Heiße Nächte mit dem Boss

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Lawrence "Tuck" Tucker lebt sorgenfrei in den Tag hinein. Bis plötzlich sein Bruder verschwindet und er die Leitung des Familienimperiums übernehmen muss. Dabei ist er auf die Hilfe der attraktiven Chefsekretärin Amber Bowen angewiesen. Doch die ist nicht nur eine ständige Versuchung für den notorischen Playboy, sie verschweigt offensichtlich auch, wo sich ihr Boss aufhält. Das muss Tuck unbedingt aus ihr herausbekommen - schließlich will er endlich sein altes Leben zurück: ohne Verpflichtungen und Verantwortung. Aber auch ohne Amber? Da ist er sich nicht mehr so sicher …


  • Erscheinungstag 24.01.2017
  • Bandnummer 1961
  • ISBN / Artikelnummer 9783733723255
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Für einen Samstagabend war Lawrence Tucker, den alle nur Tuck nannten, ungewöhnlich früh zu Hause. Die Erklärung dafür war einfach. Zwischen ihm und seiner Verabredung hatte es nicht gefunkt.

Die junge Dame hieß Felicity. Sie hatte langes blondes Haar, eine tolle Figur und konnte überwältigend freundlich lächeln. Leider hatte sie sich als eher unangenehme Gesprächspartnerin entpuppt, die zu langen Vorträgen über uninteressante Themen neigte. Besonders intelligent schien sie auch nicht gerade zu sein. Obendrein hasste sie die Chicago Bulls. Und welcher aufrechte Bürger Chicagos hasste schon die Super-Basketballmannschaft der Stadt? Das war doch unpatriotisch, ja geradezu ein Skandal!

Als sie den Nachtisch zu sich genommen hatten, war Tuck ihrer anstrengenden Monologe müde. Für so etwas erschien ihm das Leben zu kurz. Deshalb hatte er sie nach Hause gefahren, ihr noch einen flüchtigen Abschiedskuss auf die Wange gedrückt und war verschwunden.

Er betrat den Flur der riesigen Familienvilla und dachte schon an den folgenden Sonntag. Er würde sich mit seinem alten Freund Shane Colborn zum Basketballtraining treffen.

Plötzlich hörte er die verärgerte Stimme seines Vaters aus der Bibliothek. „Ich finde das einfach rücksichtslos.“ Er schlich sich näher.

„Ich habe ja nicht gesagt, dass es einfach wird“, ertönte die Stimme von Tucks älterem Bruder Dixon.

Tucks Vater und sein Bruder leiteten gemeinsam das familieneigene Logistikunternehmen Tucker Transportation, und es war eher ungewöhnlich, dass sie sich stritten.

„Nicht einfach?“, fragte Jamison Tucker. „Das ist die Untertreibung des Jahrhunderts. Ich bin hier in Chicago unabkömmlich, und wir können nicht einfach eine Nachwuchskraft nach Antwerpen schicken.“

„Ein Abteilungsleiter ist doch keine Nachwuchskraft.“

„Nein, so geht das nicht. In dieser Angelegenheit muss der Vizepräsident die Firma vertreten. Und das bist du.“

„Schick doch Tuck.“

„Tuck?“, fragte Jamison höhnisch.

Tuck wusste, dass sein Vater nicht viel Vertrauen in seine Fähigkeiten als Geschäftsmann hatte. Im Laufe der Jahre hätte er sich eigentlich daran gewöhnen müssen. Doch es schmerzte ihn noch immer.

„Schließlich ist er auch Vizepräsident“, erwiderte Dixon.

„Er trägt den Titel, das ist aber auch schon alles.“

„Aber er …“

„Widersprich mir nicht. Du weißt genauso gut wie ich, dass dein Bruder für diese Position einfach nicht geeignet ist. Jetzt ist Not am Mann, und du willst einfach in Urlaub gehen? Und das auch noch für länger?“

„Es ist ja nicht so, dass ich mir den Zeitpunkt ausgesucht hätte.“

„Ich weiß, du hast einiges durchmachen müssen, mein Sohn.“ Jamison klang jetzt ruhiger. „Sie hat dir Schlimmes angetan, das weiß ich.“

„Zehn Jahre waren wir verheiratet, und dann ist plötzlich alles aus“, klagte Dixon. „Kannst du dir überhaupt vorstellen, wie man sich da fühlt?“

Tuck hatte Mitleid mit seinem Bruder. Es waren schlimme Monate gewesen, seit Dixon seine Frau Kassandra mit einem anderen Mann im Bett erwischt hatte. Inzwischen war die Scheidung rechtskräftig; die Unterlagen waren Anfang der Woche gekommen. Dixon hatte sich nicht weiter dazu geäußert. Er war ungewöhnlich schweigsam gewesen.

„Ja, ich kann mir ausmalen, wie es dir geht. Aber dank des Ehevertrages hat Kassandra bei der Scheidung den Kürzeren gezogen. Sie bekommt so gut wie nichts.“

„Für dich geht es immer nur ums Geld, was?“, fragte Dixon tonlos.

„Für sie ging es ja auch nur ums Geld“, erwiderte Jamison.

Eine Zeit lang war nichts zu hören, und Tuck befürchtete, die beiden könnten die Bibliothek verlassen und ihn beim Lauschen erwischen. Leise begab er sich zurück zur Eingangstür.

„Tuck hat eine Chance verdient“, sagte Dixon. „Eine Bewährungsprobe.“

Tuck blieb stehen und lauschte angestrengt.

„Der Junge hat seine Chance schon gehabt“, erwiderte Jamison kühl.

Wann denn? hätte Tuck am liebsten gerufen. Sicher, sein Vater hatte ihm ein Büro mit dem Schildchen „Vizepräsident“ an der Tür zugewiesen. Doch er hatte ihm nichts zu tun gegeben, keinen Aufgabenbereich zugeteilt. Tuck hatte sich wie ein ungebetener Gast gefühlt.

Er versuchte, seine Enttäuschung und Verärgerung zu unterdrücken. Eigentlich konnte ihm das Familienunternehmen egal sein. Denn das war seine einzige Waffe gegen den übermächtigen Vater: demonstratives Desinteresse zu zeigen und nichts zum Erfolg des Unternehmens beizutragen. Wer hatte schon das Glück, so sorgenfrei und finanziell wohlversorgt leben zu können? Er sollte es einfach genießen, verflixt!

„Ja, es war wohl keine gute Idee, Tuck schicken zu wollen“, knickte Dixon ein.

„Es war eine grauenhafte Idee“, korrigierte Jamison.

Tuck schlich sich zurück, zog die Eingangstür leise auf und ließ sie dann krachend wieder ins Schloss fallen. Er stampfte laut auf, als wäre er gerade ins Haus gekommen.

„Hallo?“, rief er und ging in Richtung Bibliothek. So waren sie auf sein Kommen vorbereitet und konnten sich schnell ein unverfängliches Gesprächsthema suchen.

„Hallo, Tuck“, begrüßte ihn sein Bruder, als er die üppig ausgestattete, etwas düster wirkende Bibliothek betrat.

„Ich habe deinen Wagen gar nicht vor der Villa gesehen“, sagte Tuck.

„Ich habe ihn in der Garage abgestellt.“

„Heißt das, dass du etwas länger bleibst?“

Dixon hatte ein Penthouse in der Innenstadt – dort hatte er schon mit Kassandra gewohnt –, aber gelegentlich verbrachte er auch ein paar Tage in der Familienvilla.

„Fürs Erste übernachte ich hier“, antwortete Dixon. „Ich habe das Penthouse heute verkauft.“

Am überraschten Blick seines Vaters erkannte Tuck, dass dieser davon auch noch nichts gewusst hatte.

„Na, dann willkommen zurück“, erwiderte Tuck leichthin und legte seine Krawatte ab. „Was trinkst du denn da?“

„Whisky.“

„Hört sich gut an.“ Tuck zog sein Jackett aus und warf es auf einen der Ledersessel.

„Wie war dein Date?“, fragte sein Vater.

„Ach, ganz in Ordnung.“

„Bestimmt“, erwiderte sein Vater spöttisch und blickte demonstrativ auf seine Armbanduhr. „Deshalb bist du ja auch schon so früh zu Hause.“

„Na ja, die junge Dame war nicht gerade eine Atomphysikerin.“

„Hattest du denn schon mal ein Date mit einer Atomphysikerin?“, fragte Jamison ironisch.

Tuck blickte seinen Vater böse an.

„Sonst hast du ja keine Vergleichsmöglichkeit“, merkte Jamison spitz an.

„War es dein erstes Date mit dieser Frau?“, wollte Dixon wissen. Er klang weitaus weniger feindselig.

Tuck goss sich einen Whisky ein. „Das erste und letzte.“

Dixon lachte auf.

„Ich treffe mich morgen mit Shane zum Basketballtraining“, sagte Tuck. „Hast du Lust mitzukommen?“

„Ich kann leider nicht.“

„Musst du arbeiten?“

„Es gibt noch einiges zu erledigen.“

„Was den Verkauf des Penthouse angeht?“

Dixons Miene war undurchschaubar. „Das … und noch einiges anderes.“

Tuck hatte das Gefühl, dass Dixon ihm etwas verheimlichte. Allerdings sprachen die beiden Brüder nur selten offen miteinander, wenn ihr Vater dabei war. Er nahm sich vor, Dixon morgen noch einmal unter vier Augen zu fragen, was los war. Immerhin hatte es sich vorhin fast so angehört, als wolle er sich eine Auszeit nehmen!

Und in dieser Hinsicht musste Tuck seinem Vater recht geben: Tucker Transportation brauchte Dixon. Ohne ihn lief das Unternehmen nicht rund. Und Tuck war gewiss nicht der geeignete Mann, um ihn zu ersetzen …

Amber Bowen blickte dem Seniorchef von Tucker Transportation direkt in die Augen – und log ihn an.

„Nein“, sagte sie mit fester Stimme zu Jamison Tucker. „Dixon hat mir gegenüber nichts erwähnt.“

Ihre Loyalität galt nicht dem Seniorchef, vor dessen Schreibtisch sie gerade wie eine Angeklagte stand, sondern ihrem direkten Vorgesetzten, Dixon Tucker. Vor fünf Jahren war er der Einzige gewesen, der ihr eine Chance gegeben hatte. Sie kam damals direkt von der Highschool und hatte weder eine Collegeausbildung noch Büroerfahrung. Dennoch hatte er Vertrauen in ihre Fähigkeiten gehabt. Dafür war sie ihm ewig dankbar. Sie würde ihn jetzt bestimmt nicht verraten!

„Wann haben Sie zuletzt mit ihm gesprochen?“

„Gestern Morgen“, antwortete Amber. Das stimmte sogar.

Misstrauisch kniff er die Augen zusammen. „Sie haben sich nicht noch zufällig gestern Abend mit ihm getroffen – nach Büroschluss?“

Die Frage verblüffte sie. „Ich … äh, warum?“

„Antworten Sie bitte nur mit Ja oder Nein.“

„Nein. Ich habe mich gestern Abend nicht mit ihm getroffen.“

„Sind Sie ganz sicher?“, fragte Jamison im Verhörton.

„Natürlich bin ich mir sicher“, blieb sie standhaft. Nein, sie hatte sich nicht mit Dixon getroffen. Allerdings wusste sie, wo er gestern Abend gewesen war. Am Flughafen, um mit einem Privatjet nach Arizona zu fliegen. Sie wusste, dass er Chicago verlassen hatte und längere Zeit fortbleiben würde.

Er hatte ihr gesagt, dass er seiner Familie einen Brief hinterlassen hatte, damit sie sich keine Sorgen machte. Und er hatte ihr das Versprechen abgenommen, dass sie niemandem etwas verraten würde. An dieses Versprechen wollte sie sich halten, komme, was wolle.

Sein Vater und sein Bruder nutzten es schamlos aus, dass er so gutmütig und fleißig war, so sah sie es jedenfalls. Die Hauptlast des Familienunternehmens ruhte auf seinen Schultern – mit dem Ergebnis, dass er ausgelaugt und völlig überarbeitet war. Und nun war noch die Sache mit seiner Scheidung dazugekommen, die ihn schwer belastet hatte. Wenn er nicht Hilfe oder zumindest Ruhe bekam, steuerte er direkt auf ein Burn-out zu.

Sie wusste, er hatte zunächst versucht, es seiner Familie zu erklären. Doch er war auf taube Ohren gestoßen. Deshalb hatte er keine andere Wahl gehabt, als einfach zu verschwinden. Sein Vater und sein fauler, nichtsnutziger jüngerer Bruder Tuck würden sich nun um alles kümmern müssen. Sie hatten keine Wahl.

Jamison Tuckers unausgesprochener Verdacht stand noch im Raum, und sie wollte diese verdeckte Anschuldigung nicht auf sich sitzen lassen. „Mr. Tucker, Sie wollen doch wohl nicht etwa andeuten, dass ich eine persönliche Beziehung zu Dixon habe?“

Jamison beugte sich in seinem Schreibtischsessel vor. „Ich deute überhaupt nichts an.“

„Doch, das tun Sie, Sir.“ Sie wusste, sie bewegte sich auf dünnem Eis, aber sein Verdacht machte sie wütend. Er war nicht nur ihr gegenüber ungerecht, sondern auch Dixon gegenüber. Dixons Frau hatte Ehebruch begangen – aber nicht er!

„Was erlauben Sie sich?“, fragte Jamison drohend.

„Was erlauben Sie sich, Sir? Ihrem Sohn so etwas zu unterstellen!“

Jamison wurde knallrot im Gesicht. „Sie respektlose kleine …“

Im Stillen rechnete Amber schon mit ihrer Kündigung. Doch Jamison sprach nicht weiter, sondern fasste sich plötzlich ans Herz und schnappte röchelnd nach Luft.

„Um Himmels willen, Mr. Tucker!“

Der Seniorchef sackte in sich zusammen. Sofort rannte Amber ins Vorzimmer zu Tuckers Sekretärin. „Margaret, ruf sofort den Notarzt! Mr. Tucker ist zusammengebrochen!“

Eine halbe Stunde später saßen Amber und Jamison Tuckers Sekretärin Margaret Smithers bei einem Kaffee zusammen. Beide Frauen waren immer noch völlig schockiert. Der Seniorchef lag mittlerweile im Krankenhaus, aber die Ärzte hatten noch keine genaue Auskunft gegeben.

„Es kam so unerwartet“, murmelte Amber. „Hatte er denn vorher schon mal Probleme mit dem Herzen?“

Margaret schüttelte den Kopf. „Nein, nie. Er hat eigentlich immer ganz gesund gewirkt. Erst gestern Abend …“ Verstohlen wischte die Chefsekretärin sich ein paar Tränen aus den Augen.

„Was war gestern Abend?“

„Da war er in richtig guter Stimmung. Nichts hat auf so eine Herzattacke hingedeutet. Wir haben etwas Wein getrunken und …“

„Ihr habt im Büro Wein getrunken?“

Schlagartig lief Margaret rot an. „Ja, nein, äh … Es hatte nichts zu bedeuten.“

Amber war schockiert. Margaret und der verheiratete Jamison hatten es sich mit Wein im Büro gemütlich gemacht? War nur noch die Frage, wie gemütlich. Vielleicht sehr, sehr gemütlich …

„Ich … ich gehe dann wohl lieber wieder an die Arbeit“, sagte Margaret verlegen.

„Ja, ich auch“, erwiderte Amber. Sie wollte das heikle Thema lieber nicht vertiefen.

Auf dem Weg zurück in ihre Abteilung schossen ihr tausend Gedanken durch den Kopf. Dixon war fort, Jamison lag im Krankenhaus. Das bedeutete: Das Unternehmen war führungslos. Sollte nun etwa Tuck die Zügel in die Hand nehmen? Das konnte nur in einer Katastrophe enden! Seine Position als Vizepräsident war doch die reinste Farce. Er war ein Nichtsnutz, ein verantwortungsloser Partyhengst, der sich nur gelegentlich im Büro sehen ließ und dann durch sein Erscheinen dafür sorgte, dass die halbe weibliche Belegschaft verzückte Seufzer ausstieß.

Es dauerte fast genau eine Woche, bis Tuck die bittere Wahrheit akzeptierte. Sein Vater würde wegen des Herzanfalls Wochen, wenn nicht Monate ausfallen. Und Dixon war spurlos verschwunden. Doch irgendjemand musste Tucker Transportation führen. Dafür kam nur eine Person infrage. Und das war er.

Die Abteilungsleiter, die im Konferenzraum Platz genommen hatten, schienen beunruhigt zu sein, ihn im Präsidentensessel zu sehen. Er konnte es ihnen nicht verdenken.

„Ich kann einfach nicht verstehen“, meinte Finanzdirektor Harvey Miller, „dass Sie sich in dieser Notsituation nicht mit Dixon kurzschließen.“

Wenn das nur so einfach wäre! Er hatte versucht, seinen Bruder auf dem Handy anzurufen, ihn per SMS und E-Mail zu kontaktieren. Jedoch ohne Erfolg. Nur einen eher rätselhaften Brief hatte Dixon hinterlassen, in dem stand, dass er für rund einen Monat – eventuell sogar für länger – fort sein würde. Doch Tuck wollte die Mitarbeiter nicht beunruhigen und hielt sich deshalb mit Informationen vorerst zurück.

„Dixon macht Urlaub“, erklärte er.

„Ausgerechnet jetzt?“, fragte Harvey fassungslos. „Das geht einfach nicht. Sie müssen ihn zurückholen.“

Tuck reagierte nicht darauf und wandte sich stattdessen an alle Abteilungsleiter. „Meine Herren, jeder von Ihnen bereitet bitte bis morgen früh einen Statusbericht über seine Abteilung vor. Lassen Sie sich von Amber einen Termin geben, zu dem wir uns dann zusammensetzen.“

„Was ist mit der Messe in New York?“, erkundigte sich Marketingdirektor Zachary Ingles.

Tuck war selbst schon auf dieser bedeutenden Messe gewesen; Tucker Transportation hatte dort regelmäßig einen Stand. Aber er hatte sich dort nie um das Geschäftliche gekümmert, sondern sich lieber mit Messehostessen vergnügt und an feuchtfröhlichen Abendveranstaltungen teilgenommen.

„Kommen Sie morgen mit den Informationen zu mir“, erwiderte er.

„Aber ich brauche Entscheidungen“, sagte Zachary ungeduldig.

„Dann werde ich sie morgen treffen“, antwortete Tuck. Vielleicht hatte er keine Ahnung, aber immerhin wusste er, wie man seine Unsicherheit überspielte.

„Können wir Dixon zu den Besprechungen nicht wenigstens per Videokonferenz dazuschalten?“, fragte Harvey.

„Er ist im Moment nicht greifbar.“

„Wo steckt er denn?“

Tuck warf dem Mann einen bösen Blick zu.

„Möchten Sie einen vollständigen Quartalsbericht oder nur eine kurze Zusammenfassung?“, wollte Lucas Steele wissen. Er war der jüngste Abteilungsleiter, der Chef der Logistik. Im Gegensatz zu den anderen trug er keine Krawatte. Er war das Verbindungsglied zwischen zwei Welten – der Führungsebene einerseits und den Transportmanagern auf der ganzen Welt andererseits, die in der Praxis dafür verantwortlich waren, Waren von A nach B zu bringen.

„Eine Zusammenfassung genügt mir erst mal“, sagte Tuck und erhob sich. „Das wäre es fürs Erste, meine Herren. Wir sehen uns dann morgen. Ich danke Ihnen.“

Nacheinander verließen sie das Sitzungszimmer. Nun war er mit Dixons Sekretärin Amber allein.

Früher hatte er sie nur vom Sehen gekannt, doch inzwischen musste er bewundernd feststellen, dass sie ihren Job wirklich gut machte. Während Margaret, die Sekretärin seines Vaters, sich am Rande eines Nervenzusammenbruchs zu befinden schien, trug sie die Notsituation mit Fassung und arbeitete ruhig, beherrscht und effektiv weiter.

Hätte sie nicht so überaus brav, bieder und sekretärinnenhaft gewirkt, hätte sie ihm sogar privat gefallen können.

Aber im Moment hatte er wirklich andere Sorgen.

„Wir müssen Dixon unbedingt zurückholen“, sagte er zu ihr. „Egal, wo er steckt.“

„Ich glaube, wir sollten ihn in Ruhe lassen“, gab sie zurück.

Tuck lachte auf. „Was? Er hat ein Unternehmen zu führen!“

„Nein, Sie haben ein Unternehmen zu führen“, erwiderte sie und funkelte ihn böse an.

„Wir beide wissen, dass ich das Unternehmen nicht führen werde.“

„Oh doch, das werden Sie, ob es uns beiden gefällt oder nicht.“

Ihr Gefühlsausbruch verwirrte ihn, außerdem fand er ihren Ton ein bisschen zu respektlos. „Reden Sie mit Dixon auch so?“

„Wie meinen Sie das?“

„Sie wissen genau, wie ich das meine.“

„Dixon braucht jetzt Zeit für sich. Die Scheidung hat ihm sehr zugesetzt.“

„Ohne diese Frau ist er besser dran.“

„Das kann man wohl sagen.“

„Hat er mit Ihnen über sie gesprochen?“, fragte Tuck verwundert.

Amber zögerte. Tuck fragte sich, wie nahe Dixon und seine Sekretärin sich wohl standen. War sie seine Vertraute – oder sogar mehr?

„Ich habe die beiden ja öfter im Büro zusammen erlebt“, erklärte sie schließlich. „Da bekommt man so einiges mit.“

„Sie haben gelauscht?“, fragte er streng.

„Mrs. Tucker konnte sehr lautstark werden.“

„Und dann hätten Sie sich nicht diskret entfernen können?“

„Als Sekretärin habe ich an meinem Schreibtisch zu sitzen. Und der befindet sich direkt vor seinem Büro.“

Tucks Zweifel waren noch nicht ausgeräumt. Je schlechter Dixons Ehe geworden war, desto mehr hatte er vielleicht Trost gesucht. Oder? Skeptisch musterte er Amber. Sie wirkte zwar etwas bieder, fast wie das Klischeebild einer Sekretärin, war aber durchaus attraktiv. Sehr sogar.

„Ich verstehe“, murmelte er.

„Hören Sie auf damit“, fuhr sie ihn an.

„Womit?“

„Mir etwas zu unterstellen. Wenn Sie mich etwas fragen wollen, tun Sie es.“

„Na schön. Was waren Sie für meinen Bruder?“

„Ich war seine Sekretärin.“

„Das ist ein Vertrauensposten. Die Frage ist nur, wie vertraulich …“

„Was soll das heißen?“

„Sie wissen, worauf ich hinauswill.“

„Dann fragen Sie mich direkt.“

Für eine Angestellte war sie ziemlich aufsässig, aber ihre geradlinige Art imponierte ihm. Sehr sogar. „Hatten Sie ein sexuelles Verhältnis mit meinem Bruder?“ Er wusste selbst nicht recht, warum, aber mit jeder Faser seines Herzens wünschte er sich, dass es nicht so war. Dass diese Frau nicht die heimliche Geliebte seines Bruders war.

„Nein, ich hatte kein sexuelles Verhältnis mit Ihrem Bruder.“

Innerlich atmete er auf. „Und da sind Sie ganz sicher?“

„Meinen Sie, an so etwas würde ich mich nicht erinnern? Vielleicht vergesse ich mal meine Autoschlüssel oder denke nicht daran, Katzenfutter zu besorgen. Aber es würde mir bestimmt nicht entfallen, wenn ich Sex mit dem Chef gehabt hätte.“ Sie lachte auf. „Sie können mir glauben, Tuck, da war nichts.“

Diese Frau war witzig und charmant. Und sehr sexy obendrein. Am liebsten hätte er sie, einem plötzlichen Impuls folgend, geküsst. Stattdessen fragte er: „Katzenfutter? Das heißt, Sie haben eine Katze?“

„Bitte lenken Sie nicht ab, Tuck. Dixon ist fort und kommt so schnell nicht zurück. Das heißt, Sie sind jetzt gefordert. Sie werden richtig arbeiten müssen, und im Zweifelsfall werde ich dafür sorgen.“

„Wie wollen Sie das denn anstellen?“

„Mit gutem Zureden und Hartnäckigkeit. Notfalls auch, indem ich Sie zwinge.“

„Glauben Sie, Sie könnten mich zu etwas zwingen?“

„Auf jeden Fall glaube ich, dass Sie sich in Ihrem tiefsten Inneren auch nach Erfolg sehnen. Danach, Ihren Vater zu beeindrucken.“

„Aha? Und wie kommen Sie darauf?“

„So schätze ich Sie eben ein.“

Eigentlich lag ihm überhaupt nichts daran, seinen Vater zu beeindrucken. Aber diese Frau … auf die wollte er Eindruck machen. Unbedingt. Leider würde ihm das auf die übliche Art, als gut aussehender Playboy, nicht gelingen. Stattdessen würde er hart arbeiten müssen – als unerfahrener Entscheidungsträger eines riesigen, weit verzweigten Unternehmens. Schlechtere Startbedingungen waren kaum denkbar.

2. KAPITEL

Amber schwankte zwischen Verärgerung und Mitgefühl.

Immerhin schaffte Tuck es tatsächlich, jeden Morgen um acht Uhr im Büro zu sein. Allerdings funktionierte er erst so richtig, nachdem sie ihm einen starken Kaffee gebracht hatte. Wahrscheinlich hatte er, der als Playboy die Nächte durchgefeiert hatte, seine innere Uhr noch nicht umgestellt.

Solange Tuck seinen Bruder vertrat, war sie seine Sekretärin. Gleichzeitig vertrat sie auch noch Jamisons Sekretärin Margaret, die sich nach der Herzattacke ihres Chefs krankgemeldet hatte. Alle Last ruhte nun auf ihren – und natürlich Tucks – Schultern.

Hinter Tucks geschlossener Bürotür ging es hoch her, das war nicht zu überhören. Er stritt sich mit dem Marketingchef Zachary Ingles. Plötzlich flog die Tür auf, und Ingles stürmte heraus. „Sagen Sie Ihrem Chef, er soll in Zukunft gefälligst seine E-Mails lesen“, zischte er ihr zu, bevor er verschwand.

Amber zuckte nur mit den Schultern. Sie mochte den Marketingchef nicht, denn er war bekannt dafür, dass er seine Untergebenen schlecht behandelte. Auch Dixon war nie gut mit ihm klargekommen, aber der Seniorchef Jamison Tucker hatte immer seine schützende Hand über ihn gehalten, weil er – trotz aller Charaktermängel – ein Händchen dafür hatte, mit schwierigen Kunden umzugehen.

In diesem Moment erschien Tuck im Türrahmen.

„Um zehn haben wir einen Termin mit Lucas“, sagte sie. „Das heißt, Sie haben jetzt eine halbe Stunde Luft in Ihrem Zeitplan.“

„Vielleicht sollte ich in der Zeit ein paar Hundert E-Mails lesen“, meinte Tuck und seufzte. „Mein Eingangsordner quillt fast über. Offenbar ist auch eine wichtige von Ingles darunter.“

„E-Mails lesen? Eine gute Idee.“

Wieder seufzte Tuck. „Ach Amber, was mache ich nur verkehrt?“

„Gar nichts.“

„Aber ich hinke zweitausend E-Mails hinterher.“

„Das sind Anfangsschwierigkeiten. Ich finde, Sie schlagen sich gar nicht mal so schlecht. Natürlich war Ihr Bruder effizienter …“

„Ja, ja, das leuchtende Vorbild!“

„… aber er hatte ja auch jahrelange Erfahrung.“

„Vielen Dank für Ihr Verständnis, Amber.“

„Und was die E-Mails angeht – ich kann den Eingangsordner für Sie vorsortieren.“

„Das würden Sie tun? Sie alle für mich lesen?“

„Ja, und die unwichtigen aussortieren oder an die Abteilungsleiter weiterleiten. Sodass für Sie nur die Mails bleiben, um die Sie sich persönlich kümmern müssen.“

„Oh, Amber, dafür könnte ich Sie glatt küssen.“

Natürlich war das nicht wörtlich gemeint. Dennoch wurde ihr ganz warm ums Herz.

Ihre Blicke trafen sich. Die Luft knisterte.

„Sie brauchen mich dafür nicht zu küssen“, sagte sie in die Stille hinein.

„Ihr monatlicher Gehaltsscheck genügt Ihnen als Dank?“

„Er macht mich überglücklich.“

Tuck zwinkerte ihr zu. „Trotzdem. Mein Angebot steht.“

Amüsiert musterte sie ihn. „Sie sind so ganz anders als er.“

„Als Dixon? Da haben Sie recht.“

„Er ist nicht so der Typ für Scherze.“

„Sollte er aber sein. Es täte ihm gut, alles ein bisschen leichter zu nehmen.“

„Vergessen Sie nicht: Er hat in letzter Zeit viel mitgemacht.“ Amber wusste nicht, wie nahe Tuck seinem Bruder stand, aber sie hatte hautnah miterlebt, wie sehr Dixon unter Kassandras Untreue gelitten hatte. Er hatte sie wirklich geliebt, hatte sich Kinder mit ihr gewünscht. Doch wie sich später herausgestellt hatte, hatte sie heimlich die Pille weitergenommen und ihn mit einem anderen Mann betrogen.

„Oh ja, er hat sehr gelitten“, bestätigte Tuck. „Allerdings glaube ich, er hätte schon viel früher etwas merken können.“

„Gute Menschen unterstellen anderen nicht dauernd Schlechtigkeiten“, warf Amber ein.

„Jetzt nehmen Sie meinen Bruder doch nicht ständig in Schutz!“

„Wenn er es verdient hat …“

„Schon klar, er ist großartig. Und ich nicht.“

„Vielleicht können Sie sich ja noch steigern.“

„Ich werde es versuchen. Wenn Sie ein bisschen auf Ihr freches Mundwerk achtgeben.“

Sie lächelte. Es machte ihr Spaß, sich Wortgefechte mit ihm zu liefern. Und was die Arbeit anging – immerhin gab er sich alle Mühe. Und das imponierte ihr. Sehr sogar …

Als Tuck am Abend in die Familienvilla zurückkehrte, machte er es sich im Wohnzimmer bequem und studierte noch einige Akten. Momentan war er das einzige Familienmitglied im Haus; sein Vater befand sich in einer auf solche Fälle spezialisierten Pflegeeinrichtung in Boston, und seine Mutter hatte ihn dorthin begleitet. Hätte es nicht das Hauspersonal gegeben, hätte er sich richtig einsam gefühlt.

Gegen einundzwanzig Uhr klingelte es. Tucks alter Collegefreund Jackson Rush stand vor der Tür. Während Tuck an der University of Chicago Wirtschaftswissenschaften studiert hatte, hatte Jackson sich auf Kriminologie verlegt. Inzwischen nannte er eine Detektei mit mehreren Filialen im ganzen Land sein Eigen.

„Hoffentlich hast du gute Neuigkeiten“, begrüßte Tuck den alten Freund.

„Ich habe einiges herausbekommen“, erwiderte Jackson und ließ sich von Tuck ins Wohnzimmer führen. „Dixon hat einen Jet nach New York City genommen.“

„Also steckt er in New York.“ Tuck atmete auf. „Ich hatte schon befürchtet, er hätte sich nach Europa oder Australien abgesetzt …“

„Von New York aus hat er offenbar einen Zug nach Charlotte in North Carolina genommen.“

Tuck runzelte die Stirn. „Einen Zug? Warum sollte er mit der Bahn fahren? Und was, zum Teufel, hat er in Charlotte zu suchen?“

„Wahrscheinlich will er seine Spuren verwischen, damit ihn niemand findet“, erwiderte Jackson. „Für eine Bahnfahrkarte braucht man seinen Ausweis nicht vorzulegen. Du hast doch gesagt, dein Vater wollte nicht, dass er geht …?“

„Nein, weil er ihn für das Unternehmen für unverzichtbar hielt.“

„Dixon ist übrigens nicht in Charlotte geblieben. Wir haben Hinweise, dass er sich von dort aus entweder nach Miami oder nach New Orleans abgesetzt hat. Wüsstest du einen Grund, warum er sich in einer dieser Städte aufhält?“

Angestrengt dachte Tuck nach.

Autor

Barbara Dunlop
Barbara Dunlop hat sich mit ihren humorvollen Romances einen großen Namen gemacht. Schon als kleines Mädchen dachte sie sich liebend gern Geschichten aus, doch wegen mangelnder Nachfrage blieb es stets bei einer Auflage von einem Exemplar. Das änderte sich, als sie ihr erstes Manuskript verkaufte: Mittlerweile haben die Romane von...
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