Julia Extra Band 573

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STURM DER BEGIERDE IM CASTELLO von SHARON KENDRICK

Ein Sturm zieht auf – plötzlich ist Kelly mit Romano Castelliari in dem einsam gelegenen Castello in der Toskana gefangen! Bevor seine Schwester, ihre beste Freundin, eintrifft, muss sie um den arroganten Milliardär mit dem gefährlichen Sex-Appeal einen Bogen machen! Was unmöglich ist …

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  • Erscheinungstag 19.08.2025
  • Bandnummer 573
  • ISBN / Artikelnummer 0820250573
  • Seitenanzahl 432

Leseprobe

Sharon Kendrick, Susan Meier, Scarlett Clarke, Lucy King

JULIA EXTRA BAND 573

Sharon Kendrick

1. KAPITEL

Der tosende Sturm, der peitschende Regen und der tiefschwarze Nachthimmel passten perfekt zu Romano Castelliaris Laune.

Gelinde gesagt war er wütend.

Romano war gerade aus Turin zurückgekehrt, wo er eigentlich das wichtigste Geschäft seines Lebens hatte abschließen wollen. Er hatte schon so lange von dem Erwerb der ikonischen italienischen Autofabrik geträumt, die sein ohnehin schon beeindruckendes Portfolio ideal ergänzt hätte! So lange, dass er seinem kalten Herzen ausnahmsweise mal einen Anflug von Vorfreude gegönnt hatte. Doch dann hatte der über achtzigjährige Eigentümer plötzlich im letzten Moment einen Rückzieher gemacht, und das nur wegen Romanos angeblich so verwerflichem Lebensstil. „Ich will meine Firma an einen Familienvater verkaufen“, hatte Silvano di Saccucci erklärt, „nicht an einen notorischen Playboy.“

Der alte Mann war unnachgiebig geblieben und hatte stur jedes weitere Angebot Romanos ausgeschlagen, bis sich der italienische Milliardär von kalter Wut erfüllt auf den Rückweg zu seinem Privatjet gemacht hatte. Sein Ärger war noch immer nicht verraucht.

„Porca miseria!“, fluchte er lautstark, obwohl ihn niemand hören konnte. Welches Recht hatte Silvano di Saccucci eigentlich, ihm den Kauf der Fabrik mit einer so fadenscheinigen Begründung zu verweigern? Welches Recht hatte auch nur irgendwer, sich Romano in den Weg zu stellen? Oder sich ein Urteil über ihn anzumaßen?

Zutiefst verärgert schritt Romano durch die Korridore seines toskanischen Schlosses und betrachtete genervt den gegen die Fensterscheiben prasselnden Regen.

Normalerweise ließ er sich nicht von den Elementen beeindrucken und joggte, ritt oder jagte bei fast jedem Wetter. Aber das hier? Dieser nicht enden wollende Regen war inakzeptabel! Wäre das kommende Wochenende nicht in Stein gemeißelt, wäre Romano sofort weitergereist, nach Brasilien zum Beispiel.

Er zog die Augenbrauen zusammen. Gewisse gesellschaftliche Verpflichtungen waren leider nicht zu vermeiden, wenn man der Eigentümer eines so großen Anwesens war, aber da er nur sehr selten hier war, waren sie Gott sei Dank auf ein paar pro Jahr begrenzt. Dieses Wochenende fand die Taufe der Tochter seiner kleinen Halbschwester statt. Obwohl er Floriana, inzwischen Ehefrau und Mutter, wohl nicht mehr als klein bezeichnen sollte.

Romano konnte nicht gerade behaupten, dass er sich auf die Taufe freute, da man ihm bei der Gelegenheit garantiert wieder aufdringliche Fragen stellen würde, allen voran die, wann er denn selbst Kinder zu bekommen gedachte.

So etwas nervte ihn jedes Mal kolossal. Auch von seinen zahlreichen Liebhaberinnen sah ihm nach dem Sex immer mal wieder die eine oder andere ganz verträumt in die Augen und säuselte etwas davon, dass er bestimmt ein ganz toller Vater wäre. Sie wollten es einfach nicht kapieren.

Nämlich dass Romano nicht das geringste Verlangen nach einer eigenen Familie hatte. Er wäre auch gar nicht fähig dazu, Kinder großzuziehen. Schon allein die Vorstellung brachte ihn zum Schaudern. Außerdem, wozu sich freiwillig in eine Situation begeben, die nur unerwünschte Erinnerungen weckte?

Und schon überfielen sie ihn wieder, die Schatten der Vergangenheit. Denn war es nicht eine sturmgepeitschte, regnerische Nacht wie diese gewesen, als das Unheil seinen Anfang genommen hatte?

Romano verkrampfte sich, als ihm wieder einfiel, wie seine Mutter ihn von hier weggeholt hatte.

Wie der Regen auf ihn herabgeprasselt war, als sie ihn nach draußen getragen hatte. Er dachte an das Heulen des Windes, als sie ihn auf den Rücksitz einer wartenden Limousine gesetzt hatte. Er erinnerte sich auch noch an ekelhaft süßlich riechenden Rauch und wie er am nächsten Morgen in einem fremden Haus aufgewacht war, in dem seine Mutter einen Mann küsste, der nicht sein Vater war.

Romanos Schläfen begannen schmerzhaft zu pochen. Ganze drei Jahre hatte sein Martyrium gedauert, bis er endlich frei gewesen war. Aber letztlich ließ einen die Vergangenheit nie ganz los, oder? Die Erfahrungen, die man machte, prägten einen nun mal, ganz egal, ob gut oder schlecht.

Im Grunde ließ sich alles, was man ihm heute vorwarf, auf diese drei Jahre zurückführen. Romano hatte sich schon lange damit abgefunden, dass sie ihn gefühllos gemacht hatten. Dass er sich auf niemanden einließ und grundsätzlich sein eigenes Ding machte.

Aber er wollte es auch nicht anders.

Seiner Meinung nach brachten Gefühle nichts als Chaos. Was er damals mit angesehen hatte, hatte ihn jedenfalls für den Rest seines Lebens davon kuriert. Er allein bestimmte, wie er sein Leben lebte, und wem das nicht passte, der konnte gehen. Romano hatte damit kein Problem. Was das anging, war er gnadenlos.

Er legte noch ein Scheit auf das Feuer im Kamin, das in der Eingangshalle des Schlosses brannte. Es warf einen flackernden Widerschein auf die dunkel vertäfelten Wände und sorgte für dringend benötigte Wärme, denn das leere Schloss war bei Romanos Ankunft total ausgekühlt gewesen.

Er war froh, dass die anderen erst morgen eintrafen. Seine Halbschwester und ihre Familie, zu der auch seine Stiefmutter gehörte, waren wegen eines Schneetreibens aufgehalten worden, sodass er den heutigen Abend allein verbringen würde. Romano schluckte, als ihm einfiel, dass noch ein Gast erwartet wurde.

Ein sehr unerwünschter Gast.

Eine grünäugige Hexe mit wilden roten Locken.

Eine Frau, die …

Als Romano seine verzerrten Gesichtszüge in einem der antiken Spiegel sah, vertiefte sich sein Stirnrunzeln.

Warum um alles in der Welt brachte seine Halbschwester nur diese schreckliche Frau ins Haus, obwohl sie doch genau wusste, wie sehr Romano sie verabscheute? Schon allein die Vorstellung war ihm zuwider. Er konnte sich keine ungeeignetere Kandidatin als Patentante für ein Castelliari-Kind vorstellen als Kelly Butler! Hatte die temperamentvolle Rothaarige nicht schon für genug Ärger gesorgt?

Allein schon wegen ihres liederlichen Lebenswandels war Kelly Butler definitiv tabu für Romano! Doch zu seinem großen Ärger war er alles andere als immun gegen ihren Sexappeal …

Ein gedämpftes Geräusch riss ihn aus seinen sich plötzlich überschlagenden Gedanken. Im ersten Moment dachte er, der Sturm habe einen Ast von einem Baum gerissen, doch als der Wind plötzlich für ein paar Sekunden nachließ, hörte er es wieder, etwas deutlicher diesmal. Ein Klopfen an der Außentür.

Und eine Stimme.

Romano runzelte die Stirn.

Eine weibliche Stimme.

Er entfernte sich vom Kamin, um die Tür zu öffnen.

Zu seiner Überraschung sah er in der stürmischen Nacht eine Frau vor sich stehen, die in dem schwachen Licht kaum zu erkennen war. Das Haar klebte ihr nass am Kopf, und sie hatte die Schultern hochgezogen, um sich vor dem heftigen Regen zu schützen, was natürlich völlig aussichtslos war.

Erst als sie den Blick zu ihm hob und seinen Namen sagte, erkannte er ihre so trügerisch sanfte Stimme wieder. Vor ihm stand Kelly Butler! Der Hals schnürte sich ihm zu, und ihm schoss das Blut in die Lenden. Wie immer war er machtlos gegen diese Reaktion. Schluckend ließ er den Blick an ihr hinuntergleiten. Er hatte ganz vergessen, wie klein sie war.

„Komm rein!“, forderte er sie barsch auf.

Nickend trat sie über die Türschwelle. Während Romano die Elemente aussperrte, wurde ihm bewusst, dass er sie noch nie so fügsam erlebt hatte. Oder so verletzlich. Ausnahmsweise sah er mal keine Spur von Aufsässigkeit in ihrem herzförmigen Gesicht. Ihre regennassen Wangen wirkten fast hohl, nur ihre Augen blitzten genauso temperamentvoll wie in seiner Erinnerung. Grüne Augen hatte sie. Wild funkelnd und verführerisch.

Es lag ihm auf der Zunge, sie zu fragen, was sie schon so früh hier machte, aber sie zitterte so heftig, dass er stattdessen Richtung Kamin nickte. „Stell dich vors Feuer und zieh deine verdammte Jacke aus.“

Ihre Zähne klapperten so heftig, dass sie kaum reden konnte, doch trotzdem reckte sie trotzig das Kinn, als sie seinen Blick erwiderte. Anscheinend war sie doch noch ganz die Alte.

„D… du bist ja noch genauso herrschsüchtig wie früher.“

„Halt die Klappe und mach, was ich sage“, erwiderte er schroff.

Sie versuchte, ihre Jacke aufzuknöpfen, aber ihre vermutlich steifgefrorenen Hände schienen ihr nicht recht gehorchen zu wollen. Ungeduldig mit der Zunge schnalzend ging Romano zu ihr.

„Darf ich?“, grummelte er.

Sie nickte widerstrebend. Die Art, wie sie genervt die Lippen verzog, war ihm nur allzu vertraut.

„Wenn du willst.“

Wenn er wollte? Romano lachte humorlos auf. Was er wollte, war etwas ganz anderes. Sie so weit wie möglich von hier zu entfernen nämlich. Aus den Augen, aus dem Sinn.

Ach, wirklich?

Wollte er nicht im Grunde etwas ganz anderes? Nämlich diese heftige Begierde ausleben, die ihn mit fiebriger Hitze erfüllte, obwohl Kelly gerade aussah wie ein nasses Hündchen? Es war ihm unbegreiflich, aber sobald er diese Frau sah, wollte er sich mit ihr zwischen den Laken wälzen!

So war es leider schon immer gewesen.

Er konnte sich noch gut an ihren ersten ungeschickten Annäherungsversuch erinnern. Damals war sie noch keine achtzehn Jahre alt gewesen. Es hatte ihn zutiefst schockiert, dass die beste Freundin seiner Schwester ihr Verlangen nach ihm so offen zeigte, was seine schlimmsten Vorurteile über Frauen jedoch nur bestätigt hatte.

Romano hatte ihre Avancen natürlich zurückgewiesen und war dabei nicht gerade rücksichtsvoll mit ihr umgegangen, aber sie hatte ihm keine andere Wahl gelassen. Das Schlimmste dabei war noch gewesen, dass er tatsächlich in Versuchung gekommen war, ihr Angebot anzunehmen! Und das, obwohl sie sich ihm mit abstoßender Schamlosigkeit an den Hals geworfen hatte und als Freundin seiner kleinen Schwester sowieso tabu für ihn gewesen war.

Flach atmend knöpfte er ihr die völlig durchnässte Jacke auf und streifte sie ihr über die Schultern, wobei er darauf achtete, Kelly so wenig wie möglich zu berühren. Doch sogar das bloße Streifen ihrer Schultern mit den Fingerspitzen hatte eine verheerende Wirkung auf seine Libido. „Warum hast du dir keine warme Regenjacke angezogen?“, fragte er mit rauer Stimme, während er ihre Jacke an einen Garderobenständer hängte. „Nicht stylish genug?“

„Ich habe nicht mit so schlechtem Wetter gerechnet, wenn du es genau wissen willst!“

„Dann glaubst du also, in der Toskana scheint immer die Sonne?“, spöttelte er.

„Wenn du da bist, bestimmt nicht! Wie dem auch sei …“ Kelly sah sich suchend um. Je mehr ihre Locken trockneten, desto mehr ähnelte ihr Haar einem feurigen Heiligenschein. „Wo ist Floriana?“

„Lass uns dich erst mal abtrocknen“, sagte er ungeduldig.

„Das hört sich an, als sei ich ein Hund, der in eine Pfütze gesprungen ist.“

„Ein Hund würde mehr Dankbarkeit zeigen.“

„Ach, deshalb siehst du mich also so finster an! Zeige ich dir nicht genug Dankbarkeit, Romano? Was genau schwebt dir denn vor? Dass ich dir die Füße küsse vor lauter Dankbarkeit?“

„Es würde mir schon reichen, wenn du einfach die Klappe hältst.“

Romano fiel es schwer, den Blick von ihr loszureißen, obwohl sie alles andere als verführerisch angezogen war. Mit ihrem gestreiften Pullover sah sie aus wie eine Comicfigur, und ihre Jeans war weit geschnitten. Und trotzdem … Wie schaffte sie es bloß, ein so gewöhnliches Outfit so unglaublich sexy wirken zu lassen? „Du bist völlig durchnässt“, stellte er fest.

„Was du nicht sagst!“

„Wo sind eigentlich deine Sachen?“

„Im Wagen.“

„Ich habe gar keinen Wagen gesehen.“ Er runzelte die Stirn. „Wenn ich es recht bedenke, habe ich auch keinen gehört.“

„Kein Wunder. Er ist kurz vor der Einfahrt verreckt.“

„Verreckt?“ Obwohl Romano vier Sprachen fließend beherrschte, kannte er diesen englischen Ausdruck nicht.

„Er fährt nicht mehr. Auf der Straße lag irgendein Gegenstand. Vermutlich habe ich einen der Reifen beschädigt, als ich rübergefahren bin.“

„Vermutlich?“

„Was weiß ich?“, fragte sie genervt. „So oder so bin ich froh, dass ich es gerade noch hergeschafft habe. Mein Navi ging nämlich nicht, und dieses Schloss war echt nicht leicht zu finden.“

„Es steht auf einem Hügel. So schwer kann das ja wohl nicht sein!“

„Ein paar Hinweisschilder wären trotzdem ganz hilfreich gewesen! Außerdem ist es draußen ziemlich dunkel.“

Romano stieß einen frustrierten Fluch aus. „Gib mir deinen Schlüssel“, bellte er und holte seine Jacke.

Kelly war froh, ihn von hinten zu sehen, als er mit ihrem Schlüssel in der Hand zur Tür ging … Obwohl sie seine Rückseite fast genauso anziehend fand wie seine Vorderseite. Die Fahrt hierher war der reinste Albtraum gewesen – wie die Animationsverfilmung eines besonders schaurigen Märchens. Erst die ächzenden, sturmgepeitschten Bäume, dann das unheilvoll vor ihr aufragende Schloss und schließlich das im Innern sein Unwesen treibende Ungeheuer.

Die Bestie.

Aber leider war Romano kein Ungeheuer, sondern ein Mann.

Kelly atmete erleichtert auf, als er fort war. Wie sollte sie das kommende Wochenende nur überstehen? Es war ihr immer schon schwergefallen, sich in Romanos Gegenwart zu entspannen.

Seine Schönheit hatte etwas geradezu Bedrohliches – etwas, das ihn von anderen Normalsterblichen unterschied. Er war großgewachsen und muskulös, und seine Augen waren so dunkel wie eine sternenlose Nacht. Außerdem hatte sie immer das Gefühl, er könne ihr auf den Grund ihrer Seele blicken, was total lächerlich war, da er sie eigentlich nie anders als mit abgrundtiefer Verachtung ansah.

Sie musste an ihre erste Begegnung denken. Damals hatte sie im Internat an einem der Fenster der Krankenstation ihrer Mutter im ersten Stock gesessen, als er in einer glänzenden schwarzen Limousine mit Chauffeur gekommen war, um seine Schwester zum Mittagessen abzuholen.

Ob er ihren Blick damals bemerkt hatte? Jedenfalls hatte er zu ihr hochgesehen und für einen Moment die Augen zu schmalen Schlitzen verengt, während ihm der Wind das schwarze Haar in die Stirn geweht hatte.

Sein Anblick hatte Kelly einen richtigen Schock versetzt, weil er eine so ganz andere Ausstrahlung hatte als seine fröhliche Schwester. Abweisend. Hart und kalt. Und trotzdem hatte sie beim Anblick des sinnlichen Schwungs seiner Lippen sofort den seltsamen Wunsch verspürt, ihn zu küssen, und spontan ihr Herz an ihn verloren, obwohl sie genau gewusst hatte, dass sich ein erwachsener Mann wie er garantiert nicht für ein Schulmädchen wie sie interessierte.

Vielleicht hatte sie sich deshalb angewöhnt, sich vor jeder Begegnung mit ihm wie eine Möchtegernverführerin anzuziehen und so zu tun, als sei sie gerade unterwegs zu einer Party? Flo hatte sich immer köstlich darüber amüsiert, weil sie genau gewusst hatte, dass Kelly eigentlich total häuslich und brav war.

Nicht, dass Romano sie auch nur je eines Blickes gewürdigt hatte, ganz egal, was sie anzog oder wie sie sich benahm. In ihrer Verzweiflung hatte sie sich irgendwann von einer Mitschülerin ein besonders freizügiges Outfit geliehen und ihn gefragt, ob er im Pub etwas mit ihr trinken wollte. Ein gewaltiger Fehler, wie sich herausgestellt hatte, denn er hatte sie grausam abgefertigt.

„Geh weg, kleines Mädchen“, hatte er abfällig gesagt, und genau das hatte sie dann auch getan. Tief verletzt und gedemütigt.

Denk einfach nicht mehr daran! schärfte sie sich ein. Sie hatte ihre jugendliche Schwärmerei für Romano Castelliari schließlich längst abgelegt. Gott sei Dank, denn offensichtlich war er immer noch derselbe arrogante Snob und Kontrollfreak wie früher.

Er mag mich immer noch nicht, und ich ihn genauso wenig, und das ist auch völlig okay so.

Abgesehen davon hatte Kelly gerade ganz andere Sorgen. Sie wusste zum Beispiel nicht, wie sie die nächste Miete bezahlen sollte, nachdem das Restaurant, in dem sie Teilzeit als Kellnerin gearbeitet hatte, pleitegegangen war. Sie hatte das dort verdiente Geld dringend gebraucht, um die mageren Einnahmen aus ihrem Marktstand aufzustocken. Wie sollte sie in Zukunft nur über die Runden kommen?

Um sich von ihren Sorgen abzulenken, fragte sie sich, wo die anderen wohl steckten. Sie legte den Kopf schief und lauschte, hörte jedoch nur das Knistern der Flammen im Kamin und das Heulen des Windes. Wenn sie es recht bedachte, waren ihr auch keine Wagen in der Einfahrt aufgefallen, als sie gefühlt stundenlang an die alte Tür geklopft hatte. War sie mit dem italienischen Milliardär etwa allein in diesem Riesenschloss? Die Vorstellung war ihr irgendwie nicht geheuer.

Wenige Minuten später kehrte Romano zurück, zog sich seine tropfnasse Jacke aus und stellte ihren schäbigen Koffer auf dem Steinfußboden ab.

„Und? Konntest du den Wagen bewegen?“, fragte sie ihn.

„Nein.“

Verdammt, es war ein Mietwagen! Wie sollte sie die Reparatur nur bezahlen, wenn er wirklich kaputt war?

„Ich werde ihn morgen abschleppen und inspizieren lassen“, stieß Romano hervor.

„Danke.“

Kelly konnte nicht umhin, ihn von Kopf bis Fuß zu betrachten. Bisher hatte sie ihn immer nur im Anzug gesehen, aber heute trug er eine Jeans und einen schwarzen Kaschmirpullover. War ihm überhaupt bewusst, dass sich der Denim auf schon fast unanständige Art über seinen Oberschenkeln spannte? Ihr Herz begann bei dem Anblick so zu rasen, dass ihr fast schwindlig wurde. Machte Romano das etwa mit Absicht? Lenk dich ab, schärfte sie sich ein, ganz egal wie!

Sie räusperte sich errötend. „Du hast mir immer noch nicht verraten, wo Flo ist.“

„Sie sitzt in Frankreich im Schnee fest. An dem gottverlassenen Ort, den sie als ihr Zuhause bezeichnet. Sie und ihre Familie kommen erst morgen.“

„Erst morgen?!“

Er nickte grimmig. „Hat sie dich gar nicht informiert?“

Kelly zuckte die Achseln. „Vielleicht hat sie es versucht, aber ich hatte kaum Empfang, und inzwischen ist auch noch mein Handyakku leer.“

„Ich verstehe …“ Er musterte sie skeptisch von Kopf bis Fuß. „Hast du es etwa darauf angelegt, hier mit mir zu stranden?“

Sie sah ihn empört an. „Wie kommst du denn darauf? Fädeln es andere Frauen öfter so ein, dass sie mit dir allein sind, Romano?“

„Wenn du nur wüsstest“, sagte er gedehnt.

„Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass jemand bewusst deine Gesellschaft sucht!“

Er lächelte – es war zwar nur der Anflug eines Lächelns, es reichte jedoch, um Kellys Herz zum Schmelzen zu bringen. „Ach, wirklich?“, fragte er mit zuckersüßer Stimme.

Kelly spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss, als sie an das freizügige Kleid dachte, dass sie damals angezogen hatte, bevor sie ihn gefragt hatte, ob er mit ihr ausging, und wie peinlich sie dabei mit den Wimpern geflattert hatte.

„Wo steckt eigentlich deine Armee von Dienstboten?“, fragte sie, um das Thema zu wechseln, wenn auch nicht sehr subtil.

„Hier wohnen schon sehr lange keine Dienstboten mehr, und die wenigen Hausangestellten haben Feierabend, ob du es glaubst oder nicht. Wir leben schließlich nicht mehr im Mittelalter. Ich bin ein sehr rücksichtsvoller Arbeitgeber.“

„Und was ist mit deiner Mutter? Ist sie schon hier?“

Er zögerte kurz. „Meine Stiefmutter, meinst du wohl.“

Kelly rümpfte die Nase. „Sie hat dich immer wie einen Sohn behandelt.“

„Rosa war sehr lieb zu mir“, räumte er ein, bevor er die Lippen zu einer schmalen harten Linie zusammenpresste. „Aber deshalb bin ich trotzdem nicht ihr Sohn.“

Die Kälte in seinem Tonfall war nicht zu überhören. Kelly wusste nur, dass seine leibliche Mutter gestorben war, als er noch sehr klein gewesen war, aber mehr auch nicht. Niemand sprach über sie. Sogar Flo mit ihrer offenen Art vermied das Thema.

Romano räusperte sich. „Sie kommt zusammen mit Floriana hier an.“

„Und was ist mit deinem Bruder? Sorry, Halbbruder“, korrigierte Kelly sich. „Kommt er auch?“

Romano schüttelte den Kopf. „Nein. Er ist in New York. Und Angie ist hochschwanger und kann daher nicht fliegen.“ Er sah Kelly wieder feindselig an, bevor er resigniert seufzte. „Ich fürchte, wir müssen heute miteinander vorliebnehmen.“

„Du brauchst deswegen nicht gleich auszuflippen vor Freude“, sagte sie sarkastisch.

„Ich werde nichts vortäuschen, was ich nicht empfinde, Kelly.“

„Offensichtlich.“

„Wenn es nach mir ginge, wärst du gar nicht erst eingeladen worden.“ Er zuckte die Achseln. „Ich hätte nichts dagegen gehabt, dich nie wiederzusehen. Obwohl, streich das. Es hätte mich überglücklich gemacht.“

„Das beruht auf Gegenseitigkeit, glaub mir!“

Wütend funkelten sie einander in der von den flackernden Flammen erhellten Eingangshalle an.

„Bevor wir uns noch den ganzen Abend Beleidigungen an den Kopf werfen, solltest du vielleicht nach oben gehen und dir die nassen Sachen ausziehen“, sagte Romano schließlich. „Ich will nämlich nur ungern den Arzt stören, weil einer meiner Gäste eine Lungenentzündung bekommt.“

Kelly öffnete den Mund, um etwas Schneidendes zu erwidern, aber ihr Gehirn wollte irgendwie nicht richtig funktionieren. Vermutlich, weil Romano Castelliari gerade das Wort „ausziehen“ gesagt hatte, was prompt ihre Brustspitzen hart werden ließ. Wie absurd, dass ein so harmloses Wort eine solche Reaktion bei ihr auslösen konnte! Warum ließ ihr Körper sie nur so im Stich, obwohl sie Romano doch noch nicht mal mochte? Bitte lass ihn nichts merken, betete sie, während sie vorsorglich die Arme über der Brust verschränkte.

„Ich weiß nur nicht, welches Zimmer Floriana für dich vorgesehen hat.“

Kellys Empörung kam ihr zu Hilfe und lenkte sie von ihren kribbelnden Brüsten ab. „Ich auch nicht. Als ich das letzte Mal hier war, musste ich nämlich im Hotel im Dorf übernachten. Wahrscheinlich war ich nicht gut genug für dein kostbares Schloss!“

Wieder sahen sie einander wütend an. „Du weißt genauso gut wie ich, dass ich dich nur von meiner Schwester fernhalten wollte.“

„Obwohl ich ihr als Brautjungfer eigentlich rund um die Uhr zur Verfügung stehen sollte?“

„Mir missfiel eben dein Einfluss auf sie.“ Seine schwarzen Augen blitzten verärgert auf. „Zu Recht offensichtlich, da du sie dazu aufgestachelt hast, in der Nacht vor der Hochzeit davonzulaufen und Schande über die Castelliari-Familie zu bringen!“

„Das Glück deiner Schwester sollte dir ja wohl wichtiger sein als der Ruf deiner Familie!“, widersprach Kelly hitzig. „Außerdem habe ich sie keineswegs zu irgendetwas ‚aufgestachelt‘. Die Flucht war allein ihre Idee.“

„Dann hättest du sie zurückhalten müssen!“, stieß er frustriert hervor. „Oder mich um Hilfe bitten!“

„Und warum hätte ich das tun sollen?“, schoss sie zurück. „Du warst der Letzte, zu dem ich gegangen wäre, nachdem du sie mehr oder weniger an einen alten reichen Mann verschachert hast!“

„Jetzt übertreib mal nicht so! Graf Alfonso de Camino wäre ein ausgezeichneter Ehemann geworden. Er hätte zumindest gut für Floriana gesorgt, ganz anders als ihr jetziger Mann.“

„Floriana ist sehr glücklich mit Max!“

Romano schnaubte verächtlich. „Fragt sich nur, wie lange noch. Ohne Geld ist das Glück nämlich sehr schnell vorbei.“

„Dann gib ihnen doch welches!“

„Glaubst du etwa, das habe ich nicht schon versucht? Ich habe Max angeboten, hier die Verwaltung zu übernehmen, aber er ist anscheinend nicht nur arm, sondern auch stolz. Eine unheilvolle Kombination, wenn du mich fragst!“

Kelly betrachtete irritiert sein grimmiges Gesicht. „Hast du allen Ernstes von ihr erwartet, einen Mann zu heiraten, den sie nicht liebt?“

„Ich bitte dich! Liebe ist doch nur ein anderes Wort für Lust. Wer daran glaubt, ist selbst schuld, wenn er sich damit ins Unglück stürzt!“

Kelly seufzte. „Was bist du nur für ein Zyniker, Romano!“ Sie wollte sich gerade von ihm abwenden, als eine plötzliche Veränderung in seinem Mienenspiel sie davon abhielt. Sie konnte den Blick gar nicht mehr von ihm losreißen.

Sie schluckte, als ihr bewusst wurde, was für widersprüchliche Signale er ausstrahlte. Denn neben seiner Verbitterung und Ungeduld sah sie etwas, das fast wie … Verlangen aussah. Wenigstens nahm ihr Körper das so wahr, denn in ihrem Unterleib begann es heiß zu pulsieren. Sie verspürte plötzlich den verrückten Wunsch, sich an ihn zu schmiegen, ihre Hüften an ihm zu reiben und ihn zu bitten … nein, ihn anzuflehen, sie …

Wieder schluckte sie. Wie war es nur möglich, jemanden so zu begehren, den man eigentlich hasste? Sich so nach dessen Berührung zu sehen, als hinge das Leben davon ab?

Sie wusste, dass er ihr immer noch die Schuld für Florianas geplatzte Hochzeit mit dem älteren Grafen gab. Für eine Weile war sie deswegen bei ihm so tief in Ungnade gefallen, dass sie noch nicht mal zur extrem minimalistisch gefeierten Taufe von Florianas und Max’ erstem Kind eingeladen worden war.

Aber inzwischen müsste er sich doch eigentlich wieder beruhigt haben. Sie waren ja schließlich erwachsen, oder?

Kellys Körper prickelte immer heftiger unter Romanos Blick und meldete Bedürfnisse an, zu denen sie kein Recht hatte. Nicht bei ihm.

Sie leckte sich die plötzlich trockenen Lippen. „Wolltest du mir nicht mein Zimmer zeigen?“

Sein herrisches Nicken brach den sinnlichen Bann, unter dem sie stand.

„Komm mit.“

Als sie ihm die geschwungene Treppe hochfolgte, fiel ihr wieder auf, wie unwohl sie sich immer in diesem riesigen Schloss fühlte. Sie passte einfach nicht hierher. Sie war nun mal ganz anders, das hatte sie schon immer gewusst. Floriana hatte Geld gehabt, eine gute gesellschaftliche Stellung und über Jahrhunderte gewachsene Beziehungen. Während Kelly … nichts hatte.

Es fiel ihr schwer, in dem langen, mit ausgeblichenen Seidenteppichen belegten Flur mit Romano Schritt zu halten, bis er plötzlich vor einer Tür stehenblieb und sie öffnete.

„Da drin kannst du schlafen“, grummelte er und stellte ihren Koffer ab, machte jedoch keine Anstalten, das Zimmer zu betreten, als würde ihre Anwesenheit es irgendwie verseuchen. „Du müsstest hier alles haben, was du für zwei Nächte brauchst. Das Badezimmer ist im Flur.“

„Oje, was für eine Tragödie, das Bad auf dem Gang“, witzelte sie halbherzig, um sich vom Anblick des großen Betts abzulenken.

Er presste missbilligend die Lippen zusammen. „Das hier ist ein Schloss, kein Hotel.“

Offensichtlich. Ein Hotel würde nie jemanden einstellen, der so unfreundlich ist!

„Komm runter in die Küche, wenn du dich umgezogen hast“, fuhr er fort. „Ich mach uns dort was Warmes zu essen.“

Mit diesen Worten dreht er sich um und ging. Kelly sah ihm verdutzt blinzelnd hinterher. Hatte sie gerade richtig gehört? Wollte er sie tatsächlich bewirten? Der hypermännliche Auto-Tycoon wollte höchstpersönlich die Arme hochkrempeln und kochen?

Aber wahrscheinlich würde er nur irgendein Fertiggericht aufwärmen. Sie konnte sich nämlich beim besten Willen nicht vorstellen, dass Romano Castelliari je auch nur einen Finger in einer Küche krummmachte. Dazu hatte er viel zu viele Untergebene, von seinen noch zahlreicheren Liebhaberinnen ganz zu schweigen.

Seufzend zog sie ihre nassen Sachen aus und hängte sie über einen Heizkörper. Ein Outfit weniger, bis es wieder trocken war. Frustriert betrachtete sie den dürftigen Inhalt ihres kleinen Koffers. Wegen ihres Billigtickets hatte sie nur Handgepäck mitnehmen dürfen, aber trotzdem …

Beim Anblick des riesigen Wandteppichs musste sie schlucken. Sie hatte absolut nichts Passendes für eine Taufe im Schloss eines Milliardärs anzuziehen. Die anderen Gäste würden zweifellos alle teure Designersachen tragen. Ihr langes geblümtes Kleid konnte da nie im Leben mithalten.

Kelly nahm ihr einziges anderes Kleidungsstück aus dem Koffer und betrachtete es kritisch. Es bestand aus gebrauchtem weinrotem Samt, den sie günstig auf dem Markt gekauft hatte. Ihr blieb nichts anderes übrig, als es jetzt anzuziehen, auch wenn sie darin Bein zeigen würde, was ihr irgendwie … unangenehm war.

Aber das lag nur an Romano. Er verunsicherte sie total.

Sie machte sich auf die Suche nach dem Bad und fand es zwei Türen weiter. Zu ihrer Überraschung war es sehr geräumig und ganz modern eingerichtet. Das Wasser war angenehm heiß, und die teure Seife duftete nach Bergamotte und Lavendel.

Nachdem Kelly geduscht hatte, fühlte sie sich zum ersten Mal seit ihrer Ankunft wieder halbwegs frisch. Sie kehrte in ihr Zimmer zurück, bändigte ihre roten Locken und legte handgearbeitete Silberohrringe an, die im Schein der Deckenlampe funkelten.

Ihre Augen waren nervös geweitet, als sie sich im Spiegel betrachtete. Auch das lag natürlich an Romano Castelliari, aber sie sollte sich nicht von ihm einschüchtern lassen, und schon gar nicht sollte sie ihn begehren. Diese Zeiten waren eigentlich längst vorbei.

Trotzdem wollten ihre Hände gar nicht mehr aufhören zu zittern, als sie ihr Zimmer verließ.

2. KAPITEL

Romano spürte Kellys Gegenwart, noch bevor er sie sah. Er wusste einfach, dass sie da war, obwohl sie kein Geräusch von sich gab. Als würde sie bei ihm irgendeine Art sechsten Sinn aktivieren, der nur auf sie ansprang. Wie zum Teufel machte sie das nur?

Als er sich langsam zu ihr umdrehte, stand sie in der Tür der Schlossküche und sah aus, als wäre sie am liebsten ganz weit weg. Anscheinend legte sie keinen großen Wert auf seine Gesellschaft.

Tja, da sind wir schon zwei, cara, dachte er grimmig, obwohl ihn das wilde Pochen seines Herzens Lügen strafte. Ihr weinrotes Kleid schmiegte sich eng um ihre üppigen Kurven. Der verblichene Stoff wirkte seltsam passend in dieser alten Umgebung, genauso wie der altmodische Farbton. An Kellys Ohren glitzerte es silbern, ihr Haar schimmerte feuerrot und die grünen Augen in ihrem herzförmigen Gesicht wirkten riesig.

Sie sah aus wie einem alten Gemälde entsprungen. Im Stillen verfluchte er sich für diese Assoziation, genauso wie für die Tatsache, dass ihm bei ihrem Anblick prompt wieder das Blut in die Lenden schoss.

Er zeigte auf den Tisch. „Du kannst dich dahin setzen“, sagte er. „Das Essen ist gleich fertig.“

Zögernd trat sie ein. „Wenn es dir nichts ausmacht, würde ich lieber ein bisschen herumgehen. Ich saß vorhin stundenlang in diesem schrecklichen Wagen.“

„Wie du willst.“ Romano zuckte die Achseln, doch seine Gleichgültigkeit war nur gespielt. Es machte ihm nämlich sehr wohl etwas aus, dass sie hier herumlief. Er wollte sie nicht in seiner Nähe haben, wollte weder ihre Körperwärme spüren noch den zarten Duft ihres Parfums einatmen. Er wollte, dass sie in sicherer Entfernung von ihm am Tisch saß, halb verborgen vor seinem Blick. Denn dieses Kleid …

Sein Hals wurde ganz trocken, als er versuchte, sich an ihren neuen Look zu gewöhnen. Die jugendliche Möchtegern-Femme-fatale in dem ultrakurzen hautengen Satinkleid war genauso verschwunden wie die ganz in Schwarz gekleidete Kunststudierende mit dem pink gefärbten Haar, den Springerstiefeln und dem Ring in der Nase. Dieser Look hatte ihm nie gefallen, und trotzdem hatte Kelly bei jedem Wiedersehen eine fast unwiderstehliche Anziehungskraft auf ihn ausgeübt.

Natürlich hatte er sich stets von ihr ferngehalten. Gott sei Dank war es ihm immer sehr leicht gefallen, seine Erregung in Abneigung zu verwandeln.

Als sie sich nach Jahren vor der dann gar nicht stattfindenden Hochzeit seiner Schwester wieder begegnet waren, hatte es wieder unglaublich zwischen ihnen geprickelt. Er konnte sich noch gut an ihre verstohlenen Blicke erinnern – verheißungsvolle, hungrige Blicke. Ihre roten Korkenzieherlocken hatten ihr bis zu den üppigen Brüsten gereicht. Er wusste noch genau, wie sehr er sich danach gesehnt hatte, Kellys Brüste zu umfassen, ihren Duft zu atmen und ihre aufgerichteten Spitzen zu lecken.

Wer weiß, was zwischen ihnen passiert wäre, wenn sie damals nicht mit Floriana weggelaufen wäre? Ob er wohl mit Kelly im Bett gelandet wäre? Romano lachte kurz auf. Schon möglich. Schließlich war auch er nur ein Mensch. Gerade noch mal davongekommen, dachte er grimmig.

Leider fühlte es sich nicht so an. Hätte er damals mit ihr geschlafen, wäre er jetzt wenigstens über sie hinweg. Immun gegen den Zauber, den sie auf ihn ausübte. Das war bei ihm nämlich immer so. Kaum hatte er eine Frau gehabt, langweilte sie ihn auch schon. Mit Sicherheit hätte er jetzt nicht dieses fast unwiderstehliche Verlangen, die Finger durch Kellys Locken gleiten zu lassen und ihre hübschen Lippen zu küssen.

Erst jetzt fielen ihm die dunklen Schatten unter ihren Augen auf. Anscheinend hatte sie in letzter Zeit nicht viel Schlaf bekommen. Machte sie immer noch so gern die Nacht zum Tag wie früher? War sie davon so erschöpft?

„Was willst du trinken?“, fragte er sie heiser.

„Nur Wasser.“ Kopfschüttelnd erwiderte sie seinen skeptischen Blick. „Sieh mich nicht so überrascht an, Romano! Dachtest du etwa, ich würde jetzt eine Weinflasche auf ex austrinken?“

„Warum nicht? Schlechte Angewohnheiten sind manchmal schwer abzulegen“, sagte er gedehnt. „So oft, wie du früher ausgegangen bist, hast du doch bestimmt öfter zu viel getrunken.“

„Ach, das“, erwiderte sie abwinkend. „Das ist schon so lange her, dass ich mich kaum noch daran erinnern kann. Du brauchst mich übrigens nicht zu bedienen. Wenn du mir sagst, wo die Gläser stehen, hol ich mir selbst Wasser. Ich bin sehr unabhängig.“

„Nein.“ Romano nahm eine Flasche Mineralwasser aus dem Kühlschrank und füllte ein Glas damit, bevor er es Kelly reichte. „Ich will nicht, dass du mir im Weg rumstehst.“

„Kann ich mir vorstellen.“ Sie trank einen Schluck und stellte das Glas seufzend auf den Tisch. „Flo hat recht, du bist wirklich ein absoluter Kontrollfreak.“

„Das kann ich nicht abstreiten.“

„Wahrscheinlich fasst ein Mann wie du das sogar als Kompliment auf, oder?“

„Hast du etwa ein Problem damit, Kelly?“, fragte er spöttisch. „Stehst du nur auf Männer, die du herumschubsen kannst? Die alles tun, was du willst? Jasager?“

Ihm fiel auf, dass sie sich verunsichert auf die Unterlippe biss. Hatte er vielleicht ins Schwarze getroffen, und sie stand tatsächlich auf unterwürfige Männer? Während er versuchte, schlau aus ihr zu werden, wurden seine sexuellen Fantasien immer lebhafter.

„Ich glaube, wir vergessen das hier“, riss sie ihn aus seinen erotischen Gedanken. „Ich gehe besser wieder in mein Zimmer und lass dich in Ruhe.“

Missbilligend sah Romano sie an. „Du warst den ganzen Tag unterwegs.“

„Na und?“

„Du musst doch Hunger haben.“

„Ich kann mir auch einfach ein Sandwich machen und es mit nach oben nehmen.“

Angewidert verzog er das Gesicht. „Auf keinen Fall. Das ist hier nicht üblich.“

„Warum? Zu vulgär? Oder hast du Angst, dass ich Ratten anlocke, wenn ich in meinem Zimmer krümele?“

„Willst du mich etwa schockieren, Kelly?“

„Das dürfte bei dir ja wohl kein Problem sein, oder, Romano?“

Ein widerstrebendes Lächeln umspielte seine Lippen. „Meinst du nicht, wir halten eine gemeinsame Mahlzeit durch, ohne uns gegenseitig umzubringen?“

„Möglicherweise“, räumte sie widerstrebend ein.

Als er sich wieder zu dem großen altmodischen Herd umdrehte, wurde Kelly bewusst, dass ihr der Appetit gründlich vergangen war. Wie konnte sie auch an etwas so Banales wie Nahrungsaufnahme denken, wenn Romano vor ihren Augen in der Küche herumstolzierte und mit Töpfen hantierte wie ein sexy Zauberkünstler?

Der mächtige Tycoon schien sich in dieser häuslichen Umgebung erstaunlich wohlzufühlen. Er hatte sogar die großen cremeweißen Kerzen auf dem Tisch angezündet, was die Atmosphäre verstörend intim machte. Als seien sie ein Paar.

Aber wie wollte Kelly das überhaupt beurteilen? Sie hatte schließlich noch nie eine richtige Beziehung gehabt. Ob das wohl mit der negativen Einstellung ihrer Mutter Männern gegenüber zusammenhing? Hatte sie im Laufe der Jahre auf Kelly abgefärbt? Aber vielleicht war der wahre Grund für ihre mangelnde Beziehungserfahrung ja viel verstörender. Vielleicht gehörte sie zu jenen Menschen, die einfach nicht für die Liebe geschaffen waren.

Sie beobachtete, wie Romano einen Salat vorbereitete und Parmesan rieb, bevor er alles zusammen mit zwei dampfenden Tellern Pasta auf den Tisch stellte.

„Setz dich!“

Sie nahm ihm gegenüber Platz und betrachtete sein unergründliches Gesicht. Sag was! befahl sie sich und räusperte sich. „Ich wusste gar nicht, dass du kochen kannst.“

Er hob die Augenbrauen. „Warum überrascht dich das so? Weil ich ein Mann bin? Findest du das nicht etwas sexistisch?“

Sie zuckte die Achseln. „Es passt einfach nicht zu dem, was ich über dich weiß.“

„Und das wäre?“

Kelly wickelte ein paar Spaghetti mit der Gabel auf und schob sie sich in den Mund, bevor sie antwortete. Erst jetzt wurde ihr bewusst, wie hungrig sie war. „Dass du ein Mann bist, der sein ganzes Leben lang von vorn bis hinten bedient wurde.“

Auf einmal wirkte sein Gesicht nicht mehr unergründlich, sondern verärgert. „So siehst du mich also, Kelly?“, fragte er mit seidenweicher Stimme. „Als jemand, der mit einem goldenen Löffel im Mund geboren wurde?“

„Ist es denn nicht so?“

„Meine Familie mag Geld haben, aber ich stehe schon sehr lange finanziell auf eigenen Beinen, weil ich von nichts und niemandem abhängig sein will. Und genau deshalb kann ich auch kochen. So, und jetzt iss“, befahl er. „Du siehst aus, als könntest du eine warme Mahlzeit gut gebrauchen. Genauso wie etwas Schlaf, so dunkle Augenringe, wie du hast. Ich nehme an, du hast mal wieder wild gefeiert?“

Wenn er nur wüsste! „Ach, dann weißt du also Bescheid?“, fragte sie mit gespielter Unschuld. „Woher? Von Floriana?“

„Nein. Ehrlich gesagt reden wir nie über dich, wenn wir telefonieren, was selten genug vorkommt.“

Es wunderte Kelly nicht, dass sie bei den Telefonaten kein Gesprächsthema war. Warum sollte Romano sich auch für sie interessieren?

Jedem anderen Menschen würde sie jetzt wahrscheinlich die Wahrheit sagen – dass sie so gut wie kein Privatleben hatte und auch fast nie ausging. Dass sie fast jeden Abend als Kellnerin arbeitete und den Rest ihrer Zeit damit verbrachte, Silberschmuck anzufertigen, den sie in ihrer Stadt auf dem Markt verkaufte. Dass ihr Leben fast ausschließlich aus harter Arbeit bestand, damit sie genug Geld für die Miete zusammenbekam.

Ihr Herzschlag beschleunigte sich, als ihr wieder einfiel, dass sie jetzt noch nicht mal mehr ihren Kellnerinnenjob hatte …

Aber sie hatte nicht vor, ihm das zu sagen. Wozu auch? Sie wollte sein Mitleid nicht! Außerdem war diese Situation für sie irgendwie leichter zu ertragen, wenn er sie als Flittchen betrachtete. Denn was wäre, wenn er ihr gegenüber plötzlich so etwas wie Achtung zeigte, statt die übliche Feindseligkeit? Würde sie das nicht nur umso verletzlicher machen? Nein, sollte er seine Vorurteile ruhig behalten.

„Ich will das Leben einfach voll ausschöpfen“, erklärte sie und zuckte die Achseln, sodass ihre Wasserfallohrringe leise klimperten. Ihr fiel auf, dass das Geräusch für einen Moment seine Aufmerksamkeit fesselte. „Für mich ist es wie eine einzige nicht enden wollende Party, weißt du?“

„Klar weiß ich das.“ Er funkelte sie verärgert an. „Ich habe nicht vergessen, dass du Floriana früher immer auf Abwege geführt hast.“

Kelly holte tief Luft. War er wirklich nie darauf gekommen, dass es viel einfacher für die anderen gewesen war, ihr die Schuld für ihre jugendlichen Vergehen in die Schuhe zu schieben? Die Tochter der Schulkrankenschwester war schließlich ein viel geeigneterer Sündenbock als die Tochter eines der reichsten Männer Italiens, der dem Internat auch noch regelmäßig große Geldsummen spendete.

Wenn damals jemand einige Mitschülerinnen auf Abwege geführt hatte, dann Floriana! Aber auch das würde sie Romano nicht verraten, schon allein aus Loyalität ihrer Freundin gegenüber. Abgesehen davon hatten ihre angeblichen Vergehen sich sowieso nur darauf beschränkt, den letzten Zug nach Hause zu verpassen und ein Vermögen für ein Taxi ausgeben zu müssen – oder heimlich draußen zu rauchen und sich anschließend zu übergeben.

„Stimmt, wir haben es damals ganz schön wild getrieben“, bestätigte sie ironisch.

„Nicht nur damals, oder?“ Die Verachtung in seiner Stimme war nicht zu überhören.

„Mag sein.“ Allmählich erwärmte sie sich fast für das Thema. Denn das hier, Romanos Missbilligung und Verachtung, war vertrautes Terrain. „Tief im Innern bin ich anscheinend immer noch die wilde Kunststudentin geblieben“, sagte sie achselzuckend.

Sie sah einen Muskel an seiner Schläfe zucken.

„Und was ist mit Männern?“, murmelte er.

„Worauf willst du hinaus, Romano?“ Sie klimperte mit übertriebener Unschuld mit den Wimpern. „Was soll mit ihnen sein?“

„Hast du … viele?“

Kelly erstarrte. Das hier war die vermutlich beleidigendste Frage, die sie je von ihm gehört hatte. Sie könnte ihm das vielleicht noch nachsehen, wenn sie das Gefühl hätte, dass er einfach nur schlecht Englisch sprach und sich daher etwas ungeschickt ausdrückte, aber er beherrschte die Sprache fast so gut wie sie. Wie er wohl reagieren würde, wenn sie ihm sagen würde, dass sie erstens keine Zeit für Beziehungen hatte und zweitens sowieso niemandem begegnete, den sie auch nur ansatzweise attraktiv fand?

Aber wenn sie ihm das erzählte, hielt er sie womöglich für einen hoffnungslos traurigen Fall. Nein danke, da war sie lieber das leichtlebige Partygirl für ihn!

Sie schüttelte sich das Haar aus dem Gesicht und sah ihn herausfordernd an. „Was glaubst du denn?“

Er presste die Lippen zusammen. „Ich bezweifle, dass du das wirklich wissen willst.“

„Doch, sag es mir, bitte! Ich brenne förmlich vor Neugier!“

„Na schön, wenn du es genau wissen willst – ich gehe davon aus, dass du dich scharenweise mit Männern vergnügst.“

„Scharenweise?“

„Warum nicht?“, sagte er achselzuckend. „Du bist eine sehr schöne Frau.“

Das Kompliment kam so unerwartet, dass ihr das Blut ins Gesicht schoss. Zu ihrer Bestürzung stellte sie fest, dass es sie sofort etwas milder stimmte.

Sie wusste jedoch nicht, was sie darauf antworten sollte. Sollte sie sich bei ihm bedanken? Wie reagierte man auf ein Kompliment von seinem Erzfeind, ohne das Gesicht zu verlieren?

Was er als Nächstes sagte, überrumpelte sie sogar noch mehr. „Aber ich glaube, du solltest dir allmählich einen anderen Lebensstil angewöhnen, bevor du zu alt wirst.“

„Zu alt?“, wiederholte sie fassungslos.

Er nickte ungerührt. „Ja. Denn irgendwann macht man sich damit nur noch lächerlich, Kelly. Ich kenne mehrere ehemalige Partygirls. So ein Lebenswandel hinterlässt Spuren, glaub mir.“ Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und betrachtete sie abschätzig. „Motten, die immer wieder zu dicht an die Flamme fliegen, verbrennen sich nun mal irgendwann die Flügel.“

„Wow! Und ich dachte tatsächlich, du bist ausnahmsweise mal nett zu mir.“ Kelly knallte ihre Gabel auf den Tisch. „So, jetzt wo du mich und mein Leben durch den Dreck gezogen hast, kommen wir doch zur Abwechslung mal auf dich zu sprechen.“

„Nichts dagegen.“

Sie schob ihren Teller weg. „Flo sagt, du bist kaum hier.“

„Na und? Mein Verwalter kommt auch ohne mich klar. Ich muss nicht persönlich die Trauben oder Oliven pflücken, die Kühe melken oder die Etikettierung der Weinflaschen beaufsichtigen, damit die landwirtschaftliche Seite des Castelliari-Imperiums läuft“, erklärte er spöttisch. „Das wäre schon rein logistisch ein bisschen problematisch, da ich noch eine Autofabrik in Turin sowie ein internationales Rennteam leite.“

„Was dir beides durch eine Erbschaft in den Schoß gefallen …“

„Was beides kurz vor der Pleite stand, als ich die Leitung übernahm“, unterbrach er sie schroff.

„Stimmt, du hast das Ruder wieder rumgerissen.“ Mit ironischer Ergebenheit hob sie die Hände. „Das muss ich dir lassen. Anscheinend bist du doch nicht nur ein verwöhnter reicher Junge.“

Er musterte sie aus schmalen Augen. „War das alles, was du mir zu sagen hast?“

„Nein. Du bist ein Jetsetter, Romano, und führst ein Leben auf der Überholspur. Welches Recht hast du eigentlich, mir ein wildes Partyleben und wechselnde Männerbekanntschaften vorzuwerfen, wenn du selbst nicht besser bist? Du hast ja keine Ahnung, wie oft ich dich auf Fotos schon aus irgendwelchen Nachtclubs habe kommen sehen, und zwar nie zweimal mit derselben Frau!“

Er musterte sie interessiert. „Du weißt ja ganz schön viel über mich, Kelly.“

„Das lässt sich auch kaum vermeiden. Das Internet ist voll mit Fotos von dir!“

„Dann verfolgst du mein Leben also im Internet?“

„Bild dir bloß nichts ein! Ich kriege ab und zu Benachrichtigungen über dich, wahrscheinlich wegen Floriana, aber darum geht es hier nicht“, fügte sie etwas nervös hinzu, als ihr bewusst wurde, dass er sie jetzt womöglich für eine Stalkerin hielt. „Ich finde es total unfair, dass du Männer und Frauen mit zweierlei Maß misst, und das heutzutage! Wenn eine Frau ausgeht und ihren Spaß hat, steckt die Gesellschaft sie dafür in sehr wenig schmeichelhafte Schubladen, aber wenn ein Mann das Gleiche tut – tja, dann ist das natürlich etwas ganz anderes!“

Sie schob ihren Stuhl zurück und stand auf. „So, und damit ist dieses Gespräch für mich erledigt. Danke fürs Abendessen“, fügte sie etwas steif hinzu. „Ich gehe jetzt besser ins Bett.“

Romano erhob sich ebenfalls. Er war so groß gewachsen und strahlte so viel Power und Energie aus, dass Kelly sich neben ihm auf einmal seltsam zerbrechlich fühlte. Ihr Körper reagierte sofort auf seine Nähe. So stark, dass ihr auf einmal die unpassendsten Fragen durch den Kopf schossen. Zum Beispiel, warum andere Männer nie eine solche Wirkung auf sie hatten und ausgerechnet er so intensive Empfindungen in ihr auslöste …

„Ich bring dich nach oben.“

Sie schüttelte den Kopf. „Ich finde auch ohne deine Hilfe zurück.“

„In Anbetracht der Tatsache, wie lange du dafür gebraucht hast, das Castello zu finden, möchte ich nur sehr ungern das Risiko eingehen, dass du hier nachts herumirrst und mich in meiner Nachtruhe störst.“

„Du gehst mir echt auf die Nerven, weißt du das?“

Insgeheim war sie jedoch froh über seine Gesellschaft, als sie an seiner Seite die unterirdischen Korridore entlangging, die aus dem Keller des Schlosses hinausführten. Die alten Gemäuer gaben ächzende Geräusche von sich. Als sie die Treppe hochstiegen, fragte Kelly sich, wie viele Füße sie wohl im Laufe der Jahre betreten hatten? Brachte Romano ab und zu Liebhaberinnen her? Und warum fiel es ihr eigentlich so leicht, sich seinen nackten muskulösen Körper im Mondlicht auf einem Bett vorzustellen?

Sie verdrängte diese Fantasien und versuchte, sich stattdessen auf seine Macken zu konzentrieren, von denen er weiß Gott mehr als genug hatte. Seine kalte herrische Art zum Beispiel und seine zynische Einstellung der Liebe gegenüber. Oder wie er immer versuchte, sich in das Leben seiner Schwester einzumischen.

Sie drehte sich zu ihm um, als sie vor ihrer Tür ankamen. „So, dann versuche ich mal, meine hässlichen Augenringe loszuwerden“, sagte sie spitz.

Wieder sah sie plötzlich etwas anderes als Abneigung in seinem Blick. Ein Glühen, das ihr durch und durch ging. Ihr stockte der Atem, und sie bekam weiche Knie.

„Von hässlich habe ich nichts gesagt. Ich habe nur deinen Lebensstil kritisiert, nicht dein Aussehen.“

Als er sich umdrehte, um zu gehen, öffnete sie rasch ihre Tür und betrat ihr Zimmer, um gar nicht erst in Versuchung zu kommen, ihm hinterherzusehen. Das wäre nämlich viel zu verräterisch. Romano durfte auf keinen Fall merken, wie sehr sie ihn immer noch begehrte!

Und das, obwohl sie ihn doch gar nicht mochte …

3. KAPITEL

„Kelly! Kelly! Wach auf!“

Kelly hielt die Augen bewusst geschlossen, denn sie wollte das Reich der Träume nur sehr ungern verlassen. Helles Tageslicht drang durch ihre geschlossenen Lider, und der Duft von frischem Kaffee stieg ihr in die Nase. Trotzdem wehrte sie sich gegen das Wachwerden. Sie hatte letzte Nacht nämlich eine Ewigkeit zum Einschlafen gebraucht, weil ihr Körper so … so rastlos gewesen war.

Am liebsten wäre sie für immer in dieser himmlischen Traumwelt geblieben, in der Romano Castelliari die Zunge langsam über ihren Hals gleiten ließ, während seine Fingerspitzen hauchzart vom Saum ihres Kleides zu ihrem Slip tänzelten …

Sie schluckte.

Seit wann habe ich erotische Träume von meinem Erzfeind?!

Als sie die Augen aufschlug und Floriana die Läden ihrer Schlafzimmerfenster aufklappen sah, war sie froh über die Gelegenheit, ihre erhitzten Gesichtszüge zu einer möglichst neutralen Maske arrangieren und ihren hämmernden Herzschlag beruhigen zu können.

Rasch zog sie das kuschelige Oberteil ihres Flanellpyjamas zurecht und setzte sich auf, wobei ihr der cremige Cappuccino auf ihrem Nachttisch auffiel. Floriana musste ihn dort hingestellt haben.

Trotz ihrer gemischten Gefühle musste Kelly lächeln. Ihre Schulfreundin hatte schon immer eine aufheiternde Wirkung auf sie gehabt. Sie kannten sich, seit sie dreizehn Jahre alt waren. Damals war Floriana auf das Eliteinternat gekommen, in dem Kellys Mutter als Krankenschwester gearbeitet hatte, was Kelly in den Genuss einer kostenlosen Schulbildung gebracht hatte, die ihr angeblich die gleichen Chancen gab wie den anderen Schülerinnen des schicken Etablissements.

Aber das war nicht der Fall gewesen. Man hatte Kelly schon damals nie vergessen lassen, dass sie quasi ein Sozialfall war und ihre Existenz nur von der Großzügigkeit anderer Menschen abhing. Ihre Uniform war natürlich genauso secondhand gewesen wie ihre Bücher. Weder war sie bei Klassenreisen mitgefahren noch in den Ferien zu irgendjemandem nach Hause eingeladen worden. Die einzige Ausnahme war Floriana Castelliari gewesen. Sie hatte Kelly tatsächlich gemocht.

Kelly setzte sich noch etwas höher in den Kissen auf. „Guten Morgen, Flo!“

„Ah, endlich bist du wach!“ Floriana drehte sich um und strich sich lächelnd das glänzende dunkle Haar hinter die Ohren. „Ich dachte, du bist Frühaufsteherin. Ich habe dir einen Kaffee mitgebracht.“

„Hab ich schon gesehen. Grazie.“ Kelly gähnte. „Wie spät ist es eigentlich?“

„Schon fast elf.“

„Was?!“

Wie auf ein Stichwort begannen in diesem Moment zeitlich etwas versetzt mehrere Uhren in verschiedenen Räumen des Schlosses zu schlagen.

„Du hörst es ja selbst.“ Floriana kam zum Bett. „Ich bin ja so froh, dass wir endlich hier angekommen sind.“ Sie bückte sich, um Kelly zu umarmen. „Ich habe versucht, dich anzurufen, um dir mitzuteilen, dass wir uns verspäten werden, aber dein Handy war anscheinend ausgeschaltet. Wie ich gehört habe, hast du dich verfahren, dein Auto geschrottet und standst dann vor der Tür wie ein begossener Pudel?“

„Hat Romano das erzählt?“

„Na ja, er hat es eher auf seine übliche missmutige Art vor sich hingegrummelt.“ Florianas Augen funkelten belustigt. „Wie lief es eigentlich mit euch beiden allein? Habt ihr euch vertragen?“

„So halbwegs. Es ist uns immerhin gelungen, uns nicht an die Gurgel zu gehen.“

„Wie beruhigend!“

„Er hat mir sogar was zum Abendessen gemacht.“

„Er hat – was?! Wie ungewöhnlich gastfreundlich von ihm.“ Floriana betrachtete Kelly stirnrunzelnd. „Du siehst aber auch so aus, als könntest du etwas Aufpäppelung gut vertragen.“

Ein Puls flatterte in Kellys Hals. „Genau das hat er …“

„Was?“

Kelly schüttelte den Kopf. „Ach, egal.“

„Ich finde das nicht egal.“ Floriana betrachtete sie besorgt. „Irgendetwas stimmt doch nicht mit dir, Kell, das merke ich dir deutlich an!“

Kelly biss sich auf die Unterlippe. Eigentlich hatte sie ihre prekäre finanzielle Situation gar nicht erwähnen wollen, zumindest nicht dieses Wochenende, an dem sie Taufpatin werden sollte. Wozu die gute Stimmung ruinieren?

Aber ihre Sorgen wurden immer bedrückender, seit sie die schlechte Neuigkeit von der Restaurantpleite bekommen hatte. Wenn sie nicht darüber redete, würde sie noch platzen, und Florianas Blick … Kelly wusste gar nicht, wann sie das letzte Mal so mitfühlend angesehen worden war. Und wenn sie sich ihrer ältesten Freundin nicht anvertrauen konnte, wem dann?

„Ach, ich hab nur Geldprobleme“, antwortete sie achselzuckend.

„Geldprobleme?“

Sie nickte. „Das Restaurant, in dem ich die letzten vier Jahre nebenbei als Kel...

Autor

Susan Meier
<p>Susan Meier wuchs als eines von 11 Kindern auf einer kleinen Farm in Pennsylvania auf. Sie genoss es, sich in der Natur aufzuhalten, im Gras zu liegen, in die Wolken zu starren und sich ihren Tagträumen hinzugeben. Dort wurde ihrer Meinung nach auch ihre Liebe zu Geschichten und zum Schreiben...
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Lucy King lebte schon immer am liebsten in ihrer eigenen Welt, inmitten der bunten Liebesgeschichten von Mills &amp; Boon. Bereits in der Schule schrieb sie lieber über glorreiche Helden und die Magie der Liebe, anstatt Mathematikaufgaben zu lösen. Ihrem ganz persönlichen Helden begegnete sie eines Morgens während eines einsamen Spaziergangs...
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