Erste Hilfe für mein Herz

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Er ist ein Teufel in attraktiver Menschengestalt: Summer muss sich klarmachen, dass Dr. Zac Mitchell nicht so charmant ist, wie er scheint. Der Notarzt hat das Leben ihrer Freundin zerstört - und versucht, sie zu töten! Es darf nicht sein, dass Summer ihr Herz an Zac verliert!


  • Erscheinungstag 06.02.2021
  • ISBN / Artikelnummer 9783751505567
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Er wirkte ganz und gar nicht so, wie sie gedacht hatte. Dass er wahnsinnig gut aussah, war keine Überraschung, schließlich hatte der hochgewachsene, dunkelhaarige Mann vor ein paar Jahren als der begehrteste Arzt am Auckland General Hospital gegolten. Doch Summer Pearson hatte erwartet, dass er ein absolutes Monster war. Nur schauten Monster einen nicht aus warmen braunen Augen an, und sie lächelten auch nicht so strahlend. Aber als Summer der Name des neuen Kollegen genannt wurde, konnte sie nicht anders, als misstrauisch zu sein.

„Dr. Mitchell?“

„Ja, korrekt.“

„Zac Mitchell?“

„Genau. Meine Oma nennt mich allerdings immer Isaac. Sie hält nichts davon, Namen zu verunstalten.“

Du liebe Zeit, jetzt erzählte er ihr schon von seiner Großmutter! In seinen Augen blitzte ein humorvoller Funke auf. Doch nach dem, was Summer von ihm zu wissen glaubte, konnte Zac auch ganz anders sein. Wenn er denn der Zac war.

„Und Sie haben tatsächlich früher schon mal im Auckland General Hospital gearbeitet? In der Notaufnahme?“, vergewisserte sie sich.

„So ist es. Die letzten Jahre war ich allerdings in Großbritannien als ständiger Bereitschaftsarzt im Hubschrauberrettungsdienst tätig.“

Graham, der Einsatzkoordinator, betrat den Dienstraum, über dem Arm einen orangefarbenen Fliegeroverall. „Ich habe einen in Ihrer Größe gefunden, Zac. Und hier ist noch ein T-Shirt. Wie ich sehe, haben Sie Summer schon kennengelernt.“

„Äh … eigentlich haben wir uns noch gar nicht richtig vorgestellt.“ Vielmehr hatte sie ihm zunächst wie im Gerichtssaal auf den Zahn gefühlt. Summer spürte, wie sie errötete.

„Sorry“, murmelte sie. „Ich bin Summer Pearson, Notfallsanitäterin, seit fast drei Jahren bei der Flugrettung.“

„Ich habe viel über Sie gehört.“ Mit etwas tieferer Stimme fügte Zac hinzu: „Nur Gutes.“

War das möglich … Versuchte er etwa, mit ihr zu flirten? Sie hatte über ihn auch eine Menge gehört. Und zwar nichts Gutes …

Also überging Summer das Kompliment und wandte sich an Graham. „Ich mache dann jetzt die übliche Einweisung, solange wir Ruhe haben.“

Von der Tür her kam ein Stöhnen. Ein weiterer Mann kam herein. „Oh nein, hat sie gerade das Stichwort gesagt?“

„Hat sie. Und, was schätzt du?“

„Acht Minuten.“

„Ich würde sagen, sechs.“ Graham grinste Zac an. „Das ist eine laufende Wette darüber, wie lange es dauert, bis ein Einsatz reinkommt, nachdem jemand das Stichwort gesagt hat. Zac, das hier ist Monty, einer unserer Piloten.“

Die Männer schüttelten sich die Hand. Dann blickten alle zu Summer, und sie versuchte, eine gut gelaunte Miene aufzusetzen, obwohl ihr nicht danach war.

„Drei Minuten“, schlug sie zögernd vor. Das war eher reines Wunschdenken, denn wenn jetzt wirklich ein komplizierter Einsatz mit einer Abseilaktion anstehen würde, dann müssten sie Zac zurücklassen, weil er noch nicht eingewiesen war. Aber was für einen Sinn ergab es, einen erfahrenen Arzt zurückzulassen? „Ich finde, wir sollten jetzt besser mit der Einweisung loslegen“, sagte sie daher schnell.

„Zeig ihm einfach, wo alles ist“, meinte Graham. „Mit Zac stößt einer der besten Ärzte zu uns, die wir je hatten. Er ist im Abseilen ausgebildet, hat das HUET-Sicherheitstraining absolviert und macht gerade sogar den Pilotenschein.“

Summer spürte, wie ihr Lächeln entgleiste, doch sie war beeindruckt. Das Helicopter Underwater Escape Training war nichts für Leute mit schwachen Nerven.

Zac tat Grahams Lob mit einem Achselzucken ab. „Ich bin mit Leib und Seele Notfallmediziner, das ist alles. Und draußen ist es einfach viel aufregender als drinnen in der Notaufnahme. Vielleicht bin ich ja nur noch nicht ganz erwachsen und brauche das Abenteuer.“

Doch mit Unreife war nicht zu entschuldigen, jemandes Leben zerstört und sich dann davongemacht zu haben. Summer musterte Zac. Ob sie Graham sagen sollte, dass es ihr nicht behagte, mit dem neuen Kollegen zusammenzuarbeiten?

Doch dazu bekam sie keine Gelegenheit. Ein schrilles Alarmsignal meldete ihnen einen neuen Einsatz.

Monty warf einen Blick auf seine Armbanduhr. „Zwei Minuten, zehn Sekunden. Du hast gewonnen, Summer.“

Summer nahm ihren Helm und setzte ihn auf. Sie hatte nicht das Gefühl, gewonnen zu haben.

Zac hatte sich Summer Pearson ganz anders vorgestellt. Es stimmte, dass sie klein war, kaum größer als einen Meter sechzig. Einschließlich ihrer etwas stachelig wirkenden kurzen blonden Haare reichte sie ihm gerade mal bis zur Schulter. Man hatte ihm erzählt, sie sei zierlich, aber knallhart, und eine der besten Sanitäterinnen in der Branche.

Mit ihr zusammenzuarbeiten würde Spaß machen, er habe Glück.

Sie hieß zwar Summer, doch statt Sommer hatte ihn heute eine eisige Atmosphäre überrascht. Zac hatte nicht gerade das Gefühl, Glück zu haben.

Oder vielleicht doch? Endlich saß er wieder in einem Helikopter. Das hatte er vermisst. Zudem flog er nicht mehr durch graue britische Wolken, sondern über das glitzernde blaue Wasser seiner Heimatstadt. Und jetzt waren sie unterwegs zur Coromandel Peninsula, zu einem seiner Lieblingsorte.

„Auto über Böschung gestürzt“, hörte er über die Lautsprecher in seinem Helm. „Auf der 309, zwischen dem Kauri Grove und den Waiau Falls. Rettungswagen und Feuerwehr sind an der Unfallstelle.“

„Ich nehme an, die 309 ist noch immer eine Schotterpiste“, sagte Zac.

„Sie kennen sie?“ Monty klang überrascht.

„Als Kind habe ich fast alle Ferien auf der Coromandel-Halbinsel verbracht. Ich liebe Wassersport.“

„Dann sollten Sie sich mal mit Summer unterhalten.“ Monty schmunzelte. „Sie ist nämlich die Königin des Stand-up-Paddelns.“

Das hätte Zac gern getan, aber Summer sah nicht danach aus, als ob sie mit ihm plaudern wollte. Sie hatte das Gesicht abgewandt und schien völlig von der Aussicht gefangen genommen zu sein.

Mit den breiten Riemen des Abseilgeschirrs über der Brust wirkte sie noch kleiner. Der Helm sah zu groß für ihren Kopf aus. Man hätte sie auf den ersten Blick für ein Kind halten können, das Verkleiden spielt. Doch an ihrem Profil konnte man unschwer sehen, dass sie erwachsen war.

Irgendwie hatte er das Gefühl, vor Gericht gestellt worden zu sein, und das Urteil war nicht eben günstig ausgefallen. Aber er hatte diese Frau noch nie zuvor gesehen, was also hatte sie an ihm verurteilt?

Möglicherweise passte es ihr einfach nicht, jemanden an Bord zu haben, dessen medizinische Kompetenzen ihre überstiegen. Oder brauchte sie erst die Bestätigung, dass seine Fähigkeiten so gut waren wie auf dem Papier? Dagegen wäre nichts einzuwenden.

Doch sie vermittelte ihm, nicht willkommen zu sein, sogar unerwünscht. Als hätte sie gespürt, wie er heftig die Stirn runzelte, drehte Summer sich zu ihm um. Ihre Blicke trafen sich, und sie sah ihn fast unhöflich lange an.

In der Tat … Sie war kämpferisch. Unerschrocken.

Wer würde zuerst wegsehen? Angespannte Situationen zu entschärfen war Zacs Spezialität. Er hatte sich diese Fähigkeit als Kind angeeignet, ohne die Gründe dafür wirklich zu begreifen, doch manchmal kam es ihm noch immer zugute. Üblicherweise musste er nur seinen Charme spielen lassen, und alles war gut. Er setzte ein entwaffnendes Lächeln auf, und Summer war tatsächlich kurz davor, zurückzulächeln. Dann drehte sie abrupt den Kopf zur Seite.

Ließ sie ihn absichtlich abblitzen? Zac versuchte, seine Enttäuschung oder mögliche Verärgerung nicht zu zeigen. Damit konnte er keine gute Arbeitsbeziehung zu dieser unerwartet kratzbürstigen jungen Frau aufbauen.

„In ein paar Minuten haben Sie einen guten Blick auf die Pinnacles“, sagte Summer.

„Es könnte böig werden, wenn wir über die Berge fliegen“, merkte Monty an. „Sobald wir über die Gipfel drüber sind, bekomme ich aktuelle Infos.“

Als Zac noch neu in diesem Job gewesen war, hatte er die Flugzeit genutzt, gedanklich alle möglichen Szenarien durchzuspielen. Vielleicht war bei einem Pneumothorax eine Druckentlastung der Brust nötig, oder eine schwere Kopfverletzung musste versorgt werden. Amputationen, unkontrollierbare Blutungen, die Liste eventueller Verletzungen war lang. Inzwischen hatte er gelernt, seine Energie nicht darauf zu verschwenden und sich besser zu entspannen. Er wusste, dass er mit allem umgehen konnte, was auf ihn zukam. Und die Aussicht zu genießen war sinnvoller, als zu versuchen, sich mit jemandem zu unterhalten, der offensichtlich keine Lust dazu hatte.

„Voraussichtliche Ankunft in zwei Minuten.“

„Verstanden.“ Summer beugte sich nach vorn. „Fahrzeuge auf elf Uhr. Ich sehe die Feuerwehr und den Notarzt.“

„Verstanden“, sagte Monty. „Zentrale? Hier Rescue One. Im Anflug auf Zielgebiet.“

Der Hubschrauber neigte sich, als er auf das Ziel einschwenkte. Monty nutzte jetzt die interne Kommunikationsfrequenz.

„Wir drehen windwärts“, kündigte er an. „Die Straße ist hier der einzige Platz zum Landen. Könnte staubig werden, Leute! Okay … wir setzen auf.“

Sie hatten die Türen schon geöffnet, noch bevor sich die Staubwolke gelegt hatte. Zac öffnete seinen Sicherheitsgurt und schulterte einen der beiden Rucksäcke.

Summer griff sich den anderen und eine tragbare Sauerstoffflasche. Sie kletterten nach draußen.

Seltsam, dachte Summer. Sie hatte das Gefühl, sich bereits daran gewöhnt zu haben, mit Zac zusammenzuarbeiten. Vielleicht, weil er genau zu wissen schien, was er tat.

Als sie die Menschentraube am Straßenrand neben dem Einsatzwagen der Feuerwehr erreichten, ließ er ihr den Vortritt, sodass der kommandierende Feuerwehrmann sich zuerst an sie wandte.

„Wir haben das Fahrzeug gesichert, aber die Fahrerin steckt noch drin. Ganz schön abschüssig dort.“

„Nur eine einzige Insassin?“, fragte Summer.

„Ja. Eine Frau, dreiundachtzig. Sie heißt Frances.“

„Zustand?“

„Sieht ernst aus.“

Ein Rettungssanitäter trat zu ihnen. „Sie ist sehr verstört. Wir sind nicht nahe genug an sie herangekommen. Wahrscheinlich ist sie schwer verletzt.“

„Zugang zum Fahrzeug?“

„Mit der Leiter. Allerdings ist sie zu kurz. Seien Sie vorsichtig. Da sind Bäume, an denen Sie sich festhalten können.“

„Prima“, meinte Summer. „Wir steigen runter und prüfen mal die Lage.“

Sie warf Zac einen Blick zu. Größe und Gewicht würden ihm das Hinabklettern und den Zugang zum Fahrzeug erschweren. Wahrscheinlich nahm am besten sie die Ersteinschätzung der Patientin vor.

„Soll ich als Erster hinuntersteigen?“, fragte Zac. „Und die Leiter ausprobieren?“

„Wenn Sie mögen.“ Damit, dass er an ihre Sicherheit dachte, machte Zac ein paar Pluspunkte bei ihr.

Die schmale Leiter lehnte im Gestrüpp des Unterholzes an einer fast senkrecht abfallenden Klippenwand.

„Doch … gute Idee, Zac“, sagte sie. „Schließlich kann viel weniger passieren, wenn ich auf Ihnen lande als umgekehrt.“

„Ich fungiere immer gern als Polster.“ Zac reichte dem Feuerwehrmann seinen Rucksack und stieg dann, ohne zu zögern, auf die Leiter. Ein Seil, das am Heck des Feuerwehrwagens verankert war, verhinderte, dass die Leiter nach unten wegrutschte, doch Seitwärtsbewegungen waren damit nicht zu kontrollieren. Ein weiteres Seil war am Heck des Autos befestigt, das zwischen zerdrücktem Gestrüpp gut fünfzehn Meter unterhalb der Böschung herausragte.

„Das Gestrüpp hat den Sturz abgebremst“, sagte der Feuerwehrmann. „Vermutlich hat sie es deshalb überlebt.“

Zac war inzwischen schon halb unten. Er bewegte sich ganz vorsichtig, damit die Leiter nicht schaukelte.

Summer fasste nach der obersten Sprosse. Sie liebte solche Herausforderungen. Direkt unter ihr war Zac. Jedes Mal, wenn die Leiter schwankte, vergewisserte er sich, dass sie den Halt nicht verloren hatte.

Als sie nahe genug beim Auto waren, musste Summer die Führung übernehmen. An dem im Gestrüpp versteckten Steilheck des Wagens vorbei konnte man nicht viel sehen. Vorn auf der Beifahrerseite war die Scheibe zertrümmert. Summer steckte den Kopf durch die Öffnung.

„Hallo! Sind Sie Frances?“

Die ältere Dame stöhnte auf. Ihre Stimme zitterte. „Bitte holen Sie mich hier raus!“

„Deshalb sind wir hier. Ich bin Summer, und das ist Zac. Fällt Ihnen das Atmen schwer?“

„Ich … ich glaube nicht.“

„Tut Ihnen irgendetwas weh?“

„Ich … ich weiß nicht … Ich habe Angst!“

Summer versuchte, den Zustand ihrer Patientin zu beurteilen. Sie hatte blasse Haut und eine blutende Beule am Kopf. Die Brust der Frau hob und senkte sich schnell. Je verstörter sie war, umso schwieriger war eine Einschätzung.

Auch auf der Fahrerseite war die Scheibe zerbrochen. Plötzlich wurde das Unterholz zur Seite gedrückt. Zacs Gesicht tauchte auf. Wie hatte er es nur geschafft, auf die andere Seite zu gelangen?

Er beugte sich vor, um der Frau beruhigend eine Hand auf die Stirn zu legen. Wahrscheinlich wollte er so verhindern, dass sie den Kopf zu ihm drehte. Möglicherweise hatte sie eine Verletzung im Halswirbelbereich.

„Alles wird gut, Sweetheart“, sagte er. „Wir kümmern uns jetzt um Sie.“

Sweetheart? War das die richtige Anrede für eine dreiundachtzigjährige Frau?

„Oh …“ Frances schien nicht beleidigt zu sein. „Oh … Wer sind Sie?“

„Mein Name ist Zac. Ich bin Arzt.“

„Kenne ich Sie?“

„Jetzt ja.“ Er beugte sich weiter hinein und lächelte.

„Oh …“ Frances seufzte erleichtert und lächelte unsicher zurück. „Vielen Dank, mein Lieber! Ich habe solche Angst gehabt …“

„Ich weiß.“ Seine Stimme klang verständnisvoll, beruhigend. Hielt er ihre Hand oder fühlte er ihr den Puls? „Summer, schaffen Sie es, die Tür auf Ihrer Seite zu öffnen? Hier ist sie blockiert.“

Ein Feuerwehrmann half ihr mit einer Brechstange, sie aufzuhebeln.

Jetzt konnte Summer sich vorsichtig ins Wageninnere schieben. Sie hielt den Atem an. Der Wagen knarzte und machte eine leichte Vorwärtsbewegung. Frances bekam Angst.

„Oh nein … Hilfe!“, rief sie.

„Die Seile haben nur das zusätzliche Gewicht aufgenommen. Sie sind sicher“, erklärte Zac. Die Zuversicht in seinem Tonfall tröstete diesmal auch Summer. „Oben auf der Straße steht ein schwerer Feuerwehrwagen, und Ihr Auto ist ganz fest damit verbunden. Entspannen Sie sich, Sweetheart …“

Wieder hatte er das freche Kosewort gesagt.

Summer hätte auf keinen Fall zugeben mögen, dass ihr Herzschlag einen Moment ausgesetzt hatte, als sie fürchtete, das Auto würde sich weiter die Klippe hinabbewegen. Aber noch weniger wollte sie sich das warme Gefühl eingestehen, das sie bei diesem Kosewort überkam.

Plötzlich fiel es ihr leicht, sich ganz auf die Arbeit zu konzentrieren. Sie nahm ihr Stethoskop. „Atmen Sie einmal tief für mich ein, Frances.“

Beide Lungenflügel füllten sich gleichmäßig mit Luft. Nur der Puls war unregelmäßig und ein wenig zu schnell. Das ließ auf ein Herzleiden schließen, obwohl Frances das bestritt. Dort, wo Frances Schnittwunden in der dünnen Haut erlitten hatte und Blut verlor, mussten Druckverbände angelegt werden. Summer legte ihr noch eine Halskrause an, während Zac Kopf und Nacken der alten Dame ruhig hielt.

„Tut mir leid, Frances“, sagte Summer. „Das ist jetzt unbequem, aber es stützt Ihren Nacken, während wir Sie hier rausholen. Wir können Sie erst oben im Notarztwagen richtig untersuchen.“

„Ist schon in Ordnung, meine Liebe“, antwortete Frances, doch es war Zac, den sie dabei anschaute. Seine Hand war es, die sie durch das Fenster hielt.

„Sie haben auch sicher keine Schmerzen?“, fragte Summer.

„Meine Brust schmerzt ein wenig. Und mein Arm …“

„Wir können Ihnen etwas gegen die Schmerzen geben.“

Frances schüttelte den Kopf. „Ich halte das schon aus, so schlimm ist es nicht …“

Summer blickte zu Zac.

Er nickte. „Jetzt eine Kanüle zu legen und ihr beim Transport eine Infusion zu geben wäre ohnehin kompliziert. Aber ein wenig Sauerstoff dürfte nicht schaden, was meinen Sie?“

„Finde ich auch.“

Sie erklärten Frances, wie sie sie aus ihrem Wagen befreien würden.

„Machen Sie sich keine Sorgen“, sagte Summer. „Wir haben eine Menge kräftiger Feuerwehrmänner hier, um Sie den Berg hinaufzuschaffen.“

„Oje … Ich bereite Ihnen so viele Umstände.“

„Das ist unser Job“, meinte Zac. „Hätten die Leute keine Unfälle oder würden sie nicht krank, wären wir arbeitslos.“ Wieder lächelte er. „Und wir lieben unsere Arbeit, nicht wahr, Summer?“

Diesmal musste sie einfach zurücklächeln, doch sie drehte den Kopf schnell wieder zu der Patientin. „Oh ja, das tun wir. Okay, Frances. Sind Sie bereit?“

Sie mussten sie so vorsichtig wie möglich aus dem Wagen holen, denn die alte Frau konnte Knochenbrüche oder innere Verletzungen erlitten haben. Falls sich Frances’ Schmerzen während der ganzen Prozedur verstärkten, ließ sie es sich nicht anmerken. Sie wirkte fast entspannt, als das Rettungsteam sie in der Trage ganz langsam zur Straße hochzog.

Im Krankenwagen wurde Frances von Zac genauer untersucht. Ein Rettungssanitäter füllte ein paar Formulare aus.

„Ihre nächsten Angehörigen?“

„Ich habe keine. Nicht mehr.“

„Gibt es jemanden, den wir für Sie anrufen können?“

„Vielleicht meine Nachbarin. Damit sie sich um die Katzen kümmert. Deswegen war ich überhaupt unterwegs. Im Supermarkt in Whitianga gibt es gerade ein Sonderangebot für Katzenfutter.“

Zac legte den venösen Zugang so geschickt, dass wahrscheinlich nicht einmal ein blauer Fleck zurückbleiben würde. Summer hängte die Flasche mit der Infusionsflüssigkeit auf. Sie bemerkte, wie sorgfältig und behutsam er bei seiner weiteren Untersuchung vorging und dabei doch so zügig agierte, dass sie schnellstmöglich starten konnten.

Die EKG-Elektroden waren angebracht, und die Monitore zur Überwachung von Blutdruck und Sauerstoffsättigung liefen. Zac behielt sie beständig im Auge. Er warf ihr einen fragenden Blick zu, und Summer nickte. Der Herzschlag war nicht kritisch, aber definitiv unregelmäßig und musste behandelt werden.

„Haben Sie Schwindelanfälle, Frances?“, fragte Zac. „Haben Sie sich vor dem Unfall bereits krank gefühlt?“

„Ich glaube nicht. Ich kann mich einfach nicht erinnern …“

„Welche Medikamente nehmen Sie ein?“

„Gar keine. Nur Calcium. Ich bin so gesund wie ein Fisch im Wasser. Musste schon seit Jahren nicht mehr zum Doktor!“

„Es ist vielleicht gar nicht schlecht, wenn Sie im Krankenhaus mal so richtig durchgecheckt werden.“

„Ich mag keinen Arzt bemühen, wenn es nicht wirklich nötig ist.“

„Das verstehe ich. Meine Oma sieht das genauso“, sagte Zac.

„Wie alt ist sie?“

„Zweiundneunzig.“

Summer war gerade dabei, Verbandsstoff für die oberflächlichen Verletzungen bereitzulegen. Sie sah Zac belustigt an. Es würde ihr nicht im Traum einfallen, anderen von ihrer Familie zu erzählen. Was hatte er nur immer mit seiner Großmutter? Der Stolz in seiner Stimme war nicht zu überhören und passte nicht so recht zu dem, was Summer über ihn gehört hatte.

„Sie geht jeden Tag schwimmen“, erzählte Zac weiter. „Schon ihr ganzes Leben lang. Tut es weh, wenn ich hier drücke?“

„Aua … ja!“

„Können Sie mit den Fingern wackeln?“

„Das tut auch weh. Ist da etwas gebrochen?“

„Möglicherweise. Wir legen eine Schiene an, um die Hand ruhig zu halten, bis Sie geröntgt werden. Vielleicht geben wir Ihnen auch ein Schmerzmittel. Sie müssen hier nicht tapfer sein und es aushalten. Lassen Sie ruhig zu, dass sich andere um Sie kümmern.“

Da wurde Frances kurz etwas weinerlich, doch der Transport zum Hubschrauber und der Abflug lenkten sie wieder ab.

Summer betrachtete sie nachdenklich. Ob Frances das Ganze nur so stoisch ertrug, weil alles andere sinnlos wäre? Musste außer ihrer Nachbarin wirklich niemand über den schlimmen Unfall informiert werden?

Der Gedanke machte sie traurig. Summer beobachtete, wie die Menschen am Boden immer kleiner wurden, als der Hubschrauber abhob und sich landeinwärts drehte, um nach Auckland zurückzukehren. Die kleine Stadt Coromandel, wo Frances lebte, wurde kurz sichtbar und verschwand wieder. Summer drehte sich zu der alten Dame um. Sie fragte sich, ob es sie beunruhigte, so weit weg von ihrem Zuhause gebracht zu werden.

„Das Morphium wirkt.“ Zacs Stimme klang laut in ihrem Helm. „Frances macht ein kleines Schläfchen.“ Sein Blick ruhte auf dem Herzmonitor. „Sie ist stabil. Genießen Sie die Aussicht.“

Doch Summer fühlte eine seltsame Leere. Und wenn sie selbst nun in einer so abgeschiedenen Gegend einen Unfall hätte? Wem würde sie Bescheid geben lassen? Seit sie über dreißig war, hatte sie in solchen Augenblicken immer häufiger das Gefühl, versagt zu haben, weil sie noch keinen Partner hatte. Alle in ihrem Alter schienen zu heiraten und Familien zu gründen. Es gab niemanden, der sie „Sweetheart“ nannte, ihr das Gefühl vermittelte, geborgen zu sein und geschätzt zu werden. Sie hatte ja versucht, jemanden zu finden, die Beziehungen waren nur nie gut gelaufen.

Allerdings musste Summer zugeben, sich nicht besonders angestrengt zu haben. Sie hatte sich eingeredet, dass sie noch viel Zeit hatte und ihre Karriere wichtiger war, doch wahrscheinlich steckte noch mehr dahinter. In Momenten wie diesem kam es ihr immer so vor, als hätte sie ihre Mutter erst gestern verloren, nicht bereits vor über fünfzehn Jahren. Ihre Mum hatte ihr damals vermittelt, Männern nicht zu trauen, und das hatte sich eingeprägt.

Würde sie in einer Notsituation ihren Vater als nächsten Angehörigen nennen? Vermutlich nicht. Seit der Beerdigung ihrer Mutter hatte sie ihn nicht mehr gesehen. Summer war immer noch wütend, weil er die Dreistigkeit besessen hatte, dort aufzukreuzen.

Sie würde es wohl wie Frances machen und einen Nachbarn anrufen lassen, damit jemand ihr Haustier versorgte.

Ihr Leben war gar nicht traurig. Sie hatte eine Menge Freunde. Da waren ihre Kollegen und ihre älteste Freundin Kate, die alles tun würde, um ihr zu helfen. Nur schade, dass sie gut eine Autostunde entfernt in Hamilton lebte. Wobei das keine Entschuldigung dafür war, dass sie schon so lange nicht miteinander gequatscht hatten.

Und inzwischen gab es eine ganze Menge zu bequatschen …

Zac behielt Frances während des Fluges im Auge und schien sichtlich zufrieden, dass ihr Zustand stabil blieb. Summer nahm ihr Handy heraus, um schnell eine SMS zu tippen.

Hey, Kate. Wie stehts? Abends zu Hause?

Sie bekam prompt Antwort:

Hab spät Schluss, bin aber um zehn Uhr zu Hause. Ruf mich an. Reden wäre gut.

Das wäre es in der Tat. Allerdings musste sie ihre Freundin vorwarnen.

Du rätst nie, wer wieder in der Stadt ist!

2. KAPITEL

„Zac! Seit wann bist du denn zurück?“, rief eine Krankenschwester freudestrahlend aus. Sie rollte gerade einen Infusionsständer durch die Notaufnahme, als die Crew des Rettungshubschraubers aus dem Traumaraum kam.

„Erst seit letzter Woche. Ich hab dich hier bisher noch nicht gesehen, Mandy.“

„Ich hatte Urlaub. Hab meinen neuen Bikini an einem Strand auf Rarotonga ausprobiert.“

„Wie nett.“

„Das ist er. Ich werde ihn wohl an meinem nächsten freien Tag noch einmal an den Takapuna-Strand ausführen.“

Es überraschte Summer nicht, dass Mandy lieber annahm, Zac hätte sich auf den Bikini und nicht die Pazifikinsel bezogen. Mandy war beliebt. Sie konnte flirten wie ein Weltmeister. Man munkelte, dass es nicht immer beim Flirten blieb, doch Summer gab nichts auf das Gerede. Auf der Arbeit war Mandy schließlich immer sehr hilfsbereit und nett.

Mandys Lächeln war so freundlich wie immer, doch Summer musste sich anstrengen, um zurückzulächeln. Lag es an dem Ton in Zacs Stimme, als er mit Mandy geredet hatte? Oder an dem herzlichen Blick, den die beiden gewechselt hatten? Summer runzelte die Stirn. Daran war nichts Ungewöhnliches, warum also war sie so verärgert?

Wahrscheinlich, weil ihr Bauchgefühl versucht hatte, sie davon zu überzeugen, dass Zac nicht so ein Monster war, wie man ihr erzählt hatte. Dass jemand, der eine verängstigte ältere Patientin so behandelte, als wäre sie seine eigene Großmutter, womöglich doch kein schlechter Mensch war.

Sie hatten Frances gerade den Kollegen im Traumaraum übergeben. Zac hatte versprochen, sie zu besuchen. Unter Tränen hatte Frances Rob, dem Notarzt auf der Station, erzählt, dass „dieser gute Junge“ ihr das Leben gerettet hatte.

„So kennen wir unseren Zac“, hatte Rob grinsend erwidert. „Wir schätzen uns glücklich, dass wir ihn zurückhaben, aber gelegentlich lassen wir ihn zum Spielen zu den Hubschraubern hinaus.“

Das brachte Summer in Erinnerung zurück, dass sie sich hier auf Zacs Terrain befand, denn er war auch als zusätzlicher Stationsarzt eingestellt worden. Nach drei Jahren beim Rettungsdienst in Auckland, sowohl im Straßeneinsatz als auch bei der Luftrettung, fühlte sie sich an allen Einsatzorten heimisch, auch hier auf der Station. Aber ganz unterschwellig hatte sich gerade etwas verändert. Zac war es, den Frances für ihren Lebensretter hielt. Außerdem war er Arzt und nicht nur wegen seiner Kompetenzen angesehen, sondern auch als Mensch beliebt. Möglicherweise noch beliebter als Mandy.

Wusste denn keiner hier, was sie über Zac wusste?

Summer hatte es selbst schon fast angezweifelt, doch es hatte sie wachgerüttelt, wie er und Mandy sich angesehen hatten. Beinahe hätte sie sich wie zahllose andere Frauen von seinem Charme einwickeln lassen. Wie Mandy oder Kates Schwester Shelley. Doch Summer konnte nicht ausblenden, wie Shelleys Leben zerstört worden war.

„Hey, Summer.“ Mandy lächelte noch immer. „Ihr habt uns also unseren Zac weggenommen?“

Autor

Alison Roberts
Alison wurde in Dunedin, Neuseeland, geboren. Doch die Schule besuchte sie in London, weil ihr Vater, ein Arzt, aus beruflichen Gründen nach England ging. Später zogen sie nach Washington. Nach längerer Zeit im Ausland kehrte die Familie zurück nach Dunedin, wo Alison dann zur Grundschullehrerin ausgebildet wurde.
Sie fand eine Stelle...
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Alison Roberts
Alison wurde in Dunedin, Neuseeland, geboren. Doch die Schule besuchte sie in London, weil ihr Vater, ein Arzt, aus beruflichen Gründen nach England ging. Später zogen sie nach Washington. Nach längerer Zeit im Ausland kehrte die Familie zurück nach Dunedin, wo Alison dann zur Grundschullehrerin ausgebildet wurde.
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