Julia Herzensbrecher Band 41

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TAUSEND STERNE ÜBER DER WÜSTE von KATE HEWITT

Scheich Aziz al Bakir und seine pikanten Geheimnisse: Olivia, seine schöne Haushälterin in Paris, kennt sie alle. Kein Wunder, dass sie schockiert ist, als der Wüstenprinz sie um einen Gefallen bittet. Nein – erpresst! Sie soll seinem Volk die verschwundene Verlobte vorspielen …

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  • Erscheinungstag 24.02.2024
  • Bandnummer 41
  • ISBN / Artikelnummer 9783751525459
  • Seitenanzahl 400
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

KATE HEWITT, SUSAN STEPHENS, ALEXANDRA SELLERS

JULIA HERZENSBRECHER BAND 41

1. KAPITEL

„Ich brauche Sie, Olivia.“

Olivia Ellis verbot sich, auf Scheich Aziz al Bakirs Worte mit irgendeiner Gefühlsregung zu reagieren. Natürlich brauchte er sie. Um seine Bettwäsche zu wechseln, sein Silber zu polieren und sein Pariser Stadthaus auf der Île de la Cité in Schuss zu halten …

Das erklärte allerdings nicht, warum er sie plötzlich in den königlichen Palast von Kadar beordert hatte. Nicht einmal acht Stunden war es her, dass Olivia in Paris aufgebrochen war. Einer von Aziz’ Männern hatte sie aufgefordert, ihn unverzüglich im königlichen Jet nach Siyad zu begleiten, der Hauptstadt von Kadar. Erst vor wenigen Wochen war Aziz hier zum König gekrönt worden.

Olivia war nur sehr widerstrebend mitgekommen. Ihr gefiel ihr ruhiges Leben in Paris, der morgendliche Kaffee mit der Concierge, die mit Gartenarbeit verbrachten Nachmittage. Dieses Leben war zwar nicht besonders aufregend, aber sie war zufrieden damit – oder zumindest so zufrieden wie sie eben sein konnte …

„Wofür brauchen Sie mich, Eure Hoheit?“, fragte sie. Sie hatte den endlosen Flug nach Kadar damit verbracht, sich Argumente zurechtzulegen, warum sie in Paris unabkömmlich war. Sie musste dorthin zurück, sehnte sich nach der Sicherheit und Vertrautheit ihres dortigen Lebens.

„Nennen Sie mich Aziz.“

Olivia hatte nicht vor, sich von seinem charmanten Lächeln einwickeln zu lassen. Sie hatte oft genug beobachtet, wie er seine zahlreichen weiblichen Gäste herumbekam, hatte Spitzenunterwäsche von der Treppe gesammelt und den Frauen Kaffee eingeschenkt, wenn sie morgens mit zerzaustem Haar und geschwollenen Lippen aus seinem Schlafzimmer gekommen waren.

Sie selbst war völlig immun gegen den „Gentleman-Playboy“, wie die Klatschpresse ihn zu nennen pflegte. Der Spitzname war ein Widerspruch in sich, wie Olivia fand, aber sie musste zugeben, dass er nicht unberechtigt war. Aziz hatte Charisma. Das bekam man vor allem dann zu spüren, wenn er einem seine ungeteilte Aufmerksamkeit schenkte. So wie ihr jetzt.

„Und … Sie wünschen?“, fragte sie geschäftsmäßig, so als ginge es um die Gästeliste für eine Dinnerparty. Sie versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr die fremde und exotische Umgebung sie einschüchterte. Und dass Aziz sie verunsicherte.

Er war zweifellos ein schöner Mann. Olivia hatte kein Problem damit, das zuzugeben. Schließlich würde auch niemand bezweifeln, dass Michelangelos Davidstatue ein tolles Kunstwerk war. Manchmal war Schönheit einfach unbestreitbar.

Aber selbst wenn sie eingestehen musste, dass Aziz ziemlich umwerfend aussah, brachte Olivia ihrem Arbeitgeber keinerlei tieferen Gefühle entgegen. Ihm nicht und auch niemandem sonst auf der Welt. Sie war dazu einfach nicht mehr fähig …

Verstohlen musterte sie sein tintenschwarzes Haar, das ihm verwegen in die Stirn fiel. Seine grauen Augen, die manchmal wie Silber funkelten. Seine überraschend vollen Lippen, die er gerade zu einem äußerst gewinnenden Lächeln verzog.

Und was seinen Körper anging … der war absolut perfekt – wohlproportioniert, muskulös und ohne ein Gramm Fett zu viel.

Aziz wandte sich nachdenklich zum Fenster, sodass er halb mit dem Rücken zu Olivia stand. Dass er ihre Frage nicht beantwortete, machte sie zunehmend nervös. „Sie sind jetzt seit sechs Jahren bei mir angestellt, stimmt’s?“, fragte er.

„Ja, richtig.“

„Ich war mit Ihrer Arbeit immer sehr zufrieden.“

Olivia verkrampfte sich unwillkürlich. Das klang verdächtig nach einer Entlassung. Aber ich fürchte, ich muss Ihnen mitteilen, dass ich für Ihre Dienste keinerlei Verwendung mehr habe …

Sie holte tief Luft. „Freut mich zu hören, Eure Hoheit.“

„Bitte nennen Sie mich Aziz.“

„In Anbetracht Ihrer neuen Position wäre es äußerst unangemessen, Sie beim Vornamen zu nennen.“

„Auch wenn ich es befehle?“ Er drehte sich wieder zu ihr um und hob spöttisch eine Augenbraue. Offensichtlich machte er sich über sie lustig.

Olivia presste missbilligend die Lippen zusammen. „Wenn Sie es befehlen, werde ich natürlich gehorchen“, antwortete sie kühl. „Ich werde mein Bestes tun, Sie künftig beim Vornamen zu nennen.“

„Sie haben immer schon Ihr Bestes gegeben, Olivia. Und genau deshalb brauche ich Sie.“

Olivia wurde immer unbehaglicher zumute. Wofür zum Teufel konnte er sie hier in Kadar brauchen? Diese Ungewissheit war ihr sehr unangenehm. In den letzten sechs Jahren hatte sie endlich so etwas wie Ruhe und bescheidenes Glück gefunden. Sie hatte schreckliche Angst, das wieder zu verlieren. Sich zu verlieren.

„Sie halten mein Haus in Paris tadellos in Schuss“, fuhr Aziz fort. „Hier jedoch habe ich eine etwas anders geartete Aufgabe für Sie. Keine Sorge, sie wird nicht viel Zeit in Anspruch nehmen.“

Olivia hatte immer noch keine Ahnung, was er von ihr wollte. Immerhin würde es nicht lange dauern, was hieß, dass sie bald nach Paris zurückkehren konnte. „Das hoffe ich, Eure … Aziz.“

Er lächelte befriedigt. „Sehen Sie? Sie haben eine rasche Auffassungsgabe.“

Olivia ersparte sich einen Kommentar und ignorierte das ihr sehr unangenehme Aufflackern von … was auch immer Aziz’ Kompliment in ihr auslöste.

In Paris hatten sie sich immer nur über banale organisatorische Dinge unterhalten, sodass Olivia bisher nie das ungefilterte Charisma des Gentleman-Playboys zu spüren bekommen hatte. Außerdem fühlte sie sich fremd in dieser prachtvollen Umgebung. Kein Wunder, dass sie so nervös war. Sie setzte ein professionelles Lächeln auf. „Ich fürchte, ich kann Ihnen nicht folgen.“

„Ich möchte Sie bitten, sich einen Moment zu gedulden.“ Aziz schenkte ihr ein weiteres charmantes Lächeln, bevor er zu seinem antiken Schreibtisch ging und auf einen Knopf drückte. Kurz darauf hörte Olivia ein Klopfen an der Tür.

„Herein“, sagte Aziz, und ein älterer Mann betrat den Raum.

„Eure Hoheit?“

Aziz lehnte sich lässig gegen den Schreibtisch. „Was sagen Sie zu ihr, Malik? Ist sie geeignet?“

Der Fremde musterte Olivia eingehend. „Ihr Haar …“

Aziz winkte ab. „Das wäre schnell erledigt.“

„Und die Augen?“

„Nicht nötig.“

Malik nickte langsam. „Sie hat etwa die gleiche Größe.“

„Sehe ich genauso.“

Der Mann drehte sich wieder zu Aziz um. „Ist sie diskret?“

„Absolut.“

„Dann wäre es machbar.“

„Es ist nicht nur machbar, Malik, es führt kein Weg daran vorbei. Ich gebe in einer Stunde eine Pressekonferenz.“

Malik schüttelte den Kopf. „Die Zeit reicht nicht.“

„Sie muss reichen. Sie wissen, dass ich nicht noch größere Unruhen riskieren kann.“ Aziz presste die Lippen zusammen und sah plötzlich gar nicht mehr wie der gut gelaunte, sorglose Playboy aus, den Olivia aus Paris kannte. „Wenn auch nur das kleinste Gerücht durchsickert, könnte das einen Bürgerkrieg auslösen.“

„Also gut, Eure Hoheit, ich werde alles Nötige vorbereiten lassen.“

„Danke.“

Nachdem Malik sich zurückgezogen hatte, drehte Olivia sich zu Aziz um. „Was zum Teufel ist hier los?“

„Ich muss mich für das Gespräch eben entschuldigen. Vermutlich sind Sie jetzt verwirrter denn je.“

„Allerdings“, erwiderte Olivia schärfer als beabsichtigt. Es hatte ihr nicht gefallen, wie die beiden Männer in ihrer Anwesenheit über sie gesprochen hatten … so als sei sie ein Stück Vieh. Sie war vielleicht Aziz’ Haushälterin, aber deshalb war sie noch lange nicht sein Eigentum. Außerdem hatte sie nicht die Absicht, je wieder einen anderen Menschen über sich oder ihr Leben bestimmen zu lassen.

Aziz hob einlenkend die Hände. „Tut mir leid, aber es hätte keinen Sinn gehabt, dieses Gespräch fortzusetzen, wenn Malik Sie nicht abgesegnet hätte.“

„Mich abgesegnet?“

„Ja. Wenn er Sie nicht für geeignet halten würde.“

„Wofür geeignet?“

Aziz seufzte. „Ich nehme an, Sie wissen nichts von den Bedingungen im Testament meines Vaters?“

„Nein.“

Er neigte den Kopf – eine völlig alltägliche Geste, die bei ihm jedoch äußerst anmutig wirkte. „Eigentlich müsste sich das inzwischen herumgesprochen haben.“

„Ich schenke dem Gerede der Leute keinerlei Beachtung.“ Elena ignorierte die Medien. Sie las noch nicht mal Klatschmagazine.

Aziz hob die Augenbrauen. „Aber Sie wissen doch, dass ich mit Königin Elena von Thallia verlobt bin?“

„Ja, selbstverständlich.“ Die Verlobung war letzte Woche öffentlich bekanntgegeben worden. Olivia wusste auch, dass die Hochzeit schon in den nächsten Tagen stattfinden sollte, hier in Kadar.

„Sie haben sich doch bestimmt schon gefragt, warum Königin Elena und ich uns so überstürzt verlobt haben.“ Aziz musterte sie aufmerksam.

Olivia zuckte die Achseln. „Das hängt sicherlich mit Ihrer neuen Position als Scheich zusammen.“

Aziz lachte bitter – etwas, das völlig untypisch für ihn war. „Kann man wohl sagen.“ Er presste die Lippen zusammen. „Mein Vater hat meine Entscheidungen nie gebilligt“, fuhr er nach einer Weile fort. „Ich habe den Verdacht, dass er mit seinen Forderungen in seinem Testament dafür sorgen will, dass ich in Kadar bleibe und mich an die Traditionen halte.“ Er zuckte die Achseln. „Oder er wollte mich einfach nur bestrafen, wer weiß?“ Sein Tonfall klang gleichgültig, aber Olivia sah für einen Moment so etwas wie Schmerz in seinen Augen aufflackern.

Diese Reaktion weckte ihre Neugier, doch sie verdrängte dieses Gefühl rasch. Aziz’ Beziehung zu seinem Vater oder zu sonst jemandem interessierte sie nicht, genauso wenig seine Emotionen. „Was für Forderungen?“

„Wenn ich Scheich bleiben will, muss ich innerhalb von sechs Wochen nach dem Tod meines Vaters heiraten.“ Aziz verzog verbittert das Gesicht.

Olivia hatte ihn noch nie so erlebt. „Er ist doch schon vor über einem Monat gestorben.“

„Richtig, Olivia. Sein Tod liegt genau fünf Wochen und vier Tage zurück. Und meine Hochzeit mit Königin Elena von Thallia ist für übermorgen angesetzt.“

„Wo liegt dann das Problem?“

„Ganz einfach“, sagte Aziz gefährlich sanft. „Elena ist verschwunden.“

„Verschwunden?“

„Ja. Sie wurde vorgestern von einem Rebellen entführt.“

Einen Augenblick fühlte sich Olivia wie erstarrt, doch sie hatte sich schnell wieder im Griff. „Ich … hätte nicht damit gerechnet, dass so etwas in einem zivilisierten Land passieren kann.“

„Sie wären überrascht, was überall passieren kann, wenn Macht im Spiel ist. Wie schnell Menschen dann intrigieren und Lügen verbreiten.“ Abrupt wandte er sich ab. Er wirkte plötzlich fast defensiv.

Wieder beschlich Olivia das Gefühl, dass sich eine sehr persönliche Geschichte hinter seinen Worten verbarg. In den sechs Jahren ihrer Anstellung bei Aziz hatte sie ihn immer nur so wahrgenommen, wie er sich ihr gegenüber gegeben hatte – als charmanten, unbekümmerten Playboy. Doch er schien Geheimnisse zu haben. Abgründe.

Nun, da war er nicht der Einzige …

„Wissen Sie, wo dieser … dieser Rebell Königin Elena gefangen halten könnte?“, fragte sie.

„Vermutlich irgendwo in der Wüste.“

„Lassen Sie sie denn nicht suchen?“

„Natürlich.“ Aziz erwiderte ihren besorgten Blick gereizt. „Aber ich war vor fünf Jahren zuletzt hier und habe auch vorher so wenig Zeit wie möglich in diesem Land verbracht. Das Volk kennt mich nicht.“ Er verzog das Gesicht. „Deshalb sind die Einheimischen mir gegenüber nicht loyal. Und solange ich mich nicht als Scheich bewähre, wird sich daran auch nichts ändern.“

„Ich weiß nicht, worauf Sie hinaus…“

„Ich will darauf hinaus, dass es nicht leicht ist, Königin Elena in der Wüste zu finden“, fiel er ihr ungeduldig ins Wort. „Elenas Entführer wird von den Beduinenstämmen unterstützt. Deshalb muss ich gewisse Vorsichtsmaßnahmen ergreifen, bis ich sie finde.“

„Was für Vorsichtsmaßnahmen?“, fragte Olivia, der immer unbehaglicher zumute wurde. Sie hatte das dumpfe Gefühl, dass Aziz sie irgendwie in seine Probleme mit hineinziehen wollte.

Als er ihr wieder ein charmantes Lächeln schenkte, spürte Olivia zu ihrem Entsetzen, dass sie körperlich auf ihn reagierte. Verdammt, er war wirklich ein attraktiver Mann. Ein begehrenswerter Mann.

Blinzelnd verdrängte sie ihre völlig unangemessene instinktive Reaktion. Sie hatte geglaubt, zu solchen Empfindungen gar nicht mehr fähig zu sein, aber ihr Körper sah das anscheinend anders. Gott sei Dank war ihr Verstand stärker als ihre niederen Instinkte. „Eure Hoheit …“

„Aziz.“

Aziz. Von was für Vorsichtsmaßnahmen reden Sie?“

„Es ist absolut notwendig, dass niemand von Elenas Entführung erfährt, damit die angespannte politische Lage nicht vollends eskaliert. Ein Teil der Bevölkerung hält nämlich zu dem Rebellen namens Khalil, der sie entführt hat.“

Die Wut in Aziz’ Stimme war nicht zu überhören. Wer mochte dieser Khalil sein? „Warum hält das Volk zu ihm? Sie sind doch der rechtmäßige Thronfolger.“

„Danke für diesen Hinweis, aber ich fürchte, so einfach ist die Situation nicht.“

„Inwiefern? Und vor allem, was hat das mit mir zu tun?“

„Da die Öffentlichkeit nicht wissen darf, dass meine Braut verschwunden ist“, erklärte Aziz und sah sie direkt aus silberfarbenen Augen an, „brauche ich einen Ersatz.“

Olivia hatte das Gefühl, dass ihr der Boden unter den Füßen weggezogen wurde. „Einen Ersatz?“, wiederholte sie mit erstickter Stimme.

„Ja, Olivia.“

„Aber …“

„Und da kommen Sie ins Spiel“, fiel Aziz ihr aalglatt ins Wort. Seine Augen funkelten. „Ich brauche Sie – als meine Braut.“

2. KAPITEL

Aziz stellte zu seiner Belustigung fest, dass seine sonst so unterkühlte und tüchtige Haushälterin aussah, als würde sie gleich hyperventilieren – oder in Ohnmacht fallen. Sie riss die schönen schieferblauen Augen auf, und ihre vollen Lippen formten ein hübsches O.

Er konnte mal wieder nicht umhin zu bemerken, dass sie eine Schönheit war, wenn auch auf eine sehr kühle, zurückhaltende Art. Sie trug das glatte karamellbraune Haar wie immer im Nacken zusammengefasst, hatte dunkelblaue Augen, wunderbar seidige Haut und sinnliche Lippen. Nichts davon betonte sie mit Make-up. Nicht dass sie es nötig gehabt hätte, schon gar nicht jetzt, da sie heftig errötete.

„Ich bin nicht sicher, worauf Sie hinauswollen, Eure Hoheit, aber worum auch immer es geht, ich mache nicht mit.“

„Sie haben schon wieder vergessen, mich Aziz zu nennen.“

Olivias Augen blitzten für einen Moment wütend auf – so kurz, dass Aziz es fast übersehen hätte. Sieh mal einer an, dachte er, sie hat ja doch Temperament. Er hatte sich schon öfter gefragt, ob sich hinter ihrer reservierten Oberfläche nicht viel Leidenschaft verbarg.

Er kannte Olivia seit sechs Jahren, hatte sie in dieser Zeit jedoch nur ein paar Mal im Jahr gesehen und daher kaum einen Blick hinter ihre Fassade werfen können. Einmal jedoch war ihm ein Seidentuch in kräftigen Rottönen an ihr aufgefallen …

Ein anderes Mal hatte er sie in der Küche laut und kehlig aus vollem Herzen lachen hören.

Und als er eines Abends mal etwas zu früh nach Paris zurückgekommen war, hatte sie so schön und traurig Klavier in seinem Wohnzimmer gespielt, dass ihm fast die Tränen gekommen waren. Nie würde er ihren damaligen Gesichtsausdruck vergessen. Olivia war offensichtlich eine Frau, die gelitten hatte. Um sie nicht in Verlegenheit zu bringen, hatte er sich damals unbemerkt wieder davongeschlichen.

Welche Geheimnisse sie wohl hinter ihrer kühlen Fassade verbarg?

Er beobachtete, wie ihre Brust sich unter ihren beschleunigten Atemzügen hob und senkte. Sie trug eine weiße Bluse, die auch nach dem stundenlangen Flug von Paris faltenfrei saß, und dazu eine schwarze Hose und flache Schuhe. Aziz wusste, dass sie neunundzwanzig war, doch sie kleidete sich so konservativ wie eine Frau mittleren Alters. Wenn auch relativ schick. Ihre Kleidung war zwar spießig, aber gut geschnitten und qualitativ hochwertig.

Sie schien ihre Emotionen wieder völlig unter Kontrolle zu haben. Gut so, genau so jemanden brauchte er.

Fragte sich nur, warum er dann ein kleines bisschen enttäuscht war …

„Ich werde mich mal etwas klarer ausdrücken: Sie müssen meine Braut spielen, ein Double für Königin Elena, bis ich sie finde.“

„Wozu brauchen Sie ein Double?“

„Ich möchte vor der Öffentlichkeit verbergen, dass Königin Elena verschwunden ist. In einer Stunde gebe ich eine Pressekonferenz. Anschließend werden wir gemeinsam auf dem Balkon des Palastes erscheinen.“

Olivia schürzte die Lippen. „Und dann?“

Er zögerte einen Moment. „Das ist alles.“

„Wirklich?“ Skeptisch sah sie ihn an. „Für ein so kurzes Spektakel könnten Sie doch bestimmt auch eine Einheimische finden, oder?“

„Ich wollte jemanden, den ich kenne und dem ich vertraue. Ich war schon seit Jahren nicht mehr im Land und weiß daher nicht, auf wen ich mich hier verlassen kann.“

Sie schüttelte den Kopf. „Aber ich sehe noch nicht mal wie Königin Elena aus. Sie hat dunkles Haar. Außerdem stimmt es nicht, dass wir etwa gleich groß sind. Sie ist viel kleiner als ich.“

„Wegen ein paar Zentimetern wird sich niemand Gedanken machen.“

„Und was ist mit meinem Haar?“

„Das werden wir färben.“

„In der nächsten Stunde?“

„Wenn es sein muss.“

Olivia starrte ihn so lange stumm an, dass Aziz allmählich nervös wurde. Natürlich war ihm bewusst, dass sein Anliegen extrem ungewöhnlich war, aber er brauchte Olivias Zustimmung. Er brauchte sie. Er kannte keine andere Frau, die so diskret und so beherrscht war. Was vermutlich nicht gerade für sein Privatleben sprach, aber er hatte jetzt keine Zeit, darüber nachzudenken. Ihn interessierte nur eins: den Thron von Kadar zu behalten, auch wenn im Volk viele seinen Herrschaftsanspruch anzweifelten.

Sogar er hatte lange daran gezweifelt. Er hatte immer halb und halb damit gerechnet, dass sein Vater ihn genauso enterben würde wie zuvor Khalil …

„Was ist, wenn ich Nein sage?“, fragte Olivia schließlich.

Aziz schenkte ihr wieder sein charmantestes Lächeln. „Warum sollten Sie?“

„Weil die Idee völlig verrückt ist?“, fragte sie ohne jede Spur von Humor zurück. „Weil jeder Paparazzo mit einem Teleobjektiv sofort herausfinden wird, dass ich nicht Königin Elena bin? Noch nicht mal der Gentleman-Playboy wird sich da rauswinden können.“

Belustigt schüttelte Aziz den Kopf. „Sollte es so weit kommen, werde ich allein die Verantwortung dafür übernehmen.“

„Glauben Sie etwa, man würde mich ungeschoren davonkommen lassen? Man wird meinen Namen in den Dreck ziehen und in meinem Leben und meiner Vergangenheit herumwühlen.“ Sie sah so aus, als würde diese Vorstellung ihr körperliche Qualen bereiten. „Nein!“

„Nur, wenn man herausfindet, wer Sie sind“, antwortete Aziz. „Aber niemand kennt Sie hier.“

„Glauben Sie nicht, das könnte sich schnell ändern?“

„Vielleicht, aber es hat keinen Zweck, sich Gedanken über Dinge zu machen, die vielleicht nie eintreffen. Da draußen gibt es keine Journalisten. Das Land gewährt der Presse aus dem Ausland schon seit Jahren keinen Zutritt mehr, und ich habe diese Verordnung noch nicht abgeschafft.“

„Und was ist mit der heimischen Presse?“

„Die ist königstreu. Ich habe befohlen, keine Fotos zu knipsen, und man wird sich daran halten. Mein Vater war kein Anhänger der Pressefreiheit. Sein Gesetz gefällt mir zwar nicht, aber in diesem Fall kommt es mir sehr gelegen.“

Forschend sah sie ihn aus schieferblauen Augen an. „Sie wollen also neue Gesetze einführen, jetzt, wo Sie Scheich sind?“

Sie klang ein bisschen skeptisch. Aziz konnte das gut nachvollziehen, auch wenn es ihn ein bisschen kränkte. Bisher hatte er sich mit nichts hervorgetan als im Umgang mit Zahlen und dem Feiern von Partys. Jemand wie Olivia sah nur seinen hedonistischen Lebensstil, erst recht, weil sie diejenige war, die hinterher die Spuren beseitigen musste. Er konnte ihr keinen Vorwurf daraus machen, seine Fähigkeiten als Herrscher infrage zu stellen. „Ich habe es mir zumindest vorgenommen.“

„Und dann wollen sie ausgerechnet mit so einer lächerlichen Maskerade anfangen?“

„Ich fürchte, mir bleibt nichts anderes übrig.“ Bittend sah er sie an, doch Olivia blieb ungerührt. „Es ist für einen guten Zweck, Olivia. Ich will stabile politische Verhältnisse im Land schaffen.“

„Warum hat Khalil Königin Elena überhaupt entführt? Und wie hat er das überhaupt geschafft? Wurde sie denn nicht bewacht?“

Aziz spürte, dass er wütend wurde. Er wusste selbst nicht, auf wen – auf Khalil, weil er seine Braut entführt hatte, oder auf sein Personal, das die Bedrohung nicht rechtzeitig erkannt hatte? Vielleicht war er auch nur wütend auf sich selbst …

„Khalil ist der illegitime Sohn der ersten Frau meines Vaters“, erklärte er kurz angebunden. „Er wurde sieben Jahre lang als Thronfolger großgezogen, bis mein Vater erfuhr, dass er nicht sein Sohn war. Er hat ihn und seine Mutter verbannt, doch Khalil erhebt nach wie vor Anspruch auf den Thron.“

„Verbannt? Wie schrecklich!“ Olivia schüttelte bestürzt den Kopf.

„Er wuchs im Luxus bei einer Tante in den USA auf. Mitleid ist da völlig unangebracht.“

Olivia sah Aziz aufmerksam an. „Sie scheinen nicht viel für ihn übrigzuhaben.“

Aziz zuckte nur die Achseln. Was er für Khalil empfand – falls er überhaupt Gedanken an ihn verschwendete –, war zu kompliziert, um es jemandem zu erklären. Es war eine Mischung aus Wut und Neid, Trauer und Verbitterung. Eine gefährliche Mischung.

„Mein Mitgefühl hält sich tatsächlich in Grenzen, vor allem in Anbetracht der Entführung meiner Braut und der Unruhen, die Khalil hier ausgelöst hat.“

„Warum glaubt er eigentlich, einen Anspruch auf den Thron zu haben?“

Weil alle anderen das auch glauben. Weil mein Vater ihn geliebt hat, selbst nachdem er erfahren hat, dass Khalil nicht sein Sohn ist. „Ich weiß nicht genau, ob er wirklich daran glaubt“, erwiderte Aziz achselzuckend. „Vielleicht will er sich auch nur posthum an meinem Vater rächen.“ Aziz wandte den Blick ab. Und an mir, weil ich seine Stelle eingenommen habe. „Mein Vater war kein fairer Mann. Sein Testament ist der beste Beweis dafür.“

„Also hat Khalil Königin Elena entführt, um Ihre Hochzeit zu verhindern?“, fragte Olivia.

Aziz nickte kalt. Die Vorstellung, dass Königin Elena irgendwo allein und verängstigt da draußen in der Wüste war, machte ihm schwer zu schaffen. Er kannte seine künftige Frau zwar nicht sehr gut, aber es musste furchtbar sein, Opfer einer Entführung zu werden.

„Was passiert, wenn Sie nicht innerhalb der sechs Wochen heiraten?“

„Dann verliere ich den Thron und den Titel.“

„Und wer wird dann Scheich?“

Aziz zögerte einen Moment. „Das steht nicht im Testament. Es wird einen Volksentscheid geben.“

„Einen Volksentscheid? Sie meinen, das Volk stimmt darüber ab, wer Scheich wird?“

„Ja.“

„Das klingt ja richtig demokratisch.“

„Kadar ist eine konstitutionelle Monarchie“, erklärte Aziz. „Die Erbfolge war immer dynastisch. Mit dem drohenden Volksentscheid sorgt mein Vater mal wieder dafür, dass ich nach seiner Pfeife tanze.“

„Und? Tun Sie es?“

„Nur sehr ungern, aber mir bleibt nichts anderes übrig.“ Aziz hatte mehr als drei Wochen lang versucht, ein Schlupfloch im Testament seines Vaters zu finden. Er wollte nicht heiraten, wollte nicht zu einer Ehe gezwungen werden, schon gar nicht von seinem Vater. Scheich Hashem hatte ihn schon zu Lebzeiten viel zu lange kontrolliert! Und jetzt auch noch im Tod? Das ging einfach zu weit.

„Warum stoßen Sie diesen Volksentscheid nicht schon jetzt an?“, fragte Olivia.

„Weil ich die Wahl verlieren würde.“ Aziz sagte das mit jenem lockeren entspannten Tonfall, den er sich schon so früh angewöhnt hatte, dass er ihm zur zweiten Natur geworden war – wie eine zweite Haut. Doch über seinen Vater und Khalils Beliebtheit beim Volk zu reden, ließ seine Fassade bröckeln. „Tja, so etwas passiert eben, wenn man sich die meiste Zeit außer Landes aufgehalten hat“, fügte er hinzu. „Aber ich hoffe, die öffentliche Meinung über mich bald zu ändern.“

„Das werden Sie allerdings nicht rechtzeitig zum Volksentscheid schaffen.“

„Ganz genau. Deshalb muss ich dem Volk wie geplant meine Braut präsentieren.“ Aziz trat einen Schritt auf Olivia zu, um seinen Worten mehr Nachdruck zu verleihen. „Die Entscheidung, die mein Vater vor fünfundzwanzig Jahren getroffen hat, hat dieses Land gespalten. Ich werde alles tun, um seinen Fehler wiedergutzumachen und wieder Ruhe und Ordnung herzustellen.“

Er sah etwas in Olivias schieferblauen Augen aufblitzen – Verständnis oder sogar Mitgefühl? Anscheinend drang er endlich zu ihr durch. Hoffentlich.

„Und wenn Sie Königin Elena nicht finden?“

„Das schaff ich schon. Ich brauche nur etwas mehr Zeit. In diesem Augenblick durchsuchen meine Männer bereits die Wüste.“

Aziz seufzte. Die Entführung war nur deshalb realisierbar gewesen, weil Khalil noch immer viele Anhänger in Kadar hatte. Es spielte keine Rolle, dass er das Land als Siebenjähriger verlassen hatte und erst vor einem halben Jahr zurückgekehrt war. Für das Volk war er der Thronfolger, den Scheich Hashem abgöttisch geliebt hatte – der wahre Sohn.

Aziz hingegen betrachteten sie als Eindringling. Als Hochstapler.

Das war schon so gewesen, als er als Vierjähriger in den Palast gebracht worden war. Er wusste noch, wie das Personal die Bitten seiner Mutter ignoriert und beim Bedienen höhnisch gegrinst hatte. Aziz hatte das nur verwirrt, doch seine Mutter hatte es zur Verzweiflung getrieben. Sie hatte irgendwann damit aufgehört, um die Ergebenheit der Bediensteten zu kämpfen, und hatte sich in die Frauengemächer zurückgezogen.

Aziz hingegen hatte alles versucht. Er hatte sich bemüht, die Zuneigung des Personals zu gewinnen, die des Volks und vor allem die seines Vaters. In allen drei Punkten hatte er kläglich versagt, vor allem, was Letzteren anging. Irgendwann hatte auch er es aufgegeben.

Glaubst du allen Ernstes, dass es jetzt anders ist? Du wirst genauso scheitern wie damals!

Entschlossen schob Aziz seine inneren Zweifel beiseite und konzentrierte sich auf Olivia. Ihnen blieb nur noch eine Dreiviertelstunde bis zur Pressekonferenz. Er musste sie von seinem Plan überzeugen. „Wenn ich Königin Elena nicht finde, werde ich ein Treffen mit Khalil arrangieren. Vielleicht finden wir ja gemeinsam eine Lösung.“

In Wirklichkeit hatte Aziz nicht die Absicht, mit Khalil zu reden. Er wollte ihn noch nicht mal sehen. Schon allein die Erinnerung an ihre letzte Begegnung war unerträglich. Der Junge, den er für seinen Halbbruder gehalten hatte, hatte ihn angesehen, als sei er der letzte Dreck. Dann hatte ihr Vater Aziz aus dem Kinderzimmer gewiesen, um mit seinem Lieblingssohn allein zu sein. Scheich Hashem hatte Khalil auch dann noch hinterhergetrauert, nachdem er erfahren hatte, dass er nicht von ihm abstammte.

Er mochte Khalil verbannt haben, aber er hatte ihn nie vergessen und den Sohn verabscheut, den er nur aus Notwendigkeit zum Thronfolger gemacht hatte.

Aziz verdrängte die Erinnerungen. „Aber darüber brauchen Sie sich keine Gedanken zu machen. Sie müssen nur für etwa zwei Minuten auf dem Balkon erscheinen, um das Volk zufriedenzustellen. Niemand wird erkennen, dass Sie nicht Königin Elena sind.“

„Was macht Sie da so sicher?“

„Die Menschen rechnen mit Elena und haben keinen Grund, ihre Anwesenheit anzuzweifeln. Ich habe bekanntgeben lassen, dass sie heute Nachmittag gelandet ist.“

Olivia schürzte die Lippen. „Da bin ich angekommen.“

„Genau. Die Menschen sehen, was sie sehen wollen. Vermutlich versammeln sie sich gerade im Hof. Nur zwei Minuten, Olivia, mehr verlange ich nicht. Danach können Sie nach Paris zurückkehren.“

„Für wie lange?“

„Wie bitte?“

„Brauchen Sie wirklich ein Haus in Paris mit einer Vollzeithaushälterin, wenn Sie verheiratet sind und Kadar regieren?“

Aziz starrte sie für einen Moment verblüfft an. Anscheinend machte sie sich Sorgen um ihren Job. „Ich habe vor, mein Haus in Paris zu behalten“, versicherte er ihr, auch wenn er noch gar nicht darüber nachgedacht hatte. „Und solange ich es behalte, ist Ihr Job Ihnen sicher. Sind Sie jetzt beruhigt?“

„Ich weiß nicht …“

„Mir bleiben noch vierzig Minuten bis zur Pressekonferenz.“ Aziz streckte Olivia bittend die Hände entgegen und schenkte ihr jenes Lächeln, mit dem er in der Vergangenheit schon so viele Frauenherzen zum Schmelzen gebracht hatte – wenn auch nicht ihres. „Sie sind meine einzige Hoffnung, Olivia. Meine Rettung. Bitte.

Ihre Mundwinkel zuckten für einen Moment, bevor sie wieder ihre kühle gefasste Maske aufsetzte. „Sie tragen ganz schön dick auf, Eure Hoheit.“

„Aziz.“

Unschlüssig sah sie ihn an, innerlich offensichtlich hin- und hergerissen, bevor sie nickte. „Okay“, sagte sie. „Ich mach es.“

Nur wenige Sekunden später kehrte Malik zurück. Während Aziz sich rasch mit ihm auf Arabisch unterhielt, versuchte Olivia, ein Gefühl der Surrealität abzuschütteln. Wie zum Teufel sollte sie es nur schaffen, Königin Elena zu verkörpern?

Auf der anderen Seite machte Aziz’ verrückter Plan Sinn. Und ihr Lebensunterhalt hing von ihm ab. Er hatte sie zwar nicht direkt erpresst oder unter Druck gesetzt, aber wenn sie ihren Job behalten wollte, würde sie das Spiel mitspielen müssen.

Dieser Job, ihr Leben in Paris, war alles, was sie hatte. Hoffentlich würde die Scharade nicht auffliegen.

„Hier entlang, Miss Ellis“, sagte Malik und führte sie durch den Palast zu einer Tür, hinter der sich ein in Pfirsich- und Cremetönen gehaltenes Schlafzimmer befand. Olivia warf einen Blick auf das Himmelbett, die Brokatsofas und den Toilettentisch aus Teakholz. Ob das Zimmer für Königin Elena vorbereitet worden war?

„Mada und Abra werden Ihnen bei den Vorbereitungen helfen“, erklärte Malik, als Olivia von zwei jungen Frauen in Empfang genommen wurde. „Ich fürchte, Sie sprechen kein Englisch, aber Sie werden bei Ihnen trotzdem in guten Händen sein.“ Er nickte Olivia kurz zu und verließ das Zimmer.

Die beiden Frauen führten Olivia in das angrenzende Bad, das sogar noch luxuriöser eingerichtet war als das Schlafzimmer. Eine der Frauen sagte etwas zu ihr auf Arabisch, doch Olivia schüttelte nur hilflos den Kopf. „Es tut mir leid, ich verstehe Sie nicht.“

Lächelnd zeigte die Frau auf ihre eigene Kleidung und dann auf Olivias Bluse. Die andere Frau hielt eine Flasche mit Haarfarbe hoch. Jetzt verstand Olivia, was sie von ihr wollten. Sie sollte sich ausziehen, damit sie ihr das Haar färben konnten.

Als sie zitternd in Slip und BH dastand, fragte sie sich, worauf sie sich da eigentlich eingelassen hatte. Sie fühlte sich äußerst unbehaglich.

Eine der Frauen legte ihr ein Handtuch um die Schultern, während die andere die Haarfarbe anrührte.

„Wie heißen Sie?“, fragte Olivia die Frau, die ihr das Handtuch gegeben hatte. Zu blöd, dass sie kein Arabisch sprach. Ob Königin Elena die Sprache beherrschte?

Die Frau schien ihre Frage zu verstehen, denn sie neigte lächelnd den Kopf. „Mada.“

„Danke, Mada.“

Olivia beugte sich über die Spüle und schloss die Augen, als Mada ihr Haar befeuchtete und dann die Haarfarbe auftrug. Ihr wurde bewusst, dass sie noch nicht mal gefragt hatte, ob es sich nur um eine Tönung handelte. Sie fand auch erst jetzt Zeit, um über die Tragweite ihres Handelns nachzudenken. War es nicht ein Verbrechen, sich für eine andere Person auszugeben? Und dann auch noch für das Mitglied eines Königshauses?

Was war, wenn jemand herausfand, dass sie nicht Elena war, und die Story an die internationale Presse verkaufte? Dann würden vielleicht noch ganz andere Geheimnisse ans Tageslicht kommen …

Die Vorstellung, dass die Welt von ihrer Vergangenheit erfuhr, war unerträglich. Olivia ging bereits streng genug mit sich selbst ins Gericht. Sie brauchte nicht auch noch eine Verurteilung durch Außenstehende.

Eine Enthüllung würde auch dem guten Ruf ihrer Eltern schaden. Olivia hatte ihre Seele verkauft, um das zu verhindern. Allerdings … Die Vorstellung, ihre Eltern nach all den Jahren nun doch noch in einen Skandal zu verwickeln, bereitete Oilvia kurz ein überraschendes Gefühl der Genugtuung … gefolgt von den altbekannten überwältigenden Schuldgefühlen.

Ich muss mich nur für zwei Minuten auf dem Balkon blicken lassen. Danach ist es vorbei, und ich kann zurück nach Paris.

Als die Farbe lange genug eingewirkt hatte, bedeutete Mada ihr, sich wieder über das Waschbecken zu beugen, um ihr Haar auszuspülen. Olivia beobachtete das blauschwarz in den Abfluss fließende Wasser, bis es klar war. Als Abra ihren Kopf hob, starrte Olivia schockiert in den Spiegel.

Sie sah komplett verändert aus. Ihre Haut wirkte heller, und ihre Augen wirkten dunkler und irgendwie größer. Ihr glattes, sonst hellbraunes Haar umrahmte ihr Gesicht wie eine schwarze Wolke. Sie sah nicht wirklich wie Königin Elena aus, aber auch nicht wie sie selbst. Vielleicht würde sie aus der Ferne ja wirklich wie die Monarchin wirken.

Mada nahm Olivia an einer Hand und führte sie zurück ins Schlafzimmer, wo man Kleidungsstücke für sie auf dem Bett ausgebreitet hatte – ein taubengraues Kostüm und eine elfenbeinfarbene Seidenbluse. Rasch zog Olivia sich an, erst die hauchdünne Nylonstrumpfhose und dann die Bluse und das Kostüm. Schwarze High Heels komplettierten das Ensemble. Sie zögerte einen Moment, bevor sie hineinschlüpfte. Normalerweise trug sie immer flache Schuhe. Die hohen Absätze wirkten irgendwie zu … sexy, ein Wort, das sie nicht mit sich in Verbindung bringen wollte … oder mit Aziz.

Als Nächstes kamen ihr Haar und ihr Make-up an die Reihe. Die Frauen föhnten ihr das Haar und formten es zu einem eleganten Chignon, bevor sie mehr Make-up auftrugen, als Olivia je benutzt hatte. Sie erkannte sich nicht wieder und kam sich wie eine Hochstaplerin vor.

Aber genau das wollte Aziz von ihr – überzeugend in eine Rolle zu schlüpfen.

Es klopfte an der Tür, und Malik trat ein. „Sind Sie fertig, Miss Ellis?“

Sie nickte steif.

Er musterte sie von Kopf bis Fuß und nickte anerkennend. „Bitte folgen Sie mir.“

Als sie ihn durch verschiedene Korridore begleitete, konnte sie sich eine skeptische Bemerkung nicht verkneifen: „Mada und Abra sind eindeutig in den Plan eingeweiht und sehen Königin Elena viel ähnlicher als ich. Zumindest haben sie den richtigen Hauttyp. Warum schlüpft nicht eine von ihnen in die Rolle?“

Malik streifte Olivia mit einem Blick. „Keine von ihnen besitzt die nötige Selbstsicherheit oder das Talent zum Schauspielern. Außerdem würden sie sich in westlicher Kleidung nicht wohlfühlen.“

„Aber sonst sind sie vertrauenswürdig?“

Malik nickte. „Ja natürlich. Nur sehr wenige Menschen wissen von dieser Maskerade, Miss Ellis. Nur sie, Scheich Aziz, ich, Mada und Abra.“

„Und die Crew aus dem Flugzeug“, ergänzte Olivia. „Sowie die Leute, die mich hierherbegleitet haben.“

Er nickte. „Das stimmt, aber es handelt sich um eine kleine Gruppe, die dem Scheich gegenüber hundertprozentig loyal ist.“

„Aziz sagt, dass er noch nicht lange genug in Kadar ist, um das Volk hinter sich zu haben.“

Maliks Gesichtsausdruck gab keinerlei Aufschluss über seine wahren Gedanken. „Das ist eine Fehleinschätzung. Er hat mehr Gefolgsleute, als er denkt oder glauben will.“

Bevor Olivia auf diese ziemlich kryptische Bemerkung reagieren konnte, öffnete Malik eine Tür und führte sie in ein mit Mosaiken gefliestes Empfangszimmer. Hinter bodenlangen Fenstern befand sich ein breiter Balkon. Sogar von der Tür aus konnte Olivia erkennen, dass der Hof dahinter bereits dicht mit Menschen gefüllt war, welche die Hälse reckten, um einen Blick auf den neuen Scheich und seine künftige Frau zu erhaschen.

Ihr Magen verkrampfte sich vor Nervosität, und sie presste eine Hand gegen den Mund.

„Bitte übergeben Sie sich nicht“, bemerkte Aziz trocken, der in diesem Augenblick den Raum betrat. „Das würde das hübsche Outfit ruinieren.“ Er blieb vor ihr stehen und musterte sie von Kopf bis Fuß. Sein Blick war so anerkennend, dass Olivias Herz einen Satz machte. So hatte er sie noch nie angesehen. „Dunkles Haar steht Ihnen. Und High Heels auch.“ Er lächelte. „Sehr sogar. Schade, dass es sich nur um eine Tönung handelt.“

Trotzig hob sie das Kinn und verdrängte ihre körperliche Reaktion auf seine Bemerkung. Sie verstand selbst nicht, warum er sie plötzlich nicht mehr kaltließ. „Entscheidend ist nur, dass ich als Königin Elena durchgehe.“

„Ich glaube, das wird Ihnen gelingen. Spielend leicht sogar.“ Sein Blick wurde milde. „Mir ist bewusst, dass ich sehr viel von Ihnen verlange, Olivia. Glauben Sie mir, ich weiß Ihre Bereitschaft, mir zu helfen, sehr zu schätzen.“

Olivia erwiderte seinen Blick. „Ich will nur eins: nach Paris zurückkehren.“

„Das werden Sie auch. Aber zuerst kommt Ihr Auftritt.“ Er nickte Richtung Fenster.

Sogar von hier aus konnte Olivia die Menge hören. Sie schluckte. „Haben Sie die Pressekonferenz schon hinter sich?“

„Ja, sie ist gerade vorbei.“

„Wollten die Journalisten nicht wissen, warum Königin Elena nicht dabei war?“

„Ein paar schon, aber ich habe erklärt, dass Sie müde von der Reise sind und sich auf Ihren Auftritt vorbereiten. Das haben sie akzeptiert. Außerdem ist es hierzulande nicht üblich, dass eine Frau einen Medienauftritt hat.“

„Aber Königin Elena hat das schon öfter gemacht“, wandte Olivia ein.

„Das stimmt, aber in Kadar wird sie nur als Ehefrau des Scheichs in Erscheinung treten.“

„Warum hat sie dieser Ehe überhaupt zugestimmt, wenn sie in Ihrem Land nur wenig Rechte bekommt? Es handelt sich doch nicht um eine Liebesheirat, oder habe ich da was falsch verstanden?“

„Ganz und gar nicht.“ Aziz lächelte humorlos. „Diese Verbindung verschafft uns beiden Vorteile. Vorausgesetzt, ich finde Elena noch rechtzeitig. Aber bis dahin …“ Er zeigte auf die Balkontüren. „Unser bewunderndes Publikum wartet.“

Olivia nickte nervös. Jetzt gab es kein Zurück mehr. „Okay.“

„Sie sollten wissen“, sagte Aziz leise auf dem Weg zum Balkon, „dass die Öffentlichkeit von einer Liebesheirat ausgeht. Die Leute stehen auf so etwas.“

Olivia warf ihm einen argwöhnischen Blick zu. Das konnte nichts Gutes zu bedeuten haben. „Was genau wollen Sie damit sagen?“

Aziz strich ihr sanft über eine Wange, eine Berührung, die elektrisierender war als alles, was Olivia je erlebt hatte. Instinktiv schreckte sie zurück. „Nur, dass wir so tun müssen, als seien wir hoffnungslos ineinander verliebt. Aber zügeln Sie Ihre Begierde, Olivia. Das hier ist immer noch ein konservatives Land.“

Olivia wurde wütend, auch wenn sie genau wusste, dass er sie nur ärgern wollte. Lachend nahm er ihren Arm und führte sie hinaus auf den Balkon.

Jubelschreie ertönten, als sie in die heiße Luft hinaustraten. Olivia blinzelte überrascht, als sie die Begeisterung der Menge wahrnahm.

Aziz legte einen Arm um ihre Hüften und hob eine Hand zur Begrüßung.

„Winken Sie“, murmelte er. Gehorsam folgte Olivia seinem Beispiel. „Lächeln Sie“, fügte er belustigt hinzu, und sie zog die Mundwinkel nach oben.

Hüfte an Hüfte standen sie da und winkten der jubelnden Menge zu. „Haben Sie nicht gesagt, das Volk sei Ihnen gegenüber nicht loyal?“, fragte sie mit gesenkter Stimme, obwohl niemand sie hören konnte.

Aziz zuckte die Achseln. „Die Leute hier sind so romantisch wie konservativ. Die Vorstellung einer Märchenhochzeit gefällt ihnen eben.“

Nach einer gefühlten Ewigkeit ließ er sie los. Olivia wartete darauf, dass sie wieder hineingehen würden, doch stattdessen hob er ihr Kinn. „Was machen Sie da?“, zischte sie.

„Die Menge will sehen, wie wir uns küssen.“

„Sollten wir uns nicht zurückhalten?“, stieß sie durch zusammengebissene Zähne hervor. „Weil dieses Land so konservativ ist?“

„In Siyad ist man etwas moderner eingestellt. Und wir küssen uns nur ganz keusch, keine Sorge. Ohne Zunge“, fügte er hinzu und presste die Lippen auf ihre, als sie schockiert den Mund öffnete.

Olivia erstarrte unter der Berührung seiner Lippen. Sie war schon so lange nicht mehr geküsst worden, dass sie ganz vergessen hatte, wie sich das anfühlte – wie intim, seltsam und wundervoll. Aziz’ Lippen waren kühl und weich, und seine Hand an ihrem Gesicht war sanft und fest zugleich. Instinktiv schloss sie die Augen, während sie versuchte, gegen die Empfindungen anzukämpfen, die sie zu überwältigen drohten.

„Na also.“ Lächelnd hob er den Kopf. „Es ist Ihnen gut gelungen, sich zu beherrschen.“

„Was glauben Sie denn?“, erwiderte sie scharf.

Er lachte. „Es ist so herrlich einfach, Sie zu provozieren, Olivia.“

„Wie herrlich, das zu wissen!“

Lachend führte er sie zurück in den Palast, doch Olivia hatte kaum Augen für ihre Umgebung, so sehr schwirrte ihr der Kopf. Ihre Lippen kribbelten, als hätte Aziz ihnen einen Stromschlag versetzt. Er hatte sie nur sehr zurückhaltend geküsst, und doch zitterte sie von Kopf bis Fuß und hatte weiche Knie. Wie konnte ein schlichter Kuss eine solche Wirkung auf sie haben?

Weil er für sie nicht schlicht gewesen war, deshalb. Wenn man seit fast zehn Jahren nicht geküsst worden war, fühlte sich jeder Kuss explosiv an. Unvergesslich. Das hatte absolut nichts mit Aziz zu tun. Obwohl sie zugeben musste, dass er gut küsste … falls sie das überhaupt beurteilen konnte.

Kaum waren die Balkontüren geschlossen, machte Olivia sich von Aziz los und unterdrückte den Impuls, sich den Mund abzuwischen. „So, geschafft. Jetzt kann ich zurück nach Paris.“

„Und das werden Sie auch. Morgen früh.“

„Warum nicht schon heute Abend?“

„Es ist ein langer Flug, Olivia. Der Pilot muss sich erst ausruhen, und der Tank muss aufgefüllt werden. Außerdem erwartet man von mir, mit meiner Braut zu Abend zu essen. Diese Gelegenheit wollen Sie sich doch bestimmt nicht entgehen lassen, oder?“

Olivia unterdrückte ein Lächeln. Der Mann war unverbesserlich. „Sie haben vorhin nichts von einem Abendessen erwähnt.“

„Das muss mir wohl entfallen sein.“

„Lügner.“ Und dann lächelte sie doch, ein hilfloses Opfer seines Charmes. „Soll ich beim Essen Königin Elena spielen?“

„Wir bleiben unter uns, also ist das nicht nötig.“

„Und was ist mit dem Personal? Aziz, das ist doch lächerlich! Ein Blick in mein Gesicht, und jeder wird sofort erkennen, dass ich nicht Elena bin.“

„Warum sollte man, wenn man keinen Verdacht hat? Alle gehen davon aus, dass Königin Elena heute Nachmittag hier gelandet und mit mir auf dem Balkon erschienen ist. Alles lief wie geplant, Olivia. Niemand hat Veranlassung, etwas anderes zu vermuten.“

„Bis auf die Tatsache, dass ich überhaupt nicht wie sie aussehe.“

„Niemand hier hat Königin Elena je zu Gesicht bekommen.“

„Und was ist mit Zeitungsfotos?“, widersprach sie. „War sie nicht auch hier, um mit Ihnen über Ihre Ehe zu reden?“

Aziz nickte. „Ja, aber es handelte sich um ein privates Treffen unter Ausschluss der Öffentlichkeit.“

„Trotzdem.“

Lächelnd nahm er eine ihrer Hände. „Es geht nur um ein Abendessen, Olivia. Morgen früh können Sie hier weg.“

Olivia schüttelte den Kopf. Sie fühlte sich von den Ereignissen völlig überrollt, aber wenn sie ganz ehrlich mit sich war, hatte sie Lust, noch ein bisschen Zeit mit Aziz zu verbringen. Nur für einen Abend. Danach würde sie wieder zu ihrem langweiligen Leben zurückkehren.

„Außerdem müssen Sie etwas essen, Olivia“, murmelte er.

„Mir würde ein Sandwich in meinem Zimmer reichen.“

„Schön, dann leiste ich Ihnen eben dort Gesellschaft. Natürlich wird das Personal dann erst recht über uns klatschen.“

Ruckartig riss sie ihre Hand los. „Sie sind unmöglich.“

Er grinste. „Danke.“

„Das war kein Kompliment!“

„Ich weiß.“

Anscheinend war Widerstand zwecklos. Aziz würde sie ja doch früher oder später mit seinem Charme einwickeln, hinter dem er seine eiserne Willenskraft verbarg. Ihr war bisher gar nicht aufgefallen, wie hartnäckig er sein konnte, aber früher hatte sie sich ihm auch nie widersetzen müssen.

Er bringt mich ganz schön in Versuchung …

In Versuchung, einen Abend mit einem schönen Mann zu verbringen. Wieder Zugang zu jenem tief in ihr verschütteten Teil zu finden, den sie längst für abgestorben gehalten hatte. Sich wieder wie eine schöne, begehrenswerte Frau zu fühlen, auch wenn das nur eine Rolle war.

Sie gab nach. „Na schön, ich werde mit Ihnen zu Abend essen. Aber gleich morgen früh reise ich ab“, fügte sie hastig hinzu.

Aziz lächelte nur milde. „Selbstverständlich.“

Olivias Herz pochte. Würde er sie morgen wirklich gehen lassen?

Wollte sie das überhaupt?

3. KAPITEL

Aziz hob eine Augenbraue, als er die weiße Tischdecke und die flackernden Kerzen sah. Offensichtlich hatte das Personal den Tisch für ein romantisches Abendessen für zwei gedeckt. Olivia würde nicht gerade erfreut reagieren, wenn sie das sah.

Er war noch nie einer Frau begegnet, die so immun gegen seinen Charme war wie sie. Obwohl … so ganz immun schien sie doch nicht zu sein. Das hatte er bei ihrem Kuss gemerkt. Zuerst hatte sie sich versteift, sich dann jedoch an ihn geschmiegt und sogar die Lippen geöffnet.

Ob ihr das überhaupt bewusst gewesen war?

Beunruhigend war nur, dass ihre Reaktion in ihm das erschreckende Verlangen geweckt hatte, seinen Kuss zu vertiefen. Nur gut, dass er das nicht getan hatte, denn ein so offensichtlich zur Schau getragenes sexuelles Verlangen hätte die Menschen im Hof schockiert. Und er hatte sie begehrt! Das war eine Komplikation, die er gerade überhaupt nicht gebrauchen konnte.

„Eure Hoheit?“ Ein Bediensteter öffnete die Esszimmertür. „Königin Elena ist hier.“

Anscheinend haben wir zumindest einen getäuscht, dachte Aziz befriedigt.

Olivia trat ins Zimmer, das dunkle Haar kunstvoll hochgesteckt. Nur ein paar Strähnen fielen ihr ins Gesicht. Sie trug ein silbrig schimmerndes Abendkleid, dessen Oberteil eng anlag, während der Rock weit ausgestellt war. Sie sah wundervoll aus, strahlender und schöner, als er sie je gesehen hatte. Seine Begierde flackerte so heftig auf, dass es ihm für einen Moment den Atem verschlug.

Als sich die Türen hinter ihr schlossen, erwiderte sie seinen Blick herausfordernd. „Ich habe mir dieses Kleid nicht ausgesucht“, erklärte sie. „Mada und Abra haben darauf bestanden, dass ich es anziehe. Ich weiß noch nicht mal, wo es herkommt.“

„Ich hatte ein paar Kleider bestellt.“

„Für mich oder für die echte Elena?“

„Spielt das denn eine Rolle?“

Für einen Moment sah Olivia ganz verloren aus, fast verletzlich. Verwirrt schüttelte sie den Kopf. „Keine Ahnung. Das hier ist alles so seltsam.“

„Ganz meine Meinung. Aber seltsame Situationen haben manchmal ihren Reiz.“ Aziz ging auf sie zu. Er verspürte das unwiderstehliche Bedürfnis, sie zu berühren. Er wollte den Abend mit ihr genießen und nicht darüber reden, wie seltsam oder falsch oder gefährlich ihre Situation war.

„Sie sehen tatsächlich königlich aus“, sagte er und zeigte auf ihr glitzerndes Kleid. „Sie sind wunderschön, Olivia.“

Errötend hob sie eine Augenbraue. „Das mit den Komplimenten haben Sie schon mal besser hingekriegt.“

Seine Mundwinkel zuckten belustigt. „Ach ja?“

„Ich habe Sie mal eine Frau mit Rosenblättern vergleichen hören.“

„Hm, klingt ziemlich uninspiriert, wenn Sie mich fragen.“

„Sie ist jedenfalls darauf hereingefallen. Sie beide hatten sich in Ihr Schlafzimmer zurückgezogen, noch bevor ich das Dessert servieren konnte.“

Irgendwie dämpften ihre Worte seine gute Laune, obwohl er sich seiner sexuellen Eroberungen nicht schämte. Schon mit fünfzehn Jahren hatte er herausgefunden, dass Frauen auf ihn standen – eine Erkenntnis, die nach seiner einsamen unglücklichen Kindheit einfach berauschend gewesen war. Dass seine Geliebten sich nur für seinen Körper interessierten, störte ihn nicht. Er hatte sowieso nicht die Absicht, sein Herz zu verschenken, das war viel zu riskant.

Ihm wurde bewusst, dass Olivia bereits eine Menge über sein Privatleben wusste, auch wenn sie bisher immer diskret geschwiegen hatte. Dass sie ihn ausgerechnet jetzt an seinen Lebensstil erinnerte, passte ihm gar nicht.

„Ich werde mir einen passenderen Vergleich einfallen lassen“, sagte er und nahm ihre linke Hand. Ihre Haut fühlte sich kühl und glatt an. „Wie wär’s mit einem … Eiszapfen? Glitzernd, perfekt und kalt.“

„Das klingt eher nach Kritik.“

„Tja …“ Aziz grinste durchtrieben. „Eiszapfen schmelzen.“

Olivia schmolz tatsächlich ein bisschen dahin. Errötend wandte sie den Blick ab.

Aziz fand ihre Reaktion hinreißend. „Kommen Sie“, sagte er und zog sie ins Zimmer. „Das Abendessen steht schon bereit.“

„Das sieht ja ganz schön romantisch aus“, murmelte sie.

Ihre Finger fühlten sich fast zerbrechlich in Aziz’ Hand an. Nur widerstrebend ließ er sie los. Sein Verstand riet ihm, nicht mit ihr zu flirten, weil das die Dinge nur unnötig verkomplizieren würde. Mal ganz davon zu schweigen, dass ein Flirt seine geplante Ehe in Gefahr bringen könnte. Und die Monarchie. Wenn alles gut lief, würde er Elena morgen endlich finden, und Olivia konnte wieder nach Paris zurückfliegen.

Doch den heutigen Abend wollte er genießen.

Olivia schien seine Gedanken zu erraten. „Irgendwelche Neuigkeiten von Königin Elena?“

Aziz schüttelte den Kopf. „Ich fürchte, nein.“

„Dieser Khalil würde doch nicht … er würde ihr doch nichts antun, oder?“, fragte sie besorgt.

„Ich glaube nicht. Davon hätte er nichts, und wie Sie selbst gesagt haben, sie ist eine Königin. Sie zu entführen ist schon schlimm genug, aber ihr Schaden zuzufügen, würde politische Konsequenzen nach sich ziehen.“

„Das stimmt.“ Olivia runzelte nachdenklich die Stirn. „Ist Khalil eigentlich bewusst, dass man ihn deswegen vor ein internationales Gericht stellen könnte?“

„Das würde wohl kaum geschehen.“ Aziz lächelte finster. „Zumindest noch nicht. Mein Vater hat mit eiserner Faust regiert. Die Menschen haben ihn geliebt, weil er ein starker Herrscher war und für Frieden gesorgt hat, aber er hat seine eigenen Gesetze gemacht. Was innerhalb unserer Landesgrenzen geschieht, tangiert niemanden.“

„Aber die Regierung von Thallia wird doch protestieren?“

„Falls sie davon erfährt.“

„Dann haben Sie es also auch vor ihr geheim gehalten?“

„Vor allen, Olivia. Mir blieb keine andere Wahl. Aber ich werde Königin Elena finden.“ Als er Olivia eine schwere Damastserviette reichte, berührten sich ihre Finger, und Aziz spürte sie erschauern. „Ich kann verstehen, dass Sie viele Fragen zu dem Thema haben“, murmelte er, „aber ich würde lieber über etwas anderes reden. Irgendetwas Angenehmes.“ Er lächelte, um die Anspannung und Unsicherheit der letzten Stunden und Wochen zu vertreiben, und sei es auch nur für einen Abend.

„Etwas Angenehmes?“, wiederholte Olivia gedehnt. Sie nestelte am Stiel ihres Weinglases. Ihre Mundwinkel zuckten belustigt, als sie den Blick zu ihm hob. „Ich fürchte, da fällt mir nichts ein.“

Er erwiderte ihr Lächeln. „Tja, das ist ein Problem, aber zu zweit kommt uns vielleicht eine Idee.“

„Meinen Sie?“

„Wir müssen uns nur darauf konzentrieren.“ Er hatte die Stimme zu einem heiseren Murmeln gesenkt. Es war nicht seine Absicht, anzüglich zu klingen, aber er war so erregt, dass er nichts dagegen tun konnte. Olivia schien es auch aufzufallen, denn sie fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen. Wie würde sie jetzt reagieren … und welche Reaktion wünschte er sich von ihr?

„Ich nehme an, Sie denken die ganze Zeit an etwas Angenehmes“, bemerkte Olivia schließlich spöttisch. „Auch wenn das ein ganz schöner Euphemismus ist.“

„Aber ein ziemlich unverfänglicher, wie ich finde.“

Unvermittelt wurde sie ernst. „Lassen Sie das Flirten, Aziz. Ich weiß, das ist Ihre Standardeinstellung, aber bisher haben Sie sich mir gegenüber auch immer zurückgehalten.“

Er lachte schallend. „Meine Standardeinstellung?“

Sie erwiderte seinen Blick herausfordernd. „Sie sind ein Playboy. Dagegen können Sie nichts tun.“

Er lächelte humorlos. „Das klingt ja fast, als hätte ich eine unheilbare Krankheit.“

„Ist es auch, wenn Sie mich fragen, aber die Hauptsache ist, dass Sie sich einigermaßen unter Kontrolle haben. Ich habe jedenfalls nicht die Absicht, eine Ihrer Eroberungen zu werden.“

Aziz vermutete, dass sie ihn nur deshalb angriff, weil er sie verunsicherte. Er setzte sich und lehnte sich in seinem Stuhl zurück, „Ich sehe Sie nun mal gern lächeln, Olivia. Ich höre Sie auch gern lachen, obwohl ich bisher erst einmal das Vergnügen hatte.“

Sie stutzte. „Ich weiß nicht, was Sie meinen.“

„Sie waren damals in der Küche und wussten nicht, dass ich im Haus war. Es war ein hübsches Lachen. Laut und schallend, fast dreckig. Ich frage mich, was wohl der Auslöser war.“

„Ich … ich weiß es nicht mehr.“

„Warum lachen Sie eigentlich nie in meiner Gegenwart?“

„Vielleicht sind Sie nicht witzig genug?“, schoss sie zurück.

Er nickte grinsend. „Herausforderung angenommen.“

„Sparen Sie sich die Mühe, Aziz. Ich bin Ihre Haushälterin. Sie brauchen mich nicht zum Lachen zu bringen. Sie kennen mich doch noch nicht mal.“

„Gibt es da viel kennenzulernen?“

Ihre Finger verkrampften sich um ihr Weinglas. „Nicht wirklich. Mein Leben in Paris ist nicht besonders aufregend.“

„Wie kommt das eigentlich?“

„Es gefällt mir so.“

„Ja, aber warum?“ Plötzlich wurde ihm bewusst, dass ihn das tatsächlich interessierte. Er wollte nachvollziehen können, warum eine Frau wie Olivia Ellis – eine schöne, tüchtige und intelligente Frau – sich sechs Jahre lang als Haushälterin in einem meistens leer stehenden Haus versteckte.

„Warum nicht?“, fragte sie zurück. „Nicht jeder will ein Leben wie Sie.“

Belustigt lehnte er sich in seinem Stuhl zurück. „Und das wäre?“

„Das wissen Sie doch genauso gut wie ich. Partys bis zum Morgengrauen und jede Nacht eine andere Frau im Bett.“

„Und das gefällt Ihnen nicht?“

„Ich werde mich davor hüten, ein Urteil zu fällen, aber mein Ding wäre das auf keinen Fall.“

„Es gibt doch bestimmt einen Kompromiss? Wir sind sehr gegensätzlich, aber glauben Sie nicht, wir könnten uns irgendwo in der Mitte treffen?“

Ihre Augen blitzten wütend auf. „Und wo bitte schön sollte das sein?“

Im Bett. Aziz hatte die plötzliche lebhafte Fantasie von Olivia auf zerknüllter Satinbettwäsche, das Haar auf dem Kissen ausgebreitet, die Lippen rot und geschwollen von seinen Küssen. Seine Libido regte sich sofort, auch wenn er wusste, wie verkehrt das war.

Leider war er machtlos dagegen.

„Darüber könnten wir diskutieren“, sagte er betont nonchalant.

Olivia schüttelte nur den Kopf.

Ein Kellner brachte den ersten Gang, einen Salat. Olivia bedankte sich, wandte jedoch das Gesicht ab, bis der Mann verschwunden war.

„Ich glaube nicht, dass er einen Verdacht hatte“, murmelte Aziz, als die Tür hinter dem Mann ins Schloss fiel.

Olivia hob wieder den Blick zu ihm. „Wie Sie selbst gesagt haben, die Menschen sehen das, was sie erwarten.“ Sie klang überraschend hart und zynisch.

„Sprechen Sie aus Erfahrung?“

„Mehr oder weniger.“

„Ersteres oder Letzteres?“

Sie erwiderte seinen Blick ausdruckslos. „Ersteres“, antwortete sie leise und wandte den Blick ab.

Aziz hätte sie gern gefragt, was sich hinter ihrer Andeutung verbarg, aber sie kam ihm zuvor. „Werden Sie Ihr altes Leben vermissen? Die Partys, das ganze Playboy-Dasein? Ich nehme an, das wird sich alles verändern, wenn Sie erst mal verheiratet sind und in Kadar leben.“

„Ja, vermutlich schon.“ Aziz nahm seine Gabel und stocherte in seinem Salat herum. „Aber um Ihre Frage zu beantworten, nein, ich werde mein altes Leben nicht vermissen.“ Erstaunt über seine eigene Aufrichtigkeit hob er den Blick. „Sie scheinen mich für ganz schön oberflächlich zu halten.“

Sie legte den Kopf schief und musterte ihn nachdenklich. „Jemand, der oberflächlich ist, würde nicht um seinen Thron kämpfen.“

„Vielleicht reizt mich ja nur die Macht.“

„Warum wollen Sie eigentlich Scheich sein?“, fragte sie. „Kadar war ihnen doch bisher egal. Sie haben selbst zugegeben, früher fast nie hier gewesen zu sein.“

„Das ist keine Frage des Wollens“, antwortete Aziz nach einer Weile. „Sondern eine der Pflicht.“

„Aber diese Pflicht hat Sie vorher doch auch nicht interessiert.“

Er verzog das Gesicht. „Sie sind ganz schön direkt, wissen Sie das?“

„Warum nicht?“

Er lachte. Zu seiner Überraschung verspürte Aziz plötzlich den Wunsch, sich dieser Frau anzuvertrauen, auch wenn er ihr gegenüber zu keiner Erklärung verpflichtet war. Er hatte es satt, sich ständig zu verstellen. Olivia mit ihrem offenen Blick und ihrer direkten Art weckte sein Vertrauen, zumindest ein bisschen. „Mein Vater wollte nie, dass ich Scheich werde“, erzählte er nach kurzem Zögern. „Ich war für ihn eine einzige Enttäuschung.“

„Warum?“

Weil er Khalil bevorzugte. „Wir haben uns einfach nicht gut verstanden.“ Harmlos ausgedrückt.

Er würde nie vergessen, wie verächtlich sein Vater auf jeden von Aziz’ Versuchen reagiert hatte, seine Zuneigung zu gewinnen. Er konnte sich noch gut an seine brennende Scham erinnern, als Hashem ihn einmal zu einer Kabinettssitzung mitgenommen und ihn dazu aufgefordert hatte, die Verfassung von Kadar zu rezitieren. Aziz war über eine kleine Stelle gestolpert, eine einzige nur, doch Hashem hatte sich erbarmungslos über ihn lustig gemacht, bevor er ihm ins Gesicht geschlagen und ihn aus dem Raum geschickt hatte.

Und das war nur eine Erinnerung von vielen. Eine Demütigung hatte sich an die nächste gereiht, bis Aziz mit fünfzehn seine Jungfräulichkeit verloren hatte – an eine der Geliebten seines Vaters. Damals hatte Aziz erkannt, dass er sein Leben auch auf eine andere Weise führen konnte. Und zwar ohne ständig um die Achtung seines Vaters kämpfen zu müssen.

„Sind Sie Kadar deshalb ferngeblieben? Wegen Ihres Vaters?“

Aziz verdrängte die Erinnerungen und setzte ein Lächeln auf. „Mehr oder weniger.“

„Sie haben mir immer noch nicht erzählt, warum Sie auf einmal Scheich werden wollten.“

„Vielleicht will ich meinem Vater beweisen, dass er sich geirrt hat. Dass ich Scheich sein kann, und zwar ein verdammt guter.“ Als er die Leidenschaft in seiner Stimme hörte, verstummte er verlegen.

„Dann geht es bei Ihrer Entscheidung also immer noch um Ihren Vater“, sagte sie nach kurzem Nachdenken. „Sie lassen sich immer noch von ihm kontrollieren. Er gewinnt.“

Ihre Worte versetzten Aziz einen schmerzhaften Stich, doch sie hatte nicht ganz unrecht. Seine Entscheidungen wurden immer noch von seinem Vater diktiert. Er wollte nach wie vor Hashems Zustimmung. Seine Liebe.

„So habe ich das bisher noch nie gesehen“, räumte er ein....

Autor

Kate Hewitt
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