Gib unserer Liebe eine Chance!

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Es ist bloß eine leidenschaftliche Affäre während eines Schneesturms. Jetzt hat sich das Wetter wieder beruhigt, und es gibt keinen Grund für Caro, länger bei Jake zu bleiben. Abgesehen davon, dass sie unrettbar ihr Herz an ihn verloren hat! Doch ihre Liebe scheint ohne Zukunft …


  • Erscheinungstag 19.02.2022
  • ISBN / Artikelnummer 9783751513777
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Jack McCabe ballte eine Hand zur Faust. Er spürte einen furchtbaren Schmerz und eine sinnlose Wut. Zu gern hätte er mit der Faust auf die Wand eingeschlagen. Er hätte blutige Knöchel in Kauf genommen, wenn er sich damit nur ein klein wenig Erleichterung verschafft hätte.

Stattdessen löste er langsam die Faust, schlug sein Tagebuch auf und nahm einen Stift zur Hand. Es befand sich bislang nur ein einziger Eintrag darin, geschrieben vor ein paar Monaten. Damals hatte der Psychologe, der für sein Polizeirevier zuständig war, ihm geraten, Tagebuch zu führen. So sollte er seine Gedanken sammeln und seinen Gefühlen Luft machen.

„Was für ein Unsinn“, stand dort. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass es mir weiterhilft, wenn ich Tagebuch führe.“

Als die neue Wunde nun in ihm schmerzte, schrieb er das auf, was er nicht aussprechen konnte. Er fand dadurch zwar keinen Frieden, denn den konnte es für ihn nicht geben, aber er stellte fest, dass der Psychologe recht gehabt hatte. Er musste seinen angestauten Gefühlen endlich Luft machen. Die Wörter flossen in einem bitteren Strom aus ihm heraus. Erst ein Absatz, dann zwei, geschrieben in seiner kräftigen Schrift.

Danach ließ Jake den Kopf sinken und weinte. Tränen verschmierten die Tinte, sodass der erste Satz bald nicht mehr zu lesen war. Das machte nichts. Er würde sich an die Wörter erinnern, wenn der wütende Sturm seiner aufgewühlten Gefühle sich längst beruhigt hatte.

„Miranda hat unser Baby getötet.“

1. KAPITEL

Das Auto prallte so hart gegen die Schneewehe, dass der Airbag aufging. Aber immerhin war der Wagen nach einer endlosen Schlitterpartie auf der eisglatten Straße endlich zum Stehen gekommen.

Carolin Franklin Wendell nahm langsam die zitternden Hände vom Steuer und fuhr sich über das Gesicht. Es war nicht das eigene Leben gewesen, das in der Schrecksekunde vor ihrem inneren Auge vorbeigezogen war. Es war das Leben ihres Sohnes Cabot gewesen. Wenn sie gestorben wäre, dann hätte er bei seinem Vater und seiner Großmutter aufwachsen müssen. Bei dem Gedanken erschauderte sie.

Caro starrte durch die Windschutzscheibe. Ihr Kleinwagen steckte in der Schneewehe fest. Aber Caro wusste, dass ihr Leben vom richtigen Weg abgekommen war, lange bevor sie auf der Straße ins Schleudern geraten war. Seitdem sie vor vier Jahren törichterweise Truman geheiratet hatte, war ihr das eigene Leben entglitten. Nur hatte sie es sich selbst bislang nicht eingestehen wollen.

Noch an diesem Morgen, als sie beschlossen hatte, zu ihrem Mann zurückzukehren, hatte sie insgeheim gehofft, einen Weg aus diesem Albtraum zu finden. Nicht um ihrer selbst willen, sondern für Cabot. Ihr Sohn war das einzig Gute, was aus ihrer Ehe mit dem Erben einer der reichsten und mächtigsten Familien Neu-Englands hervorgegangen war.

Ihr Herz schlug wie wild, und sie zitterte am ganzen Körper. Sie ließ die Stirn auf das Lenkrad sinken und wusste mit einem Mal, dass es die Wahrheit war. Truman hatte recht. Sie hatte keine andere Wahl.

Es ist nur zu deinem Besten, Caroline. Du brauchst mich.

Caro wusste nicht, wie lange sie schon so dagesessen hatte. Der letzte Rest Wärme war aus dem Auto entwichen. Wenn sie ausatmete, konnte sie weiße Wölkchen sehen, ihre Fingerspitzen kribbelten vor Kälte, obwohl sie in kaschmirgefütterten Lederhandschuhen steckten. Sie zog das Handy aus ihrer Handtasche. Nun musste sie ihren Mann anrufen, um ihre Verspätung anzukündigen und um mehr Zeit zu bitten. Aber wenn es um ihren Sohn ging, dann würde sie sogar betteln. Doch zuerst brauchte sie einen Abschleppwagen und ein warmes Plätzchen, wo sie die Reparatur ihres Autos abwarten konnte.

Sie klappte das Handy auf und betrachtete einen Moment das Foto ihres Sohnes auf dem Display. Er lächelte, glücklich und sorglos, wie es sich für ein Kind gehörte. Sie fuhr zärtlich mit dem Finger über sein Engelsgesicht, dann stellte sie erschrocken fest, dass ihr Telefon keinen Empfang hatte.

Sie kämpfte mit der Tür, dann stieg sie in den knietiefen Schnee, hob das Handy in die Luft und drehte sich langsam im Kreis.

Immer noch kein Empfang.

Sie stopfte das Handy in die Tasche ihrer Winterjacke und schimpfte. Ihre Worte schwebten auf einer kleinen Atemwolke davon.

Ich muss auf Hilfe warten, dachte sie. Allerdings war es fraglich, ob noch ein Autofahrer so dumm wäre, sich bei diesem Wetter auf die Straße zu wagen. Die reine Verzweiflung hatte Caro dazu getrieben. Sie sah in die Richtung, aus der sie gekommen war. Sie war an einer Tankstelle vorbeigefahren, als sie törichterweise beschlossen hatte, die Autobahn zu verlassen, da die Straßenverhältnisse dort immer schlechter geworden waren. Das war vor fünf oder sechs Kilometern gewesen. Sie trug Stiefel, aber das weiche Leder und die sieben Zentimeter hohen Absätze waren nicht für dieses Wetter gedacht, schon gar nicht für eine anstrengende Wanderung.

Sie schaute in die andere Richtung. Was mochte sie auf dem Weg, den sie eingeschlagen hatte, noch erwarten?

Bei ihrem Pech würde sie wahrscheinlich kilometerlang nur Ahornbäume und Schneewehen sehen. Sie hatte den Unfall zwar überlebt, aber aus dem Schlimmsten war sie noch längst nicht heraus. Tränen stiegen ihr in die Augen, und ihr Atem ging schneller. Was sollte sie bloß tun? Sie hatte einen Termin einzuhalten.

Mit einem Mal meinte Caro, in der Ferne das Klingeln von Glöckchen zu vernehmen. Wahrscheinlich ist es nur der Wind, dachte sie. Doch einen kurzen Moment später erschien hinter der Kurve ein Mann auf einem Pferd. Die Krempe seines Huts war voller Schnee, ebenso die breiten Schultern, die in einem schweren Wildledermantel steckten. Ich muss träumen, dachte Cora. Doch der Mann kam näher, und sie konnte seine markanten Gesichtszüge erkennen: dunkle Augen, kantige Wangenknochen, Bartschatten am Kinn.

Carolines Herz setzte einen Schlag aus, dann gaben ihre Knie nach und sie sank in den Schnee.

Wahrscheinlich bin ich tot, dachte sie.

Nachdem Jake die Frau entdeckt hatte, wischte er sich mit der Hand über die Augen. Bestimmt bilde ich es mir nur ein, dachte er. Keine Frau würde sich bei diesem fürchterlichen Wetter freiwillig draußen aufhalten. Er selbst war nur deshalb hinausgestürmt, weil er seine Wut hatte abreagieren müssen. Und er hatte das Pferd mitgenommen. Die alte Bess kannte den Weg ins sichere Zuhause besser als er.

Als er sah, wie die Frau zusammenbrach, sprang er aus dem Sattel und kämpfte sich durch den knietiefen Schnee zu ihr. Er hockte sich neben sie und widerstand dem Wunsch, sie in die Arme zu nehmen.

Dein Freund und Helfer.

Es war eine Ewigkeit her, da war das sein tägliches Brot gewesen. Jetzt nicht mehr.

„Hallo, hören Sie mich?“ Seine scharfe Stimme schnitt wie ein Messer durch die kalte Luft. „Geht es Ihnen gut?“

Sie starrte ihn aus glasigen Augen an. Angst lag in ihrem Blick. Es war nicht das erste Mal, dass Menschen so auf ihn reagierten. Er kannte diesen Blick aus langjähriger Berufserfahrung.

Aber dann tat sie etwas, dass ihn direkt ins Herz traf. Sie hob eine zitternde Hand an seine Schläfen und fragte: „Sind Sie ein Engel?“

Die Frage überraschte ihn. Man hatte Jake in den letzten Jahren eine Menge Namen verpasst. Engel war nicht dabei gewesen.

„Nein, kein Engel.“

„Ich dachte, …“

„Sind Sie verletzt?“

Sie runzelte die Stirn. „Ich glaube, nicht.“

„Und Sie haben sich auch nicht den Kopf gestoßen?“

Er sah zum Auto und entdeckte den schlaffen Airbag. Er hatte sie vor einem stärkeren Aufprall geschützt, was allerdings nicht hieß, dass sie keine inneren Verletzungen davongetragen hatte.

„Mir geht es gut“, beharrte sie. Als ob sie ihre Aussage unter Beweis stellen wollte, rappelte sie sich mühsam auf.

Jake stand ebenfalls auf. Die Frau war größer als erwartet, wenn man ihre zierliche Erscheinung bedachte. Nicht zierlich, entschied er. Zart. Das war ein erheblicher Unterschied.

Ihr Scheitel reichte bis eben an seine Nase heran. Im hohen Schnee waren ihre Füße nicht zu sehen. Aber Jake konnte schwören, dass sie unpraktisches, hochhackiges Schuhwerk trug, das zu ihrer modischen, aber unzweckmäßigen Kleidung passte. Was für ein Glück, dass er im rechten Moment aufgetaucht war. Allein hätte sie wohl keine weitere Stunde durchgehalten.

Die Menschen brauchen dich, Jake.

„Mit meinem Auto sieht es allerdings anders aus“, sagte sie. „Ich bin mir nicht sicher, wie groß der Schaden ist, aber es muss abgeschleppt und repariert werden.“

Die Menschen zählen auf dich, Jake.

Er verdrängte den Gedanken und betrachtete das kleine Fahrzeug. Wahrscheinlich verbrauchte es nur wenig Benzin, aber das war auch alles, was für das Auto sprach. Schroffer als beabsichtigt, sagte er: „Das nennen Sie ein Auto? Es sieht eher wie ein Spielzeug aus.“

Die Frau lachte, aber es klang eher hysterisch als fröhlich. Wenn er nicht aufgekreuzt wäre, hätte sie wohl nicht einmal mehr eine halbe Stunde durchgehalten.

„Wie dem auch sei. Wissen Sie, ob es eine Werkstatt in der Nähe gibt? Und ein Telefon? Mein Handy hat hier kein Netz, und ich muss den Abschleppdienst anrufen.“

„Sie können vom Gasthof aus telefonieren.“

Sie seufzte erleichtert auf. „Es gibt einen Gasthof in der Nähe?“

Er nickte. „Die Straße hinunter, in etwa 800 Metern Entfernung.“

„Wissen Sie, ob noch ein Zimmer frei ist?“ Sie griff nach seinem Arm. „Bitte sagen Sie ja.“

Jake schluckte, als er in zwei haselnussbraune Augen blickte. „Ich bin sicher, es ist noch etwas frei.“

In Wahrheit war der Gasthof nur noch ein Schatten seiner selbst. Genau wie der Mann, der ihn vor ein paar Monaten gekauft hatte. Der Gasthof hatte eigentlich geschlossen, aber an diesem Osterwochenende waren tatsächlich Gäste gekommen. Jakes gesamte Familie hatte ihm einen Überraschungsbesuch abgestattet. Und das war der Grund, warum er sich bei dem heftigen Schneesturm draußen aufhielt.

Seine Eltern, sein Bruder, seine Schwägerin und ihre beiden Kinder waren am Tag zuvor unangemeldet aufgetaucht. Keine 24 Stunden später hatte er sich mit seinem jüngeren Bruder in den Haaren gelegen. Er war lieber aus dem Haus gelaufen, als etwas zu sagen, was er später bereuen würde.

„Gott sei Dank“, sagte die Frau. „K…könnten Sie mich vielleicht hinbringen?“ Ihr Blick fiel auf das Pferd. Bess wartete geduldig ein paar Meter abseits. Normalerweise wurde das Tier eingesetzt, um den großen Pferdeschlitten zu ziehen. Jake hatte es beim Kauf des Hauses als Dreingabe erhalten.

„Natürlich.“

Er klang nicht sonderlich glücklich. Ihr Gesichtsausdruck verriet, dass es ihr nicht entgangen war.

„Sie haben gesagt, dass es nur 800 Meter sind. I…ich kann hinlaufen.“ Sie machte einen unbeholfenen Schritt im Schnee.

„Sicher.“ Seine Stimme klang abfällig. „Mit dieser Kleidung können Sie froh sein, wenn Sie sich nicht schon nach einem Meter zu Tode frieren.“

Sie drehte sich aufgebracht zu ihm um. Ihre haselnussbraunen Augen funkelten wütend, und die rote Farbe ihrer Wangen rührte nicht nur vom bitterkalten Wind her. „Ich bin nicht hilflos! Ich komme gut allein zurecht!“

Die Worte hallten von den Ahornbäumen wider. Schnee fiel von den Zweigen. Vielleicht ist sie nicht hilflos, dachte Jake. Aber sie war ganz bestimmt verzweifelt. Er hatte diesen Gesichtsausdruck bei Menschen gesehen, deren Angehörige in den Drogenhandel verstrickt waren. Bei jenen Menschen hatte er genau gewusst, was ihnen Kummer bereitete. Aber welchen Grund hatte eine Frau, die ihrem Äußeren nach mit dem schönen Leben der Reichen vertraut war, verzweifelt zu sein?

Er verdrängte die Frage und den alten Wunsch zu helfen. Es geht mich nichts an. Jake hatte sich offiziell vom Heldengeschäft verabschiedet. Allerdings hatte man ihm keine andere Wahl gelassen.

Trotzdem sagte er jetzt: „Kommen Sie, ich helfe Ihnen in den Sattel.“

Die Frau sah unsicher zum Pferd. „Es macht mir wirklich nichts aus, zu Fuß zu gehen.“ Sie klang jetzt weniger stolz als ängstlich.

„Aber mir. Dann werden wir nämlich mindestens doppelt so lange unterwegs sein.“ Seine Stimme klang jetzt etwas sanfter. „Sie müssen keine Angst vor Bess haben. Sie tut nichts.“

Die Frau zeigte zu ihrem Auto. „Was passiert mit meiner Tasche?“

Er musste sich stark zusammennehmen, um nicht die Augen zu verdrehen. „Wie groß ist sie?“

„Ich rede nicht von meinem Gepäck auf dem Rücksitz. Ich brauche nur meine Kulturtasche. Sie liegt auf dem Beifahrersitz.“

Beim Blick durch das Fenster verzog er das Gesicht. Die Tasche war immerhin so klein, dass sie auf einem Flughafen als Handgepäck durchgegangen wäre. Aber da ihre Reise auch ohne zusätzliches Gepäck recht heikel war, sagte er: „Ich werde sie später holen.“

Er hatte erwartet, dass sie widersprechen würde. Stattdessen stapfte sie durch den Schnee zum Pferd. Obwohl der Wind heulte, konnte Jake den Singsang hören, mit dem sie sich Mut machte: „Ich schaffe das, ich schaffe das.“

Er half ihr in den Sattel, dann schwang er sich hinter ihr aufs Pferd. Bess machte einen nervösen Schritt zur Seite, da sie es nicht gewohnt war, überhaupt einen Reiter auf ihrem Rücken zu tragen, ganz zu schweigen von zweien. Jake konnte gut nachvollziehen, wie sie sich fühlte. Er war es gewohnt allein auf einem Pferd zu reiten und keine schöne Fremde auf dem Schoß sitzen zu haben.

„Ruhig, Bess. Alles ist gut“, sagte er.

Die Frau drehte sich zu ihm um. „Da fällt mir ein, ich kenne den Namen Ihres Pferdes, aber Ihren Namen weiß ich nicht.“

„Jake. Jake McCabe.“ Er wartete auf eine Reaktion. Eine Zeit lang hätten viele bei seinem Namen aufgeschrieen, zumindest in seiner Heimatstadt Buffalo. Doch ihre Miene blieb unverändert.

„Ich heiße Caroline … Franklin.“ Ihre Stimme klang seltsam herausfordernd, als sie hinzufügte. „Meine Freunde nennen mich Caro.“

„Also Caro, sind Sie bereit?“

Caro nickte, und Jake gab dem Pferd die Zügel.

Der Weg zum Gasthof dauerte länger als erwartet. Das Wetter war noch schlechter geworden. Der Wind hatte die älteren Hufspuren des Pferdes verweht.

Er atmete erleichtert auf, als er den Gasthof sah. Der Ort hatte eine beruhigende Wirkung auf ihn. Das Haus stand im Schutz hoher Bäume und war von der Hauptstraße aus nicht zu entdecken. Die große Veranda war mit einer dicken Schicht Schnee bedeckt, obwohl er sie kurz vor seinem Ausritt freigeschaufelt hatte. Im Sommer wollte er dort die Schaukelstühle aufstellen, die er in seiner Werkstatt gebaut hatte.

Er hatte schon immer gern mit Holz gearbeitet, und dank der geduldigen Anleitung seines Vaters, die ihm in seiner Kindheit zuteilgeworden war, verfügte er über einiges Geschick. Während sich einige Polizisten nach einem anstrengenden Tag dem Alkohol hingaben, hatte sich Jake an Bandsäge, Winkelschleifer und anderen Werkzeugen ausgetobt.

Wahrscheinlich hatte die Arbeit mit Holz ihn vor dem Durchdrehen bewahrt, während er das Ergebnis der internen Untersuchung abgewartet hatte, die auf den Tod der Frau und ihres Kindes gefolgt war. Sie waren bei einer Durchsuchungsaktion in einem Haus erschossen worden, in dem sich angeblich ein bekannter Drogenhändler versteckt hielt. Zwar hatte Jake nicht selbst geschossen, aber er hatte damals das Kommando geführt.

Sein Team war zur falschen Adresse gefahren.

Noch vor Abschluss der Ermittlungen hatte er zwei Stühle gebaut. Er hatte sich noch mehr Mühe gegeben als sonst, fest entschlossen, alles perfekt zu machen. Auch ohne die Hilfe des Psychologen wusste er, dass es ihm darum ging, die Kontrolle wiederzuerlangen. Am Ende war er mit den beiden Stühlen sehr zufrieden gewesen, aber die Ergebnisse der internen Untersuchung hatten ihn aus der Bahn geworfen.

Sie behaupteten, er habe die richtige Adresse erhalten, sich aber beim Lesen vertan. Nein, das hatte er nicht, verteidigte er sich zunächst. Aber dann waren wichtige Papiere nicht mehr auffindbar, und da ihn der Tod der beiden unschuldigen Menschen verfolgte, war er sich plötzlich nicht mehr so sicher. Nach der internen Untersuchung erhielt er eine Abmahnung, die in seine Akte wanderte, bekam aber die Erlaubnis, zu seiner Dienststelle zurückzukehren. Doch dann nahmen die Dinge eine noch schlimmere Wende.

Der junge Polizist, der die Schüsse abgefeuert hatte, beging Selbstmord, da er nicht damit fertig geworden war, das Blut zweier unschuldiger Menschen an seinen Händen kleben zu haben. Aber für die Leute in seiner Heimatstadt Buffalo stand fest, dass Jake auch daran die Schuld trug.

Jake, der nach Abschluss der Polizeischule fast zwölf Jahre lang in Buffalo Polizist gewesen war, geriet zum Außenseiter. Allerdings stellten sich einige Menschen öffentlich auf seine Seite. Die Polizeigewerkschaft hatte angekündigt, gegen das Untersuchungsergebnis Einspruch einzulegen. Aber als der Polizeihauptmann ihm eine Abfindung anbot, nahm Jake an. Er sah keine andere Möglichkeit, als aus dem Dienst auszuscheiden.

Welchen Grund hatte er, gegen das Untersuchungsergebnis vorzugehen? Eine Frau war tot, ihr Baby ebenfalls. Sein Kollege hatte sich das Leben genommen. Auch wenn sich Jake nicht bei der Adresse vertan hatte, so war die Schießerei doch unter seinem Kommando passiert. Und dann war da noch die Sache mit Miranda …

Er hatte seine Sachen gepackt und der Polizeitruppe und Buffalo den Rücken gekehrt.

Vor sechs Monaten war er zu dem Gasthof gefahren. Als Junge war er mit seiner Familie häufig dort gewesen. Das Haus lag im Schatten der Berge der Green Mountains im Bundesstaat Vermont. In seiner Kindheit hatte er den Ort geliebt, und er hoffte, dass er den alten Zauber als Erwachsener wiederfinden würde. Aber der Gasthof war geschlossen, ein Schild stak im Rasen, auf dem er zum Verkauf angeboten wurde. Als er den erbärmlichen Zustand des Gebäudes sah, wurde Jake ganz weh ums Herz. Dann hatte er es gekauft.

Die Menschen, die in der Nähe wohnten, waren höflich, aber gegenüber Fremden etwas reserviert. Jake war das egal. Schließlich war er nicht hier, um neue Freunde zu finden, sondern endlich Frieden. Er lief nicht vor seinen Problemen davon und versteckte sich hier. Auch wenn sein Bruder genau das vor einer halben Stunde behauptet hatte …

„Ist es das?“

Jake brauchte einen Moment, bis er erkannte, dass das Pferd am Gasthof vorbeigetrottet und vor der Tür des Stalls stehen geblieben war.

„Sieht so aus, als wollte selbst Bess sich vor dem Sturm in Sicherheit bringen“, murmelte er.

„Sie wohnt hier?“ Caro drehte sich zu ihm um. „Sie wohnen hier?“

„Ja. Ich bin der Eigentümer.“

Sie schaute ihn ungläubig an. Jake konnte das nachvollziehen. Er benahm sich nicht so freundlich, wie es sich für den Besitzer eines Gasthofes gehört hätte. Noch dazu sah das Haus nicht allzu wohnlich aus, mit der abblätternden Farbe, den losen Brettern und dem wuchernden Gebüsch.

„Es hat momentan geschlossen. Aber immerhin ist es drinnen warm und trocken. Ich bringe Sie ins Haus, dann hole ich Ihre Tasche.“ Er redete dem Pferd gut zu. „Tut mir leid, Bess, aber dein Stall muss noch warten.“

Der Schnee fiel jetzt in dicken Flocken, gerade so, als lieferten sich die Engel eine Schneeballschlacht. Jake sprang aus dem Sattel, reichte Caro die Hand und half ihr herunter.

Als sie die Terrasse hinter dem Haus erreichten, lächelte Caro ihn an. Jake konnte sich nicht erklären, warum er sie so faszinierend fand. Ihr Gesichtsausdruck verriet nichts als Höflichkeit, dennoch fand er ihn sexy und ein wenig zu einladend.

Plötzlich sagte sie: „Bitte, gehen Sie nicht.“

„Ich soll nicht gehen?“, fragte er gedankenverloren, als er die Röte auf ihren Wangen sah.

„Die Tasche ist nicht so wichtig. Bei dem Wetter …“ Sie hob die Hand hoch. „Sie haben schon genug für mich getan. Ich könnte es mir nicht verzeihen, wenn Ihnen meinetwegen etwas passiert.“

Jake blinzelte. Er hatte fast vergessen, wie es war, wenn sich jemand – noch dazu eine Frau – um ihn Sorgen machte.

„Ganz sicher?“

Sie nickte und ein paar Schneeflocken fielen ihr aus dem Haar. Er strich mit der Hand weitere weg, sie sah verlegen zur Seite. Ein Gefühl kam in ihm auf, so unerwartet wie der verspätete Wintersturm. Ihm wurde schmerzhaft bewusst, dass er schon lange Zeit nicht mehr mit einer Frau zusammen gewesen war.

Eine Tür ging hinter ihnen auf, bevor er etwas tun konnte, dass er später bereut hätte. Er war dankbar, dass die Situation gerettet war. Dann erkannte er, dass seine Mutter in der Tür stand. Sie hatte die Hände in die Hüften gestemmt, und ihre Augen funkelten böse.

„Jacob Robert McCabe, dass du mir ja nie wieder …“ Doreen McCabe hielt mitten in der Schimpfkanonade inne, als sie Caroline entdeckte. Überrascht änderte sie Haltung und Tonfall. „Oh, guten Tag. Ich bin Doreen. Jakes Mutter.“

„Darf ich vorstellen – Caroline Franklin“, sagte er.

„Caro.“

„Ach ja, Caro.“

Doreen nickte. Ihr Blick wanderte von einem zum anderen. „Ich wusste nicht, dass Jake noch eine Freundin erwartet.“

„Habe ich nicht“, sagte er im selben Moment, als Caro antwortete: „Bin ich nicht.“

„Ich meine, wir kennen uns nicht.“ Ihr Lachen klang verlegen.

Wenn seine Mutter die Situation verwirrend fand, ließ sie sich nichts anmerken. Stattdessen wies sie ihren Sohn zurecht: „Um Himmels willen, Jake! Hast du denn gar kein Benehmen? Bring das Mädchen sofort ins Haus, bevor sie sich noch den Tod holt. Sie muss die nassen Sachen ausziehen.“

Jake musste schlucken. Einen törichten Moment lang hatte er genau dasselbe gedacht.

2. KAPITEL

Caro betrat den Vorraum des Gasthofs und hätte beinahe wohlig aufgeseufzt, als ihr die Wärme entgegenschlug. Sie hörte verschiedene Stimmen, darunter auch die hellen Schreie von Kindern. Sie warf einen fragenden Blick in Jakes Richtung, bevor sie sich bückte, um mit klammen Fingern die Stiefel auszuziehen.

„Haben Sie nicht gesagt, der Gasthof sei geschlossen?“, murmelte sie.

„Ist er auch.“ Jake hatte schon den Hut abgenommen, nun zog er den Mantel aus.

„Das sind keine Gäste. Das ist der Rest unserer Familie“, erklärte Doreen, während sie ihrem Sohn den Mantel abnahm. Sie sah Jake vielsagend an und fügte hinzu: „Und da wir eine Familie sind, kümmern wir uns umeinander …“

„Mom …“

„Ich meine ja nur.“ Sie nahm Caro die Winterjacke ab und hängte sie zum Trocknen auf einen Bügel. „Ich hole ein paar Handtücher. Geht doch ins Wohnzimmer und setzt euch zum Aufwärmen an den Kamin.“

Caro musste lächeln. Jake schien kein Mann zu sein, der Befehle entgegennahm – außer von seiner Mutter.

Autor

Jackie Braun
Nach ihrem Studium an der Central Michigan Universität arbeitete Jackie Braun knapp 17 Jahre lang als Journalistin. Regelmäßig wurden dabei ihre Artikel mit Preisen ausgezeichnet. 1999 verkaufte sie schließlich ihr erstes Buch ‚Lügen haben hübsche Beine‘ an den amerikanischen Verlag Silhouette, der es im darauf folgenden Jahr veröffentlichte. Der Roman...
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