Nachbar, Daddy, Bräutigam

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"Heirate mich!" Meint ihr Nachbar Cole McKellar das etwa ernst? Sie sind ja noch nicht mal verliebt! Oder? Jedenfalls fühlt Stevie, eine Zweckehe mit dem smarten IT-Spezialisten wäre für ihr Baby perfekt. Spontan willigt sie ein … Ein Fehler oder der Anfang puren Familienglücks?


  • Erscheinungstag 12.11.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783751504393
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Als Cole McKellar an jenem trüben Freitagabend im Februar von einer seiner Geschäftsreisen heimkam, hatte er wie so oft in letzter Zeit wieder diesen Tagtraum: Eine hübsche blonde Frau lag schlafend auf seinem großen braunen Ledersofa.

Wie immer verspürte er bei dem Bild sowohl Freude als auch Verunsicherung. Er kniff kurz die Augen zusammen. Doch als er sie wieder öffnete, war die Frau noch immer da. Das ging zu weit! Er sollte diese Gefühle für Stevie nicht haben, zumal sie in ihm nicht mehr als einen Nachbarn und Freund sah. Und doch …

Stevie lag mit angezogenen Beinen auf der Seite, ihr Gesicht dem Schein der Tischleuchte zugewandt, eine Hand unter ihrer Wange. Sie trug Jeans, einen roten Pulli und rote Socken; ihre Schuhe standen vor dem Sofa. Goldblonde Locken umrahmten ihr Gesicht, und ihre vollen Lippen waren leicht geöffnet. Ihre langen Wimpern hoben sich gegen den hellen Teint ab, und die geschlossenen Lider verbargen ihre leuchtend blauen Augen.

Ihr Anblick war ein farbenfroher und femininer Akzent in Coles schlichtem Junggesellenhaus. Doch so zart und verletzlich sie auch wirkte – mit ihren einunddreißig Jahren war Stevie McLane gerade mal zwei Jahre jünger als Cole und eine selbstständige und patente Frau.

Dusty, Coles kleine graue Tigerkatze, hatte sich in Stevies Armbeuge gekuschelt.

Cole trat näher heran. Waren das Tränenspuren auf Stevies Wangen?

Einen Moment stand er unschlüssig da. Sollte er Stevie schlafen lassen oder aufwecken?

Dusty erhob sich und streckte sich. Stevie hatte wohl die Bewegung gespürt und öffnete ihre Augen. Als sie Cole so unvermittelt vor sich sah, schrak sie zusammen.

Das war nun wirklich nicht seine Absicht gewesen. „Tut mir leid, Stevie, ich …“

„Cole! Ich hab dich gar nicht …“

Beide brachen ab, um den anderen ausreden zu lassen, begannen nach einer kleinen Pause aber wiederum gleichzeitig.

„Ich wollte dich nicht …“

„Ich dachte, du …“

Cole lächelte entschuldigend und hob die Hand. „Ich fang an. Tut mir leid, dass ich dich erschreckt habe. Ich wusste nicht, dass du hier bist. So, jetzt du!“

Inzwischen war Stevie aufgestanden, strich ihr zerzaustes Haar zurück und lächelte Cole an. Obwohl er selbst nur durchschnittlich groß war, überragte er Stevie mit ihren gerade mal einem Meter achtundfünfzig erheblich.

„Ich dachte, du kommst erst morgen!“

„Ich hab einen früheren Flug genommen wegen des Wetters. Hatte keine Lust, ein, zwei Tage in Dallas festzusitzen, besonders, wo ich nächste Woche schon wieder nach Chicago muss.“

„Und jetzt bist du sicher müde. Und dann findest du auch noch einen ungebetenen Gast vor. Sorry!“

Wenn du wüsstest, wie wenig ungebeten dieser Gast ist, dachte er. Doch das behielt er natürlich für sich, wie immer, wenn es um seine Gefühle für Stevie ging. Darin übte er sich schon seit einem Jahr.

„Sonst ist immer nur Dusty hier, und ihre Begrüßung fällt eher spartanisch aus. Da ist es doch mal eine nette Abwechslung, mit einem Lächeln begrüßt zu werden“, sagte er und überlegte mit Blick auf Stevies geschwollene Lider, ob es indiskret wäre, sie zu fragen, ob sie geweint hatte. Schließlich entschied er sich für ein möglichst teilnahmsvolles „Alles in Ordnung?“.

Sie wischte mit den Handrücken über ihre Wangen, als wolle sie den letzten Schlaf fortwischen und keine Tränen. „Klar doch. Es war nur so still in meinem Haus heut Abend, deshalb haben Dusty und ich einander etwas Gesellschaft geleistet. Dabei muss ich wohl eingeschlafen sein.“

Die Katze war auf die Armlehne des Sofas gestiegen und verlangte nach Coles Aufmerksamkeit. Cole streichelte ihre weichen spitzen Öhrchen. „Hast du Stevie mit deinem Ich-bin-eine-arme-kleine-Katze-Blick angeschaut, damit sie nach dem Füttern noch ein bisschen hierbleibt?“

Stevie zog die Nase kraus und lachte. „Ein paar nachdrückliche Stupser hat sie auch noch investiert.“

Dusty genoss Coles Streicheleinheiten. Als er mit der Hand ihren Rücken hinunterfuhr, hob sie den Schwanz und drückte sich gegen seine Hand. „Sie ist hemmungslos“, stellte Cole fest.

„Allerdings“, stimmte Stevie zu und schenkte der Katze ein liebevolles Lächeln.

Kurz nach Coles Einzug hatte er mitten in einem winterlichen Sturm ein klägliches Maunzen vor der Tür gehört. Als er die Tür öffnete, um nachzuschauen, war ein nasses heruntergekommenes Kätzchen wie der Blitz an ihm vorbei ins Wohnzimmer gesaust.

Eigentlich hatte er vorgehabt, ein gutes Zuhause für die kleine Streunerin zu suchen, doch irgendwie hatte sie es geschafft, sich bei ihm einzunisten und, abgesehen von Vorsorge-Besuchen beim Tierarzt, das Haus seitdem nicht mehr verlassen. Ihren Namen verdankte sie dem Umstand, dass sie von ihren Expeditionen unter die Möbel mit Staubmäusen auf der Nase wieder auftauchte.

Doch auch wenn die beiden sich selbst genug waren, war es doch immer ein Highlight, wenn Stevie kam.

Manchmal fragte sich Cole, ob sie nicht schon fast ein wenig zu begeistert über Stevies Besuche waren. Sollten Katzen und Informatiker nicht unabhängig und distanziert sein? Was machte Stevie nur so anziehend? Er bemühte sich, seine Begeisterung etwas weniger offensichtlich zu zeigen, als seine Katze dies tat. Diese ganz besondere Freundschaft mit Stevie war viel zu kostbar, als dass er sie mit einseitiger Liebe gefährden wollte.

Als Datenanalyst eines Medizintechnikunternehmens arbeitete Cole meist zu Hause, wo er via Computer und Smartphone vernetzt war. Nur gelegentlich musste er persönlich zu Besprechungen anreisen.

Nicht, dass er die Menschen nicht mochte. Doch im Umfang mit Computern fühlte er sich irgendwie wohler, besonders nach der schweren Krankheit seiner früheren Frau Natasha.

Plötzlich schien es sehr still im Zimmer. Cole schob die Gedanken an die schmerzhafte Vergangenheit beiseite und starrte aus dem Fenster. „Scheint, als hätte der Eisregen aufgehört. Vielleicht kommt jetzt Schnee, das wäre mir lieber.“

Stevie nickte. „Wenn genügend Schnee fällt, könnten die Kinder Schneemänner bauen und eine Schnellballschlacht machen, das haben wir hier ja nicht so oft. Aber am Montag soll der Schnee wieder weg sein, da hab ich mehrere Termine!“

„Also hoffen wir, dass die Kinder am Wochenende ihren Spaß haben und zum Wochenanfang alles wieder frei ist“, fasste Cole belustigt zusammen.

„Das wär prima.“ Trotz ihres Lächelns hatte Cole den Eindruck, dass irgendetwas Stevie belastete. Er bemerkte, wie sie eine Locke um ihre Fingerspitze wickelte; in den letzten Monaten war ihm aufgefallen, dass das bei ihr ein Zeichen von Anspannung war.

Stevie stammte aus Little Rock, wo sie in gutbürgerlichen Verhältnissen aufgewachsen war. Sie war eine der lebhaftesten Frauen, die Cole je getroffen hatte, aufgeschlossen, optimistisch und ein wenig eigenwillig. Nachdem er in diesen Stadtteil gezogen war, der sich gerade vom heruntergekommenen zu einem angesagten Viertel mauserte, hatte Stevie ihn als erste willkommen geheißen. Das hielt er für einen noch größeren Glücksfall als den Kauf dieses Hauses zu einem so günstigen Zeitpunkt.

Schon merkwürdig, dass eine so tolle Frau an einem Freitagabend die Gesellschaft seiner Katze vorzog, anstatt auszugehen. Vom ersten Moment an hatte er sich von Stevie angezogen gefühlt und sich durchaus einige Fantasien gestattet. Jedoch beließ er es auch dabei, denn er wollte sich nichts vormachen. Auch wenn sie seit drei Monaten von ihrem hippen Musikerfreund Joe getrennt war und seitdem wohl kein Date mehr gehabt hatte, brauchte er sich bei einer solchen Frau keine Chancen auszurechnen.

Bei einem ihrer freundschaftlichen Gespräche hatte sie Cole anvertraut, dass ihre Schwäche für freischaffende Künstler und Musiker ihr nicht nur einmal das Herz gebrochen hatte. Damit war für ihn klar, dass ein introvertierter Computerfreak ihr Herz nicht höherschlagen lassen konnte, auch wenn sie ihn als Kumpel wohl schätzte.

Seitdem mit Joe Schluss war, schien Stevie etwas stiller geworden zu sein, doch so niedergeschlagen wie heute Abend hatte Cole sie noch nie gesehen. Trauerte sie diesem Typen etwa noch hinterher, der nach Texas entschwunden war, um als Single neu durchzustarten?

Cole suchte nach den passenden Worten, doch das war nicht gerade seine Stärke. Normalerweise schnatterte Stevie vor sich hin, und er antwortete, wenn er gefragt wurde. Dass sie sich trotzdem nie mit ihm zu langweilen schien, machte sie so besonders. Sie hatte noch nie gegähnt oder auf die Uhr geschaut, wenn sie mit ihm zusammen war.

„Hast du schon gegessen?“, fragte er Stevie. „Im Flieger gab es nichts, und ich hab ganz schön Hunger.“

„Nein, ich hatte noch kein Abendessen. Mittagessen auch nicht, glaub ich; ich weiß es gar nicht mehr genau.“

Offensichtlich bedrückte sie wirklich etwas. Sie würde es ihm schon sagen, wenn der richtige Moment gekommen war.

„Ich hab was von der Suppe eingefroren, die du mir letzte Woche gekocht hattest; die kann ich heiß machen“, schlug er vor.

Sie strich ihr verwuscheltes Haar zurück und nickte. „Klingt gut. Ich mach mich kurz ein bisschen frisch, und dann helfe ich dir.“

„Wir treffen uns in der Küche.“

Normalerweise hätte er sich mit der aufgewärmten Suppe und einem Dosenbier vor den Fernseher verzogen. Doch nun deckte er den Tisch mit Platzsets und Besteck und achtete darauf, heile Suppenteller zu erwischen.

Im Gästebad benetzte Stevie ihr Gesicht mit Wasser. Dann tupfte sie sich ab, legte eine Hand auf ihren noch flachen Bauch und atmete tief durch. Offenbar war sie zurzeit ständig müde. Sie hatte so tief geschlafen, dass sie Cole nicht mal hatte reinkommen hören.

Sie kannte ihn jetzt seit einem Jahr, und er war der ausgeglichenste und feinfühligste Mensch, dem sie je begegnet war – ein wahrer Fels in der Brandung ihres Lebens, das oft einer Achterbahnfahrt glich. Hatte sie vielleicht deshalb Zuflucht in seinem Haus gesucht und ihre Aufgabe als Katzensitterin als Vorwand benutzt?

Kritisch schaute sie in den Spiegel. Hatte Cole die Spuren ihrer Tränen gesehen? Das wäre ihr peinlich. Auch wenn sie sonst kein Problem damit hatte, Gefühle zu zeigen – schwach und verletzlich wollte sie nicht erscheinen. Stephanie „Stevie“ McLane war stark und unverletzlich und nicht jemand, der sich im Haus eines Freundes verkroch und die Katze vollweinte. Cole hatte sie mit seinen dunklen Augen forschend angeschaut, ruhig gefragt, ob alles in Ordnung sei und ihr eine warme Mahlzeit angeboten. Offenbar spürte er genau, was sie brauchte. Und das bezog sich nicht nur auf das Essen.

Als sie in die Küche kam, lächelte Cole. Sein dickes, welliges dunkles Haar war wie immer leicht zerzaust, und nachsprießender Bart überzog wie ein leichter Schatten sein markantes Kinn. Stevie fand, seine ausdrucksvollen Augen hatten die Farbe dunkler Schokolade und spiegelten seine Freundlichkeit ebenso wie seine Klugheit. Er war breitschultrig und von kräftiger Statur, nicht unbedingt der klassische Adonis und schon gar nicht der abgehobene Künstlertyp, auf den sie bisher immer geflogen war. Auch war er nicht redselig und hielt sich im Hinblick auf seine Gefühle eher bedeckt. Aber Cole bedeutete für sie Vertrauenswürdigkeit, Zuverlässigkeit, Beständigkeit.

Sie hatte ihn vom ersten Moment an gemocht, sogar ein nicht unbedeutendes Maß an weiblichem Interesse an ihm gezeigt. Allerdings hatte sie schon beim ersten Gespräch – eher „Verhör“, wie Cole diese erste Unterhaltung augenzwinkernd bezeichnete – herausgefunden, dass er ein Computerfreak war, Witwer und Countrymusic bevorzugte. Er war so ziemlich das Gegenteil von ihr.

Schließlich hatte sie ihn unter „Gegensätze ziehen sich an“ einsortiert, obwohl da durchaus eine tiefer liegende Anziehungskraft spürbar war. Auch wenn sie die meiste Zeit in eine On-off-Beziehung mit einem bindungsscheuen Musiker verstrickt gewesen war, war ihr nicht entgangen, was für ein großartiger Mann Cole war. Er war so ganz anders als ihre sonstigen männlichen Bekannten, in vielerlei Hinsicht ein Rätsel für sie. Dennoch hatten sie sich angefreundet. Unter anderen Umständen hätte vielleicht sogar mehr daraus werden können. Sie fühlte sich sehr wohl in seiner Gegenwart und vermisste ihn, wenn er nicht da war.

In den letzten Tagen hatte sie seine ruhige geerdete Ausstrahlung ganz besonders vermisst.

Höflich rückte er ihr den Stuhl zurecht. „An Getränken hab ich leider keine große Auswahl. Falls du kein Bier möchtest, kann ich Kaffee aufbrühen oder eine Flasche Wein öffnen.“

„Nein danke, das ist genau das Richtige“, sagte sie und deutete auf das Glas Wasser, das er neben ihren Teller mit der dampfenden Suppe gestellt hatte.

Sie nahm ihren Löffel. „Wie war deine Reise?“

Cole verzog das Gesicht und setzte sich ihr gegenüber. „Ich bin froh, den Abend nicht im Knast zu verbringen, anstatt hier mit dir Suppe zu essen.“

„So schwierige Kunden?“

„Teilweise dumm wie Brot, wie mein Opa-vom-Lande zu sagen pflegte.“

Stevie lachte. Coles Opa-vom-Lande schien eine wahre Fundgrube an witzigen Zitaten zu sein. „Wie ich dich kenne, warst du natürlich trotzdem ein Ausbund an Geduld und Höflichkeit.“

„Hinsichtlich der Geduld bin ich mir nicht so sicher, aber ich habe mir alle Mühe gegeben, meine Gedanken für mich zu behalten. Die meiste Zeit haben sie nicht mal zugehört und sich anschließend beklagt, weil sie nicht alles verstanden hatten. Das ist echt frustrierend. Deshalb ziehe ich E-Mails solchen zeitraubenden Meetings jederzeit vor.“

Als viel beschäftigter Innenarchitektin mit Schwerpunkt Küchenplanung waren fruchtlose Besprechungen für Stevie nichts Neues. „Das kann ich gut nachfühlen. Ich würde auch manchem zickigen Kunden oder unfähigen Subunternehmer am liebsten die Wasserkaraffe vom Besprechungstisch über dem Kopf ausleeren.“

Cole feixte. „Ich hätte ja vermutet, dass du so lange Süßholz raspelst, bis sie deiner Meinung sind. Dieses Talent geht mir leider ab.“

Reden war tatsächlich nicht so sehr sein Fall. Doch wenn er das Wort ergriff, hatte es immer Hand und Fuß. Sie hatte ihn schon mehrmals in schwierigen geschäftlichen Dingen um Rat gefragt und jedes Mal eine kluge, praktische Antwort bekommen.

Was er wohl zu ihrem aktuellen, sehr persönlichen Problem sagen würde? Sie biss sich auf die Lippe und ballte im Schoß ihre Hände zusammen.

Cole räusperte sich. Als sie hochsah, bemerkte sie seinen forschenden Blick. „Dein Essen wird kalt“, sagte er ruhig.

Spürte er, dass da etwas gewaltig in ihr brodelte? Auf jeden Fall hatte seine Bemerkung sie erst mal wieder in die Realität zurückgeholt. Sie nahm ihren Löffel wieder auf und versuchte, sich auf die Suppe zu konzentrieren. Um sich nicht wieder in ihren Gedanken zu verlieren, plauderte sie drauflos, was ihr gerade so einfiel.

Cole bemühte sich, ihren wilden Themenwechseln zu folgen. Als er aufgegessen hatte, holte er eine Rolle Kekse aus dem Schrank und bot sie als Nachtisch an. Stevie lehnte dankend ab und löffelte schnell ihre Suppe auf.

Anschließend trug Cole sein Geschirr zur Spüle, und Stevie trottete mit ihrem hinterher.

„Danke, Cole.“

„Für die Suppe? Kein Problem. Ich hab sie nur aufgewärmt, gekocht hast du sie ja.“

„Doch nicht für die Suppe!“, schalt sie ihn liebevoll. „Obwohl die wirklich eine gute Idee war. Aber ich meinte deine Gesellschaft und unser Gespräch. Das habe ich heute dringender gebraucht als eine warme Suppe.“

Er trocknete seine Hände ab und wandte sich ihr zu. Ein kleines Lächeln umspielte seine Lippen. „Ich hab doch kaum was gesagt.“

„Ich hab dir dazu auch wenig Gelegenheit gegeben.“

„Stimmt. Aber das bin ich ja von dir gewöhnt.“

Sie kicherte und tätschelte seine Wange. „Willst du damit etwa sagen, dass ich eine Quasselstrippe bin?“

„Das trifft es ganz gut.“ Sein breites Lächeln ließ seine Augen strahlen, und um seine Mundwinkel erschienen Grübchen. Mit seinem verwuschelten Haar und etwas zerknittert von dem langen Reisetag sah er regelrecht umwerfend aus. Seine leichten Bartstoppeln piksten in ihrer Handfläche, und seine warme Haut erweckte in ihr das Bedürfnis, sich an ihn zu kuscheln, um sich bei ihm geborgen zu fühlen.

Erschrocken zog sie ihre Hand zurück. Das war wirklich nicht der Zeitpunkt für körperliche Annäherungen, auch wenn diese Spannung schon die ganze Zeit unterschwellig vorhanden gewesen war. Außerdem hatte sie gute Gründe, ihre Freundschaft mit Cole nicht damit aufs Spiel zu setzen.

„Du warst den ganzen Tag unterwegs“, sagte sie sachlich und trat einen Schritt zurück. „Bestimmt bist zu müde und musst dich ausruhen. Ich sollte jetzt gehen.“

„Kein Grund zur Eile. Wir können gern noch einen Film zusammen anschauen oder so was.“

Sie lächelte etwas unsicher. Er war so süß zu ihr, obwohl er nicht mal wusste, was sie so bedrückte! Bestimmt hatte er nach dem anstrengenden Tag nur noch auf seine Couch fallen wollen. Stattdessen hatte er seinen Überraschungsgast zum Abendessen eingeladen und bot ihr an, noch länger zu bleiben. Kein Wunder, dass er zu ihren liebsten Freunden zählte!

„Danke, Cole, aber ich sollte langsam schlafen gehen.“

Er runzelte die Stirn. „Aber was ist, wenn bei dem Wetter bei dir der Strom ausfällt? Wär ja möglich …“

„Ich hab genug Kuscheldecken und mehrere Taschenlampen.“

„Ist dein Handy aufgeladen?“

„Fast vollständig. Ich schließ es an, sobald ich zu Hause bin.“

Er nickte, schien jedoch noch immer nicht überzeugt.

Normalerweise war er sparsam mit Berührungen, es sei denn, sie gingen von Stevie aus. Doch jetzt legte er seine Hand auf Stevies Schulter und schaute ernst in ihre Augen. „Wie du weißt, bin ich nicht besonders unterhaltsam, Stevie. Aber du weißt auch, dass ich ein guter Zuhörer bin. Und ich bin dein Freund. Wenn ich also irgendetwas für dich tun kann, lass es mich bitte wissen.“

Sosehr sie sich auch bemühte, die Fassung zu bewahren, genügte der leichte Druck seiner Finger, um Tränen in ihren Augen aufsteigen zu lassen. Zu ihrem Entsetzen entlud sich ihre Anspannung in einem Schluchzen, das sie nicht unterdrücken konnte.

Nach einem winzigen Zögern trat Cole einen Schritt vor und schloss Stevie in seine Arme. Seine rührend hilflose Art, ihr auf den Rücken zu klopfen, ließ sie nur noch mehr weinen.

„Stevie, sag doch – was ist denn los?“

„Ich …“, sie schluckte. Dann brach es aus ihr hervor: „Ich bin schwanger.“

Coles Hand erstarrte auf ihrem Rücken. Diese Möglichkeit war so ziemlich das Letzte, worauf er gekommen wäre.

Immer wieder unterbrochen von Schluchzern sprudelte sie mit tränenerstickter Stimme an seiner Schulter alles heraus.

„Entschuldige bitte! Es ist nur … Ich hab’s noch keinem erzählt, nicht mal meinen besten Freundinnen. Das belastet mich schon seit Wochen, schon seit ich den ersten Verdacht hatte. Aber ich hab es einfach verdrängt. Ich hab mir eingeredet, es sei Stress, oder ich hätte mich verrechnet. Aber es ist wirklich wahr, und jetzt bin ich schon im vierten Monat! Joe ist nach Austin gezogen und hat bestimmt schon eine neue Freundin. Er will auch keine Kinder und hat selbst gesagt, er würde bestimmt einen schrecklichen Vater abgeben. Ich heul auch nicht seinetwegen, denn mit uns hat es sowieso nicht funktioniert. Aber mein Bruder und ich sind auch ohne Vater aufgewachsen … und ich hab immer gesagt, das würde ich keinem Kind antun. Ich verstehe selbst nicht, wie ich in meinem Alter so dumm sein konnte! Ich werde mein Bestes geben, damit mein Baby trotzdem eine glückliche Kindheit hat. Ich meine, aus mir ist ja auch was geworden, oder? Aber das Wetter war heute so deprimierend, und ich war ganz allein zu Hause und brauchte Gesellschaft … Und sei es nur von deiner Katze“, schloss sie kläglich.

Er hatte Mühe gehabt, ihren Gedankensprüngen zu folgen. Das war eine geballte Menge an Information. Gott sei Dank hatte er Übung in der Verarbeitung großer Datenmengen. Stevie war im vierten Monat schwanger, Joe war raus aus dem Spiel. Sie wollte das Kind allein großziehen. Und offenbar hatte sie eine Heidenangst davor.

Ruhig fragte er: „Warst du schon beim Arzt?“

Sie nickte an seiner Schulter. „Schon zweimal.“

„Und ist alles in Ordnung?“

Ihr Schluchzen ließ langsam nach, und sie löste den Kopf von seiner Schulter. „Ja, mit uns beiden.“

Beide. Er hielt hier nicht nur Stevie im Arm. Da ihm nichts Tröstliches einfiel, kam wieder seine praktische Seite durch. Er griff um sie herum, riss ein Blatt von der Küchenrolle ab und reichte es ihr. „Hab leider kein sauberes Taschentuch dabei, aber dies geht vielleicht auch.“

Das brachte sie wieder auf den Boden der Tatsachen, und sie gab sich alle Mühe, ihrer Gefühle Herr zu werden. Als sie zu Cole hochschaute, wirkten ihre tränennassen, leuchtend blauen Augen riesig in ihrem blassen Gesicht. Sie griff mit beiden Händen in den Stoff seines Hemdes, als sei dort Halt zu finden. Dann ließ sie mit einem tiefen Seufzer wieder los, strich den Stoff sorgsam glatt und löste sich aus seinen Armen. Cole blieb dicht bei ihr. Sie wirkte, als könne sie jeden Moment zusammenbrechen.

„Ich, ähm …“ Ihre Stimme funktionierte noch nicht wieder ganz. Sie räusperte sich und nahm einen neuen Anlauf. „Tut mir leid, dass ich dich so überfallen habe. Es ist einfach so aus mir rausgesprudelt. Wie ich schon sagte, außer Joe und der Ärztin weiß es noch niemand. Ich … wusste einfach nicht, wie ich es sagen sollte.“

„Das so lange für dich zu behalten war sicher nicht leicht.“

Sie wischte sich mit dem Küchentuch über die Wangen und nickte. „Besonders bei Jenny und Tess. Sie sind meine besten Freundinnen, und wir haben keine Geheimnisse voreinander. Aber Tess plant gerade ihre Hochzeit, und Jenny und Gavin versuchen schon ewig, schwanger zu werden. Wie kann ich ihr da erzählen, dass ich mal eben so schwanger geworden bin, noch dazu von einem Kerl, den sie nicht ausstehen kann?“

Inzwischen war die Blässe aus ihrem Gesicht verschwunden, und sie schien etwas gefasster.

„Schon kurz nach Weihnachten kam mir der Verdacht, schwanger zu sein. Aber ich hab noch ein paar Wochen gebraucht, bevor ich den Gedanken zulassen konnte.“

„Das war wohl erst mal ein Schock für dich.“

„Sehr. Ich fühlte mich verpflichtet, Joe anzurufen, aber der hat gleich klargestellt, dass er damit nichts zu haben will und es allein meine Sache ist. Ist aber auch okay, ich hab kein Interesse, ihn wiederzusehen. Natürlich weiß ich, dass das unverantwortlich von mir war. Andererseits werde ich im Mai zweiunddreißig, und für mich war immer klar, dass ich irgendwann ein Kind möchte. Wer weiß, ob das jetzt nicht der beste Zeitpunkt ist? Ich hab schon zu viel erlebt und keine Illusionen mehr, irgendwann noch meinem Märchenprinzen zu begegnen. Offenbar fliege ich immer auf Männer, die sich nicht binden wollen. Darauf hab ich keinen Bock mehr. Ich werde es irgendwie schaffen, dieses Kind allein großzuziehen. Klar muss ich zusehen, wie ich meine Termine organisiere und wie ich mit meinen Ersparnissen durch den Mutterschaftsurlaub komme. Ich bin ja noch nicht lange im Geschäft, und gerade anfangs muss man dranbleiben. Aber irgendwie …“

„Möchtest du noch Wasser?“, unterbrach Cole ihren Redefluss, bevor sie sich wieder in irgendwelchen Ängsten verlor.

Sie atmete tief durch und schüttelte den Kopf. Dann beugte sie sich hinunter, um Dusty zu tätscheln, die ihr um die Beine strich. Als sie sich wieder aufrichtete, fuhr sie etwas ruhiger fort: „So sieht es also aus. Alleinstehend und schwanger. Meine Mutter hat das gleich zweimal in zwei Jahren geschafft, erst mit meinem Bruder, dann mit mir. Mir war noch kein einziges Mal übel, und mein Arzt sagt, ich bin sehr fit; das Baby auch. Heute Abend haben mich wohl die Hormone überflutet. Ich schaff das schon!“

„Daran hab ich keinen Zweifel“, sagte er. „Du wirst eine gute Mutter sein.“

Sie fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen. „Glaubst du das wirklich?“

Autor

Gina Wilkins

Die vielfach ausgezeichnete Bestsellerautorin Gina Wilkins (auch Gina Ferris Wilkins) hat über 50 Romances geschrieben, die in 20 Sprachen übersetzt und in 100 Ländern verkauft werden!

Gina stammt aus Arkansas, wo sie Zeit ihres Leben gewohnt hat. Sie verkaufte 1987 ihr erstes Manuskript an den Verlag Harlequin und schreibt...

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