Königin für eine Nacht?

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Eine Romanze? Undenkbar für die scheue Prinzessin Kitty. Bis ihr Nikos Angelaki begegnet, Geschäftspartner ihres Bruders in Aristo. In seinen Augen liest Kitty die Bewunderung, und aus der vergessenen Prinzessin wird eine Königin für eine Nacht - mit skandalösen Folgen …


  • Erscheinungstag 06.03.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733776855
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Nikos Angelaki stand am Rande des Ballsaales und ließ seinen gelangweilten Blick über die annähernd fünfhundert Gäste schweifen, die im Schein der prächtigen Kristalllüster tanzten oder am perlenden Champagner nippten.

Die Männer trugen Uniform und Smoking, während sich die Frauen in exklusiven Designerroben zur Schau stellten und mit schillernden, kostbaren Juwelen geschmückt wie bunte Schmetterlinge über die Tanzfläche schwirrten.

Betont lässig schob er den Ärmel des Dinnerjacketts hoch, schaute auf seine Rolex und durchquerte den Saal mit geschmeidigem Raubtiergang, sich der neugierigen Blicke, die ihm folgten, durchaus bewusst. Mit zweiunddreißig Jahren war er längst an die Aufmerksamkeit gewöhnt, die man ihm aufgrund der äußeren Attribute und seines ungeheuren Reichtums zollte.

Eine attraktive Blondine im provozierend knappen Mini erregte so weit sein Interesse, dass er ihr einen kurzen taxierenden Blick gönnte, bevor er in das Foyer hinaustrat.

Es war das erste Mal, dass er bei einem Ball im Königshaus anwesend war oder überhaupt den Palast von Aristo besuchte. Von der eleganten Ausstattung der riesigen Räume war er ebenso beeindruckt wie von den unbezahlbaren Meisterwerken berühmter Künstler aus den verschiedensten Epochen, die an mit Seide bespannten Wänden hingen.

Die herrschende Königsfamilie Karedes gehörte zu den reichsten Europas, und auf der Gästeliste fanden sich Vertreter des Hochadels neben Staatsoberhäuptern und anderen wichtigen Würdenträgern, die alle keine Ahnung davon hatten, dass der Ehrengast des Prinzregenten seine Kindheit in den Slums von Athen verbracht hatte.

Mit zynischem Lächeln fragte sich Nikos, ob der steifnackige Butler ihn ebenso ehrerbietig in den offiziellen Salon geführt hätte, um Prinz Sebastian zu begrüßen, wenn er ahnte, dass seine Mutter einst als Küchenmädchen in diesem Palast angestellt gewesen war. Davon wusste nicht einmal Sebastian etwas, trotz der engen Freundschaft, die sich zwischen ihnen entwickelt hatte.

Mit langen Schritten durchquerte Nikos die Eingangshalle und stieß versuchsweise eine Tür auf. Dahinter befand sich eine Art Servier- und Abstellraum. Er war leer, bis auf eine Kellnerin, die am anderen Ende des Raumes gegen einen Tisch gelehnt stand und mechanisch weiße Servietten faltete.

Da sein Flieger mit Verspätung gelandet war, hatte Nikos das große Festbuffet leider verpasst. Der Anblick der noch reichlich gefüllten Platten mit köstlich aussehenden Kanapees brachte seinen Magen zum Knurren.

Erst die Pflicht, dann das Vergnügen, ermahnte er sich. Hier in Aristo war es bereits Abend, aber an Amerikas Ostküste erst früher Nachmittag, und Nikos hatte für diese Zeit ein Telefonat mit einem seiner Klienten in New York vereinbart.

Langsam schlenderte er auf die junge Kellnerin zu, die sich seiner Anwesenheit offensichtlich nicht bewusst war. „Können Sie mir einen Ort nennen, an dem ich ungestört bin? Ich muss einen dringenden Geschäftsanruf machen.“

Beim Klang der tiefen, etwas rauen Stimme stellten sich automatisch Kittys Nackenhärchen auf. Und als sie den Kopf wandte, setzte auch noch ihr Herz einen Schlag aus. Wie betäubt starrte sie den Mann an, der den Raum unbemerkt betreten hatte. Sie hatte ihn sofort wahrgenommen, als er im Ballsaal erschien – Nikos Angelaki, millionenschwerer Reeder, notorischer Playboy und einer der engsten Vertrauten ihres Bruders.

Sebastian hatte der Familie erklärt, er habe Nikos in geschäftlicher Funktion in Griechenland kennengelernt. Wie sich schnell herausstellte, teilten beide Männer eine ausgesprochene Vorliebe fürs Glücksspiel, wie Poker und Roulette, und für elegante Nachtclubs in Aristo und Athen.

Fotos von Nikos Angelaki waren Kitty schon vorher in sämtlichen Hochglanzmagazinen begegnet, doch die wurden seiner charismatischen Ausstrahlung in keinster Weise gerecht, wie sie jetzt feststellen musste, da sie ihm live gegenüberstand. Sein Sex-Appeal stand dem weltmännischen Auftreten in nichts nach. Größer, als man von den Fotos her hätte vermuten können, war er. Und er hatte lange Beine und einen muskulösen, geradezu athletischen Körperbau.

Doch was ihre Aufmerksamkeit in erster Linie weckte, war das klassisch geschnittene Gesicht. Gut aussehend wäre keine adäquate Bezeichnung gewesen für die Perfektion der markanten Wangenknochen, des festen Kinns, der dunklen Brauen über den fast schwarzen Augen und des großzügig geschnittenen Mundes, um den immer ein sardonisches Lächeln zu spielen schien.

Erst als er arrogant die Brauen hob, wurde ihr bewusst, dass er immer noch auf eine Antwort wartete, während sie ihn nur stumm anstarrte. Normalerweise hätte eine derart zur Schau gestellte Selbstsicherheit sie abgestoßen, doch was sie in diesem Moment fühlte, war eine so intensive sexuelle Wahrnehmung, wie Kitty sie nie zuvor in der Gegenwart eines Mannes verspürt hatte.

„Da hinten ist ein kleiner Salon, in den Sie sich zurückziehen können“, murmelte sie errötend und wies mit dem Finger auf eine Tür an der gegenüberliegenden Wand.

„Danke.“

Anstatt zu gehen, maß er sie kurz von Kopf bis Fuß und begutachtete ihr schlichtes schwarzes Cocktailkleid, was in ihr den albernen Wunsch wachrief, sie hätte sich doch die Zeit genommen, ein neues Balloutfit zu kaufen. Irgendetwas Mondänes, raffiniert Geschnittenes, das ihr vielleicht seine männliche Bewunderung gesichert hätte statt des eher gelangweilten Blickes.

Dabei interessierte sich Kitty eigentlich nicht besonders für Mode und vergrub sich lieber in ihren Recherchen für Aristos bekanntes Museum, anstatt die Boutiquen nach aufregenden Designermodellen zu durchforsten. So war ihr erst in der Sekunde, als sie den Punkt Ballkleid kaufen auf ihrer To-do-Liste für die Organisation des Balles sah, bewusst geworden, dass sie nichts Passendes für Aristos wichtigstes gesellschaftliches Ereignis anzuziehen hatte. Davon abgesehen verfügte sie ohnehin nicht über genügend Selbstbewusstsein, sich in sexy Outfits zu kleiden, die einem Mann wie Nikos Angelaki gefallen würden.

Seiner unbewegten Miene nach konnte er sie wohl nicht einordnen. Ohnehin erforderte das Palastprotokoll, dass sie, als Mitglied der Königsfamilie, sich ihm zuerst vorstellen müsste.

Die Erkenntnis reichte, um Kitty gleich wieder in die quälende Schüchternheit und Unsicherheit zu stürzen, die sie schon seit ihrer Kindheit gefangen hielt. Nicht zum ersten Mal wünschte sie sich, mit dem unerschütterlichen Selbstvertrauen und der funkelnden Persönlichkeit ihrer Schwester ausgestattet zu sein. Bei Lissa wirkte alles so leicht und selbstverständlich.

Ich bin Prinzessin Katarina Karedes, Vierte in der Linie der Thronanwärter von Aristo, versuchte Kitty, sich selbst Mut zu machen.

Dabei war sie von klein auf darauf trainiert, sich in der Öffentlichkeit zu präsentieren. Trotzdem wurde ihr das Kennenlernen neuer Leute nie zur Routine. Also stählte sie sich innerlich, zauberte ein freundlich-neutrales Lächeln auf die Lippen und wollte Nikos Angelaki die Hand zur formellen Begrüßung reichen. Doch dazu kam es nicht.

„Ich könnte mir vorstellen, dass man Sie im Ballsaal braucht, um den Gästen Champagner nachzuschenken“, sagte Nikos fast tadelnd. „So wie ich Prinz Sebastian verstanden habe, sind einige Mitarbeiter des Catering-Teams unverhofft erkrankt, und damit herrscht ein Mangel an Servicekräften. Selbst mir ist aufgefallen, dass etliche Gäste mit leeren Gläsern in der Hand dastehen.“

Sein dünnes Lächeln schien mit der Erwartung einherzugehen, dass sie wie ein aufgescheuchter Hase davonlaufen müsse, um ihren Verpflichtungen nachzukommen. Doch in der nächsten Sekunde wandte er sich auch schon ab und zog sein Handy hervor.

Kitty blieb allerdings wie festgefroren auf der Stelle stehen und schnappte hörbar nach Luft. Natürlich wusste sie um das Problem mit den Catering-Kräften, immerhin war sie es gewesen, die den Service als Verstärkung der Palastangestellten-Riege gebucht hatte. Aber niemals wäre sie auf die absurde Idee verfallen, irgendjemand könne sie für ein Mitglied der Crew halten!

Normalerweise hatte sie auch nichts mit der Organisation derartiger Events zu tun. Doch da Königin Tia nach dem unerwarteten Tod ihres Gatten, König Aegeus, ihre Trauer noch nicht überwunden hatte, war Kitty Sebastians’ Bitte gefolgt, ihrer Mutter, als offizielle Initiatorin des Balles, unterstützend zur Seite zu stehen.

Eigentlich hätte Sebastian ja längst der neue König sein sollen. Damit wäre er der offizielle Gastgeber gewesen. Doch schockierenderweise war der unschätzbar wertvolle halbe Stefani-Diamant, der das Herzstück der Krone von Aristo bildete, verschwunden und durch ein Duplikat ersetzt worden. Ohne ihn musste die Krönung verschoben werden, und Sebastian hatte nur Anspruch auf den Titel Kronprinz von Aristo.

Völlig in ihre eigenen Gedanken versunken, registrierte Kitty erst jetzt, dass Nikos sie erneut mit einem Anflug von Ungeduld musterte. „Lassen Sie sich durch mich nicht von Ihrer Arbeit abhalten“, riet er ihr spöttisch. „Oder noch besser, bringen Sie mir doch bitte ein Glas Champagner in den kleinen Salon. Ich muss jetzt wirklich dringend telefonieren.“

Damit schritt er in Richtung der Tür davon, die sie ihm gezeigt hatte.

„Ach, und noch etwas …“, rief er ihr über die Schulter zu, „… wenn Sie schon dabei sind, machen Sie mir doch auch noch einen Teller vom Buffet zurecht. Die dolmathakia sieht gut aus … dazu Brot und Oliven.“

Er ist ein Gast, erinnerte sich Kitty mit zusammengebissenen Zähnen. Und ihre Aufgabe als Hausherrin war es, dafür zu sorgen, dass die Gäste den Ballabend genossen und sich wohlfühlten … alle!

Doch sein kühler Befehlston machte ihr zu schaffen. Normalerweise war sie es gewohnt, von fremden Personen mit Königliche Hoheit angesprochen zu werden. Da Nikos sie wie eine Bedienstete behandelte, beeindruckten ihn Adelstitel entweder nicht besonders, oder er hatte tatsächlich keine Ahnung von ihrer wahren Identität.

„Sie wünschen, dass ich Sie bediene?“, vergewisserte die Prinzessin sich vorsichtshalber noch einmal.

Ihr scharfer Ton weckte seine Aufmerksamkeit. Nikos machte kehrt und kam tatsächlich wieder auf sie zugeschlendert, irritiert von dem missbilligenden, fast arroganten Blick, mit dem die Kellnerin ihn bedachte. Bisher hatte er sie nur flüchtig als ziemlich farbloses junges Ding mit schlecht sitzendem Kleid wahrgenommen. Doch im Näherkommen wurde ihm bewusst, dass sie weder schlicht noch uninteressant wirkte.

Beim genauen Hinschauen fielen ihm besonders ihre herausfordernden Kurven ins Auge, die in dem unauffälligen Outfit nicht wirklich zur Geltung kamen. Doch mit etwas Fantasie … die runden Brüste und weiblichen Hüften im Kontrast zur schmalen Wespentaille bewirkten, dass ganz unerwartet seine Männlichkeit erwachte und er nur zu gern auf der Stelle erforscht hätte, was für sinnliche Überraschungen sich sonst noch unter der langweiligen Verpackung versteckten.

Sie ist nicht dein Typ!, versuchte er seine Erregung zu dämpfen.

Nikos hegte eine Vorliebe für große, schlanke Blondinen, nicht für kleine, kurvige Brünette. Ihre Brille mit der dunklen Fassung wirkte viel zu dominant, doch die Haut schimmerte wie kostbare Seide in einem sanften Ton, der zwischen dunklem Gold und Olive changierte. Auf den hohen Wangenknochen lag ein pinkfarbener Hauch, und die weichen vollen Lippen reizten unbedingt zum Küssen.

Zur Hölle! Offenbar lebe ich schon viel zu lange enthaltsam!, rief Nikos sich zur Ordnung.

Er war ein überzeugter Workaholic, der sich immer wieder Höchstleistungen abforderte. Das führte dazu, dass sich der Profit von Petridis Angelaki Shipping unter seiner Führung kontinuierlich steigerte. Er arbeitete voller Leidenschaft und lebte auch sonst nach diesem Motto. In der letzten Zeit allerdings viel zu wenig. Es war Zeit, wieder eine gesunde Balance herzustellen.

Doch Nikos bezweifelte, dass es Prinz Sebastian gefallen würde, wenn er eine der Palastangestellten verführte.

„Fühlen Sie sich damit etwa überfordert?“, fragte er sarkastisch. „Immerhin ist es Ihr Job.“

Kitty dachte an die unzähligen Stunden, die sie in die Vorbereitung des Balles investiert hatte, und spürte, wie heiße Wut in ihr entbrannte. Seit Wochen verwandte sie all ihre Kraft darauf, Bruder und Mutter zu unterstützen und ihnen so viel wie möglich abzunehmen. Aber sich von arroganten Gästen vorführen und beleidigen zu lassen, gehörte ganz sicher nicht dazu!

Auf ihren Wangen erschienen zwei rote Flecken, und mit in die Hüften gestemmten Fäusten baute sie sich empört vor Nikos auf. Leider musste sie den Kopf in den Nacken legen, um ihm in die Augen schauen zu können, was die Wirkung ihres Auftritts natürlich schmälerte.

„Was ein Buffet in erster Linie ausmacht, ist die Idee, dass sich jeder Gast nach seinem Gusto selbst bedienen kann“, teilte sie ihm kühl mit.

Nikos schob die dunklen Brauen zusammen, und unter seinem verächtlichen Blick wurde sich Kitty noch viel mehr ihrer unglücklichen äußeren Erscheinung bewusst. Das hochgeschlossene, langärmelige schwarze Kleid, das vorn mit winzigen Kugelknöpfen geschlossen wurde, hatte sie in der vorletzten Saison erstanden, weil sie hoffte, Farbe und Schnitt würden streckend wirken und sie vielleicht etwas schlanker und zierlicher erscheinen lassen.

Allerdings musste sie diesem arroganten Kerl innerlich recht geben. Es war dem Outfit des Servicepersonals tatsächlich sehr ähnlich.

Ihr Job!

Langsam dämmerte Kitty, dass Nikos wohl wirklich nicht wusste, wen er vor sich hatte. Persönlich getroffen hatten sie sich nie, und anders als Lissa, die häufig in den Gesellschaftsspalten der Hochglanzgazetten zu sehen war, hielt sie selbst sich, so gut es eben ging, aus dem Schussfeld der Paparazzi.

Kitty wusste nicht, ob sie über seinen Irrtum amüsiert oder verärgert sein sollte, entschied sich dann aber dafür, es mit Humor zu nehmen. Sie öffnete den Mund, um Nikos Angelaki zu informieren, dass sie Prinzessin Katarina und nicht irgendein Dienstmädchen sei, schloss ihn aber gleich wieder, weil eine innere Stimme sie davon abhielt. Stattdessen haderte sie noch mehr mit ihrer Entscheidung, keinen gesteigerten Wert auf ihre äußere Erscheinung zu legen und darauf zu vertrauen, wie meistens unbemerkt im Hintergrund zu bleiben.

Doch das war ihr von Beginn des Balles an schon nicht vergönnt gewesen …

Als Gastgeberin, an der Seite ihres Bruders, des Prinzregenten, hatten die Gäste sie natürlich wahrgenommen, aber anders, als Kitty es sich gewünscht hätte. Im Laufe des Abends blieb es ihr nicht erspart, die eine oder andere wenig schmeichelhafte Bemerkung aufzuschnappen. Und alle hatten den gleichen Tenor: Schon sechsundzwanzig? Und noch keinen Mann? Muss hart für die Arme sein, immer im Schatten ihrer schönen Schwester zu stehen … sie soll ja intelligenter sein, aber was nützt ihr das, ohne das entsprechende Äußere …?

Kitty fragte sich, wie Nikos reagieren würde, sollte sie sich als Prinzessin zu erkennen geben. Ob er die allgemeine Meinung teilte, dass es sich bei ihr um das hässliche Entlein der Familie handelte? Dass er selbst umwerfend attraktiv war, empfand sie dabei nicht gerade als hilfreich.

Ihn anzuschauen ließ ihr dummes Herz schneller schlagen und davon träumen, mit den Fingern durch sein schimmerndes schwarzes Haar zu fahren, das ihm ungezähmt in die Stirn fiel und ein fast piratenhaftes Aussehen verlieh. Obwohl sie Angst hatte, er könne ihre Gedanken lesen, brachte sie es einfach nicht fertig, den Blick von ihm loszureißen.

Irgendetwas entspann sich zwischen ihnen und lag wie ein elektrisches Feld in der Luft. Zu ihrem Entsetzen spürte Kitty, wie sich ihre Brustspitzen aufrichteten und das Blut plötzlich schneller durch die Adern floss. Mit brennenden Wangen verschränkte sie die Arme vor dem Oberkörper und erwiderte fast trotzig seinen wissenden Blick.

Natürlich blieb ihr Zustand einem Frauenkenner wie Nikos nicht verborgen. Was ihn allerdings irritierte, war seine eigene körperliche Reaktion auf die sichtbare Erregung der üppigen Schönheit. Dabei war seine Zeit wahrlich zu kostbar, um sie mit einer aufmüpfigen Kellnerin zu vertändeln, so heiß und willig die auch sein mochte.

„Da Sie sich so überaus sensibel zeigen, nehme ich an, dass Sie nicht zum Catering-Personal, sondern zum Palast gehören“, stellte er arrogant fest. „Ich bin sicher, Prinz Sebastian bezahlt seine Angestellten außerordentlich generös und wäre hocherfreut, wenn Sie jetzt meinem Wunsch ohne weitere Einwände nachkommen könnten.“

Damit hatte er sich endgültig in das avisierte Zimmer zurückziehen wollen, um seinen Geschäftsanruf zu erledigen, aber aus einem ihm unerfindlichen Grund blieb er stehen und wartete fast neugierig auf die Reaktion der Kellnerin. Doch warum er dieses trotzige Mädchen am liebsten in seine Arme gerissen und bis zur Besinnungslosigkeit geküsst hätte, konnte er sich absolut nicht erklären.

Nicht Mädchen, sondern Frau!, korrigierte Nikos sich im Stillen. Und was für ein Prachtweib! Diese aufregend weibliche Figur, die großen schimmernden Augen, der weiche Mund mit der bebenden Unterlippe, über die sie jetzt auch noch mit der rosa Zungenspitze fuhr …

„Wie ist dein Name?“, fragte er brüsk.

„Ich … Rina.“ Die Worte kamen über ihre Lippen, ohne dass Kitty es geplant hatte, und als sie es registrierte, war es bereits zu spät. Was trieb sie nur dazu, ihre wahre Identität vor Nikos zu verbergen? War es vielleicht die Angst, auch er könne sie mit ihrer attraktiven Schwester vergleichen? Dass er Lissa im letzten Jahr auf einer Party in Paris kennengelernt hatte, wusste sie.

„Ich bin neu hier …“, plapperte Kitty weiter und redete sich ein, ihm damit nur die Peinlichkeit ersparen zu wollen, unbewusst ein Mitglied des Königshauses brüskiert zu haben.

„Verstehe …“ Nikos kam quer durch den Raum auf sie zu, und Kitty spürte, wie sich ihr Herzschlag mit jedem seiner langen, geschmeidigen Schritte beschleunigte. Sie konnte kaum den Drang bezwingen, sich einfach umzudrehen und zu fliehen, doch als er dicht vor ihr stehen blieb, bannte das kaum verhohlene Verlangen in seinen dunklen Augen sie auf der Stelle.

Irrte sie sich auch nicht? Oder war vielleicht nur ihr Wunsch Vater oder Mutter des Gedankens, und sie bildete sich sein Interesse an ihr als Frau nur ein?

Bestimmt! Nikos Angelaki konnte unter den Schönsten der Schönen wählen. Hatte sie nicht gerade erst etwas von einer heißen Affäre zwischen ihm und einer berühmten Hollywood-Schauspielerin munkeln hören? Shannon March!

„Irgendetwas sagt mir, dass du noch eine Menge zu lernen hast, Rina.“

So unerfahren in puncto Männern die Prinzessin auch war … der neckende Tonfall täuschte sie nicht darüber hinweg, worauf seine Bemerkung tatsächlich abzielte. Und dass er durchaus willens war, ihren Lehrer zu spielen, wenn sie ihm auch nur den leisesten Wink gab.

„Ich … ich gehe jetzt lieber und hole Ihnen den gewünschten Champagner, Mr. Angelaki“, sagte sie atemlos und zog sich zurück, bevor der Drang, sich in seine Arme zu stürzen und sich von ihm küssen zu lassen, noch übermächtiger wurde.

„Ja, das ist wohl besser“, stimmte Nikos ihr mit einem amüsierten Auflachen zu und zerriss damit das sinnliche Netz, in das ihn die aufreizende kleine Kellnerin zu verstricken versucht hatte. „Nur interessehalber … woher kennst du meinen Namen?“

Kitty schluckte. „Ich habe Ihr Bild in einer Illustrierten gesehen“, gestand sie völlig aufrichtig. „Und den dazugehörigen Artikel gelesen.“

„Hoffentlich nur Schmeichelhaftes.“

Kitty dachte an das geradezu legendäre Glück, das man Nikos Angelaki sowohl beim Roulette wie im Business und bei den Frauen nachsagte. Die gängigsten Attribute, um ihn und seinen Lebensstil zu beschreiben, waren: risikofreudig, leidenschaftlich, eiskalt, rücksichtslos, getrieben …

Bei Nikos Angelaki schien das eine das andere nicht auszuschließen.

„Reden Sie von Ihrem Image als millionenschwerer Playboy, der jeden Tag mit einer anderen bildschönen Blondine am Arm abgelichtet wird?“, fragte Kitty spitz und war sofort erschrocken über die Missbilligung, die sie selbst in ihren Worten vernahm.

Doch Nikos zuckte nur achtlos die breiten Schultern. „Du solltest nicht alles für bare Münze nehmen, was in diesen Klatschblättern gedruckt wird, Rina“, empfahl er ihr grinsend. „Einige der zitierten Blondinen haben es eine ganze Woche lang bei mir ausgehalten, andere sogar Monate. Dabei bin ich immer noch der Meinung, dass mein Privatleben niemanden etwas angeht als mich selbst.“

„Absolut“, bestätigte die Prinzessin mit stoischer Miene.

„Mir ist es nämlich völlig egal, ob Sie Ihre Frauen wechseln wie andere Männer ihre Socken.“

Dieser Dreistigkeit folgte eine lange Pause, in der Kitty bewusst wurde, wie sich ihr Statement für ihn anhören musste, wenn sie tatsächlich die Kellnerin wäre, für die er sie hielt. Doch ehe sie sich eine Erklärung ausdenken konnte, überraschte Nikos sie damit, dass er den Kopf in den Nacken legte und schallend lachte.

„Ob Prinz Sebastian überhaupt weiß, dass sich eine kleine Rebellin unter seinem Personal befindet?“, zog er sie auf. „Wenn du nicht aufpasst, wird dir dein loses Mundwerk irgendwann richtigen Ärger bescheren, Rina.“

Er stand jetzt so dicht vor ihr, dass sie seine Körperwärme spürte, trotzdem brachte sie es nicht fertig, sich zurückzuziehen. Stattdessen hielt Kitty den Atem an, hin und her gerissen zwischen Angst, Faszination und dem nebulösen Wunsch, er möge sie doch endlich küssen. Als Nikos einen Arm um ihre Taille legte und den Kopf neigte, schloss sie die Augen … und hätte fast vor Enttäuschung aufgeseufzt, weil er sie mit einem unterdrückten Fluch abrupt freigab.

Himmel noch mal! Was ist denn nur in mich gefahren?, fragte Nikos sich frustriert. Natürlich habe ich nie vorgehabt, sie zu küssen! Dumm von ihr, das auch nur einen Moment anzunehmen.

Ob sie überhaupt wusste, wie leicht er ihre Gedanken lesen konnte? Oder wie versucht er gewesen war, ihre unausgesprochene Einladung anzunehmen?

Es kostete ihn seine ganze Selbstbeherrschung, sich von Rina zurückzuziehen. Abrupt wandte er sich um und strebte nun bereits zum dritten Mal auf den kleinen Salon zu, um endlich zu Ende zu bringen, weshalb er überhaupt den Ballsaal verlassen hatte.

„Geh jetzt, bevor ich mich noch entschließe, Prinz Sebastian davon zu unterrichten, dass du deinen Job offensichtlich nicht besonders ernst nimmst“, fuhr er sie barsch an. „Und, Rina … vergiss meinen Champagner nicht!“

Seine Arroganz verschlug ihr den Atem. Es lag Kitty auf der Zunge, Nikos Angelaki davon zu unterrichten, dass ihn ein derart despektierliches Verhalten einer Prinzessin gegenüber, zumindest in früheren Zeiten, den Kopf gekostet hätte.

Er kann froh sein, wenn ich nicht die Palastwachen ordere, um ihn hinauszuwerfen!, schimpfte sie leise vor sich hin. Eigentlich war sie für ihr ruhiges, ausgeglichenes Wesen bekannt, aber dieser Mann hatte es tatsächlich fertiggebracht, sie bis zur Weißglut zu reizen!

Dabei war es im Grunde genommen ihr eigener Fehler, dass er sie irrtümlicherweise für eine Kellnerin hielt, gestand sich Kitty widerwillig ein, ließ einen wenig damenhaften, unterdrückten Fluch hören und rauschte hocherhobenen Hauptes aus dem Zimmer.

Autor

Chantelle Shaw
Chantelle Shaw ist in London aufgewachsen. Mit 20 Jahren heiratete sie ihre Jugendliebe. Mit der Geburt des ersten Kindes widmete sie sich ihrer Rolle als Hausfrau und Mutter, ein Vollzeitjob, da die Familie bald auf sechs Kinder und verschiedene Haustiere anwuchs. Chantelle Shaw entdeckte die Liebesromane von Mills & Boon,...
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