unsere Hauptattraktion – Randy. Kommen Sie, ich zeig’s Ihnen.” Schon kam er hinter dem Schreibtisch hervor und marschierte aus dem Büro.

“Warten Sie”, sagte sie, während sie ihm folgte, doch er ging einfach weiter. “Wie kann jemand einen Fisch stehlen?”

Sie folgte ihm durch die Ansammlung von Menschen. Über Fisch wusste sie nur, dass er frisch und gut durchgebraten sein musste. Dieses Wissen würde ihr wohl nicht viel helfen, aber sie wusste etwas über Firmenhierarchien.

Sie zog ihre Leinenjacke zurecht, stellte sich ihm in den Weg und kehrte die Chefin heraus. “Arbeitet sonst noch jemand hier?”

“Nein, nur ich, Bill und Big Sonny, Gott hab ihn selig.”

Die Touristen um sie herum brummten missmutig. “Hey, wir haben dafür bezahlt, eine Delfinshow zu sehen”, beschwerte sich ein Mann. “Dieser Typ da im Becken sagt, wir dürfen nicht näher an ihn herangehen. Was soll das?”

“Ja, ich will mein Geld zurück”, warf ein anderer ein.

“Ich auch! Ich wusste doch, dass man hier überall übers Ohr gehauen wird.”

“Nein! Hier doch nicht”, wandte sich Bailey beschwichtigend an die Menge. “Wir arbeiten an diesem Problem, ehrlich. Gehen Sie doch solange zu den Aquarien dort drüben, und wir bereiten die große Show vor. Nun gehen Sie schon”, fügte er hinzu und versuchte, mit hektischen Armbewegungen die aufgebrachten Menschen zu verscheuchen.

Sie zogen sich lediglich ein paar Schritte zurück. Anscheinend hofften sie auf eine noch größere Show. Der Gedanke, dass jemand die größte Attraktion des Parks stehlen wollte, machte Lucy wütend. Was fiel dem Mann ein? Sie schob sich die Ärmel hoch und trat an den niedrigen Zaun, der die verschiedenen Becken umgab.

Der Mann, der in brusthohem Wasser auf einer Plattform stand, kümmerte sich einzig um das große Tier, das den Pool durchschwamm. Er war ungefähr Anfang dreißig und hatte lockiges blondes Haar, das ihm bis zu den kräftigen gebräunten Schultern reichte. Er besaß den perfekten Körper eines Athleten, und Lucy verspürte ein prickelndes Gefühl. Dieser Mann war selbst eine Attraktion!

Bailey stieß sie an, und sie blinzelte. Verflixt, sie sollte den Mann hinauswerfen, statt ihn bewundernd anzustarren. “Entschuldigen Sie!”, rief sie und beugte sich über den Zaun. “Hallo, Sie dort im Pool.”

Der Mann holte einen Fisch aus einem Eimer. Das große Tier kam näher und hob den Kopf aus dem Wasser. Oh, es war ein Delfin wie Flipper! Er schnellte empor, schnappte sich den Fisch in der Luft und landete wieder anmutig im Wasser. Die Menge applaudierte, aber der Mann schaute nicht einmal hin.

“Entschuldigen Sie!”, rief sie, dieses Mal etwas lauter. “Bitte kommen Sie aus dem Pool, damit wir etwas besprechen können.”

Jetzt sah er zu ihr herüber und sein Gesicht nahm einen unwilligen Ausdruck an. Doch im nächsten Moment hatte er sich wieder dem Delfin zugewandt.

Empört stieg sie über den Zaun. Niemand ignorierte Lucy Donovan. Als Chefin einer Werbeagentur hatte sie es gelernt, sich Autorität zu verschaffen. Und wenn sie sich von seinem guten Aussehen nicht ablenken ließ, würde sie schon dafür sorgen, dass er sie nicht länger wie Luft behandelte.

Sie stemmte die Hände in die Hüften und herrschte ihn an: “Raus aus dem Pool jetzt, Mister.”

“Lady, passen Sie auf, sonst landen Sie noch im Wasser. Einige der Fliesen sind lose.”

“Sparen Sie sich Ihren Hinweis. Wer sind Sie, und welches Recht haben Sie, in diesem Pool zu sein? Dies hier ist Privateigentum.” Jawohl, ihr Privateigentum.

Der Delfin hob den Kopf aus dem Wasser und schnappte sich noch einen Fisch. Wütend ging Lucy näher an den Pool heran. “Ich möchte sofort eine Antwort, sonst rufe ich die Polizei.”

“Ich habe ihm dort drüben bereits alles erklärt”, sagte der Mann und deutete vage in Baileys Richtung, ohne den Blick von dem Delfin zu wenden.

Sie verschränkte die Arme vor der Brust. “Da ich die Besitzerin bin, wäre es vielleicht gut, wenn Sie es mir erklären würden.”

Er musterte sie gleichgültig. “Sie sind die Besitzerin?”

“Ja. Und ich möchte wissen, warum Sie meinen Fisch belästigen.”

Jetzt hatte sie endlich seine Aufmerksamkeit erregt, denn er stieg von der Plattform und kam mit kräftigen Stößen zu ihr herübergeschwommen. Lucy machte sich bereits auf einen Streit gefasst. Mit einer einzigen geschmeidigen Bewegung schwang er sich aus dem Pool, stellte sich vor sie hin und sah sie an. Besser gesagt, sah auf sie herab. Wassertropfen perlten über seine mit goldenen Härchen überzogene Brust. Er trug eine von diesen knappen, engen Badehosen, die nicht mehr viel der Fantasie überließen, und Lucy musste sich ermahnen, nicht allzu deutlich hinzuschauen. Um seinen Hals trug er eine Kette mit einem Haifischzahn. Sie sah ihm mutig in die Augen und weigerte sich, sich von seiner Größe oder seinem Blick einschüchtern zu lassen.

“Erstens ist das kein Fisch”, belehrte er sie. “Er ist ein Säuger wie Sie und ich, nur nicht so egoistisch, gierig und grausam wie die Menschen. Dieser Delfin hat in Chlorwasser gelebt, das seine Haut gebleicht und seine Augen entzündet hat. Delfine sind dazu geboren, dort draußen zu schwimmen.” Er deutete auf den offenen Ozean. “Nicht in solch einem kleinen Schwimmbecken. Seine Schnauze ist wund, weil er damit immer gegen die Seitenwände prallt. Dieses gesellige Wesen hat seit sechs Jahren allein gelebt. Seine einzige Gesellschaft war ein Typ, der ihn dazu brachte, Kunststücke für ein paar Leute zu absolvieren, die es toll finden, einen Delfin zu sehen, der für sein Essen aus dem Wasser hüpft. Essen, das bis heute aus gefrorenen Meeräschen bestand. Das ist so, als würden wir gefrorenes Hundefutter essen müssen.”

Er kam ihr näher, bedrohlich nahe. “Sie haben diesem Delfin alles genommen, was ihn zu einem Delfin macht. Seine Artgenossen und damit all die Hierarchien und sozialen Aktivitäten einer Herde, die Aufregung der Jagd, das Gefühl des offenen, endlosen Meeres, den Spaß am Leben und letztendlich auch seine Seele. Er wäre in diesem Pool verendet, und Sie wären dafür verantwortlich gewesen. Ich bin Chris Maddox, Gründer der Gesellschaft zur Befreiung von Delfinen, und ich bin von der Regierung ermächtigt worden, diesen Delfin wieder in seinen natürlichen Lebensraum zurückzuführen.”

Er tippte ihr auf die Schulter und löste damit einen kleinen Schauer bei ihr aus. “Ich werde nirgends ohne diesen Delfin hingehen. Verstanden?”

Unwillkürlich trat sie einen Schritt von ihm zurück. Im gleichen Moment gab die Fliese unter ihr nach und sie verlor das Gleichgewicht. Mit einem Aufschrei versuchte sie noch, sich an Chris festzuhalten, doch es war zu spät. Ihn mit sich ziehend, fielen sie beide in den Pool.

Keuchend kam sie an die Wasseroberfläche und klammerte sich an den Beckenrand. Chris tauchte eine Sekunde später neben ihr hoch. Und der Delfin schwamm direkt auf sie zu.

Voller Panik riss sie die Augen auf. “Machen Sie, dass er von mir weggeht!”, rief sie.

Doch Chris lachte nur. Auch die Zuschauer lachten und klatschten Beifall. Selbst der Delfin sah so aus, als grinste er.

“Das ist nicht lustig”, sagte sie wütend und strich sich das nasse Haar aus dem Gesicht. “Halten Sie den Fisch von mir fern.”

“Er ist kein Fisch, er ist ein Delfin”, korrigierte Chris sie, noch immer lachend.

“Meinetwegen, dann halten Sie den Delfin von mir fern, bis ich hier raus bin.”

Ihre nasse Leinenhose hing wie ein schweres Gewicht an ihr, als sie sich am Rand hochziehen wollte.

“Brauchen Sie Hilfe?”

“Nein, geht schon.”

Lucy streifte sich die teuren, aber leider ruinierten Pumps ab und warf sie auf die Fliesen. Dann stemmte sie sich hoch und versuchte erneut, aus dem Becken zu kommen.

“Ich helfe Ihnen”, sagte Chris hinter ihr.

“Ich schaffe das …”

Bevor sie den Satz beenden konnte, legte er ihr die Hände auf den Po und hob sie mühelos aus dem Wasser. Sie war so überrascht, dass sie fast vergaß, ihren Teil zu leisten, nämlich auf die Füße zu kommen und ihr Gleichgewicht zu halten.

“Soll ich mich jetzt für Ihre Hilfsbereitschaft bedanken oder beschweren, dass Sie mich betatscht haben?”, meinte sie leicht irritiert, weil sie noch immer den Abdruck seiner Hände auf ihrem Po spüren konnte.

Er lächelte amüsiert, während er hinter ihr problemlos aus dem Pool stieg. “Mir war es ein Vergnügen.”

Über so viel Frechheit verdrehte sie nur die Augen, und als sie zu den Touristen blickte, die den Vorfall mit Interesse beobachtet hatten, erkannte sie, dass sie zur Attraktion in ihrem eigenen Park geworden war. Schnell lief sie zu Bailey hinüber und raunte ihm zu: “Bitte sorgen Sie dafür, dass die Leute hier weggehen.”

“Ja, Miss Lucy, sofort. Aber lassen Sie den Kerl nicht mit dem Fisch entkommen. Denken Sie an meine sechs Kinder, die zu Hause verhungern.”

“Sagten Sie nicht fünf?”

Er verzog das Gesicht. “Hab ich das? Dann habe ich wohl die Ziege mitgezählt.”

“Sie sagten, Sie hätten drei Ziegen.”

Er schwieg eine Sekunde und lächelte dann entwaffnend. “Zwei sind nur zu Besuch.”

Kopfschüttelnd drehte sie sich zu Chris um, der die Szene aufmerksam verfolgt hatte. “Können wir ins Büro gehen und das Ganze wie zwei vernünftige Geschäftsleute besprechen?”, fragte sie ihn und bemühte sich, nicht auf seine Beine zu starren, an denen noch immer das Wasser hinunterlief.

“Falls Sie es noch nicht bemerkt haben sollten, Miss Lucy”, hier imitierte er Baileys Akzent, “ich bin kein Geschäftsmann, und die Sache ist nicht verhandelbar. Ich habe Ihrem Angestellten den Brief gegeben, der belegt, dass der Delfin jetzt mir gehört. Damit ist alles geklärt.” Mit einer geschmeidigen Bewegung glitt er wieder ins Wasser.

Vorsichtig trat sie an den Beckenrand, wobei sie diesmal auf die Fliesen achtete. “Was Sie über den Delfin gesagt haben, über das Chlor und seine Schnauze …”

“Was Sie diesem Delfin antun, ist grausam. Liberty – oder Randy, wie Sie ihn nennen – ist nicht auf dieser Welt, um uns zu unterhalten. Delfine sind wahrscheinlich klüger, als wir es sind. Wie würde es Ihnen gefallen, auf so beengtem Raum zu leben, mit billigem Fisch gefüttert zu werden und sich dazu erniedrigen zu lassen, Kunststücke zu vollführen, um überhaupt etwas zu essen zu bekommen? Und wenn Sie nur weiße Wände um sich herum hätten statt der endlosen Vielfalt, die der Ozean bietet?”

Liberty hob den Kopf aus dem Wasser, wie um Chris’ Worte zu unterstreichen. Doch wahrscheinlich war er mehr an dem Fisch interessiert, den dieser in der Hand hielt. Sie zuckte zusammen, als sie jetzt die wunden Stellen an Libertys Schnauze sah. Und Chris glaubte, sie wäre diejenige, die für die Missstände verantwortlich war.

“Ich habe diesem Delfin nichts getan.”

“Sie haben gesagt, Sie wären die Eigentümerin.”

“Ich habe den Park von meinem Vater geerbt, Sonny Boland. Ich wusste vorher gar nicht, dass er ihm gehörte. Die meiste Zeit meines Lebens wusste ich nicht einmal, wo Sonny sich aufhielt.” Warum erzählte sie ihm das alles? Bleib bei den Fakten, Lucy, ermahnte sie sich. “Ich bin gerade erst angekommen, und Bailey hat mir in seiner komischen Art berichtet, dass ein böser Mann versucht, einen großen Fisch zu stehlen.” Als er daraufhin genervt die Augen verdrehte, fügte sie schnell hinzu: “Ja, ich weiß, es ist ein Delfin.”

Chris streckte die Hand nach Liberty aus, doch der Delfin schreckte zurück. Ein weiterer Fisch lockte ihn wieder an, aber diesmal versuchte Chris erst nicht, ihn zu berühren. Er war ganz in seine Arbeit versunken und schien sie völlig vergessen zu haben. Ihr Stolz gebot ihr, jetzt wegzugehen, doch leider gewann ihre Neugier.

“Warum nennen Sie ihn Liberty?” Sie schaute auf ein Schild. “Er heißt Randy.”

“Wenn man Delfine menschliche Namen gibt, ermutigt das die Leute, sie zu humanisieren, also habe ich ihn auf Liberty umgetauft.”

“Was werden Sie mit ihm machen?” Sie hätte sich gern etwas Trockenes angezogen, aber sie wollte nicht eher gehen, bis sie es klargestellt hatte, dass sie kein Bösewicht war, der Delfine quälte. Allerdings wagte sie nicht zu ergründen, warum ihr dies so wichtig war.

“Ich muss ihn dahingehend umtrainieren, dass er lernt, selbst Fische zu fangen, und in der Lage ist, in Freiheit zu leben. Er ist abhängig von den Menschen geworden. Er muss wieder lernen, ein Delfin zu sein.”

Sie schaute Liberty dabei zu, wie er seine Kreise zog, und überlegte, was er wohl dort unten sah: weiße Wände, Chris’ Beine. “Gibt es irgendetwas, was ich tun kann, um Ihnen zu helfen?”

Die Sonne glitzerte in seinen feuchten Locken, als er heftig den Kopf schüttelte. “Lassen Sie mich und Liberty einfach in Ruhe, okay?”

Er hatte ihr nicht für ihr Angebot gedankt. Hatte nicht einmal zu ihr hingesehen. “Ist das Ihr Lebenserwerb? Sie sagten etwas von einer Gesellschaft zur Befreiung von Delfinen.”

“Ich bin die Gesellschaft. Ich reise umher und befreie die Delfine, die in so genannten Vergnügungsparks gefangen gehalten werden.”

“Glauben Sie, dass mein Vater grausam oder einfach nur gedankenlos war?” Überrascht stellte sie fest, dass er sie jetzt ansah. Und noch überraschter war sie über die Wirkung, die sein Blick auf sie hatte.

“Ich habe ihn nur einmal getroffen. Das war, als ich kam, um einer Beschwerde wegen Misshandlung nachzugehen. Er war wahrscheinlich ein wenig von beidem. Liberty braucht am Tag fünfzehn Pfund Fisch, also hat Sonny billige Ware gekauft. Statt frisches Meerwasser in den Pool zu filtern oder zumindest für Salzwasser zu sorgen, hat er einfaches Leitungswasser genommen und Chlor und Kupfersulfid hineingetan. Ihr Vater wollte die Profite maximieren, und Liberty hat dafür bezahlen müssen. Jetzt pumpe ich Meerwasser ein und hoffe, dass der Delfin seine Augen bald wieder ganz öffnen kann.”

“Beißt er? Ich meine, war ich in Gefahr, als ich reingefallen bin?”

Er verzog amüsiert den Mund, und sie nahm an, dass er ein umwerfendes Lächeln besaß, wenn er es je einsetzen sollte. Wahrscheinlich machte er sich jetzt über sie lustig.

“Das Einzige, was in Gefahr war, war Ihre Würde. Delfine sind ziemlich zahm in Gefangenschaft.” Er warf Liberty den letzten Fisch aus dem Eimer zu. “Würden Sie nicht auch den Mut verlieren, wenn man Sie gefangen hielte?”

Sie dachte über seine Frage nach, während sie Liberty beobachtete, der geduldig darauf wartete, noch mehr Fisch zu bekommen. “Vermutlich”, antwortete sie schließlich. “Delfine sind Ihr Leben, nicht wahr?”

“Ja.” Er stieg aus dem Pool und holte ein Handtuch aus seiner Tasche. “Wie lange wollen Sie bleiben?”

“Eine Woche. Mehr Zeit habe ich nicht.”

Er nickte zufrieden, und ihr wurde klar, dass er nur wissen wollte, wie lange er sich mit ihr abplagen musste. Während er sich abtrocknete, glitt sein Blick an ihren nassen, eng anliegenden Sachen hinab. Sie war sich nicht sicher, ob sie es sich einbildete, aber es schien so etwas wie Anerkennung darin zu liegen. Bevor sie weiter darüber nachdenken konnte, reichte er ihr sein Handtuch.

Sie hob das nasse Frotteetuch mit den Fingerspitzen an. “Ihre Ritterlichkeit ehrt Sie, aber ich fürchte, das nützt jetzt auch nichts mehr.” Pikiert gab sie ihm das Frotteetuch zurück.

Er zuckte lediglich mit den Schultern, holte jetzt Shorts und ein T-Shirt aus seiner Tasche und stopfte das Handtuch wieder hinein. Nachdem er in die Shorts geschlüpft war, zog er sich das T-Shirt über den Kopf, wobei sich die Muskeln seiner Arme auf so faszinierende Weise bewegten, dass sie wie gebannt darauf starrte. Als sie wieder hochsah, begegnete sie seinem Blick, und plötzlich war da das Lächeln, das sie sich vorgestellt hatte. Ja, es war wirklich umwerfend. “Bis dann”, sagte er und ging.

Wie ein Dummkopf stand sie da und sah ihm nach. Er marschierte durch das Tor und bestieg ein Moped, ohne sich noch einmal nach ihr umzuschauen, während sie die Augen nicht von ihm lösen konnte.

Und warum ärgerte sie sich jetzt? Weil er ihr deutlich gemacht hatte, dass er sie nicht in seiner Nähe haben wollte. Oh ja, Lucy Donovan merkte es sofort, wenn sie unerwünscht war, deshalb hatte sie auch nicht an ihrer Ehe festgehalten. Und sie würde sich ganz sicher nicht Chris Maddox aufdrängen.

Irgendwie hatte sie jedoch das Gefühl, dass mehr hinter seinem unhöflichen Verhalten steckte. Chris Maddox wollte generell keine Menschen um sich haben. Die Frage war nur, warum.

2. KAPITEL

Fünfzehn Minuten später kam Chris bei der Caribe Plantation, dem Anwesen der Eastors an. Er war glücklich, dass die Familie nicht da war, und noch glücklicher, dass sie ihm ihr Grundstück mit der Privatlagune für seine Zwecke zur Verfügung gestellt hatten. Die üppige Vegetation beeindruckte ihn wenig; wichtig war allein die Lagune mit dem azurblauen Wasser, wo Liberty lernen würde, wieder wie ein richtiger Delfin zu leben. Auch die imposante Villa im Kolonialstil würdigte er keines Blickes, als er zu der kleinen Hütte ging, die auf Pfählen im Wasser stand und als Anlegestelle für Boote diente. Dort wohnte er momentan.

Während der Fahrt hierher hatte er ununterbrochen an Lucy Donovan denken müssen. Lucy mit ihrem braunen Haar, das in nassen Locken ihr apartes Gesicht umrahmt hatte. Beim Gedanken an ihre panische Angst, als sie in das Becken gefallen war, musste er lächeln. Doch dann wurde er wieder ernst. Lucy war aufrichtig betroffen gewesen, als er sie wegen der Nachlässigkeit ihres Vaters beschuldigt hatte. Er wusste, dass sie nichts mit Libertys Leiden zu tun hatte, doch er hatte sie nur ärgern und damit loswerden wollen.

Das Letzte, was er brauchte, war eine Frau in seiner Nähe. Frauen ließen es nicht zu, dass man sie ignorierte, schon gar nicht eine Frau wie Lucy Donovan. Sie war eine Lady, die Aufmerksamkeit beanspruchte. In ihrem eleganten Hosenanzug und mit dem dezenten Schmuck zeigte sie Klasse. Er hatte keinen Ring an ihrem Finger gesehen, und er würde sich nicht den Kopf darüber zerbrechen, warum er überhaupt darauf geachtet hatte. Sie war keine Frau für eine kurze Affäre mit einem wie ihm. Außerdem war sie nicht sein Typ.

Warum konnte er dann an nichts anderes denken?

Sogar sein Körper reagierte entsprechend, als er hinter die Hütte ging und sich auszog. Von der Dusche unter freiem Himmel sah man direkt auf den Ozean, und während Chris Shampoo auf sein Haar verteilte, dachte er wieder an Lucy. Was sollte das? Sie war nicht einmal eine ausgesprochene Schönheit. Hübsch, ja, mit ihrem herzförmigen Gesicht, den fein geschwungenen Augenbrauen und den leicht aufgeworfenen Lippen. Volle Brüste waren unter der nassen Bluse zu erkennen gewesen. Und dann dieser Po. Weich und gut geformt, hatte er perfekt in seine Hände gepasst.

Vergiss die Frau und ihren Po, ermahnte er sich und ein bestimmtes Körperteil. Er dachte an die wenigen kurzen Affären, die er mit Frauen von der Insel gehabt hatte. Doch Lucy kam aus der Stadt, und Stadt und Insel passten nicht zueinander.

Eine Möwe zog kreischend über ihm ihre Kreise. Tiere waren seine einzigen Freunde. Er fand es einfacher, sie zu verstehen als die Menschen. Einfacher, mit ihnen zu leben. In seiner Welt war kein Platz für eine Frau. Er würde ohnehin niemals eine Frau finden, die seine Leidenschaft für Delfine teilte. Die ein sicheres Leben für diese Sache aufgeben würde. Eine Frau, die akzeptieren würde, dass sie erst an zweiter Stelle kam.

Es war einfacher, allein zu sein.

Nachdem er geduscht hatte, streckte er sich auf einem Liegestuhl aus. Gleich nach seiner Ankunft heute Morgen war er in den Park gefahren, um an der ersten Phase zu arbeiten: Libertys Vertrauen zu gewinnen. Eigentlich müsste er erschöpft sein und könnte sich eine Pause gönnen, doch genau zwei Minuten später war er wieder auf den Beinen.

Ruhelosigkeit plagte ihn, also ging er hinunter zum Strand und legte in der Lagune Netze aus, um einen Bereich abzutrennen, in dem Liberty später schwimmen konnte. Als es zu dunkel zum Arbeiten wurde, bestieg er sein Moped und fuhr an der Küste entlang zu Barney’s Happy Place, um ein Bier zu trinken. Vielleicht würde das Lucy und ihren reizenden Po aus seinen Gedanken vertreiben.

Lucy riss sich schließlich von Libertys Anblick los, zog sich im Waschraum trockene Sachen an und machte sich dann auf die Suche nach Bailey. Sie fand ihn, als er dabei war, die staubigen Wege mit einem Wasserschlauch abzuspritzen.

“Sie haben den bösen Mann nicht weggescheucht?”, fragte er.

“Nein, und ehrlich gesagt, ich werde es auch nicht.”

Bailey schüttelte den Kopf. “Ich hab gesehen, wie Sie ihn angehimmelt haben. Was für eine Schande! Unsere einzige Chance, und sie verfällt dem bösen Mann!”

“Wovon reden Sie?” Sie hatte höchstens ein oder zwei Mal zu ihm hingeschaut. Und hatte sich nur ein klein wenig von ihm verhexen lassen.

“Jetzt, wo Ihr Dad nicht mehr da ist, wird alles den Bach runtergehen.”

Sie bekam Schuldgefühle, als sie an seine sechs, nein fünf Kinder dachte. “Was hätte denn mein Dad getan?”

“Er hätte den bösen Mann rausgeworfen, der den großen Fisch stehlen will.”

“Es ist kein Fisch.”

“Da! Jetzt reden Sie sogar schon wie dieser Kerl.”

Sie seufzte. “Mein Vater wäre verhaftet worden, wenn er ihn rausgeworfen hätte. Außerdem hat Chris Maddox gesagt, dass er eine schriftliche Genehmigung von der Regierung hat. Stimmt das?”

“Er muss die da oben bestochen haben.”

Irgendwie bezweifelte sie das. “Wie wäre es, wenn Sie mir einmal die Bücher zeigten? Mal sehen, ob mein Vater ein guter Geschäftsmann war.”

Das, was sie wenig später in den Büchern fand, war nicht sehr vielversprechend. Kein Wunder, dass Sonny nur zwei Angestellte hatte. Als sie sich frustriert zurücklehnte, sah sie ein kleines Bild auf einem Regal. Überrascht stellte sie fest, dass ihr eigenes kindliches Gesicht sie von dem Foto anlächelte. Sie schluckte. Sonny hatte sie also doch nicht ganz vergessen gehabt.

“Miss Lucy, ich könnte jetzt gehen. Soll ich Sie noch zu Sonnys Wohnung fahren?”, riss Bailey sie aus ihren Gedanken.

“Ja, gern.”

Kurz darauf setzte Bailey sie vor einem dreistöckigen Mietshaus ab und verabschiedete sich. Sonnys Wohnung in der obersten Etage bestand aus einem Zimmer, in dem es heiß und stickig war. Lucy schaltete die Klimaanlage ein und bedauerte schon, hier abgestiegen zu sein, auch wenn es praktisch war, da sie seine Sachen zusammenpacken wollte.

Als sie gegen halb neun den größten Teil geschafft hatte, ließ sie sich auf das alte verschlissene Sofa fallen und überlegte, was sie mit dem angebrochenen Abend machen sollte. Vielleicht ein wenig frische Luft schnappen? Sie schaute aus dem Fenster und beobachtete die Menschen, die am nahe gelegenen Strand entlangliefen. Bailey hatte ihr versichert, dass es sicher hier draußen war, also steckte sie Geld ein und verließ die Wohnung. Sie war so damit beschäftigt gewesen, mit Chris zu streiten und sich dann mit den Geschäftsbüchern zu befassen, dass sie die Insel noch gar nicht richtig erkundet hatte.

Sie spazierte auf der Strandseite der Straße in Richtung Süden. Bailey hatte ihr ein Lokal empfohlen, in dem es die besten Rippchen auf der Insel geben sollte. Ihr lief das Wasser im Mund zusammen, als sie sich Barney’s Happy Place näherte und ihr der Duft von würzigen Speisen in die Nase stieg. Sie blieb vor dem einfachen, ausgeblichenen Holzhaus stehen und versuchte, die Kundschaft von außen zu beurteilen. Der Eingang war mit bunten Lampen geschmückt und laute Reggae-Musik erklang aus der geöffneten Tür. Ihre Eltern und ihr Exmann wären entsetzt gewesen, wenn sie gewusst hätten, dass sie solch ein Lokal betreten wollte. Mit einem selbstzufriedenen Lächeln ging sie die paar Stufen hinauf.

Fast hätte sie auf dem Absatz kehrtgemacht, als sie die vielen Menschen sah. Die meisten schienen Einheimische zu sein mit ihrer bunten Kleidung und den Dreadlocks. Nur an einem Ecktisch saß ein Paar, das man an ihren verbrannten Nasen als Touristen erkennen konnte. Zum Strand hin war der Raum völlig offen.

Sie bahnte sich einen Weg zum Tresen und schwang sich auf einen Barhocker.

Der Barkeeper breitete eine rote Papierserviette vor ihr aus. “Was kann ich für Sie tun, Miss?”

Sie bestellte sich einen Cocktail und sah zu, wie er verschiedene Getränke mixte und das Ganze mit der Begeisterung eines Mannes anrichtete, der Spaß an seinem Job hatte.

“Wenn das nicht Miss Lucy höchstpersönlich ist, die den Einheimischen die Ehre erweist.”

Ihr Herz machte einen kleinen Sprung, als sie Chris’ Stimme neben sich vernahm, doch sie schrieb es der Überraschung zu. Sie wandte sich ihm zu und ließ langsam den Blick von seinem lockigen Haar hinunter zu dem Tank-Top und den Shorts wandern. Um von der Bewunderung, die vermutlich in ihren Augen lag, abzulenken, meinte sie: “So sehen Sie also aus, wenn Sie angezogen sind.”

Autor

Tina Wainscott
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