Hüllenlos vor dir

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Er will Antworten! Jamie De Montford setzt alles daran, die rätselhaften Umstände um den Tod seines Vaters aufzuklären, in den ganz gewiss irgendwie die Familie Darlington-Hume verwickelt ist. Seine Vorgehensweise ist so genial wie elegant. Er macht der schönen April Darlington-Hume, seiner Ex, ein unwiderstehliches Angebot: Jamie beschert ihr im Bett unglaubliche Höhepunkte, dafür weiht April ihn in die Geheimnisse ihrer Familie ein. So weit, so einfach - wenn nur nicht jedes Mal Jamies Verstand aussetzen würde, sobald April die Hüllen fallenlässt!


  • Erscheinungstag 04.09.2020
  • Bandnummer 43
  • ISBN / Artikelnummer 9783745752342
  • Seitenanzahl 208
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

April

Beim Sex geht es nicht um Liebe und Zuneigung, sondern nur um Macht und Kontrolle.

Das ist mir in den letzten zehn Jahren klar geworden.

Okay, ich gebe zu, dass er auch der Fortpflanzung dient und der Erhaltung des Familiennamens – oder im Fall meines Vaters der Erzeugung eines Erben für sein riesiges Geschäftsimperium –, und ich weiß auch, dass einige Leute sogar glauben, sie würden es nur zum Spaß tun, aber glaubt es mir: Sex ist nichts als ein Werkzeug, mit dem wir uns gegenseitig manipulieren.

Ja, es stimmt, was die Leute über mich sagen, und damit meine ich in erster Linie Jamie De Montfort: Ich bin eine totale Bitch.

Ich musste so sein. Das war notwendig.

Hinter meinem Rücken bezeichnen mich die Leute als knallhart.

Das gefällt mir. Härte ist sehr nützlich und wichtig. Ohne Härte würde alles auseinanderfallen.

Kalt wie ein Eisbärarschloch, das höre ich weniger gern.

Aber ich wäre bei DH Worldwide, dem bereits erwähnten, multinationalen Imperium meines Vaters, nicht zur Geschäftsführerin aufgestiegen, wenn ich nicht gelernt hätte, das Gerede der Leute zu ignorieren.

Nur meine ich mit diesen Leuten in diesem Fall nicht Jamie De Montfort, denn mir ist leider immerzu äußerst bewusst, was er von mir hält. Durch den Tod meiner Mutter war ich gezwungen, ihre Rolle der Familienmatriarchin zu übernehmen, was meine Schwester Maya nicht ausstehen konnte. Und zwischen Jamie und mir herrscht seitdem alles andere als Freundschaft.

Das ließ sich nicht vermeiden.

Ich konnte ihm nie genau erklären, wieso ich im dritten Studienjahr auf der St. Andrew’s University unsere achtzehnmonatige Beziehung beendet habe. Deshalb hat er beschlossen, von mir immer nur das Allerschlimmste zu denken und dafür zu sorgen, dass alle anderen derselben Meinung sind.

Das ist schon okay. Es musste eben so sein. Uns beiden zuliebe.

Wenn ich ihm die Gründe für mein Verhalten verraten hätte, hätte ihn das seelisch vernichtet – und mich auch.

Denn ich habe ihn geliebt.

Das kann ich jetzt nicht mehr, so, wie er mich seit damals behandelt hat.

Leider kommt es jetzt immer häufiger vor, dass wir uns bei gesellschaftlichen Anlässen über den Weg laufen, und er versäumt keine Gelegenheit, mich wissen zu lassen, wie wenig er von mir hält.

Erst gestern Abend hat er das wieder getan.

Nur hat sich der gestrige Abend am Ende vollkommen von den anderen Begegnungen unterschieden. Wenn ich jetzt daran zurückdenke, kann ich im Grunde kaum fassen, dass es passiert ist. Es kommt mir eher wie ein Traum vor – oder wie ein Albtraum, je nachdem, wie man es sieht.

Ich bin zu einem Fundraiser gegangen, den die Ehefrau eines Geschäftspartners eingeladen hatte, um Geld für eine Hilfsorganisation für Kinder zu sammeln, die ihr sehr am Herzen liegt. Zur Teilnahme habe ich mich ganz kurzfristig entschlossen, weil ein Meeting in Rom geplatzt war und ich daher an jenem Abend unvorhergesehen Freizeit hatte.

Deshalb hatte ich keine Ahnung, dass Jamie De Montfort bei diesem Event als Moderator auftrat.

Ihn als weltberühmten ehemaligen Tennis-Champion für diesen Zweck zu gewinnen war ein echter Coup, und bei den Reaktionen auf sein bescheidenes, charmantes Auftreten war klar, dass an diesem Abend viel Geld in der Kasse der Hilfsorganisation landen würde.

Wenigstens konnte ich ihn von meinem Platz ganz hinten im Saal aus beobachten, ohne wie sonst den Drang zu verspüren, mich angewidert abwenden zu müssen.

Ich muss leider zugeben, dass er echt gut aussah. Sehr gut sogar. Seinen athletischen Körperbau konnte auch der Smoking nicht verbergen. Schon mit Anfang zwanzig, als ich ihn am besten kannte, hatte er einen tollen Körper gehabt. Mit „am besten kennen“ meine ich, dass ich ihn damals regelmäßig nackt gesehen habe.

Ich musste mich daran hindern, körperlich auf diese Erinnerungen zu reagieren, während ich dasaß und versuchte, ihn ganz objektiv zu sehen. Das rotblonde Haar hatte er sich etwas länger wachsen lassen, seit ich ihn vor ein paar Monaten zuletzt gesehen hatte. Im Nacken reichte es wellig bis zum Kragen, und die zerzausten Strähnen fielen ihm in die Stirn. Ich musste daran denken, wie er sich früher, als wir zusammen waren, das Haar immer aus seinen umwerfend blauen Augen weggestrichen hatte, wenn er sich zu mir umgedreht hatte. Die schlichte Eigenart von ihm hat mich jedes Mal auf eine Art erregt, die ich nicht mit Worten erklären kann.

An diesem Abend konnte ich auch seinen kantigen Kiefer deutlich sehen, weil er sich zur Abwechslung rasiert hatte. Sonst ist er für seinen stylishen Dreitagebart berühmt. So kennt man ihn aus der Werbung für seine eigene Sportswear für Männer.

Er war sich schon immer dessen sehr bewusst gewesen, wie attraktiv er ist, daher überrascht es mich ganz und gar nicht, dass er keine Hemmungen hat, sein Aussehen einzusetzen, um daraus Gewinn zu ziehen.

Dieser selbstsüchtige Narzisst!

Wahrscheinlich konnte er es aus diesem Grund nicht fassen und hat so boshaft reagiert, als ich mit ihm Schluss gemacht habe. Er konnte nicht glauben, dass ich es wage, jemanden in die Wüste zu schicken, der so einzigartig ist wie er.

Aber ich habe mit ihm Schluss gemacht. Und diese Entscheidung bereue ich auch jetzt nach zehn Jahren noch nicht. Zumal ich deutlich sehe, wie schamlos er mit jeder einzelnen Frau im Saal flirtet, selbst mit den Frauen, von denen ich weiß, dass er sie schon ins Bett bekommen hat. Ich sollte hinzufügen, dass das auch einige meiner Freundinnen einschließt, obwohl er mich nach wie vor wie den letzten Dreck behandelt.

Doch das macht mir nichts mehr aus.

Wirklich nicht.

Es ist eine Ironie des Schicksals, dass mir genau dieser Gedanke durch den Kopf ging, als meine Sitznachbarin – eine gute Freundin der Organisatorin – sich zu mir beugte und flüsterte: „Haben Sie schon das von Jamie De Montforts Vater Cliff gehört?“

Schon bei der Erwähnung dieses Namens ist es mir kalt den Rücken hinuntergelaufen.

„Nein“, habe ich herausgebracht, obwohl mein Mund sich anfühlte, als sei er mit Steinen gefüllt.

Meine Sitznachbarin schüttelte bedrückt den Kopf und sah mich aus großen Augen betroffen an. „Vor ein paar Tagen ist er nach einem weiteren schweren Herzinfarkt gestorben. Jamie war am Boden zerstört, aber er hat darauf bestanden, heute herzukommen und durch den Abend zu führen.“ Mit einem Nicken deutete sie zu Jamie, der stolz und aufrecht auf der Bühne stand und dem Direktor der Kinderhilfsorganisation die Hand schüttelte, während alle Gäste begeistert applaudierten. „Dieser Mann ist der Inbegriff eines echten Helden.“ Bei dem tosenden Beifall musste meine Sitznachbarin fast schreien. Aus ihrem Blick sprach tiefe Bewunderung.

Zu mehr als einem angespannten Lächeln konnte ich mich nicht durchringen. Mir hämmerte das Blut in den Schläfen, und mein Magen war so verkrampft, dass mir fast übel wurde.

Cliff war also tot. Und Jamie war trotzdem zu diesem Event erschienen. Das ging mir nicht in den Kopf. Jamie hatte seinen Dad vergöttert, und auch wenn ich keinerlei Sympathie mehr für ihn hegte, war mir klar, wie sehr er im Moment leiden musste. Diese Neuigkeit löste in mir eine Welle schmerzhafter Erinnerungen an die Zeit aus, als meine Mutter nach einem Skiunfall gestorben war. Und erst vor einem Monat hatte ich unerträgliche seelische Qualen und Ängste ausgestanden, als ich erfahren hatte, dass mein Vater bei einem Autounfall nur knapp dem Tode entronnen war.

Ja, ich wusste sehr genau, wie Jamie sich jetzt fühlte.

Beängstigend einsam.

Für ihn musste es umso schlimmer sein, weil er jetzt der letzte De Montfort war. Der letzte seiner Art.

Mich durchfuhr ein Anflug von Nostalgie. Das hatte sicher mit meinen ganz eigenen, quälenden Erinnerungen zu tun. Ich musste mich entschuldigen und aus dem Saal raus, um wieder etwas Luft in meine Lungen zu bekommen. Eigentlich wollte ich direkt zu den Waschräumen gehen, doch dort standen bereits eine ganze Reihe von Frauen Schlange, deshalb bog ich in das nächstbeste Büro ab, das zum Glück leer war. Ohne das Licht einzuschalten, ging ich direkt zum Fenster hinüber und öffnete es, um mir die kühle Abendluft über das erhitzte Gesicht streichen zu lassen.

Mein Herz hämmerte, als sei ich gerade mit Höchsttempo eine ganze Meile gerannt. Vor Aufregung schien mein ganzer Körper zu vibrieren.

Cliff war tot.

Sofort fragte ich mich, ob mein Vater schon davon erfahren hatte. Falls ja, wieso hatte er es mir dann nicht erzählt?

Ich zuckte zusammen, als hinter mir die Tür aufging und aus dem Flur Licht ins Zimmer drang.

Blinzelnd betrachtete ich die Umrisse des großen, breitschultrigen Mannes, der in der Tür stand. Instinktiv wusste ich sofort, um wen es sich handelte, noch ehe meine Augen sich an das Licht gewöhnt hatten und ich die vertrauten Gesichtszüge ausmachen konnte.

„Guten Abend, Jamie“, sagte ich so gleichgültig, wie ich nur konnte. Auf keinen Fall sollte er merken, wie aufgewühlt ich war. Wenn ich mir nur das Geringste anmerken ließ, würde er sofort darauf anspringen und meine Schwäche gnadenlos gegen mich nutzen. Ich konnte nur hoffen, dass er sofort wieder kehrtmachte und ging, wenn er erst erkannte, dass ich allein hier war.

Doch das war mir nicht vergönnt.

„April, witzig, dich hier anzutreffen. So allein und schmollend in der Dunkelheit.“

Bei seinem abfälligen Tonfall kroch sofort die Wut in mir hoch.

„Ich nehme mir nur eine kurze Auszeit. Da drin ist es zu warm“, erwiderte ich ausdruckslos und versuchte, jegliche Emotion aus meinem Tonfall zu bannen, damit Jamie nichts zum Kommentieren bekam. Nur so konnte ich hoffen, dass er sich langweilen und verschwinden würde.

Doch das tat er natürlich nicht. Schließlich war er Jamie. Dieser Mann hat noch keine Gelegenheit verstreichen lassen, um mich zu quälen.

Stattdessen schloss er die Tür hinter sich, und der Raum war wieder in Dunkelheit gehüllt. Langsam kam er zu mir herüber, wo ich nach wie vor reglos am Fenster stand.

Genau in diesem Moment war ich unglaublich dankbar für die Dunkelheit und die kühle Brise von draußen.

„Gibt es einen Grund, wieso du diese Auszeit ausgerechnet in dem Raum nimmst, den sie mir als Garderobe zugewiesen haben?“ Im Schimmer der Straßenbeleuchtung von draußen konnte ich sein Gesicht im Profil sehen.

„Ich dachte, dies sei ein leeres Büro. Mir war nicht klar, dass es dein Zimmer ist“, erwiderte ich und spürte, wie ich knallrot wurde, weil mir dieses Missgeschick so peinlich war.

„Ist das wahr?“, fragte er, und ich konnte ihm den Unglauben anhören.

In der sich anschließenden peinlichen Stille versuchte ich hektisch, irgendetwas zu finden, womit ich seine Aufmerksamkeit davon ablenken konnte, dass ich mich gerade so unwohl fühlte.

„Ich habe vom Tod deines Vaters gehört. Das tut mir sehr leid.“ Ich war zu dem Schluss gekommen, dass ich dieses Thema auch genauso gut gleich hier und jetzt anschneiden konnte. Zweifellos würde es früher oder später ohnehin zur Sprache kommen. Jamie war ohnehin davon überzeugt, dass meine Familie an allem Unglück seines Vaters die Schuld trug. Zweifellos machte er uns auch für diesen Herzinfarkt verantwortlich.

Wenn er nur wüsste …

Die Luft schien im Raum zu stehen, und ich glaubte zu sehen, wie ein schmerzvoller Ausdruck über Jamies Züge glitt, doch in dem dämmrigen Zwielicht konnte ich mir da nicht sicher sein. Bei dem Gedanken daran zog sich mir immer noch der Magen zusammen. Schon seit Jahren hatte Jamie sich mir gegenüber keinerlei Gefühle mehr anmerken lassen, mal abgesehen von Zorn.

„Du hast also davon gehört?“, stellte er schließlich fest.

„Ja, gerade vorhin beim Dinner. Es hat mich überrascht, dass ich nicht eher davon erfahren habe.“

Er streifte sein Jackett ab und warf es über die Lehne eines Stuhls, der unter den Schreibtisch geschoben war. „Tja, also, mein Vater wollte nicht, dass über seinen Tod getratscht wird. Von all dem Gerede hatte er genug, dank deiner Familie.“

Es fiel mir schwer, mir auf die Zunge zu beißen, aber irgendwie gelang es mir, obwohl in mir die allzu vertraute Abneigung hochstieg. Jamie würde sich mir gegenüber vollkommen anders verhalten, wenn er wüsste, was ich alles angestellt hatte, um Cliff und auch ihn vor dem allgemeinen Gerede zu bewahren. Und vor noch Schlimmerem.

„Da wir gerade beim Thema sind: Wie ich gehört habe, hat dein Vater kürzlich einige Zeit im Krankenhaus verbracht.“ Jamie löste sich die Fliege und öffnete den obersten Hemdsknopf.

„Ja, er war ungefähr eine Woche im Krankenhaus, aber mittlerweile ist er wieder zu Hause und erholt sich dort“, erwiderte ich kühl und versuchte, nicht darauf zu achten, wie merkwürdig erregend ich es fand, dabei zuzusehen, wie er sich aus seinem formellen Aufzug schälte.

„Soll das heißen, dass er sich tatsächlich eine Auszeit von der Arbeit nimmt? Ich dachte, das würde nie passieren.“

Es kostete mich große Mühe, nicht die Arme vor der Brust zu verschränken. „Es geht ihm noch nicht gut genug, um wieder ins Büro zu gehen. Das wird bestimmt auch noch ein paar Monate dauern. Er hat permanent Schmerzen, und die Schmerzmittel machen ihn zu benommen, um sich längere Zeit zu konzentrieren.“

Jamie nickte, und eine Haarsträhne fiel ihm wieder in die Stirn. Ich beobachtete, wie er die Strähne zurückschob, und meine verräterische Pussy antwortete mit einem lustvollen Pochen.

„Dann macht er also mal Pause vom Terrorisieren seiner Angestellten? Das muss für alle Beteiligten eine große Erleichterung sein.“ Er neigte den Kopf zur Seite und sah mich durchdringend an. „Oder hast du dich vorgedrängt und diese Rolle übernommen?“

Bei der Feindseligkeit, die er ausstrahlte, spannte sich mein gesamter Körper an.

„Im Moment bin ich die leitende Geschäftsführerin, falls du das meinst, aber ich halte mich für eine faire und zugängliche Chefin.“

Er schnaubte. „Zugänglich? Du?“

Da war sie also, die unvermeidliche erste Beleidigung. Obwohl ich mich innerlich darauf vorbereitet hatte, tat es weh. Ich blinzelte schnell, um die brennenden Tränen zurückzudrängen. Auf keinen Fall wollte ich mir irgendeine emotionale Regung anmerken lassen. Das würde er nur gegen mich ausnutzen.

Er kam einen Schritt näher, und ich musste mich beherrschen, nicht zurückzuweichen, zumal mich sein vertrauter maskuliner Duft umgab. In meinem Kopf drehte sich alles, und unpassenderweise fing etwas in mir vor triebhafter Sehnsucht zu pulsieren an.

„Wie ist das denn so, wenn man endlich die Erlaubnis bekommt, eigenständig zu arbeiten, ohne dass am Ende doch Daddy alles entscheidet?“ Mit dem Blick seiner hellblauen Augen schien er mich durchbohren zu wollen. Ganz offensichtlich suchte er nach Schwachpunkten in mir.

Aber die würde ich ihm ganz sicher nicht zeigen.

Ich stieß einen schweren Seufzer aus und verdrehte die Augen. Auch wenn er gerade erst seinen Vater verloren hatte, gab ihm das nicht das Recht, sich so boshaft aufzuführen. „Du änderst dich wohl nie, oder? Immer noch dieselben Sprüche, so ermüdend sie auch sein mögen.“

„Tja, wenn du jemals etwas Neues auf die Reihe bringst, was zumindest im Ansatz mein Interesse weckt und nicht so verdammt langweilig und seelenlos ist, dann könnte ich mir endlich auch neue Sprüche aneignen“, keilte er zurück.

Ich hatte mir zwar fest vorgenommen, auf keine seiner Gehässigkeiten einzugehen, doch diese Bemerkung ließ mich innerlich zusammenzucken.

Einen atemlosen Augenblick lang hatte ich den Eindruck, so etwas wie Bedauern in seinen Zügen zu sehen, aber ich würde hier bestimmt nicht weiter herumstehen, um auf eine Entschuldigung zu warten. Dafür war meine Angst zu groß, dass meine unbekümmerte Fassade einstürzte. Deshalb drückte ich die Schultern nach hinten. „Jamie, wie zu erwarten war es keine Freude, dich wiederzusehen. Wenn das jetzt alle Bosheiten waren, die du diesmal für mich auf Lager hattest, dann kann ich ja gehen. Ich will nicht schuld sein, dass dein schmachtendes Publikum auf dich warten muss. Schließlich weiß ich, wie sehr du es liebst, angehimmelt zu werden.“

„April, warte …“

Noch im Umdrehen konnte ich sehen, wie er die Hand ausstreckte, als wolle er mich aufhalten, doch anstatt auf meinem Arm landeten seine Finger am dünnen Spaghettiträger meines Kleids. Ich war so fest entschlossen, von ihm wegzukommen, dass ich mich zu schnell bewegte und er den Griff nicht mehr lösen konnte. Ich spürte einen Ruck, hörte ein Reißen, und der Träger gab nach. Die Seite meines Kleids glitt mir über den Rücken nach unten.

Erbost schnappte ich nach Luft, fuhr zu Jamie herum und sah ihn wütend an.

„Ups.“

Seine lächelnd hochgezogenen Mundwinkel gaben mir den Rest.

„Das ist ein maßgeschneidertes Fünftausend-Pfund-Kleid von Eva Verdano!“, schrie ich wütend und entnervt darüber, dass mir bei seiner unbekümmerten Belustigung auch noch die Stimme zitterte.

„Tu jetzt nicht so, als könne dein Daddy dir kein neues kaufen.“ Verächtlich zuckte er mit den Brauen.

„Ich kann es mir leisten, mir meine Kleider selbst zu kaufen, du arroganter Bock!“ Die Erwiderung konnte ich mir nicht verkneifen, obwohl ich mich gleichzeitig über mich selbst ärgerte, weil ich auf seine Provokation einging. „Zufällig gehöre ich zu den bestbezahlten Geschäftsfrauen des Landes.“ Zitternd deutete ich auf ihn. „Und bevor du es jetzt wagst, mich darauf hinzuweisen, dass Daddy mir diesen Job gegeben hat, solltest du bedenken, dass ich hart dafür geschuftet habe, dort hinzukommen, wo ich heute bin!“

„Ja, rede dir das ruhig ein, wenn du dich dadurch besser fühlst“, erwiderte er knurrend.

Das war’s. Ich hatte genug von ihm. Brodelnde Wut kroch in mir hoch, und ohne nachzudenken, packte ich sein Hemd an der Brust und riss mit aller Kraft. Anscheinend hatte der Stoff einen hohen Seidenanteil, denn die obersten vier Knöpfe rissen spielend leicht ab. Das Hemd klaffte auf und gewährte mir den spektakulären Anblick von Jamies nackter, muskulöser Brust.

Einen Augenblick lang reagierte keiner von uns. Wir waren beide zu geschockt über das, was ich gerade getan hatte. Dann, bevor ich ihn aufhalten konnte, griff Jamie zu, packte mein Kleid und tat mir dasselbe an, indem er den Stoff vorn aufriss und meine Brüste entblößte, weil ich an diesem Abend leider beschlossen hatte, sie wegen der Silhouette meines Outfits nicht in einen BH zu zwängen.

Entsetzt stieß ich einen leisen Schrei aus. Mich nervte nicht nur, dass er mir mein schönes Kleid total ruiniert hatte, sondern auch, dass ich seinen spöttischen Blicken jetzt ungeschützt ausgesetzt war.

Durch den Schleier von grellroter Wut hindurch sah ich, wie er entschuldigend eine Hand hob. „Mist, April, tut mir leid, ich wollte nicht …“

Das wollte ich alles nicht hören. Mein Vorhaben, ihm gegenüber friedlich zu bleiben, war geplatzt. Ich wollte ihn verletzen, so wie er mich gekränkt hatte. Immer und immer wieder. Schon seit Jahren. Aber die Worte kamen mir nicht über die Lippen. Mir fiel absolut nichts ein, was seinen Panzer aus Selbstbewusstsein durchdringen konnte. In Ermangelung einer besseren Idee holte ich weit aus und verpasste ihm eine schallende Ohrfeige.

Das brutale Klatschen hallte in dem kleinen Zimmer wider, doch der Schlag schaffte es nicht, mich wieder zu Verstand zu bringen. Ich war schon seit Jahren in meinem brennenden Zorn gefangen, deshalb holte ich einfach nur noch einmal aus, um Jamie ein weiteres Mal zu ohrfeigen.

Diesmal reagierte er schneller, und es gelang ihm, mich am Handgelenk festzuhalten, bevor meine Hand sein Gesicht treffen konnte. Kraftvoll hielt er mich fest, blickte mir durchdringend in die Augen und schüttelte langsam in einer wortlosen Warnung den Kopf. Davon ließ ich mich nicht aufhalten. Ich wollte mich nicht von ihm bändigen lassen. Deshalb hob ich meine freie Hand und schwang sie in Richtung seiner anderen Wange.

Anscheinend hatte er jedoch damit gerechnet, denn er schaffte es, auch meine andere Hand festzuhalten. Dann drehte er sich mit mir herum und drückte mich gegen das Fenster. Mit seinen großen Händen hielt er meine Handgelenke fest und ließ meiner Wut keinen Freiraum mehr.

„Schluss damit!“, befahl er wütend, und in seinen Augen blitzte etwas auf, das verdächtig nach Verlangen aussah.

Wir waren beide außer Atem. Jeder Atemzug klang in dem stillen Raum laut und angestrengt.

Ich hätte mich hilflos fühlen und fürchten müssen, weil ich mit ihm allein und er mir körperlich so überlegen war.

Doch ich hatte keine Angst. Vielmehr war ich seltsamerweise überglücklich.

Alles in mir drängte darauf, ihn bis an seine Grenzen zu bringen, nur um zu sehen, was er dann tun würde. Ich wollte ihn zum Handeln zwingen und ihn bis an den Rand seiner Komfortzone schieben, vielleicht sogar noch ein Stück weiter. Er sollte genauso aus dem Gleichgewicht geraten wie ich gerade. Ich wollte nicht die Einzige sein, die darum kämpfen musste, sich weiter zu beherrschen.

„Und was hast du jetzt vor?“ Ich stieß ein Schnauben aus. „Jetzt hast du mich hier gefangen, halb nackt und verletzlich.“

Ich blickte ihm in seine umwerfend blauen Augen, und bei jedem Atemzug war mir sehr bewusst, dass meine nackten Brüste sich nur wenige Zentimeter vor seiner entblößten Brust hoben und senkten. Meine hart aufgerichteten Nippel fühlten sich unglaublich empfindsam an, und mir war klar, dass es nicht nur an der kühlen Luft lag, dass sie so emporragten.

Flüchtig zeigte sich ein seltsamer Ausdruck auf seinem Gesicht, und dann weiteten sich seine Pupillen.

Auf einmal fühlte es sich an, als würden wir beide am Rand einer unbekannten und gefährlichen Zone stehen.

Jede Faser meines Körpers sehnte sich nach diesem Unbekannten.

Aber zu meiner Enttäuschung löste er den Griff an meinen Handgelenken und wich von mir zurück. Ein Stirnrunzeln verdüsterte den Ausdruck seines schönen Gesichts, doch sein brennender Blick verriet nach wie vor sein glühendes Verlangen.

Mich überkam pure, süße Sehnsucht, als ich daran denken musste, wie er mich früher immer mit so unverhohlener Lust angesehen hatte.

Zusammen hatten wir eine wilde Zeit erlebt. Mir kam es vor, als würde das eine Ewigkeit zurückliegen. Damals hatten wir mit allem Möglichen herumexperimentiert. Verrückte Sachen wie BDSM, was mir damals viel Spaß gemacht hatte, was ich aber seitdem mit keinem anderen Partner hatte machen wollen. Es hätte mich zu sehr an meine Zeit mit Jamie erinnert. Damals war alles noch so unkompliziert gewesen. Ich war naiv und glücklich gewesen. Und danach habe ich jede Erinnerung daran verdrängt. Meiner Familie zuliebe musste ich nach der Trennung von ihm emotional ein Felsen sein, deshalb habe ich all meine Lüste tief in mir eingeschlossen und keinen Blick mehr darauf geworfen.

Bis jetzt.

Aber zu meiner tiefen Enttäuschung schüttelte er nur den Kopf und sagte: „Ich habe überhaupt nichts vor. Mir fehlt jedes Interesse, dieses erbärmliche Treffen noch weiter in die Länge zu ziehen, denn ich verschwende meine Zeit nicht an kaltherzige Miststücke. Damit ist bei mir schon lange Schluss.“

Seine Worte trafen mich wie tausend kleine Schnitte, und der rot glühende Zorn stieg wieder in mir auf.

Wie konnte er es wagen, so zu tun, als lasse ihn das alles kalt? Als würde ich ihm nichts bedeuten? Denn ich wusste, dass ich ihm etwas bedeutete. Er hätte sich mir gegenüber niemals so verhalten, wenn er nichts für mich empfinden würde.

Ohne groß darüber nachzudenken, ging ich auf ihn zu und stützte mich mit beiden Händen an seine Schultern. Das Überraschungsmoment war auf meiner Seite. Meine Attacke kam für ihn unerwartet, daher konnte ich ihn rücklings gegen die nächste Wand drücken.

Verblüfft stieß er ein Stöhnen aus, als ich mich an ihn presste und meinen Schoß an seinen drückte. Es machte mich froh, zu spüren, dass sein Schwanz so hart war, wie ich es mir ausgemalt hatte.

„Fühlt sich nicht so an, als ob dir jedes Interesse an mir fehlt“, zog ich ihn auf.

Er lachte, und noch ehe ich überhaupt richtig mitbekam, was geschah, schlang er die Arme um mich und drehte sich mit mir auf der Stelle herum, sodass ich es jetzt war, die mit dem Rücken an die Wand gedrückt wurde. Ich presste seine Arme in meinem Rücken an die Wand, damit er nicht von mir wegkonnte, und sah ihm ins Gesicht, sah ihm die Wut und die Verwirrung an. Das bestärkte mich nur noch mehr in meinem Entschluss, diesen Kampf hier zu gewinnen. „Und was willst du jetzt tun? Wie sieht dein nächster Zug aus?“

Da ich seine Hände sicher hinter meinem Rücken eingeklemmt hatte, strich ich ihm mit den Fingerspitzen an seinem aufgerissenen Hemd über die nackte Brust, wobei ich dafür sorgte, beide Nippel zu berühren. Die ganze Zeit über sah ich ihm in die Augen, um seine Reaktion mitzubekommen.

Als er scharf die Luft einsog und wütend meinen Blick erwiderte, schlug mein Herz gleich schneller, so glücklich war ich. Selbst nach all der Zeit kannte ich seinen Körper ganz genau, und diese Erkenntnis machte mich so froh, wie ich es mir selbst nicht erklären konnte.

Im Rücken spürte ich, wie er seine Hände bewegte, und ich erkannte, dass sie nicht so eingeklemmt waren, wie ich gedacht hatte.

Aber er versuchte trotzdem nicht, sich zu befreien.

Er wollte, dass ich das hier tat.

Und deshalb würde ich es tun.

Ich ließ die Hände tiefer gleiten, drückte ihm die Fingernägel leicht in die Haut und sah, wie er zuckte und unter meinen Berührungen erzitterte. Zufrieden sah ich ihn die Augen schließen. Sein Atem ging stoßweise, seine Kehle bewegte sich, und immer, wenn ich ihn mit den Fingernägeln stärker reizte, musste er schlucken.

Meine Finger erreichten den Bund seiner Hose. Ich hielt einen Moment inne und ließ die Fingerspitzen nur am Ledergürtel entlang über die straffe Haut mit den festen Bauchmuskeln daruntergleiten.

„Scheiße!“, stöhnte er und kniff die Augen zu. „Dann mach schon weiter.“ Er öffnete die Augen wieder und sah mich direkt an. „Tu es.“

Zur Hälfte klang es nach einer Herausforderung, zur anderen Hälfte flehend.

Mehr Aufmunterung brauchte ich nicht. Ich legte ihm die Hände flach auf die Brust und drückte leicht, bis er gezwungen war, einen Schritt vor mir zurückzuweichen. Dadurch bekam ich genug Freiraum, um tiefer zu greifen und den weichen Ledergürtel aus der Schnalle zu lösen.

Er ließ die Arme sinken, während ich ihm nach dem Gürtel den Hosenknopf öffnete und den Reißverschluss langsam nach unten zog, bis ich mit einer Hand in seine Boxershorts gleiten konnte. Keinen Moment lang unterbrach ich den Blickkontakt.

Er sollte wissen, dass ich immer noch die Kontrolle über alles hatte, was hier zwischen uns geschah. Ich wollte ihm zeigen, dass er es trotz aller Versuche nicht geschafft hatte, mich in die Knie zu zwingen. In diesem Film war ich der Regisseur. Das hier passierte nur, weil ich es zuließ.

Sein Schwanz war steinhart, doch die Haut fühlte sich seidig glatt an, als ich meine Finger um seine Erektion schloss. Jamie stöhnte kehlig auf, und ich begann, mit der Hand auf und ab zu gleiten, wobei ich sie immer leicht drehte, wenn ich die Kuppe erreichte. Sein Stöhnen wurde lauter und erregter.

Die Wärme seines Körpers hüllte mich ein. Sie streichelte mir die Haut und ließ mir sinnliche Schauer über den Rücken rieseln. Doch ich ignorierte meine Regungen. Nichts sollte mich jetzt von dem ablenken, was ich mit ihm tat. Ich wollte es auskosten und das Machtgefühl genießen, seine Lust kontrollieren zu können.

Ich hatte ihn vollkommen in der Hand.

Dieser Triumph war schwindelerregend. Ich verstärkte den Druck und bewegte die Hand schneller. Als Reaktion darauf schloss er die Augen, senkte den Kopf und biss die Zähne zusammen, als würde er sich völlig in dem verlieren, was ich mit ihm tat.

Mit jedem angestrengten Atemzug hob und senkte sich seine Brust. Es bereitete mir größte Genugtuung, dass ich ganz genau wusste, was er hier und jetzt brauchte. Ich spürte, dass er seine Gefühle wegen des Tods seines Vaters in sich eingeschlossen hatte. Durch die Konfrontation mit mir hatte er einen Weg gefunden, seinen Schmerz und seine Wut rauszulassen. Wenn auch nur für eine kurze Zeit, hatte er die Verantwortung für seine Gefühle an jemand anderen übertragen.

Autor

Christy Mc Kellen
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