Hochzeitsreise nach Italien

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Penny ist verzweifelt! Sie kann die traumhafte Italienreise mit dem reichen Unternehmer Solo Maffeiano kaum genießen. Zwar verspricht er, ihr geliebtes Elternhaus Haversham Park zu retten - aber nur, wenn sie ihn heiratet! Von Liebe ist keine Rede…


  • Erscheinungstag 19.07.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733779177
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Ich habe wirklich keine Lust, mich heute Abend unter Leute zu mischen, Jane“, versuchte Penny noch einmal, ihre Freundin zu überzeugen. Doch in dem Moment hielt das Taxi vor dem exklusiven Londoner Hotel an, und sie mussten aussteigen.

„Du gehst mit auf die Betriebsfeier.“ Jane packte Penny am Arm und zog sie in das beeindruckende Foyer. „Nach dem Schock brauchst du Ablenkung. Entspann dich, vergiss die Sorgen, und benimm dich ausnahmsweise einmal deinem Alter entsprechend statt wie eine alte Jungfer.“

„Aber in diesem Kleid komme ich mir halb nackt vor“, wandte Penny ein. Jane hatte es ihr geliehen, weil Penny sich damit hatte herausreden wollen, sie hätte nichts zum Anziehen. „Außerdem trage ich sonst nie Rot“, fügte sie hinzu.

„Du siehst fantastisch aus. Hör auf zu jammern, und genieß den Abend.“

Als Solo Maffeiano aus der Hotelbar kam, blieb er unvermittelt stehen. In seinen grauen Augen blitzte es schockiert auf, während er die junge Frau in Rot musterte. Kein Zweifel, es war Penelope Haversham, aber sie sah ganz anders aus, als sie sich ihm gegenüber damals präsentiert hatte. Sie hatte ihm vorgespielt, unschuldig und unerfahren zu sein. Und er ärgerte sich immer noch darüber, dass er darauf hereingefallen war.

Das blonde Haar hatte sie zu einer kunstvollen Frisur hochgesteckt, und sie zeigte viel nackte Haut. Solo verzog spöttisch die Lippen. Sie wirkte keineswegs unschuldig und naiv, sondern wie eine ungemein erotische Frau. Das elegante rote Kleid betonte ihre verführerischen Rundungen. Es hatte vorne einen tiefen Ausschnitt und hinten einen noch tieferen. Sie hatte eine perfekte Figur, hohe, volle Brüste, eine schmale Taille und wohlgerundete Hüften. Außerdem hatte sie schlanke Beine und bewegte sich geschmeidig und verführerisch. Sie weckte die Fantasie eines jeden einigermaßen normal empfindenden Mannes. Mit der etwas scheu wirkenden Brautjungfer, als die sie Solo auf dem Foto in der Zeitschrift damals aufgefallen war, hatte sie nichts mehr gemeinsam.

Was machte sie in diesem Hotel? Sucht sie etwa mich? überlegte er. Vielleicht wollte sie nicht bis zu dem vereinbarten Termin am nächsten Tag warten und glaubte, sie könnte ihn in der intimen Atmosphäre seiner Hotelsuite leichter beeinflussen.

Dann entdeckte er ihre Freundin Jane und bemerkte, dass sie in Richtung des Ballsaals gingen. Während er hinter den beiden Frauen hersah, wurde ihm klar, dass Pennys Auftauchen nichts mit ihm zu tun hatte.

Verdammt, ich reagiere immer noch so heftig auf sie wie damals, dachte er, als sich Verlangen in ihm ausbreitete. Dabei wusste er doch genau, was für eine hinterhältige, berechnende Person sie war. Rot passt zu ihr, sagte er sich und kniff die Augen zusammen.

Sekundenlang überlegte er, ob er Penny folgen sollte. Doch dann entschied er sich dagegen. Er wollte abwarten, in welche Rolle sie am nächsten Tag schlüpfte, wenn sie bei ihm im Büro erschien. Würde sie wieder den Unschuldsengel spielen oder so wie jetzt als verführerische junge Frau auftreten?

Obwohl vier Jahre vergangen waren, litt er noch darunter, dass Penelope Haversham ihn in seinem Stolz verletzt hatte. Seit seinem zwölften Lebensjahr hatte ihn keine Frau mehr so hereingelegt und getäuscht wie sie. Und dann hatte sie ihn auch noch zurückgewiesen.

Die Erinnerung an die kurze, unselige Affäre brachte ihn immer noch in Zorn. Es war noch nicht einmal eine richtige Affäre gewesen, denn er hatte nicht mit Penny geschlafen. Zum ersten Mal in seinem Leben hatte er sich entschlossen, eine feste Bindung einzugehen, und war dafür mit Füßen getreten und zutiefst verletzt worden. Dieses Mal wird es anders sein, schwor er sich. Sein kühles Lächeln erreichte seine Augen nicht. Nach dieser überraschenden Begegnung brauchte er unbedingt einen Drink, und er ging zurück in die Bar.

Ich wünschte, ich könnte den Abend wirklich genießen, dachte Penny. Sie fühlte sich unbehaglich, denn sie war davon überzeugt, dass jemand sie beobachtete. Sie sah sich um, konnte jedoch niemanden entdecken. Wahrscheinlich spielen meine Nerven verrückt, sagte sie sich und ging mit Jane in den Ballsaal.

In Pennys Leben hatte es in der letzten Zeit wenig Erfreuliches gegeben. Ihr Vater und Veronica waren vor neun Monaten bei einem Zugunglück ums Leben gekommen. Veronica war sofort tot gewesen, und Pennys Vater war zwei Tage später gestorben, ohne das Bewusstsein wiedererlangt zu haben. Danach hatte sich ihr Leben sehr verändert.

Vor einem Jahr hatte sie genau wie Jane das Studium abgeschlossen. Jane hatte eine Stelle in der Rechtsabteilung eines großen Unternehmens bekommen und sich ein kleines Reihenhaus in London gemietet. Penny hatte einen Job in der Staatsbibliothek angenommen und zu ihrer Freundin ziehen wollen. Doch der Tod ihres Vaters und ihrer Stiefmutter hatte ihren Plan, in London zu leben und zu arbeiten, zunichtegemacht.

Stattdessen musste sie zu Hause bleiben, ihren Bruder James großziehen und sich mit den Folgen des tödlichen Unfalls auseinandersetzen.

Sie war zwei Tage geschäftlich in London und übernachtete bei Jane, während James mit Janes Eltern und Patricia für einige Tage weggefahren war.

Penny war bei ihrer Abfahrt in guter Stimmung gewesen und hatte schon geglaubt, sie hätte das Schlimmste überstanden und könnte neue Hoffnung für die Zukunft schöpfen. Am Morgen dieses wunderschönen Tages im Mai war sie zu der Besprechung mit dem Verlag gegangen und hatte zu ihrer großen Freude einen Vertrag für vier weitere Kinderbücher unterschreiben können. Ihr erstes Kinderbuch war schon erschienen.

James hatte sie auf die Idee gebracht. Mit drei Jahren hatte er angefangen, lesen zu lernen, und er liebte ganz besonders historische Geschichten. Penny hatte vergebens versucht, Kinderbücher mit historischem Hintergrund für ihn zu kaufen.

Deshalb hatte sie selbst eins geschrieben und illustriert. James war begeistert gewesen, und Penny hatte es nach ihrem Abschlussexamen im vergangenen Juni einem Verlag zugeschickt. Nach dem tragischen Tod ihres Vaters und ihrer Stiefmutter hatte sie das Buch ganz vergessen, bis sie von dem Verlag die Nachricht erhielt, man wolle es herausgeben. Zugleich bat man sie, eine ganze Serie Kinderbücher zu schreiben.

Am Nachmittag hatte sie dann wegen des Testaments einen Termin bei Mr Simpson, dem Rechtsanwalt ihres Vaters, gehabt. Sie war so glücklich gewesen wie schon viele Monate nicht mehr, und sie hatte gehofft, noch mehr gute Neuigkeiten zu erfahren.

Mr Simpson hatte das Testament noch einmal geprüft. Er hatte Penny informiert, dass Mrs Browns Altersversorgung gesichert sei und dass Penny und James ein größerer Betrag Bargeld zur Verfügung stehen würde. Außerdem war in dem Testament festgelegt, Penny solle im Fall von Veronicas und Julians Tod James’ Vormund werden. Das alles hatte Penny schon gewusst. Ihr war auch klar gewesen, dass Haversham Park ihr gehören würde, denn der Rechtsanwalt hatte das Testament kurz nach der Beerdigung eröffnet.

„Es gibt ein Problem“, hatte Mr Simpson jedoch am Nachmittag erklärt. „Es ist ein Dokument aufgetaucht, nach dem Ihnen nur die Hälfte von Haversham Park gehört. Offenbar hat Ihr Vater die andere Hälfte einem Dritten überschrieben.“

Penny war wie vor den Kopf geschlagen. „Wie bitte?“, rief sie schockiert aus. „Das kann ich nicht glauben! Mein Vater hätte es mir gesagt.“ Sie fand es unvorstellbar, das Haus mit jemandem zu teilen, und hätte beinah hysterisch gelacht.

„Ich weiß nicht, warum er nicht mit Ihnen darüber geredet hat“, fuhr Mr Simpson fort. „Ich muss Sie jedoch darauf hinweisen, dass die Erbschaftssteuer, die Sie zu zahlen haben, sehr hoch ist. Wahrscheinlich müssen Sie Ihren Anteil an Haversham Park verkaufen.“

Etwas Schlimmeres kann mir nicht passieren, schoss es Penny durch den Kopf. Doch es wurde noch schlimmer.

„Es sieht jedoch nicht schlecht aus. Ich habe schon mit dem Mitinhaber gesprochen.“

„Um wen handelt es sich denn?“, fragte Penny.

„Nun, das ist das Erfreuliche an der Sache. Es handelt sich um einen italienischen Geschäftsmann, um Solo Maffeiano.“

Penny wurde blass, und ihr Magen verkrampfte sich. Solo Maffeiano gehörte die Hälfte ihres Hauses! Nein, so grausam kann das Leben nicht sein, dachte sie.

„Er hat erwähnt, dass Sie sich kennen, und er ist bereit, mit Ihnen über die Sache zu reden. Sie können ihm Ihren Anteil verkaufen, oder das ganze Haus wird verkauft, und Sie und Mr Maffeiano teilen sich den Erlös. Sie sehen, Penelope, es ist alles nicht so schlimm.“ Mr Simpson lächelte.

Ihr wurde übel, und sie brachte kein Wort heraus.

„Sie können sich ein kleineres Haus kaufen. Die Erbschaftssteuer können Sie dann auch bezahlen und haben sogar noch genug zum Leben übrig.“ Mr Simpson blickte sie an, und erst jetzt fiel ihm auf, dass seine Klientin nicht glücklich war.

Der Rechtsanwalt stand auf, ging um den Schreibtisch herum und legte Penny die Hand auf die Schulter. „Ich kann verstehen, dass Sie schockiert sind. Doch glauben Sie mir, die vernünftigste Lösung ist, das Haus zu verkaufen.“

Penny schüttelte den Kopf und stand auch auf, obwohl sie sich kaum auf den Beinen halten konnte. „Es muss doch eine andere Lösung geben, ohne dass ich mit Mr … Maffeiano verhandeln muss.“ Es war schon schlimm genug, das Haus verkaufen zu müssen. Aber noch viel schlimmer war der Gedanke, Solo wiederzusehen. Er hatte sie damals so sehr verletzt, dass sie seinen Anblick nicht ertragen konnte. „Ich möchte Sie bitten, die Verhandlungen für mich zu führen, Mr Simpson.“

„Keine Sorge, Penelope, es ist alles unter Kontrolle. Ich habe für Sie für morgen einen Besprechungstermin in Mr Maffeianos Londoner Büro vereinbart.“

„Können Sie nicht für mich hingehen? Ich bin mit allem einverstanden, was Sie beschließen, wenn Sie mich nur aus der Sache heraushalten.“

„Leider ist das nicht möglich. Mr Maffeiano hat darauf bestanden, mit Ihnen persönlich zu verhandeln. Ich bin sicher, Sie können sich mit ihm einigen.“ Mr Simpson gab ihr eine Visitenkarte mit der Adresse des Büros. „Machen Sie doch einen Einkaufsbummel. Das heitert Sie auf.“

Als Penny schließlich die Anwaltskanzlei verließ, fühlte sie sich sehr elend. Sie konnte nicht glauben, was sie soeben gehört hatte, und es kam ihr vor wie ein Albtraum. Sie fürchtete sich davor, Solo zu begegnen, aber sie hatte offenbar keine andere Wahl.

Allzu gut erinnerte sie sich an die hässliche Szene, als er sie in Simons Armen entdeckt hatte. Er war sehr zornig gewesen und hatte heftig auf Italienisch geflucht. Doch plötzlich war er wie verwandelt gewesen und hatte wieder kühl und beherrscht gewirkt.

Penny bemühte sich sehr, ihm überzeugend etwas vorzuspielen. Sie erklärte, es tue ihr leid, dass sie den falschen Eindruck erweckt habe, aber Simon sei schon lange ihr Freund. Sie sei nur mit ihm, Solo, ausgegangen, um die Zeit bis zu Simons Rückkehr zu überbrücken.

Solo blickte sie so kühl und verächtlich an, dass sie erbebte.

„Ja, Penny und ich sind schon lange ein Paar“, bekräftigte Simon. „Als ihre Stiefmutter sie gebeten hat, nett zu Ihnen zu sein, wollte sie sie nicht enttäuschen. Sie ist viel zu gutmütig und möchte niemanden verletzen. Das verstehen Sie doch, oder?“

„Oh ja, natürlich“, antwortete Solo mit regloser Miene. Sein Blick wirkte so kalt und hart wie Eis. „Gratuliere, Penny. Ich glaube, Veronica hat endlich jemanden gefunden, der ihr ebenbürtig ist.“ Dann hatte er sich umgedreht und war verschwunden.

Nach diesem verhängnisvollen Tag war das Leben in Haversham Park nicht mehr so wie zuvor. Ihr Vater erzählte ihr, Solo hätte dringend weggemusst, aber er hätte sie sehr gern und würde sich melden.

„Das mag ja sein, er ist jedoch zu alt für mich“, behauptete Penny. „Ich werde mit Jane auf die Universität gehen. Wir freuen uns sehr darauf, andere junge Leute kennenzulernen.“

Ihr Vater blickte sie entsetzt an. Schließlich seufzte er. „Du bist noch sehr jung. Ich hätte es mir denken können.“

Als Penny drei Wochen später ihre Sachen packte, hatte Solo immer noch nichts von sich hören lassen. Veronica hatte begriffen, dass etwas nicht stimmte. Sie warf Penny vor, ihrem Vater die Chance zerstört zu haben, zu mehr Geld zu kommen.

„Solo war ganz offensichtlich an dir interessiert. Du hättest ihn ermutigen müssen. Welche junge Frau braucht noch eine Ausbildung, wenn sie sich einen Millionär wie Solo Maffeiano angeln kann? Du bist dumm.“

Das ist typisch Veronica, hatte Penny sich ironisch gesagt.

„Du liebe Zeit, sei doch nicht so deprimiert“, ertönte in dem Moment Janes Stimme und riss Penny aus den Gedanken. „Verkauf das zerfallende Gemäuer, und leb so wie ich.“

Die nächsten zwei Stunden versuchte Penny, den Abend zu genießen. Aber sie konnte sich nicht entspannen, sondern musste immer wieder an das bevorstehende Gespräch mit Solo Maffeiano denken. Deshalb war sie froh, als sie und Jane schließlich nach Hause fuhren.

Um fünf Minuten vor zwölf betrat Penny das imposante Gebäude, in dem sich die Büroräume der Maffeiano Corporation befanden. Sie blickte sich in dem mit Marmor ausgelegten Foyer um und entdeckte die hübsche Brünette an der Rezeption.

Penny atmete tief ein und zog die Jacke ihres schwarzen Kostüms über die Hüften, ehe sie sich an die junge Frau wandte. „Mr Maffeiano erwartet mich.“

Die Rezeptionistin ließ den Blick über Pennys schlanke Gestalt, ihr blasses Gesicht und das blonde Haar gleiten, das sie hochgesteckt hatte. „Sie haben einen Termin mit Mr Maffeiano?“

Penny ärgerte sich über die abfällige Bemerkung und nickte. „Ja.“ Offenbar besuchen ihn sonst nur superelegante Models und dergleichen, schoss es ihr durch den Kopf. Aber das konnte ihr egal sein. Sie hatte auf der Universität genug damit zu tun gehabt, sich der Verehrer zu erwehren, die mehr an Äußerlichkeiten als an ihrer Intelligenz interessiert gewesen waren. Während der neun Monate als James’ Ersatzmutter hatte sie ihre Talente und ihre Fähigkeit entdeckt, mit jeder Situation fertig zu werden. Das hier war eine geschäftliche Besprechung, sonst nichts, und sie konnte damit umgehen.

„Ich sage seiner Sekretärin Bescheid. Nehmen Sie doch Platz.“ Die junge Frau wies auf die Sitzgruppe.

Penny war froh, dass sie sich setzen konnte, denn sie fühlte sich plötzlich seltsam schwach auf den Beinen. Sie hatte die ganze Nacht nicht geschlafen und war wie zerstört von den unfassbaren Neuigkeiten.

Immer wieder hatte sie sich gefragt, warum ihr Vater so etwas getan hatte. Eine Antwort darauf hatte sie nicht gefunden. Nur eins war ihr klar: Sie hatte ihr Elternhaus verloren. Es gab für sie keine andere Möglichkeit, als es an Solo oder an einen Dritten zu verkaufen. Jedenfalls fürchtete sie sich sehr vor der Begegnung mit Solo.

„Miss Haversham?“ Eine elegante Fünfzigerin mit grauem Haar kam auf sie zu. „Würden Sie bitte mitkommen?“

„Danke.“ Penny rang sich ein Lächeln ab und folgte der Frau über einen langen Flur, der mit Teppichboden ausgelegt war.

Am Ende des Flurs öffnete die Frau eine Tür und ließ Penny den Vortritt. „Sie können hier warten. Mr Maffeiano ist noch aufgehalten worden. Nehmen Sie sich einen Kaffee, wenn Sie möchten.“ Die Frau wies auf den kleinen Tisch, auf dem eine Kaffeemaschine und einige Tassen standen. Dann setzte sie sich an ihren Schreibtisch. „Sie sehen so aus, als könnten Sie einen gebrauchen“, fügte sie lächelnd hinzu.

„Nein … danke.“ Penny lächelte auch. In dem Moment wurde die Doppeltür, die offenbar in Solos Räume führte, geöffnet, und ausgerechnet Tina Jenson kam heraus. Am liebsten hätte Penny laut aufgestöhnt.

„Hallo, wenn das nicht die kleine Penny Haversham ist“, sagte die rothaarige Frau. „Ich bin erstaunt, dass Sie es überhaupt wagen, Solo gegenüberzutreten, nachdem Sie ihm so übel mitgespielt haben.“

„Hallo“, erwiderte Penny spöttisch. Warum sollte sie überrascht sein, Tina zu sehen? Die Frau war Solos Assistentin und seine Geliebte. Wenn hier jemand einem anderen übel mitgespielt hat, dann Solo meinem Vater, überlegte Penny ärgerlich. Ihr Vater hatte nicht viel von geschäftlichen Dingen verstanden. Solo musste ihn getäuscht oder betrogen haben, anders konnte Penny sich den ungeheuerlichen Vorgang nicht erklären.

„Sie sind wirklich unverfroren, das muss man Ihnen lassen“, stellte Tina fest. Dann verabschiedete sie sich von der Sekretärin und verschwand.

Penny sah mit gemischten Gefühlen hinter ihr her. Die Frau gefiel ihr nicht, wie sie sich eingestand. Offenbar waren Solo und Tina noch zusammen. Ihr verkrampfte sich der Magen.

Sie überlegte, ob sie einen Kaffee trinken solle, denn sie hatte noch nichts gegessen. Sie ließ es jedoch sein und setzte sich in einen der Sessel. Nach den drei Tassen Kaffee zum Frühstück war sie schon nervös und gereizt genug.

„Jetzt können Sie zu ihm gehen“, erklärte die Sekretärin, als das grüne Lämpchen auf ihrem Telefon aufleuchtete. „Aber er hat nicht viel Zeit. Das Gespräch mit Mrs Jenson hat länger gedauert, als er geplant hatte.“

Das kann ich mir vorstellen, dachte Penny und stand auf. Dann straffte sie die Schultern und bedankte sich kurz bei der Frau, ehe sie die Tür zu Solos Büro öffnete.

In dem luxuriös eingerichteten Raum blickte sie sich vorsichtig um. Die Wände waren mit Holz verkleidet, der dicke Teppich sah teuer aus, in einer Ecke standen ein schwarzes Ledersofa und ein Sessel aus demselben Material, und der massive Mahagonischreibtisch vor dem riesigen Fenster wirkte überdimensional groß. Doch Solo Maffeiano war nirgends zu entdecken.

Penny machte die Tür hinter sich zu. Sie hatte Herzklopfen, und es wurde ihr zu warm. Sie knöpfte ihre Kostümjacke auf und öffnete den obersten Knopf ihrer Bluse.

Dann atmete sie tief ein und zwang sich, den Raum zu durchqueren. An dem Schreibtisch blieb sie stehen und überlegte, was sie als Nächstes machen sollte. Sie räusperte sich diskret.

In dem Moment wurde der Ledersessel mit der hohen Rückenlehne langsam herumgedreht, und es verschlug Penny die Sprache, als sie Solo erblickte. Während sie sich ansahen, glaubte sie, ohnmächtig zu werden. Die Atmosphäre zwischen ihnen war zum Zerreißen gespannt. Penny blinzelte, das alles kam ihr vor wie eine Wiederholung dessen, was sie als Achtzehnjährige erlebt hatte. Sie war immer noch betört von der faszinierenden Ausstrahlung dieses Mannes. Das hatte sich offenbar in all den Jahren nicht geändert.

Um sie noch mehr zu verwirren, lehnte Solo sich in dem Sessel zurück. Das Jackett und die Krawatte hatte er abgelegt, und das weiße Seidenhemd, dessen oberste Knöpfe geöffnet waren, betonte seine breiten Schultern und die gebräunte Haut. Pennys Puls jagte, und ihr wurde der Mund trocken. Sie brachte beim allerbesten Willen kein Wort heraus.

„Die ehrenwerte Penelope Haversham“, stellte Solo schließlich sarkastisch fest. Dann stand er auf und ging um den Schreibtisch herum.

Während sie ihn beobachtete, gestand sie sich ein, dass sie vergessen hatte, wie attraktiv und beeindruckend er war. Er strahlte ungemein viel Kraft und Macht aus und wirkte so erotisch, dass sie sich seltsam hilflos fühlte. Bewundernd betrachtete sie diesen Mann in dem weißen Seidenhemd und der eleganten, perfekt sitzenden Hose. Mit dem dunklen Haar, den breiten Schultern, den schmalen Hüften, den langen Beinen und den geschmeidigen Bewegungen wirkte er wie eine Raubkatze.

Als ihr bewusst wurde, dass sie ihn fasziniert und mit großen Augen ansah, wandte sie sich ab und errötete. Ich benehme mich wie ein Teenager, schalt sie sich.

„Setz dich“, forderte er sie kühl auf, nachdem er ihr den Sessel hingeschoben hatte.

„Danke, Mr Maffeiano“, erwiderte sie höflich.

Solo setzte sich wieder an den Schreibtisch. „Mr Maffeiano“, wiederholte er spöttisch und ließ den Blick verächtlich über ihre schlanke Gestalt gleiten. Genauso hatte er sie gemustert, als er sie in Simons Armen entdeckt hatte, und Penny zuckte insgeheim zusammen. „Wir haben uns doch damals geduzt, Penny, oder?“

„Natürlich, Solo“, stieß sie hervor. Ich benehme mich unmöglich, dachte sie. Sie war nicht mehr das naive junge Mädchen, das mit seinen romantischen Vorstellungen über Liebe und Ehe für so einen rücksichtslosen, erfahrenen Mann wie Solo leichte Beute gewesen war. Sie konnte froh und dankbar sein, dass sie ihn rechtzeitig durchschaut hatte.

„Gut, lass uns zum Geschäftlichen kommen. Ich habe nicht viel Zeit“, erklärte er kurz angebunden. „Ich bin um ein Uhr zum Mittagessen verabredet.“ Er schob den Sessel etwas zurück und legte den Arm über die Lehne.

Nervös zog Penny an dem Saum ihres Rockes. Solo beobachtete sie dabei und kniff die Augen zusammen, während er den Blick langsam über ihre schlanke Gestalt gleiten ließ. Penny versteifte sich und presste die Knie zusammen. Am liebsten hätte sie sich irgendwo versteckt.

Solo lächelte ironisch. „Ich sehe, du bist noch so scheu wie damals.“ Er erinnerte sich allzu gut an ihr rotes Outfit vom Abend zuvor und musste sich zusammennehmen, um nicht laut zu lachen. Wie sie da vor ihm saß in dem strengen schwarzen Kostüm, den schwarzen Schuhen und mit dem ordentlich frisierten Haar wirkte sie sehr korrekt und unnahbar. Glaubte sie wirklich, sie könnte ihm etwas vormachen?

Penny ärgerte sich über ihre Schwäche für diesen Mann. „Ja“, erwiderte sie nur. Etwas Besseres fiel ihr nicht ein. Es brachte sie durcheinander, mit Solo in einem Raum zu sein. Und wenn sie ihn ansah, konnte sie keinen klaren Gedanken mehr fassen, obwohl sie für die Besprechung mit ihm einen wachen Verstand brauchte.

Als sie ihn kennengelernt hatte, war er vierunddreißig gewesen. Er hatte natürlich gewusst, wie er auf Frauen wirkte. Er war höflich, liebenswürdig und charmant. Seine tiefe, angenehme Stimme klang etwas sinnlich und vielleicht auch etwas gefährlich.

Die vier Jahre hatten ihre Spuren hinterlassen. Das gelockte Haar hatte er aus der Stirn gekämmt. Seine markanten Züge wirkten hart, und der kühle Blick schien auszudrücken, dass Solo sich und jede Situation unter Kontrolle hatte. Er war ein Mann, der wegen seiner Macht und seines Reichtums respektiert werden musste, aber man musste sich auch vor ihm fürchten.

Sekundenlang betrachtete er ihr Gesicht und ließ dann den Blick über ihre Brüste gleiten, die sich unter der weißen Bluse deutlich abzeichneten. „Es ist schon lange her, du hast dich jedoch nicht verändert, Penelope.“

Autor

Jacqueline Baird
Wenn Jacqueline Baird nicht gerade an einer Romance schreibt, dann liest sie viel und spielt gern Karten. Falls das Wetter es erlaubt, schwimmt sie häufig im Meer und bedauert, dass sie seit einer schweren Knieverletzung nicht mehr Segeln kann.

Zwar ist sie dadurch zu einem „Leben an Land“ verurteilt, aber...
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