Rendezvous in der Karibik

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Ein raffinierter Plan! Der griechische Milliardär Xander Anaketos fliegt mit Clare in die Karibik. Unter tausend Sternen will er sie verführen und ihr seine Luxuswelt zu Füßen legen. Dabei reichen Clare drei kleine Worte: Ich liebe dich …


  • Erscheinungstag 16.04.2022
  • ISBN / Artikelnummer 9783751514163
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Prolog

Clare holte tief Luft und betrat die schwach beleuchtete Cocktailbar. Leise Klaviermusik erklang, und sie erkannte vage die Melodie eines alten Songs. Ohne weiter darauf zu achten, steuerte sie auf den nächstgelegenen Tisch zu. Er war niedrig und von bequemen Ledersesseln umgeben. Hier sollten sich Geschäftsmänner nach einem langen Arbeitstag entspannen können.

Spöttisch verzog Clare ihren Mund. Sie mochten ja lange Arbeitstage haben, aber dadurch konnten sich diese Geschäftsmänner auch einiges leisten: feine Anzüge, handgefertigte Schuhe, ein gepflegtes Äußeres. Und mit ihren Kreditkarten war für sie nichts unerschwinglich.

Sie näherte sich dem Tisch, an dem ein paar Unternehmer Platz genommen hatten, als ein leises, kehliges Lachen ihre Aufmerksamkeit erweckte. Etwas weiter entfernt saß ein Paar mit Drinks in den Händen auf einem Sofa. Einen kurzen Moment lang erlaubte sich Clare, ihnen zuzusehen.

Selbst im sanften Licht konnte sie erkennen, wie schön die Frau war, kunstvoll frisiert, mit einem makellosen Make-up. Sie trug ein Designerkleid, das ihre schlanke Figur umschmeichelte. Mit einem leisen gewinnenden Lachen schlug sie ihre langen, mit Seidenstrümpfen gekleideten Beine übereinander und strich mit einer elegant manikürten Hand sanft über das Bein ihres Begleiters.

Ein kleiner Stich mahnte Clare, den Blick abzuwenden.

Ich hätte diese Stelle nicht annehmen dürfen. Ich wusste, es ist ein Fehler!

Vier lange Jahre hatte Clare sich von solchen Orten ferngehalten. Die Welt, in der sie jetzt lebte, war eine völlig andere. Es fiel ihr nicht leicht, in diese luxuriöse Umgebung zurückzukehren.

Der kurze Blick auf diese Frau hatte genügt, um ihre Erinnerungen wachzurufen.

War ich wirklich jemals so wie sie? fragte sie sich ungläubig.

Es schien unmöglich, und doch war ihr sehr wohl bewusst, dass auch sie einst wie diese Frau gewesen war: Schön gekleidet, perfekt zurechtgemacht, elegant und schick.

Clare atmete tief ein. Was bedeutete es schon, dass dieser Ort die Vergangenheit wieder aufleben ließ? Dass er Erinnerungen hervorrief, gegen die sie ankämpfen musste? Ich bin nur hier, weil ich so am besten das zusätzliche Geld verdienen kann, erinnerte sie sich. Diesen Sommer wollte sie ihrem Sohn Joey und ihrer Freundin Vi einen Urlaub ermöglichen. Um das zu tun, blieb ihr allerdings nichts anderes übrig, als abends zu arbeiten. Dazu hatte sie einen Job in diesem neuen Hotel als Bedienung angenommen. Es lag nur eine kurze Busfahrt von ihrem Zuhause bei Vi entfernt. Außerdem war es hier viel besser, als in irgendeinem Pub oder in ihrer Stammpizzeria zu bedienen.

Und was die Erinnerungen betraf, die dieser Luxus in ihr auslöste? Kämpferisch hob Clare ihr Kinn. Damit musste sie sich eben abfinden.

Das sagte sie sich kompromisslos immer und immer wieder. Finde dich damit ab. Das war das Härteste, das man von sich selbst verlangen konnte … Aber gerade das hatte ihr über diese vier langen Jahre hinweggeholfen. Jahre, in denen sie ihr Leben völlig umkrempeln musste.

Nein. Denk nicht dran!

Auch daran musste sie sich strikt halten. Nicht daran denken – wobei sie in ihren Träumen doch genau das tat. Immerfort tauchte in ihnen eine Vergangenheit auf, die sie wie eine alte, tiefe und unheilbare Wunde quälte.

Schlimmer aber wäre, sich eine Gegenwart vorstellen zu müssen, in der ihre Sehnsüchte und ihr Verlangen gestillt würden, wenn sie damals eine andere Entscheidung getroffen hätte.

Ich habe diese Entscheidung nicht getroffen! sagte sie sich entschieden. Das wurde mir abgenommen. Ich habe nur einen anderen Weg gewählt. Und es war die richtige Wahl – der einzig mögliche Weg.

So schwer Clare diese Wahl auch gefallen war, es wäre sehr viel schlimmer gewesen, hätte sie sie nicht getroffen. Sie hatte den Preis für ihre Entscheidung bezahlt, und allein der Gedanke daran quälte sie ungemein.

Ihre eigene Stimme riss sie aus ihren schmerzlichen Erinnerungen.

„Guten Abend, meine Herren. Was darf ich Ihnen zu trinken bringen?“

Sie zauberte ein fröhliches Lächeln auf ihr Gesicht, hörte zu, nickte und schrieb, so schnell sie konnte. Hoffentlich hatte sie alles richtig verstanden. Als sie alles notiert hatte, bahnte sie sich den Weg zurück an die Bar, um die Bestellung aufzugeben.

„Wie läuft es? Alles klar?“, fragte Tony, einer der Barkeeper.

„Ich hoffe es“, antwortete Clare zögerlich.

Er musste nicht wissen, dass sie nicht nur so vorsichtig war, weil sie noch nie als Kellnerin gearbeitet hatte. Dieses ganze teure Ambiente hier störte sie. Es bedrohte sie, weil es Erinnerungen an ein Leben hervorrief, das sie einst geführt hatte, und das nun für immer vorbei war. Wenigstens war sie vorher noch nie in diesem Restaurant gewesen. Sie kannte sich besser mit den klassischen Luxushotels aus, dem Savoy in London und dem Plaza in New York. Dieses Hotel war zu neu, zu unpersönlich … Überhaupt nicht nach dem Geschmack von …

Sie sah, wie ein Gast sie herbeiwinkte, und eilte zu ihm, froh über die Ablenkung. Und sie war ebenfalls froh, dass sie den ganzen restlichen Abend über pausenlos auf Trab gehalten wurde. Zwar taten ihr in diesen ungewohnt hohen Schuhen bald die Füße weh, aber sie hatte das Gefühl, recht gut klarzukommen. Auch wenn ein paar komplizierte Cocktails kurz für Verwirrung gesorgt hatten. Sie achtete stets darauf, gebührenden Abstand zu den Gästen zu wahren, und im Großen und Ganzen wurden ihr auch keine Schwierigkeiten gemacht.

Aber das war ja auch kein Wunder, gestand Clare sich zwar erleichtert, aber auch ein wenig wehmütig ein. Heutzutage bestand eine Schönheitskur für sie höchstens darin, einen eingerissenen Nagel zu feilen …

Na und? dachte sie heftig. Joey war es egal, ob sie die Haare zu einem zweckmäßigen Zopf zusammengebunden trug oder ob sie ungeschminkt war. Er wollte nur ihre Aufmerksamkeit … und ihre Liebe.

Und beides bekam er in unendlichem Maße.

Bei dem Gedanken an Joey griff Clare unbewusst an ihre Schürze. Das Handy war zwar eingeschaltet, es hatte aber nicht geklingelt. Für ihre mütterliche Freundin Vi war es noch immer knifflig, ein Handy zu benutzen. Aber sie hatte sich bemüht zu lernen, wie man damit umging, und hoch und heilig versprochen, Clare anzurufen, falls Joey aufwachen und quengeln sollte. Joey schlief allerdings schon ganz gut durch, und wenn er einmal eingeschlafen war, meldete er sich in aller Regel nicht vor dem Morgen.

Clare servierte gerade Getränke, die sie von der Bar geholt hatte, als sie bemerkte, dass die Gäste an einem anderen ihrer Tische gerade aufbrachen. Sie ließ sie nicht aus den Augen, weil sie neugierig war, ob sie ein Trinkgeld bekommen würde. In diesem Gewerbe war man auf die Trinkgelder angewiesen, um den spärlichen Lohn aufzubessern. Jeder Penny zählte, und jeder einzelne davon würde in ihre Urlaubskasse wandern. Mit dem gesparten Geld wollte sie mit Joey und Vi in diesen Sommer an die Küste fahren.

Ihre Augen verdunkelten sich.

Wenn es das Schicksal anders mit ihr gemeint hätte, würde es so etwas wie eine Urlaubskasse gar nicht geben …

Sie unterbrach ihre düsteren Gedanken. So durfte sie nicht denken. Sie hatte die einzig richtige, die einzig mögliche Wahl getroffen.

Joey war zwar dadurch das vaterlose Kind einer verarmten, alleinerziehenden Mutter geworden, das gebrauchte Kleidung tragen musste. Aber das war immer noch besser als die Alternative dazu: Dass Joey der ungewollte Bastard eines Industriemagnaten und seiner abgelegten, verzweifelten Geliebten war …

1. KAPITEL

Xander Anaketos versuchte, seine Ungeduld hinter einem höflichen, aber kurzen Lächeln zu verbergen. Richard Gardner gehörte zu den Geschäftsleuten, die jedes erfolgreiche Geschäft mit einem Drink und einem teuren Essen krönten. Xander hatte für so etwas keine Zeit. Gerade hatte er einer Investition in Gardners Unternehmen zugestimmt, aber er überließ es seinen Angestellten, alles unter Dach und Fach zu bringen. Xander wollte jetzt einfach gehen. Schließlich hatte er Pläne für den Abend, und die beinhalteten sicher keinen Small Talk mit Richard Gardner. So wie es aussah, würde sein „anderes Geschäft“ auf ihn warten müssen.

Aber sie warteten immer auf ihn.

Sonja de Lisle bildete da keine Ausnahme.

Sie würde zwar ein paar Minuten schmollen, sich aber bald darauf wie ein Kätzchen an ihn schmiegen. Denk besser nicht an Sonja, sagte er sich, das Abendessen liegt noch vor dir!

Da er eingeladen wurde, wartete Xander darauf, dass sein Gastgeber den Platz wählte. Als er sich dann gesetzt hatte, musterte er geringschätzig das Lokal. Das hier war kein Restaurant, das er sich ausgesucht hätte, aber es lag wenigstens günstig in der Nähe des Londoner Flughafens. Für sich selbst bevorzugte er jedoch Hotels und Restaurants mit mehr Klasse, mit mehr Prestige. Ihm gefielen die klassischen weltberühmten Häuser wie das Ritz, das Claridges und das St. John.

Unvermittelt erinnerte sich Xander. Heute ging er nur noch selten ins St. John. Den Grund dafür konnte er noch deutlich vor sich sehen: blonde Haare, die auf einer Seite in einer sanften Welle über die Schulter fielen, Diamantstecker in zarten Ohren, lange dunkle Wimpern über kühlen grau-grünen Augen.

Augen, die ihn ohne Gefühl ansahen. Ein Gesicht, das keinerlei Regung erkennen ließ. Aber auch eine Frau, deren kühle Zurückhaltung ihn lockte und immer noch zu reizen schien.

Entschlossen schob er das Bild von sich. Es hatte ja doch keinen Zweck, sich daran zu erinnern.

Abrupt griff Xander nach der Speisekarte, die jemand auf den niedrigen Tisch gelegt hatte. Er öffnete sie und wählte lustlos ein Gericht. Dann schlug er die Karte zu, warf sie zurück auf den Tisch und sah sich ungeduldig um. Jetzt könnte er noch einen Drink gebrauchen. Gab es in diesem Laden denn keine Kellnerinnen?

Etwa einen Tisch von ihm entfernt stand eine Kellnerin, den Rücken zu ihm gewandt. Er behielt sie ihm Auge, um sie zu sich zu winken.

Kurze Zeit später drehte sie sich zur Bar hin, und Xander hob gebieterisch die Hand. Als sie die Geste sah, änderte sie die Richtung.

Und blieb wie angewurzelt stehen.

Clare spürte, wie jegliches Gefühl aus ihrem Körper wich.

Stattdessen nahm sie nur noch zwei Dinge wahr: Fassungslosigkeit. Erschrecken.

Clare konnte sich nicht gegen den Sog der Erinnerungen wehren, der sie tiefer und tiefer in die Vergangenheit zog …

An jenem letzten gemeinsamen Abend war Xander spät dran.

Rastlos ging Clare auf und ab. Eigentlich hätte sie schon daran gewöhnt sein müssen, dass er dann kam, wenn es ihm passte. Doch dieses Mal war es schwerer für sie zu ertragen. Ihre Nerven waren bis zum Zerreißen gespannt.

Werde ich es ihm wirklich sagen?

Diese Frage ließ ihr keine Ruhe. Seit zwei Wochen wälzte sie sie schon hin und her. Und mit jeder neuen Runde wusste sie, dass es nur eine Antwort darauf gab – geben konnte.

Ich muss es ihm sagen. Ich kann es ihm nicht länger verschweigen.

Jedes Mal, wenn sie sich das sagte, spürte sie, wie Panik in ihr aufstieg, wie sich das vertraute Gefühl der Angst einstellte.

Falls – sie korrigierte sich – wenn sie es ihm sagte, wie würde er es wohl aufnehmen? Bitte lass es ihn so aufnehmen, wie ich es mir wünsche! Bitte! Das stille, verzweifelte Gebet stellte sich ganz automatisch ein.

Aber war das überhaupt realistisch? Akribisch durchleuchtete sie ihre Situation und versuchte, sich alle positiven Argumente wie die Perlen einer Kette zurechtzulegen.

War sie nicht um einiges länger seine Geliebte als all die anderen Frauen zuvor? Das muss doch ein gutes Zeichen sein, oder? machte sie sich selbst Mut.

Xander Anaketos blieb nie sehr lange bei einer Frau. Das hatte sie gewusst, bevor sie sich in dieser schicksalhaften Nacht in die lange Liste seiner Geliebten eingereiht hatte. Aber aus unerklärlichen Gründen kümmerte es sie nicht. Clare wollte diese Zeit genießen, selbst wenn es nur sechs Monate dauern sollte. Dass dieser Zeitraum eine Tatsache war, wurde ihr von einer der verlässlichsten Quellen mitgeteilt: ihrer Vorgängerin. Aimee Decords Warnung war unverblümt. Zwar war sie betrunken gewesen, aber man merkte es ihr kaum an. Außer vielleicht an ihrem weichen, schwingenden Gang und an ihrem dunklen, wunderschönen, aber rätselhaften Blick.

„Genieße ihn, chérie“, hatte sie zu Clare gesagt und noch einmal an ihrem stets gefüllten Champagnerglas genippt. „Bis Weihnachten bist du sowieso abgemeldet.“ Mit einem Hauch von Mitgefühl, gemischt mit Niedertracht, lächelte sie. Aber noch etwas an ihrem Ausdruck ließ Clare frösteln: Sie sah die ungestillte und verzweifelte Sehnsucht in ihrem Blick …

Doch Aimee Decord hatte sich getäuscht. Clare war nicht an Weihnachten abgemeldet gewesen. Das Gegenteil war der Fall: Sie hatte die Feiertage sogar mit Xander in Davos beim Skifahren verbracht und die letzten beiden Januarwochen in der Karibik und Ostern in Paris.

Darauf folgte eine Tour durch Nordamerika über New York, Chicago, San Francisco, Vancouver und Toronto – es war hektisch, denn ein Geschäftstermin jagte den nächsten. Dann ging es zurück nach Europa, wieder ein kurzer Aufenthalt in Paris, dann Genf, Mailand, noch ein Kurztrip in die Karibik und zurück nach London.

Sechs Monate ging das so. Neun Monate. Fast ein ganzes Jahr. So ziemlich genau ein Jahr.

Clare wusste auf den Tag, ja, auf die Nacht genau, dass in drei Wochen ihr Jahrestag war. Und bis dahin würden sie, so Gott wollte, viel mehr zu feiern haben als die Tatsache, dass sie nun ein Jahr zusammen waren.

Nervös wanderte sie hin und her. Immer wieder überlegte sie, was alles passieren konnte.

Dass sie beinahe doppelt so lang Xanders Geliebte war wie die Frauen vor ihr, machte ihr Hoffnung. Wie auch der Umstand, dass er ihr nie – wie den anderen – eine Wohnung angemietet hatte. Stattdessen sollte sie ihn auf seinen ständigen Reisen begleiten, die seine komplizierten Geschäfte in der geheimnisvollen Welt der internationalen Finanzen mit sich brachten. Clare wusste nichts darüber, und sie erkundigte sich auch nicht. Denn eins hatte sie relativ schnell gelernt: Wenn Xander sich einmal von seiner Arbeit loseisen konnte, wollte er nicht noch über sie reden.

Und dann war da noch eine Sache. Sie hatte sich erst kürzlich zugetragen, und Clare klammerte sich voller verzweifelter Hoffnung daran.

Als sie sich vor etwa vierzehn Tagen das letzte Mal geliebt hatten, war es irgendwie anders gewesen. Sie hatte es gewusst, hatte es gespürt. Zuerst dachte sie, es hätte nur an ihr gelegen. Bis ihr mit voller Wucht bewusst geworden war, welche Gefühle sie bewegten. Diese Erkenntnis war so unerwartet über sie hereingebrochen, dass sie total aufgeregt war.

Aber es lag nicht nur an ihr; auch Xander war anders gewesen. Er war genauso leidenschaftlich wie immer. Genau so unersättlich in seinen Wünschen und Bedürfnissen, und er setzte wie immer alles daran, ihre körperlichen Bedürfnisse und Wünsche zu erfüllen. Aber irgendetwas hatte sich verändert. War es tiefer, inniger geworden? Oder lag es daran, dass er sie zehn Tage lang nicht gesehen hatte?

Nach dieser schier endlos scheinenden Zeit kam er durch die Tür, warf seinen Aktenkoffer zur Seite und schloss sie in seine Arme. Geschwind hob er sie hoch und trug sie zu seinem Bett. Währenddessen entkleidete er sie und brachte sie mit seinen Küssen um den Verstand. Es waren die hungrigen Küsse eines Mannes, der sich nach ihr sehnte, der sie besitzen wollte. Unbeherrscht und sinnlich!

Beide gaben sich dem heißen Feuer der Leidenschaft hin, das in ihnen aufloderte. Doch danach … Clare schloss die Augen. Die Erinnerung daran ließ sie wohlig erschauern.

Ganz nah hatte er sie an sich gezogen. Seine Finger spielten mit ihrem Haar, und er presste sie eng an seine Schulter. Sie hatte das aufgeregte Klopfen seines Herzens gespürt. Gefühlt, wie ihr eigenes darauf reagierte.

Er hatte ihr etwas auf Griechisch zugeflüstert und war danach verstummt. An ihn geschmiegt lag sie da. Sie war innerlich ganz aufgewühlt, als er ihr Gesicht mit beiden Händen umfasste. Erwartungsvoll blickte sie zu ihm auf.

In sein Gesicht. In das Gesicht, das ihr so vertraut war. Sie kannte jede Linie, jeden Zug, jede einzelne Wimper, jedes Grübchen an seinem formvollendeten, ausdrucksstarken Mund. Er sah sie aus seinen dunklen, mitternachtsblauen Augen an, und sein Blick ließ ihr Herz schneller schlagen.

Wieder sagte er etwas auf Griechisch. Sie wusste nicht, was es bedeutete – es war ihr egal. Gebannt sah sie ihn an.

Es war dieser Blick, lang und endlos, an den sie sich nun klammerte und der mehr als tausend Worte sagte. Er war zu einem Sinnbild für ihre Hoffnung geworden, dass ihr Schicksal sich zum Besten wenden würde.

Er macht sich etwas aus mir, das weiß ich, redete sie sich ein. Er tut das alles nicht nur aus Rücksicht auf mich oder weil er mein Liebhaber ist. Es ist nicht nur die übliche Aufmerksamkeit eines Mannes seiner Geliebten gegenüber. Es ist mehr als das.

Wie viel mehr, das wusste sie nicht. Aber sie war sicher, dass sie etwas gespürt hatte. Und genau das machte ihr jetzt Mut.

Dieses Gefühl durfte sie sich nur nicht zu Kopf steigen lassen und voreilig handeln. Jetzt war es wichtig, dass alles seinen Gang ging und sich entwickeln konnte.

Clare hielt inne und hob unbewusst die Hand an ihren Bauch. Sie musste sich zusammenreißen, weil sehr viel davon abhing.

Wenn ich ihm etwas bedeute, wird alles gut, sagte sie sich. Es wird alles gut.

Aber was, wenn nicht? Clare zitterte leicht.

Zu viel lag nun an seiner Reaktion. Ihr ganzes Leben hing davon ab. Ihre ganze Zukunft.

Und nicht nur ihre.

Wieder strich sie mit einer instinktiven Geste, die so alt war wie die Zeit, über ihren Bauch.

„Es wird alles gut“, flüsterte sie.

Clare ging in die Küche, um sich eine Tasse Kräutertee zu machen. Diese große, moderne Küche verschlug ihr immer noch den Atem. Wie die ganze Wohnung. Aber das galt ja auch für Xanders Wohnung in Paris und die in Manhattan.

Dass er kein festes Zuhause hatte, fand sie sonderbar.

Andererseits hatte sie ja auch keins. Seit ihr Vater vor zwei Jahren gestorben war, nicht mehr. Ihre Eltern waren beide so jung von ihr gegangen. Als sie dreizehn Jahre alt gewesen war, war ihre Mutter gestorben. Diese Tragödie hatte Clare und ihren Vater, einen Lehrer, sehr eng zusammengeschweißt. Als sie dann zwanzig war, verlor ihr Vater den hoffnungslosen Kampf gegen den Krebs, der ihn jahrelang gequält hatte. Sie war am Boden zerstört gewesen.

Diese Erlebnisse hatten sie tief getroffen. Als die Krankheit ihres Vaters rund um die Uhr Pflege erforderte, hatte sie selbstverständlich ihr Studium aufgegeben, aber nach seinem Tod hatte sie völlig alleine dagestanden. Sie ging zwar zurück aufs College, doch sie war nicht mit dem Herzen dabei.

Schließlich war sie nach London gezogen, weil die Anonymität der Großstadt ihr besser behagte – sie war weit weg von alledem, was ihr so wehtat. Dieses ungezwungene Kommen und Gehen der Stadt, in der es nur so von Menschen wimmelte, die ihr nichts bedeuteten, tat ihr gut. Sie hielt sich mit Aushilfsjobs über Wasser. Nach dem Tod ihres Vaters – eine traumatische Erfahrung für Clare – hatte sie ihre Gefühle vollständig auf Eis gelegt.

Dann plötzlich waren ihre Gefühle wieder zum Leben erwacht. Es kam völlig unerwartet. Diese Gefühle waren intensiv und erschreckend lebendig.

In allen Einzelheiten konnte sie sich an den Moment erinnern, da sie Xander zum ersten Mal gesehen hatte.

Clare war von der Zeitarbeitsfirma, für die sie arbeitete, als Ersatz für eine kranke Empfangsdame eingesetzt worden. Sie saß gerade an dem eleganten, modernen Empfang, als ein paar Männer hereinkamen. Ganz automatisch hatte sie zu ihnen hinübergeschaut – und war wie vom Blitz getroffen.

In der Mitte der Gruppe entdeckte sie den faszinierendsten Mann, den sie je gesehen hatte. Sie konnte den Blick kaum von ihm abwenden.

Er war groß, sicher an die ein Meter achtzig, und sehr schlank. Sein feiner Anzug saß wie angegossen. Er sah sehr elegant darin aus … Einfach umwerfend. Dabei war das erst die Spitze des Eisbergs. Sie hatte kaum Zeit, alles in sich aufzunehmen: das volle schwarze Haar, die gebräunte Haut eines Südländers, die überwältigend attraktiven Gesichtszüge.

Autor

Julia James
Julia James lebt in England. Als Teenager las sie die Bücher von Mills & Boon und kam zum ersten Mal in Berührung mit Georgette Heyer und Daphne du Maurier. Seitdem ist sie ihnen verfallen. Sie liebt die englische Countryside mit ihren Cottages und altehrwürdigen Schlössern aus den unterschiedlichsten historischen Perioden...
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