Nur ein sündiges Geheimnis?

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Als Marnie nach einem Sturz ihr Gedächtnis verliert, ist sie verzweifelt. Zum Glück kümmert Leandro sich liebevoll um sie. Sie fühlt, dem aufregend charmanten Milliardär kann sie vertrauen, schließlich trägt sie sein Kind unter dem Herzen. Nur dass sie noch kein Brautkleid hat, obwohl sie bald heiraten wollen, verwundert sie. Doch sinnliche Nächte in Leandros Palazzo nehmen ihr alle Zweifel … bis Marnie sich plötzlich wieder an alles erinnert. Erschüttert erkennt sie: Leandro hat ihr all die Zeit etwas verheimlicht …


  • Erscheinungstag 15.08.2017
  • Bandnummer 2296
  • ISBN / Artikelnummer 9783733708559
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Sie sind also Leandros schmutziges kleines Geheimnis.“

Marnie wandte den Blick von der Tür des Restaurants ab – sie hatte Ausschau nach Leandro gehalten – und sah den Mann, der auf dem Barhocker neben ihr Platz nahm, überrascht an. Bestimmt hatte sie sich verhört.

„Wie bitte?“

Grinsend streckte er die Hand aus. „Entschuldigen Sie den kleinen Scherz. Ich bin Fergus Leary, Chefbuchhalter bei Vialli Entertainment. Jeder in der Firma will wissen, weshalb Leandro seine Freundin versteckt. Wir haben erst von Ihnen erfahren, als Leandro seine Assistentin gebeten hat, Sie wegen der Party anzurufen.“

Marnie versuchte, das ungute Gefühl in ihrem Bauch zu ignorieren. Vom ersten Moment an mochte sie Fergus nicht, trotzdem lächelte sie höflich. Zumindest unterhielt er sich mit ihr – was sie vom Rest von Leandros Angestellten nicht behaupten konnte. Angespannt und nervös genug hatte sie das Restaurant betreten, und die neugierigen Blicke der anderen Gäste wirkten nicht gerade beruhigend.

Genau wie sie schienen alle nur auf Leandro zu warten. Sie hatte versucht, ihn anzurufen, doch sein Handy war dauernd besetzt.

„Leandro mag keine Paparazzi“, erklärte sie Fergus. „Deshalb vermeiden wir es, uns in den angesagten Bars und Restaurants sehen zu lassen.“

Tatsächlich hatte sie sich erst kürzlich gefragt, warum Leandro sie nie zu Events mitnahm – zum Beispiel zu der Filmpremiere, die er letzte Woche besucht hatte.

„Ich gehe zu der Premiere, weil es eine gute Möglichkeit ist, Geschäfte zu machen und Kontakte zu knüpfen“, hatte er entgegnet. „Du kennst dort niemanden und würdest dich nur langweilen.“ Er musste ihr die Enttäuschung angemerkt haben, denn er fuhr in versöhnlicherem Tonfall fort: „Wenn ich aus New York zurück bin, fahren wir weg. Das ganze Wochenende gehört uns. Wohin möchtest du? Vielleicht nach Prag? Du hast immer erzählt, wie gerne du die Stadt besuchen würdest.“

Jede weitere Diskussion hatte er dadurch beendet, dass er sie ins Bett getragen hatte. Erst später, als er eingeschlafen war, wurde Marnie klar, dass er sie mit dem Versprechen auf ein gemeinsames Wochenende und Sex von ihren Wünschen abgelenkt hatte. Gleichzeitig empfand sie es als Bestätigung, dass Leandro ebenso glücklich mit ihrer Beziehung war wie sie.

Außerdem hatte er ihre Beschwerde ernst genommen und sie zu dieser Party eingeladen. Gefeiert wurde der neueste Coup von Vialli Entertainment: Die Sanierung eines alten Theaters in Florenz konnte endlich beginnen. Getrübt wurde ihre Freude nur ein ganz klein wenig dadurch, dass sie die Einladung erst in allerletzter Minute bekommen hatte, und er es seiner Assistentin überlassen hatte, sie zu überbringen.

Fest entschlossen, einen großartigen Eindruck bei ihrem ersten gemeinsamen öffentlichen Auftritt zu machen, war sie zum Shoppen auf die Bond Street gegangen. Leider wurde es kein vergnüglicher Ausflug. Nicht nur überstiegen die Zahlen auf den Preisschildern bei Weitem ihr Budget, sondern riefen auch Erinnerungen an den beschämenden Zwischenfall aus ihrer Jugend wach, als sie fälschlicherweise des Ladendiebstahls beschuldigt worden war.

Wenn sie sich also ein bisschen länger im Spiegel betrachtet hätte, anstatt so schnell wie möglich wieder in ihre eigenen Sachen zu schlüpfen, wäre ihr vielleicht aufgefallen, dass das Kleid ein wenig zu eng saß. Hoffentlich, dachte sie jetzt beim Blick in den Spiegel hinter der Bar, lenkt die Perlenkette wenigstens von dem tiefen Ausschnitt ab.

Unauffällig blickte sie sich um. Alle weiblichen Angestellten von Leandro waren schlanker und eleganter gekleidet als sie. Selbstzweifel stiegen in ihr auf. Als sie Leandro zum ersten Mal in der Cocktailbar, in der sie arbeitete, gesehen hatte, hatte eine ihrer Kolleginnen erzählt, er stehe im Ruf eines Playboys, der gerne mit Models und Prominenten ausging. Marnie wusste, dass sie nur durchschnittlich attraktiv war. Sie hatte nie verstanden, weshalb Leandro sie als seine Partnerin gewählt hatte, wenn er doch jede Frau haben konnte.

Aus dem Augenwinkel erhaschte sie eine Bewegung. Ihr Herz schien einen Schlag auszusetzen, als Leandro Vialli das Restaurant betrat.

Nichts an seiner attraktiven Erscheinung ließ vermuten, dass er gerade einen Langstreckenflug hinter sich hatte. Der Schnitt seines Jacketts betonte die breiten Schultern, die maßgeschneiderte Hose muskulöse lange Beine. Sein stets sonnengebräunter Teint und das dichte mahagonifarbene Haar deutete eine Herkunft aus dem Mittelmeerraum an, auch wenn er mit leichtem amerikanischem Akzent sprach.

Die Klatschzeitungen bezeichneten ihn als italienischen Playboy, die Wirtschaftsmagazine jedoch konzentrierten sich auf seinen kometenhaften Aufstieg. Leandro gehörten mehrere Theater im West End, und er war für die Restaurierung einiger historisch bedeutsamer Bühnen in London verantwortlich. Darüber hinaus war Vialli Entertainment auch nur ein winziger Teil des in New York ansässigen Mutterkonzerns Vialli Holding.

Auf seinem ausdrucksstarken Gesicht war keiner seiner Gedanken zu erkennen, nur das leicht zynische Lächeln verriet einen Mann, der sich seiner Fähigkeiten absolut bewusst war. Macht und Charisma strahlten von ihm aus.

Marnies Aufregung wuchs. In den vergangenen beiden Wochen hatte sie ihn so vermisst. Am liebsten wäre sie zu ihm gelaufen und hätte sich in seine Arme geworfen. Doch sie unterdrückte den Wunsch, weil sie wusste, wie sehr Leandro öffentliche Gefühlsausbrüche hasste. Ein Gedanke schlich sich in ihr Bewusstsein: Verbarg Leandro seine Emotionen nicht auch vor ihr, wenn sie alleine waren? Nur wenn sie sich liebten, schien seine Distanziertheit manchmal Risse zu bekommen.

Marnie ließ sich von dem Barhocker gleiten und fuhr mit der Hand durch ihr blondes Haar. Ein Lächeln erschien auf ihren Lippen – und erstarb, als Leandros Blick auf sie fiel. Einen Moment wirkte er überrascht, dann verärgert.

Dieser Anblick reichte, um das Gefühl der Verunsicherung, das sie seit einiger Zeit verspürte, übermächtig werden zu lassen.

Vor fünf Tagen war ihr Jahrestag gewesen, Leandro hatte sich jedoch nicht einmal gemeldet. Als er einen Tag später anrief, brachte sie es nicht über sich, ihn an das wichtige Datum zu erinnern. Bestimmt würden sie feiern, wenn er aus New York zurückkam. Doch als Leandro jetzt zu ihr eilte, wirkte er ganz und gar nicht in Feierlaune.

Das Herz klopfte ihr bis zum Hals, als er vor ihr stehen blieb. Der vertraute Duft seines Aftershaves stieg ihr in die Nase und zauberte ein warmes Gefühl in ihren Bauch. Trotz ihrer High Heels musste sie den Kopf in den Nacken legen, um ihm in die Augen zu schauen.

Cara, dich habe ich hier nicht erwartet.“

„Aber du hast mich eingeladen … oder nicht?“ Ihre Stimme zitterte. „Deine Assistentin hat mich gestern angerufen.“

Leandro runzelte die Stirn. „Ich habe Julie gebeten, dich anzurufen, aber sie sollte dir ausrichten, dass die Party um eine Woche vorverlegt worden ist, weil das Restaurant einen Fehler bei der Reservierung gemacht hat. Ich war in einem wichtigen Meeting und konnte nicht selbst telefonieren.“

„Ich verstehe.“

Eine Woge aus Scham färbte ihre Wangen rot. Mit den wenigen Worten hatte es Leandro geschafft, alle Schwachstellen ihrer Beziehung aufzuzeigen. Immer wieder hatte sie nach Entschuldigungen für sein Verhalten gesucht. Sie hatte sich eingeredet, dass es keine Rolle spielte, dass er ihren Jahrestag vergessen hatte. Mit plötzlicher Klarheit erkannte sie, dass sie sich nur selbst getäuscht hatte.

Am liebsten wäre sie auf der Stelle im Boden versunken. Doch als sie in seinem harten Gesicht nun nach einem winzigen Zeichen von Zuneigung suchte, stieg Zorn in ihr auf. Normalerweise vermied sie Streit, aber sie war machtlos gegen den wilden Sturm aus Gefühlen, der sich in ihrem Inneren zusammenbraute. Nach einem Jahr Beziehung war es doch nicht zu viel verlangt, Anteil an seinem Leben nehmen zu dürfen!

„Wenn ich gewusst hätte, dass du mich nicht zu der Party einladen möchtest, wäre ich natürlich nicht gekommen“, sagte sie leise. Ihr war klar, dass die meisten anderen Gäste neugierig zu ihnen hinüberblickten.

Dann erinnerte sie sich an Fergus’ Kommentar. Leandros schmutziges kleines Geheimnis. Dachten alle anderen genauso über sie? Dachte Leandro so über sie?

„Schämst du dich für mich?“, brach es aus ihr heraus.

„Mach dich nicht lächerlich.“

„Was soll ich denn sonst davon halten, wenn du dich nie in der Öffentlichkeit mit mir zeigen willst?“ Ihre Stimme wurde schriller. Dass Leandro warnend die Stirn runzelte, fachte ihre Wut nur noch mehr an. Innerlich schockierte es sie jedoch, dass sie überhaupt mit ihm stritt.

Erinnerungen an ihre Mutter, die wüste Beschuldigungen in Richtung ihres Vaters geschleudert hatte, ließen sie erschauern. Oh Gott, verwandelte sie sich in dieselbe hysterische und irrationale Frau, die ihre Mutter gewesen war? Leandros verschlossenes Gesicht gab keinen seiner Gedanken preis, nur die Anspannung in seinem Körper offenbarte seine Überraschung über ihr Verhalten. Und ein Funkeln in seinen grauen Augen verriet ihr, dass er sehr, sehr wütend war.

Ein ersticktes Schluchzen entrang sich ihrer Kehle. Sie setzte sich in Bewegung und erstarrte, als er seine Hand auf ihren Arm legte.

„Wohin gehst du?“

„Ich bleibe nicht auf dieser Party, du willst mich doch ohnehin nicht hier haben.“ Das Zittern in ihrer Stimme konnte sie nicht verhindern. „Was spielt es für eine Rolle, wohin ich gehe? Es ist ja nicht so, als würde es dich interessieren.“

Die Wahrheit dieses letzten Satzes traf sie wie ein Faustschlag in die Magengrube. Sie schüttelte seine Hand ab und eilte, so schnell es die High Heels erlaubten, aus dem Restaurant. Halb erwartete sie, dass er ihr folgte – und dann überfiel sie eine Welle der Enttäuschung, als er es nicht tat.

Leandro schaute Marnie nach, wie sie mit grazilem Hüftschwung in Richtung Tür marschierte. Der Anblick ihrer kurvenreichen Figur und vor allem ihres sexy Pos weckte leidenschaftliche Wünsche in ihm. Er konnte es nicht fassen, dass sie ihn tatsächlich stehen ließ. Wütend und verwirrt zugleich sah er die Tür ins Schloss schwingen.

Normalerweise waren ihr Gefühlsausbrüche fremd – im Gegensatz zu seiner Exfrau. Marnie war unkompliziert, er genoss das Leben mit ihr ohne hysterische Dramen. Zugleich faszinierte es ihn, einen unbekannten Charakterzug an ihr zu entdecken. Er erinnerte sich an ihren verletzten Gesichtsausdruck und verfluchte seine Taktlosigkeit. Aber er mochte nun mal keine Überraschungen.

Er würde eine ernste Unterhaltung mit Julie führen müssen, die seine langjährige Assistentin während ihrer Elternzeit vertrat. Aber er konnte ihr nicht die Schuld an diesem Missverständnis geben. Er hätte ihr deutlicher machen müssen, dass er Geschäft und Privatleben immer trennte – und eine Geliebte gehörte definitiv in die zweite Kategorie.

Marnie hatte er gleich zu Anfang ihrer Beziehung erklärt, dass er nur auf eine Affäre ohne Verpflichtungen aus war. Sein Verdacht, sie könne noch Jungfrau sein, als sie zum ersten Mal miteinander geschlafen hatten, wurde durch ihre glühende Leidenschaft beschwichtigt. Danach fühlte er sich jedes Mal wie berauscht. Aber er wollte nur Sex von ihr – und war auch nicht bereit, ihr mehr zu geben.

Einmal hatte er es mit der Ehe versucht. Und als Dank dafür war ihm das Herz herausgerissen worden. Er hegte keinerlei Wunsch, den größten Fehler seines Lebens zu wiederholen – trotz des Drängens seines Vaters.

In New York hatte er sich mit Silvestro Vialli getroffen. Immer wieder hatte der alte Mann das Thema Heirat angesprochen. Dabei ging es natürlich nur um eines: den Erben, der so dringend gebraucht wurde, um die Zukunft von Vialli Holdings zu sichern. Schon früh im Leben hatte Leandro gelernt, dass das Geschäft alles war, wofür sein Vater sich interessierte.

„Nächstes Mal siehst du zu, dass du einen Vaterschaftstest machen lässt, bevor das Baby geboren wird. Damit vermeidest du die Katastrophe vom letzten Mal“, hatte Silvestro ihn mit der ihm eigenen Direktheit aufgefordert.

Aber es würde kein nächstes Mal geben. Nicoles Betrug hatte tiefe Wunden in seiner Seele hinterlassen. Unvermittelt musste er an die unerfreuliche Ehe seiner eigenen Eltern denken. Als er sieben Jahre alt war, hatten sie sich scheiden lassen. Diese beiden Ereignisse hatten ihn zu der Überzeugung gebracht, dass eine langfristige Beziehung einfach Unsinn war. Das jedoch ließ die Tatsache, dass Marnie bereits seit über einem Jahr seine Geliebte war, umso schockierender erscheinen.

Er konnte nicht fassen, wieso ihre Liaison bereits so lange andauerte, und wie es Marnie gelungen war, sich in alle Bereiche seines Lebens zu schmuggeln. Ganz bestimmt hatte er nichts dergleichen beabsichtigt, als er sie aus einem spontanen Impuls heraus gefragt hatte, ob sie bei ihm einziehen wolle. Sie brauchte einfach eine Wohnung. Und er glaubte ohnehin, er würde sich binnen weniger Wochen mit ihr langweilen.

Die Erkenntnis, dass er sich seither zu keiner anderen Frau hingezogen gefühlt hatte, beunruhigte ihn auf einmal.

Ein Kellner bot ihm Champagner an. Leandro nahm ein Glas und trank einen großen Schluck. Die Reise nach New York hatte sich als extrem anstrengend erwiesen – selbst nach seinen Maßstäben. Doch er war es gewohnt, sich bis an die Grenzen zu belasten. Er war stolz auf Vialli Entertainment, den Geschäftszweig, den er ganz ohne die Hilfe seines Vaters aufgebaut hatte. Arbeit war das Wichtigste in seinem Leben. Hier fand er die Kontrolle, die ihm in anderen Bereichen seines Lebens zu fehlen schien.

Nach dem Scheitern seiner Ehe hatte er sich darauf konzentriert, Henry ein guter Vater zu sein. Er sollte nicht unter der Scheidung leiden. Doch seit er den unwiderlegbaren Beweis erhalten hatte, dass Henry nicht sein leiblicher Sohn war, befand sich an der Stelle, an der sein Herz hätte sein sollen, nur dunkle Leere. Niemals wieder, hatte er sich geschworen, würde er sich einem anderen Menschen so weit öffnen, dass er ihm solche Schmerzen zufügen konnte.

Silvestro war niemals emotionale Bindungen eingegangen. Seine Mutter hingegen verliebte sich viele Male in Männer, die ihr das Herz brachen. Nur die Liebe des einen Menschen, der sie geradezu vergötterte, erwiderte sie nicht – die ihres eigenen Sohnes.

Leandro zwang seine Gedanken zurück in die Gegenwart und zu Marnies unerwartetem Verhalten. Was, zur Hölle, war nur in sie gefahren? Normalerweise besaß sie ein ausgeglichenes Naturell. Und bis vor Kurzem schien sie absolut zufrieden damit, sich im Hintergrund zu halten.

Stirnrunzelnd erinnerte er sich daran, dass sie schon vor einigen Tagen, als er sie aus New York angerufen hatte, seltsam geklungen hatte. Beinahe hätte er sie sogar gefragt, ob alles in Ordnung sei. Rechtzeitig jedoch war ihm eingefallen, dass sie ja seine Geliebte war, und er ihr selbstverständlich nichts Persönliches anvertraute, geschweige denn er an irgendwelchen Gefühlszuständen ihrerseits interessiert war.

Vielleicht war es ja gut, dass sie ihm nun auch diesen dunklen Teil ihres Charakters zeigte. Wenn Marnie jetzt auf die Idee kam, emotionale Forderungen zu stellen, war es an der Zeit, sie aus seinem Bett zu verbannen.

Unvermittelt bemerkte er, dass einige seiner Angestellten versuchten, ihn auf sich aufmerksam zu machen. Vergiss Marnie, befahl er sich, genieß die Party. Doch die Erinnerung an die Tränen in ihren Augen, als sie an ihm vorbeigehastet war, nagte an seinem Gewissen.

Bestimmt nahm sie ein Taxi zu seinem Haus in Belgravia – ein anderes Zuhause besaß sie nicht. Sie hatte ihm erzählt, dass ihre Mutter ein paar Monate bevor sie sich begegnet waren, gestorben war. Und ihre anderen Verwandten lebten in Norfolk.

Leandro leerte das Champagnerglas und stieß einen leisen Fluch aus. Die Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass Frauen immer auch Ärger bedeuteten. Warum überraschte es ihn, dass Marnie sich also doch nicht von ihren Geschlechtsgenossinnen unterschied?

Er war nicht für sie verantwortlich. Aber es ging ihr schlecht, und er war daran nicht ganz unschuldig. Leandro ging zu seinem Stellvertreter und sprach kurz mit ihm. Dann telefonierte er mit seinem Chauffeur.

Marnie verließ das klimatisierte Restaurant und trat in einen sommerlichen Glutofen hinaus. Seit Wochen litt London unter einer ungewöhnlichen Hitzewelle. Selbst um acht Uhr abends brannte die Sonne noch vom Himmel. Sie schwitzte unter ihrem eng anliegenden Kleid.

Sie konnte nicht fassen, dass sie aus dem Restaurant gestürmt war. Leandro hatte sie während ihres Gefühlsausbruchs völlig schockiert angesehen. Sie konnte ihm nicht verdenken, dass er ihr nicht gefolgt war.

Tränen brannten in ihren Augen. Was stimmte bloß nicht mit ihr? Sie weinte doch sonst nie!

Selbst als ihr Bruder Luke bei einem Motorradunfall vor fünf Jahren ums Leben gekommen war, hatte sie ihre Trauer tief in ihrem Inneren vergraben. Vielleicht spürte sie seinen Verlust deshalb heute noch genauso intensiv wie vor fünf Jahren. Zeit ihres Lebens litt ihre Mutter unter Depressionen. Vielleicht ließ sie Gefühle aus diesem Grund nicht zu intensiv zu. Sie hatte Angst davor, um Luke zu weinen. Wenn sie einmal anfing, konnte sie womöglich nicht wieder aufhören. Außerdem musste sie für ihren anderen Bruder Jake stark bleiben, den der Tod seines Zwillingsbruders noch schlimmer mitgenommen hatte.

Seufzend lehnte Marnie sich gegen die Wand des Bushaltestellenhäuschens. Dieses Jahr mit Leandro war das glücklichste seit ihrer Kindheit. Doch selbst als die Familie noch existierte, hatte es Probleme gegeben. Erinnerungen an die beständigen Streitereien ihrer Eltern stiegen in ihr auf. Der stetige Vorwurf ihres Vaters, ihre Mutter sei zu besitzergreifend, hatte Marnie gelehrt, Leandro viel Freiraum zu gewähren.

Die Kehrseite bestand darin, dass sie heute kaum mehr von ihm wusste als vor einem Jahr. Nie hatte er sie Freunden oder seiner Familie vorgestellt. Die einzigen Informationen über die sie verfügte, besagten, dass sein Vater in New York lebte und seine Mutter eine bekannte Musicalsängerin gewesen war, die jedoch vor zehn Jahren gestorben war.

Sie hatte keine Ahnung, weshalb es plötzlich eine Rolle spielte, dass Leandro sein Leben vor ihr geheim hielt. Sie hatte sich so auf seine Rückkehr gefreut, weil sie es nicht erwarten konnte, ihm die erstaunlichen Neuigkeiten zu erzählen. Schließlich konnte sie selbst kaum fassen, dass sie ein hervorragendes Examen in Astrophysik gemacht hatte, für das sie sogar eine Auszeichnung erhalten hatte: In ihrem Jahrgang hatte sie die beste Punktzahl landesweit erreicht.

Marnie biss sich auf die Unterlippe. Vielleicht hätte sie ihm längst erzählen sollen, dass sie nur einen Tag in der Woche in der Cocktailbar arbeitete und an den anderen Tagen Astronomie, Weltraumwissenschaft und Astrophysik an einer der besten Universitäten Londons studierte.

Unvermittelt hörte sie die Stimme ihrer Mutter in ihrem Kopf. „Warum willst du Astronomie studieren? Was hat es für einen Sinn, in die Sterne zu schauen? Du musst einen richtigen Job finden, anstatt einem unmöglichen Traum zu folgen.“

Auch die Lehrer in der Schule standen ihrem Plan ähnlich ablehnend gegenüber. Aber sie hatte sich davon nicht unterkriegen lassen. Doch obwohl sie an der Universität angenommen worden war, mangelte es ihr an Vertrauen in ihre Fähigkeiten. Und aus genau diesem Grund hatte sie beschlossen, Leandro erst nach ihrem Examen von ihrem Traum zu erzählen, Astronomin zu werden.

Jetzt war ihr Traum ein gutes Stück näher gerückt. Die NASA hatte ihr einen Promotionsplatz angeboten. Dafür würde sie allerdings für neun Monate nach Kalifornien ziehen müssen. Bestimmt hatte Leandro Verständnis dafür, dass sie während dieser Zeit eine Fernbeziehung würden führen müssen.

Marnie schaute die Straße entlang. Hoffentlich kam der Bus bald. Ihr Herz schien einen Schlag auszusetzen, als stattdessen eine schwarze Limousine mit dunkel getönten Scheiben vor ihr hielt. Die hintere Tür wurde geöffnet. In dem schwach beleuchteten Innenraum war Leandros Gesicht kaum zu erkennen, nur seine stahlgrauen Augen funkelten gefährlich.

„Steig in den Wagen, Marnie.“

Vor Erleichterung, dass er ihr gefolgt war, wurden ihr fast die Knie weich. Aber das rebellische Teufelchen auf ihrer Schulter, das anscheinend darauf aus war, ihr Ärger einzuhandeln, beharrte darauf, sie dürfe nicht zulassen, dass Leandro sie so von oben herab behandelte. Sie musste für sich selber kämpfen, weil sie kein ‚schmutziges kleines Geheimnis‘ sein wollte.

Während sie noch zögerte, stieß Leandro rau hervor: „Ich werde dich nur einmal bitten, cara.“

2. KAPITEL

Ohne Leandro anzublicken, ließ sich Marnie auf den Rücksitz der Limousine gleiten und schloss die Tür. Er gab dem Chauffeur Anweisungen, dann ließ dieser die Trennscheibe hinauffahren. Die Spannung zwischen ihnen war fast mit Händen greifbar.

„Was, zur Hölle, sollte das?“ Er versuchte gar nicht erst, seine Wut zu verbergen. „Ich habe dich nicht zu der Party eingeladen, weil ich nur ungefähr eine Stunde bleiben und dann zu dir kommen wollte.“

Zumindest stimmte das teilweise, dachte Leandro. Irgendwie musste er die Wogen zwischen ihnen glätten. Sein Blick wurde wie magisch von Marnies Brüsten angezogen, die sich im Rhythmus ihres Atems hoben und senkten. Ihre Haut schimmerte in einem warmen Pfirsichton, das honigblonde Haar fiel ihr in weichen Wellen über die Schultern. Heiße Lust stieg in ihm auf. Unwillkürlich stellte er sich vor, wie er sie auszog und mit den Händen ihre weiblichen Kurven entlang strich.

„Wirklich?“, erwiderte sie nicht sonderlich überzeugt.

Leandro bezwang den Wunsch, sie gegen das weiche Leder der Sitze zu drücken und leidenschaftlich zu küssen.

„Wir hätten zusammen Zeit auf der Party verbringen können“, murmelte sie. Leandros Auftritt hatte sie zutiefst verletzt. Sie war fest entschlossen, dieses Mal nicht zuzulassen, dass er ihre Gefühle beiseite wischte, als spielten sie überhaupt keine Rolle.

„Ich verbringe einen Großteil meiner Zeit mit meinen Angestellten. Und ich werde mich nicht dafür entschuldigen, meine Freizeit lieber mit dir verbringen zu wollen.“

„Oh.“ Wenn er es so ausdrückte, ergab es plötzlich einen Sinn, dass er sie nicht eingeladen hatte. Vielleicht hatte sie ein wenig überreagiert?

Leandro legte seine Hand auf ihre. Der Anblick seiner sonnengebräunten Finger, verschränkt mit ihren deutlich helleren, ließ vor ihrem inneren Auge Bilder aufsteigen, wie ihre Körper sich aneinander schmiegten.

Unvermittelt nahm sie auch seinen muskulösen Oberschenkel wahr, der hart gegen ihren stieß. Leandro streckte die Hand aus und ließ eine Haarsträhne durch seine Finger gleiten. Ihr stockte der Atem, als er spielerisch daran zupfte, damit Marnie ihn ansah. Der stählerne Ausdruck in seinen Augen war einem sinnlichen Funkeln gewichen.

Leandro spürte, wie Marnie sich entspannte. Sein Verlangen wuchs, als er die Hand unter ihr Kinn legte, ihren Kopf ein wenig hob und endlich seine Lippen auf ihre presste. Er intensivierte den Kuss, nahm, wonach ihm der Sinn stand – auch um Marnie zu bestrafen und ihr in Erinnerung zu rufen, wer hier den Ton angab.

Doch ihre leidenschaftliche Antwort entfachte das Feuer in seinem Innern nur noch weiter. Er hatte sie gut unterrichtet; sie war nicht mehr schüchtern und unerfahren wie in den ersten Wochen ihrer Affäre. Denn als sie ihre Zunge in seinen Mund schob, hämmerte sein Herz wild gegen seine Rippen und seine Männlichkeit drängte schmerzhaft gegen seinen Hosenbund.

Leandro hob den Kopf. Auf ihren Wangen lag eine gesunde Röte. Genauso hatte er sich seine Geliebte immer vorgestellt: vor Verlangen glühend und in sanften Augen ein sinnliches Versprechen schimmernd.

Leandros Worte hatten Marnies Befürchtung beschwichtigt. Ihre Beziehung war ihm ebenso wichtig wie ihr. Sie legte eine Hand auf die sich wölbende Stelle seiner Hose und lächelte, als er aufstöhnte. „Hast du mich vermisst, während du fort warst?“

„Natürlich habe ich dich vermisst.“ Er lachte rau auf. „Nach zwei Wochen ohne Sex leide ich ernsthaft.“

„Ich meinte nicht nur Sex.“

Aber als er nun den Kuss ohne weitere Antwort mit einer Leidenschaft fortsetzte, die sie bis ins Mark erschütterte, verstummten auch die letzten Zweifel in ihrem Kopf. Das Verlangen nach einander loderte immer heißer, bis sie nicht mehr klar denken konnte.

„Dio“, keuchte er. „Danach habe ich mich gesehnt.“

Marnie verlor sich in seinem Kuss. Zu viele Nächte allein hatten ihren Körper mehr als empfänglich für jede Berührung gemacht. Ein Stöhnen entfuhr ihr, als er mit den Händen ihre Brüste umfasste und die zarte Haut durch den dünnen Stoff des BHs streichelte. Und dann nahm er die empfindsamen Knospen zwischen zwei Finger. Marnie bäumte sich auf, als eine Flamme der Lust ihr weibliches Zentrum erreichte.

Leandro lachte leise. „Das habe ich vermisst. Deinen wunderschönen Körper, deine Leidenschaft, deine Hingabe. Ich kann es kaum erwarten, nach Hause zu kommen und dich auszuziehen.“ Er folgte dem Ausschnitt ihres Kleides mit einem Finger. „Ist das neu? Hast du es extra für die Party gekauft? Du siehst sexy darin aus.“

Marnie erinnerte sich, wie unsicher sie sich gefühlt hatte, während sie auf ihn gewartet hatte. Wenn er stolz auf sie war, käme sie sich ihm vielleicht ebenbürtiger vor.

„Leandro“, flüsterte sie. „Wünschst du dir, ich hätte einen besseren Job?“

„Es ist nichts falsch daran, als Kellnerin zu arbeiten“, erwiderte er und knabberte sanft an ihrem Ohrläppchen, bevor er ihren Hals in Richtung Schlüsselbeine mit Küssen bedeckte.

Autor

Chantelle Shaw
<p>Chantelle Shaw ist in London aufgewachsen. Mit 20 Jahren heiratete sie ihre Jugendliebe. Mit der Geburt des ersten Kindes widmete sie sich ihrer Rolle als Hausfrau und Mutter, ein Vollzeitjob, da die Familie bald auf sechs Kinder und verschiedene Haustiere anwuchs. Chantelle Shaw entdeckte die Liebesromane von Mills &amp; Boon,...
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