Julia Best of Band 225

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VERLANGEN UNTER FALSCHEM NAMEN von ABBY GREEN

In einer wundervollen Nacht gibt Cara sich Enzo hin. Ihr erstes Mal … Zu spät erfährt sie: Dieser leidenschaftliche Verführer ist der Mann, der ihr die Schuld am Tod seiner geliebten Schwester gibt! Caras Schicksal scheint besiegelt: Sie erwartet das Baby ihres Feindes …

KANN DENN LIEBE SCHICKSAL SEIN? von ABBY GREEN

Niemals versiegte Liebe, sehnsüchtiges Verlangen: Die Gefühle überwältigen Rosanne, als sie ihren Ehemann Sandro zwei Jahre nach der Trennung überraschend wiedersieht. Aber wird der feurige Spanier ihr jemals verzeihen können, dass das Schicksal sie damals zum Gehen zwang?

TANGO DER LEIDENSCHAFT von ABBY GREEN

In den Armen des attraktiven Millionärs Don Rafael verspürt die schöne junge Isobel zum ersten Mal die Erotik des Tangos. Ein Hunger erwacht in ihr - heiß und verboten. Sie darf diesen Mann nicht begehren! Zu viel spricht dafür, dass er nur ein Spiel mit ihr treibt …


  • Erscheinungstag 09.04.2020
  • Bandnummer 225
  • ISBN / Artikelnummer 9783733714673
  • Seitenanzahl 400
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Abby Green

JULIA BEST OF BAND 225

PROLOG

Vicenzo Valentini stand vor dem Londoner Krankenhaus. Er sah nichts, spürte nur den Schmerz – die Trauer. Der Arzt hatte von einem tragischen Unfall gesprochen. Aber Vicenzo wusste, dass es viel mehr gewesen war. Während er an die beschönigende Formulierung dachte, ballte er die Hände zu Fäusten. Zwei Menschen waren bei dem Unfall ums Leben gekommen: seine geliebte Schwester Allegra und ihr hinterhältiger Liebhaber Cormac Brosnan. Ein Mann, der sie eiskalt berechnend verführt hatte und dabei mit einer Hand nach ihrem Vermögen griff, während er mit der anderen versuchte, Vicenzo davon abzuhalten, sich einzumischen. Wieder stieg Wut in Vicenzo hoch. Er hatte keine Ahnung von Brosnans Einfluss und seinen Betrügereien gehabt, bis es zu spät gewesen war. Jetzt wusste er alles, aber die Information war nichts mehr wert, weil sie Allegra nicht zurückbrachte.

Allerdings hatte eine Person den Unfall überlebt und letzte Nacht, nur eine Stunde nach der Aufnahme, das Krankenhaus wieder verlassen. „Ohne einen Kratzer. Unglaublich“, hatte der Arzt gesagt. „Aber die junge Frau trug auch als Einzige einen Sicherheitsgurt. Der hat ihr zweifellos das Leben gerettet. Das nenne ich Glück!“

Glück?

Die Rede war von Cara Brosnan, Cormacs Schwester, und bei dem Gedanken sah Vicenzo rot. Dem Unfallbericht nach zu urteilen, hatte Cormac hinter dem Steuer gesessen, aber deshalb war Cara Brosnan nicht weniger verantwortlich für das, was sie vorher gemeinsam geplant hatten. Vom Arzt hatte Vicenzo nämlich auch noch erfahren, dass Allegra große Mengen Drogen und Alkohol im Blut gehabt hatte. Vicenzo biss die Zähne zusammen. Wäre er bloß früher hier gewesen! Dann hätte er dafür gesorgt, dass diese Cara nirgendwohin ging, bevor er ihr nicht in die Augen gesehen und ihr klargemacht hatte, dass sie ihm dafür büßen würde.

Jetzt fuhr Vicenzos Fahrer vor, wobei der kraftvolle Motor des hochglänzenden, windschnittigen Wagens leise schnurrte. Vicenzo zwang sich, einen Fuß vor den anderen zu setzen und auf dem Rücksitz Platz zu nehmen. Als sie die abweisend wirkende Krankenhausfassade hinter sich ließen, unterdrückte er den drängenden Wunsch, den Fahrer zur Umkehr zu bitten. Am liebsten wäre Vicenzo noch einmal zu Allegra gegangen, um sich davon zu überzeugen, dass sie wirklich tot war.

Doch er bezwang dieses schreckliche, ganz ungewohnte Gefühl. Seine Schwester war tot! Da, hinter ihnen, in der Leichenhalle, lagen nur noch ihre sterblichen Überreste. Das war das erste Mal in all den Jahren, dass ihn etwas wirklich berührte. Seitdem er damals den Schutzwall um seine Gefühle und sein Herz errichtet hatte, war er stark und unanfechtbar geworden. Von dieser Stärke musste er jetzt zehren. Besonders wegen seines Vaters. Als dieser vom Tod der geliebten, einzigen Tochter erfahren hatte, hatte er einen Schlaganfall erlitten und lag seitdem im Krankenhaus. Immerhin war sein Zustand so stabil, dass Vicenzo diese Reise unternehmen konnte.

Als sie jetzt ins Gedränge der morgendlichen Londoner Rushhour gerieten, kehrten Vicenzos Gedanken noch einmal zu der Frau zurück, die zu dem schrecklichen Unfall beigetragen hatte. Dass sie so bald danach völlig unbeschadet aus dem Krankenhaus marschiert war, machte seine Verbitterung noch größer.

Mit versteinerter Miene sah er hinaus, wo die Leute geschäftig und völlig unbeschwert ihren Alltag aufnahmen. Cara Brosnan war sicherlich eine von ihnen. In diesem Augenblick wusste Vicenzo, dass er sie finden musste, um ihr vor Augen zu führen, was sie und ihr Bruder mit ihrem teuflischen Plan angerichtet hatten. Sie sollte wenigstens ein wenig von dem Schmerz empfinden, den er im Augenblick fühlte.

Er musste ohnehin noch einige Zeit in London bleiben, bis alle notwendigen Papiere beisammen waren. Danach wollte er seine Schwester mit nach Hause nehmen, um sie neben ihren Vorfahren beizusetzen. Dabei war sie noch so jung gewesen …

1. KAPITEL

Sechs Tage später

„Aber Rob, ich kann heute arbeiten, und ich fahre auch erst morgen nach Dublin. Es liegt schließlich nicht am anderen Ende der Welt“, erklärte Cara. Dabei konnte sie aber weder das Zittern in der Stimme verbergen noch die Tatsache, dass sie immer noch ganz wackelig auf den Beinen war.

Ihr guter Freund Rob stellte das auch fest und zog spöttisch eine Augenbraue hoch. „Genau, und ich bin der Kaiser von China. Setz dich jetzt auf diesen Barhocker, bevor du mir noch umkippst. Du wirst an deinem letzten Abend hier nicht arbeiten. Ich habe dir zwei Wochenlöhne zugesagt, und du bekommst auch deinen Anteil vom Trinkgeld.“

Cara wollte anmerken, dass sie ja überhaupt keine zwei Wochen mehr im Club arbeiten würde, als sie den unerbittlichen Ausdruck auf Robs hübschem Gesicht sah. Dann schenkte er ihr einen Schluck Brandy ein und schob ihr das Glas über den soliden Eichentresen.

„Da, ich glaube, das ist längst überfällig. Bei der Beerdigung hast du schon so ausgesehen, als würdest du gleich in Ohnmacht fallen.“

Endlich gab sie auf und setzte sich auf den Barhocker. Im Club war es schummrig und warm. Dieser Ort hatte ihr in den vergangenen Jahren ein richtiges Zuhause ersetzt. Auch jetzt fühlte sie sich behaglich, weil ihr guter alter Freund so verständnisvoll reagierte.

„Danke, Rob, und danke, dass du mich gestern mit den Jungs begleitet hast. Ich glaube, allein hätte ich es nicht überlebt. Glücklicherweise sind Barney, Simon und du dabei gewesen.“

Rob legte seine Hand auf ihre. „Schätzchen, wir hätten dich das auf keinen Fall allein durchstehen lassen. Du weißt verdammt gut, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis etwas passiert ist. Wir können von Glück reden, dass es dich nicht auch erwischt hat. Aber Cormac ist nun nicht mehr da, der Unfall war nicht deine Schuld, darum will ich auch nichts mehr davon hören.“

Ja, aber ich hätte mich mehr bemühen können, die beiden aufzuhalten … Allegra zu beschützen … Diesen Gedanken wurde Cara einfach nicht los, und er machte sie ganz krank. Sie lächelte schwach. Natürlich hatte Rob sie trösten wollen, aber seine Worte hatten sie nur wieder an alles erinnert. Ständig warf sie sich seit dem Unfall vor, dass es ihr nicht gelungen war, Cormac an jenem Abend daran zu hindern, selbst zu fahren. Dabei war sie mit ihrem Bruder und Allegra ins Auto gestiegen, weil sie im Gegensatz zu den beiden nichts getrunken hatte und versuchen wollte, sie vor einer Dummheit zu bewahren.

Erneut rang sich Cara ein Lächeln ab und strengte sich dieses Mal ein bisschen mehr an, damit Rob ihr auch abnahm, dass sie okay war.

„Na, geht doch! Das ist meine Cara! Jetzt trink das aus, und du wirst dich gleich besser fühlen.“

Cara erfüllte ihm den Wunsch und verzog das Gesicht, als ihr der Brandy wie Feuer in der Kehle brannte. Dann spürte sie die Wirkung. Es wurde ganz warm in ihrem Bauch, und ihr Magen beruhigte sich. Spontan beugte sie sich über den Tresen, zog Rob zu sich und gab ihm sacht einen Kuss auf die Lippen. Rob bedeutete ihr so viel. Er hatte so lange auf sie aufgepasst. Sie mochte sich gar nicht vorstellen, wie leer und hoffnungslos ihr Leben ohne ihn gewesen wäre.

Bevor er ihr einen Kuss auf die Stirn gab, drückte Rob sie ganz fest an sich. Sein Blick wurde von etwas hinter Cara abgelenkt. „Sieht so aus, als würde unser erster Gast für heute Abend kommen.“

Als Cara sich umdrehte, sah sie durch den Spalt in dem schweren Vorhang, der die VIP-Bar vom Rest des Clubs trennte, einen großen, dunklen Schatten. Aus irgendeinem Grund überlief sie ein merkwürdiges Kribbeln, aber sie tat es ab und wandte sich wieder Rob zu. Bis jetzt war es im Club herrlich ruhig gewesen, und Cara beschloss, bald zu gehen. Sie hatte herzlich wenig zu packen, um nach Dublin zurückzukehren. Aber wenigstens wäre sie dann morgen gleich fertig, wenn der Gerichtsvollzieher käme, um die Schlüssel des Apartments in Empfang zu nehmen. Plötzlich bekam sie bei dem Gedanken, allein in die riesige, leere Wohnung zurückzukehren, ein ungutes Gefühl. Ihr war wieder eingefallen, wer ihr da gestern Abend nach der Beerdigung aufgelauert hatte. Doch sie wollte nicht weiter darüber nachdenken. Die vergangene Woche war auch so schon kaum zu ertragen gewesen.

Nach dem Tod der Eltern hatte das Gericht ihrem Bruder die Verantwortung für sie aufgebürdet. Damals war Cara sechzehn gewesen. Seine Verärgerung darüber ließ er sie all die Jahre spüren. Aber er erkannte auch rasch die Vorteile der neuen Situation und betrachtete sie als seine persönliche Köchin und Putzfrau. Cara hatte nicht erwartet, dass er ihr etwas vererben würde. Aber es war doch ein Schock gewesen, dass er ihr Schulden in astronomischer Höhe hinterließ und diese beinah zeitgleich beglichen wurden.

Rob zog ihre Aufmerksamkeit wieder auf sich, und Cara war froh darüber. „Honey“, murmelte er leise, das Kinn elegant auf dem Handrücken abgestützt, sah er an ihr vorbei. „Dreh dich nicht um, aber dieser dunkelhaarige Zweimetertyp, der gerade hereingekommen ist, sieht einfach göttlich aus. Bei dem würde sogar ich die Klappe halten, um ihn nicht von meiner Bettkante zu vertreiben.“

Aus einem unerfindlichen Grund verspürte Cara wieder dieses merkwürdige Kribbeln. Außerdem war es ihr ein bisschen peinlich, dass sie ein hautenges Minikleid trug. Aber sie hatte ja im Club arbeiten wollen. Jetzt zupfte sie unwillkürlich am Rocksaum, um ihre Oberschenkel ein wenig mehr zu bedecken, und wunderte sich über ihre Reaktion. Nach den vergangenen Tagen war sie vielleicht einfach nur etwas überdreht. Dann lächelte sie, weil Rob so offensichtlich auf den Typ abfuhr. „Ich bitte dich, Rob, das sagst du doch von jedem!“

Mit einem betrübt-träumerischen Gesichtsausdruck schüttelte Rob den Kopf. „O nein. Dieser ist … wie keiner – und unglücklicherweise sagt mir meine Intuition, dass er auch noch super im Bett ist.“ Rob richtete sich auf. „Okay, er kommt hier rein. Er muss jemand Wichtiges sein. Cara, Süße, setz dich gerade hin und lächle. Und lass dir eins gesagt sein: ein bisschen Flirten und ein heißer One-Night-Stand mit einem Kerl wie dem, und alle Erinnerungen an deinen tyrannischen Bruder sind vergessen. Das wäre jetzt genau das Richtige, bevor du zu Hause neu anfängst.“

Und dann, quasi übergangslos, wandte Rob seine Aufmerksamkeit dem geheimnisvollen Fremden zu, der sich neben Cara stellte. „N’Abend, Sir. Was möchten Sie trinken?“

Cara bekam eine Gänsehaut und schob es Robs anzüglichem Vorschlag zu, dass sie die Anwesenheit des Mannes so aufwühlte. Auch wenn sie keineswegs die Absicht hatte, sich einem Wildfremden hinzugeben. Außerdem wollte sie ihr erstes Mal bestimmt nicht am Abend nach der Beerdigung ihres Bruders erleben. Selbst Rob schien zu glauben, dass sie tatsächlich so lebenslustig war, wie sie es zu sein vorgab. Aber das war nur eine Fassade, hinter der sie Schutz suchte. Die Rolle des Vamps hatte sie sich sozusagen auf den Leib geschneidert, um vor Cormacs schneidenden Kommentaren sicher zu sein, und sie half ihr auch, um im Club nicht ungewollt Aufmerksamkeit zu erregen.

Cara beschloss, dass jetzt der Moment gekommen war, um zu gehen. Gerade wollte sie von ihrem Barhocker rutschen, als sie sich dabei unbewusst dem Mann neben ihr zuwandte. Es herrschte eine vielsagende, angespannte Stille. Wie an Fäden gezogen sah Cara auf und fand sich Auge in Auge mit dem Fremden wieder, der zu ihr hinunterblickte – mit Augen, die grün-golden unter den langen Wimpern zu leuchten schienen. Die schwarzen Augenbrauen und hohen Wangenknochen machten sein Gesicht noch markanter. Dabei bildete sein Mund nur eine dünne Linie und hätte eigentlich kühl und abweisend auf sie wirken sollen, doch er zog Caras Blick auf sich und ließ sie in der Bewegung innehalten. Urplötzlich befiel sie der merkwürdig drängende Wunsch, ihre Lippen auf eben diesen Mund zu legen. Das war ihr noch bei keinem Mann passiert!

All dies geschah im Bruchteil einer Sekunde. Zusammen mit der Erkenntnis, dass der Fremde mit seinen breiten Schultern auch noch das bisschen Licht nahm, das es an der Bar gab. Er musste gut einen Meter neunzig groß sein. Wie er da so lässig und auch ein bisschen arrogant vor ihr stand, war Cara klar, dass Rob hin und weg sein musste. Der Mann trug einen schweren Mantel, aber darunter stand der oberste Hemdknopf offen und ließ mehr als nur ein bisschen olivfarbene Haut erkennen.

Während sie einander scheinbar ewig in die Augen sahen, begriff Cara gar nicht, warum ihr auf einmal so warm im Bauch wurde und ihr das Blut in den Ohren rauschte. Nun stockte ihr auch noch der Atem, und sie fühlte sich ein wenig benommen. Dabei saß sie immer noch halb auf dem Barhocker.

Von weit, weit her hörte sie Robs Stimme. „Sir?“

Der Fremde wartete noch einen Moment, bevor er den Blick von Cara abwandte. Seine Stimme war leise, tief und hatte einen Akzent. Bevor Cara wusste, wie ihr geschah, schob Rob ihr einen weiteren Brandy über die Theke und wies mit einem Augenzwinkern auf den Fremden.

„Von dem Gentleman“, sagte er noch und ließ sie dann leise vor sich hin pfeifend allein.

Insgeheim verfluchte Cara ihn. „O nein“, wandte sie sich dann an ihren Gönner, „das kann ich nicht annehmen … ich wollte auch gerade gehen.“

„Bitte gehen Sie nicht meinetwegen.“

Weil er sich so direkt an sie wandte, blieb Cara wie angewurzelt sitzen. Nur zögerlich sah sie wieder zu ihm, aus Angst, erneut dieses heiß brennende Gefühl im Bauch zu bekommen. Doch sie konnte es nicht vermeiden. Diesmal schien sich die Wärme auch bis in den letzten Winkel ihres Körpers auszubreiten. Als der Mann sie jetzt auch noch anlächelte, war es endgültig um sie geschehen. Nur am Rande nahm sie wahr, dass sie nach wie vor nur halb auf dem Barhocker saß, und das Ganze bestimmt lächerlich wirkte.

Der Fremde zog Mantel und Jackett aus. Dabei kam ein dünnes Seidenhemd zum Vorschein, und der herrliche Körper, den Cara bereits vermutet hatte, präsentierte sich ihr mit einer Deutlichkeit, dass ihr beinah das Herz stehen blieb. Sein muskulöser Oberkörper war nur noch Zentimeter von ihrem entfernt, und durch den Stoff des Seidenhemds sah sie, dass er auch darunter eine schöne Sonnenbräune besaß.

Er setzte sich lässig auf den Barhocker neben sie und versperrte ihr damit sozusagen den Fluchtweg. Cara kämpfte einen Kampf, den sie nur verlieren konnte, und sie wusste es. Hier und jetzt hatte ein Wildfremder in wenigen Sekunden ihren Körper aus seinem zweiundzwanzigjährigen Dornröschenschlaf erweckt. Dabei war sie genauso wenig in der Lage, sich zu bewegen, wie es ihr gelang, ohne zu stocken einen zusammenhängenden Satz zu formulieren.

„Na gut … Dann … Dann trinke ich mal … was … was Sie mir ausgegeben haben“, brachte sie geradeso heraus. Sie wollte den Brandy auf einmal hinunterstürzen und dann das Weite suchen. Aber der Fremde ergriff wieder das Wort, und ihre Entschlossenheit, den Club zu verlassen, schrumpfte um ein Vielfaches.

„Wie heißen Sie?“

Peinlicherweise musste sie einen Augenblick nachdenken, bevor sie antworten konnte: „Cara. Cara Brosnan.“

Er sah sie einen geraumen Moment an, dabei war sein Blick nicht zu deuten. „Cara …“

So wie er ihren Namen betonte, beinah wie einen Kosenamen, errötete sie unwillkürlich und bekam regelrecht Gänsehaut. „Nun, eigentlich spricht man ihn hart aus“, sagte sie dann und dachte: und nicht so melodiös, wie Sie es getan haben. Beim Klang ihres Namens hatte sie den Eindruck gehabt, er zöge einen Seidenstoff über ihre Haut.

Ein kleiner, scheinbar immer noch funktionierender Teil ihres Gehirns hinterfragte nun auch ihren Geisteszustand und diese noch nie da gewesene Reaktion ihres Körpers. Lag es daran, dass sie der Unfall und die Beerdigung in einen Schockzustand versetzt hatten? Oder an Robs anzüglicher Bemerkung? An ihrer Trauer? Obwohl sie ihren Bruder nicht wirklich gemocht hatte. Mit seinen jahrelangen Alkohol- und Drogenexzessen hatte er alle derartigen Gefühle für ihn zerstört. Aber sie wäre ja wohl kein Mensch gewesen, wenn sie nicht auch positive Seiten an ihm gefunden hätte. Doch um Allegra, die ebenfalls bei dem Unfall ums Leben gekommen war, trauerte sie wirklich.

„Woher sind Sie?“, lenkte der Mann sie jetzt glücklicherweise von ihrem Schmerz ab. Dabei zog er eine schwarze Augenbraue hoch, was ihm einen teuflischen Zug gab.

„Aus Dublin. Ich habe seit meinem sechzehnten Lebensjahr in London gewohnt, aber morgen kehre ich wieder nach Hause zurück“, antwortete sie ausführlicher, als nötig gewesen wäre. Währenddessen sah er sie so eindringlich an, als wollte er in sie hineinblicken. Instinktiv wusste Cara, dass dieser Mann das Zeug dazu hatte, sie im Sturm zu erobern. Sobald sie daran dachte, breitete sich wieder diese Wärme in ihrem Bauch aus.

Er hob sein Glas. „Nun, dann wollen wir auf Ihren Neuanfang trinken. Nicht jeder hat so viel Glück, dass er noch einmal von vorn beginnen kann.“

Er klang ein wenig angespannt, lächelte aber, und so zerstreuten sich ihre Bedenken.

„Und Sie? Wie heißen Sie, und woher kommen Sie?“, fragte Cara ihn, nachdem sie einen Schluck getrunken hatte. Es klang beinahe wie die Moderatorin einer Quizshow, aber das schien er nicht zu bemerken.

Wieder brauchte er einen Moment, bevor er antwortete. Er schien über etwas nachzudenken, und Caras Nerven waren zum Zerreißen gespannt.

„Aus Italien“, sagte er schließlich. „Enzo … Ich heiße Enzo, und es freut mich, Sie kennenzulernen.“

Als er Italien erwähnte, zuckte sie zusammen. Allegra war Italienerin gewesen: Sardin. Cara zwang sich zu atmen. Es war nur ein Zufall, wenn auch ein schmerzlicher. Der Mann hielt ihr seine große Hand hin, die gepflegt aussah, aber auch so, als könnte er damit zupacken. Zögerlich reichte sie ihm ihre, viel kleinere, Hand, die er warm und mit festem Druck umschloss. Einen Moment behielt er seine Fingerspitzen auf der Innenseite ihres Handgelenks, als wollte er ihr den Puls fühlen. Unwillkürlich durchströmten Cara Gefühle, derer sie sich nicht erwehren konnte. Ihr Mund wurde ganz trocken, und ihre Pupillen weiteten sich. Dabei schien dieser Enzo genauso gefangen genommen. Dann blitzte es in seinen Augen, und kurzzeitig wirkte sein Gesichtsausdruck abweisend. Doch schnell lächelte er wieder und sah dabei umwerfend sexy aus.

Oje!

Schließlich entzog ihm Cara ihre Hand und redete sich ein, dass sie nicht kribbelte. An eine so intensive Begegnung mit einem Mann war sie einfach nicht gewöhnt und mehr als nur ein bisschen aufgewühlt. Plötzlich brauchte sie einfach Abstand, und darum ließ sie sich vom Barhocker rutschen. Als sie den Mann dabei aus Versehen berührte, überlief sie ein wohliger Schauer.

„Entschuldigen Sie mich bitte für einen Moment.“

Auf sehr wackeligen Beinen strebte sie dem dicken Vorhang zu, der die VIP-Lounge vom Rest des sich nun rasch füllenden Clubs trennte. Zunächst hörte sie die Musik nur gedämpft, aber dann umso lauter jenseits des Vorhangs. Sie floh regelrecht auf die Damentoilette und schloss mit Erleichterung die Tür hinter sich. Dann stellte sie sich vor den Spiegel im Vorraum und legte ihre Hände auf die kühlenden Fliesen des Waschtischs. Doch der Abstand zu dem Mann trug kaum dazu bei, ihren Puls zu beruhigen oder die hektischen Flecken von ihren Wangen zu vertreiben. Der Typ besaß so viel Charisma, dass er immer noch bei ihr zu sein schien.

Wieso passierte ihr das jetzt? Ausgerechnet an diesem Abend? Sie war doch nichts Besonderes mit ihren langen roten Haaren, den grünen, ein bisschen ins Haselnussbraun gehenden Augen und dem blassen, viel zu sommersprossigen Gesicht. Ihr Körper war eher jungenhaft, und sie trug überhaupt kein Make-up. Was fand der Mann bloß an ihr?

Aber das konnte ihr eigentlich auch egal sein, weil sie morgen endlich nach Dublin zurückfuhr, weg von London, wo sie nie heimisch geworden war. Die Tatsache, dass sie sich seit dem Tod ihrer Eltern in diesem Club und bei seinen Angestellten noch am ehesten zu Hause gefühlt hatte, sprach Bände.

Doch dann – urplötzlich – war da wieder die schreckliche Erinnerung an den Autounfall, die sie wie ein Blitz durchzuckte und ihr das Blut aus dem Gesicht trieb. Dabei spielte sich vor ihrem geistigen Auge immer wieder die gleiche grauenhafte Szene ab: die regennasse Straße und der Wagen, der direkt auf sie zukam. Cara war wie gelähmt gewesen und hatte Cormac nicht warnen können. Und selbst wenn … hätte es den Unfall wohl kaum verhindert.

Jetzt umfasste sie den Waschtisch so fest, dass sich ihre Knöchel deutlich abzeichneten. Wieder war da der Schreck und fuhr ihr in den Magen. Diesmal aber so akut, dass sie sich eine Hand auf den Bauch legen musste. Wie hatte sie nur für einen Moment das furchtbare Ereignis vergessen können, das doch erst wenige Tage zurücklag? Dabei war sie völlig unverletzt aus dem total verbeulten Wagen gestiegen. Die Sanitäter hatten gesagt, es sei ein Wunder, dass sie überlebt habe.

Enzo … Er hatte sie das alles für einen Moment vergessen lassen. Cara sah wieder in den Spiegel, streng diesmal, und versuchte, das aufgeregte Glitzern in ihren Augen zu übersehen. Bestimmt war er weg, wenn sie zurückkam. Die Männer, die zufällig diesen Club besuchten, wollten meistens nur sehen, wer sich den teuersten Champagner leisten und die schönsten Frauen um sich scharen konnte.

Diesen Eindruck hatte Enzo ihr eigentlich nicht vermittelt. Dazu war er viel zu weltmännisch und zweifellos richtig reich – das konnte sie schon von weitem erkennen. Allein der Gedanke ordnete ihn allerdings einer Gruppe von Menschen zu, die sie verabscheute: Millionäre. Sie verachtete die Macht, die sie gern ausspielten, und den völlig übertriebenen Lebensstil, den viele von ihnen führten.

Ob sie wohl einen der Angestellten bitten sollte, ihre Sachen zu holen? Aber dann tat sie ihre Furcht als lächerlich ab. Sie konnte damit umgehen, ob er nun fort war oder nicht.

Als Cara in die VIP-Lounge zurückkehrte, lösten sich allerdings ihre guten Vorsätze in Wohlgefallen auf. Er war weg, und obwohl sie sein Verschwinden schon vorausgesehen hatte, war sie so enttäuscht, dass sie unwillkürlich die Schultern hängen ließ. Sie kämpfte immer noch mit dem beklemmenden Gefühl, verlassen worden zu sein, als ihr einer der Barkeeper einen zusammengefalteten Zettel in die Hand drückte. Es war eine rasch hingekritzelte Mitteilung von Rob.

Sweetie, ich musste weg – bei Simon und mir hängt mal wieder der Haussegen schief. Ich ruf dich morgen an, bevor du losfährst! Küsschen, Robbie

Betrübt schüttelte Cara den Kopf und musste sich eingestehen, dass sie gehofft hatte, die Notiz wäre von Enzo. Wie lächerlich! Sie hatten sich doch nur wenige Minuten unterhalten.

Gerade als sie gehen wollte, sah sie ihr Handy auf dem Tresen liegen, und kehrte noch einmal zurück, um es zu holen. Da hörte sie etwas hinter sich, und dann diese lässige, dunkle Stimme mit dem italienischen Akzent. „Bin ich zu spät dran, um Sie zu fragen, ob Sie noch etwas mit mir trinken?“

Enzo war nicht gegangen, und Cara war unendlich erleichtert. Sie drehte sich um und musste den Kopf ein wenig zurücklegen, um ihm ins Gesicht sehen zu können. Eine Woge an Gefühlen überkam sie, stärker als zuvor, und in diesem Augenblick wusste sie nur, dass er nicht wieder weggehen sollte.

Was hatte er noch gefragt? Ob er zu spät dran sei? Als Antwort gelang ihr lediglich ein Kopfschütteln, und wieder versank sie in diesen faszinierenden Augen, ganz hingerissen von der herben Schönheit seines Gesichts. Einige Leute kamen herein, rempelten sie an und gingen lärmend weiter. Doch Cara und Enzo blieben wie in ihrem eigenen Kokon zurück. Ob man ihr ansah, dass sie hin und weg von ihm war? Ganz verwirrt von all den Gefühlen und Eindrücken, die dieser Mann in ihr auslöste, errötete Cara. Wie hatte sie auch nur eine Sekunde daran denken können, wegzugehen?

„Gut, dass es noch nicht zu spät ist.“ Enzos Augen glitzerten mit einer gewissen Entschlossenheit, die sie ganz schwach machte. „Ich habe nämlich ein Separee organisiert und eine Flasche Champagner bestellt.“

In Caras Bauch wurde es so heiß wie in einem Hochofen. Sie war unfähig zu denken und sagte lieber nichts. Als sie nicht antwortete, nahm Enzo sie sacht beim Arm und führte sie zu einer der Bedienungen, die ihnen ein mit Plüsch und Samt ausgekleidetes Separee zeigte. Als er sich auf die eine Seite des kleinen Tischs setzte und Cara die andere überließ, gelang ihr lediglich ein hilfloser Seufzer. Enzo lehnte sich zurück und legte einen Arm entspannt auf die Rückenlehne, wodurch sich sein Hemd über der Brust spannte. Seine festen Brustwarzen zeichneten sich unter dem Seidenstoff ab, und Cara rutschte unwillkürlich auf ihrem Platz hin und her.

„So …“, sagte er gedehnt, „da wären wir.“

Plötzlich lag eine Spannung in der Luft, die Cara noch mehr verwirrte. Enzo beugte sich vor, und sein Gesicht wurde vom schwachen Licht der Hängelampe über dem Tisch angestrahlt. Er war eindeutig der schönste Mann, den Cara je gesehen hatte, und in ihr zog es sich lustvoll zusammen.

„Sagen Sie, kommen Sie oft hierher?“

Die Worte, die Cara hier schon hundertfach gehört hatte, klangen aus seinem Mund völlig anders, und sie lächelte wehmütig. „Das hier ist wie mein zweites Zuhause.“ Gleich darauf wurde ihr klar, dass man das auch anders verstehen konnte, und sie beeilte sich, ihre Aussage zu berichtigen. „Ich meine, natürlich, weil ich hier –“

In diesem Augenblick kam die Bedienung mit dem Champagner zurück. Als Enzo die junge Frau wegschickte, um selbst die Gläser zu füllen, hatte Cara bereits vergessen, dass sie ihm von ihrer Arbeit im Club erzählen wollte.

„Lassen Sie uns auf diesen Abend anstoßen.“

Sie tat ihm den Gefallen. Das Glas fühlte sich kühl an, und der Jahrgangschampagner perlte glitzernd im Schein der Lampe. „Wieso gerade auf diesen Abend?“, fragte sie dann.

Bevor er antwortete, trank er einen Schluck. „Weil ich denke, dass er sich als … nun, sagen wir … reinigend erweisen wird.“

Wie merkwürdig, auf so etwas anzustoßen, dachte Cara, trank ebenfalls einen Schluck und genoss es, wie die perlende Flüssigkeit ihren Gaumen kitzelte. Sie konnte kaum glauben, dass sie hier saß und mit diesem rätselhaften Mann Champagner trank. In all den Jahren, in denen sie im Club gearbeitet hatte, war sie noch keinem begegnet, der so viel Zielstrebigkeit besessen hatte, um etwas mit ihr zu trinken.

Wenigstens war ihr Kleid angemessen, schwarz mit einfachem Schnitt, doch leider viel zu kurz. Aber Simon, der Manager und Robs Lebensgefährte, bestand darauf, dass sie aussah wie die Chefhostess des Clubs. Dank Barney, der sie vor ungewollter Aufmerksamkeit beschützte, entging sie in der Regel unanständigen Angeboten. Auch darauf hatte Simon Wert gelegt, als er sie anstellte. Denn damals war sie eigentlich noch viel zu jung gewesen, um richtig im Club zu arbeiten. Dabei war sie an der Tür eingeteilt worden, um mit den Kunden beim Verlassen des Lokals abzurechnen.

„Erzählen Sie mir von sich, Cara.“

Er hatte es schon wieder getan: ihren Namen so ausgesprochen, als wären zwei lange A darin. Und so wie er sie jetzt ansah, entdeckte sie etwas in seinen Zügen, das ihr bekannt vorkam, fast wie bei einem Déjà-vu-Erlebnis. Aber sie konnte es nicht zuordnen. Cara war geneigt, genau das zu tun, was Rob ihr empfohlen hatte – mit diesem Fremden zu flirten und ein bisschen Vergessen zu suchen. Für ihren Schmerz und ihre Trauer hätte sie noch genug Zeit, wenn sie wieder in Dublin war.

Bei dem Gedanken schoss ihr erneut die bedrohliche Begegnung in ihrem Apartment durch den Kopf. Einen Augenblick fühlte sie sich ihrer Situation beinah hilflos ausgeliefert, und sie musste gegen ihre Furcht ankämpfen. Aber für diesen Moment und mit diesem Mann könnte sie doch einfach so tun, als ob alles in Ordnung wäre, oder nicht?

Enzo zog erstaunt die Augenbrauen hoch. „Sie haben einen Abschluss in Betriebswirtschaft und Rechnungswesen?“

Immer noch ungeheuer stolz auf ihr Diplom, das sie erst vor wenigen Wochen erworben hatte, nickte Cara. Dabei war sie nicht sicher, warum Enzo so ungläubig klang. Vielleicht gehörte er zu den Männern, die nicht wollten, dass Frauen studierten. Aber eigentlich wirkte er gar nicht so. Obwohl sie Enzo gerade erst kennengelernt hatte, fiel es ihr ganz leicht, sich mit ihm zu unterhalten. Die Champagnerflasche war halb leer, und Cara fühlte sich herrlich frei im Kopf, als hätte sie ihr bisheriges Leben in einer Art Nebel verbracht, und jetzt wäre plötzlich alles kristallklar.

„Aber Sie waren nicht auf der Uni?“

Überrascht runzelte Cara die Stirn. Wie gebannt hatte sie Enzos Mund betrachtet und errötete nun. Das passierte ihr in seiner Gesellschaft allerdings alle paar Minuten. „Habe ich gesagt, dass ich nicht zur Uni gegangen bin?“ Sie konnte sich gar nicht mehr erinnern, ihm von ihrem Fernstudium erzählt zu haben. „Aber Sie haben recht, ich bin nicht jeden Tag zur Uni gefahren.“ Sie fragte sich gerade, wie sie auf dieses Thema gekommen waren, als ganz in der Nähe ein Handy klingelte. Enzo entschuldigte sich und griff in die Tasche seines Jacketts. Er murmelte etwas von einem kranken Vater und nahm mit einem entschuldigenden Lächeln das Gespräch entgegen. Cara bedeutete ihm, dass sie das Separee verlassen wolle, damit er in Ruhe telefonieren konnte. Da schnellte seine Hand hervor, umfasste ihr Handgelenk und hielt sie zurück.

Enzo sprach schnell auf Italienisch und ließ Cara nicht aus den Augen. Gleichzeitig begann er, mit dem Daumen die Unterseite ihres Handgelenks zu streicheln. Cara musste sich zwingen, um nicht lustvoll aufzustöhnen. Hatte der Mann überhaupt eine Vorstellung, was er da mit ihr tat? Doch während sie ihn ansah, wurde sein Gesichtsausdruck plötzlich hart, sein Griff fester, aber das verführerische Kreisen mit dem Daumen ging weiter. Cara wusste, dass sie ihm ihre Hand einfach entziehen konnte, aber um nichts in der Welt hätte sie das getan. Wie peinlich! Was war bloß mit ihr los?

Kurz darauf beendete Enzo das Gespräch und ließ das Telefon wieder in die Jackentasche gleiten. Er ließ auch ihre Hand los, ganz abrupt, beinahe so, als würde er bereuen, sie gehalten zu haben. Doch Cara dachte sich nichts weiter dabei, weil sie davon ausging, dass sein Verhalten mit seinem Vater zu tun hatte.

„Ist alles in Ordnung?“, fragte sie vorsichtig.

Er biss die Zähne zusammen, wandte den Blick ab und schien mit irgendetwas zu kämpfen. Dann sah er sie wieder an, und zwar so intensiv, dass sie sich nicht von der Stelle rühren konnte. „Es wird Zeit zu gehen.“

Einen Augenblick bildete Cara sich ein, er habe damit gemeint, dass sie gemeinsam gehen sollten … zu ihm. Aber sicher hatte er nur sagen wollen, dass er gehen musste – und das sollte sie jetzt besser auch tun. Trotzdem versetzte ihr der Gedanke einen Stich.

„Ich habe morgen viel vor“, rang sie sich ab und suchte ihre Sachen zusammen, um Enzo nicht ansehen zu müssen. „Danke für die Einladung.“

Er hatte schon bezahlt und das Geld abgelehnt, das sie dazu beisteuern wollte. Auch wenn sie sich nicht gern aushalten ließ, war Cara erleichtert, weil ihr Geld kaum für ein Taxi reichte. Rob war gegangen, ohne ihr ihren Anteil vom Trinkgeld zu geben, und bis sie ihren letzten Scheck bekam, würde es noch einige Wochen dauern.

Barney hatte heute Abend frei, und seine Vertretung war neu, darum sagte sie beim Gehen nur „Auf Wiedersehen“.

Draußen vor dem Club stand wie immer eine lange Schlange, und die Frühlingsluft war jetzt kurz vor Mitternacht doch ziemlich kühl. Cara zitterte ein bisschen, und Enzo half ihr in den Mantel. Er umfasste auch ihr langes Haar und zog es aus dem Kragen. Dabei berührten seine Hände ihren bloßen Nacken, und Cara schmolz augenblicklich dahin. Genau in diesem Augenblick rief jemand in der Schlange ihren Namen, woraufhin Enzo die Hände sinken ließ und Cara sich auf lächerliche Weise beraubt vorkam. Als sie aufblickte, sah sie eine Schauspielerin, die ihr heftig zuwinkte. Die Frau war Stammgast, und Cara winkte halbherzig zurück. Glücklicherweise musste sie nun nie mehr dabei helfen, diese Person hinauszutragen, wenn sie zu viel getrunken hatte.

„War das eine Freundin von Ihnen?“

Cara drehte sich zu Enzo um. „Nicht wirklich.“ Sie lächelte angestrengt und wandte sich zum Gehen, was ihr schwerer fiel, als sie sich eingestehen wollte. „Vielen Dank für den Abend … und die Einladung … Es war schön, mit Ihnen zu reden. Gute Nacht!“

Die Hände tief in den Manteltaschen vergraben, sah er zu ihr hinunter. „Willst du wirklich schon gehen?“

Sie erstarrte. „Was haben Sie gesagt?“

„Komm mit in mein Hotel.“

Was für eine schockierende Aufforderung! Das war keine vorsichtige Frage gewesen, sondern ein Befehl, der ihr Blut in Wallung brachte und ihr Herz noch schneller schlagen ließ. Dabei war sie auf so etwas gar nicht vorbereitet, und schon gar nicht in dieser Woche.

Wem machte sie da eigentlich etwas vor? Für einen solchen Mann wäre sie in einer Million Jahre nicht bereit. Und doch, gerade als sie das dachte, erwachte die Lust neu in ihr und ließ sie glauben, dass er der Einzige auf der Welt sei, mit dem sie schlafen konnte.

Verwirrt über diese Empfindung, wich sie zurück und schüttelte den Kopf. „Es tut mir leid, so etwas –“ Ihr versagte die Stimme, und für sich fügte sie hinzu: … tue ich nicht, weil ich es noch nie getan habe. Wieder schüttelte sie den Kopf. Egal, was ihr Herz sagen mochte, ihr Verstand riet ihr, so schnell wie möglich das Weite zu suchen.

Groß, breitschultrig und Ehrfurcht einflößend stand Enzo da, mit einem Gesicht, das halb im Dunkeln lag und sündig gut aussah. Da fielen ihr Robs Worte wieder ein. Würde es diesem Mann gelingen, sie die Ereignisse der vergangenen Woche vergessen zu lassen? Für eine Nacht? Noch während sie überlegte, geriet sie in Aufruhr darüber, wen sie da stehen ließ. Doch er zuckte nur lässig mit den Schultern und wandte sich ebenfalls zum Gehen. Natürlich würde er nicht darauf beharren, dass sie mitkam. Ihr war sowieso ein Rätsel, was er an ihr gefunden hatte. Trotzdem fühlte sie sich entsetzlich enttäuscht.

„Allora, buonanotte, Cara.“

Als ihr bewusst wurde, dass sie ihn nie im Leben wiedersehen würde, konnte sie nichts sagen. Und plötzlich fragte sie sich verzweifelt, wie es sich wohl anfühlen würde, ihn zu küssen. Aber sie wiederholte sich streng, dass das ins Reich der Fantasie gehörte. Sie spielte nicht in seiner Liga, und das wollte sie auch gar nicht. Verachtete sie nicht die Männer, die in diesen Club gingen? Gleichzeitig hörte sie ihre innere Stimme fragen: Dachtest du nicht, er sei anders?

In Übereinstimmung damit rief die neu erweckte Sehnsucht in ihr, sie solle zu ihm zurückgehen und „Ja“ sagen und „Warte! Ich nehme dein Angebot an“. Auch wenn es ihm egal war. Bestimmt brauchte er nur mit den Fingern zu schnippen, und die Frauen überschlugen sich, um mit ihm die Nacht zu verbringen. Das zwischen ihr und ihm war also nichts Besonderes. Das musste sie sich einfach vor Augen führen.

„Gute Nacht, Enzo …“ Er hatte ihr noch nicht einmal seinen Nachnamen gesagt. Abrupt drehte sie sich um und ging davon. Dabei atmete sie schnell, und ihr Herz schlug so heftig, dass sie schon fürchtete, es würde ihr aus der Brust springen. In diesem Augenblick fühlte sie sich einsamer als je zuvor und spürte, wie ihr die Tränen kamen. Wie dumm von ihr! Bestimmt lag das an dieser furchtbaren Woche und nicht an dem erstaunlichen Abend, mit dem sie überhaupt nicht gerechnet hatte.

„Was für ein geiler Typ“, hörte Cara da eine junge Frau in der Schlange sagen. „Die muss ja wohl total verrückt sein, den stehen zu lassen!“

Cara blieb wie angewurzelt stehen und drehte sich langsam um. Enzo sah nicht mehr zu ihr. Das hätte ihr eigentlich helfen sollen, diesen Abend als verrückte Erfahrung abzuhaken. Aber sie konnte nicht weitergehen. Sie beobachtete, wie Enzo etwas zu einem der Türsteher sagte, der dann einem Fahrer bedeutete, dass er vorfahren konnte. Cara sah nur Enzos breite Schultern, sein schwarzes Haar und den herrlich männlichen Körper. Der Gedanke, ihn niemals wiederzusehen, machte sie panisch, und ihr Atem beschleunigte sich. Etwas in ihr ließ einfach nicht locker und wollte, dass sie ihm Folge leistete. Ein tiefes, ursprüngliches Verlangen übernahm jetzt die Führung, und Cara merkte gar nicht, dass ihre Füße sie in die eine unvermeidliche Richtung trugen: zurück zu Enzo. Dann stand sie direkt hinter ihm und hatte wieder den Eindruck, die Welt stünde still. Als sie ihm zaghaft auf die Schulter tippte, schlug ihr das Herz bis zum Hals.

Einen Moment erstarrte Enzo, dann drehte er sich um. Aus dunklen Augen sah er sie durchdringend an. „Hast du deine Meinung geändert?“

Wieder konnte Cara nicht sofort antworten. Er biss wieder die Zähne zusammen, und Cara sah, wie es in seiner Wange zuckte. Am liebsten hätte sie sich auf die Zehenspitzen gestellt und ihm einen Kuss auf die Stelle gedrückt. Sie wollte an diesem Moment festhalten, in dem sie sich in Enzo verlieren konnte, mit einer Leidenschaft, die sie erbeben ließ.

„Ja“, sagte sie dann und ergriff die Gunst der Stunde, „ich würde gern mit in dein Hotel kommen.“

In ihrem ganzen Leben war sie noch nie so spontan gewesen. Sie hatte sich auch noch nie etwas so sehr gewünscht, wie eine Nacht mit diesem Mann zu verbringen. Danach würde sie auch all den Schmerz und die Trauer wieder zulassen. Aber für diese eine Nacht, diese wenigen Stunden, die vor ihr lagen, konnte sie jemand anders sein. Nicht das Mädchen, das mit sechzehn Waise geworden war; nicht die kleine Schwester, die der große Bruder herumgestoßen hatte; nicht die junge Studentin, die Tag und Nacht gearbeitet hatte, um einen Universitätsabschluss zu bekommen. Und schon gar nicht die junge Frau, die in einen schrecklichen Autounfall verwickelt war, den sie als Einzige überlebt hatte.

2. KAPITEL

Keiner sprach ein Wort. Cara saß neben Enzo und war sich seiner so bewusst, dass sie den Eindruck hatte, seine Körperwärme würde auf sie übergehen. In diesem Augenblick hielt der Wagen vor einem sehr exklusiven, aber auch als Insidertipp gehandelten Londoner Luxushotel. Dass Enzo hier übernachtete, machte ihn für sie nur noch geheimnisvoller. Eigentlich war sie davon ausgegangen, er würde zu einem der großen Fünfsternehotels fahren. Allerdings war dieses Haus dafür bekannt, dass es seine reichen und berühmten Gäste vor ungebetener Aufmerksamkeit schützte.

Enzo stieg aus und reichte Cara die Hand. Sie hielt einen Moment inne und atmete tief durch. In einem lächerlichen Anflug von Aberglauben schloss sie die Augen und streckte Enzo die Hand entgegen. Als wollte sie testen, ob sie hier auch das Richtige tat, falls sich ihre Hände sofort trafen – was der Fall war.

Immer noch stumm führte er sie durch den Haupteingang. Der Nachtportier begrüßte ihn erstaunlicherweise auf Italienisch. Danach gingen sie zum Aufzug. Nach wie vor sprachen sie kein Wort, wechselten nur hin und wieder einen Blick. In Caras Bauch begann es heiß zu brennen, und die Wärme breitete sich immer weiter in ihr aus. Jetzt spürte sie, wie ihre Brustspitzen sich aufrichteten und gegen den Stoff des BHs drückten.

Als sich die Aufzugtür öffnete, betraten sie einen mit dickem Teppich ausgelegten Flur, der auf nur eine Tür am Ende des Gangs zulief. Enzo öffnete sie und betrat die Luxussuite dahinter. Cara folgte ihm und betrachtete mit großen Augen die in gedeckten Farben gehaltene, üppige Ausstattung des Raums, der wie eine Bibliothek vergangener Tage anmutete.

„Möchtest du etwas trinken?“

Kopfschüttelnd sah sie zu, wie sich Enzo eine dunkelbraune Spirituose einschenkte, die hin und wieder goldfarben reflektierte. Wie seine Augen, dachte sie noch, als er das Glas in einem Zug leerte und wieder abstellte, wobei das Geräusch die Stille durchbrach.

Dann wandte er sich ihr zu, und Cara erbebte. Sie hatte überhaupt keine Erfahrung mit Männern, kaum dass sie jemals einen geküsst hatte. Trotzdem war ihr Enzo so vertraut, als wäre sie schon einmal mit ihm zusammen gewesen. Heute Nacht würde sie mit diesem Mann schlafen. Diese Ahnung war zur Gewissheit geworden, seitdem sie sich entschieden hatte, ihn in sein Hotel zu begleiten.

„Komm her zu mir.“

Wie im Traum ging sie zu ihm. „Enzo, ich …“

„Schh.“ Er legte ihr einen Finger auf die Lippen, bevor er ihr Gesicht umfasste und ihr dabei die Finger ins seidige Haar schob. Dann kam er noch näher – ganz nah. Dort, wo sie ihn berührte, glaubte Cara zu brennen, und sie bekam weiche Knie.

Als er sich zu ihr hinunterbeugte, schloss sie unwillkürlich die Augen. Die erste Berührung ihrer Lippen war flüchtig. Cara spürte nur feste Konturen, atmete stoßweise und legte ihm instinktiv die Hände auf die Hüften, um besseren Halt zu haben. Als er ihren Kopf sacht zurückneigte, öffnete sie die Augen, und sah direkt in seine, die goldfarben leuchteten und sie musterten.

Oje!

Sein abschätziger Blick machte sie nervös. Doch dieses Gefühl wich schnell dem wilden Hämmern ihres Herzens. Nach einer ganzen Weile neigte Enzo den Kopf wieder zu ihr hinunter. Anstatt sie aber auf den Mund zu küssen, berührten seine Lippen ihre Schläfe, zogen eine heiße Spur über Caras Wange und tiefer, bis hin zu der Stelle an ihrem Hals, wo der Puls raste. Dann berührte er sie dort mit der Zunge.

Gern hätte sie ihn geküsst, aber da Enzo ihren Kopf umfangen hielt, war das nicht möglich. Seine Augen glitzerten, und sein Blick blieb an ihren Lippen hängen, die in Erwartung des Kusses sehnsüchtig kribbelten. Dann legte Enzo eine Hand auf ihren Po und drückte sie an sich. Cara spürte seine enorme Erregung und atmete tief durch. Das Küssen war vergessen, während sich all ihr Verlangen nun auf die eine Stelle zwischen ihren Beinen zu konzentrieren schien.

Wenn das überhaupt möglich war, wollte sie ihm noch näher sein und ließ die Hand über seinen Rücken gleiten. Durch das Seidenhemd konnte sie fühlen, wie sich seine Muskeln bewegten. Auf einmal musste sie unbedingt seine Haut spüren und zerrte ungeduldig an Enzos Hemd. Leise stöhnend berührte sie endlich den warmen Rücken.

„Du kleine Hexe!“

„Nein, nur Cara …“, widersprach sie.

In seinen Augen blitzte es, und er biss die Zähne zusammen, aber sie konnte nicht sagen, warum. Er verlagerte sein Gewicht ein wenig, sodass sie das ganze Ausmaß seiner Erregung spürte. Im nächsten Augenblick wurde sie von Enzo hochgehoben und ins angrenzende Schlafzimmer getragen, das genauso üppig ausgestattet war wie der Flur. Allerdings stand dort ein riesiges Himmelbett, dessen Überwurf jemand einladend zurückgeschlagen hatte.

Als Enzo sie herunterließ, wusste Cara, dass es jetzt keinen Weg mehr zurück gab. Der Sog war so stark, dass sie keine Sekunde zögerte, sein Hemd aufzuknöpfen. Während sie einen Knopf nach dem anderen öffnete, und ihre Hände dabei immer tiefer wanderten, wurde mehr und mehr von seinem bloßen Oberkörper sichtbar. Ihre Finger begannen, immer stärker zu beben, und beim letzten Knopf schob Enzo sie weg und riss selbst so ungeduldig an seinem Hemd, dass der Knopf absprang. Kurz darauf hatte Cara freien Blick auf seine breite, muskulöse Brust. Vorsichtig streckte sie ihre Hand aus, berührte ihn zaghaft und ließ den Zeigefinger über seine festen Brustwarzen gleiten. Enzo sog die Luft ein, und seine Brustmuskulatur zuckte. Als Cara hochblickte, hatte er die Augen geschlossen.

Dann änderte sich die Dynamik. Jetzt drehte Enzo Cara um, schob ihr Haar zur Seite und suchte wohl nach einem Reißverschluss, um ihr das Kleid zu öffnen. Aber den gab es nicht. Darum umfasste sie den Saum und zog ihn hoch, erst über ihre Schenkel und Hüften, dann über ihre Taille und den Oberkörper. Sie wusste, dass er sie betrachtete, obwohl sie die Augen geschlossen hatte. Ihr Bruder hatte immer gespottet und gesagt, sie habe die Figur eines Knaben. Beschämt blickte sie zu Boden. Doch sofort spürte sie einen Finger unterm Kinn, der sie zwang, das Kinn zu heben.

„Cara …“

Wieder diese Betonung, die sie dahinschmelzen ließ, und Cara öffnete die Augen. Enzo sah sie überhaupt nicht angewidert an.

„Ich dachte … du würdest mich nicht …“ Sie stockte.

„Nicht attraktiv finden?“, beendete er den Satz, schüttelte den Kopf, öffnete seine Hose und ließ sie auf den Boden gleiten. Cara schluckte. Seine Beine waren lang und muskulös – die Beine eines Athleten. Schließlich wanderte ihr Blick zu dem Körperteil, den immer noch knappe Shorts bedeckten. Sehr knappe, unter denen sich Enzos Erregung deutlich abzeichnete. Der eigenen, wachsenden Lust hilflos ausgeliefert, beobachtete Cara mit trockenem Mund, wie er sich davon befreite und damit das volle Ausmaß seiner Erregung freigab.

Erschrocken sah sie zu ihm hoch.

Er zog Cara zu sich, bis sie sich berührten und sie an ihrem Bauch fühlen konnte, wie groß er war.

Wieder umfasste er ihr Haar. Er schien es zu genießen, sich die langen, schweren Stränge um die Finger zu wickeln. Cara spürte die Bewegungen seiner Brustmuskulatur an ihrem Busen und wünschte, dass er sie dort berühren würde.

Irgendwie gelangten sie zum Bett, und Enzo setzte sich auf die Kante. Dann zog er Cara zu sich. Er tastete nach dem Verschluss ihres BHs und öffnete ihn geschickt. Im nächsten Moment glitt auch das schlichte weiße Kleidungsstück zu Boden.

Als er ihre Brust berührte, hob sich seine große Hand sonnengebräunt gegen ihre helle Haut ab, deren Sommersprossen jetzt deutlich zu sehen waren. Aber Cara hatte keine Zeit, sich zu schämen, denn nun zog Enzo sie noch näher zu sich. Sie klammerte sich an ihn, um nicht zu wanken, und spürte seinen Atem, bevor er seine Lippen heiß um eine Brustwarze schloss.

Cara schrie lustvoll auf. Sie wollte mehr, wollte Enzo in sich spüren. Doch ihr Slip bildete eine unerwünschte Barriere.

Als hätte er ihre Gedanken gelesen, legte Enzo eine Hand auf ihr Höschen. Plötzlich fühlte sie sich seltsam befangen und versuchte, ihn an weiteren Berührungen zu hindern. Ihr Gesicht brannte. Doch mit überraschender Sanftheit schob er ihre Finger zur Seite und zog ihr den weißen Baumwollslip aus.

Wieder musterte er sie. Offensichtlich gefiel ihm, was er sah. Sie blickte zu ihm hinunter und tauchte in seine dunklen Augen ein, deren Pupillen lustvoll geweitet waren. Nun umfasste er mit einer Hand ihren Po und legte die andere zwischen die Schenkel, um Cara dort zärtlich zu streicheln …

Sie stöhnte auf, ließ hilflos den Kopf zurücksinken und gab sich ganz diesem herrlichen Gefühl hin. Enzo streichelte sie weiter, und ihre Hüften bewegten sich unwillkürlich im Rhythmus dazu. All ihr Denken und Fühlen schien sich auf diese eine Stelle zwischen ihren Beinen zu konzentrieren. Ihre Bewegungen wurden noch drängender. Sie hatte die Kontrolle über sich verloren und tastete wieder nach seinen Schultern, um sich festzuhalten. Mit einer einfachen Berührung seines Daumens brachte Enzo sie zum Höhepunkt. Dieses Gefühl war so unbeschreiblich wunderbar, dass Cara gar nicht glauben konnte, so lange gewartet zu haben, um mit einem Mann zusammen zu sein. Jetzt wusste sie auch, was ihre Kolleginnen im Club gemeint hatten, wenn sie über Männer und Lust sprachen.

Währenddessen legte Enzo sie aufs Bett, holte ein Kondom aus seiner Hose und streifte es sich über. Cara war befriedigt, erschöpft und wollte dieses herrlich entspannte Gefühl einfach nur genießen. Doch als er sich neben sie legte, erwachte ihre Lust zu neuem Leben.

Enzo streichelte zärtlich ihre Brüste, und Cara wünschte sich dort erneut seinen Mund statt der Hände. Als er sich jetzt über sie beugte und mit den Lippen eine rosa Knospe umschloss, seufzte sie leise auf. Offenbar konnte er Gedanken lesen! Sie hielt den Atem an und drückte seinen Kopf an sich.

„Geduld …“, flüsterte er, umfasste ihre Hüften und schob mit den Knien ihre Beine auseinander. Gleich darauf spürte Cara ihn an ihrer empfindsamsten Stelle, und wieder überlief sie ein wohliges Kribbeln.

„Sag mir, wie sehr du mich willst“, verlangte er heiser, und Cara wurde schwindelig vor Verlangen.

„Ich will dich, wie ich noch nie etwas gewollt habe“, antwortete sie wahrheitsgemäß, von Gefühlen überwältigt, die nicht nur mit Sex zu tun hatten. Jetzt wusste sie, dass sie viel mehr als nur eine körperliche Verbindung zu diesem Mann fühlte.

„Sag mir, dass du das brauchst!“, stieß er hervor.

„Oh …“ Cara spürte, wie er ein bisschen zu ihr kam. Das hatte sie noch nie erlebt, und es fühlte sich ungewohnt an, aber irgendwie auch vertraut. Wieder hatte sie den Eindruck, als hätte sie schon einmal mit ihm geschlafen.

„Sag’s mir“, verlangte er mit kehliger Stimme, und sie hob den Kopf.

„Ich brauche das … Ich brauche dich. Bitte, Enzo … bitte!“

Mit einem tiefen Seufzer der Befriedigung umfasste Enzo Caras Hüften und drückte sie an sich. Dann beugte er den Kopf zu ihr hinunter, nahm begierig eine Brustspitze in seinen Mund und wagte sich ein Stück weiter vor. Cara schrie laut auf.

„Tue ich dir weh?“, fragte Enzo erschrocken.

„Nein.“ Sie hatte gehört, dass es beim ersten Mal schmerzhaft sein konnte. Aber das Einzige, was sie fühlte, war ein so reines und intensives Vergnügen, dass sie hätte weinen mögen. „Ich habe so etwas einfach noch nie erlebt.“

Er schien verwundert. Als er jetzt ganz in sie eindrang, biss sich Cara auf die Unterlippe, um nicht wieder zu schreien. Sie atmeten beide rau, und ihre Haut glänzte. Mit jeder Bewegung von Enzo erklomm Cara den Gipfel der Lust ein Stück mehr. Wenn sie eine Hexe war, wie Enzo behauptete, dann war er ein Zauberer. Während sie sich immer schneller und drängender bewegten, begann Cara regelrecht zu betteln.

„Bitte, Enzo … bitte.“

Und dann, plötzlich, war es wieder so weit: Sie hielt den Atem an, als die Welle der Lust sie erfasste. Hilflos klammerte sie sich an ihn. Seine Wangen waren gerötet, die dunklen Augen glitzerten, und sie konnte deren Blick nicht deuten. Während sein Atem immer heftiger und rascher ging, wollte sich Cara eigentlich dem entspannenden Gefühl ihres abebbenden Höhepunkts hingeben, doch da spürte sie, wie sich ein zweiter aufbaute. Gleichzeitig verharrte Enzo. Die Intensität ihrer Verbindung war geradezu überwältigend. Gleich darauf wurde Cara schon wieder davongetragen, diesmal gemeinsam mit ihm, während er sich in ihr verströmte und dabei lustvoll stöhnte.

Danach lag er herrlich schwer auf ihr, und ihre Herzen hämmerten im Takt. Cara hatte die Beine um seine Taille geschlungen und ihm die Arme fest um den Nacken gelegt, als wollte sie ihn nie wieder loslassen.

Nach einer ganzen Weile löste sich Enzo schließlich von ihr, legte sich neben sie und zog sie wieder in seine Arme. Cara fiel sofort in einen tiefen, traumlosen Schlaf. Zum ersten Mal seit langer Zeit spürte sie eine unendliche innere Ruhe. Als wäre sie von einer langen, anstrengenden Reise nach Hause zurückgekehrt.

Langsam kam Vicenzo zur Besinnung. Auch sein rasender Herzschlag erreichte ein beinah normales Maß. Er spürte den verführerischen Körper der Frau neben sich, fühlte, wie sie ihm besitzergreifend den Arm um die Taille gelegt hatte, und erstarrte. Die Realität hatte ihn eingeholt, abrupt und mit schmerzlicher Klarheit.

Als er daran dachte, was gerade geschehen war, schoss ihm das Blut in den Kopf. Mit ihr zusammen zu sein war göttlich gewesen – rückblickend besehen aber beschämend und schockierend. Wie sehr war er eigentlich abgedriftet? Er war ja gar nicht mehr Herr der Lage gewesen.

Von dem Augenblick an, da er sie in der Bar getroffen und ihr in die großen grünen Augen gesehen hatte, war alles anders gelaufen als geplant. Aus einem Impuls heraus und getrieben von etwas, das er selbst jetzt noch nicht richtig begreifen konnte, hatte er ihr seine wahre Identität verschwiegen und gesagt, er hieße Enzo. Einfach nur Enzo. Trotz seiner redlichen Bemühungen, sich nicht von ihr vereinnahmen zu lassen, hatte ihn ihr Gesicht verzaubert, mit seiner vornehmen Blässe und den vielen Sommersprossen, die sie unglaublich jung und unschuldig wirken ließen. Er wollte sie auf der Stelle haben, und zwar mit einer ihm bislang völlig unbekannten Begierde. Dass so etwas passieren könnte, hätte er niemals erwartet. Vorsichtig löste Vicenzo sich aus Caras Umarmung. Selbst diese Bewegung machte ihm schon wieder Lust auf sie, besonders als Cara im Schlaf seufzte, als wollte sie protestieren, dass er sich von ihr losmachte.

Gnadenlos zwang er sich, nicht mehr daran zu denken, was gerade eben geschehen war. Er hatte die Frau erleben wollen, die vorgegeben hatte, Allegras Freundin zu sein. Er wollte sehen, ob sie auch versuchen würde, ihn zu verführen.

Es war richtig gewesen, seine wahre Identität zu verbergen. Der Gedanke tröstete ihn, auch wenn sich Vicenzo eingestehen musste, dass er nicht so weit hatte gehen wollen. Aber das war ja wohl kaum seine Schuld gewesen …

Jetzt erinnerte er sich, dass er Cara bereits in Aktion gesehen hatte, als er in den Club gekommen war – über den Barkeeper gebeugt, nur um ihre Aufmerksamkeit dann sofort ihm zuzuwenden. Dabei hatte sie sich als besonders erfahrene Verführerin erwiesen. Voller unschuldig wirkender kleiner Tricks und Raffinessen. Einen Augenblick lang hatte er sogar geglaubt, sie sei noch Jungfrau. Wie lächerlich! Schließlich hatte sie sich so bedingungslos nehmen lassen, dass man es nur auf Erfahrung zurückführen konnte. Dafür sprach auch, wie schnell sie mit ihm ins Bett gegangen war, nachdem sie vorher gespielt gezögert hatte, um ihn damit nur noch mehr anzumachen.

Je länger er darüber nachdachte, desto ungehaltener wurde er. Wütend stand er auf, ging ins Bad und starrte mit grimmiger Miene in den Spiegel. Sie würde ihm doch noch dafür büßen, was sie seiner Schwester angetan hatte.

Als Cara vorhin in der kühlen Nachtluft vor ihm gestanden hatte, waren allerdings alle Gedanken daran wie weggewischt gewesen. Doch eigentlich, versuchte er sich jetzt einzureden, hatte er sie nur zum Mitkommen in sein Hotel aufgefordert, um sie zu testen. In Wirklichkeit hatte er sie so begehrt, dass es schon an Verzweiflung grenzte. Dann hatte sie abgelehnt, und seine Beweggründe waren irgendwie durcheinandergeraten. Als sie zurückkehrte und sich ihm mit der gespielten Unschuld einer Novizin anbot, wäre er ihr beinah auf den Leim gegangen. Aber aufgrund seiner Erfahrung war bald klar gewesen, dass sie so etwas ständig tat.

Jetzt war er am Zug. Ihr Bruder Brosnan hatte Allegra eiskalt verführt, um sich zu nehmen, was sie zu bieten hatte, und sie dann fallen zu lassen wie eine heiße Kartoffel. Warum sollte er es mit Brosnans Schwester nicht genauso machen? Sie wusste ja nicht, wer er war und dachte zweifellos, dass er ab sofort ihren extravaganten Lebensstil finanzieren würde.

Mochte sie ihn auch überrascht und bezirzt haben – jetzt hatte er sie genau da, wo er sie haben wollte. Sie war ihm ausgeliefert, und er würde ihr den größtmöglichen Schmerz zufügen, zu dem ein Mensch wie sie fähig war. Das war viel besser, als Cara ihr unmögliches Verhalten vorzuwerfen und dann zu erwarten, dass sie ihre Schuld zugab. Womöglich hätte sie ihm nur ins Gesicht gelacht.

3. KAPITEL

Cara genoss es, ganz langsam aufzuwachen. Die herrliche Erinnerung an die vergangene Nacht hüllte ihr Gehirn in Watte wie eine sanfte Wolke. Zwar wusste sie, dass die bösen Erinnerungen auch da waren, aber sie wollte sie einfach noch ein bisschen auf Abstand halten.

Irgendwann merkte sie, dass Enzo sie nicht mehr an sich drückte. Sie streckte eine Hand aus und erwartete, ihn neben sich im Bett zu finden. Fehlanzeige!

Wie spät mochte es sein? Cara setzte sich auf und sah sich im Zimmer um. Enzo saß in einem Stuhl und beobachtete sie.

„Guten Morgen …“, sagte sie lächelnd, doch Enzo antwortete nicht, sondern sah sie nur weiter an. Unwillkürlich lief es Cara eiskalt den Rücken hinunter, aber sie konnte nicht sagen, warum. Ihr Lächeln erlosch.

„Enzo?“, fragte sie dann ein wenig unsicher.

Lässig erhob er sich vom Stuhl und ging mit großen Schritten zum Fenster. Er war komplett angezogen, trug Anzug und Krawatte. Als er sich zu ihr umdrehte, lag weder Zärtlichkeit noch Leidenschaft in seinem Gesicht. Vielmehr sah er sie so grimmig an, als hätte sie ihn beleidigt.

„Mein Name ist nicht wirklich Enzo“, erklärte er, „auch wenn Freunde und meine Familie diese Abkürzung früher einmal benutzt haben. Ich heiße Vicenzo, Vicenzo Valentini.“

Einen Moment zeigte Cara überhaupt keine Reaktion, dann drang ihr langsam ins Bewusstsein, was er gesagt hatte. Valentini? Das konnte doch nicht sein! Sie atmete tief durch.

„Was hast du gesagt?“

„Das weißt du sehr gut.“

Sie schüttelte den Kopf und klammerte sich regelrecht an die Bettdecke.

„Bist du etwa Allegras Bruder?“, fragte sie schließlich verwirrt.

„Clever kombiniert“, antwortete er spöttisch.

Sie konnte sich überhaupt nicht erklären, warum er sich auf einmal so feindselig verhielt. Sie hatte den Eindruck, als sei das alles nur ein böser Traum.

„Weißt du denn, wer ich bin?“ Natürlich wusste er das. Sie selbst hatte es ihm gesagt. Aber sie verstand noch nicht, warum er sich ihr nicht schon gestern richtig vorgestellt hatte.

„Ich wusste schon, wer du bist, noch bevor wir uns unterhalten haben, Cara“, verwirrte er sie noch mehr. „Ich bin extra in den Club gekommen, um dich kennenzulernen.“

Wieder schüttelte sie den Kopf. „Aber … Aber warum hast du mir nicht einfach gesagt, wer du bist?“

Ein undefinierbarer Ausdruck huschte über sein Gesicht, bevor es wieder zur undurchdringlichen Maske wurde. „Weil ich dich mit eigenen Augen sehen wollte. Die kleine Schwester von Cormac Brosnan, dem Mann, der Allegra in Las Vegas ohne Ehevertrag heiraten wollte, um ihr Vermögen an sich zu reißen und sie dann grausam fallen zu lassen.“

Cara wurde blass. Dass ihr Bruder und Allegra heiraten wollten, hatte sie erst am Abend des Unfalls erfahren. „Ich verstehe nicht …“

„Dann werde ich dir mal auf die Sprünge helfen.“

Er sah überhaupt nicht mehr aus wie Enzo – der Mann, der in der vergangenen Nacht ihr erster Liebhaber geworden war.

„Sobald dein Bruder begriffen hatte, dass Allegra ein großer Teil des Valentini-Vermögens zustand, hat er sich an sie herangemacht.“

Ohne ihr irritiertes Gesicht zu beachten, fuhr Vicenzo fuhr. „Er hat sie in Kontakt mit Drogen gebracht, damit er sie besser beeinflussen konnte, sodass sie am Ende völlig von ihm abhängig war. Währenddessen hat er mich zu Hause auf Trab gehalten, indem er meiner Firma ein vorgetäuschtes Übernahmeangebot gemacht hat. Dadurch habe ich mich eine Weile nicht um meine Schwester kümmern können.“ Vicenzo lachte gequält. „Außerdem war sie eine erwachsene Frau, wie sie mir immer wieder versichert hat, und sehr wohl in der Lage, auf sich selbst aufzupassen. Wieso hätte ich mir also Sorgen um sie machen sollen?“

Vom Zuhören wurde Cara übel. Natürlich hatte sie ihren Bruder gekannt, und deshalb überraschte es sie nicht wirklich, was Vicenzo sagte. Allerdings hatte sie nicht gewusst, dass sein Einfluss auf Allegra so groß gewesen war. Sie hatte die junge Frau nur ein paarmal zu Gesicht bekommen, wenn sie bei ihnen übernachtet hatte. Allegra war nett gewesen und wirkte sehr glücklich. Erst als Cormac von seiner Absicht mit der überstürzten Heirat in Las Vegas erzählte, waren Cara Zweifel gekommen, doch da war es schon zu spät gewesen …

„Aber wenn du das alles gewusst hast –“, begann sie.

„Das ist ja das Problem …“ Ihm drohte die Stimme zu versagen. „Ich habe es nicht gewusst, sondern erst erfahren, als wir herausgefunden haben, dass Brosnans Angebot eine Luftblase war. Erst da habe ich gemerkt, dass mehr dahintersteckt, und begriffen, dass er der neue Freund von Allegra ist, um den sie so ein Geheimnis gemacht hat. Ich habe sofort eine Privatdetektei eingeschaltet, um die beiden beschatten zu lassen.“

„Deshalb wusstest du auch, wer ich bin.“ Cara atmete tief durch, während sie versuchte, diese neue Information zu verarbeiten.

„Als dein Bruder Allegra kennenlernte, steckte er finanziell gehörig in der Klemme. Bis ich das alles herausgefunden habe und nach London gereist bin, war es leider schon zu spät.“ Seine tonlose Stimme ging Cara furchtbar zu Herzen, aber noch bevor sie etwas Tröstendes sagen konnte, holte er zum Schlag gegen sie aus.

„Und du …“ Spott und Ekel mischten sich in dem Blick, mit dem er sie maß, während sie nackt und nur leidlich von der Decke verhüllt im Bett saß. „Du und dein Bruder, ihr habt meine Schwester getötet. Aber er kann nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden. Du dagegen bist völlig unverletzt aus diesem Unfall hervorgegangen.“ Er verzog das Gesicht. „Ist das Schicksal nicht ungerecht?“

Cara ließ den Kopf zurücksinken, und ihre Hände zitterten. Die Erinnerung an den Unfall wurde wieder lebendig: der schreckliche, anhaltende Regen, das verbogene Metall, der Geruch nach Benzin und Rauch, die grauenhafte Ruhe danach.

„Es war ein Unfall“, murmelte sie schließlich leise, während sie einen furchtbaren Knoten im Magen spürte. Erst gestern hatte sie eine Beileidskarte ins Londoner Büro der Valentini-Kette geschickt, da sie die Adresse der Valentinis auf Sardinien nicht kannte. Im Krankenhaus hatte man ihr auch keine Auskunft geben wollen, weil sie nicht zur Familie gehörte.

„Vielleicht könnte man es dank des Wetters so bezeichnen“, antwortete er ungerührt. „Aber ich bin sicher, dass Allegra noch leben würde, wenn ihr beide nicht beschlossen hättet, sie gnadenlos auszunutzen.“

Vor Entsetzen schlug Cara sich die Hände vor die Brust. Ihr Schmerz war unbeschreiblich, zumal sie sich ja selbst längst vorwarf, den Unfall nicht verhindert zu haben. „Bitte, glaub mir doch, dass ich nicht gemeinsame Sache mit meinem Bruder gemacht habe.“

Da lachte Vicenzo laut und trat einen Schritt zurück. „Tatsächlich? Seitdem du sechzehn bist, hast du mit ihm in seinem riesigen Penthouse gewohnt. Du und dein Bruder, ihr wart ganz dicke, Miss Brosnan. Du hast auf seinen Partys die Gastgeberin gespielt und seine Freunde zweifellos auch anderweitig unterhalten.“

Als er das sagte, erinnerte Cara sich mit Schrecken an vorgestern Nacht und daran, was Cormacs sogenannter Freund Sebastian Mortimer als Wiedergutmachung für die Schulden ihres Bruders von ihr erwartet hatte. Währenddessen fuhr Vicenzo mit seiner Anklage fort.

„Bitte hör auf“, flehte sie schließlich und spürte, wie sie sich innerlich von ihm zurückzog, wobei sie gar nicht glauben konnte, wie furchtbar sie sich in ihm getäuscht hatte. Endlich war er still, sah sie aber völlig leidenschaftslos an, was fast noch schlimmer war als seine Vorwürfe.

„Das Konto auf deinen Namen, auf dem oft mehr als eine Million war, belastet dich am meisten. Dein Bruder hat dich dafür bezahlt, dass du seine Komplizin gewesen bist. Schade nur, dass das Geld ihm gar nicht gehört hat.“

Mit leerem Blick sah Cara zu ihm auf. Sie war nicht überrascht, dass er auch von dem Konto wusste und der Tatsache, dass Cormac seine unlauteren Geschäfte darüber laufen ließ. Mit der hereinbrechenden Finanzkrise hatte er sich immer häufiger verspekuliert. Damit wuchsen natürlich seine Schulden. Sie selbst hatte erst von dem Konto erfahren, als sie vor einigen Wochen beim Saubermachen einen entsprechenden Bankauszug auf seinem Schreibtisch entdeckt hatte. Zunächst hatte sie angenommen, bei dem Geld handele es sich um Gewinne.

Er musste das Konto unter ihrem Namen eröffnet haben, als er noch ihr Vormund gewesen war. Das musste man sich mal vorstellen: Er hatte ihren Namen benutzt, um sich zu schützen! Es machte sie immer noch ganz krank, wenn sie daran dachte, wie er sie da hatte mit hineinziehen können. Ein derartiges Konto konnte leicht dazu führen, dass ihr die Berufsaussichten im Finanzsektor für immer verbaut waren.

„Ich hatte keinen Zugriff auf dieses Konto“, erklärte sie schließlich, obwohl sie wusste, dass er ihr nicht glauben würde.

„Mehr! Komm, erzähl mir noch so eine Lügengeschichte!“

Für einen Moment schloss sie die Augen und wünschte, dass er nicht mehr da wäre, wenn sie sie wieder öffnete. Stattdessen hatte er sich vor ihr aufgebaut wie ein Racheengel. Das tat alles so weh, dass sie am liebsten geweint hätte.

„Warum hast du mit mir geschlafen?“, fragte sie dann ruhig und erschrak, als er näher kam, eine Hand auf dem Bett abstützte und sich über sie beugte. Er hob ihr Kinn und zwang sie, ihn anzusehen. Beim Geruch seines Aftershaves stockte ihr der Atem, weil es so viele Erinnerungen mit sich brachte, die rückblickend nur noch schmerzlich waren.

„Ich habe mit dir geschlafen, Cara, weil …“, er betrachtete sie abfällig, „weil ich dachte, dass das eine wesentlich befriedigendere Art wäre, dich mit der Wahrheit zu konfrontieren. Und zwar am Morgen danach, wenn du denkst, dir wäre wieder mal ein Millionär ins Netz gegangen, der dich aushält.“

Cara war wie vor den Kopf gestoßen, doch Vicenzo fuhr ungerührt fort.

„Natürlich weiß ich, dass du dir nach mir gleich den Nächsten suchen wirst. Schließlich hast du auch vor mir keine Zeit versäumt, um Cormacs Schulden zu begleichen, nicht wahr? Ich weiß alles über den kleinen Besuch, den dir der ehrbare Sebastian Mortimer vorletzte Nacht abgestattet hat. Am darauf folgenden Morgen war das Konto wie durch Zauberhand ausgeglichen.“ Sein Mund verzog sich zu einer dünnen Linie. „Du bist ganz schön teuer.“

Unglaublich, wie Vicenzo eine Situation missdeutete, bei der sie beinah vergewaltigt worden wäre. Kalter Schweiß trat ihr auf die Stirn. „Ich habe nicht mit ihm geschlafen“, sagte sie dann mit zitternder Stimme, bemüht, Vicenzos Griff um ihr Kinn zu ignorieren. „Und wenn du dich genauer erkundigt hättest, wäre dir aufgefallen, dass die Schulden schon beglichen waren, bevor er zu mir gekommen ist.“ Sobald sie es gesagt hatte, wusste sie, dass Vicenzo wieder alles verdrehen würde.

Spöttisch hob er eine Augenbraue. „Ja, offensichtlich kannte er deine Vorzüge und hat im Voraus bezahlt.“

Das reichte. Cara riss seine Hand von ihrem Gesicht und wich vor ihm zurück, auch wenn ihr die Beine nicht richtig gehorchten. Sie floh regelrecht aus dem Bett und bedeckte sich mit dem von ihrem Liebesspiel zerwühlten Laken. Rückblickend besehen kam es ihr vor, als wären vergangene Nacht zwei ganz andere Menschen daran beteiligt gewesen. Wie gut, dass Vicenzo offensichtlich nicht einmal bemerkt hatte, dass sie noch Jungfrau gewesen war! Diese Information hätte er sicher auch benutzt, um sie zu demütigen.

„Sie haben sich das alles so schön zurechtgelegt, Mr. Valentini“, rief sie mit bebender Stimme. „Wenn Sie Ihr Tribunal jetzt abgeschlossen haben, wären Sie vielleicht so höflich, mich in Ruhe zu lassen, damit ich mich anziehen kann. Danach werde ich mich auch sofort entfernen.“

Vicenzos Augen blitzten, und er sah sie nur an. Um der Gefühlswallung Einhalt zu gebieten, die sich Bahn zu brechen drohte, biss Cara sich auf die Lippe und reckte das Kinn vor. Ihre Augen brannten, und sie wusste, dass es nur noch eine Frage der Zeit war, bevor sie weinend zusammenbrach. Das war alles zu viel für sie. Doch selbst diese Regung interpretierte Vicenzo falsch.

„Keine Angst, Miss Brosnan, ich komme Ihnen bestimmt nicht mehr zu nahe. Ich bedauere nur, dass Sie im Gegensatz zu meiner Schwester nicht auch Ihre Unschuld geopfert haben. Und jetzt tue ich nur das, was Ihr Bruder mit meiner Schwester vorhatte. Wie bedauerlich, dass Sie nicht am Boden zerstört sein werden, wie Allegra es gewesen wäre. So gesehen ist es vielleicht ein Segen, dass sie das nicht mehr erleben musste.“

Nach diesem Schlag ging er zur Tür, und Cara bemühte sich tapfer, Haltung zu bewahren, solange er noch im Raum war. Er drehte sich noch ein letztes Mal um, und sein abfälliger Blick ließ keinen Zweifel daran, wie sehr sie ihn abstieß. Das traf sie mitten ins Herz. Dann hörte Cara, wie sich die Tür zur Suite öffnete und wieder schloss.

Eine ganze Weile stand sie einfach nur da und sah auf die Stelle, wo Vicenzo gerade noch gestanden hatte. Dabei fiel ihr etwas ein. Er hatte sie nie geküsst, zumindest nicht richtig. Sein Kuss war kein Zungenkuss gewesen, sondern ein flüchtig hingehauchtes Berühren ihrer Lippen, das nur den Wunsch nach mehr in ihr geweckt hatte. Danach war er ihren Versuchen, ihn zu küssen, immer irgendwie ausgewichen. Jetzt erkannte sie das ganz deutlich. Er hatte ihr etwas verwehrt, das in gewissen Kreisen als noch intimer galt, als miteinander zu schlafen. Vicenzo und sie hatten sich nicht geliebt, sie hatten nur Sex gehabt, und er wollte, dass sie sich danach fühlte wie ein billiges Flittchen – was ihm auch gelungen war.

Beschämt ließ Cara den Kopf hängen und begann hemmungslos zu schluchzen.

4. KAPITEL

Zwei Monate später in Dublin

„Ich fürchte, Sie haben einfach nicht genug Erfahrung, Ms. Brosnan.“

„Trotzdem danke, dass Sie mir die Chance zu diesem Bewerbungsgespräch gegeben haben, Mr. O’Brien.“

Am Horizont hing eine weltweite Wirtschaftskrise, und alle Firmenchefs waren nervös, schnallten den Gürtel enger und entließen Leute, anstatt neue einzustellen. Dies war so ziemlich der ungünstigste Zeitpunkt, um sich als Berufsanfänger in Irland eine Arbeitsstelle zu suchen. Als Cara das Bürogebäude verließ und die Frühlingssonne schien, war sie trotzdem froh, London und allem, was dort passiert war, den Rücken gekehrt zu haben.

Sie überquerte gerade eine belebte Straße, als sie ein neues Valentini’s bemerkte. Ein weiterer Coffeeshop der erfolgreichen Kette, deren Häuser immer in den italienischen Landesfarben Grün, Weiß, Rot erstrahlten. In den Läden wurden nicht nur herrliche Kaffeespezialitäten und vorzügliches italienisches Essen serviert, man konnte auch Lebensmittel, typisch italienische Küchenutensilien und Dekorationsgegenstände kaufen – eben alles, was die italienische Lebensart ausmachte.

Und jetzt gab es auch in Dublin so einen Coffeeshop. Mit seiner glänzenden Fassade schien er sich über sie lustig zu machen. Das Ironische daran war, dass das Valentini’s in London für Cara eine Art Rückzugsort bedeutet hatte. Stunden über Stunden hatte sie dort verbracht, gelesen oder fürs Studium gelernt und dabei so lange wie möglich an einem Cappuccino genippt.

Seufzend wandte sie den Blick ab und eilte weiter, während sie wieder diese Übelkeit verspürte. Inzwischen hatte sie sich schon beinahe daran gewöhnt. In den vergangenen vier Wochen war ihr jeden Morgen schlecht gewesen. Schließlich bestätigte ein Arztbesuch nur, was sie schon vermutet hatte: Sie erwartete ein Kind. Trotzdem schockierte Cara diese Neuigkeit, und sie konnte es gar nicht richtig glauben. Sie hatte sich noch nicht einmal überlegt, wann und wie sie Vicenzo darüber informieren wollte. Der Gedanke daran lag ihr im Moment einfach zu fern.

Autor

Abby Green

Abby Green wurde in London geboren, wuchs aber in Dublin auf, da ihre Mutter unbändiges Heimweh nach ihrer irischen Heimat verspürte. Schon früh entdeckte sie ihre Liebe zu Büchern: Von Enid Blyton bis zu George Orwell – sie las alles, was ihr gefiel. Ihre Sommerferien verbrachte sie oft bei ihrer...

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