Leidenschaft unter dem Wüstenmond

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Wie nur soll Darcy ihm klarmachen, dass alles nur ein großes Missverständnis ist? Sie hat Scheich Zafir nie mit seinem Bruder betrogen! Außerdem muss ihr Ex-Freund eines unbedingt erfahren: Es gibt etwas, das sie und den feurigen Wüstensohn für immer aneinander bindet …


  • Erscheinungstag 20.06.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733747022
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Ihr Sturz von der Mauer dauerte nur einen Wimpernschlag, doch für Darcy fühlte es sich an wie eine kleine Ewigkeit. Es war ziemlich unheimlich. Der Boden schien in Zeitlupe auf sie zuzukommen, fast wie in einem Traum.

Wenn sie sich beim Klettern doch bloß besser konzentriert hätte! Aber ihr Vorhaben war einfach zu aufregend … Darcy hatte sich nämlich aus einem nicht gerade alltäglichen Grund über die hohe Gartenmauer gewagt. Sie hatte gehofft, dem attraktiven Besitzer des herrschaftlichen Anwesens zu begegnen, um ihm ein längst überfälliges Geständnis zu machen: Ihre leidenschaftliche Affäre war damals nicht folgenlos geblieben – sie hatten einen gemeinsamen Sohn.

Jetzt musste sie sich aber zuerst um ihren schmerzenden Knöchel kümmern. Darcy stieß einige nicht gerade damenhafte Flüche aus und rieb sich den verletzten Knöchel. Unter der Berührung zuckte sie sofort zusammen, da der Schmerz dadurch nur noch stärker wurde. Wie um Himmels willen sollte sie wieder aufstehen? Der gerötete Knöchel schwoll bereits an – viel zu schnell! Das sah gar nicht gut aus. Damit war es mit dem souveränen Auftritt vorbei, den sie sich ausgemalt hatte!

Noch während ihr das durch den Kopf ging, kam ein stämmiger Mann in einem schwarzen Anzug vom anderen Ende des Gartens mit schnellen Schritten auf sie zu. Man konnte schon von Weitem erkennen, dass er zur Security gehörte.

Trotz ihrer misslichen Lage kommentierte Darcy seine Ankunft mit einem Hauch Ironie. „Sie hätten sich nicht so beeilen müssen. Ich werde ganz sicher nicht so schnell verschwinden. Ich fürchte, ich habe mir den Knöchel verstaucht.“

„Sie sind eine sehr leichtsinnige junge Frau! Ich kann Ihnen gleich sagen, dass der Scheich gewiss nicht erfreut sein wird.“

Als Darcy sich vor Augen führte, dass er von dem Mann sprach, den sie verzweifelt zu sehen hoffte, fühlte sie sich, als wäre sie mit voller Wucht gegen die Mauer gerannt, statt lediglich von ihr herabzustürzen.

„Seine Hoheit ist der Eigentümer dieses Anwesens und Sie sind hier widerrechtlich eingedrungen. Ich muss Sie warnen, dass er dieses Eindringen nicht auf die leichte Schulter nehmen wird.“

„Nein … wahrscheinlich nicht.“

Aber wie auch immer ihr Exlover reagieren würde, wenn er sie sah, sie selbst würde sich gewiss nicht schlechter fühlen können, als es jetzt schon der Fall war.

„Hören Sie, das Ganze ist nun mal passiert, und so gern ich auch Seiner Hoheit den Grund für meine Anwesenheit erklären möchte, brauche ich doch zuerst Ihre Hilfe, um aufstehen zu können.“

„Das ist keine gute Idee. Sie müssen vorher von einem Arzt untersucht werden. Beim Aufstehen könnte sich Ihre Verletzung noch verschlimmern.“

Als sie im Dämmerlicht des Abends zu dem Mann hochblickte, bemerkte Darcy zu ihrer Überraschung ehrliche Besorgnis in seinen Augen. Er zog ein Handy aus der Tasche seines Jacketts und telefonierte mit jemandem in einer Sprache, die ihr aus den Tagen, in denen sie in der Bank gearbeitet hatte, noch allzu gut vertraut war. Sofort brach eine Flut an schmerzlichen Erinnerungen über sie herein, die sie im Augenblick ganz und gar nicht gebrauchen konnte. Besonders jetzt, da sie sich selbst blöderweise in eine so unmögliche Situation gebracht hatte.

Doch was sonst hätte sie denn tun sollen? Schließlich hatten sich ihre schlimmsten Befürchtungen bewahrheitet: Er hatte sich verlobt! Ihr Herz lehnte sich gegen diesen Gedanken auf, als sei er das pure Gift.

Gerade als Darcy klar wurde, dass der Wachmann ihr wirklich nicht hochhelfen würde, beendete er auch schon seinen Anruf.

„Der Arzt kommt gleich. Er ist der Leibarzt des Scheichs und hat ein eigenes Apartment auf dem Anwesen. Ich habe auch etwas Wasser für Sie bestellt.“

„Ich brauche kein Wasser. Ich brauche nur Hilfe, um aufstehen zu können.“

Darcy musste jedoch erkennen, dass jeder weitere Versuch, den Mann diesbezüglich um Hilfe zu bitten, vergeblich war. Seufzend ließ sie den Kopf sinken. Einige Strähnen ihres seidenweichen blonden Haars hatten sich aus dem Haarknoten gelöst und fielen ihr nun ins Gesicht. Doch das war Darcy nur recht! Vielleicht konnte sie so etwas von der Angst verbergen, die in ihr pulsierte …

„Möchten Sie, dass ich jemanden anrufe, um ihn oder sie von Ihrem Unfall zu informieren?“

Bei diesem Vorschlag wurde Darcy unwillkürlich nervös. Ihre Mutter würde bei einem derartigen Anruf keineswegs ruhig bleiben. Bei ihr verwandelte sich das kleinste Missgeschick in ein bühnenreifes Drama. Das Letzte, was Darcy wollte, war, dass die Besorgnis ihrer Mutter sich auf ihren kleinen Sohn übertrug.

„Nein, das möchte ich nicht. Aber trotzdem danke!“, lehnte sie das Angebot mit einem höflichen Lächeln ab.

„Rashid!“

Instinktiv wandten sich beide der eindrucksvollen tiefen Stimme zu, die hinter ihnen erklang.

Beim Anblick der in ein prächtiges arabisches Gewand gekleideten Gestalt schien Darcys Herz einen Schlag auszusetzen. Als der Mann nun dicht vor ihr stehen blieb, war es völlig um ihre Fassung geschehen. Dieses faszinierende Gesicht hatte sich unauslöschlich in ihr Gedächtnis geprägt!

Als Darcy diesen Mann das letzte Mal gesehen hatte, war ihre gemeinsame Zeit auf eine Weise zu Ende gegangen, die ihr das Herz gebrochen hatte. Dennoch hätte sie ihn jetzt fast in alter Vertrautheit begrüßt.

Zafir …

Zum Glück konnte sie diesen Impuls noch rechtzeitig beherrschen. Der Scheich starrte sie aus seinen dunklen Augen durchdringend an. Darcy erschauerte. Es tat so gut, ihn endlich wiederzusehen! Zumal Zafir immer noch so gut aussah, dass er die Herzen der Frauen von hier bis nach Kathmandu zum Schmelzen bringen musste.

Außerdem trägt er sein Haar länger als früher.

Es fiel in glänzenden schwarzen Wellen über seine breiten Schultern. Bei der irritierenden Erinnerung, dass die dunklen Haarsträhnen sich anfühlten wie die feinste Seide, sehnte sie sich unwillkürlich danach, mit den Fingern hindurchzufahren …

„Die junge Dame ist von der Mauer gefallen, Euer Hoheit!“, erklärte der Mann vom Sicherheitsdienst, der anscheinend Rashid hieß. „Sie hat sich verletzt.“

„Wirklich? Bisher war sie vor allem darin gut, andere zu verletzen!“

Getroffen von dieser mit bitterer Stimme ausgesprochenen Feststellung öffnete Darcy den Mund, um zu protestieren. Er war derjenige, der gut darin war, andere zu verletzen, nicht sie. Oder hatte er diese kleine Tatsache völlig vergessen?

„Was machst du hier und wieso bist du in mein Anwesen eingedrungen?“

„Ich kann dir sagen, warum: Weil du weder meine Anrufe entgegennimmst noch auf meine Nachrichten antwortest. Ich konnte keine Verabredung mit dir treffen. Der Himmel weiß, wie oft ich das probiert habe. Dies war ein letzter Versuch. Um ehrlich zu sein, hätte ich es vorgezogen, dich nicht zu kontaktieren. Aber ich musste dich dringend sehen.“

Der gebieterische Mann vor ihr antwortete grimmig und mit misstrauischem Blick: „Soweit ich weiß, habe ich niemals eine solche Nachricht erhalten.“

Darcys Mund wurde schlagartig trocken. „Das soll wohl ein Scherz sein? Ich habe deiner Sekretärin immer gesagt, dass es dringend und vertraulich sei.“

„Das ist jetzt nicht wichtig … Wenn es stimmt, was du sagst, werde ich meine eigenen Nachforschungen anstellen. Was mich jedoch viel mehr interessiert, ist der Grund, weshalb du mich sehen willst, Darcy. Hast du mir etwa nicht geglaubt, als ich sagte, ich möchte dich nie mehr wiedersehen? Du kannst ja wohl kaum erwarten, dass irgendetwas Gutes aus solch einem Wiedersehen resultiert.“

Als der Scheich sich zu ihr hinabbeugte, wurde Darcy für einen Moment abgelenkt vom betörenden Duft seines orientalischen Rasierwassers. Dann bemerkte sie seinen erschreckend vorwurfsvollen Gesichtsausdruck.

„Wie lange weißt du schon, dass ich hier bin, Darcy?“

Ihre Augen weiteten sich nervös. „Erst seit Kurzem. Ich las einen Artikel in der Zeitung.“

„Und da hast du die Gelegenheit gesucht, mir heimzuzahlen, was in der Vergangenheit geschehen ist?“

Ihr lief es eiskalt über den Rücken. „Nein! Das war nicht der Grund, weshalb ich dich finden wollte, Zafir. Glaubst du wirklich, ich könnte so etwas im Sinn haben?“ Tränen brannten in ihren Augen. Sie schluckte schwer und fuhr fort: „In dem Artikel stand, dass du dich verlobt hast.“

„Und zweifellos möchtest du mir gratulieren?“

„Mach dich bitte nicht derartig über meinen Kummer lustig.“

Wie es ihre Angewohnheit war, wenn sie sich über irgendeine Ungerechtigkeit ärgerte, verschränkte sie empört die Arme. Die Bewegung geriet etwas zu scharf und erschütterte ihren verletzten Knöchel. Darcy stöhnte vor Schmerz.

Ein sorgenvoller Ausdruck trat in Zafirs dunkle Augen. Abrupt wandte er sich zu dem tadellos gekleideten Mann um, der gerade an seine Seite getreten war. „Dr. Eden. Bitte geben Sie der jungen Dame etwas Wasser und werfen Sie einen Blick auf ihren Knöchel! Er könnte gebrochen sein.“

Besorgt strich Darcy sich zitternd mit einer Hand das Haar aus dem Gesicht und sah Zafir aufgebracht an. „Bestimmt bist du der Meinung, dass mir das recht geschieht, oder?“ Dennoch schnappte sie den silbernen Flakon, den man ihr anbot, und nahm einen tiefen Schluck der kühlen Flüssigkeit.

Der Scheich richtete sich zu seiner ganzen Größe auf und sein Gesichtsausdruck zeigte deutlich Verärgerung. „Auch wenn du eine Strafe für dein früheres Verhalten mir gegenüber verdienst, bereitet mir die Tatsache, dass du verletzt bist, gewiss keine Freude. Und noch etwas …“

Während der Arzt – ein schlanker Mann mittleren Alters – ihren Fuß untersuchte, sah der Scheich Darcy mit funkelnden Augen an.

„Ich denke, wir sollten auf eine förmliche Ebene zurückkehren, Miss Carrick. Ich möchte nicht mit Zafir angesprochen werden. Nur ausgewählten Freunden und dem engsten Kreis der Familie ist es gestattet, mich mit dem Vornamen anzusprechen. Und ganz eindeutig, Miss Carrick, sollten Sie als ehemalige Untergebene im Hinblick auf meine Stellung mehr Respekt zeigen.“

Sie zuckte zusammen, als er sie mit Nachnamen ansprach, und seine Betonung, dass sie eine Untergebene sei, war verletzend. Die Wut in seiner Stimme verstärkte ihren Schmerz nur noch mehr.

„Auch wenn ich nichts mit Sicherheit sagen kann, bevor der Fuß nicht geröntgt wurde, befürchte ich, es handelt sich zumindest um eine ernstzunehmende Verstauchung, Miss Carrick.“

Der Arzt tastete vorsichtig ihre Knochen nach einem Bruch ab und prüfte die Schwellung um ihren Knöchel. Seine ruhige Einschätzung ließ Darcy hoffen, dass die Sache doch nicht so schlimm war.

Ein erleichterter Seufzer entwich ihr, doch gleich darauf runzelte sie schon wieder die Stirn. Wem wollte sie denn etwas vormachen? Die Sache war so schlimm, wie sie nur sein konnte. Und nach der Stimmung zu urteilen, in der Zafir war, konnte sie vermuten, dass er sie auch nicht so einfach davonkommen lassen wollte. Er war der älteste Sohn der Herrscherfamilie des Königreichs von Zachariah, ein mächtiger Mann. Normalerweise hätte Darcy niemals versucht, ihn wiederzusehen. Doch irgendwann musste sie ihm schließlich mitteilen, dass er einen Sohn hatte!

„Wir sollten Sie ins Haus bringen“, fügte Dr. Eden hinzu. Der Blick aus seinen grauen Augen huschte zu dem Mann von der Security, als wolle er sich dort Unterstützung holen.

Dieser reagierte so schnell, wie das wohl zu seinem Job gehörte. „Ich werde sofort losgehen und eine Trage oder ähnliches holen, Euer Hoheit.“

„Das wird nicht nötig sein, Rashid“, winkte Zafir ab und musterte Darcy, die zusammengekauert auf dem frisch gemähten Rasen saß, mit eisigem Blick. „Ich selbst werde Miss Carrick hinüber zum Haus tragen.“

Ihr sofortiger Protest dagegen, wie ein übergroßes Gepäckstück behandelt zu werden, erstarb auf ihren Lippen. Wenn sie sich in den letzten Jahren vorgestellt hatte, Zafir wiederzusehen und offen darüber zu reden, was damals wirklich geschehen war, war es nie so wie jetzt abgelaufen.

Sie biss sich auf die Lippen und murmelte: „Ich glaube, da möchte ich lieber kriechen.“

Sie wusste nicht, ob er das gehört hatte, doch als er sich bückte, um sie hochzuheben, machte er eine böse Bemerkung.

„Ich hoffe, Sie haben keinen Komplizen bei dieser kleinen Eskapade? Wenn ja, ist er aber wohl zweifellos längst geflohen. Vielleicht fand er heraus, dass Sie doch nicht so bezaubernd sind und hat schlauerweise die Gelegenheit zur Flucht genutzt, solange er noch konnte?“

Darcy zwang sich, auf diese Beleidigung nicht zu reagieren und stattdessen zu schweigen. Doch innerlich war sie zutiefst getroffen – und unglaublich wütend.

Ohne weitere Vorwarnung hob der Scheich sie mit Schwung hoch und marschierte mit ihr aufs Haus zu. Der Arzt ging vorneweg und Rashid folgte ihnen – zweifellos behielt er dabei die Umgegend im Blick, für den Fall, dass noch etwas Unvorhergesehenes drohte. Darüber konnte Darcy jedoch nicht lange nachdenken, denn sie musste mit der unerwarteten Intimität dieser Situation zurechtkommen.

Hier war sie nun, eng an die Brust des stolzen Arabers geschmiegt. Umschlossen von den Armen eines Mannes, der nichts als Verachtung für sie empfand.

Zafirs Herz klopfte doppelt so schnell, während er Darcy zu der riesigen Couch im Wohnzimmer trug. In seinen wildesten Träumen hätte er nie geglaubt, irgendwann noch einmal die Gelegenheit zu bekommen, sie so im Arm zu halten. Als er sie vor über vier Jahren aus seinem Umfeld verbannt hatte, hatte er geschworen, nicht einmal mehr an sie zu denken. Doch tief in sich hatte Zafir schon damals gewusst, dass er sich etwas vormachte.

Denn egal, ob er es wollte oder nicht: Darcys engelsgleiches Gesicht hatte sich unvergesslich in sein Herz eingebrannt …

Sie jetzt vorsichtig auf dem Sofa abzusetzen, während ihr betörendes Parfüm seine Sinne umnebelte, war keine einfache Aufgabe. Ihre strahlend blauen Augen konnten ihn immer noch genauso aus dem Konzept bringen wie früher, wenn nicht sogar noch mehr.

Doch er wäre ein Narr, wenn er auch nur für einen Moment vergäße, dass diese Frau ihn auf grausame Weise betrogen hatte. Hätten sie ihre Beziehung fortgesetzt, er hätte dieser Frau alles gegeben! Seine unsterbliche Liebe und Hingabe …

Aber sie hatte alles zerstört, indem sie sich hinter seinem Rücken mit seinem eigenen Bruder eingelassen hatte.

Die Szene, deren Zeuge Zafir geworden war, hatte all seine Hoffnungen zunichtegemacht. Er hatte Darcy in einer leidenschaftlichen Umarmung mit Xavier vorgefunden.

Ihr Gesichtsausdruck hatte Schock und Ungläubigkeit gezeigt, als er die beiden mit seinem plötzlichen Auftauchen überrascht hatte. Trotzdem hatte Darcy jegliches Fehlverhalten geleugnet. Sie hatte darauf bestanden, dass sie versucht hätte, Xavier abzuwehren, statt ihn aus eigenem Wunsch zu umarmen! Dass in Wahrheit Zafirs Bruder sie belästigt hätte – und zwar schon seit Monaten. Dass er es sei, der bestraft werden müsse, nicht sie …

Nur mit Mühe schüttelte Zafir die unschönen Erinnerungen ab und wandte sich mit steinerner Miene an Rashid. „Die Haushälterin soll meiner unerwarteten Besucherin etwas Warmes zu trinken bringen.“

Dann drehte er sich sofort wieder zu Darcy, um sie im Blick zu behalten – obwohl sie im Augenblick kaum in der Lage war, die Flucht zu ergreifen. „Was möchten Sie, Miss Carrick? Tee oder Kaffee?“

„Weder noch.“

Es war schwer, nicht von dem besorgten Ausdruck, den er in ihren blauen Augen erkennen konnte, milde gestimmt zu werden. Eigenartigerweise berührte Zafir dieser Blick mehr als er sollte.

„Ich … ich möchte nur wissen, was jetzt geschieht“, sagte sie nervös.

„Bitte um Verzeihung, Euer Hoheit“, meldete sich Dr. Eden entschieden zu Wort und trat zu Darcy ans Sofa. „Aber was immer Sie vorhaben, ich würde raten, Miss Carrick zuerst ins Krankenhaus zu bringen, damit ihr Knöchel geröntgt werden kann.“

Zafir wurde aus der Erstarrung gerissen, die ihn bei Darcys Anblick befallen hatte, und nickte mürrisch. Er holte sein Handy aus der Innentasche seines Gewands, und wählte die eingespeicherte Nummer eines der exklusivsten privaten Krankenhäuser in London. Während er einen Krankenwagen anforderte, kam ihm bei Darcys Anblick plötzlich der Gedanke, dass sie womöglich unter Schock stand. Ihre Augenlider flatterten, als hätte sie kaum die Kraft, die Augen offen zu halten.

„Dr. Eden“, forderte er den Arzt energisch auf. „Ich muss Sie bitten, Miss Carrick sorgfältig zu überwachen. Meiner Meinung nach sieht sie aus, als ginge es ihr gar nicht gut.“

„Keine Sorge, Euer Hoheit“, versicherte ihm der Arzt. „Unwohlsein und Schwindel sind nach einem solchen Unfall ganz natürliche Reaktionen, aber ich werde Ihrer Bitte selbstverständlich gerne nachkommen.“

„Gut.“

Zufrieden mit der Versicherung des Arztes, dass Darcys Zustand nicht überdurchschnittlich besorgniserregend war, wartete Zafir ungeduldig auf die Ankunft des Krankenwagens. Die Patientin andererseits war ausgesprochen ruhig geworden. Sie war eindeutig mit ihren Gedanken ganz woanders.

Endlich durchschnitt die Sirene des Krankenwagens die unnatürliche Stille im Zimmer.

Während Zafir zur Tür eilte, rief er dem Arzt noch über die Schulter zu: „Behalten Sie Miss Carrick im Blick!“

„Was soll ich denn tun? Mich mit einem Zaubertrick selbst verschwinden lassen? Ich wünschte, das könnte ich!“, murrte Darcy sarkastisch.

Der Scheich verschwendete keine Zeit mit einer Antwort. Er war noch vor Rashid an der Tür und ließ die Sanitäter herein. Trotz ihrer sarkastischen Bemerkung war es Darcy anzusehen, dass sie höchst beunruhigt war.

Und Zafir erging es nicht anders … Er wusste in diesem Augenblick wirklich nicht, was er tun sollte. Um die Wahrheit zu sagen, war er von diesem unerwarteten Wiedersehen immer noch völlig verblüfft. Er wies die Sanitäter erst einmal an, Darcy in den Krankenwagen zu bringen.

Stumm betrachtete er die Szene. Darcy trug Jeans, einen dunkelblauen Wollpulli und eine kurze senffarbene Jacke. Als die Sanitäter sie auf eine Trage hoben, bemerkte Zafir, dass Darcy noch zierlicher geworden war, seit er sie das letzte Mal gesehen hatte. Aß sie denn etwa nicht ausreichend?

Er erinnerte sich, dass sie unter Stress immer ihren Appetit verloren hatte, und auch wenn er wusste, dass es ihn nicht kümmern sollte, ob sie Sorgen hatte, erklärte er grimmig: „Ich werde meine Besucherin ins Krankenhaus begleiten.“

„Selbstverständlich, Euer Hoheit“, antwortete einer der Sanitäter und lächelte beruhigend. „Aber keine Sorge! Die junge Dame wird bald wieder auf den Beinen sein, Sie werden sehen.“

Zafir begleitete Darcy bis ins Untersuchungszimmer des Krankenhauses. Dr. Eden hatte vorher noch den Ärzten seine eigene Einschätzung mitgeteilt, wartete dann aber aus Respekt vor seinen Kollegen draußen.

All dies diente nicht gerade dazu, Darcy zu beruhigen. Der für medizinische Gebäude typische Geruch verursachte bei ihr ein flaues Gefühl in der Magengegend und Zafirs respekteinflößende aristokratische Gegenwart noch mehr. Doch was ihr am meisten Sorgen machte, war ihr Sohn. Im Augenblick befand Sami sich in der Obhut ihrer Mutter, doch was, wenn sie über Nacht im Krankenhaus bleiben müsste?

Darcy hatte ihrer Mutter nie erzählt, wer Samis Vater war, und sie überlegte fieberhaft, welche Worte sie wählen sollte, um sie nicht zu sehr aufzuregen. Sie wusste, ihre Mutter würde ihr sagen, sie hätte den Verstand verloren – über die Mauer des Anwesens ihres einstigen Arbeitgebers zu klettern, nur um ihn zu sprechen. Besonders wenn es mit einer Verletzung endete.

Darcys Herz wurde plötzlich unglaublich schwer.

Da Zafir inzwischen verlobt war, konnte sie schwer einschätzen, wie er auf die Nachricht von einem Sohn reagierte. Andererseits, was wären die Folgen für sie selbst? Was, wenn er verlangte, das sofortige Sorgerecht für Sami zu bekommen? Oder, noch schlimmer, wenn er ihn ihr wegnahm? Ihn einfach mitnahm nach Zachariah, weg von allem, was ihr Sohn die vergangenen vier Jahre gekannt hatte?

Sich das vorzustellen war unerträglich.

2. KAPITEL

Darcys Knöchel war bandagiert worden. Zum Glück hatte sich beim Röntgen herausgestellt, dass es kein Bruch war, allerdings hatte sie sich eine hässliche Bänderzerrung zugezogen und musste das Bein mindestens drei Wochen völlig ruhighalten. Darüberhinaus sollte sie die erste Nacht noch zur Beobachtung im Krankenhaus bleiben.

Das war die Nachricht, die sie am stärksten beunruhigte. Die luxuriöse Klinik war eindeutig eine Privatklinik, und sie konnte es sich unmöglich leisten, etwas von ihrem schwer verdienten Geld für einen Aufenthalt hier auszugeben.

Zafir hatte kurz das Zimmer verlassen, und die Anspannung, unter der Darcy stand, war fast unerträglich. Sie musste unbedingt mit ihm unter vier Augen sprechen. Endlich kehrte er zurück. Von Rashid oder Dr. Eden war nichts zu sehen.

Der Anblick von Zafir in seinem beeindruckenden arabischen Gewand ließ Darcys Herz erneut schneller schlagen. Mit seinem kantigen Gesicht und dem schulterlangen schwarzen Haar war er eine außergewöhnliche Erscheinung. Einfach umwerfend!

Einige Kissen im Krankenhausbett ermöglichten Darcy das Sitzen, während ihr Knöchel gleichzeitig erhöht lag. Ihr Instinkt sagte ihr, dass aufgrund des ganzen Dramas um ihren Sturz jetzt vielleicht nicht der richtige Zeitpunkt war, um Zafir von Sami zu erzählen, auch wenn es der einzige Grund gewesen war, warum sie überhaupt zu ihm gegangen war.

Aus einem Impuls heraus fasste sie seine Hand. Da sie ihrer Mutter nicht gesagt hatte, dass sie womöglich erst spät zurückkommen könnte, nahmen ihre Ängste, die Nacht getrennt von ihrem kleinen Sohn verbringen zu müssen, auf einmal überhand.

„Ich kann unmöglich die Nacht hier bleiben, Zafir. Ich muss nach Hause. Da ist … da ist etwas Wichtiges, worum ich mich kümmern muss.“

Autor

Maggie Cox
<p>Schreiben und Lesen gingen bei Maggie Cox schon immer Hand in Hand. Als Kind waren ihre liebsten Beschäftigungen Tagträumen und das Erfinden von Geschichten. Auch als Maggie erwachsen wurde, zu arbeiten begann, heiratete und eine Familie gründete blieben ihre erfundenen Heldinnen und Helden ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens. Was immer...
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