Julia Extra Band 474

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WEIHNACHTSZAUBER AUF ITALIENISCH von SHARON KENDRICK
Der Weihnachtsball muss perfekt werden, weiß Molly, sonst verliert sie ihren Job als Haushälterin! Doch alles läuft schief. Verzweifelt versucht Molly, ihre Tränen zu verstecken und wird von dem smarten Millionär Salvio De Gennaro entdeckt. Aus Trost wird prickelnde Leidenschaft …

SÜSSES VERSPRECHEN UNTERM MISTELZWEIG von CHRISTY MCKELLEN
Der letzte Wunsch ihrer verstorbenen Freundin führt Flora zurück nach England: Sie soll deren Zwillingsbruder zur Seite stehen, damit er zu den Festtagen nicht alleine ist. Doch Flora und der sexy Musiker Alex haben so gar nichts gemeinsam. Wenn da nicht diese heißen Küsse unterm Mistelzweig wären …

VERBOTENE KÜSSE IN DER CHRISTNACHT von NINA SINGH
Ein paar letzte Tage will Prinz Rayhan al Saibbi in Freiheit genießen, bevor er den Thron seines Heimatlandes besteigt. Mit der schönen Melinda verbringt er verbotene Stunden des Glücks im winterlich-romantischen Boston. Doch dann muss Ray abreisen, denn seine Verlobte wartet auf ihn …

UNSERE LIEBE IST DAS SCHÖNSTE GESCHENK von THERESE BEHARRIE
Neues Jahr, neues Glück? Noah weiß, dass er Ava schon einmal enttäuscht hat. Doch damals waren sie Teenager. Jetzt ist aus Ava eine sinnliche Frau geworden, die ihn ganz und gar verzaubert. Wie kann er sie erobern? Ob die Magie der Weihnacht hilft?


  • Erscheinungstag 15.10.2019
  • Bandnummer 474
  • ISBN / Artikelnummer 9783733713010
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Sharon Kendrick, Christy McKellen, Nina Singh, Therese Beharrie

JULIA EXTRA BAND 474

SHARON KENDRICK

Weihnachtszauber auf Italienisch

Millionär Salvio De Gennaro langweilt sich entsetzlich auf der Weihnachtsparty seiner Geschäftspartner – bis ihm die entzückende Haushälterin Molly über den Weg läuft. Doch ihr leidenschaftlicher Flirt hat unabsehbare Folgen …

CHRISTY MCKELLEN

Süßes Versprechen unterm Mistelzweig

Kurz vor den Festtagen steht die beste Freundin seiner verstorbenen Schwester vor seiner Tür, um ihm in den schweren Zeiten beizustehen. Doch Alex sehnt sich beim Anblick der bezaubernden Flora nicht nach Trost, sondern nach heißen Küssen …

NINA SINGH

Verbotene Küsse in der Christnacht

Nach ihrer Scheidung wollte Melinda sich nie wieder verlieben. Es muss am romantischen Winterzauber liegen, dass sie dem charmanten Ray nicht widerstehen kann! Doch Ray ist ein Prinz – und er muss zurück in sein Königreich – zu seiner Braut!

THERESE BEHARRIE

Unsere Liebe ist das schönste Geschenk

Das Wiedersehen mit ihrer Jugendliebe Noah weckt zärtliche Gefühle in Ava. Im weihnachtlichen Kerzenschein kommen sie sich näher. Doch Noah wollte sich niemals binden. Und Ava wurde schon einmal enttäuscht …

1. KAPITEL

Auf seiner Runde um die Landzunge ließ Salvio De Gennaro die Lichter nicht aus den Augen. Hohe Kerzen flackerten hinter den Fensterscheiben des großen alten Hauses. Bei ihrem Anblick musste er an Weihnachten denken – was er nicht wollte. Nicht schon sechs Wochen vorher. Obwohl die Geschäfte hier in England vollgestopft waren mit Tannenbäumen und Lametta und jener Art von Geschenken, die sich garantiert kein Mensch im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte wünschte.

Ein harter Zug erschien um seine Mundwinkel, während die dunklen Wellen des Atlantiks mit voller Wucht gegen die Klippen unter ihm schlugen.

Weihnachten. Seiner Meinung nach die am wenigsten wundervolle Zeit des Jahres. Mit Abstand.

Er verlangsamte das Tempo bis zu einem langsamen Trab. Wie ein grauer Vorhang senkte sich die nebelige Dämmerung auf ihn. Der Regen war stärker geworden, doch er bemerkte die dicken Tropfen gar nicht, obwohl seine nackten Unterschenkel mit Schlammspritzern übersät waren und die Muskeln vor Anstrengung brannten. Er lief, weil er es musste. Weil man es ihm beigebracht hatte. Hartes Training, jeden Tag, egal, wo er sich gerade aufhielt. Es härtete ihn ab und machte ihn stark. Ihm fiel kaum auf, dass ihm das klatschnasse Trägerhemd am Oberkörper klebte und sich die Shorts wie eine zweite Haut an die athletischen Oberschenkel schmiegten.

Beim Gedanken an den bevorstehenden Abend fragte er sich nicht zum ersten Mal, warum er sich die Mühe gemacht hatte, herzukommen. Er wollte seinem adeligen Gastgeber ein erstklassiges Stück Land abkaufen und glaubte, dass er den Deal in einer informellen Atmosphäre schneller abwickeln konnte. Sein Ansprechpartner war notorisch schwer festzunageln. Das hatte Salvios Assistentin betont, als die überraschende Einladung zu Dinner und Übernachtung eingetrudelt war.

Ein grimmiges Lächeln umspielte seine Lippen. Vielleicht hätte er dankbar sein sollen, weil man ihm Zugang zu Lord Averys prächtigem Haus in Cornwall gewährte, das einen traumhaften Blick auf das tosende winterliche Meer bot. Doch obwohl sein Vermögen ihm jede Menge Luxus ermöglichte, neigte er nicht zu Dankbarkeit. Zudem freute er sich nicht besonders auf das Dinner. Nicht angesichts einer Gastgeberin, die ihn seit seiner Ankunft begehrend taxierte. Unverhohlenes Verlangen schimmerte in ihren Augen. An diese Reaktion war er zwar gewöhnt, doch sie langweilte ihn. Wie unattraktiv Ehefrauen doch sein können, wenn sie einen unbedingt verführen wollen, dachte er verächtlich.

Er atmete die Seeluft tief ein und näherte sich dem Haus, dessen Tür- und Fensterrahmen bereits mit Tannengrün geschmückt waren. Dabei nahm er sich vor, seine Assistentin anzuweisen, ein paar weitere Namen auf die Gästeliste für seine jährliche Weihnachtsparty in den Cotswolds zu schreiben. Die Vorbereitungen liefen bereits. Er seufzte. Die Party fand stets in seinem Herrenhaus aus kostbarem Sandstein statt, und obwohl die Einladungen äußerst begehrt waren, hätte er sich gern gedrückt. Andererseits musste er sich bei etlichen Leuten revanchieren, und um Weihnachten kam man einfach nicht herum, egal, wie reizvoll die Option auch war.

Salvio hatte gelernt, das Fest zu tolerieren und seine Abneigung mit verschwenderischer Großzügigkeit zu tarnen. Er kaufte teure Geschenke für Verwandte und Angestellte und pumpte noch mehr Geld in die Benefizprojekte seines Immobilienimperiums. Außerdem reiste er in seine Geburtsstadt, Neapel, um seine Familie zu besuchen, wie es jeder gute neapolitanische Junge tat. Gleichgültig, wie alt oder erfolgreich er war. Er kehrte in jene Stadt zurück, um die er sonst einen großen Bogen machte, weil sich seine Träume dort zerschlagen hatten – und wer ließ sich schon gern daran erinnern? Seine Heimat war für ihn der Schauplatz seiner Vernichtung. Als ein veränderter Mann hatte er sich damals aus den Trümmern gerettet. Einer, in dessen Herz sämtliche Gefühle erloschen waren. Der glücklicherweise nicht länger seinen Emotionen ausgeliefert war.

Während er einen letzten Sprint einlegte, dachte er an Neapel und die unvermeidlichen Fragen, warum er weder eine nette Verlobte mitgebracht noch eine Schar süßer dunkelhaariger Babys vorzuweisen hatte, die seine Mutter verwöhnen konnte. Er würde die Wehmut in ihren Augen lesen und sich die Antwort verkneifen müssen, dass er nie heiraten wollte. Niemals. Warum sollte er ihr die Illusion rauben?

Je näher er dem riesigen Haus kam, desto langsamer wurde er. Zum Glück hatte er das Angebot seiner Gastgeberin abgelehnt, sie und ihren Ehemann nachmittags zu einer Aufführung von „Aschenputtel“ in das Dorf zu begleiten. Salvio lächelte zynisch. Laientheater in Gesellschaft einer verheirateten Frau, die scharf auf ihn war? Nie im Leben. Stattdessen würde er das Beste aus der unerwarteten Galgenfrist machen und sich entspannen. Ein Glas Wasser holen und in seinem Zimmer dem beruhigenden Geräusch der Brandung zuhören. Vielleicht ein Buch lesen. Oder doch lieber wegen des Grundstücks in New Mexico nachhaken, das er unbedingt erschließen wollte.

Aber erst musste er trockene Sachen anziehen.

Molly biss in ein großes Stück Schokoladencremetorte und stöhnte genüsslich, als der Zucker ihr den ersten Kick versetzte. Sie war am Verhungern, denn sie hatte nichts gegessen außer dem Schälchen Porridge, das sie sich morgens in aller Eile geschnappt hatte. Leider war der Porridge klumpig gewesen, was sie auf den unberechenbaren Herd zurückführte. Nicht zum ersten Mal fragte sie sich, warum ihre Arbeitgeber keinen Herd besaßen, den man einfach einschalten konnte, statt dieses Monstrums, das wie ein lauerndes Tier in der Ecke stand und nie richtig funktionierte. Den ganzen Morgen hatte sie geschuftet und das Haus noch sorgfältiger geputzt als sonst, weil Lady Avery so aufgeregt wegen des Gastes war.

„Er ist Italiener“, hatte ihre Chefin betont. „Sie wissen doch, wie pingelig Italiener in puncto Sauberkeit sind.“

Offen gestanden wusste Molly das nicht. Größere Sorge bereitete ihr allerdings der Rückschluss, sie sei nicht tüchtig genug. Also staubte sie die Kronleuchter extra gründlich ab und saugte akribisch hinter den schweren antiken Möbeln. Sie schrubbte sogar auf Knien die Veranda an der Hintertür, obwohl sie sich dabei die Hände aufriss. In das Gästezimmer stellte sie eine große Kupfervase mit Stechpalme und leuchtend roten Rosen, die festliche Stimmung verströmten. Dank der Plätzchen und Kuchen, die sie außerdem gebacken hatte, duftete es auch schon herrlich weihnachtlich im ganzen Haus.

Die Averys waren nur selten in ihrem Haus in Cornwall – einer der Gründe, wieso Molly ihren Job als Haushälterin perfekt fand. Sie konnte bescheiden leben und mit dem Löwenanteil ihres Lohns die Schulden ihres Bruders zurückzahlen. Plus beängstigend hoher Zinsen. Deshalb ertrug sie die Abgeschiedenheit und ihre anstrengenden Arbeitgeber, statt sich eine Stelle an einem belebteren Ort zu suchen.

Allerdings führte ihr der Winter die Isolation noch deutlicher vor Augen. Komisch, wie die Weihnachtszeit einen an jene Dinge erinnerte, die man nicht besaß. Sie vermisste ihren Bruder sehr und wollte sich keine Sorgen darum machen, was er wohl in Australien trieb. Tief im Inneren war ihr klar, dass sie loslassen musste. Bestimmt genoss Robbie das Leben auf dem sonnigen Kontinent in vollen Zügen. Und vielleicht sollte sie dankbar sein für das, was sie hatte.

Sie biss noch einmal von der Schokoladencremetorte ab und setzte ihren Vorsatz in die Tat um. Die meisten Leute wären begeistert gewesen, wenn sich die Averys hier aufhielten, denn das Ehepaar hatte alle möglichen spannenden Gäste. Menschen, die Molly persönlich kennenlernen durfte – auch wenn es nur darum ging, Gästezimmer für die Nacht herzurichten oder selbst gebackene Scones anzubieten. Politiker, die wie Lord Avery im Parlament saßen, und Schauspieler, die auf den Londoner Bühnen Sonette von Shakespeare deklamierten. Auch Geschäftsleute kamen her, manchmal sogar Mitglieder der Königsfamilie, deren Leibwächter in der Küche herumlungerten und ständig um Tee baten.

Aber sie hatte noch nie erlebt, dass Lady Avery so einen Wirbel um einen Gast machte wie um Salvio De Gennaro. Anscheinend war er ein Top-Immobilienmakler, der meistens in London lebte. Heute Morgen war Molly in das Arbeitszimmer ihrer Chefin zitiert worden, an dessen Wänden weichgezeichnete Fotos von Lady Avery mit Perlenkette und verträumter Miene hingen. Aus jenen Zeiten, bevor sie ihr Gesicht einem Schönheitschirurgen anvertraut hatte. Eine schlechte Idee, fand Molly, was sie natürlich nie gesagt hätte. Lady Averys volle Lippen waren in einem grellen Pink geschminkt gewesen, und sie hatte Molly mit einem unnatürlich glatten Gesicht angesehen. Nur der hektische Blick aus ihren hellen Augen hatte erahnen lassen, wie nervös sie wegen der bevorstehenden Ankunft des italienischen Tycoons war.

„Ist alles für unseren Gast vorbereitet?“, hatte sie hektisch gefragt.

„Ja, Lady Avery.“

„Sorgen Sie dafür, dass Signor De Gennaros Bettwäsche nach Lavendel duftet. Und nehmen Sie unbedingt die Laken mit dem Monogramm.“

„Ja, Lady Avery.“

„Da fällt mir ein … Vielleicht fahren Sie besser in die Stadt und kaufen eine neue Bettdecke.“

„Wie – jetzt, Lady Avery?“

„Ja. Jetzt gleich.“ Mit einem scharlachroten Fingernagel hatte ihre Chefin einen Kreis in das Löschpapier auf ihrem Schreibtisch geritzt. Ihre vornehme Stimme hatte merkwürdig gebebt. „Wir wollen doch nicht, dass Signor De Gennaro sich über die Kälte beklagt, oder?“

„Natürlich nicht, Lady Avery.“

Weil Molly die Bettdecke auf den letzten Drücker kaufen musste, konnte sie den Gast bei seiner Ankunft nicht begrüßen. Als sie keuchend unter der Last der molligen, mit Gänsedaunen gefüllten Decke zurückkehrte, bekam sie ihn nicht zu Gesicht. Nur sein offener Koffer und ein paar Kleidungsstücke in seinem Zimmer waren Indizien, dass er in der Nähe sein musste. Wenigstens konnte sie in Ruhe sein Bett machen – obwohl ihr Herz beim Anblick der nachlässig auf einem Hocker deponierten verwaschenen Jeans schneller schlug. Sie hob den dunklen Pullover auf, der unordentlich danebenlag, und legte ihn zusammen, erstaunt, wie weich er sich anfühlte. Mit den Fingerspitzen streichelte sie über die Kaschmirwolle, bevor sie die Treppe hinunterging, um sich eine Tasse Tee und die Schokoladencremetorte zu gönnen.

Gerade hatte sie zum dritten Mal abgebissen, da wurde die Küchentür aufgestoßen und wieder zugeworfen. Ein eisiger Luftzug wehte herein. Molly blickte hoch und sah einen Mann auf der Schwelle. Das musste der italienische Milliardär sein.

Ihr Herz hämmerte gegen die Rippen. Dies war der vollkommenste Mann, den sie sich hätte vorstellen können.

Wie von selbst öffnete sich ihr Mund leicht. Hastig klappte sie ihn zu. Plötzlich schmeckte die Torte wie Kleister, der an ihrem Gaumen klebte.

Voller Schlammspritzer, mit vom Wind zerzausten Haaren, stand der Gast regungslos da. Unpassendere Kleidung als das Trägerhemd und die Shorts hätte er an diesem bitterkalten Wintertag nicht wählen können. Allerdings war ein flauschiges Shirt um die schmalen Hüften geknotet. Seine olivfarbene Haut wirkte seidenglatt, und sein Körper … Es kostete Molly Mühe, nicht ungläubig den Kopf zu schütteln, denn dieser Körper war sensationell. Dabei gehörte sie definitiv nicht zu jenen Frauen, die das Äußere von Männern analysierten. Genau genommen hatte noch kein männliches Wesen ihr Interesse geweckt.

Bis heute.

Sie schluckte. Vergessen war die Torte, und es gehörte eine Menge dazu, Molly von Süßigkeiten – dem Fluch ihres Lebens – abzulenken. So einen Mann hatte sie nie zuvor gesehen. Einen, unter dessen nassem Hemd sich jeder Muskel des athletischen Oberkörpers abzeichnete, als wäre der Stoff mit einem feinen Pinsel auf die Haut gemalt worden. Einen mit diesen schmalen Hüften. Diesen durchtrainierten Oberschenkeln, die unter dem Saum der Shorts hervorlugten, in denen sich der Besitzer offenkundig wohlfühlte. Molly ließ den Blick zu seinem Gesicht wandern. Zu Augen, die so schwarz waren wie eine dieser mondlosen Nächte, in denen man sich nicht vorstellen konnte, je wieder Tageslicht zu sehen. Und dann seine Lippen. Wieder schluckte sie. Oh, diese Lippen, ebenso sinnlich wie üppig. Doch er lächelte nicht, sondern schaute sie auf eine Weise an, die sie erst nach ein paar Sekunden einordnen konnte. Etwa … verächtlich? Ihr Herz pochte fast schmerzhaft. Ja, verächtlich. Männer mit gestählten Körpern, die kein Gramm zu viel wogen, hielten gewiss wenig von einer molligen Frau, deren Kurven die hässliche Dienstbotenuniform zu sprengen drohten und die gerade eine enorme Ladung Kohlenhydrate futterte.

Molly lief hochrot an, legte den Rest der Torte auf den Teller und stand auf. Unter ihren Füßen schien der Boden nachzugeben. So musste es sich anfühlen, wenn man in Treibsand geriet. „Ich bin …“ Sie blinzelte und nahm einen neuen Anlauf. „Es tut mir sehr leid. Ich habe nicht erwartet, dass jemand …“

Einen schier überwältigenden Moment lang blickte er ihr in die Augen. Dann musterte er den Teller und meinte sarkastisch: „Offenbar nicht.“

„Sie sind bestimmt …“ Ein gefallener Engel, der in meiner Küche gelandet ist? Der hinreißendste Mann, den ich je zu Gesicht bekommen habe? Ihr Brustkorb fühlte sich zu eng an. „Sie sind bestimmt Signor De Gennaro?“

„Das bin ich. Verzeihung.“ Er zog die pechschwarzen Brauen hoch, während er den Knoten des warmen Shirts um seine Hüften löste, es über den Kopf zog und die feuchten dunklen Locken schüttelte. „Ich scheine Sie bei Ihrem Snack gestört zu haben.“

Obwohl sein Englisch fehlerfrei war, lenkte sein Akzent Molly fast so sehr ab wie sein Körper. Sie wollte klarstellen, dass es sich um ein spätes Mittagessen handelte, weil sie den ganzen Vormittag wegen seiner Ankunft hin- und hergehetzt war. Doch sie verkniff sich die Bemerkung. Als würde sich jemand wie Salvio De Gennaro für ihre Rechtfertigung interessieren! Als würde er ihr abnehmen, dass sie selten Torte aß, obwohl ihr kurviger Körper eine ganz andere Sprache sprach! Mit den Handflächen strich sie ihre Uniform über den runden Hüften glatt und bemühte sich um eine geschäftsmäßig interessierte Miene, statt verlegen auszusehen, weil der Gast sie bei etwas Unangebrachtem ertappt hatte. Er schaute sie an, bis sie jede pulsierende Zelle ihres Körpers fühlte. Sie war unglaublich beklommen … Seltsamerweise auf eine gute Art.

„Darf ich Ihnen etwas bringen, Signor De Gennaro?“, fragte sie höflich. „Lord und Lady Avery sind zur Theateraufführung ins Dorf gefahren und kommen erst später zurück.“

„Ich weiß“, meinte er kühl. „Vielleicht etwas Wasser. Und Kaffee, falls Sie welchen haben.“

„Selbstverständlich. Wie trinken Sie ihn?“

Er lächelte schwach. „Schwarz, Espresso, kein Zucker. Grazie.“

Natürlich nicht, dachte Molly. Jemand wie er nahm keinen Zucker. Er sah aus, als wäre er in seinem ganzen Leben nie in der Nähe von etwas Süßem gewesen. Sie wünschte sich, er würde gehen. Bevor ihm auffiel, dass ihr Schweißtröpfchen auf der Stirn standen oder dass ihre Brustspitzen gegen den Stoff des unschmeichelhaften marineblauen Kleides drängten, auf das Lady Avery bestand. „Ich kümmere mich sofort darum und bringe Ihnen Wasser und Espresso in Ihr Zimmer“, sagte sie hastig.

„Nicht nötig. Ich warte hier.“

Am liebsten hätte sie ihm erzählt, dass er sie verlegen machte, wenn er dort stand wie eine grübelnde, dunkle Statue, die sie einfach nur anstarrte. Als hätte er ihre Gedanken gelesen, schlenderte er zum Fenster. Mit dem rechten Bein hinkte er fast unmerklich. Hatte er sich beim Laufen verletzt? Sollte sie ihm eine Bandage anbieten? Vielleicht besser nicht. Jemand mit seinem Selbstvertrauen würde eine verlangen, wenn er sie brauchte.

Eine Haarsträhne kitzelte sie im Nacken. Sie wünschte, sie hätte Zeit gehabt, um ihre Frisur zu richten. Oder hätte mit einem Roman dagesessen, der sie interessant hätte erscheinen lassen, statt sich mit Torte vollzustopfen und die Tatsache zu betonen, dass sie eine übergewichtige, ungelenke Frau war.

„Ich erledige es so schnell wie möglich“, versicherte sie und holte ein Glas aus einem Schrank.

„Ich bin nicht in Eile“, erwiderte er gemächlich.

Das stimmte. Salvio war zu dem Schluss gekommen, dass er sich wohlfühlte. Warum, wusste er nicht recht. Vielleicht, weil er in Gesellschaft einer Frau war, wie er ihr nicht oft begegnete – nicht mehr. Nicht, seit er das ärmliche Viertel von Neapel hinter sich gelassen hatte. Und mit ihm auch Frauen, deren Rundungen Fruchtbarkeit signalisierten. In deren üppigen Körpern ein Mann nach einem langen, harten Tag versinken konnte. Frauen wie diese, die reizend erröteten, wenn sie einen dabei erwischten, wie man sie betrachtete.

Wusste sie, wer er war – gewesen war? Nein. Er kannte die Signale von gierigem Entzücken bis zu vorgetäuschter Ahnungslosigkeit. Nichts davon legte diese Frau an den Tag. Warum auch? Sie war viel jünger als er und stammte aus einem anderen Land. Woher sollte sie wissen, dass er früher in Italien berühmt gewesen war?

Salvio beobachtete, wie sie sich an die Arbeit machte. Ihre kurvige Silhouette erinnerte ihn an die Weinflaschen auf den Regalen jener Bar, die er als Junge gefegt hatte. Bevor die Talentscouts ihn entdeckt und seiner Kindheit ein Ende bereitet hatten. Jetzt wandte sie sich um und schaltete die Kaffeemaschine ein. Jäh war seine Kehle wie ausgedörrt, denn … ihre Brüste. Er schluckte. Madonna mia, was für Brüste! Er war heilfroh, als sie ihm den Rücken zukehrte und den Kühlschrank öffnete, denn die Shorts spannten über seiner Erektion. Wie hypnotisiert starrte er auf ihren runden Po. Gerade malte er sich aus, wie ihre glänzenden braunen Haare wohl offen aussahen, da drehte sie sich wieder um und sah ihn an – mit Augen, die so grau waren wie die Fassade der neapolitanischen Kirche Santissima Annunziata Maggiore.

Ihre Blicke trafen sich, tauchten ineinander. Etwas Eigentümliches knisterte in der Luft, während Salvio schlagartig etwas empfand, das er nicht definieren konnte. Die Erektion war vertraut, nicht aber die Weise, wie sich sein Herz zusammenzog. Lust? Er verzog den Mund. Natürlich Lust. Was sonst? Sie war nur zufällig intensiver als üblich, weil sie ihn so unerwartet durchströmte.

Sein Verlangen spiegelte sich nicht in dem ruhigen Blick aus den grauen Augen wider. Er war perplex, denn wann schaute eine Frau ihn nicht verlangend an? Sie ist auf der Hut, dachte er belustigt. Fast, als würde sie ihn schweigend tadeln, weil er sie unverfroren musterte. Vielleicht verdiente er das sogar. Wie kam er dazu, ihren kurvigen Körper zu begutachten, als wäre er ein Knabe aus einer Jungenschule, der zum ersten Mal eine schöne Frau traf?

„Sie sind die Köchin?“, wollte er sich mit einer unverfänglichen, wenn auch eher banalen Frage rehabilitieren.

Die Frau nickte. „Irgendwie schon. Offiziell bin ich die Haushälterin, aber ich erledige alles Mögliche. Lasse Gäste in das Haus und mache ihre Zimmer und so weiter.“ Sie schob ihm die Espressotasse auf der Arbeitsplatte hin. „Benötigen Sie sonst noch etwas, Signor De Gennaro?“

Er lächelte. „Salvio. Und Sie heißen …?“

Sie wirkte überrascht. Als würde sie nicht oft nach ihrem Namen gefragt. „Molly“, antwortete sie schüchtern. Der Klang ihrer Stimme ließ ihn an seidige Dessous denken, die er mit den Fingerspitzen streifte. „Molly Miller.“

Molly Miller. Gerade wollte er den Namen wiederholen, da erhellte Scheinwerferlicht die Küche. Draußen knirschte der Kies unter den Rädern eines großen Wagens. Die Haushälterin fuhr zusammen und strich ihr tristes Kleid über den breiten Hüften glatt.

„Das müssen die Averys sein“, erklärte sie.

„Dachte ich mir.“

„Sie sollten besser … Sie sollten besser gehen“, drängte Molly besorgt. „Ich muss das Dinner zubereiten, und Lady Avery wird es nicht gefallen, wenn sie einen Gast in der Küche findet.“

Er war drauf und dran, ihr zu sagen, dass er sich nicht um Lady Averys Wünsche oder Abneigungen scherte, aber er sah die Angst, die Mollys Augen verschattete. Mit einem Anflug von Unmut nahm er Espresso und Wasserglas und ging zur Tür. „Grazie mille“, sagte er, verließ die warme Küche und ging schnell zur Treppe. Er wollte ungern in der Nähe sein, wenn die Averys die Haustür aufstießen.

Im Gästezimmer stellte er verärgert fest, dass sein glimmendes Begehren nicht verebbte. Statt der heißen Dusche, die er sich versprochen hatte, fand er sich unter einem bestrafend kalten Wasserstrahl wieder. Er versuchte, nicht mehr an die Rundungen der süßen Haushälterin zu denken und den harten, pulsierenden Beweis seiner Lust unter Kontrolle zu bringen.

2. KAPITEL

„Molly, diese Kartoffeln sind grässlich. Wir können Signor De Gennaro unmöglich zumuten, so etwas zu essen. Haben die überhaupt einen Ofen von innen gesehen? Sie sind steinhart!“

Unter Lady Averys vorwurfsvollem Blick schoss Molly das Blut in die Wangen. Sie blinzelte. Gewiss hatte sie die Kartoffeln lange genug im Ofen gelassen und mit Gänseschmalz bestrichen, damit sie goldbraun und knusprig wurden? Nein. Jetzt, da sie sie genauer betrachtete … Diese Kartoffeln waren eindeutig blass.

Sie wurde noch röter, als sie die Schüssel vom Tisch nehmen wollte. „Es tut mir furchtbar leid, Lady Avery. Ich schiebe sie schnell wieder in den …“

„Bemühen Sie sich nicht!“, sagte ihre Arbeitgeberin ungehalten. „Bis die Kartoffeln gar sind, ist es Mitternacht, und ich habe nicht vor, mit vollem Bauch zu Bett zu gehen. Salvio will das gewiss auch nicht.“

Bildete Molly es sich ein oder schenkte Lady Avery dem Italiener ein verschwörerisches Lächeln? Seinen Namen sprach sie jedenfalls eindeutig verlangend aus. Angesichts des Blickes, den sie ihm zuwarf, drehte sich Molly der Magen um. Ihre Chefin spielte doch nicht etwa darauf an, dass sie mit dem Gast das Bett teilen wollte – nicht in Gegenwart ihres Ehemannes?

Andererseits fand sie es schon eigenartig, dass Sarah Avery in einem hautengen Kleid mit dem tiefsten Ausschnitt, den man sich vorstellen konnte, zum Dinner erschienen war. Die Diamanten des unbezahlbaren Familienschmucks funkelten wie Sterne auf ihrer alternden Haut. Seit Molly vor dem Dinner Drinks serviert hatte, flirtete die Hausherrin nach Kräften mit Salvio. Ihr Ehemann – zwei Jahrzehnte älter und schon bei der zweiten Flasche Burgunder angekommen – schien es nicht zu bemerken.

Das Essen war von Anfang an eine Katastrophe gewesen. Molly konnte es sich nicht erklären. Sie war eine gute Köchin. Hatte sie nicht jahrelang mit wenig Geld leckere Mahlzeiten für ihre Mutter und ihren kleinen Bruder zubereitet? Hatte sie nicht im Rahmen ihrer Bewerbung bei Lady Avery einen Nachmittagstee mit allen Schikanen aus dem Hut zaubern müssen – und die Aufgabe mit Bravour bewältigt? Eine Mahlzeit für drei Personen stellte kein Problem dar, aber Molly hatte weder Salvio De Gennaro einkalkuliert noch seine Wirkung auf Lady Avery. Oder, wenn sie ehrlich war, auf sie selbst.

Nach der Begegnung in der Küche hatte es eine Ewigkeit gedauert, bis ihr Herz nicht mehr hämmerte und sie sich auf ihre Pflichten konzentrieren konnte. Ganz aufgedreht und erfüllt von einer unerklärlichen Vorfreude war sie gewesen. Sie dachte an den eindringlichen Blick aus seinen dunklen Augen und fragte sich, ob dieses förmlich hörbare Knistern zwischen ihnen nur in ihrer Fantasie existierte. Ja, natürlich, sagte sie sich. Oder glaubte sie allen Ernstes, ein Mann, der sich jede Frau auf diesem Planeten aussuchen konnte, interessiere sich für ein naives, pummeliges Mädchen vom Lande?

Nur in ihren Träumen!

Trotzdem. Salvios Abstecher in die Küche hatte Molly aus dem Gleichgewicht gebracht. Nachdem er gegangen war, schien der Raum dunkel zu sein. Ausgelaugt hatte sie sich an den Tisch gesetzt. Ungewöhnlich für jemanden, der sich stets um Optimismus bemühte. Egal, welche Herausforderungen das Leben mit sich brachte.

„Molly? Hören Sie mir überhaupt zu?“

Ihr Körper versteifte sich, als sie den Zorn in Lady Averys Augen sah – allerdings erst, nachdem sie Salvio De Gennaros düstere Miene registriert hatte. Wunderte er sich darüber, dass die Frau eines Lords eine derart unfähige Haushälterin beschäftigte?

„Es tut mir schrecklich leid“, sagte Molly rasch. „Ich war ein bisschen abgelenkt.“

„Sie scheinen den gesamten Nachmittag abgelenkt gewesen zu sein! Das Fleisch ist zerkocht, und die Horsd’œuvre waren eiskalt!“

„Komm schon, Sarah, es ist doch keine große Sache“, sagte Salvio leise. „Sei nachsichtig.“

Ruckartig hob Molly den Kopf. Sie las das Verständnis in Salvio De Gennaros Blick und fühlte, wie Wärme und Trost sie umfingen. Als würde sie vor einem Kaminfeuer sitzen, während draußen Schnee fiel.

Lady Avery wirkte irritiert. Machte die Intervention des Gastes ihr bewusst, dass es kein günstiges Licht auf sie warf, wenn sie ihre Haushälterin abkanzelte? Lächelte sie Molly deswegen so starr an?

„Natürlich. Sie haben ganz recht, Salvio. Keine große Sache. Schließlich ist es nicht so, als ob wir hungern müssten, nicht wahr? Molly versorgt uns stets reichlich, denn – das sehen Sie ja – sie isst selbst liebend gern!“ Lady Avery lachte schrill und nickte in Richtung ihres Mannes. Der hatte inzwischen die zweite Flasche Burgunder geleert und schnarchte leise, den Kopf auf der Brust. „Molly, ich bringe Lord Avery jetzt zu Bett. Danach werden Signor De Gennaro und ich uns in die Bibliothek setzen. Vielleicht bringen Sie uns ein paar Häppchen.“ Wieder lächelte sie breit. „Und eine Flasche Château Lafite.“

„Ja, Lady Avery.“

Mit geballten Fäusten schaute Salvio zu, wie Molly aus dem Zimmer eilte. Er sagte nichts, als seine Gastgeberin ihren Mann weckte und ungeduldig hinausführte. Doch er konnte das Gefühl nicht abschütteln, dass er eben Zeuge von Ungerechtigkeit geworden war. Ebenso wenig wie das intensive Gefühl, dass er sich mit Molly identifizierte. Weil er genau wusste, wie sie sich bei der Standpauke gefühlt hatte? Er presste die Lippen aufeinander. Niemand musste ihm erklären, wie es war, in der Hackordnung ganz unten zu sein.

Jetzt spreizte er die Finger auf seinen angespannten Oberschenkeln. Er würde sich zu einem kurzen Drink mit Sarah Avery zwingen, da sie Molly angewiesen hatte, einen der teuersten Weine der Welt zu öffnen. Es war zu spät, um heute noch nach London zurückzufahren, also würde er morgen in aller Frühe aufbrechen. Dieser Besuch hatte sich nicht gelohnt, denn schon vor dem Dinner war Lord Avery zu betrunken gewesen, um über Geschäftliches zu reden. Salvio hatte nicht einmal arbeiten können, weil die verfluchte Internetverbindung ständig zusammenbrach und seine Gedanken immer wieder in eine verbotene Richtung drifteten …

Er seufzte. Wie absurd war es, dass die kurvige Haushälterin seine Sinne unerklärlicherweise entflammt hatte und er fast nur noch an sie denken konnte?

Vor dem Dinner hatte sie mit Champagnergläsern auf einem Tablett in der Orangerie gestanden, in einem schlichten schwarzen Kleid, das sich an ihren Körper schmiegte und jede üppige Rundung betonte. Die schimmernden braunen Haare waren im Nacken zusammengebunden. Ihre Augen faszinierten ihn. Diese grauen Augen, halb verborgen von Wimpern, die an dunkle Federn erinnerten und bescheiden gesenkt waren, als Molly ihm Champagner anbot. Sogar das reizte seine Libido. Vielleicht besonders das. Bescheidenheit war er nicht gewohnt. Auch keine Frauen, die seinem Blick auswichen und deren Wangen sich rosig färbten. Es hatte ihn große Mühe gekostet, den Blick von ihr loszureißen und Smalltalk zu machen mit seinem alkoholisierten Gastgeber sowie dessen desillusionierter Frau, die fast aus ihrem viel zu jugendlichen Kleid platzte.

„Salvio!“ Mit entschlossener Miene stöckelte Lady Avery auf ihren schwarzen Stilettos über den Perserteppich. „Tut mir leid, manchmal verträgt Philip einfach nichts. Das ist bei manchen Männern so, wissen Sie – leider mit vorhersehbaren Folgen.“ Sie strahlte ihn an. „Lassen Sie uns auf einen Drink in die Bibliothek gehen, ja?“

Viele Gründe hatten ihn dazu getrieben, Neapel zu verlassen und sein Glück in England zu suchen. Er hatte sich die Eigenarten seiner neuen Heimat mit jener Beharrlichkeit angeeignet, mit der er sich jeder neuen Herausforderung stellte. Inzwischen hielt er sich für kultiviert und weltgewandt, doch die traditionellen Werte seiner Jugend lagen dicht unter der Oberfläche. Eine Frau sollte ihren Mann nie einer anderen Person – erst recht keinem Fremden – gegenüber kritisieren.

„Nur einen Drink.“ Die Missbilligung ließ seine Stimme barscher als beabsichtigt klingen. „Ich habe morgen viel zu tun und werde früh abreisen.“

„Aber Sie sind doch gerade erst angekommen!“

„Ich habe ab Mittag eine Besprechung nach der anderen in London.“

„Oh! Können Sie nicht absagen? Ich habe ja gehört, dass Sie ein Workaholic sind, aber gewiss darf selbst ein Energiebündel wie Sie es mal langsamer angehen lassen.“

Salvio fand ihr Benehmen aufdringlich und ärgerlich. „Ich halte meine Termine gern ein“, meinte er kühl und folgte ihr in die Bibliothek, wo ein Kaminfeuer brannte. Molly stellte gerade Käse und Wein auf einen Tisch. Ihre Schultern sahen verkrampft aus. Kein Wunder. In diesem abgelegenen Haus festzusitzen und für jemanden wie Sarah Avery zu arbeiten … Er ließ sich in einen Sessel fallen, während sich seine Gastgeberin neben den Kamin stellte und eine Pose einnahm, die ihre Figur vermutlich im besten Licht zeigen sollte.

Lächelnd fuhr sie mit einer Fingerspitze über eine antike Vase. „Freuen Sie sich auf Weihnachten, Salvio?“

Prompt schrak er vor der Vorstellung zurück, er könnte bald eine unwillkommene Einladung erhalten. „Die meiste Zeit werde ich fort sein. In Neapel.“ Er nahm das Weinglas, das Molly ihm reichte – und wusste nicht, warum es ihm so sehr gefiel, dass sie ihn kurz ansah, bevor sie sich errötend abwandte. „Ich freue mich immer auf meine Familie, bin aber auch froh, wenn die Feiertage vorbei sind. Die Welt schließt für ein paar Tage, und darunter leidet das Geschäft.“

„Ach, ihr Männer!“ Sarah Avery glitt zu einem Stuhl in seiner Nähe, die knochigen Knie zusammengepresst. „Ihr seid alle gleich!“

Er versuchte, die Unterhaltung neutral zu halten, während er an seinem Wein nippte. Allerdings konnte er nur an Molly denken, die nervös im Hintergrund wartete, in jenem schwarzen Kleid, das ihre Kurven betonte. Eine glänzende braune Haarsträhne schmiegte sich verführerisch an ihre rosige Wange. „Wie werden Sie und Ihr Mann denn Weihnachten verbringen?“, fragte Salvio höflich.

Wortreich erläuterte Lady Avery, dass Philips erwachsene Kinder sie hassten und ihr die Schuld für die Scheidung der Eltern gaben. „Ich habe ihm ganz bestimmt nicht nachgestellt, aber ich war seine Sekretärin, und diese Dinge passieren nun mal.“ Sie zuckte die Schultern. „Philip sagt, er habe einfach nicht anders gekonnt, als sich in mich zu verlieben. Woher sollte ich wissen, dass seine Frau schwanger war?“ Sie trank einen Schluck Wein, wobei über dem Lipgloss auf ihrer Oberlippe eine dünne rote Linie zurückblieb. „Es ist mir egal, ob seine abscheulichen Kinder mich nicht sehen wollen. Mir geht es um Philip. Wenn sie nicht aufpassen, enterbt er sie noch!“

Salvio zwang sich, ihrem boshaften Geplapper noch ein paar Minuten zuzuhören, entsetzt von ihrem Mangel an Schamgefühl. Schließlich stand er auf. Sie versuchte, ihn umzustimmen, schien dann aber zu begreifen, dass er zu Bett ging. Allein. Er ignorierte ihre eingeschnappte Miene. Als er die Tür seines Zimmers hinter sich zuzog, fühlte er sich wie jemand, der einem Raubtier entkommen war.

Mit einem Seufzer der Erleichterung blickte er sich um. Im Kamin prasselte ein Feuer, dessen Flammen rote und goldfarbene Lichter an die Wände warfen. Vor dem Fenster stand eine antike Vitrine mit Spirituosen in glitzernden Kristallkaraffen. Landschaftsbilder bekannter Künstler hingen an den Wänden. Salvio verzog den Mund. Was für eine Ironie des Schicksals! Manche dieser Gemälde hätten Ehrenplätze in großen Museen bekommen – gleichzeitig musste man einen eiskalten Flur entlanglaufen, wenn man zum Bad wollte. Einige Adelige sahen immer noch keinen Vorteil in einem an das Schlafzimmer grenzenden Bad.

Er gähnte und packte schon einmal seinen kleinen Koffer. Durch die Fenster sah er, wie dunkle Wolken den Mond teilweise verdeckten. Das aufgewühlte Meer wirkte silbrig und schwarz. Ein schöner Anblick, den er nicht richtig würdigen konnte, weil er ruhelos war und nicht wusste, wieso.

Nachdem er die Krawatte abgelegt und den obersten Hemdknopf geöffnet hatte, wagte er sich aus dem warmen Zimmer über den frostigen Korridor ins Bad. Auf dem Rückweg hörte er ein Geräusch aus dem Stockwerk über ihm. Er hielt inne und lauschte. Da war es wieder. Seine Augen verengten sich, als er merkte, um was es sich handelte. Ein schwaches Ringen um Luft, gefolgt von Schniefen.

Jemand weinte.

Es geht dich nichts an, sagte er sich. Doch irgendetwas nagte an seinem … Er runzelte die Stirn. Seinem Gewissen? Weil er wusste, dass es die kleine Haushälterin sein musste, die weinte? Aus einem Grund, den er lieber nicht hinterfragte, ging er die Treppe am Ende des Korridors hoch.

Das Geräusch wurde lauter. Eindeutig Weinen. Bei seinem nächsten Schritt knarrte eine hölzerne Treppenstufe.

„Wer ist da?“, rief eine ängstliche Stimme.

„Ich bin es. Salvio.“

Eilige Schritte, eine Tür wurde geöffnet, und vor ihm stand Molly. Sie trug zwar noch das schwarze Kleid, hatte aber die derben Schuhe ausgezogen. Die dunklen Haare waren offen und fielen ihr über die Schultern, fast bis zur Taille. Er musste an ein Gemälde denken: eine Frau in einem Boot, voller Angst. Angst sah er auch in den warmen grauen Augen, die jetzt leicht gerötet waren. Plötzlich wich die Lust, die er empfunden hatte, seit er Molly begegnet war, einem starken Mitgefühl.

„Was ist passiert?“, fragte er. „Sind Sie verletzt?“

„Nichts ist passiert, und nein, ich bin nicht verletzt.“ Hastig wischte sie sich mit den Fingerspitzen die Tränen von den Wangen. „Brauchen Sie etwas?“ Ihre Stimme nahm den vertrauten pflichtbewussten Klang an. „Ich hoffe … Ich meine, ist in Ihrem Zimmer alles zu Ihrer Zufriedenheit, Signor De Gennaro?“

„In meinem Zimmer ist alles bestens, und ich dachte, ich hätte Sie gebeten, mich Salvio zu nennen“, sagte er ungeduldig. „Ich will wissen, warum Sie geweint haben.“

Sie schüttelte den Kopf. „Ich habe nicht geweint.“

„Doch, haben Sie. Und das wissen Sie verdammt gut.“

Zu seiner Überraschung reckte sie das Kinn vor. „Ich werde in meinem eigenen Zimmer ja wohl noch weinen dürfen.“

„Und ich werde ja wohl nach dem Grund fragen dürfen, wenn Ihr Weinen mich wach hält.“

Ihre grauen Augen weiteten sich. „Tut es das?“

Er gestattete sich die Andeutung eines Lächelns. „Jetzt, wo Sie es erwähnen – nein. Nicht wirklich. Ich war noch nicht zu Bett gegangen, aber dieses Geräusch hört niemand gern.“

„Es sollte ja auch niemand hören. Tut mir wirklich leid, dass ich Sie gestört habe, aber mir geht es gut. Sehen Sie.“ Molly verzog die Lippen zu einem Lächeln, das den Namen nicht verdiente. „Wird nicht wieder vorkommen.“

Doch Salvios Interesse war geweckt, und die Tatsache, dass die Haushälterin ihn abwimmeln wollte, machte ihn neugierig. Er schaute über ihre Schulter in das kleine Zimmer. Ein schmales, karges Bett und dünne Gardinen am Fenster … Molly fröstelte beinahe unmerklich. Er dachte an das Kaminfeuer in seinem Zimmer. Die Holzscheite dort musste sie selbst angezündet haben.

„Ihnen ist kalt“, stellte er fest.

„Nur ein bisschen. Ich bin daran gewöhnt. Sie wissen ja, wie diese alten Häuser sind. Die Heizung hier oben ist schrecklich.“

„Warum setzen Sie sich nicht eine Weile an meinen Kamin? Vielleicht mit einem Schlummertrunk.“

Sie kniff die Augen leicht zusammen. „Schlummertrunk?“

Er lächelte spöttisch. „Der traditionelle Drink zum Aufwärmen.“

Nach kurzem Zögern schüttelte sie den Kopf. „Das ist sehr freundlich von Ihnen, aber ich kann Ihr Angebot unmöglich annehmen.“

„Warum nicht?“

„Weil …“ Sie zuckte die Schultern. „Sie kennen den Grund.“

„Nicht, wenn Sie ihn mir nicht verraten.“

„Lady Avery würde in die Luft gehen, wenn sie mich dabei erwischt, wie ich mich mit einem Gast unterhalte.“

„Und wie wird sie es herausfinden?“, fragte er verschwörerisch. „Ich sage nichts, wenn Sie es auch nicht tun. Na los, Molly. Sie frösteln ja. Was kann es denn schaden?“

Sie zögerte, weil das Angebot sie reizte. Mehr, als es sollte. Vielleicht, weil ihr so kalt war – innerlich wie äußerlich, nachdem Lady Avery sie eben zusammengestaucht hatte. Ihre Chefin war in die Küche gekommen und hatte bebend vor Zorn geschrien, Molly sei ungeschickt und unfähig. Sie habe sich noch nie im Leben so geschämt. Kein Wunder, dass Signor De Gennaro den Abend überraschend vorzeitig beendet habe.

Und nun stand dieser Mann auf der Schwelle ihres bescheidenen Zimmers und lud sie zu einem Drink ein. Ohne Krawatte, den obersten Hemdknopf offen, wirkte er entspannt und umgänglich. Man musste nicht rätseln, weshalb Lady Avery sich seinetwegen zum Narren gemacht hatte. Wer könnte seiner olivfarbenen Haut und den leuchtenden schwarzen Augen schon widerstehen?

Obwohl er so sexy war, hatte er Molly nach dem misslungenen Dinner verständnisvoll angesehen. Er hatte ihr beigestanden – und dieselbe Anteilnahme sah sie jetzt in seiner Miene. Der Mann strahlte eine Güte aus, die sie nicht erwartet hatte, und Güte war schwer zu widerstehen. Vor allem, wenn man nicht mit ihr rechnete. Ein eisiger Luftzug drang durch die Lücke im Fensterrahmen. Wieder fröstelte Molly. Die bevorstehenden Tage erfüllten sie nicht gerade mit Freude, und die Sorge um Robbie hörte nie wirklich auf. Konnte sie nicht einmal in ihrem Leben loslassen? Aus der Einsamkeit ausbrechen, die sie sich selbst geschaffen hatte, und sich von einem italienischen Tycoon zu einem Drink einladen lassen?

Zaghaft hob sie die Schultern und ließ sie wieder sinken. „Also gut. Nur ganz kurz. Danke“, schob sie hinterher, während sie in die derben Schnürschuhe schlüpfte. „Vielen Dank.“

Er nickte knapp, als habe er ohnehin mit ihrer Zustimmung gerechnet. Dies ist nichts Besonderes, versuchte sie sich einzureden – wenigstens nicht für ihn. Doch als er sich umdrehte und zu seinem Zimmer ging, raste ihr Herz. Mit einer unvertrauten Vorfreude folgte sie Salvio De Gennaro den schmalen Korridor entlang zu seinem Schlafzimmer.

3. KAPITEL

„Bitte sehr.“

„Danke.“ Molly nahm den Brandy, den Salvio ihr reichte. Sie fragte sich, ob sie den Verstand verloren hatte, weil sie der Einladung gefolgt war. Denn jetzt, in seinem Zimmer, fühlte sie sich hoffnungslos verlegen und fehl am Platze. Ihr Blick fiel auf den offenen Koffer, und aus irgendeinem dummen Grund sank ihr Herz. Der Mann konnte anscheinend gar nicht früh genug abreisen. Beklommen verlagerte sie das Gewicht von einem Fuß auf den anderen.

„Setzen Sie sich doch neben das Feuer“, schlug Salvio vor.

Sie nahm in dem Sessel Platz, auf den er zeigte. Merkwürdig, sich als Besucherin in einem Raum wiederzufinden, den sie so oft geputzt hatte – und wie schnell sie sich an den Rollenwechsel von Dienstbotin zu Gast gewöhnte. Der lederne Ohrensessel fühlte sich himmlisch weich an, und die Flammen im Kamin wärmten ihre Haut. Sie nippte an ihrem Brandy und lehnte sich zurück, als ihr der intensive Duft des Alkohols in die Nase stieg.

„Sie trinken wohl nicht oft Alkohol?“, folgerte Salvio, der sich selbst einen Brandy einschenkte.

„Nein.“ Der winzige Schluck reichte, um den festen Knoten in ihrer Magengrube zu lösen und Wärme durch ihren Körper strömen zu lassen. Molly schaute aus den Fenstern. Wolken zogen rasch über den silbrigen Mond. Gemütlich war es hier. Sie fing sogar an, sich zu entspannen. Hier saß sie, mit ihrer schwarzen Dienstbotenuniform und Arbeitsschuhen, im Schlafzimmer eines fremden Mannes, als wäre es ihr gutes Recht. Was hätte Lady Avery gesagt, wenn sie hereingeplatzt wäre? Unbehaglich sah Molly ihren Gastgeber an, der die Kristallkaraffe mit dem Stopfen verschloss. „Ich sollte wirklich nicht hier sein.“

„Das sagten Sie bereits.“ In seiner Stimme schwang ein gelangweilter Unterton mit. „Trotzdem sind Sie es. Und Sie haben mir noch nicht erzählt, warum Sie geweint haben.“

„Ich …“ Sie nippte noch einmal und stellte das Glas auf einen Tisch. „Aus keinem besonderen Grund.“

„Warum bloß glaube ich Ihnen nicht, Molly Miller?“, forderte er sie milde heraus. „Was ist passiert? Haben Sie weitere Probleme wegen des Dinners bekommen?“

Ihre verblüffte Miene bewies, dass er ins Schwarze getroffen hatte. „Ich habe es verdient“, sagte sie tonlos. „Das Essen war grauenvoll.“

Ihre Loyalität beeindruckte ihn, denn sie hätte sich mit Fug und Recht über Lady Avery beklagen können. Eigenartige Person, dachte er und musterte sie. Molly war völlig ungekünstelt. Es schien ihr nichts auszumachen, dass ihre Position auf dem Sessel nicht besonders schmeichelhaft war. Ihre dichten Haare schimmerten wie Kupfer, und als sie einen Fuß über den anderen kreuzte, war Salvio erstaunt, wie erotisch diese schlichte Bewegung wirkte. Du hast sie nicht hergebracht, um sie zu verführen, mahnte er sich. „Und das war der einzige Grund für Ihre Tränen?“

Peinlich berührt rutschte sie ein wenig hin und her. „Vielleicht habe ich mir selbst leidgetan“, räumte sie ein. Auf keinen Fall würde sie ihm die Wahrheit sagen. Er interessierte sich nicht für ihren wankelmütigen Bruder und dessen Angewohnheit, Schulden anzuhäufen. In erster Linie aber hatte sie Angst, die Worte auszusprechen, als würde das alles noch realer machen. Sie wollte sich nicht fragen, warum Robbie vorhin telefonisch um Geld gebeten hatte. Trotz seiner tränenreichen Versprechungen, sich einen Job zu suchen. Sie ertrug die Vorstellung nicht, dass er wieder in die Teufelsspirale geraten war – dass er pokerte und verlor. Unbarmherzigen Männern Geld schuldete, die nicht zögern würden, sein hübsches Gesicht zu entstellen …

„Nennen Sie es einen Anflug von Selbstmitleid“, meinte sie und sah ihm an, dass ihm auch diese Antwort nicht reichte. „Damit haben Sie nicht viel Erfahrung, schätze ich.“

Salvio lächelte freudlos. Wie rührend! Glaubte sie, dass er wegen seines Reichtums und Erfolges nie Schmerz oder Verzweiflung erlebt hatte? Dabei war er mit beiden Gefühlen eng vertraut gewesen. Seine Lippen bildeten eine strenge Linie. Als er alles verloren hatte, war er in ein schier bodenloses dunkles Loch gestürzt. Und obwohl er sich selbst aus dem Sumpf gezogen und gezwungen hatte, noch einmal von vorn anzufangen – so eine Erfahrung vergaß man nie. Sie prägte einen. Veränderte einen. Machte einen zu einer anderen Person, fremd in den eigenen Augen und jenen der Mitmenschen. Darum hatte er Neapel verlassen. Weil er es nicht aushielt, an sein Scheitern erinnert zu werden. „Warum bleiben Sie hier?“, fragte er leise.

„Der Job wird sehr gut bezahlt.“

„Sie bleiben, obwohl man so mit Ihnen umspringt?“

Molly schüttelte den Kopf, wobei die langen Haare wie ein glänzender Vorhang schwangen. „Normalerweise ist es nicht so schlimm.“

„Ihre Loyalität ist bemerkenswert, Signorina.“

„Ich werde dafür bezahlt, loyal zu sein.“

„Davon bin ich überzeugt. Trotzdem liegt dieses Haus sehr abgeschieden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass viele Leute Ihres Alters in der Nähe wohnen.“

„Vielleicht ist das einer der Gründe, warum ich es hier mag.“

Er zog die Brauen hoch. „Sie gehen nicht gern unter Menschen?“

Molly zögerte. Sollte sie ihm sagen, dass sie sich unter Gleichaltrigen deplatziert vorkam? Dass sie mit deren Vorstellungen von Freizeit und Spaß nicht viel anfangen konnte? Dafür hatte sie sich zu viele Jahre um ihre Mutter gekümmert und anschließend versucht, Robbie von der schiefen Bahn abzuhalten. Man konnte die Rolle der Vernünftigen so verinnerlichen, dass man sie nur schwer loswurde. Aber wenn sie Salvio das anvertraute – würde dann nicht die Wirklichkeit in dieses Zimmer krachen und die leicht unreale Stimmung zerstören? Jene Stimmung, in der sie sich erlaubt hatte, für eine Weile zu vergessen, dass sie die Haushälterin war – und in der sie sich endlich mal wie ein Mensch fühlte?

„Ich muss nicht ständig Gesellschaft haben“, antwortete sie. „Es ist teuer, Kontakte zu pflegen, und ich spare, damit mein Bruder studieren kann. Momentan ist er in Australien“, ergänzte sie, weil Salvio die Brauen minimal hochzog. „Und … setzt sozusagen ein Jahr nach der Schule aus.“

Er runzelte die Stirn. „Sie sind hier und arbeiten hart, während er in der Sonne liegt? Da bringen Sie als Schwester aber ein bewundernswertes Opfer.“

„Jede Schwester würde das tun.“

„Nicht jede, nein. Er kann von Glück reden, dass er Sie hat.“

Molly nahm ihr Glas und nippte. Würde die Wahrheit ihren Gastgeber schockieren? Robbie hatte noch keinen Studienplatz, weil er nach wie vor „darüber nachdachte“. Trotz all ihrer Bitten, eine ordentliche Ausbildung zu machen und nicht wie sie selbst zu enden. Sie fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen, die nach Brandy schmeckten. An Robbie wollte sie jetzt nicht denken. Gewiss stand ihr ausnahmsweise mal ein freier Abend zu? Ein Abend, an dem sie sich jung und sorglos fühlen und den Umstand genießen durfte, dass sie allein mit einem betörenden Mann war – auch wenn der sie nur aus Mitleid eingeladen hatte.

Während sie ihr Glas abstellte, sah sie Salvio an. Unvermittelt spürte sie ein sehnsüchtiges Ziehen in der Herzgegend. Er stand noch immer am Fenster, die Silhouette seines starken Körpers vom Mondlicht betont.

„Was ist mit Ihnen?“, fragte sie. „Warum sind Sie hier?“

„Ich wollte mit Philip Avery über ein Geschäft sprechen.“ Er lächelte ironisch. „Aber dazu kommt es wohl nicht.“

„Morgen früh wird er viel aufgeschlossener sein“, erwiderte Molly diplomatisch.

„Dann ist es zu spät. Ich fahre, sobald es hell ist.“

Ihre Bestürzung war niederschmetternd. Sie hatte doch gewollt, dass … Sie fixierte ihr Glas. Was hatte sie denn gewollt? Ihn beim Frühstück zu sehen? Wo sie sich verschwörerische Blicke zuwerfen würden, während sie an diesen verbotenen Drink dachten?

„Oh, wie schade.“ Sie klang aufrichtig enttäuscht.

Er lächelte, als würde ihn ihre Ernsthaftigkeit amüsieren. „Sie sind viel zu süß, um sich an einem Ort wie diesem zu verstecken, Molly.“

Süß. Sie wusste, dass es ein Kompliment war, doch aus irgendeinem Grund beleidigte es sie. Als wäre sie die Torte, mit der er sie ertappt hatte. Süß war nicht sexy, richtig? Sie war nicht sexy. „Bin ich das?“

Salvio nickte, ging zum Schreibtisch und schrieb etwas auf die Rückseite einer Visitenkarte, die er Molly reichte. „Hier, die Durchwahl meiner Assistentin. Wenn Sie sich beruflich verändern wollen, rufen Sie sie an. Sie kennt viele Leute, und Hausangestellte sind gefragt.“ Er sah ihr in die Augen. „Etwas Besseres als dies hier finden Sie jederzeit.“

„Trotz des Dinners?“ Sie versuchte, heiter zu klingen, obwohl sie sich nicht so fühlte. Schließlich wurde sie gerade hinauskomplimentiert. Also stand sie auf, nahm die Karte und steckte sie in die Tasche auf Hüfthöhe ihres Kleides.

„Trotzdem“, bestätigte er und folgte mit dem Blick ihrer Hand.

Molly spürte, wie sich die Stimmung leicht veränderte, als sein Blick zu ihrem Gesicht zurückkehrte. Sie hatte sich gefragt, ob dieses Knistern zwischen ihnen vorhin nur Einbildung gewesen war. Doch vielleicht stimmte das nicht. Vielleicht war es echt gewesen. Genauso wirklich, wie ihre Brustknospen jetzt fest wurden und gegen den Stoff des Kleides drängten. Wie die Hitze, die zwischen ihre Oberschenkel strömte. Sie hielt die Luft an und wartete. Gleich berührt er dich, wusste sie instinktiv. Obwohl er Salvio De Gennaro war und sie bloß Molly. Und er tat es, hob eine Hand und streichelte ihr mit den Fingerspitzen über die Haare.

„E capelli tuoi so comme a seta“, murmelte er. Auf ihren fragenden Blick hin übersetzte er: „Deine Haare fühlen sich wie Seide an.“

Noch nie hatte man ihr etwas derart Schönes gesagt. Es noch dazu auf Italienisch zu hören, ließ sie dahinschmelzen. Machte er es deswegen? Weil er wusste, dass er sie dadurch noch stärker in seinen Bann zog? Geh, befahl sie sich. Sie sollte ihm für den Brandy danken, für seine Güte und die Visitenkarte, in ihr Zimmer zurückkehren und in den Erinnerungen mit ihm schwelgen, sie an sich drücken wie eine Wärmflasche. Doch sie rührte sich nicht. Stattdessen sah sie ihm in die wunderschönen Augen, hoffte inständig, dass er sie küssen und ihr Märchen zum Leben erwecken würde – auch wenn das alles war, was ihr von ihm blieb. „Ist … ist das so?“, fragte sie.

Lächelnd ließ er den Daumen von den am Feuer warm gewordenen Haaren zu ihren leise bebenden Lippen wandern. Seine Kehle wurde eng, als er erkannte, was er gleich tun würde. Er hatte sie eingeladen, weil sie einsam und unglücklich war. Nicht, um sie zu verführen. Schließlich gab es Regeln, und normalerweise hielt er sich daran. Er nahm sich keinen körperlichen Trost mehr, nur weil der verfügbar war – was bei einem Mann wie ihm eigentlich immer zutraf. Ebenso wenig, wie er Sex heute noch benutzte, um Schmerz oder Wut zu verscheuchen.

Die kleine Haushälterin erreichte einen Teil von ihm, den er längst für tot gehalten hatte. Sie hatte Mitgefühl in seiner Seele geweckt, und nun löste sie etwas in seinem Körper aus, was allzu eindeutig war, wenn auch nur für ihn. Er wurde hart, schmerzhaft hart beinahe, doch der Impuls, Molly zu küssen, war noch überwältigender als der, in sie einzudringen. Du solltest widerstehen, mahnte er sich. Sie freundlich aus dem Zimmer bugsieren. Vielleicht hätte er das sogar getan, wenn sie nicht ausgerechnet in diesem Moment zittrig ausgeatmet hätte, sodass ihr warmer Atem seine Daumenkuppe streifte.

Wie konnte etwas Unbedeutendes wie ein Atemzug so mächtig sein? Er starrte ihr in die großen grauen Augen und sagte leise: „Ich will dich küssen. Aber wenn ich das tue, will ich mit dir schlafen, und ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist. Verstehst du mich, Molly?“

Sie nickte.

„Das Einzige, was mich davon abhält, bist du“, raunte er mit tiefer Stimme. „Also stoppe mich. Dreh dich um und geh. Tu uns beiden einen Gefallen.“

Molly war entschlossen, seiner Aufforderung nicht zu folgen. Wann passierte Leuten wie ihr schon so etwas wie dies hier? Sie war nicht wie die meisten Frauen in ihrem Alter, hatte noch nie Sex gehabt. Trotzdem bot ihr ein Mann, den sie kaum kannte, an, sie zu verführen. Und plötzlich wollte sie genau das, ohne sich darum zu scheren, ob es schlecht war. Hatte sie nicht ihr Leben lang versucht, gut zu sein? Und wo war sie damit gelandet?

Ihr Herz schlug wild gegen die Rippen, während sie versuchte, sich Salvios markante Gesichtszüge für immer einzuprägen. „Es ist mir egal, ob es eine schlechte Idee ist“, wisperte sie. „Vielleicht will ich es genauso sehr wie du.“

Sein Körper spannte sich an. Die Augen verengten sich, und er stieß etwas hervor, das eher verzweifelt denn euphorisch klang. In der nächsten Sekunde zog er sie in die Arme. Er strich ihr die Haare von den Wangen, neigte den Kopf, und sobald sich ihre Lippen trafen, wusste Molly, dass es kein Zurück gab.

Zuerst küsste er sie sanft, als wollte er ihre Lippen ausgiebig erkunden. Gerade, als sie sich an das traumhafte Gefühl gewöhnt hatte, küsste er sie fester, ungestüm, fachte die wachsende Lust in ihrem Körper an. Er presste sie an sich, bis sie die Brüste erwartungsvoll an seinen Brustkorb schob und seine Härte spürte. Die bemerkenswerte Erektion hätte sie einschüchtern sollen, doch Mollys hungrige Sinne hatten die Kontrolle übernommen. Sie fühlte sich nicht mehr wie die gute, folgsame Molly, sondern wie eine schamlose Frau – Opfer ihres eigenen Verlangens.

Es fühlte sich gut an.

Mehr als gut.

Salvio lachte ein wenig atemlos, als er eine Hand auf ihre linke Brust legte und die Finger spreizte. Unter der Handfläche spürte er eine feste Brustspitze. „Du bist sehr leidenschaftlich“, murmelte er.

Sie stöhnte leise, als er den Reißverschluss ihres Kleides aufzog, denn plötzlich kam sie sich in der Tat leidenschaftlich vor. Als hätte sie ihr ganzes Leben lang darauf gewartet. „Bin ich das?“

„Ich glaube, in dem Punkt brauchst du keine Bestätigung, bedda mia.“

Natürlich hatte er unrecht, doch das wollte sie ihm nicht auf die Nase binden. Sie schnappte nach Luft, als er ihr das Kleid auszog, es fallen ließ und einen Schritt zurücktrat, um sie zu betrachten. Seltsam, wie der bewundernde Blick eines Mannes alle Unsicherheiten einer Frau in Nichts auflösen konnte. Molly dachte nicht mehr daran, dass ihr Bauch nicht flach genug war oder dass sie ihre Brüste zu groß fand. Oder dass ihr BH nicht zu dem praktischen Slip passte. Sie genoss die unverhohlene Lust in einem Blick, der wie eine Flamme über ihren Körper züngelte.

Salvio schwang sie auf die Arme. Kaum zu glauben – er trug die pummelige Molly Miller zum Bett, als wäre sie so leicht wie ein Luftballon! Dann schlug er die nagelneue Bettdecke zurück und legte seine Gefährtin darunter. Sie konnte sich kaum ein schöneres Gefühl vorstellen, als sie sich auf die Matratze sinken ließ, die warme Decke auf ihrem Körper, dessen Lust immer weiter wuchs, während Salvio sich entkleidete. Wie gebannt beobachtete sie ihn. Erst zog er Schuhe und Strümpfe aus. Anschließend knöpfte er das Hemd auf und entblößte seinen prachtvollen Oberkörper, bevor er die Hände auf den Reißverschluss seiner Hose sinken ließ. Als er einen Daumen in den Bund seiner Boxershorts hakte, kniff Molly die Augen zusammen.

„Nein. So nicht. Öffne die Augen. Sieh mich an“, forderte er sanft.

Sie schluckte. Zugegeben, ihr wurde ein bisschen mulmig, als sich zeigte, wie erregt er war.

„Me fai asci pazzo“, sagte er, als würde das alles erklären.

„W… was heißt das?“

„Du machst mich verrückt.“

„Ich liebe es, wenn du Italienisch mit mir sprichst“, meinte sie scheu.

„Nicht Italienisch“, berichtigte er tadelnd und legte sich neben sie. „Neapolitanisch.“

Sie blinzelte. „Ist das anders?“

„Es ist ein Dialekt.“ Er legte mehrere Plastikpäckchen auf den antiken Nachttisch. „Und ja, es ist deutlich anders.“

Die Kondome beeinträchtigten die romantische Stimmung ein wenig, doch Salvio lag nackt neben ihr, und Molly entdeckte, dass dieses Gefühl von Haut an Haut ganz anders war als alles, was sie kannte. Himmlisch. Besser als Schokoladentorte. Besser als … Nun, als alles Übrige.

„Salvio“, hauchte sie, sprach seinen Namen zum ersten Mal aus.

Sì, bedda mia? Soll ich dich noch einmal küssen?“

„Ja, bitte“, sagte sie so eifrig, dass er lachen musste.

Seine Küsse waren innig, als würde er Molly damit berauschen und empfänglich für sein Streicheln machen. Oh, seine Hände – wie wundervoll sie sich fühlte, als er die Fingerspitzen über ihren bebenden Körper gleiten ließ. Er provozierte ihre Brustspitzen, bis sie sich vor Wonne wand, und als er ihr eine Hand zwischen die Oberschenkel schob und feststellte, wie feucht sie war, erstickte er ihr Aufstöhnen mit einem weiteren Kuss.

Sie erwiderte seine Zärtlichkeiten. Zaghaft streichelte sie seine Brust und die Rippenbögen, bevor sie es wagte, einen Bauch zu erforschen, der viel flacher war als ihr eigener. Doch als sie den Mut zusammennahm und die unvertraute Erektion berührte, die immer wieder ihren Oberschenkel streifte, stoppte er sie mit einem strengen Blick. „Nein.“

Sie traute sich nicht, nach dem Grund zu fragen, wollte nichts tun, was die Stimmung trübte oder sie selbst als unerfahren entlarvte. Was Salvio dazu veranlassen würde, sich abrupt aufzusetzen und zu fragen, was zur Hölle er sich dabei dachte, mit einer einfachen Haushälterin intim zu werden.

Nichts dergleichen geschah. Er schien genauso auf ihren Körper eingestimmt zu sein wie umgekehrt. Wie gierige Tiere rollten sie ungehemmt über das Bett, neckten einander sacht mit den Zähnen, streichelten einander und stöhnten lustvoll. Eine winzige Pause trat erst ein, als Salvio ein Kondom vom Nachttisch nahm.

„Möchtest du das übernehmen?“, fragte er herausfordernd. „Meine Hände zittern so, dass ich mich frage, ob ich es selbst schaffe.“

Molly geriet leicht aus der Fassung. Sollte sie jetzt etwas sagen?

Salvio, ich kenne Kondome nur aus dem Biologie-Schulbuch. Ich habe noch nie eins angefasst.

Sprang er nicht entsetzt aus dem Bett, wenn er das erfuhr? Er mochte zwar so erregt sein, wie ein Mann es vermutlich nur sein konnte, aber trotzdem. Sollte sie ihn mit einer Information belasten, die nicht wirklich wichtig war? Schließlich erwartete sie nicht, dass dieses … Intermezzo sich wiederholte.

Vielleicht erriet er ihre Gedanken, denn er beugte sich vor und musterte sie mit verschatteten Augen an. „Du weißt, ich …“

„Ja, ich weiß. Du reist morgen früh ab, und das ist okay.“

„Sicher?“

„Ganz sicher. Ich möchte bloß …“

„Was möchtest du, Molly?“, fragte er beinahe zärtlich.

„Diese Nacht. Das ist alles.“

Mit gerunzelter Stirn streifte Salvio das Kondom über. Meinte sie es ernst? War es zu schön, um wahr zu sein? Wieder küsste er sie, wollte am liebsten vor Lust explodieren und zwang sich doch, so langsam wie möglich in seine heiße, feuchte Geliebte einzudringen, denn seine Erektion war gewaltig. Das hatte man ihm schon oft genug gesagt, aber nie hatte sie sich größer angefühlt als heute.

Mit Mollys Reaktion hatte mit Größe allerdings nichts zu tun. Ihr Körper spannte sich an, sie verzog das Gesicht vor Schmerz, nur ganz kurz – und er wusste Bescheid. Verwirrt hielt er inne. Dann kratzte er seine verbliebene Selbstbeherrschung zusammen und wollte sich zurückziehen, aber Mollys Muskeln umschlossen ihn auf eine schockierend neue, aufregende Weise. Er war drauf und dran, sofort zu kommen, holte Luft und versuchte verzweifelt, die Kontrolle zu behalten. Sich darauf zu konzentrieren, den Orgasmus nicht zuzulassen, statt auf die unglaubliche Tatsache, dass die Haushälterin noch Jungfrau war. Gewesen war.

Den Höhepunkt hinauszuzögern war die härteste sexuelle Herausforderung, der er sich je gestellt hatte. Vielleicht fühlte es sich dermaßen herrlich an, weil Molly so eng war. Oder weil sie ganz ungekünstelt auf ihn einging. Wie er jetzt wusste, kannte sie keins der Spielchen, die üblicherweise im Schlafzimmer gespielt wurden. Ihre Arglosigkeit machte sie zu einer unvergleichlichen Geliebten, denn sie war ein Naturtalent. Was sie mit ihm tat, hatte sie mit keinem anderen Mann getan. Dieser Gedanke fachte seine Lust noch stärker an. Er kostete es aus, zu sehen, wie sie die runden Hüften ruckartig vorschob, wenn er in sie hineinstieß. Wie sie die Brüste vorreckte, damit er die festen Knospen erst mit der Zunge und dann mit den Zähnen reizen konnte.

Jetzt spürte er, wie sich etwas veränderte: Ihr Orgasmus rauschte unaufhaltsam heran. Salvio beobachtete seine Geliebte genau. Ihre Lider mit den dunklen Wimpern schlossen sich langsam. Triumphierend hörte er ihr erstes ungläubiges Keuchen, sah die Röte, die sich auf ihren Brüsten ausbreitete. Erst, als ihr Körper nicht mehr heftig zuckte, überließ er sich seiner eigenen Lust, unvorbereitet auf die Wucht, mit der er kam. Es fühlt sich wie das erste Mal an, dachte er benommen. Oder vielleicht wie das einzige Mal.

Dann schlief er ein.

4. KAPITEL

Es war noch dunkel, als Salvio aufwachte. Seine Armbanduhr zeigte kurz nach sechs Uhr an. Er wartete, bis sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. In der Hitze des wilden Abenteuers, das ihn gestern förmlich überrumpelt hatte, war er nicht dazu gekommen, die Vorhänge zuzuziehen. Die Sonne war noch nicht aufgegangen.

Er betrachtete die schlafende Frau neben ihm, holte tief Luft und versuchte zu begreifen, was geschehen war. Den Sex mit der unschuldigen Haushälterin zu rechtfertigen, obwohl er tief im Inneren wusste, dass es keine Rechtfertigung gab. Sie wollte es, dachte er grimmig. So sehr wie er selbst.

Während der Nacht waren sie wieder intim miteinander geworden – mehrmals, um genau zu sein. Er hatte ein Bein ausgestreckt, ihren wohlgerundeten weichen Körper berührt und sofort Lust bekommen. Eigentlich hatte er ein paar Fragen stellen wollen, doch irgendwie waren die ihm bei Mollys Berührungen entfallen. Das zweite Mal war fantastisch gewesen … Ebenso das dritte Mal. Seine Geliebte war so leicht zufriedenzustellen. So dankbar für das Vergnügen, das er ihr bereitete. Nach Orgasmus Nummer fünf erwartete er knifflige Fragen, die allerdings ausblieben. Sie erkundigte sich nicht, ob er es sich anders überlegt hatte und sie wiedersehen wollte. Ein Glück, denn er hatte seine Meinung nicht geändert. Das durfte er nicht. Sie war zu süß. Zu naiv. In seiner Welt konnte sie keine einzige Minute überleben. Sein Zynismus hätte ihre Arglosigkeit, ihren Enthusiasmus zerstört.

Behutsam schüttelte er Mollys nackte Schulter. Dabei widerstand er dem Drang, die Hand unter die Bettdecke zu schieben und eine prächtige Brust zu massieren.

„Molly“, flüsterte er. „Wach auf. Es ist Morgen.“

Sie erschrak, als sie die Augen öffnete und den Kronleuchter an der Decke erblickte. Ein Schauer überlief sie. Sie sah Salvio an, und ihr Herz machte einen enormen Satz, weil ihr bewusst wurde, was sie getan hatte. Sie schluckte. Was hatte sie nicht getan? Sie hatte zugelassen, dass er sie auszog und jeden Zentimeter ihres Körpers erforschte, mit der Zunge, den Fingern und weiteren Körperteilen. Während er tief in ihr gewesen war, hatte sie wieder und wieder seinen Namen gekeucht. Dank ihm war eine völlig ungeahnte Lust in ihr erwacht. Als hätte er sie in jemanden verwandelt, den sie nicht kannte. Aus der unerfahrenen Molly Miller eine erwartungsvolle Frau gemacht, die nicht genug von ihm kriegen konnte.

Ich werde keine Sekunde bereuen, beschloss sie. Man konnte die Uhr nicht zurückdrehen. Und selbst wenn man es gekonnt hätte – wer hätte es schon gewollt?

Gähnend streckte sie beide Arme über den Kopf und spürte ein unvertrautes Ziehen in ihrem Körper. Wie oft hat Salvio eigentlich mit mir geschlafen, fragte sie sich, während Erinnerungen an seinen schier unersättlichen Appetit und ihre willige Reaktion aufstiegen.

Sie zwang sich, jene Frage zu stellen, die sie nicht stellen wollte. „Wie spät ist es?“

„Kurz nach sechs.“ Er zögerte. Seine Lider senkten sich ein wenig. „Molly …“

„Na, dann machst du dich besser fertig, nicht wahr?“ Mit der munteren Bemerkung kam sie ihm zuvor, denn sie ahnte, was er sagen wollte. Seine ernste Stimme warnte sie vor: Dies war der Abschied. Er musste abreisen, und das war in Ordnung. Warum sollte sie alles ruinieren, indem sie mehr forderte, als er geben wollte? Sie setzte ein Lächeln auf. „Du hast doch gesagt, dass du früh losfahren willst.“

Er zog die Stirn kraus, als hätte er etwas anderes erwartet, aber Molly wusste, dass es nur eine einzige Lösung gab. Sie musste vernünftig sein, wie immer. Die Tatsachen akzeptieren. Ihr war klar, dass es keine gemeinsame Zukunft für sie und den Milliardär geben konnte. Letzte Nacht war die Grenze verschwommen, doch eine Nacht der Wonne änderte nichts am Grundsätzlichen. Sie war hier als Haushälterin angestellt, und im Bett eines Gastes hatte sie nichts zu suchen.

„Du bist auch ganz sicher okay?“, vergewisserte er sich.

Nicht wirklich. Ich wünschte, du könntest mich mitnehmen, wohin auch immer, und mich so lieben wie letzte Nacht. Sie fragte sich, woher der plötzliche Wunsch kam, sie könnte solche Worte aussprechen. Glücklicherweise behielt ihr Pragmatismus die Oberhand. Als hätte Salvio De Gennaro sie mitnehmen wollen! Sie stellte sich vor, wie sie sich in seinen niedrigen Sportwagen zwängte – wahrscheinlich würde ihr Gewicht die Federung demolieren! „Warum sollte ich nicht okay sein?“, fragte sie heiter. „Es war toll. Glaube ich wenigstens“, schickte sie leicht verunsichert hinterher und blickte ihm fragend in die Augen.

„Oh, es war besser als toll.“ Sanft fuhr er mit einer Fingerkuppe ihre Unterlippe entlang. „So gut sogar, dass ich es noch einmal tun will.“

Ihr Magen zog sich vor Lust zusammen. Schlagartig wurde ihr heiß. „Aber …“

„Aber was, mia bedda?“

Sie schluckte. „Wir haben keine Zeit.“

„Wer sagt das?“

Er schob ihr eine Hand zwischen die Beine, und sie fragte sich, was mit ihrer Vernunft geschah. Die verschwand nämlich, sobald er mit einer Fingerspitze über die empfindlichste Stelle ihres Körpers strich. „Salvio“, stöhnte sie, als er den dunklen Kopf senkte und eine Brustspitze leckte.

Mit glänzenden Augen blickte er sie an. „Willst du, dass ich aufhöre?“

„Du weißt genau, dass ich das nicht will“, keuchte sie.

„Warum zeigst du mir dann nicht, was du willst?“

Vielleicht war sie so kühn, weil feststand, dass es nur noch diese Gelegenheit gab. Jedenfalls ließ sie eine Hand über seinen muskulösen Bauch zu der Erektion sinken, die er so fordernd gegen ihren Oberschenkel presste. „Dies“, sagte sie mit bebender Stimme. „Dies ist es, was ich will.“

„Und wo willst du es?“

„In mir.“

„Genau wie ich“, raunte er und schnappte eins der wenigen verbliebenen Kondome vom Nachttisch.

Molly fühlte sich warm und klebrig, als er sich auf sie legte. Ihre Haare waren zerzaust, die Zähne nicht geputzt … Doch das schien keine Rolle zu spielen, denn Salvio streichelte sie, als wäre sie eine Göttin. Er spreizte die Hand auf ihrem Bauch, und sie bekam eine Gänsehaut. So musste es sein, wenn man schwebte. Sie schlang ihm beide Oberschenkel um die Hüften und gab sich dem exquisiten ersten Stoß ihres Geliebten hin, der tief in sie eindrang.

Mit allen Sinnen genoss sie, wie sie beide sich im Einklang miteinander bewegten. Sie fühlte sich wie jemand, der im Rekordtempo auf dem Weg ins Paradies war, als sie den nächsten wuchtigen Orgasmus erlebte, der sie wie betäubt zurückließ. Dann sah sie, wie Salvios Gesicht diesen fast hilflosen Ausdruck annahm, den sie so sehr liebte, während er in ihr zum Höhepunkt kam. Sie liebte es, wenn er den Kopf anschließend auf ihre Schulter sinken ließ und etwas murmelte, was sie für Neapolitanisch hielt. Jetzt spürte sie seinen Atem warm und regelmäßig an ihrem Hals. Ängstlich schüttelte sie ihn am Arm. „Salvio, schlaf nicht ein. Du gehst besser, bevor jemand aufwacht.“

„Du auch.“ Er schob die zerknitterte Bettdecke zur Seite. „Auf der Stelle. Bevor dich jemand sieht.“

Aus irgendeinem Grund machte seine Bemerkung sie niedergeschlagen und holte sie ruckartig zur Erde zurück. Die Wirklichkeit ließ ihre kleine Glücksblase platzen. Trotzdem behielt sie ihr fröhliches Lächeln bei und kostete den Anblick aus, wie Salvio Jeans und Pullover anzog und leise die Tür öffnete, um ins Bad zu gehen.

Sobald er fort war, schlüpfte sie aus dem Bett und zog ihre Unterwäsche an. Sie verzog das Gesicht, als sie das schwarze Kleid mit den Handflächen glattstrich, und knüllte ihre Strumpfhose zu einem kleinen Ball zusammen. Die Tür öffnete sich, und schon kam Salvio zurück, die dunklen Haare feucht von der Dusche.

Schweigend ließ er seinen Koffer zuschnappen und kam mit ernster Miene auf sie zu. Einen Moment lang stand er einfach vor ihr und betrachtete sie, als würde er sie zum ersten Mal sehen.

„Warum?“, fragte er. „Warum ich?“

Irgendwie hatte sie mit der Frage gerechnet. Ihre Antwort musste locker ausfallen; kein Schatten durfte auf die Erinnerung an diese märchenhafte Nacht fallen. Also zuckte sie die Schultern und brachte sogar ein Lächeln zustande. „In meiner Branche trifft man nicht viele Männer. Und ganz sicher keine wie dich. Außerdem bist du … Du bist sehr attraktiv, Salvio. Das hast du bestimmt schon oft gehört.“

Mit gerunzelter Stirn schaute er sie an, als würde ihre Ehrlichkeit ihm Sorgen bereiten. „Du sollst wissen, dass ich dich nicht hergebeten habe, um dich zu verführen. Ich behaupte nicht, mir wäre der Gedanke nicht gekommen, aber es war nicht meine Absicht.“

„Ich weiß. Du warst freundlich, mehr nicht. Vielleicht habe ich deshalb dem Drink zugestimmt.“

Er lachte merkwürdig. „Du hattest eine ausgesprochen intensive Wirkung auf mich, Molly.“

Sie konnte den Ausdruck in seinen Augen nicht deuten, aber vielleicht war es besser so. Schließlich wollte sie ihn nicht sagen hören, er könne sich gar nicht erklären, warum er mit ihr geschlafen hatte. Sie wollte bewahren, was zwischen ihnen geschehen war – es behandeln wie eine kostbare Kugel, die man an den Weihnachtsbaum hängte. Die Erinnerung sollte ihr nicht entgleiten und zerbersten.

„Das freut mich“, sagte sie und schaffte es nur mit Mühe, gelassen zu bleiben. Ihr Herz hämmerte wie verrückt. „Es wird Zeit. Du gehst jetzt besser.“

Er nickte, als sei es eine neue Erfahrung für ihn, aus einem Schlafzimmer geschickt zu werden. Dann drehte er sich abrupt um. Mollys Herz zog sich schmerzhaft zusammen, als er die Tür leise hinter sich schloss. Sie stellte sich an ein Fenster und sah ihn aus dem Haus kommen, seine dunkle Silhouette vor dem tosenden Meer. Salvio schaute hoch, nur ganz kurz, und ihre Blicke trafen sich. Sie wartete darauf, dass er lächelte oder winkte. Gut, dass er es nicht tut, sagte sie sich. Wer wusste schon, ob noch jemand ihn beobachtete?

Erst deponierte er seinen Koffer im Wagen, dann stieg er auf der Fahrerseite ein, zog die Tür zu und startete den Motor. Als er losfuhr, wirbelte sein Sportwagen eine kleine Kieswolke auf. Molly starrte ihm hinterher, bis das Auto nur noch ein schwarzes Pünktchen war. Während die Sonne aufging und die dunkeln Wolken rötlich färbte, fragte sie sich, ob Salvios Leben eine Serie von Abgängen war, mit Frauen, die ihm sehnsüchtig durch Fenster hinterherschauten.

Mit heißen Wangen zog sie rasch das Laken von der Matratze und den Bezug von der Bettdecke. Nachher würde sie alles in die Waschmaschine stecken und den Raum gründlich putzen. Vorher aber musste sie duschen. Die Averys erwarteten etliche Gäste; entsprechend viel hatte Molly zu tun. Ihre Arbeit würde sie wenigstens vom Gedanken ablenken, dass sie Salvio nie mehr sehen würde. Nie mehr seine Lippen auf ihren und seine starke Arme um sich fühlen würde. So läuft es in der Welt der Erwachsenen, sagte sie sich streng. Menschen hatten Spaß miteinander. Spaß ohne Erwartungen oder Verpflichtungen. Sie hatten Sex und gingen dann einfach fort.

Leise schloss sie die Tür und schlich den Korridor entlang. Plötzlich fühlte sie sich beobachtet. Panik packte sie, als sie am anderen Ende des dunklen Korridors eine regungslose Gestalt stehen sah.

Lady Avery.

Mollys Schritte wurden langsamer. Ihr Herz schlug heftig gegen die Rippen, als sie den Vorwurf in den blassen Augen las.

„Na, Molly?“, fragte Sarah Avery mit einer Stimme, die völlig anders klang als sonst. „Haben Sie gut geschlafen?“

Eine schreckliche Pause folgte. Molly krümmte sich innerlich. Was konnte sie antworten? Mit einer Ausrede, weshalb sie um diese Zeit mit ihrer zusammengeknüllten Strumpfhose aus Salvios Zimmer schlich, hätte sie das Ganze nur schlimmer gemacht. Jetzt würde Lady Avery sie feuern. Arbeits- und obdachlos würde sie sein, zur denkbar schlimmsten Zeit des Jahres. Sie schluckte. „Es tut mir leid, Lady Avery.“

Ungläubig schüttelte ihre Arbeitgeberin den Kopf. „Ich fasse es nicht! Wie kann sich jemand wie er für jemanden wie Sie interessieren, wenn er stattdessen mit …“ Sie brach ab, konnte unmöglich aussprechen, dass sie gehofft hatte, selbst in Salvios Bett zu landen.

„Ich kann mich nur entschuldigen“, wiederholte Molly steif.

„Gehen Sie einfach wieder an Ihre Arbeit“, befahl Sarah Avery scharf.

„Arbeit?“

„Nun, was dachten Sie denn? Heute kommen zehn Personen zum Dinner, falls Ihnen das entfallen sein sollte. Und da Sie diesmal vermutlich nicht hinter einem der Gäste her sind, wird das Fleisch wohl nicht verkohlt auf den Tisch kommen.“ Sie zog die Brauen hoch. „Es sei denn, kein Mann ist vor Ihren Krallen sicher. Ich muss schon sagen, dass ausgerechnet Sie sich als Femme fatale entpuppen, hätte gewiss niemand gedacht. Machen Sie sich einfach an die Arbeit, bevor ich es mir anders überlege.“

„J… ja, Lady Avery.“

In den nächsten Wochen schuftete Molly härter als je zuvor. Sie backte, schnippelte, dünstete und quirlte – zur immensen Freude aller Gäste, die in das weihnachtlich dekorierte Haus kamen. Und sie war klug genug, um zu schweigen, wenn Lady Avery sarkastisch anmerkte, ihre Haushälterin lungere hoffnungsvoll unter den Mistelzweigen herum.

Egal, wie viel Arbeit sie hatte – nie war sie beschäftigt genug, um ihre Gedanken im Zaum zu halten. Ständig ertappte sie sich dabei, wie sie an Salvio dachte. Das war nun wirklich das Letzte, was sie brauchte. Sie wollte sich doch gar nicht daran erinnern, was er alles mit ihr gemacht hatte. An die Art, wie er ihre Wangen, die Lippen und den Rest ihres Körpers gestreichelt hatte, bevor er ihre Oberschenkel auseinandergeschoben hatte, um in sie einzudringen. Wie er in diesem hinreißenden Dialekt „Bedda mia“ und „Nicuzza“ geflüstert hatte. Solche Erinnerungen waren gefährlich. Man kam glatt auf die Idee, die Nacht könnte etwas bedeutet haben. Was nicht der Fall war. Ihm hatte sie nichts bedeutet. Er war einfach gegangen, und sie hatte ihm gesagt, sie bringe das ebenfalls fertig.

Also tu es.

Hör auf, dich nach ihm zu sehnen.

Hör auf, dir das Unmögliche zu wünschen.

Drei Tage vor Weihnachten platzten zwei Bomben kurz hintereinander. Molly wollte gerade ins Dorf fahren, da lief sie ihrer Chefin über den Weg. Sarah Avery trug einen langen Pelzmantel. Ihr Gesichtsausdruck war so kalt wie der winterliche Wind, der um das Herrenhaus pfiff und die ersten Schneeflocken mit sich brachte.

„Molly, Sie brauchen jetzt nicht einzukaufen.“

Die Haushälterin stockte. Pudding, Kuchen und Mince Pies hatte sie schon zubereitet, aber sie musste noch den Truthahn und das Gemüse holen. „Möchten Sie, dass ich stattdessen etwas anderes erledige?“

„Ja. Sie können Ihre Sachen packen.“

Verdutzt starrte Molly ihre Arbeitgeberin an. „Packen? Ich verstehe nicht.“

„Nein? Dabei ist es ganz einfach. Wir benötigen Ihre Dienste nicht mehr.“

„Aber …“

„Aber was?“ Lady Avery trat einen Schritt näher. Nun brodelte die Wut, die sie seit Salvios Abreise unterdrückt hatte, an die Oberfläche. „Hoffentlich fragen Sie mich nicht, warum ich Ihnen nicht früher gekündigt habe. Ich glaube, die üblichen Regeln gelten nicht, wenn jemand seine Position derart missbraucht hat wie Sie. ‚Mit den Gästen schlafen‘ stand schließlich nie in Ihrer Jobbeschreibung, oder?“

„Aber es ist kurz vor Weihnachten“, platzte Molly heraus. „Und dies ist … mein Zuhause.“

Sarah Avery lachte schrill. „Wohl kaum. Warum laufen Sie nicht zu Ihrem Freund und fragen ihn, ob er Sie über die Feiertage bei sich haben möchte? Weil er Nein sagen wird, darum.“

„Warum haben Sie bis heute gewartet?“, fragte Molly leise. „Warum haben Sie mich nicht gleich entlassen?“

„Mit Weihnachten vor der Tür? In so einer turbulenten Zeit will ich doch nicht ohne Haushälterin dastehen. Ihr Lohn wurde bis zum Monatsende gezahlt, obwohl Sie diese Großzügigkeit nicht verdienen. Philip und ich fliegen morgen nach Barbados. Den Rest des heutigen Tages sind wir außer Haus. Sorgen Sie dafür, dass Sie bei unserer Rückkehr nachher nicht mehr hier sind.“

„Aber … wo soll ich denn heute Nacht schlafen?“

„Meinen Sie, das interessiert mich? Im Dorf gibt es ein billiges Bed and Breakfast.“ Lady Avery lächelte grausam. „Legen Sie die Schlüssel für den Wagen und das Haus auf den Dielentisch, bevor Sie gehen.“

Molly wusste kaum, wie ihr geschah. Ihr Herz krampfte sich zusammen, als die alte Vertraute namens Angst jäh in ihr Leben zurückkehrte. Nun saß sie wieder einmal in der Klemme. Nur konnte sie diesmal nicht ihrem Bruder die Schuld geben oder dem Schicksal, das ihre Mutter damals so krank hatte werden lassen. Diesmal trug sie selbst die Verantwortung.

Verzweifelt überlegte sie. Außer Robbie hatte sie keine Verwandten. Keine Freunde, bei denen sie unterschlüpfen konnte. Lady Averys Worte fielen ihr ein. Wie würde Salvio reagieren, wenn sie ihm erzählte, dass sie wegen der gemeinsamen Nacht ihren Job verloren hatte? Würde er das Anständige tun und ihr ein Dach über dem Kopf anbieten? Es widerstrebte ihr zutiefst, an die Gnade eines Mannes zu appellieren, der nur einen One-Night-Stand wollte. Wahrscheinlich musste sie es trotzdem tun. Denn die zweite Bombe schwebte über ihr und konnte jede Sekunde explodieren, egal, wie sehr sie den Gedanken verdrängen wollte.

Meine Periode ist wegen des Stresses überfällig, redete sie sich ein, als sie sich aus heiterem Himmel an die Visitenkarte erinnerte. Sie fuhr sich mit der Zungenspitze über die trockenen Lippen. Blieb ihr eine andere Wahl?

Rasch packte sie ihre Sachen und kämpfte gegen die aufsteigenden Tränen an. Zuletzt legte sie vorsichtig die gerahmten Fotos von ihrer Mutter und Robbie in den Koffer. Als sie in ihrem fadenscheinigen Mantel in der Diele stand, den handgestrickten Schal um den Hals, wählte sie mit zitternden Fingern die Telefonnummer auf dem Kärtchen.

Salvios Assistentin hieß Gina. Und sie klang nicht nur freundlich, sondern geradezu erleichtert, als Molly sich vorstellte.

„Kaum zu glauben! Sie sind die Antwort auf meine Gebete, Molly Miller.“

„Ich?“

„Genau. Sind Sie frei? Können Sie sofort einen neuen Job antreten?“

„Ja“, antwortete Molly gedehnt. „Wieso?“

„Salvio gibt morgen seine jährliche Weihnachtsparty in den Cotswolds, kurz vor seinem Abflug nach Neapel. Und die Haushälterin muss zu ihrer Mutter fahren, die sich das Handgelenk gebrochen hat. Wenn Sie kurzfristig einspringen könnten, würde ich Sie großzügig entlohnen.“

Plötzlich fühlten sich Mollys Lippen gefroren an. „Das ist ja eine schlechte Nachricht – das gebrochene Handgelenk, meine ich, aber ich glaube nicht, dass …“

Gina redete einfach weiter: „Salvio muss Sie sehr schätzen, wenn er Ihnen meine Durchwahl gegeben hat. Das ist ein Wink des Schicksals! Ich werde die Planänderung nicht einmal erwähnen müssen. Er mag es nicht, wenn man ihn mit Nebensächlichkeiten behelligt, denn er ist immer so beschäftigt.“

Das Telefonat entwickelte sich zu einem Albtraum, aber welche Alternative blieb Molly? Durfte sie diese Chance ausschlagen, weil sie mit jenem Mann Sex gehabt hatte, der sie nun unwissentlich einstellte? Sie würde sich einfach im Hintergrund halten und hoffen, dass Salvio zu eifrig feierte, um sie zu bemerken. Falls er es doch tat, würde sie abwinken und sagen, es sei keine große Sache.

Andererseits: Von Salvio erkannt zu werden, war nicht das schlimmste Szenario. Wieder meldete sich die Furcht, die seit Tagen an ihr nagte. All die Ausreden wegen Stress und Sorgen verblassten. Sie bezweifelte, dass Sorgen schmerzende Brüste bescherten und einem das Gefühl gaben, man sei viel dicker als sonst. Oder dass Sorgen einen gesunden Appetit ersticken konnten.

Sie starrte auf ihr blasses Spiegelbild und las die Panik in ihren Augen. Was, wenn sie Salvio De Gennaros Baby erwartete?

5. KAPITEL

Die Sicht war schlecht – fast gleich null. Salvio schloss die Finger fester um das Lenkrad. Mit zusammengekniffenen Augen blickte er geradeaus in das Schneegestöber. Alle paar Sekunden entfernten die Scheibenwischer eine Schneeschicht von der Frontscheibe, auf die sich sofort die nächste Schicht legte.

Frustriert sah er auf seine goldene Armbanduhr und verfluchte das unberechenbare Wetter. Die Fahrt von London in die Cotswolds gestaltete sich quälend langsam. Am liebsten hätte er die Party abgesagt, aber so kurz vor Weihnachten konnte man das nicht machen. Auch dann nicht, wenn man mit den Gedanken woanders war. Und seine waren ganz woanders – aus einem beunruhigend bizarren Grund. Er seufzte ungeduldig, weil er einfach nicht aufhören konnte, an die kurvige kleine Haushälterin zu denken. Molly mit den großen grauen Augen und den üppigen Brüsten, deren Knospen perfekt in seinen Mund gepasst hatten. Vor allem aber musste er an ihre Reinheit denken. Ihre Unschuld.

Die ich ihr genommen habe. Ohne nachzudenken. Ohne es zu wissen. Wenn auch ganz sicher nicht ohne Gefühle.

Wie es sich angefühlt hatte, in ihren herrlich engen Körper einzudringen … Salvio schluckte und trat auf die Bremse. Hätte er so bereitwillig mit Molly geschlafen, wenn er gewusst hätte, dass sie Jungfrau war? Natürlich nicht. Das Verlangen nach der Haushälterin war völlig untypisch für ihn gewesen. Er konnte es nach wie vor kaum fassen. Normalerweise amüsierte er sich mit Frauen, die ihm vielleicht nicht ebenbürtig waren, seinem gesellschaftlichen Status aber doch eher entsprachen, als Molly es je tun würde.

Da gab es zum Beispiel Beatriz, die brasilianische Schönheit, mit der er in den letzten Monaten geflirtet hatte. Ihre anfängliche Reserviertheit war reizvoll gewesen. Doch je deutlicher sie mit der Zeit ihr Interesse gezeigt hatte, desto mehr war seines geschwunden. Als er gestern überlegt hatte, wie er taktvoll sein Desinteresse signalisieren könnte, rief sie an. Sie konnte nicht zu seiner Party kommen, weil ihr Flugzeug in Honolulu feststeckte. Was für eine Erleichterung!

„Mach dir keine Gedanken deswegen“, meinte er, vermutlich zu schnell.

„Ich hoffe, wir sehen uns ein andermal wieder, Salvio.“

„Ich auch, aber ich fliege über Weihnachten nach Neapel und weiß noch nicht, wann ich zurückkehre“, erwiderte er ebenso höflich wie routiniert – und abschlägig. „Ich melde mich.“

Beatriz’ Abschied war knapp und kühl ausgefallen. Nicht einmal fröhliche Weihnachten hatte sie ihm gewünscht, und er konnte es ihr nicht verübeln.

Kurz nach dem Telefonat hatte er die Sache schon abgehakt. Dummerweise musste er ständig daran denken, wie wundervoll sich die nackte Molly in seinen Armen angefühlt hatte. Wie sie ihn mit weichen Lippen auf den Hals geküsst und ihre üppigen Oberschenkel gespreizt hatte, bereit für ihn … Es gab eine Million Gründe, warum er sie vergessen sollte, doch er bekam ihr Bild nicht aus dem Kopf. Weil sie nichts gefordert hatte? Damit einverstanden war, dass er aus ihrem Leben verschwand? Die meisten Frauen klammerten. Molly nicht. Faszinierend. Salvio fragte sich, wie es wäre, sie wiederzusehen. Sie vielleicht sogar zum Dinner auszuführen, um herauszufinden, wie lange es dauerte, bis ihre Anziehungskraft verblasste.

Mehr als einmal spielte er mit der Idee, sie zu kontaktieren. Doch was konnte er sagen, ohne falsche Hoffnungen zu wecken? Wenn er sie in Ruhe ließ, tat er ihr einen Gefallen. Er war darauf programmiert, Herzen zu brechen – und diesen Schmerz wünschte er der leidenschaftlichen kleinen Haushälterin auf keinen Fall.

Ein schöneres Haus hatte Molly noch nie gesehen. Sie drückte die Nasenspitze an die eisige Fensterscheibe des Taxis und betrachtete das Herrenhaus mit dem scheinbar endlosen Park. Dank der Schneedecke war es draußen trotz des grauen Himmels hell. Dicke Flocken fielen wie Federn vom Himmel. Der Anblick erinnerte an das Motiv einer altmodischen Weihnachtskarte.

Während das Taxi die verschneite Auffahrt entlangkroch, tobte in Molly ein Gefühlschaos. Sie kam sich vor wie ein Blatt, das der Wind zu einem unbekannten Ziel wehte.

Noch schlimmer als die im letzten Moment abgewendete Obdachlosigkeit war, dass sich ihre schlimmste Befürchtung bestätigt hatte. Seit sie gestern Abend im Badezimmer einer kleinen Pension zwei Schwangerschaftstests gemacht hatte, kannte sie den Grund für ihre ausbleibende Periode. Ebenso entsetzt wie ungläubig hatte sie auf den unmissverständlichen blauen Strich gestarrt. Die schockierende Erkenntnis, dass sie in der Tat Salvios Baby erwartete, ließ sie am ganzen Leib zittern.

Was soll ich bloß tun?

Jetzt konnte sie nicht darüber nachdenken. Sie musste sich auf ihren Job konzentrieren und gute Arbeit leisten. Ja, sie würde Salvio informieren müssen. Später. Nicht direkt vor der Ankunft seiner Gäste.

Sie bezahlte den Fahrer, stieg aus und trat auf die weiche Schneedecke. Abgesehen von den Reifenspuren ihres Taxis war der Schnee unberührt. Für das einzige Anzeichen von Leben sorgte ein kleines Rotkehlchen. Es hüpfte vor der hohen alten Haustür aus Eichenholz herum, die geradewegs einem Märchen entsprungen zu sein schien. Molly klopfte laut, für alle Fälle. Als niemand öffnete, zückte sie den Schlüssel, den Salvios Assistentin ihr gegeben hatte – mit einem Bündel Bargeld für alles, was Molly noch kaufen musste.

Nur das Ticken einer Standuhr war in der großen Empfangshalle zu hören. Die Einrichtung übertraf noch die Erwartungen, die das Herrenhaus von außen geweckt hatte. Aus allem sprachen Eleganz, Reichtum und Geschmack. In die glänzende Holzvertäfelung an den Wänden waren Eicheln und Einhörner geschnitzt. Durch die Fenster fiel das Licht bläulich auf Kamine aus Marmor und das dunkle Parkett mit den Seidenteppichen. Molly fühlte sich fehl am Platze. Wie ein Geist, der mit einem Geheimnis aufkreuzte, das niemand wissen wollte.

Bei einem zügigen Rundgang vergewisserte sie sich, dass Schränke und Kühlschrank alle nötigen Vorräte enthielten. Sämtliche Betten waren frisch bezogen. Sie zündete die Feuer in den Kaminen an, wusch sich die Hände und arbeitete sich durch ihre To-do-Liste. Gina zufolge gab es genügend Schlafzimmer für die Gäste aus London, falls das Wetter sie von der Rückfahrt abhalten sollte. Doch Salvio sei es lieber, wenn alle nach der Party gehen würden: „Er ist gern für sich.“

Vor Molly stieg das Bild eines weinenden Babys auf. Wie würde er damit klarkommen?

Vielleicht wollte er es gar nicht.

Vielleicht würde er ihr sagen, dass es in seinem Leben keinen Platz für ein ungeplantes Baby gab.

Eine Cateringfirma sollte nachher ein warmes Büffet liefern. Um die Drinks kümmerten sich Sommeliers. Molly musste nur dafür sorgen, dass alles reibungslos lief, und die Kellnerinnen beaufsichtigen, die bald aus dem nahen Dorf eintreffen würden. Wie schwer konnte das schon sein? Ihr Blick fiel auf den letzten Punkt von Ginas Liste.

Und bitte denken Sie daran, den Weihnachtsbaum zu schmücken!

Den Baum hatte sie beim Hereinkommen sofort gesehen – eine gewaltige Konifere, deren Spitze fast die hohe Decke berührte. Daneben stapelten sich Kartons. Sie öffnete einen und entdeckte kostspielige glitzernde Kugeln. Unwillkürlich dachte sie an früher. An die kleine Kiefer, die Robbie und sie jedes Weihnachten aus dem Garten ins Haus geschleppt hatten. An den Baumschmuck, den ihre Mutter gestrickt hatte, bevor sie sogar dafür zu krank geworden war. Molly hatte nicht verhindern können, dass ihre Mutter starb. Es war ihre erste Lektion in Machtlosigkeit gewesen. Einzusehen, dass man manchmal miterleben musste, wie etwas Furchtbares passierte. Und dass sie ihren kleinen Bruder nicht beschützen konnte.

Empfand sie dieselbe Machtlosigkeit nicht auch jetzt, beim Gedanken an das winzige Wesen in ihrem Bauch?

Mit bebenden Fingern drapierte sie die Lichterketten im Baum. Dann hängte sie die erste Kugel an einen Zweig und schaute zu, wie sie sich im Licht drehte, das durch die Sprossenfenster fiel. Da passierte es. Hätte sie nicht aus voller Kehle „In the Bleak Midwinter“ gesungen, hätte sie vielleicht die Haustür zuknallen hören. So aber brach sie nur ab, weil sie sich beobachtet fühlte. Langsam drehte sie den Kopf und sah Salvio wenige Meter entfernt stehen.

Ihr Herz stand still und begann in der nächsten Sekunde umso schneller zu schlagen. Er trug einen dunklen Kaschmirmantel über verwaschenen Jeans. Schneeflocken schmolzen in seinen schwarzen Haaren. Wie groß und stark er aussieht, schoss es ihr durch den Kopf. Wie sein muskulöser Körper den gesamten Raum dominierte. Und wie ungläubig er sie anstarrte.

„Du“, stieß er hervor.

Molly fragte sich, ob ihm vor Schreck ihr Name entfallen war – oder ob er den ohnehin längst vergessen hatte. „Ja, ich“, bestätigte sie, so nervös, dass sich ihr Mund ganz trocken anfühlte. „Molly. Molly Miller.“

„Ich weiß, wie du heißt!“, schnappte er. „Was ich wissen will, ist: Was zum Teufel machst du hier?“

Vor lauter Argwohn wirkten seine Gesichtszüge viel härter. Dies war nicht die ekstatische Begrüßung, auf die Molly gehofft hätte – wenn sie denn gewagt hätte, irgendetwas zu hoffen. Hoffnung war Zeitverschwendung, das hatte sie vor langer Zeit gelernt. Wenigstens konnte sie dank der Jahre als Dienstbotin, in denen sie ihre Gefühle hatte verbergen müssen, eine ruhige Miene beibehalten. Das einzige Indiz ihrer Verlegenheit war, dass ihr das Blut in die Wangen strömte. Wie unattraktiv ich aussehen muss mit den Schürzenbändern, die in die Taille einschneiden, und den Strähnen, die aus dem Pferdeschwanz gerutscht sind, dachte sie. „Ich schmücke gerade den Weihnachtsbaum …“

„Das sehe ich“, unterbrach er sie ungeduldig. „Warum? Was suchst du hier, Molly?“

Ihr Körper versteifte sich angesichts seines Unmuts und des impliziten Vorwurfs. Hielt er sie etwa für eine Stalkerin? „Du hast mir die Telefonnummer deiner Assistentin gegeben, weißt du noch? Und mir gesagt, ich solle sie anrufen, falls ich Arbeit suche.“

„Aber du hast bereits eine Stelle. Du arbeitest für die Averys.“

„Nicht mehr. Lady Avery hat mich erwischt, als ich aus deinem Schlafzimmer gekommen bin.“

Seine Augen verengten sich. „Und deswegen hat sie dich entlassen?“

Molly errötete noch etwas mehr. „Ich fürchte ja.“

Er stieß einige Wörter hervor, die er im Armenviertel von Neapel gelernt hatte. Lange hatte er sie nicht mehr benutzt, doch jetzt erschienen sie ihm angemessen. Reue keimte in ihm auf. Es war seine Schuld. Blickte Molly ihn deshalb mit ihren großen grauen Augen an, als wäre sie ein verletztes Tier, das er im Wald aufgespürt hatte? Weil sie ihn verantwortlich machte für das, was geschehen war? Es hätte nie passieren dürfen, dachte er bitter. Trotz ihrer Tränen hätte er sie nie in sein Zimmer einladen dürfen. Seitdem hatte er aufrichtig versucht, sein Handeln zu rechtfertigen. Sich gesagt, Mitgefühl statt Lust hätte ihn getrieben. Aber vielleicht machte er sich bloß etwas vor. Letzten Endes war er ein Mann und sie eine Frau, und die Chemie zwischen ihnen hatte perfekt gestimmt.

Skeptisch musterte er sie. Hatte sie trotz ihrer ursprünglichen Unschuld erkannt, welche sexuelle Macht sie über ihn besaß? Nicht ausgeschlossen, dass ihr Ego der Grund für die Kündigung war. Möglicherweise hatte sie aus dem Verlassen seines Zimmers einen großen Auftritt gemacht. Könnte sie Sarah Avery provoziert haben?

Nun fühlte er sich auf vertrautem Terrain. Er dachte an die Frauen aus seiner Zeit als Leistungssportler. An die Dollarzeichen in ihren Augen. Heute war er zwar nicht mehr einer der am besten bezahlten italienischen Sportler, besaß aber noch mehr Geld als damals. War Molly deshalb hier? Um eine Entschädigung zu fordern?

„Warum hat Gina dir ausgerechnet diesen Job angeboten?“, erkundigte er sich.

„Weil die Dame, die eigentlich eingeplant war, kurzfristig zu ihrer kranken Mutter fahren musste. Ich habe nicht durchblicken lassen, dass ich … dass ich dich kenne. Gina weiß nicht, was zwischen uns war. Sie brauchte eine Aushilfe, und ich war zufällig zur richtigen Zeit am richtigen Ort.“

Oder zur falschen Zeit am falschen Ort – genau wie bei unserer letzten Begegnung. Salvio überlegte fieberhaft. Es gelang ihm nicht, die gemeinsame Nacht zu vergessen, aber niemand konnte leugnen, dass die Aktion töricht gewesen war. Ob Molly glaubte, er werde wieder mit ihr schlafen?

Er ließ den Blick über ihren Körper wandern und konnte das Verlangen nicht unterdrücken, das heiß durch seine Adern strömte, obwohl er es verabscheute. Er hätte nicht so für diese Frau empfinden, sie nicht immer noch begehren dürfen. Jene Nacht war ein Fehler gewesen, der sich nicht wiederholen durfte. Dennoch flammte Lust in ihm auf, so heftig, dass sie ihn überrumpelte und er sie trotz bester Vorsätze nicht ersticken konnte. Die Schürzenbänder betonten Mollys Kurven. Sie strahlte kein bisschen von jenem Glamour aus, den er bei einer Geliebten stets vorausgesetzt hatte. Gesund sah sie aus, natürlich und unglaublich sexy.

Schlagartig spürte er den schier übermächtigen Drang, sie in die Arme zu ziehen und mit ihr neben den Weihnachtsbaum zu sinken. Ihr den Slip herunterzuziehen, der nicht zum BH passte, und sie zwischen den Oberschenkeln zu küssen, bevor er zuerst die Zunge und dann sich selbst in ihrem engen, heißen Körper verlor. Wie würde sie wohl reagieren? Mit derselben atemberaubenden Lust wie neulich? Oder würde sie ihn wegschieben? Er biss die Zähne zusammen und merkte, wie er eine Erektion bekam.

Du bist ihr Chef, Menschenskind!

Kopfschüttelnd ging er zum Fenster, betrachtete die dicke weiße Schneedecke auf dem Rasen und den kahlen Zweigen der Bäume. In der Dämmerung glitzerten die Eiskristalle auf dem Schnee wie Diamanten.

Der heutige Abend hatte einfach ein weiterer sein sollen, den er durchstehen musste, bevor er nach Neapel flog. Langsam drehte er sich um. Auf einmal war alles anders – wegen dieser Frau mit den rosigen Wangen, die vor ihm stand und nervös auf der Unterlippe kaute.

„Wie lange sollst du hier arbeiten?“, fragte er.

„Nur heute Abend. Und morgen früh soll ich noch das Aufräumen beaufsichtigen.“

„Und danach?“

Autor

Christy Mc Kellen
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