Julia Extra Band 424

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DER RACHEKUSS DES GRIECHEN von YATES, MAISEY
"Ich besitze jetzt deine Firma. Ich besitze dich." Elle hat es immer geahnt: Eines Tages wird der griechische Tycoon Apollo Savas sich an ihr rächen. Und dieser Tag ist nun gekommen! Warum erregt sie dennoch der Gedanke, dass sie wirklich Apollo gehören könnte?

DAS SHOWGIRL UND DER MILLIARDÄR von ELLIS, LUCY
Für die zarte Tänzerin Gigi Valente ist das L'Oiseau Bleu in Paris ihr wahres Zuhause. Und das will der eiskalte Khaled Kitaev jetzt schließen. Das muss sie verhindern! Doch wie weit geht sie mit diesem Mann, dessen glutvolle Blicke sie atemloser machen als ein Tanz im Cabaret?

IN VENEDIG KEHRT DIE LIEBE ZURÜCK von CREWS, CAITLIN
Fünf Jahre ist es her, seit Lily ihren Tod vortäuschte und so die verhängnisvolle Affäre mit Rafael Castelli beendete. Doch jetzt läuft sie ihm erneut über den Weg! Er ist fassungslos über Lilys Betrug - aber weigert sich trotzdem, die Liebe seines Lebens verloren zu geben …

WEIHNACHTSSTERNE ÜBER NIZZA von WINTERS, REBECCA
Ich habe etwas in Nizza geerbt? Erstaunt lauscht Laura dem attraktiven Nic Valfort. Sie muss an die Côte d’Azur fliegen, wo die Valforts wohnen - die größten Feinde ihrer Familie! Bis Laura mit dem französischen Milliardär das Fest der Liebe in seinem Château verbringt …


  • Erscheinungstag 15.11.2016
  • Bandnummer 0424
  • ISBN / Artikelnummer 9783733708009
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Maisey Yates, Lucy Ellis, Caitlin Crews, Rebecca Winters

JULIA EXTRA BAND 424

MAISEY YATES

Der Rachekuss des Griechen

Eine Million Dollar würde Apollo geben, wenn er wüsste, woran die schöne Elle gerade denkt! Sicher, sie hasst ihn, weil er ihre Firma gekauft hat. Aber da ist noch etwas anderes in ihrem Blick – Verlangen?

LUCY ELLIS

Das Showgirl und der Milliardär

Tanzt sie nur für ihn? Als Gigi sich lasziv und unschuldig zugleich auf der Bühne bewegt, will Khaled Kitaev sie, wie er lange keine Frau mehr gewollt hat. Er ahnt nicht, was nach der Show geschehen wird …

CAITLIN CREWS

In Venedig kehrt die Liebe zurück

„Du … lebst?“ Rafael traut seinen Augen nicht. Er dachte, seine große Liebe Lily sei vor fünf Jahren verunglückt! Und sie hat einen kleinen Jungen bei sich, der ihm wie aus dem Gesicht geschnitten ist …

REBECCA WINTERS

Weihnachtssterne über Nizza

Das Weihnachtsfest in Nizza mit der schönen Laura Holden könnte so romantisch sein. Wenn sein Ehering Nic nicht immer an das Versprechen erinnern würde, das er einer anderen gegeben hat …

1. KAPITEL

Manchmal malte Elle St. James sich aus, wie sie Apollo Savas genüsslich einen Kugelschreiber in die Brust rammte. Da Apollo sowieso kein Herz hatte, konnte ihm das zwar nicht wirklich etwas anhaben, aber wenigstens würde sie ihm endlich mal so richtig wehtun.

In einer anderen Fantasie durchquerte sie das Konferenzzimmer, löste ihm die Krawatte und riss ihm das Hemd auf. Dann krallte sie die Fingernägel in seine heiße Haut, um seine harten Muskeln zu spüren. Endlich. Nach neun langen Jahren, in denen sie ihm widerstanden hatte – ihm und dem Verlangen, das ihren Körper jedes Mal durchpulste, wenn ihre Blicke sich trafen.

Diese Fantasie war viel verstörender als die mit dem Kugelschreiber.

Und leider durchlebte Elle sie auch viel häufiger …

Sie befanden sich gerade in einem wichtigen Meeting, das eigentlich Elles volle Aufmerksamkeit erforderte. Doch sie konnte an nichts anderes denken als daran, was sie mit Apollo anstellen würde, wenn sie nur fünf Minuten allein mit ihm hinter verschlossenen Türen wäre.

Entweder würde sie ihn umbringen oder vernaschen.

Apollo sprach mal wieder über Budgets und Sparmaßnahmen, Worte, die sie hasste. Sie bedeuteten nämlich, dass sie ihr Team noch weiter verkleinern musste. Dabei hatte sie das sofort getan, nachdem Apollo ihr Zeitschriftenunternehmen aus dem Firmenimperium ihres Vaters aufgekauft hatte. Ein Imperium, das seitdem unaufhaltsam dem Bankrott entgegensteuerte.

Ihr Vater hatte ihr erst spät die Verantwortung für das Blatt übertragen – nachdem sich herausgestellt hatte, dass sein Stiefsohn Apollo ein falsches Spiel trieb. Nun war Elle zwar die Geschäftsführerin des Magazins, doch Apollo war der Eigner. Und er war gnadenlos …

Dass es mit dem Zeitschriftenunternehmen bergab ging, war hauptsächlich seine Schuld, davon war Elle felsenfest überzeugt.

Es wurmte sie, dass Apollo sich nicht für ihre Pläne zu interessieren schien. Sie würde „Matte“ auch ohne Entlassungen retten konnte, aber er gab ihr einfach keine Chance. Weil er es als seine Mission betrachtete, sie zu demütigen – so wie er es schon immer getan hatte. Um zu beweisen, dass er besser war als sie.

Doch das hielt sie leider nicht davon ab, seine schönen schlanken Hände beim Gestikulieren zu beobachten. Und sich zu fragen, wie diese Hände sich wohl auf ihrer nackten Haut anfühlen würden …

Was Elle über Sex wusste, passte auf ein Taschentuch, denn traurigerweise bestanden ihre Kenntnisse aus exakt zwei Worten:

Apollo Savas.

Er war für sie gleichbedeutend mit Sex, seitdem sie überhaupt wusste, was das war. Seit dem Moment, als sie verstanden hatte, warum Männer und Frauen unterschiedlich waren und warum das etwas Wundervolles war.

Der dunkelhaarige, dunkeläugige Sohn der Griechin, die Elles Vater geheiratet hatte, als Elle vierzehn gewesen war, hatte sie von Anfang an fasziniert, weil er so ganz anders als sie gewesen war. Rau und wild – das Produkt einer Kindheit in einem Milieu, mit dem Elle nie Berührungspunkte gehabt hatte. Ihm zu begegnen, war wie ein Kulturschock gewesen. Und sehr, sehr interessant.

Doch irgendwann hatte er sich zu einem eiskalten, skrupellosen Mann entwickelt, der ihrer Familie in den Rücken gefallen war und Elle in die Knie zwingen wollte.

Und trotzdem begehrte sie ihn.

Den großen bösen Wolf der Wirtschaft, der sich schon so viele angeschlagene Unternehmen unter den Nagel gerissen hatte. Natürlich nur, um sie in diverse Einzelteile zerlegt möglichst gewinnbringend an den Nächsten zu verkaufen …

„Stimmen Sie mir etwa nicht zu, Ms. St. James?“

Sie hob den Blick und begegnete dem Apollos. Ihr Herzschlag beschleunigte sich. Auf keinen Fall wollte sie zugeben, dass sie nicht aufgepasst hatte. „Ich fürchte, Sie müssen Ihre Frage wiederholen, Mr. Savas. Meine Aufmerksamkeitsspanne erlahmt bei Wiederholungen irgendwann. Wir hören diese Leier jetzt schon seit Monaten, was sie jedoch nicht nachvollziehbarer macht.“

Apollo erhob sich so geschmeidig wie eine Raubkatze. Seine dunklen Augen blitzten wütend auf. Elle wusste, dass sie ihre Worte später noch bereuen würde, eine Vorstellung, die ihr einen Schauer über den Rücken jagte. Und keineswegs nur einen angstvollen.

„Tut mir leid, dass ich Sie langweile. Ich werde mich bemühen, Ihre Aufmerksamkeit in Zukunft mehr zu fesseln. Ich habe gerade darüber gesprochen, dass man eine Firma gesundschrumpfen muss, um Erfolg zu haben, und sie mit einer gut geölten Maschine verglichen. Alle Teile müssen reibungslos funktionieren. Nicht funktionierende Teile werden erbarmungslos aussortiert. Ich habe versucht, mich mit dieser Metapher zurückhaltend auszudrücken.“

Er begann, hinter dem Konferenztisch auf und ab zu gehen. Die Leute, an denen er vorbeiging, senkten nervös die Köpfe. „Vielleicht hätte ich Ihre Aufmerksamkeit eher fesseln können, wenn ich einfach gesagt hätte, dass ich jeden entlassen werde, der nicht perfekt funktioniert.“

Elles Gesicht brannte, und das Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie ballte die zitternden Hände zu Fäusten. „Alle hier in dieser Firma …“

„Ihre Einwände sind bestimmt sehr inspirierend und anrührend, aber da wir hier nicht in einem Hollywoodfilm über siegende Underdogs sind, können Sie sich die Mühe sparen, Ms. St. James. Was auch immer Sie sagen wollen, die Zahlen lügen nicht. Ich habe mir die Bücher angesehen und werde die Personalkosten reduzieren. Doch da Sie offensichtlich keine Geduld für langschweifige Ausführungen haben, ist das Meeting hiermit beendet. Sie alle können gehen.“

Die Angestellten sprangen auf und strömten so hastig aus dem Konferenzsaal wie eine Herde Gnus, die vor einem Löwen flieht.

Einem großen gelangweilten Löwen, der sich bisher nur darauf beschränkt hatte, ihnen zähnefletschend Angst einzujagen. Er hatte noch nicht zum Sprung angesetzt, um sie zu verschlingen, aber das war nur eine Frage der Zeit.

Obwohl … zurzeit hatte er einzig und allein sie im Visier.

„Du bist ja heute mal wieder in Hochform, Elle.“

„Ich bin in genau der richtigen Form, Apollo“, erwiderte sie. Privat duzten sie sich immer, denn letztlich gehörte er zur Familie. Nicht dass sie ihn je als Bruder betrachtet hatte, inzestuöse Fantasien waren nicht ihr Ding. Er war ihr größter Konkurrent und ihr Feind, aber auf keinen Fall ihr Bruder.

„Deine Firma gehört mir“, sagte er. „Genauso wie du.“

Oh verdammt, warum lösten seine Worte nur diese … schmerzhafte Begierde in ihr aus?

„Du lässt es mir gegenüber am nötigen Respekt fehlen, Elle.“

„Gute Chefs regieren nicht mit eiserner Faust“, fauchte sie. „Mit Einschüchterung verschafft man sich keinen Respekt.“

Sie wusste, dass es ein Fehler war, ihm zu widersprechen, aber sie hatte ihre Zunge in seiner Gegenwart noch nie im Zaum halten können. Sie beide kannten einander einfach zu lange, hatten zu viele Jahre unter einem Dach gewohnt. Und viele dieser Jahre hatte sie damit verbracht, ihn zu ärgern und ihm zu beweisen, dass sie die Oberhand hatte. Sie war schließlich die leibliche Tochter ihres Vaters, diejenige, die zu Recht in dem großen Haus wohnte.

Aber die Dinge hatten sich verändert. Und wie!

„Sagt die Frau, die nicht länger Chefin ist.“ Apollo lächelte. Oder bleckte vielmehr die Zähne.

Aber Elle würde sich von ihm nicht unterkriegen lassen, niemals! „Klar bin ich die Chefin. Solange ‚Matte‘ noch unabhängig von deinem Firmenkonglomerat operiert, leite ich das Magazin weiter. Ich vertrete meine Angestellten besser, als sämtliche Zahlen auf Papier es können.“

„Mach dich nicht lächerlich. Heutzutage läuft alles elektronisch. Ich verschwende kein Geld für Ausgedrucktes.“ Apollo drehte sich um und verließ das Büro.

„Du weißt genau, was ich meine! Ein zweidimensionaler Bericht reduziert alles auf Statistiken, und bloße Zahlen sagen noch lange nicht alles aus.“

„Da irrst du dich.“ Er ging den Flur mit großen Schritten entlang.

Elle musste sich beeilen, um mit ihm Schritt zu halten. Ihre hohen Absätze hallten laut auf dem Marmorfußboden wider. „Tue ich nicht! Zahlen sind nur ein Teil der Wirklichkeit. Du hast keine Ahnung, wie die Dinge hier laufen und wie unentbehrlich meine Leute für den kreativen Prozess sind. ‚Matte‘ ist nicht nur eine Zeitschrift, sondern auch ein Kosmetiklabel und eine Modemarke. Wir bringen Ratgeber heraus und …“

„Ja“, sagte Apollo, als er einen Fahrstuhl betrat. „Danke, ich bin mit den Abläufen in meinen Firmen vertraut.“

„Dann solltest du auch wissen, dass mein neues Konzept das gesamte Personal erfordert. Es wird etwas dauern, aber wenn es so weit ist, wird ‚Matte‘ als Marke weltweit bekannt sein.“

„Das hast du bei unserem letzten Meeting bereits gesagt. Anders als du pflege ich nämlich bei wichtigen Besprechungen nicht einzuschlafen.“

Elle stöhnte frustriert auf und schoss hinter ihm her in den Fahrstuhl. „Ich bin nicht eingeschlafen!“

Apollo drückte auf den Knopf fürs Erdgeschoss. Als die Türen zuglitten, drehte er sich zu Elle um und fixierte sie. Sie hatte plötzlich das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. „Du hast recht, Elle“, sagte er mit einem wissenden Lächeln. „Du hast mich nämlich sehr intensiv angesehen. Zu intensiv, um gedanklich woanders zu sein. Es würde mich brennend interessieren, woran du gedacht hast.“

„Ich habe mir ausgemalt, dir einen Kugelschreiber in die Brust zu rammen“, antwortete sie süßlich lächelnd. Niemals würde sie ihm gestehen, dass sie ihm in ihrer Fantasie die Kleidungsstücke vom Körper gerissen hatte, um endlich zu wissen, ob er in Wirklichkeit genauso toll aussah wie in ihrer Fantasie.

Er lächelte spöttisch. „Ein angespitzter Holzpflock könnte da effektiver sein.“

„Ich werde den Vampirjägern Bescheid geben.“ Sie lächelte ihm arrogant zu, und er erwiderte ihr Lächeln.

Die Türen glitten auf. Die Lobby war fast menschenleer. „Matte“ teilte sich das Gebäude mit vielen anderen New Yorker Firmen, doch um diese Tageszeit war hier nicht viel los.

„Wo wohnst du eigentlich, Apollo?“, fragte sie. „In einer Gruft irgendwo in der Stadt?“

„Ja, in der direkt neben deiner, Elle“, antwortete er leichthin. Er streckte einen Arm aus. „Nach dir.“

Hoch erhobenen Hauptes ging Elle an ihm vorbei, durchquerte die Lobby und ging durch die Drehtür. Auf dem Bürgersteig setzte sie ihre Sonnenbrille auf und wartete ungeduldig, dass Apollo ihr nach draußen folgte.

Als Apollo durch die Tür getreten war, blieb er kurz vor ihr stehen. „Wirst du mich jetzt weiter anschreien?“

„Ich schreie doch nicht. Ich erkläre dir nur ganz sachlich, warum deine Methode, meine Firma zu retten, verkehrt ist.“

Er wandte sich von ihr ab und ging den belebten Bürgersteig hinunter.

„Apollo!“ Okay, jetzt schrie sie doch. „Dieses Gespräch ist noch nicht beendet.“

„Ich dachte, wir hätten das Meeting vertagt.“

„Das Meeting vielleicht.“ Sie beschleunigte ihre Schritte. „Aber wir beide sind noch nicht fertig miteinander.“

„Ich wohne gleich da vorne.“ Er zeigte auf ein altehrwürdiges Hotel nur zwei Häuser weiter. „Ich dachte, es kann nicht schaden, mich in der Nähe der Firma aufzuhalten, solange ich in New York bin.“

„Eine vernünftige Entscheidung. Herzlichen Glückwunsch.“

„Nicht wahr? Manchmal habe ich eben gute Ideen. Wenn man bedenkt, dass ich Milliardär bin und es mir gelungen ist, erfolgreich die Firma deines Vaters zu übernehmen …“

„Wärst du wirklich so clever, würdest du dir meine Pläne für ‚Matte‘ anhören. Die Lösung ist nicht, uns auf nichts zu reduzieren. Du musst uns eine Chance geben zu expandieren, ansonsten gehen wir wirklich pleite.“

„Du gehst anscheinend davon aus, dass ich euch retten will, meine liebe Elle. Aber vielleicht will ich euch ja auch nur den Todesstoß versetzen.“

„Du … du …“, stammelte sie. Das passierte ihr sonst nie. Auch das war nur seine Schuld!

„Schurke. Schuft. Such dir eins aus.“

„Du wolltest mich schon immer übertrumpfen, aber das hier ist wirklich der Gipfel!“

„Du glaubst also, das hier ist so eine Art Wettbewerb für mich?“

„Was denn sonst? Du bist so undankbar! Mein Vater hat dich immer unterstützt, aber du kriegst den Hals anscheinend immer noch nicht voll!“

Apollo lachte humorlos. „Du meinst ‚Matte‘? Was glaubst du, warum er dich als Geschäftsführerin eingesetzt hat, Elle? Wegen deiner Kompetenz? Nein, er hat das nur gemacht, damit er noch ein Bein in der Tür hat, nachdem ich das Magazin gekauft habe.“

Apollos Worte versetzten Elle einen schmerzhaften Stich.

Als hättest du diesen Verdacht nicht schon selbst gehabt.

Natürlich hatte sie das, doch wenn Apollo genauso dachte, galt das vermutlich für alle anderen auch.

Der Portier öffnete ihnen die Tür, und Apollo gab ihm ein Trinkgeld. Elle öffnete ihre Handtasche und reichte dem Mann ebenfalls einen Dollar. Sie wollte nicht, dass Apollo für sie bezahlte.

„Ich wohne in der Penthouse“, erklärte er.

„Ist es nicht ein bisschen seltsam, dass ich gerade aus einem Meeting komme, in dem du darüber schwadroniert hast, dass die Firma den Gürtel enger schnallen muss, während du selbst in einer Penthouse wohnst?“

Apollo drückte auf den Fahrstuhlknopf. Als die Tür aufglitt, trat er ein. Elle folgte Apollo atemlos.

„Es geht mir nicht um Geld, falls du das glaubst, Agape.“

Agape! Ein griechisches Wort für Liebe … Wie sie diesen Spitznamen hasste. Apollo hatte ihn ihr irgendwann während ihrer Highschoolzeit verpasst, um sie zu ärgern. Doch irgendwo tief im Innern freute sie sich darüber.

Liebe …

„Warum solltest du sonst über Einsparungen reden?“, fragte sie möglichst liebenswürdig. Als die Fahrstuhltür zuglitt, hatte Elle plötzlich das unangenehme Gefühl, in der Falle zu sitzen.

„Weil du das Geld brauchst oder vielmehr ‚Matte‘. Ihr seid noch nicht im digitalen Zeitalter angekommen. Ihr habt eindeutig gute Ideen, wie ihr eure Wettbewerbsfähigkeit steigern könnt, aber noch seid ihr nicht so weit.“

„Aber wenn du genug …“

Er lachte. „Ich leite keine Wohltätigkeitsfirma, sondern ein Imperium. Meine Firmen machen Profit, und ich bin stolz darauf. Aber das ist nur der Fall, wenn ich für ständige Weiterentwicklung sorge, und das ist ein schmerzhafter Prozess, bei dem nun mal mitunter Leute auf der Strecke bleiben.“

Der Fahrstuhl blieb stehen, und die Tür öffnete sich. Apollo trat in einen schmalen Flur hinaus und ging ein paar Türen weiter, bevor er vor einer stehen blieb. „Komm rein“, forderte er Elle auf.

Sie fühlte sich wie vor dem Eingang zur Höhle des Löwen.

Ich bin kein verängstigtes Herdentier. Ich bin genauso stark wie er. Ich bin eine Löwin.

Sie trat über die Schwelle ins Penthouse, von dem aus man einen herrlichen Blick über den Central Park hatte. Zur Rechten befand sich ein großzügiger Sitzbereich mit Bar und zur Linken ein Schlafzimmer mit einem sehr breiten Bett. So hochgewachsen, wie Apollo war, nahm er nachts vermutlich die ganze Matratze ein. Unwillkürlich sah sie ihn vor sich, die langen braunen Arme und Beine ausgestreckt. Ob er im Schlaf entspannter aussah? Würde er ohne diesen maßgeschneiderten schwarzen Anzug, der seinen muskulösen Körper so verführerisch betonte, eine weniger gefährliche Ausstrahlung haben?

Als sie die Tür hinter sich ins Schloss fallen hörte, zuckte sie zusammen und drehte sich zu Apollo um. „Ich habe ein erstklassiges Team zusammengestellt“, setzte sie die Diskussion fort. „Darunter sind ein paar sehr kreative Köpfe. Du musst doch zugeben, dass die ‚Matte‘-Ratgeber ein großer Erfolg waren. Der Make-up-Führer hat eindeutig für höhere Absatzzahlen bei der Kosmetikproduktion gesorgt.“

„Du erzählst mir schon wieder Dinge, die ich längst weiß. Mir ist bewusst, wie wichtig dir dein Team ist, aber wenn ich nicht tue, was getan werden muss, hat bald niemand von euch mehr einen Job.“

„Aber ich …“

„Du scheinst der irrigen Annahme zu unterliegen, dass ich mein Imperium demokratisch leite, Elle, aber glaub mir, es ist eine Diktatur. Ich verhandle nicht mit dir. Du hast es nur mir zu verdanken, dass du mit deinem hübschen Po noch auf dem Platz der Geschäftsführerin sitzt.“

Elle wurde heiß vor Wut. „Ach ja? Und ich dachte schon, es liegt daran, dass ich gut in meinem Job bin!“

„Das bist du ja auch.“ Apollo ging einen Schritt auf sie zu. „Aber viele andere Menschen wären es genauso. Und ihnen wurde ihr Job nicht von ihrem Daddy auf dem Silbertablett serviert.“

„Das ist ja wohl die Höhe! Als hättest du keine Unterstützung von meinem Vater bekommen, du Verräter!“ Wütend ging sie auf ihn zu. „Er hat dich behandelt wie seinen eigenen Sohn. Er hat dir dein Studium finanziert!“

„Meinen Abschluss habe ich ganz allein geschafft.“

„Du bist ihm in den Rücken gefallen!“

„Ich habe ihn großzügig ausgezahlt, Kleines. Vielleicht schmerzt dich ja in Wirklichkeit eher, dass er derjenige ist, der dich verraten hat, und nicht ich. Indem er dich in eine Position gebracht hat, in der du nur scheitern konntest.“

Elle biss die Zähne zusammen und versuchte, sich von Apollos Worten nicht verunsichern zu lassen. Sie fühlte sich plötzlich wieder in die Vergangenheit zurückversetzt, hatte wie früher das Gefühl, einfach nicht gegen Apollo anzukommen. Gegen den Sohn, den ihr Vater sich immer gewünscht hatte. Sie fühlte sich unzureichend. Und Apollo wusste das ganz genau.

Doch sie würde nicht einfach so kampflos aufgeben. „Er hat dir vertraut. Als du ihm deine Hilfe angeboten hast, hätte er nie damit gerechnet, dass du alles kaputt machen würdest.“

Apollo zuckte nur die Achseln. „Es war eben ein Fehler, mir zu vertrauen.“

„Offensichtlich. Aber du hast nicht nur den Mann verraten, der dir den Weg zum Erfolg geebnet hat, sondern auch deine eigene Mutter.“

„Es geht ihr gut. Dein Vater ist finanziell noch lange nicht ruiniert. Meine Mutter genießt noch immer den Status als seine Ehefrau. Und ich möchte dich daran erinnern, dass dein Vater ‚Matte‘ genau wie andere seiner Firmen absolut freiwillig an mich verkauft hat.“

„Weil du ihn in eine Lage manövriert hast, in der er nicht mehr Nein sagen konnte.“

Apollo ging noch einen Schritt auf sie zu. Er stand jetzt so dicht vor ihr, dass sie den goldenen Ring um seine Pupillen erkennen konnte … und seine dunklen Bartstoppeln. Ihr stieg der exotische Duft seines Rasierwassers in die Nase.

„Interessante Theorie. Demzufolge hatte meine Mutter also auch nicht die Wahl, den Heiratsantrag deines Vaters abzulehnen.“

„Das ist doch lächerlich! Sie wollte ihn heiraten.“

„Ach ja?“

„Natürlich!“

„Weil sie eine Putzfrau war, die in Griechenland zeitweise das Leben einer Obdachlosen führen musste und auch in den Staaten kaum über die Runden kam? Weil sich ihr dadurch die Chance bot, nach Jahren der Armut im Luxus zu leben?“

„Das habe ich nicht … Das hat nichts hiermit zu tun.“

„Vielleicht nicht“, räumte Apollo ein. „Aber du irrst dich. Man kann immer Nein sagen, Elle.“ Er beugte sich vor. „Jederzeit.“

Elle schlug das Herz bis zum Hals, und in ihrem Kopf drehte sich alles. Innerlich war sie so angespannt, dass es fast schmerzte. Sie fühlte sich, als hätte sie flüssige Lava statt Blut in den Adern.

Apollo hatte schon immer diese elektrisierende Wirkung auf sie gehabt. Schon damals, im Haus ihres Vaters. Vor allem am Pool …

Nur ein einziges Mal waren sie einander körperlich so nahe gekommen wie jetzt, und nur dieses eine Mal hatte sie flüchtig den Eindruck gehabt, dass er sich vielleicht genauso zu ihr hingezogen fühlte wie sie sich zu ihm.

Apollo ist dein neuer Stiefbruder.

Alles in ihr hatte sich sofort gegen dieses Wort gesträubt. Weil sie ihn auf den ersten Blick gewollt hatte. Doch als ihr Stiefbruder war er natürlich tabu für sie. Also hatte sie sich von ihm ferngehalten. Sie hatte sich … na ja, manchmal hatte Elle sich ihm gegenüber abscheulich benommen. Aber sie hatte sich einfach nicht anders zu helfen gewusst.

Inzwischen hatte die Situation sich noch verschärft. Apollo war immer noch ihr Stiefbruder, doch die Zuneigung, die sie für ihn empfunden hatte, hatte sich nach seinem Verrat in Luft aufgelöst. Sie hätte schon längst damit aufhören sollen, von ihm zu träumen.

Doch das hatte sie nicht getan. Sie brachte es einfach nicht fertig. Sie war seine Sklavin, immer schon gewesen, so schrecklich das auch war.

Sie hasste ihn dafür!

All die Jahre hatte sie ihm widerstanden, hatte ihre Wut genährt, um sich davon abzuhalten, sich in ihn zu verlieben. Ihr war nichts anderes übrig geblieben, um sich nicht als Versagerin zu fühlen und das Verhältnis zu ihrem Vater aufs Spiel zu setzen. Wie hätte ihr Vater wohl reagiert, wenn er gewusst hätte, dass sie Apollo begehrte? Und auch für die Medien wäre diese Story ein gefundenes Fressen gewesen!

Also hatte sie ihre Gefühle für Apollo geleugnet und sie verdrängt. Und trotzdem stiegen sie bei jedem Wiedersehen erneut in ihr auf. Bei jedem Blick von ihm, jeder zufälligen Berührung. Jeden Abend in ihrem Bett, wo sie sich nach etwas verzehrte, das nur er ihr geben konnte.

Und dann hatte er „Matte“ gekauft. Ihr Vater hatte Elle nur zur Geschäftsführerin ernannt, damit er noch ein Bein in der Firma hatte – genauso wie Apollo gesagt hatte. Und sie war dabei, kläglich zu scheitern.

Sie konnte förmlich spüren, wie ihr alles entglitt – die Firma, ihre Selbstachtung, einfach alles.

Und sie hatte Apollo noch nicht mal geküsst, nie mit ihm geschlafen, mit diesem Mann, der gerade ihr Leben zerstörte und trotzdem ihre Fantasien beherrschte. Wozu die Anstrengung, das Opfer? Um über ihn zu triumphieren?

Nein, es gab keinen Triumph für sie. Sie verlor den Kampf bereits, in epischem Ausmaß. Warum also nicht ihrer Begierde nachgeben? Mit „Matte“ war sowieso alles vorbei, da konnte sie genauso gut gleich selbst mit zugrunde gehen.

Entschlossen hob Elle ihre Hände – und begann Apollos Krawatte zu lösen.

2. KAPITEL

Apollo Savas war kein Tagträumer, sondern ein Macher. Wenn er etwas wollte, fantasierte er nicht lange, sondern nahm es sich einfach.

Nur deshalb wusste er auch, dass er nicht halluzinierte, als Elle St. James, seine Stiefschwester und Erzfeindin, an seiner Krawatte herumzerrte, die Augen glitzernd vor Wut und Verlangen.

Jahrelang hatte er ihr widerstanden. Aus Respekt vor dem Mann, den er wie einen Vater geliebt hatte. Aus Dankbarkeit für alles, was er bekommen hatte. Das alles hatte sich inzwischen zwar als Lüge entpuppt, aber trotzdem hatte er Elle immer aus seinen Racheplänen rausgehalten und sie beschützt. Und David St. James hatte es gewusst – und sich zunutze gemacht.

Aber inzwischen war alles anders. Apollo hatte es gründlich satt, sich zu beherrschen.

Er hielt Elles Hände fest. „Was zum Teufel machst du da?“, fragte er heiser.

Sie sah ihn an, die grünen Augen geweitet und die weichen rosa Lippen zu einem perfekten O geformt. „Ich …“ Das Blut schoss ihr ins Gesicht.

„Wenn du vorhast, was ich vermute, solltest du lieber damit aufhören und verschwinden, wenn du nicht gleich flach auf dem Rücken liegen und meinen Namen auf eine ganz andere Art als vorhin schreien willst.“

Sie errötete noch heftiger. Apollo rechnete damit, dass sie die Flucht antreten würde, denn Elle war ein braves Mädchen – zumindest nach den Maßstäben ihres Vaters. Auch wenn sie zugleich eiskalt und unnahbar war und sich für etwas Besseres hielt.

Von Anfang an hatte er an ihrer Fassade kratzen wollen, hatte sich jedoch zurückgehalten. Sie war schließlich nichts weiter als ein verwöhntes reiches Mädchen gewesen, das einem wie ihm einfach nicht gewachsen war. Einem, der sich schon früh hatte durchschlagen müssen. Der wusste, was Verlust war. Der die wahre Natur der Menschen kannte.

Wenn er sie je angerührt hätte, hätte er das Vertrauen ihres Vaters verloren.

Doch jetzt war sie diejenige, die sich auf ihn stürzte und die Mauer zerstörte, die immer zwischen ihnen gestanden hatte. Apollo würde sie nicht davon abhalten.

Er hatte bis jetzt immer bekommen, was er wollte.

Mit einer Ausnahme.

Elle.

Er hatte sie von dem Moment an begehrt, als sie sich von einem Mädchen zu einer Frau entwickelt hatte. Einer hochmütigen, zickigen Frau, die an ihm vorbeigegangen war, ohne ihn auch nur eines Blickes zu würdigen. Perverserweise hatte er sich deshalb nur umso mehr zu ihr hingezogen gefühlt.

Sie hatte ihn wie Abschaum behandelt, wie jemanden, der ihr gesellschaftlich weit unterlegen war. Am liebsten hätte er sie schon damals mit seinen unwürdigen Händen gepackt und sie auf sein Niveau mit herabgezogen.

Sein größter Verrat war nicht, Firmen von David St. James aufzukaufen und Stück für Stück zu verscherbeln. Nein, Apollos größter Verrat hatte schon lange vor seiner Entdeckung von St. James’ wahrer Natur begonnen. Lange bevor er das dunkle Geheimnis erfahren hatte, warum seine Mutter und er in St. James’ Haus gebracht worden waren.

Seinen größten Verrat hatte er begangen, als er Elle angesehen hatte, wie ein Mann eine Frau ansah.

Aber jetzt war sowieso alles egal. Die Familienbande waren zerstört, warum nicht auch das hier zerstören? Er würde jede Sekunde davon genießen!

Elle stand immer noch da wie versteinert, eine Hand reglos auf seiner Krawatte. Dann blitzten ihre Augen entschlossen auf. Höhnisch die Lippen verziehend zerrte sie nochmals an seiner Krawatte und riss sie ihm vom Hals.

Einen gutturalen Laut ausstoßend griff Apollo ihr in den hoch sitzenden Pferdeschwanz, der ihn schon reizte, seitdem er vorhin das Konferenzzimmer betreten hatte. Als er ihren Kopf zurückbog, weiteten sich ihre Nasenflügel, und sie öffnete die Lippen.

Für eine Weile sahen sie einander reglos an, warteten offensichtlich darauf, dass der andere den ersten Schritt machte. Doch Apollo hatte schon viel zu lange gewartet. Er wollte keine Sekunde länger vergeuden. Er würde Elle in Besitz nehmen, jetzt, ihr die hochmütige Fratze herunterreißen. Sie mit einem Kuss bestrafen, wie er es schon an dem Tag hätte tun sollen, als sie ihn damals am Pool provoziert hatte – das einzige Mal, als unter ihrer Wut etwas anderes aufgeblitzt war.

Natürlich hatte Elle hinterher so getan, als sei nichts passiert. Genauso wie er. Wenn er diesmal mit ihr fertig war, würde sie jedoch nicht mehr die Unberührbare spielen können!

Apollo schlang ihr die Arme um die schlanke Taille und schob sie rückwärts gegen eine Wand, bis sie fest daran gepresst war. Er senkte den Kopf und küsste ihren Hals, ließ die Zähne sanft über ihre nackte Haut gleiten.

Sie stieß einen rauen, fast verzweifelten Laut aus und klammerte sich für einen Moment so heftig an seinen Schultern fest, dass er ihre Fingernägel durch sein Jackett hindurch spüren konnte, bevor sie ihm das Hemd aufriss, dass die Knöpfe flogen, und es ihm zusammen mit seinem Jackett über die Schultern zerrte. Apollo knöpfte sich die Manschettenknöpfe auf und zog sich das Hemd aus der Hose, um es zu Boden zu werfen.

Mit einer Mischung aus Schock und Befriedigung musterte Elle seinen nackten Oberkörper. Sie presste die Hände auf seine Brust und krallte die Fingernägel in seine Haut, bevor sie kurzen Prozess mit seiner Gürtelschnalle machte.

„Du bist ja ganz schön gierig.“ Apollo packte sie an den Händen und hielt sie mit einer Hand über Elles Kopf fest, während er mit der anderen ihre Seidenbluse aufknöpfte.

Hitzig setzte sie sich gegen ihn zur Wehr. Ihre Brüste hoben und senkten sich unter ihren beschleunigten Atemzügen. Apollo musste lachen, als er ihren winzigen roten Spitzen-BH enthüllte. Vermutlich hatte sie gedacht, dass er ihr eine verruchte Note verlieh.

Sie bog den Rücken durch, sodass ihre Brüste weiter hervorstanden. Apollo presste ihre Hände noch fester gegen die Wand. „Du bist nicht diejenige, die bestimmt, wo es langgeht“, sagte er. „Weder im Konferenzzimmer noch im Schlafzimmer. Ich bin hier der Chef.“

„Für dich ist alles ein Wettbewerb, oder?“

„Ach, Agape, es war nie einer. Wie auch, wenn ich doch sowieso gewinne?“

Für einen flüchtigen Moment flackerte so etwas wie Zweifel in ihrem Blick auf, doch dann sah sie ihn herausfordernd an. „Bist du so unsicher, dass du deine Dominanz ständig unter Beweis stellen musst? Im Bett bist du anscheinend auch nicht anders als im Büro.“

Er senkte den Kopf, bis seine Lippen nur wenige Millimeter von ihren entfernt waren. „Diese Bemerkung wirst du mir büßen.“

„Hoffentlich ist das nicht nur eine leere Drohung, Apollo“, erwiderte sie heiser. „So wie sonst immer.“

Als er ihr sanft in die Unterlippe biss, zuckte sie erschrocken zusammen. Die Röte in ihren Wangen breitete sich bis zu ihrem Hals aus. Sie mochte wütend sein, aber sie war auch eindeutig erregt.

„Ich mache grundsätzlich keine leeren Drohungen, merk dir das. Es kann nur etwas dauern, bis ich dazu komme, sie in die Tat umzusetzen.“

Elle senkte pointiert den Blick zum Schritt seiner Hose und hob ihn dann wieder. „Ich hoffe doch, das mit dem Kommen dauert heute nicht ganz so lange.“

Ihre Worte versetzten Apollo fast einen Schock. Bei jeder anderen Frau hätte er sie als bloßen Dirty Talk empfunden, und noch nicht mal besonders verruchten. Aber aus Elles Mund törnten sie ihn unglaublich an. Er war so hart, dass er das Gefühl hatte, seine Hose zu sprengen. Sein Herz raste, und ihm zitterte die Hand, als er den letzten Knopf ihrer Bluse öffnete und sie Elle über die Schultern streifte.

Er konnte sich nicht erinnern, wann eine Frau je eine solche Wirkung auf ihn gehabt hatte, falls überhaupt je. Auf der anderen Seite war er auch noch nie in einer solchen Situation gewesen. Nie hatte ihn eine Geschäftspartnerin so angesehen wie Elle, mit dieser erregenden Mischung aus Begierde und Wut. Sie sah aus, als wisse sie nicht, ob sie ihn lieber erwürgen und vernaschen wollte.

„Ich wusste ja gar nicht, dass du so schmutzige Worte benutzt, Elle.“ Er biss ihr in ein Ohr. „Wenn du das bei unseren Verhandlungen auch so gemacht hättest, wärst du vielleicht erfolgreicher gewesen.“

„Du Bastard!“, stieß sie hervor und ließ die Zungenspitze über sein Kinn gleiten. „Du widerlicher, ekelhafter …“

„Und trotzdem willst du mich.“ Apollo ließ ihre Hände los und beugte sich vor, bis seine Nasenspitze Elles fast berührte. „Was sagt das wohl über dich aus, hm?“

„Oh, ich weiß sehr wohl, dass ich hiermit den letzten Nagel in den Sarg meiner Anständigkeit schlage.“ Sie riss ihm den Gürtel aus der Hose und machte sich an seinem Reißverschluss zu schaffen.

„Zumindest machst du es mit Stil.“ Apollo strich mit seinen Händen über ihre schlanke Taille und ihre Hüften bis zum Saum ihres Rocks. Mit einem Ruck schob er ihn hoch. Es überraschte ihn nicht, dass sie einen roten Spitzenslip trug.

Nicht, dass er sich beschweren wollte.

„Ich hätte bei dir eher mit weißer Baumwollunterwäsche gerechnet“, sagte er. „Wer hätte gedacht, dass du so viele Geheimnisse hast?“

„Du wirst sie nie alle herausfinden, Apollo.“

„So gehässig“, murmelte er, ihre Lippen mit seinen streifend. „Und trotzdem so verrückt nach mir.“

Sie berührte seine harte Erektion. „Dito.“

„Ich habe keine Lust mehr zu reden.“ Er presste die Lippen auf ihre und küsste sie so, wie er sie schon vor Jahren hätte küssen sollen.

Elle hatte keine Ahnung, was sie sich nur hierbei gedacht hatte. Vermutlich gar nichts, da sie nur noch aus Gefühlen und Empfindungen bestand – einer Mischung aus Wut, Lust und nie gekannter Begierde.

Eigentlich müsste sie jetzt komplett verwirrt sein und sich fragen, wie um alles in der Welt sie dazu kam, über einen Mann herzufallen, den sie so abgrundtief hasste. Doch Lust und Wut waren bei ihr schon immer zu einer unentwirrbaren Einheit vermischt gewesen, wenn es um Apollo ging. Na ja, vielleicht nicht immer, aber zumindest in den letzten Jahren. Seitdem ihre Gefühle für ihn sich von einer mädchenhaften Schwärmerei in das Verlangen einer Frau verwandelt hatten.

Ein Verlangen, das sich ebenfalls verändert hatte, seitdem Apollo von einem vertrauenswürdigen Mitglied ihrer Familie zu ihrem schlimmsten Feind geworden war. Jetzt war es dieses seltsame verdrehte Etwas, das sie weder benennen noch analysieren konnte. Es gab keinen Mann, der auch nur annähernd solche Gefühle und Empfindungen in ihr auslöste.

Doch in diesem Augenblick waren ihre Bedenken und Zweifel wie weggeblasen. Apollo zu berühren, ihn zu küssen, war Adrenalin pur, die totale Aufregung. Auch wenn das natürlich fatal war, denn er stellte jeden anderen Mann, mit dem sie je ausgegangen war, in den Schatten. Und genau deshalb machte sie das hier, musste sie es tun. Denn erst wenn es vorbei war, würde sie endlich über ihn hinweg sein. Dann würde sie bei seinem Anblick … nichts mehr empfinden.

Ach, wie sehr sie sich danach sehnte!

Sie erwiderte seinen Kuss, legte ihre ganze Wut und Begierde hinein. Er erforschte ihren Mund, die Hände fest auf ihren Hüften, bevor er eine Hand zwischen Elles Schenkel legte und sanft über die dünne Spitze strich, die Elles Verlangen nach ihm verbarg.

Sie erschauerte von Kopf bis Fuß. Noch nie hatte ein Mann sie so intim berührt, und doch hatte sie keine Angst. Nach all den Jahren lustvoller Fantasien war sie mehr als bereit für ihn, für diese Explosion von … von allem.

Er schob seine Finger unter den Stoff ihres Höschens, um zu spüren, wie weit sie war. Sollte er bisher Zweifel an ihrer Begierde gehabt haben, hatte er jetzt bestimmt keine mehr. „Ja“, stöhnte er.

Die Art, wie er das sagte, der unwiderlegbare Beweis dafür, dass er sie ebenfalls begehrte, stachelte Elles Leidenschaft noch weiter an. Ungeduldig zog sie ihm die Hose und die Boxershorts über die Hüften. Für Zärtlichkeit, für Zögern war jetzt nicht der richtige Augenblick.

Als Elle seine harte Erektion umfasste, war sie an der Reihe zu stöhnen. Er fühlte sich unglaublich an. Sie hatte ja keine Ahnung gehabt, dass er so groß war! Fast gaben ihre Knie unter ihr nach, so heftig begehrte sie ihn. Sie wollte ihn spüren, ganz von ihm ausgefüllt werden.

Als er mit einem Finger in sie drang und ihr damit einen Vorgeschmack dessen gab, was sie wollte, keuchte sie mit einer Mischung aus Schock und Lust auf. Sie umklammerte seinen steinharten Bizeps und hob den Blick zu ihm. Ihr Herz hämmerte ihr in der Brust. Apollo war so wunderschön. Sie wollte ihn. Sie wollte ihn mehr, als sie je etwas in ihrem Leben gewollt hatte. Sie presste die Lippen auf seinen Mundwinkel, zeichnete den Umriss seiner Unterlippe mit der Zungenspitze nach. Apollo nahm die Hand zwischen ihren Oberschenkeln weg und schob ihren BH etwas zur Seite, bevor er den Kopf senkte und eine harte Knospe in den Mund nahm.

Lustgefühle durchströmten sie. Aufstöhnend ließ sie den Kopf in den Nacken fallen und vergrub die Finger in seinem Haar. „Ja“, keuchte sie. „Ja.“

Er ließ sie los und bückte sich, um nach seiner Hose zu greifen und ein Kondom aus seiner Brieftasche zu nehmen. Ihr stockte der Atem, als sie den Blick über seinen maskulinen Körper gleiten ließ. Er war noch schöner als in ihrer Fantasie.

Und dann spürte sie ihn endlich, nackte Haut an nackter Haut, und betrachtete sein Gesicht, sein wundervolles, zutiefst verabscheutes und zugleich geliebtes Gesicht.

Sie nahm es in die Hände und küsste Apollo wild und leidenschaftlich. Wieder berührte er sie zwischen den Schenkeln, diesmal führte er zwei Finger in sie ein, um sie sanft zu dehnen. Sie war ja so bereit für ihn. Mehr als bereit! „Mach schon“, murmelte sie an seinen Lippen.

Er packte sie an den Hüften. Dann schob er eine Hand unter ihren Oberschenkel und hob ihr Bein etwas an, um sie für ihn zu öffnen. Sie spürte die samtene Spitze seiner harten Erektion an ihrem feuchten Eingang. Dann stieß er tief in sie hinein.

Der Schmerz war so heftig, dass ihr die Tränen in die Augen schossen. Rasch schloss sie sie, um ihren Zustand vor Apollo zu verbergen. Er durfte auf keinen Fall merken, dass sie noch Jungfrau gewesen war, dazu war sie plötzlich viel zu verletzlich. Sie wollte das nicht. Sie wollte Lust empfinden, ihr Verlangen nach ihm befriedigen, um ihre intensiven Gefühle für ihn ein für alle Mal loszuwerden.

Doch es war so anders als erwartet. Sie hatte mit Schmerzen gerechnet, das ja, aber nicht mit diesem Ansturm von Gefühlen, dieser Verbundenheit, tiefer, als sie es je bei einem anderen Menschen empfunden hatte.

Irgendwie hatte sie geglaubt, dass ihr Hass für ihn sie vor allen anderen Emotionen schützen würde, aber sie hatte sich offensichtlich geirrt.

Falls Apollo etwas auffiel, sagte er nichts. Stattdessen küsste er sie und bewegte sich rhythmisch in ihr, bis Elles Schmerz langsam von ihrer Lust verdrängt wurde. Je intensiver ihre Lust wurde, desto mehr verblassten ihre aufgewühlten Emotionen. Sie wollte ihn so sehr, dass alles andere keine Rolle mehr spielte, weder ihre Vergangenheit noch ihre Wut oder ihr Hass. Sie spürte nur noch dieses intensive brennende Verlangen, das gestillt werden wollte. Seine Schultern umklammernd, erwiderte sie seinen Kuss, während er sich gleichmäßig in ihr bewegte.

Einen lauten Schrei ausstoßend, ließ sie die Nägel über seinen Rücken gleiten und hörte ihn heiser aufstöhnen. Für einen Moment stockte er, doch dann bewegte er sich heftiger, roh, intensiv und hart. Und Elle genoss jeden Stoß.

Apollo hob ihr Kinn, um sie dazu zu zwingen, ihn anzusehen. Und sie erwiderte seinen Blick, wandte ihren nicht ab, um nicht vor dieser Herausforderung zu kapitulieren. Von Kopf bis Fuß zitternd, spürte sie, wie ihr Innerstes ihn umklammerte, als sie unaufhaltsam dem Orgasmus entgegensteuerte.

Plötzlich drosselte Apollo sein Tempo und zog sich langsam aus ihr zurück, bevor er ein letztes Mal hart zustieß – und sie über die Schwelle beförderte. Weißes Licht explodierte vor ihren Augen, und sie erzitterte unter der Wucht ihres Höhepunkts. Dann spürte sie, wie auch Apollo erbebte und stöhnend in ihr kam.

Als ihre Atemzüge sich wieder verlangsamt hatten, biss er ihr sanft ins Schlüsselbein. Elle ließ seufzend den Kopf gegen die Wand sinken.

Für einen Moment standen sie einfach nur so da. Bis die Realität Elle langsam wieder einholte.

Es war also tatsächlich passiert. Sie hatte Apollo Savas ihre Jungfräulichkeit geschenkt.

Plötzlich wollte sie zu ihrem Entsetzen nur noch eins: sich zusammenrollen und in Tränen ausbrechen.

Sie schob ihn von sich weg und sah sich suchend um. Zu ihrer Bestürzung stellte sie fest, dass nur ihre Bluse auf dem Fußboden lag. Alles andere war nur verrutscht, was ihr ehrlich gesagt noch unangenehmer war als die Alternative. Sie hatte noch nicht mal gewartet, bis er sie komplett ausgezogen hatte.

Jetzt dachte er bestimmt, dass sie völlig verzweifelt gewesen sein musste. Dass sie sich schon seit Jahren nach ihm verzehrt hatte.

Zu dumm nur, dass das sogar stimmte …

Elle zog sich den Rock über die Hüften, zupfte ihren BH zurecht und streifte sich ihre Bluse über. Apollo beobachtete sie schweigend. Sein dunkler Blick war unergründlich. „Ich reise morgen früh ab.“

„Ausgezeichnet“, sagte sie so spröde, dass sie schon Angst hatte, ihr würde die Stimme brechen. Das Wort hallte hohl in ihrem Kopf wider.

„Ich werde nicht noch mal bei dir vorbeischauen. Bis zu unserem nächsten Meeting werde ich mit der Entscheidung warten, was das Personal betrifft.“

„Gut.“

„Am Zwanzigsten komme ich zurück. Bitte schaff dir dafür Platz in deinem Terminkalender.“

Mit diesen Worten wollte er sie offensichtlich entlassen. So als hätten sie gerade ein bloßes Meeting beendet.

Dabei war er immer noch nackt. Die Situation war komplett absurd, aber vermutlich war es müßig, ihn darauf hinzuweisen. Elle wollte nur noch hier weg, um endlich ungestört weinen zu können. „Dann sehen wir uns also am Zwanzigsten.“ Sie nahm ihre Handtasche, legte sich den Riemen über eine Schulter und hielt die Tasche krampfhaft fest, als wollte sie sich davon abhalten, ihn zu … Was? Apollo zu ohrfeigen? Ihn wieder zu küssen? Sie hatte keine Ahnung.

„Gut. Soll ich dir ein Taxi rufen?“

„Nein.“ Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. „Es … es ist erst drei Uhr. Ich muss zurück zur Arbeit.“

Sie musste so, wie sie war, ins Büro zurück. Noch mit dem Abdruck seiner Hände auf ihrer Haut. Mit von seinen Bartstoppeln geröteten Wangen.

„Okay.“

„Auf Wiedersehen.“

Er nickte. „Auf Wiedersehen, Elle.“

Das Warten auf den Zwanzigsten kam Elle vor wie ein umgekehrter Weihnachts-Countdown. Sie wünschte sehnlich, dieser Termin würde nie kommen. Schade, dass es keinen Apollo-Adventskalender gab, dann könnte sie wenigstens jeden Tag bis zu seiner Ankunft ein Stück Schokolade gegen den Frust essen.

Als sie am Morgen des Zwanzigsten in der Redaktion ankam, hatte sie sich mit einem starken Kaffee, einem Fläschchen Ibuprofen und einem strahlenden Lächeln bewaffnet. Sie musste sich ja irgendwie auf Apollos Erscheinen vorbereiten, wann auch immer das sein würde. Dann würde er nämlich von seinem hohen Ross herunter Todesurteile verkünden. Und sie selbst würde ihm zum ersten Mal gegenübertreten müssen, seitdem sie … also, seit jenem Zwischenfall im Hotel.

Schon allein der Gedanke daran war so demütigend, dass ihr vor Verlegenheit das Blut ins Gesicht schoss. Was da passiert war, war ein absoluter Fehltritt gewesen, der sich auf keinen Fall wiederholen durfte.

Gott sei Dank war sie die ersten sechsundzwanzig Jahre ihres Lebens ohne Sex ausgekommen, da würde sie die nächsten Wochen auch irgendwie überstehen. Und wenn die Situation sich dann hoffentlich irgendwann beruhigt hatte und Apollo nicht mehr ständig vorbeikam, um ihre Angestellten zu ärgern, sie bei der Arbeit zu stören und ihr Leben auf den Kopf zu stellen, würde sie sich vielleicht darauf konzentrieren können, einen anderen Mann zu finden.

Doch genau da lag das Problem. Sie hatte einfach zu lange gewartet. Sie hatte zugelassen, dass Apollo und ihr Verlangen nach ihm so übermächtig wurden, dass sie alles andere überschatteten.

Nun ja, inzwischen hatte sie Sex gehabt. Mit Apollo. Frage beantwortet, Neugier befriedigt.

Sie war eine moderne Frau. Sie würde sich nicht von ihm beschämen lassen, auch wenn er das natürlich versuchen würde, so steinzeitlich, wie er war. Und wenn auch nur, um zu beweisen, dass er sie dominierte.

Tja, leider Fehlanzeige! Sie war … unbezwingbar.

Energisch öffnete sie die Tür zu ihrem Büro – und ließ fast ihren Kaffee fallen, als sie sah, wer an ihrem Schreibtisch saß. „Das ist mein Platz“, sagte sie empört.

„Ich freue mich auch, dich wiederzusehen, Agape.“

„Ach, Apollo.“ Sie beschloss, das Unausgesprochene im Raum anzusprechen, bevor er eine Chance dafür bekam. „Du musst nicht Süßholz raspeln, nur weil wir Sex hatten.“

„Das würde mir nicht im Traum einfallen.“ Seine Lippen zuckten belustigt.

„Vermutlich nicht. Dafür müsstest du nämlich erst mal wissen, wie man so etwas macht.“

„Du hast meine Welt erschüttert. Ich habe Gott gesehen. Du hast mich für alle anderen Frauen ruiniert.“

Sie biss die Zähne zusammen, als sie eine seltsame lächerliche Hitze in sich aufsteigen spürte. Apollo war ein gefühlloser Bastard, das wusste sie genau, also durften seine Worte eigentlich … keine Wirkung auf sie haben. Sie holte tief Luft und winkte verächtlich ab. „Ersetze bei mir ‚erschüttert‘ durch ‚etwas durcheinander‘ und ‚Gott‘ durch … keine Ahnung, vielleicht ‚wirklich guten Käsekuchen‘? Es war nicht gerade göttlich, aber ganz okay.“

„Du bist heute ja mal wieder in Hochform.“

„Ich bin eben beständig, Apollo. Das gehört zu meinem Charme.“

„Davon habe ich bisher noch nicht viel abgekriegt.“

„Tja, aus irgendwelchen Gründen war unser Verhältnis in letzter Zeit nicht einfach, wenn auch vermutlich nicht so schwierig wie zwischen dir und meinem Vater. Hast du eigentlich mal wieder mit ihm gesprochen, seitdem du ihm das Messer in den Rücken gestoßen hast?“

„Oh ja. Selbstverständlich.“

„Du bist doch krank! Wie konntest du das deinem eigenen …“

„Meinem eigenen? Er und ich sind nicht blutsverwandt, Agape, und das ist auch gut so, denn sonst wäre das, was zwischen uns beiden passiert ist, ein Verbrechen.“

Elle gab sich Mühe, gelangweilt und blasiert zu wirken. Noch hatte Apollo ihr Geheimnis nicht entdeckt. Also würde sie die Rolle der erfahrenen Frau weiterspielen. „Nein danke, ich würde lieber meine neuen Jimmy Choos zerschreddern.“

„Ach, so reden die jungen Leute also heute? Klingt nicht sehr sexy.“

„Sollte es auch nicht.“

„Wie du willst. Sag mal, Elle, wie geht es eigentlich meiner Mutter?“

Elle hob irritiert die Augenbrauen. „Wie lange hast du nicht mehr mit Mariam gesprochen?“

Apollo zuckte die Achseln. „Ein paar Monate? Sie findet mein Verhalten genauso fragwürdig wie dein Vater.“

„Und trotzdem hast du keinerlei Schuldgefühle?“

„Ich habe meine Gründe“, erwiderte er kalt.

„Davon bin ich überzeugt, aber keiner davon ist für mich oder meine Familie überzeugend genug. Deine Gründe sind mir egal. Und deiner Mutter … geht es gut“, fügte sie hinzu. „Ich habe erst gestern Abend mit ihr telefoniert.“

Es war ihr schwergefallen, mit ihrer Stiefmutter zu reden, während die Erinnerungen an das, was mit ihr und Apollo passiert war, noch so frisch waren. Elle hatte sich schuldig und komplett durchschaubar gefühlt. Gott sei Dank hatte Mariam eigene Probleme zu besprechen gehabt, sodass Elles Zurückhaltung ihr nicht aufgefallen zu sein schien.

„Tja.“ Sie räusperte sich. „So charmant diese kleine Unterhaltung auch ist, wir sollten allmählich zur Sache kommen.“

Anzüglich berührte er den Knoten seiner Krawatte. „Zur Sache?“

„Du Schwein!“

„Das trifft mich tief. Okay, ich habe mir die Prognosen für das Quartal angesehen. Ihr müsst entweder den Profit steigern oder die Ausgaben reduzieren.“ Er stand auf und legte die Hände auf den Schreibtisch. Ihren Schreibtisch.

Elle versuchte, sich an ihrer Wut festzuklammern. Wut, die hoffentlich stärker sein würde als die Anziehungskraft, die Apollo immer noch auf sie ausübte. Was war eigentlich los mit ihr? Sie müsste doch längst geheilt sein, ein für alle Mal immun gegen Apollo, aber sie fühlte sich nicht immun, ganz im Gegenteil. Ehrlich gesagt war ihr fast schwindlig vor Erregung.

„Das weiß ich schon längst“, erwiderte sie ungeduldig. „Aber vertrau mir, wenn wir die neue Richtung einschlagen, die ich …“

„Hier geht es nicht um Vertrauen, sondern um den Profit. Glaub mir, ich weiß, wovon ich rede. Ich habe viel mehr Geschäftserfahrung als du, Elle.“

Seine Worte verärgerten sie, zum Teil, weil sie stimmten, aber auch, weil sie ihren wunden Punkt berührten. Die Angst nämlich, dass sie für ihren Vater nur zweite Wahl war. Dass er Apollo zum Geschäftsführer ernannt hätte, wenn der sich nicht gegen ihn gewendet hätte. Und wenn sie mit „Matte“ versagte, würde sie David beweisen, dass er recht damit gehabt hatte, ihr früher nie etwas zuzutrauen.

Du bist das Risiko bewusst eingegangen, schon vergessen?

Stimmt, das hatte sie getan. Doch in diesem Augenblick fiel es ihr schwer, sich daran zu erinnern. „Aber das Magazin bedeutet mir sehr viel.“

„Mir auch. Aber nur, wenn es Profit abwirft.“

„Als du das Magazin gekauft hast, wusstest du doch genau, dass es finanziell strauchelte. Dir war doch klar, worauf du dich einlässt.“

„Und ohne mich wäre es vielleicht schon längst pleitegegangen. So wie der Rest der Firmen, die ich von deinem Vater gekauft habe.“

„Du hast ihnen den Todesstoß versetzt!“

„Den Gnadenschuss wohl eher“, widersprach er ungerührt. „Stell dich mir nicht in den Weg, Elle. Ich mache das hier nicht, weil es mir Spaß macht. Mein Erfolg ist auch deiner. Ich bin nicht dein Feind.“

Sie wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte. „Spiel dich hier nicht als Retter auf! Du bist doch hier der Übeltäter.“

„Ich weiß ganz genau, welche finstere Rolle ich bei diesem Spiel spiele, Agape. Wenn ich einen Schnurrbart hätte, würde ich ihn jetzt zwirbeln. Aber deshalb brauchen wir trotzdem keine Gegner zu sein. Ich habe mir nämlich vorgenommen, ‚Matte‘ zu retten, falls das überhaupt möglich ist.“

„Dann bist du also nicht hier, um Entlassungen anzukündigen?“

„Es wird dich vielleicht überraschen, aber nein. Ich wollte etwas mit dir besprechen.“

„Was denn?“, fragte sie misstrauisch.

„Ich möchte, dass du mit zum Hauptsitz meiner Firma in Athen kommst, um einen Eindruck zu bekommen, wie die Dinge dort laufen.“

„Was?“

„Ich will dir dabei helfen, das Image von ‚Matte‘ neu zu beleben und dich mehr in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken, als Aushängeschild des Magazins sozusagen. Mit ein bisschen Hilfe könntest du dem Blatt zu einem frischeren Image verhelfen, und dann lassen sich Entlassungen vielleicht vermeiden.“

Elle hätte nicht hiermit gerechnet. Ehrlich gesagt war sie total verblüfft, dass er ihr auf einmal eine Hand reichte und ihr eine Chance gab, ihr Magazin zu retten – und das auch noch öffentlich. Innerlich hatte sie sich schon darauf eingestellt, mit Pauken und Trompeten unterzugehen – die Hände auf Apollos nacktem Körper. Und jetzt … jetzt wechselte er einfach den Kurs. Schon wieder. „Ich soll einfach so mit dir nach Europa gehen?“

„Ja. Das dürfte ja wohl kein Problem sein, oder?“

„Deine Firmenzentrale befindet sich immer noch in Griechenland? Bist du dort der letzte Mohikaner?“

„Ich bin international erfolgreich. Ich würde meinem Heimatland keinen guten Dienst erweisen, wenn ich dort Arbeitsplätze und Steuern abziehen würde, nur weil die wirtschaftliche Lage gerade nicht gut ist.“

„Jetzt sag bitte nicht, du hast ein Herz. Noch gerade eben hast du mir versichert, dass für deine Entscheidungen einzig und allein der Profit zählt.“

„Ich habe kein Herz, sondern eine Vorliebe für gefüllte Weinblätter und Ouzo.“

„Kann ich mir vorstellen.“

Er lächelte … und wurde für den Bruchteil einer Sekunde wieder zu dem Jungen von damals, dem Jungen, den sie früher gekannt hatte. Der sie von Anfang an fasziniert hatte.

Zu dem Jungen, den sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit spöttischen und herablassenden Bemerkungen verletzt hatte, wie zum Beispiel, dass er kein echter St. James war. Weil sie damals ein rettungslos in ihn verschossenes, aber unreifes Mädchen gewesen war.

Doch so schwierig die Situation zwischen Apollo und ihr auch gewesen war, ihrem Vater hatte er immer sehr nahegestanden. Im Gegensatz zu heute. Und sie stand jetzt zwischen den Stühlen. Zwischen zwei Alphatieren, die ihre Kräfte maßen. Einer verteidigte sein Revier, während der andere es zerstören wollte.

Also musst du die Dinge eben selbst in die Hand nehmen. Trau dir doch endlich mal was zu.

„Tja, ich kann mich kaum über einen Urlaub beschweren“, sagte sie betont locker. Sie hatte nicht vor, sich von Apollo in die Karten blicken zu lassen. Sein Angebot bedeutete ihr viel, denn es gab ihr die Chance, endlich wieder etwas mehr Kontrolle zu übernehmen.

„Das wird kein Urlaub.“ Er ging um den Tisch herum zur Tür. „Wir werden arbeiten. Außerdem wirst du eine Wohltätigkeitsveranstaltung mit mir besuchen.“

„Als Geschäftspartner, nehme ich an?“ Elle wollte gar nicht darüber nachdenken, wie ihr Vater auf diese Neuigkeit reagieren würde. Wenn er wüsste, dass sie und Apollo … Er wäre außer sich vor Wut. Angewidert. Die Vorstellung, ihn so zu enttäuschen, war unerträglich.

Ihre Mutter hatte sie verlassen, als sie noch ein Kind gewesen war. Elle konnte sich kaum noch an sie erinnern, hatte ihren Verlust jedoch als große Lücke empfunden. Eine Lücke, die immer noch nicht gefüllt war.

So etwas wollte sie nicht noch einmal durchmachen.

Apollo musterte sie verächtlich. „Als was denn sonst? Das Ziel ist, den Namen des Magazins zu stärken und als Marke zu etablieren. Sollte der Verdacht aufkommen, dass wir beide …“

„Nicht nötig, das Thema jetzt zur Sprache zu bringen.“

„Du bist doch diejenige, die darauf zu bestehen scheint.“

Elle verschränkte die Arme vor der Brust und schüttelte den Kopf.

Mit dem Blick folgte er ihrem hin- und herschwingenden Pferdeschwanz. „Du solltest dein Haar offen tragen.“

Abrupt hielt sie den Kopf still. „Ich habe dich nicht um deine Meinung gebeten.“

„Ich sage sie dir trotzdem, denn du hast es nötig.“ Er musterte sie kritisch. „Du brauchst einen etwas jüngeren Look. Einen, der nicht so … spießig ist. So matronenhaft.“

Sie runzelte die Stirn. „Ich sehe doch nicht matronenhaft aus! Mein Stil ist klassisch und schick.“

„Du weißt auf jeden Fall, wie du deine Figur betonst.“ Apollo gab sich gar nicht erst die Mühe, den Blick abzuwenden. „Aber wenn man Trends setzen und zur Marke werden will, ist mehr nötig.“

„Ich … bin keine Marke“, stammelte sie, „sondern eine Frau. Wo willst du hin?“

Apollo war schon an der Tür. „Ich dachte, ich rede mal mit einigen deiner Angestellten.“

Elle eilte hinter ihm her. „Nein, ich will auf keinen Fall, dass du ihnen erzählst, dass ihre Jobs in Gefahr sind.“

„Das wären sie vielleicht gar nicht, wenn du mich nicht ständig behindern würdest. Die Käufer brauchen ein Gesicht, das sie mit der Marke ‚Matte‘ verbinden. Du kannst ihnen eins bieten. Du könntest das Aushängeschild eures Blattes und damit selbst zu einer Marke werden. Eine junge Karrierefrau, die modisch Vorbild ist.“

Elle verdrehte ungeduldig die Augen. „Das klingt so …“

„Das ist nicht verhandelbar. Entweder erklärst du dich damit einverstanden, oder ich greife zu Plan B, und der bedeutet Entlassungen.“

Elle schnaubte ungeduldig, als sie ihm den Flur entlang folgte. „Ich wünschte, du würdest nicht ständig von mir weglaufen.“

„Ich will mir die verschiedenen Abteilungen ansehen. Eine Volkszählung machen, sozusagen.“

„Wir unterhalten uns gerade!“ Sie hatte mal wieder Mühe, mit ihm Schritt zu halten.

Er drückte auf den Knopf für den Fahrstuhl und trat ein, als die Tür sich öffnete. „Manchmal habe ich das Gefühl, dass du nur aus Prinzip gegen mich bist.“

„Und ich, dass es dir Spaß macht, dich mir gegenüber wie ein Arschloch zu verhalten!“ Hastig folgte sie ihm in den Fahrstuhl, bevor die Türen sich wieder schlossen.

Er lachte. „Da könntest du sogar recht haben. Aber vergessen wir doch nicht, dass du diejenige bist, der es sehr lange Spaß gemacht hat, sich mir gegenüber wie ein Arschloch zu verhalten.“

Ungeduldig seufzend richtete sie den Blick auf die Stockwerkanzeige … bis ihr plötzlich bewusst wurde, dass sie und Apollo wieder allein waren. Sie warf ihm einen verstohlenen Blick zu und versuchte, das Pulsieren zwischen ihren Schenkeln zu ignorieren. Und das Kribbeln in ihrem Körper.

Kein Zweifel, sie war nicht annähernd so immun gegen Apollo, wie sie sein wollte.

Apollo hinterfragte seine Motive grundsätzlich nicht, weil er sich keinerlei Illusionen bezüglich seines Charakters machte. Auch diesmal handelte er unter Garantie nur aus Eigennutz, auch wenn er in diesem Augenblick nicht genau wusste, inwiefern.

Seitdem ihn Elle nach … nach seinem erschreckenden Mangel an Selbstbeherrschung in seinem Hotelzimmer allein zurückgelassen hatte, dachte er darüber nach, wie er die Situation ihrer Firma verbessern konnte. Vermutlich war das ein Fehler. Was ging ihn schließlich das Schicksal von Elles Zeitschrift an, solange sie keinen Profit abwarf?

Hatte er vielleicht Mitleid mit ihr, weil sie in seinen Krieg mit ihrem Vater hineingezogen worden war? Apollo hatte das eigentlich nie vorgehabt, doch David hatte sie direkt in die Schusslinie befördert.

Apollo war kein guter Mensch, oder zumindest war ihm bewusst, dass niemand mit gewissen ethischen Maßstäben ihn so bezeichnen würde. Aber er hatte schon früh die bittere Erfahrung machen müssen, dass man mit Anstand nicht weiterkam. Nur sehr wenige Menschen hatten ihm in seiner Jugend etwas bedeutet, und ausgerechnet die hatten ihn verraten. Also hatte er das Imperium seines Stiefvaters an sich gerissen und angefangen, es zu zerstören. Bis auf Elles Magazin, weiß der Himmel, warum. Denn auch da war der Untergang nur eine Frage der Zeit.

Vielleicht hatte er deshalb so lange gezögert, weil er wusste, wie ungerecht es war, für die Sünden des eigenen Vaters büßen zu müssen. Und weil ihm bewusst war, dass Elle unschuldig war, ganz egal, wie sie sich ihm gegenüber früher verhalten hatte.

Doch er durfte keine falsche Rücksicht auf sie nehmen. Er musste sie für seine Zwecke gebrauchen und dann fallen lassen, es gab keine andere Option. Er konnte sie nicht retten, das wusste er spätestens seit ihrem Stelldichein in seinem Hotel. Denn seitdem war ihre Schonzeit vorbei. Sie würde gemeinsam mit ihrem Vater untergehen, das war unvermeidlich.

Leider schmälerte diese Erkenntnis nicht sein Verlangen, sie wieder nackt zu sehen, sosehr er ihr auch widerstehen wollte. Plötzlich hatte er das Gefühl, dass die Luft im Fahrstuhl dünner wurde. Die unterschwellige Spannung zwischen ihnen war stärker denn je.

Vermutlich lag es daran, dass Elle die einzige Frau war, die er sich je versagt hatte. Er wusste noch genau, wann er sie das erste Mal als Frau und nicht mehr als Mädchen wahrgenommen hatte. Irgendwann nach ihrem siebzehnten Geburtstag hatten ihre hochmütigen Bemerkungen ihn plötzlich nicht nur geärgert, sondern auch erregt, und er hatte angefangen, von ihr zu träumen und zu fantasieren.

Er hatte sich so heftig und intensiv zu ihr hingezogen gefühlt, dass er keine Chance mehr gehabt hatte, sich davor zu schützen. Einmal hätte er um ein Haar sogar die Selbstbeherrschung verloren.

Damals war er gerade von der Universität nach Hause gekommen und hatte sie aus dem Pool steigen sehen, in einem pinken Bikini, der sich eigentlich mit ihrem roten Haar hätte beißen müssen, aber merkwürdigerweise total sexy gewesen war.

Als er zu ihr gegangen war, hatte sie mal wieder eine ihrer spöttischen Bemerkungen gemacht, und bevor er sich davon hatte abhalten können, hatte er sie an einem Arm gepackt und sie an sich gezogen. Erschrocken hatte sie die grünen Augen aufgerissen und leicht die Lippen geöffnet. Er hatte plötzlich den unwiderstehlichen Wunsch verspürt, sie zu küssen.

Doch er hatte es nicht getan, sondern stattdessen fasziniert die Wassertropfen auf ihrer nackten Haut und auf ihren Brüsten betrachtet und sich vorgestellt, wie er sie ableckte. Doch auch das hatte er nicht gemacht.

Er hatte gewartet, bis ihre Augen sich vor Verlangen verdunkelt und ihre Atemzüge sich beschleunigt hatten. Er hatte sie so lange festgehalten, bis er sich von ihrer Erregung überzeugt hatte. Davon, dass die kleine Eisprinzessin total scharf auf ihn war.

Erst dann hatte er sie losgelassen und sich abgewandt, hart wie Stahl und voller Fantasien, was er alles mit ihr hätte anstellen können.

Und jetzt … Na ja, jetzt hatte er sie endlich gehabt. Er hatte inzwischen die Antwort auf eine Frage, die er sich nie hatte stellen wollen.

Plötzlich bekam er Lust, ihr wieder in den Pferdeschwanz zu greifen, und ließ den Blick über ihren langen zarten Hals und ihre geschwungenen sinnlichen Lippen gleiten. Sein Magen verkrampfte sich schmerzlich. Offensichtlich hatte ein Quickie an der Wand nicht ausgereicht, um sein Verlangen nach ihr zu stillen.

„Ich wünschte, du würdest das lassen“, sagte sie.

„Was denn?“

„Mich anzustarren.“

„Ich versuche nur, mich daran zu erinnern, wie du unter deinen Kleidungsstücken aussiehst.“ Ihm war bewusst, dass es gefährlich war, sie zu provozieren. Das würde nur wieder zu etwas führen, das er auf keinen Fall wollte.

Klar willst du es. Du kannst es kaum erwarten, wieder mit ihr zu schlafen.

„Hör auf damit!“

„Du versuchst anscheinend verzweifelt zu verdrängen, was zwischen uns passiert ist.“

„Niemand erinnert sich gern an den Tiefpunkt seines Lebens, Apollo.“

„Wie schmeichelhaft.“

„Ich hatte nicht die Absicht, dir zu schmeicheln.“ Sie hob die zarten Augenbrauen und verzog die Lippen zu einem spöttischen Lächeln.

Sie war so verdammt selbstgerecht, dabei war sie genauso involviert gewesen wie er. War genauso Sklavin ihrer Triebe. Und je wütender sie ihn machte, desto mehr begehrte er sie. Er wusste auch nicht, wie er sich dieses explosive Verlangen zwischen ihnen erklären sollte. Es war ein Phänomen, das sich nicht auf nackte Zahlen reduzieren ließ. Es war auch anders als bei den Frauen, mit denen er sonst seinen Spaß hatte. Es ging viel tiefer.

Vielleicht, weil es tabu war? Etwas, das er sich immer verboten hatte?

Gut möglich, dass sich das irgendwann rächte. Enthaltsamkeit war nun mal nicht sein Ding. Vielleicht war Elle nur deshalb so anziehend für ihn, weil sie eine verbotene Frucht war.

Ja, das klang logisch. Elle war die verkörperte Ursünde. Wie ein glänzender makelloser Apfel, der ihn anlachte.

Aber warum nicht von der verbotenen Frucht naschen? Seine Gründe, ihr zu widerstehen, hatten längst ihre Gültigkeit verloren. Er hatte keinen Respekt mehr vor ihrem Vater, und er wollte ihr nach wie vor das spöttische Lächeln von den Lippen küssen. Was sprach also dagegen?

Er brachte den Fahrstuhl mit einem Knopfdruck zum Stehen und packte Elle an einem Arm, so wie damals am Pool. „Du willst mich doch auch“, sagte er heiser. „Gib es zu.“

„Niemals.“ Sie versuchte, ihn mit einer Hand von sich wegzuschieben, doch dann ließ sie die Hand zögernd auf seiner Brust liegen. Ihre Brüste hoben und senkten sich unter ihren beschleunigten Atemzügen. Erschrocken hob sie den Blick zu ihm.

„Du willst mich sogar jetzt.“ Aus irgendeinem Grund war es für ihn plötzlich geradezu überlebenswichtig, dass sie es zugab.

Langsam fuhr sie mit einer Hand über sein Hemd, bevor sie ihn ruckartig an sich zog und ihn wild und leidenschaftlich küsste. Apollo spürte deutlich die Wut in ihrem Kuss, aber auch eine Spur Scham. Stöhnend machte sie sich von ihm los, doch er hielt sie fest und strich mit einer Hand aufreizend durch ihren vollen roten Pferdeschwanz. „Du willst mich“, wiederholte er heiser. „Gib es doch endlich zu.“

Sie berührte seine harte Erektion und streichelte ihn sanft durch den Stoff seiner Hose. „Ich habe von dir geträumt“, sagte sie. „Hiervon.“

„Ich auch.“ Er presste eine Hand auf ihre, um ihre Berührung zu intensivieren. „Jede Nacht.“ Er wollte sie schon seit einer Ewigkeit. Neun Jahre lang genau genommen. Und auch jetzt noch verzehrte er sich nach Elle St. James, obwohl er ihren Vater hasste. Trotz seines brennenden Wunsches, ihn zu vernichten.

Das war völlig inakzeptabel!

Er musste die Wunde ausbrennen, damit es endlich vorbei war. Das hier musste ein Ende haben!

Er zog sie so hastig aus, dass er ihr fast die Bluse zerriss … und auf jeden Fall den Slip.

Sie protestierte nicht, sondern stöhnte lustvoll auf, als er zwei Finger über ihre feuchte wundervolle Öffnung gleiten ließ. Ja, sie wollte ihn, kein Zweifel.

Er spürte den Beweis ganz deutlich.

Diesmal entkleidete er sie, bis sie komplett nackt war. Schon seit Jahren fragte er sich, wie sie wohl unbekleidet aussah, wie groß ihre Brüste waren und welche Farbe ihre Knospen hatten. Oder die Locken zwischen ihren Schenkeln. Oft war er aus dem Schlaf hochgeschreckt, weil er von Elles Körper geträumt hatte, doch jetzt brauchte er nicht mehr zu fantasieren. Jetzt wusste er Bescheid.

Allerdings hatte er irgendwie das ungute Gefühl, dass sie seine Träume auch in Zukunft beherrschen würde.

Nein. Denn du wirst sie nehmen und nehmen, bis du endlich mit ihr fertig bist.

Ja, das war eine gute Idee! Und wenn es ihrer beider Untergang war.

Er streifte sich sein Jackett ab und breitete es auf dem Boden aus, damit Elle sich darauflegen konnte. Seine Begierde wurde so übermächtig, dass er kaum noch einen klaren Gedanken fassen konnte. Er presste die Lippen auf die Innenseite eines ihrer Oberschenkel und spürte sie unter seinen Lippen erschauern, vor allem, als er sich dem Zentrum ihres Verlangens näherte. „Ich will dich schmecken“, murmelte er.

Sie biss sich auf die Unterlippe und schloss die Augen, als er die Zunge über ihr Lustzentrum schnellen ließ.

Er umfasste ihren Po und hob sie an, um sie intensiver schmecken zu können. Als sie sich unter ihm wand, wusste er zunächst nicht, ob sie sich von ihm wegbewegte oder ihm entgegenkommen wollte, aber letztlich war es ihm egal. Hauptsache, er bekam, was er wollte.

Er brachte seine Hände ins Spiel, streichelte Elle, drang tief mit einem Finger in sie ein und stellte zu seiner Befriedigung fest, wie feucht, wie bereit sie für ihn war.

Sie schmeckte so süß wie ein Dessert. Ein Geschmack, von dem er gar nicht gewusst hatte, wie verrückt er danach war, bis er ihn auf der Zunge hatte. Jetzt wusste er, was ihm die ganze Zeit gefehlt, wonach er sich immer gesehnt hatte.

Er intensivierte seine Berührungen, drang mit einem zweiten Finger in sie ein und ließ beide kreisen, bis Elle zuckend um ihn herum explodierte.

„Ach, Apollo …“ Ihre Worte ließen keinen Zweifel daran, dass sie genau wusste, mit wem sie zusammen war. Dass sie ihn wollte, und nur ihn.

„Bist du bereit für mich, Agape?“

Sie nickte.

Rasch streifte er sich seine Hose ab. Mit seinem Hemd hielt er sich gar nicht erst auf, so ungeduldig war er. Laut stöhnend drang er in sie ein. Selbstbeherrschung war etwas für andere Männer, für anständigere Männer als ihn. Er war ein Eroberer, nahm sich, was er wollte. Warum hatte er das hier nicht schon viel früher getan?

Wieder und wieder stieß er zu, berührte ihr Lustzentrum bei jedem Eindringen in ihr heißes feuchtes Innerstes. Und er verlor sich darin, verlor sich in ihr. In Elle. Es war ihm egal, dass sie sich gerade in einem Fahrstuhl befanden und dass er sie für seine Zwecke missbrauchte. Nichts anderes zählte als das hier.

Er gab sich seinen Empfindungen komplett hin, verlor sich ganz im Rhythmus ihrer sich wild bewegenden Körper, dem rhythmischen Klatschen nackter Haut, Elles Stöhnen und ihren heiseren Aufforderungen, weiterzumachen, sie härter zu nehmen, schneller, bitte, oh ja, bitte.

Apollo versuchte verzweifelt, sich zurückzuhalten, damit er nicht vor ihr kam. Er wollte sie zum Schreien bringen, wollte, dass sie genauso besessen und zügellos war wie er.

Auf keinen Fall wollte er der Einzige sein, der hier zugrunde ging. Sie würde mit ihm untergehen.

Dieser Gedanke stand plötzlich glasklar vor ihm, als er den heftigsten Orgasmus seines Lebens hatte. Elle bäumte sich schreiend unter ihm auf, die Fingernägel in seinen Schultern vergrabend. Der Schmerz intensivierte noch seine Lust. Er war das Einzige, das ihn noch erdete. Das Einzige, das ihm dabei half, zumindest noch ein Restchen Selbstbeherrschung zu bewahren.

In diesem Augenblick wurde ihm klar, was er tun musste. Er würde so oft mit Elle schlafen, bis er genug von ihr hatte. Zuerst würde er aus ihr das Aushängeschild ihres Magazins machen. Und wenn der richtige Zeitpunkt kam, würde er das Todesurteil vollstrecken, indem er sie feuerte.

Und mit diesem letzten Streich würde er die St.-James-Familie ein für alle Mal aus seinem Leben verbannen.

3. KAPITEL

Schweigend sammelte Elle ihre Kleidungsstücke vom Fußboden des Fahrstuhls auf. Sie sagte auch keinen Ton, als Apollo sie zu ihrer Wohnung fahren ließ, um zu packen, und sie schwieg im Wagen, als Apollo und sie zum Flughafen fuhren.

Als sie seinen Privatjet betrat, versuchte Elle, sich nicht anmerken zu lassen, wie beeindruckt sie war. Sie hatte gewusst, dass Apollo reich war, aber nicht in diesem Ausmaß. Ihr Vater hatte nie ein eigenes Flugzeug besessen.

Tja, jetzt hätte er sowieso keins mehr. Wegen Apollo. Und sie tat gut daran, das nicht zu vergessen.

Das Verrückte war nur, dass sie es keineswegs vergessen hatte, noch nicht mal, während sie es miteinander im Fahrstuhl getrieben hatten. Ihr war genau bewusst gewesen, wer Apollo war. Dass er es darauf anlegte, ihre Familie zu zerstören.

Und trotzdem wollte sie ihn.

Sie war … total verwirrt. Irgendwie war es dazu gekommen, dass sie ihn wieder geküsst hatte, und natürlich war es nicht dabei geblieben. Anscheinend würde es von jetzt an zwischen ihnen immer auf das Eine hinauslaufen.

„Gefällt dir mein Flugzeug?“, fragte Apollo, als er sich in einen Ledersessel sinken ließ. „Oder hast du Angst? Ich kann deine Mimik gerade schwer deuten.“

„Das Flugzeug gefällt mir. Mir ist nur etwas unwohl bei der Aussicht, mit dir allein oben in der Luft zu sein.“

„Angst, dem Mile High Club beizutreten?“

Ja! „Wir sind uns doch wohl beide einig, dass, was auch immer zwischen uns passiert ist, keine gute Idee war.“

„Es war sogar eine ganz schlechte Idee. Setz dich, damit wir endlich starten können.“

Elle sah sich unschlüssig um und entschied sich für den Sessel, der am weitesten von Apollo entfernt war. „Nur dass du es weißt, ich hasse dich noch immer.“

„Oh, das ist mir durchaus bewusst. Ich glaube, du hast es mir vor ein paar Stunden ins Ohr geschrien. Nein, warte, ich glaube, das war eher ‚mehr‘ und ‚härter‘.“

„Du bist genauso schuld daran wie ich.“

„Ich bekenne mich schuldig.“

„Was versprichst du dir eigentlich davon, Apollo?“, fragte sie. Sie traute ihm nicht über den Weg, keinen Zentimeter.

„Hängt ganz davon ab.“ Lässig lehnte er sich in seinem Sessel zurück, von Kopf bis Fuß erfolgreicher Milliardär. „Redest du gerade vom Geschäft …“, er ließ den Blick über ihren Körper gleiten, „… oder von Sex?“

„Ich dachte, wir hätten uns soeben darauf geeinigt, dass das keine gute Idee ist.“

„Du hast recht, Agape. Wir hassen einander, worauf du mich so gern hinzuweisen pflegst. Oder besser gesagt, du hasst mich. Ich habe nicht so starke Gefühle dir gegenüber.“

„Klar“, ätzte sie zurück. „Du empfindest gar nichts für mich oder meinen Vater. Du willst uns nur so zum Spaß vernichten.“

„Das Firmenimperium deines Vaters stand schon vor meinem Zugriff in den roten Zahlen.“

„Warum hast du ihm dann nicht geholfen?“

„Es ist kompliziert, Elle“, antwortete er kalt.

„Ich bin durchaus fähig, komplizierten Sachverhalten zu folgen. Nur zu, erklär es mir.“

„Zwischen deinem Vater und mir steht mehr, als du ahnst.“

„Dann klär mich auf“, sagte sie ungeduldig.

„Nicht jetzt. Vorerst brauchst du nur zu wissen, dass das, was ich tue, einem höheren Zweck dient.“

„Du meinst wohl dein Ego? Mal ehrlich, du bist unglaublich. Er hat dir alles gegeben. Er hat dich mehr geliebt als mich“, fügte sie hinzu und sprach damit Worte aus, die sie noch nie gesagt hatte. „Und jetzt hast du ihn für Geld verraten und verkauft.“

„Geliebt?“, fragte Apollo voller Verachtung. „Was ist Liebe, Elle, verrat mir das mal? Ist es das, was dein Vater für dich empfindet, obwohl er dich nur benutzt? Hat er mich wirklich geliebt, oder hat er in mir nur ein Mittel zum Zweck gesehen? An deiner Stelle würde ich nichts auf Liebe geben. Mir hat sie jedenfalls nichts Gutes gebracht.“

Elles Herzschlag beschleunigte sich. In diesem Augenblick hasste sie sich selbst mehr, als sie ihn je gehasst hatte. „Und was willst du von mir?“

„Kurzfristig? Ich will, dass das, was zwischen uns ist, sich totläuft. Kein Feuer brennt schließlich ewig, nicht wahr?“

„Willst du etwa vorschlagen, dass wir weiterhin miteinander schlafen, wenn wir in Griechenland sind?“

„Ich schlage das nicht nur vor.“

Elle wurde heiß. Ihre Wut verwandelte sich in Erregung. Bei der Vorstellung, wieder mit ihm zu schlafen, ihn zu berühren, zitterten ihr die Hände. „Mir war gar nicht bewusst, dass es dich anmacht, Frauen ins Bett zu zwingen.“

„Wir wissen doch beide, dass ich dich nicht zwingen muss. Außerdem“, fügte er pointiert hinzu, „haben wir es bisher nicht in ein Bett geschafft.“

Die Vorstellung, ein Bett mit ihm zu teilen, war … der pure Luxus. Sie hätte dann die Chance, seinen Körper ausgiebig zu erforschen, anstatt darauf zu warten, dass die Spannung zwischen ihnen explodierte. Wäre es nicht schön, selbst entscheiden zu können, ob sie mit ihm schlafen wollte? Ihn jede Nacht haben zu können?

Sie hatte ihn immer gewollt und ihn dafür gehasst. Sie war wütend auf ihn gewesen, weil er immer so … ungerührt gewirkt hatte. So absolut gleichgültig und desinteressiert. Also hatte sie ihn bei jeder sich bietenden Gelegenheit provoziert, wenn sie ihn schon nicht dazu bringen konnte, sie zu begehren.

Bis sie eines Tages beschlossen hatte, ihn auch sexuell zu provozieren.

Sie wusste noch genau, wie sie sich den knappsten Bikini gekauft hatte, den sie finden konnte – einen, dessen leuchtende Farbe sich mit ihrem Haar biss, ihr aber die nötige Aufmerksamkeit verschaffen würde –, um Apollos Blick auf sich zu lenken, wenn er während der Ferien nach Hause kam.

Als sie aus dem Pool gestiegen und er auf sie zugeschlendert war, hatte sie sich … nackt gefühlt. Lebendig. Voller Angst. Also hatte sie das getan, was sie in seiner Gegenwart immer tat – abfällig die Lippen verzogen und einen verletzenden Spruch von sich gegeben.

Seine Augen hatten wütend aufgeblitzt, bevor er sie an einem Arm gepackt hatte. Elle hatte jedoch keine Angst gehabt. Sie war wie … elektrisiert gewesen.

Er hatte sie festgehalten und sie dabei so intensiv angesehen, dass sie für einen kurzen verrückten Moment geglaubt hatte, Begierde in seinem Blick aufflackern zu sehen. Interesse. Doch dann hatte er sie losgelassen und sich von ihr abgewandt, so als sei zwischen ihnen nichts geschehen.

Sie konnte immer noch kaum glauben, dass er sie doch wollte. Das ist deine Chance, alles, was mit ihm zu tun hat, endgültig zu überwinden und nach vorne zu blicken.

„Na schön“, sagte sie, ihre Erregung ignorierend. „Ich bin einverstanden. Wir müssen die Dinge zwischen uns ins Reine gebracht haben, wenn wir Geschäftspartner werden wollen.“

„Du bist nicht meine Geschäftspartnerin.“

„Wie auch immer, ich bin einverstanden mit einer Affäre. Aber sie muss ein Geheimnis bleiben. Nicht auszudenken, wenn das an die Öffentlichkeit geriete. Ich und mein böser Stiefbruder, der unsere Familie ruiniert hat, nachdem er sich bei meinem Vater eingeschleimt hat?“

„Selbstverständlich. Ich habe absolut kein Interesse daran, meine intime Beziehung mit dir vor aller Welt zu offenbaren.“

Seine Worte, vor allem aber sein Tonfall ärgerte sie. „Witzig, dass du davon sprichst, als sei es etwas Widerliches. Bei mir ist das ja noch nachvollziehbar. Jeder in der Geschäftswelt fürchtet dich, da ist es kein Wunder, dass ich nicht mit dir in Verbindung gebracht werden will. Aber warum du nicht mit mir?“

Er hob eine Augenbraue. „Du bist nicht mein Typ, Elle. Ich stehe nicht auf zugeknöpfte Rothaarige. Wie du weißt, bevorzugen Gentlemen Blondinen und Schurken jede Frau, die die Beine spreizt. Ich mag Frauen, die wissen, wie man Spaß hat, nicht kleine Hyänen, die ihre Krallen in mich schlagen, wenn sie mir die Kleider vom Körper reißen.“

„Es gefällt dir doch, wenn ich meine Krallen in dich schlage.“

Seine dunklen Augen blitzten glutvoll auf. Ha, ein kleiner Etappensieg. Sie hätte ihn gern gefragt, warum sie seiner Meinung nach ständig übereinander herfielen und ob er das auch schon mit anderen Frauen erlebt hatte. Aber damit würde Elle nur verraten, wie unerfahren sie war, und dazu war sie nicht bereit. Sie musste sich schützen, durfte ihm nicht zeigen, wie verletzlich sie war. Das hatte sie sich schon bei ihrem Vater angewöhnt.

Und bei Apollo war es erst recht notwendig.

Sie würde daher damit leben müssen, keine Antworten auf ihre Fragen zu bekommen. Es spielte sowieso keine Rolle. Ihre Verbindung mit Apollo würde zu nichts führen, außer dazu, endlich frei von ihm zu sein, frei von der Macht, die er über sie hatte – und über ihr Leben.

Und wenn die Aussicht auf seine körperliche Nähe sie ein bisschen … nervös machte, war das nur normal. Menschen spielten oft verrückt, wenn es um Sex ging. Die Geschichte war voller Beispiele, ganze Kriege waren deswegen ausgelöst worden. Da war es schließlich kein Wunder, dass auch sie nicht darüber erhaben war.

Sie verbrachte den Rest des Fluges damit, über Selbstbeherrschung nachzudenken, und döste ab und zu ein, während Apollo arbeitete. Jedes Mal, wenn sie die Augen aufschlug und in seine Richtung sah, saß er da wie vorher, den Blick entweder auf den Bildschirm seines Laptops oder auf Unterlagen gerichtet.

Es war ein seltsames Gefühl, ihn zu beobachten. Er hatte sich in den letzten Jahren sehr verändert. Die Linien in seinem Gesicht traten schärfer hervor, so als ob die Jahre bereits ihre Spuren hinterlassen hatten und Zeugnis des harten Lebens ablegten, das hinter ihm lag.

Als Teenager hatte er nie einen Anzug getragen, und sein Haar war länger gewesen als jetzt, wo er es raspelkurz trug.

Sie vermisste den Jungen von damals. Apollo hatte seitdem eine Mauer um sich errichtet, die sie gern niederreißen wollte. Sie wollte den Menschen wiederfinden, den sie … nun ja, für den sie so viele widersprüchliche Gefühle gehabt hatte.

Ihr fielen wieder die Augen zu, und als sie sie das nächste Mal aufschlug, waren sie bereits gelandet.

Athen schien sich endlos über die Hügel zu ziehen. Die Innenstadt sah ganz anders aus als der Glas- und Stahldschungel Manhattans. Alte Häuser standen hier zwischen modernen Gebäuden, und das unvergleichliche Erbe der Nation zeigte sich immer wieder an den verschiedensten Plätzen. Mal waren beeindruckende Säulen zu sehen, mal kunstvolle Friese.

„Wo fahren wir hin?“, fragte sie Apollo, während sie in seiner Limousine durch Athen fuhren.

„Zu meiner Villa außerhalb der Stadt.“

„Ich dachte, wir fahren in dein Büro.“

„Das werden wir auch. Ich habe unseren Terminplan ein bisschen umarrangiert.“

„Wie meinst du das?“, fragte sie, den Blick von der Stadt hinter ihrem Fenster losreißend.

„Das ist doch wohl nicht schwer zu erraten.“

Sie verließen die Innenstadt und fuhren einen steilen, stark bebauten Hügel hinauf, bis sie in eine etwas waldreichere und weniger dicht besiedelte Gegend kamen. Schließlich erreichten sie den Gipfel eines leeren Hügels mit herrlichem Meerblick. Hinter einem schmiedeeisernen Zaun tauchte ein weißes Haus auf, das sogar noch imposanter wirkte als der Landsitz von Elles Familie im Staate New York.

„Ist das hier dein Hauptwohnsitz?“

Er zuckte die Achseln. „Keine Ahnung. Ich fühle mich hier jedenfalls zu Hause.“

„Vermutlich, weil du hier geboren wurdest. Du bist erst weggegangen, als du acht warst.“

Misstrauisch sah er sie an. „Hast du etwa nicht autorisierte Biografien gelesen?“

„Nein, ich habe nur gut zugehört, wenn du früher beim Abendessen etwas über dich erzählt hast. Ich habe dich mal gekannt, Apollo, so schwer es mir heute auch fällt, das zu glauben.“

Ein Ausdruck, den sie nicht deuten konnte, blitzte in seinen Augen auf. „Ich wusste gar nicht, dass du dir das gemerkt hast.“

„Tja, man muss seine Feinde eben gut kennen.“

Die Limousine hielt vor dem Haus. Elle öffnete ihre Tür selbst und stieg aus. Als sie das Haus betrachtete, fielen ihr die zahlreichen Fenster auf. „Sieht nicht so aus, als hättest du hier viel Privatsphäre.“

„Hast du etwa Angst, dass die Dorfbewohner dich nackt sehen? Denn du kannst dich schon mal darauf gefasst machen, hier die meiste Zeit unbekleidet zu sein.“

Seine Ankündigung hätte ihr eigentlich Angst machen und sie brüskieren müssen, doch stattdessen fand sie sie sehr erregend.

„Der Gedanke ist mir auch schon gekommen.“ Es hatte keinen Zweck, die Prüde zu spielen. Nicht, wenn Apollo bereits wusste, dass sie alles andere als prüde war.

„Keine Sorge, man kann die Fenster mit einem Knopfdruck verdunkeln, ohne auf die Aussicht zu verzichten. Aber gut zu wissen, dass wir uns einig sind.“

Er ging ihr voraus zum Haus. „Man wird unser Gepäck gleich reinbringen. Komm, ich führe dich herum.“

Elle folgte ihm hinein. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, und ihr Mund war plötzlich trocken. Was würde jetzt passieren? Würde er sie wieder an einer Wand nehmen wollen? Und falls ja, wie würde sie reagieren?

Kapitulieren, natürlich. So wie immer.

Doch er machte keine Anstalten, sie anzurühren, sondern blieb stattdessen im Eingangsbereich stehen. Er zeigte auf einen großzügigen Wohnbereich. „Ich glaube, das hier erklärt sich von selbst. Gleich dahinter liegt der Pool.“ Er stieg eine offene Treppe hoch in den ersten Stock. Elle folgte ihm. „Mein Arbeitszimmer“, fuhr er fort. „Bibliothek, Küche und Esszimmer. Ich fand, dass man von hier oben eine bessere Aussicht hat.“

Als er weiter in den dritten Stock ging, hatte Elle Mühe, mit ihm Schritt zu halten. „Da drüben ist mein Zimmer.“ Er zeigte nach links. „Und da ist deins.“

Auf der entgegengesetzten Seite von seinem.

Als Elle ihm zu ihrem Zimmer folgte, kam sie sich ein bisschen vor wie ein Welpe, der Angst hat, sein Herrchen aus dem Blick zu verlieren.

Er öffnete eine Tür, und sie fand sich in einem hellen großen Zimmer wieder. Alles war weiß, von der Überdecke bis hin zu den Vorhängen um das Bett. Vor den Fenstern hingen keine Gardinen, genauso wenig wie im Rest des Hauses. Man hatte eine herrliche Aussicht auf das blaue Meer.

„Die Fenster lassen sich auf verschiedene Arten abtönen, du kannst sie auch komplett verdunkeln. Dann wirst du nicht von der Sonne geweckt.“

Elle sah sich um. „Ich verstehe nicht ganz. Ich dachte, wir würden ein Zimmer teilen.“

Apollo lachte. „Ich schlafe nicht mit meinen Geliebten, Agape, sondern ich habe Sex mit ihnen. Dafür braucht man kein Bett zu teilen.“

Verdammt, jetzt kam sie sich wieder total naiv vor. Bis zu diesem Augenblick hatte sie geglaubt, ihn mit ihrer Rolle als erfahrene, abgeklärte Frau überzeugt zu haben. Sie biss die Zähne zusammen. „Natürlich. Wie dumm von mir.“

„Wahrscheinlich bist du sonst nur mit netten Jungs zusammen, die hinterher die ganze Nacht mit dir kuscheln.“

Sein spöttischer Tonfall versetzte ihr einen schmerzhaften Stich. Sie fühlte sich wieder in der Defensive, und das durfte sie nicht zulassen. „Sehe ich aus wie eine Frau, die auf Kuscheln steht?“ Sie hob eine Augenbraue. „Was weißt du schon, mit was für Männern ich ausgehe? Du kennst mich doch überhaupt nicht. Du weißt nur, was ich bereit bin dir zu offenbaren, mehr nicht.“

„Mein Fehler. Wenn du mich jetzt bitte entschuldigen würdest, ich muss noch arbeiten und mich für den heutigen Abend umziehen.“

„Du hast während des ganzen Hinflugs gearbeitet.“

„Ungeduldig?“

Sie schluckte ihre ehrliche Antwort hinunter, die Ja lautete. „Nein, nur besorgt, dass du mit neunundzwanzig einen Herzinfarkt bekommst.“

„Wie rührend. Wir sehen uns nachher wegen der Wohltätigkeitsgala.“ Er kehrte ihr den Rücken zu, verließ das Zimmer und schloss die Tür hinter sich.

Elle drehte sich rastlos um und ging zum Fenster. Aus irgendeinem Grund kam sie sich vor wie in einem Terrarium. Wie eine Kreatur, die Apollo in einem Käfig gefangen hielt, bis er Lust bekam, sie herauszunehmen und ein bisschen mit ihr zu spielen.

In New York hatte sie sich ihm ebenbürtig gefühlt, so verrückt das auch war, aber jetzt nicht mehr. Hier fühlte sie sich verletzlich. Ausgeliefert. Sie war in einem Land, dessen Sprache sie nicht sprach, eingesperrt in Apollos Haus in den Hügeln.

Für einen Moment fragte sie sich, ob er sich ähnlich gefühlt hatte, als er als Teenager ins Haus ihres Vaters gekommen war. Mit einer Mutter, die sich mit einem mächtigen und gesellschaftlich weit über ihr stehenden Mann verlobt hatte. Begrüßt von einer Stiefschwester, die viel zu sehr mit ihren eigenen Gefühlen und Problemen beschäftigt war … Elle hatte sich damals schrecklich verhalten. Sie hatte nichts unversucht gelassen, ihn in seine Schranken zu verweisen.

Blinzelnd verdrängte sie einen unerwünschten Anflug von Mitgefühl. Was früher passiert war, war vorbei. Sie hatte sich damals sehr unreif benommen, aber sie hatte einfach Angst vor ihren Gefühlen gehabt.

Apollo hingegen hatte den Jungen von damals längst abgeschüttelt. Er hatte vor nichts Angst. Er war ein Mann auf dem Kriegspfad, und Gott gnade jedem, der es wagte, sich ihm in den Weg zu stellen.

Als Elle später am Abend in dem Seidenkleid, das Apollo ihr hatte hochbringen lassen, am Kopf der Treppe erschien, hätte er sie am liebsten in sein Schlafzimmer gezerrt, anstatt zur Gala zu fahren.

Das smaragdgrüne fließende Kleidungsstück war vorn hochgeschlossen, sodass es auf den ersten Blick fast züchtig wirkte. Nicht so jedoch von hinten. Apollo konnte es kaum erwarten, es aus dieser Perspektive zu sehen. Nur deshalb hatte er das Kleid ausgesucht.

Er hatte sich vorgenommen, bereits die Gala zum Anlass zu nehmen, Elle zum Aushängeschild von „Matte“zu machen. Je mehr sie ins Licht der Öffentlichkeit rückte, desto süßer würde er am Ende seine Rache über die Familie St. James genießen …

In ein paar Wochen würde er dann Elle zusammen mit ihrem Vater endgültig untergehen lassen. Das war zwar grausam, aber was David St. James Apollos Vater angetan hatte und wie er seine Mutter manipuliert hatte …

Apollo zwang sich zu einem Lächeln. Er konnte sehr charmant sein, wenn er wollte, auch wenn er seinen Charme Elle gegenüber nicht oft einsetzte. Er hatte schnell gemerkt, dass er jede Frau haben konnte, die er wollte, und das bereits ausgenutzt, bevor er zu dem Mann geworden war, der er heute war.

Die Mädchen aus den Schulen in seiner Nähe hatten ihn schon immer faszinierend gefunden. Keine von ihnen hätte ihn je mit nach Hause genommen, um ihn ihren Eltern vorzustellen, doch sie hatten sich ihm bereitwillig auf den Rücksitzen von Autos oder in leeren Schlafsälen hingegeben.

Auch Elle schien kein Problem damit zu haben, ihn für ihre körperliche Befriedigung zu benutzen, während sie ihn gleichzeitig als Mensch verachtete. Er sah daher keinerlei Veranlassung, ihr gegenüber charmant zu sein.

Doch jetzt konnte Apollo kaum einen klaren Gedanken fassen, als sie die Treppe hinuntergekommen war und er ihr Kleid von der Seite sah. „Dreh dich um“, sagte er heiser.

„Warum?“ Sie stand vor ihm, die Hände so züchtig gefaltet, als habe sie keine Ahnung, welche Wirkung sie auf ihn hatte.

„Dreh dich um!“, wiederholte er scharf.

Das Blut schoss ihr in die Wangen. Sein Befehlston machte sie eindeutig wütend, aber irgendwie schien er sie auch zu erregen. Aufreizend langsam wandte sie Apollo den Rücken zu.

Sein Magen verkrampfte sich, und das Blut schoss ihm in die Lenden. Die Rückseite ihres Kleides war so tief ausgeschnitten, dass der mit winzigen Perlen bestickte Ausschnitt direkt über ihrem Po endete. Am liebsten hätte er Elle sofort wieder mit nach oben genommen – nicht nur, um mit ihr zu schlafen, sondern auch um zu verhindern, dass andere Männer sie so sahen.

„Du gehörst jetzt mir“, sagte er, bevor er sich davon abhalten konnte. „Du hast mir schon immer gehört, Elle.“

Er machte sich keinerlei Illusionen, was Beziehungen anging. Gefühle konnten leicht manipuliert werden! Doch was er für Elle empfand, ging weit darüber hinaus, ließ sich nicht eindeutig definieren. Das musste ein Ende haben! Er musste diese Wunde ausbrennen, um die Familie St. James ein für alle Mal hinter sich lassen zu können.

Langsam drehte sie sich wieder zu ihm um. „Du bist ganz schon besitzergreifend.“

„So bin ich eben. Aber du hast dich bereit erklärt, meine Geliebte zu sein, bis die gegenseitige Anziehungskraft nachlässt. Das bedeutet, dass du bis dahin mir gehörst, und zwar ausschließlich mir.“

Autor

Rebecca Winters

Rebecca Winters und ihre Familie leben in Salt Lake City, Utah. Mit 17 kam Rebecca auf ein Schweizer Internat, wo sie französisch lernte und viele nette Mädchen traf. Ihre Liebe zu Sprachen behielt sie bei und studierte an der Universität in Utah Französisch, Spanisch und Geschichte und später sogar Arabisch.

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