Risiko!

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Der Hauptpreis geht an Sydney und Ray, die kurzerhand beschließen, den Rest der Clique mit auf Kreuzfahrt zu nehmen. Das erotische Spiel geht weiter, und als die Truppe vor einem Traumstrand kentert, sieht Ray seine Chance gekommen: In der abgeschiedenen Lagune will er die kühle Schönheit Sydney - Spitzname Eisprinzessin - zum Schmelzen bringen ...


  • Erscheinungstag 10.12.2012
  • ISBN / Artikelnummer 9783955760786
  • Seitenanzahl 192
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Alison Kent

Weiber after Work – Risiko!

Roman

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MIRA® TASCHENBUCH

MIRA® TASCHENBÜCHER

erscheinen in der Harlequin Enterprises GmbH,

Valentinskamp 24, 20354 Hamburg

Geschäftsführer: Thomas Beckmann

Copyright dieses eBooks © 2012 by MIRA Taschenbuch
in der Harlequin Enterprises GmbH

Titel der nordamerikanischen Originalausgabe:

Bound to happen

Copyright © 2002 by Mica Stone

erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto

Übersetzt von: Sabine Stiz-Schilasky

Published by arrangement with

HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner gmbh, Köln

Umschlaggestaltung: pecher und soiron, Köln

Titelabbildung: Corbis GmbH, Düsseldorf

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

ISBN eBook 978-3-95576-078-6

www.mira-taschenbuch.de

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eBook-Herstellung und Auslieferung:
readbox publishing, Dortmund

www.readbox.net

1. KAPITEL

Wäre diese Welt perfekt, hätte Sydney Ford sich den wunderbarsten Sommerurlaub aller Zeiten gegönnt. Sie träumte immer schon davon, einmal mit dem Zug durch die Staaten zu reisen. Wenn es nach ihr gegangen wäre, würde sie sich die tollsten Frühstückspensionen buchen und sich ihre Reisegefährtin selbst aussuchen. Sie sehnte sich nach einer Woche echter Entspannung mit einer ihrer besten Freundinnen.

Ja, Sydney hätte es sich im Urlaub einmal so richtig gut gehen lassen.

Aber diese Welt war nicht perfekt, und deshalb war dieser Urlaub auf dem besten Wege, alles andere als wunderbar zu werden. Und das Schlimmste war, dass sie selbst schuld daran war.

Vor ein paar Monaten hatte sie die wahnsinnige Idee gehabt, eine Segeltour auf der Yacht ihres Vaters als Preis bei einer Schnitzeljagd anzubieten. Macy Webb, die Redakteurin der Internetkolumne von gIRL-gEAR hatte sich diese Schnitzeljagd der etwas anderen Art ausgedacht und Sydney und die anderen als Testtruppe verpflichtet. Da die männlichen Testpersonen damals wenig begeistert gewesen waren, hatte sie geglaubt, eine Woche auf der “Indiscreet” wäre ein zusätzlicher Anreiz.

Und so war es tatsächlich. Wem konnte sie also jetzt einen Vorwurf machen außer sich selbst?

Gewonnen hatte Ray Coffey, ein gemeinsamer Freund.

Und jetzt war Sydney also hier, gestrandet auf einer Karibikinsel. Aber wenigstens beging sie nicht auch noch den Fehler, sich lauthals zu beklagen. Sie wollte vor den anderen schließlich nicht als “armes reiches Mädchen” dastehen.

Denn welche normale, erfolgreiche und alleinstehende Geschäftsfrau würde sich nicht freuen, wenn sie auf einer Karibikinsel strandete. Noch dazu auf einer Privatinsel mit einer Villa am Meer, Personal und vier äußerst attraktiven Männern.

Ich, ich, ich, hätte Sydney am liebsten geschrien. Stattdessen hockte sie sich mit einem Seufzer auf die breite Verandabrüstung der Villa. Eine sanfte Abendbrise wehte den Salzgeruch des Meeres herauf und ließ ihr Haar flattern.

Der Sonnenuntergang war atemberaubend – wie alle Sonnenuntergänge, die sie hier erlebt hatte. Heute Abend zogen hauchfeine Wolken über den Himmel, vom letzten Sonnenlicht in die verschiedensten Pastelltöne getaucht. Sydney erinnerte sich aber auch an Sonnenuntergänge, bei denen der Horizont einem Flammenmeer glich, was nicht minder beeindruckend war.

Der Strand unterhalb der Villa war weiß und feinsandig. Und erst das Meer! Tiefblau mit einer kaum wahrnehmbaren Nuance von Grün. Solche Farben fand man nirgendwo sonst, schon gar nicht an der texanischen Golfküste.

Trotzdem waren Himmel, Sand und Wasser unspektakulär, verglichen mit den drei Männern, die am Strand standen und aufs Meer hinausblickten. Nun ja, wahrscheinlich blickten sie weniger aufs Meer als auf den schnittigen Katamaran, der wenige Meilen von der Küste entfernt über die Wellen glitt.

Alle drei waren recht ähnlich gekleidet. Doug Storey trug mattgrüne Segelshorts mit weiß-grauem Hibiskusaufdruck. Anton Nevilles Bermudas hatten dieselbe Länge, waren allerdings in Türkis und Rot gehalten. Doug und Anton waren beide groß und athletisch und hatten das breite Kreuz eines Schwimmers. Antons blonde Locken waren ziemlich kurz geschnitten, während Dougs dunkelblondes, nur leicht gewelltes Haar etwas länger war. Selbst auf diese Entfernung sah es genau wie die Sorte Haar aus, in das jede Frau gern ihre Finger vergraben würde. Das heißt, jede außer Sydney.

Sie interessierte sich eigentlich nur für den dritten Mann am Meer – Ray Coffey. Ray war groß und sagenhaft gut gebaut. Seine leuchtend gelben Bermudas mit dem schwarzen Tunnelgürtel lieferten den perfekten Kontrast zu seinem dunklen Teint. Er hatte jadegrüne Augen und dichtes, fast schwarzes Haar.

Sydney wurde schmerzlich bewusst, wie viel Zeit doch vergangen war, seit sie das letzte Mal mit den Fingern durch die dunklen Strähnen gefahren war. Ob sich das heute anders anfühlte als damals? Und was mochte sich seither sonst noch verändert haben?

Sie zog die Knie an die Brust. Dabei glitt der fließende Stoff ihres braun-gold gemusterten Sarongs auseinander und verfing sich in den vielen Rankpflanzen, die die Mauer heraufwuchsen.

In dieser Haltung waren nicht nur ihre Beine entblößt, man sah sogar ihre zartgelbe Bikinihose. Weniger leuchtend zwar als Rays Bermudas. Aber immerhin ebenfalls gelb. Der Umstand, dass sie beide die gleiche Farbe trugen, schien Sydney in diesem Moment extrem bedeutungsschwanger. Das war umso sonderbarer, als sie normalerweise durch und durch praktisch veranlagt war und nichts auf nebulöse Zeichen und dergleichen gab.

Sydney bewunderte ungeniert Rays breite Schultern, als er sich plötzlich zur Seite wandte. Schlagartig stockte ihr der Atem. Sie hatte schon befürchtet, dass sie so reagieren würde. Dennoch hatte sie bis heute keine logische Erklärung gefunden, warum ihr Körper bei diesem Mann regelmäßig verrücktspielte.

Es musste an der Insel liegen. Sonnenuntergänge in der Karibik beflügelten jedermanns – und jeder Frau – Sinnlichkeit.

Die männliche Anatomie war Sydney nicht fremd. Genau genommen war ihr nicht einmal Rays spezielle Anatomie fremd. Allerdings waren acht Jahre vergangen, seit sie ihn zuletzt richtig berührt hatte. Und in diesen acht Jahren waren die Muskeln seiner Brust und seiner Schultern sichtbar gewachsen. Sein Bauch war jedoch noch genauso flach und fest, wie sie ihn in Erinnerung hatte.

Im Laufe der Zeit waren die seidigen Haarwirbel, die sich von seinem Nabel abwärts zogen, ein wenig üppiger geworden, was gewiss auch für den Bereich galt, der in den Bermudas verschwand. Sydneys Blick wanderte immer weiter hinab, bis sie bei der beachtlichen Wölbung ein Stück unterhalb des Hosenbundes angekommen war.

Sie atmete einmal tief durch, weil ihr Herz beunruhigend in ihrer Brust hämmerte. Dann streckte sie die Beine aus und lehnte sich mit dem Rücken an einen der Pfosten, die zum ersten Stock hinaufführten.

Ein verdächtiges Kribbeln regte sich in ihrem Bauch. Sydney raffte ihren Sarong wieder zusammen und strich ihn mit den Händen glatt. Doch schon die Berührung durch ihre eigenen Hände reichte aus, um ihre Unruhe und das seltsame Verlangen, das sie durchfuhr, noch zu steigern.

Seit Ray vor einer Weile wieder in ihr Leben getreten war, waren Verwirrung und Nervosität bei ihr beinahe zum Normalzustand geworden. Da sie diese Gefühle überhaupt nicht schätzte, musste sie dringend etwas dagegen unternehmen, dass sie bei dem Gedanken an ihn – und erst recht bei seinem Anblick – sofort in höchste Erregung geriet.

Und diese Woche eignete sich hervorragend dafür, ihre Gefühle auf den Prüfstand zu stellen. Sie war fest entschlossen, in den nächsten Tagen Klarheit zu gewinnen. Und dann konnte sie ihn sich endlich aus dem Kopf schlagen. Für immer.

Sie konnte es sich nicht leisten, ihrem ersten High-School-Schwarm weiterhin derart verfallen zu sein. Ihre Tagträume hatten in letzter Zeit bedrohliche Formen angenommen und längst die Grenze zur erotischen Fantasie überschritten. Wenn das so weiterging, würde ihre Arbeit in ernste Mitleidenschaft gezogen werden.

Keine Beziehung, ob sie nun ihrer Fantasie entsprang oder aus der Vergangenheit wieder auferstand, durfte je Einfluss auf ihre geschäftlichen oder persönlichen Entscheidungen haben. Immerhin hatte sie erst unlängst bei ihrem eigenen Vater sehen müssen, wohin das führte.

Sydney wollte nie so weit sinken, dass ihre Loyalität gegenüber ihrem Job, ihren Freunden oder auch ihr selbst litt. Sie war bereit, alles zu tun, alles, um das zu vermeiden. Und dazu gehörte, die Geschichte mit Ray Coffey zu klären, denn er lenkte sie gefährlich von dem ab, was ihr im Leben wichtig war. Also sollte sie baldmöglichst zu der Einsicht kommen, dass er nicht der fantastische Liebhaber war, zu dem ihre Erinnerung und ihre Einbildungskraft ihn gegenwärtig verklärten. Und das war wiederum nur auf einem Wege möglich – indem sie ihn verführte und, hoffentlich, enttäuscht wurde.

Die Reise sollte ursprünglich anderthalb Wochen dauern. Die Yacht “Indiscreet” lag in Belize City, wo Sydneys Vater sie für den baldigen Verkauf vorbereiten ließ. Ray hatte mit der Zweimanncrew vereinbart, dass die Route durch die westliche Karibik verlaufen sollte, entlang des Korallenriffs vor der Küste von Belize. Für die Rückreise hatte er zwei Stopps auf Jamaika und den Kaimaninseln eingeplant.

Sein Gewinn beinhaltete außerdem die freie Wahl seiner Reisegefährten. Ray hatte Anton und Doug eingeladen, weil er mit ihrem Architektenbüro Neville & Storey gerade in Verhandlungen stand. Des Weiteren hatte er Jess Morgan dazugebeten. Diese drei, und noch zwei weitere Männer, gehörten zu Rays engsten Freunden, mit denen er in seiner Freizeit Fußball spielte.

Als er Sydney bat, mit ihnen zu reisen, war sie sofort Feuer und Flamme gewesen – wegen des Segelns natürlich. Früher war sie viel und gern mit ihrem Vater Nolan gesegelt, doch hatte sie sich vor einem Jahr mit ihm überworfen und seither keinen Fuß mehr an Deck gesetzt.

Selbstverständlich reizte sie auch die Aussicht, über eine Woche mit Ray auf der “Indiscreet” zu verbringen. Hier musste sie notgedrungen herausfinden, wie viel an ihren Tagträumen dran war. Schließlich konnte man sich auf einem Boot schlecht aus dem Weg gehen.

Also hatte sie zugesagt, unter drei Bedingungen. Und diese drei Bedingungen hatte sie anschließend eingeladen.

Für Annabel Lee hatte sie sich entschieden, weil die sechs Partnerinnen von gIRL-gEAR einige Veränderungen in der Unternehmensstruktur erwogen. Und Annabel, die von allen “Poe” genannt wurde, war derzeit als Nachfolgerin von Chloe Zuniga im Gespräch. Chloe wollte sich in Zukunft einem neuen Förderprogramm widmen, das bald unter dem Namen gUIDANCE gIRL in Kraft treten sollte. Als Neubesetzung für ihre Stelle als Leiterin des Bereiches “Kosmetik und Accessoires” hatte sie Poe vorgeschlagen.

Poe hatte sich in Lichtgeschwindigkeit nach oben gearbeitet, stand dafür aber bei vielen in dem Ruf, ein Feuer speiender Drache zu sein. Zwar hatte Chloe sich alle Mühe gegeben, dieses Vorurteil bei den anderen auszumerzen, doch Sydney hielt es für das Beste, Poe außerhalb des Büroalltags kennenzulernen, um sich selbst ein Bild von ihr zu machen. Ein paar Gespräche von Frau zu Frau gaben bekanntlich mehr her als die tollsten Referenzen.

Lauren Hollister hatte Sydney aus zwei Gründen eingeladen – einem offensichtlichen und einem persönlichen. Der offensichtliche war der, dass Ray Anton Neville mitnahm. Nach über einem Jahr hatten Anton und Lauren sich kürzlich getrennt, und all ihre Freunde waren einhellig der Meinung, dass diese Trennung keinem von beiden guttat.

Natürlich wusste Sydney, dass Kuppeleien ziemlich leicht nach hinten losgehen konnten, aber in diesem Fall musste sie das Risiko eingehen. Lauren war immerhin eine ihrer Partnerinnen bei gIRL-gEAR, und deshalb ging es hier auch um das Wohl der Firma. Lauren war in letzter Zeit kaum noch bei der Sache gewesen. Ihr Elan und ihre berühmte Konzentrationsfähigkeit schienen ihr vor lauter Liebeskummer abhanden gekommen zu sein.

Der persönliche Grund für die Einladung Laurens war der, dass sie seit Neuestem häufiger mit Nolan zusammen war. Die aufkeimende Freundschaft zwischen ihrer Freundin und ihrem Vater beunruhigte Sydney. Sie mochte zwar eine Riesenwut auf Nolan haben, doch sie liebte ihn und wusste, dass eine kreative, sprunghafte Frau das Letzte war, was er in seinem Leben gebrauchen konnte. Darüber hinaus widerstrebte ihr die Vorstellung, Lauren und ihr Vater könnten eine heiße Affäre haben.

Als vierte Frau an Bord hatte sie Kinsey Gray ausgewählt, eine verteufelt gute Marketingexpertin, mit der sie in diversen Kursen an der University of Texas gesessen hatte. Heute hatte Kinsey die stellvertretende Leitung des Sport- und Partybekleidungsbereichs bei gIRL-gEAR unter sich und war berühmt für ihre treffsichere Intuition, wenn es um neue Trends ging. Kinsey ging oft recht unkonventionell an die Dinge heran, wodurch sie, wie Sydney hoffte, die vorprogrammierten Spannungen innerhalb der Reisegruppe auflockern könnte.

Und zu Spannungen kam es praktisch von der ersten Minute an.

Sie hatten nicht einmal zwölf Seemeilen zurückgelegt, als ein Problem mit der Hydraulik der Yacht auftrat. Andererseits konnten sie froh sein, dass die “Indiscreet” ausgerechnet an dieser Stelle den Geist aufgab. So konnten sie ihr Gepäck in das Beiboot verladen und ihre Ferien von der Yacht auf die Insel verlegen, denn passenderweise lagen sie direkt vor Coconut Caye, der Privatinsel von Sydneys Vater.

Sie hatten auf dem Zwölfmorgeneiland ohnehin einen Zwischenstopp geplant, und nun mussten sie eben die gesamte Zeit dort verbringen, während die Yacht zur Werft in Belize City zurückschipperte. Nein, eigentlich konnte sie sich nicht beklagen. Die Insel war für sie von jeher das Paradies auf Erden gewesen, und sie sollte die nächsten Tage genießen. Hier konnte sie sich ganz ihren Hobbys widmen: schwimmen, schnorcheln und sonnenbaden.

Sosehr sie sich auch am Morgen über den Ausfall der “Indiscreet” geärgert hatte, wenn sie es genau bedachte, konnte diese Abweichung vom Plan sogar von Vorteil sein. Auf der Insel ließ sich weit leichter ein ungestörtes Plätzchen finden als auf einer Yacht. Und das wiederum würde sie brauchen, wenn sie Ray verführen wollte. Insofern hatte der Verzicht auf eine schöne Segeltour doch noch sein Gutes.

Sie blickte wieder hinunter zum Strand, wo die drei Männer nun unter den Kokospalmen Frisbee spielten. Fasziniert schaute sie ihnen zu. Natürlich hätte sie ein Dutzend andere Dinge tun können, und Strandfrisbee war gewiss kein Spiel, das sie begeisterte. Aber im Moment war sie außerstande, ihre Augen von Ray abzuwenden.

Er sprang weit vor, um einen Wurf von Anton zu fangen. Dabei streckte er seinen durchtrainierten Körper, sodass Sydney seinen muskulösen Brustkorb bewundern konnte. Selbst auf diese Entfernung war die längliche Narbe deutlich zu sehen, die er sich zugezogen hatte, als er in der Karibik nach seinem seit drei Jahren vermissten Bruder suchte. Sydney fand, diese Narbe mit ihrer dazugehörigen Geschichte steigerte seine Attraktivität noch. Genüsslich beobachtete sie, wie die Frisbeescheibe durch Rays gespreizte Finger glitt und auf den Sand schlug.

Leugnen wäre sinnlos gewesen. Heiße und kalte Schauer liefen ihr über den Rücken, so heiß war sie auf ihn. Mit Ray würde sie gern Sachen ausprobieren, die sie sich mit anderen Männern nie trauen würde und die bisher nur in ihrer Fantasie vorkamen – dafür dort umso lebhafter.

Seit er im Herbst letzten Jahres nach Houston zurückgekehrt war, hatte Ray keinen Zweifel daran gelassen, dass er sich ebenso magisch von ihr angezogen fühlte wie sie sich von ihm. Anfangs hatte Sydney darüber gelacht, weil ihr erstes und einziges gemeinsames Erlebnis so lange her war. Damals waren sie beide sehr jung und sehr unschuldig gewesen.

In diesem Moment hörte sie Schritte. Poe kam zu ihr auf die Veranda. Sie trug schwarze Saronghosen und einen passenden Bikini, dessen Oberteil im Nacken gebunden war. In dieser Kombination, die nur das Allernötigste bedeckte, kamen ihre perfekten Kurven und die porzellanene Haut sehr gut zur Geltung. Aber irgendetwas stimmte nicht, denn sie wirkte regelrecht angewidert.

“Geht es dir gut?”, fragte Sydney vorsichtig.

“Wie meinst du das? Gesundheitlich, finanziell oder bezogen auf mein gegenwärtiges soziales Umfeld?”, konterte Poe mit einer Gegenfrage, wobei sie sich die Hände rieb, als wäre sie mit etwas Schmutzigem in Berührung gekommen.

Sydney kannte ihre theatralische Ader bereits und fand sie bisweilen recht witzig. “Letzteres natürlich.”

Poe zog eine Grimasse. Sie war halb Amerikanerin, halb Asiatin, hatte wunderschöne, fast schwarze Augen, die leicht mandelförmig waren, üppige dunkle Wimpern und seidig schimmerndes langes Haar.

“Zugegeben, ich hatte mich wirklich auf diesen Segeltörn gefreut, und deshalb sollte ich es vielleicht nicht so direkt sagen, aber”, sie fuhr sich mit den Fingern durchs Haar und hob das Kinn, “ich bin erleichtert, dass wir jetzt hier gestrandet sind. Mit all dem Ballast an Bord wären wir sowieso irgendwann gekentert und hätten allesamt ein jähes Ende auf dem Meeresgrund gefunden.”

“Ballast?”, fragte Sydney irritiert.

Poe zog die Augenbrauen hoch, als könnte sie nicht begreifen, was Sydney daran nicht verstand. “Ballast, ja! Du hast doch nicht allen Ernstes angenommen, dass die Achtzehnmeteryacht deines Vaters den ganzen Beziehungsmüll aushalten würde, den Lauren und Anton mit sich herumschleppen, oder? Mir kommen sogar Zweifel, ob diese Insel überhaupt die nötige Tragkraft aufbringt.”

Sydney fühlte sich sofort schuldig. Schließlich hatte sie dafür gesorgt, dass Lauren und Anton bei dieser Reise auf engstem Raum zusammen waren. Noch bevor die Segel vollständig gesetzt gewesen waren, hatten die beiden schon begonnen, sich verbal aufs Schärfste zu attackieren. Andererseits hatte Sydney nicht ahnen können, dass es so schlimm würde.

Aber sie hatte, wenn sie ehrlich war, genau gewusst, dass Anton und Poe in letzter Zeit öfter zusammen ausgegangen waren. Diese Tatsache hätte sie berücksichtigen müssen, als sie beide Frauen einlud. Wie konnte sie so naiv sein, zu glauben, dass die lockere Freundschaft zwischen Anton und Poe auch in Laurens Augen locker und harmlos war?

“Wo ist Lauren überhaupt?”, fragte sie.

Poe nickte kaum merklich mit dem Kopf Richtung Tür. “Sie ist mit Kinsey und Jess in der Küche. Wenn ich die drei richtig verstanden habe, wollen sie das Abendessen zubereiten.”

“Super. Ich bin kurz vorm Verhungern.”

Poe schien unentschlossen, ob sie ihrem Hunger so weit nachgeben wollte, dass sie sich den fragwürdigen Kochkünsten der drei anderen auslieferte. “Entschuldige, aber ich bin nicht ganz auf dem Laufenden. Wohin ist denn eigentlich das Personal verschwunden? Ich habe sie vorhin im Boot abfahren sehen.”

Sydney nickte und lächelte in sich hinein. Ab morgen müsste sich niemand von ihnen mehr um die Qualität der Verpflegung sorgen, so viel stand fest. “Das waren Auralie und Menga Duarte. Sie hatten uns nur für einen Tagesstopp erwartet. Deshalb sind sie aufs Festland rüber, um die Vorräte aufzustocken. Sie werden morgen Vormittag zurück sein.”

Mit einem Schwung ließ sie sich von der Verandabrüstung herab und fügte sich automatisch in die Rolle der Gastgeberin, die sie hier schon so oft für Nolan gespielt hatte. “Wart’s ab, bis du siehst, was Auralie aus ein paar Tomaten, geröstetem Huhn und schwarzen Bohnen zaubern kann. Sie ist unglaublich.”

Poe blickte auf ihren Bauch, in dem es hörbar zu grummeln anfing. “Schade, ich hatte gehofft, vor morgen feste Nahrung zu bekommen.”

“Also, ich kann zwar nichts zu Jess’ oder Laurens Talenten in der Küche sagen, aber Kinsey kocht gar nicht mal so schlecht. Und wenn wir uns beeilen, können wir ihr vielleicht helfen und das Risiko eines misslungenen Mahles minimieren.”

“Falls es dir nichts ausmacht, würde ich mich gern von der Küche fernhalten. Ich fürchte, ich stehe ganz oben auf Laurens Abschussliste.”

Sydney fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. Wie es aussah, hatte sie diesen Urlaub gründlich vermasselt. Wenn sie das totale Fiasko verhindern wollte, musste sie schnellstens die Friedensrichterin spielen – auch wenn sie sich wahrlich etwas Besseres vorstellen konnte, als ihren Jahresurlaub für Schlichtungsversuche zu opfern.

Manchmal wünschte sie, sie hätte weniger vom Verhandlungsgeschick ihres Vaters und dafür mehr von der unverblümt direkten Art ihrer Mutter geerbt. In diesem Moment ganz besonders. “Na gut, dann müssen wir eben auf die drei da unten vertrauen – ganz gleich, wie beängstigend der Gedanke sein mag.”

“Beängstigend ist schamlos untertrieben”, sagte Poe spitz.

“So schlimm wird es schon nicht werden.” Sydney richtete den Knoten ihres Sarongs. “Wenn doch, habe ich hier noch ein paar Sachen für schlechte Zeiten gebunkert.”

“Für zehn Tage?”

“Warum denn zehn Tage? Ich sagte doch, dass die Duartes morgen schon wieder da sind.”

Poe schüttelte den Kopf und stemmte die Hände in die Hüften. “Ich rede nicht vom Essen, sondern von der unerträglichen Spannung, die in der Luft liegt.”

Sydney hatte beinahe Mitleid mit ihr, weil sie tatsächlich mit den Nerven am Ende zu sein schien. “Du sprichst von den Spannungen zwischen Lauren und Anton.”

“Von denen zwischen Lauren und Anton und von denen zwischen Lauren und mir. Dies ist mein erster richtiger Urlaub seit Jahren, und ich bin nicht bereit, ihn mir ruinieren zu lassen, weil die beiden unausgegorene Geschichten aus ihrer Exbeziehung mit sich herumtragen.” Sie blickte hinunter zum Strand, wo die drei Männer immer noch Frisbee spielten.

Dann sah sie wieder Sydney an und zuckte mit den Achseln. “Anton und ich verstehen uns gut, sonst nichts. Aber wenn ich in Versuchung komme und unsere Bekanntschaft vertiefen möchte … Warum nicht? Was spricht für mich dagegen, von der verbotenen Frucht zu naschen? Schließlich ist er ein ziemlich scharfer Typ.”

Anton war zweifellos ein scharfer Typ. Das wusste Sydney auch. Trotzdem war sie sicher, dass Poe nicht wirklich eine Antwort auf ihre Frage haben wollte. “Ich denke, wir wissen beide, dass du Lauren nicht willentlich verletzen würdest.”

Poe schnaubte verächtlich. “Tja, leider kann man das umgekehrt von ihr nicht behaupten.”

“Lauren ist einfach überempfindlich, was Anton betrifft. Ich glaube kaum, dass sie etwas gegen dich persönlich hat.”

“Vielleicht sollte sie sich dann langsam mal entscheiden, was sie eigentlich will. Sie kann ihm nicht den Laufpass geben und gleichzeitig verlangen, dass er nie mehr eine andere Frau ansieht. Das ist nicht nur ihm gegenüber, sondern auch uns anderen Frauen gegenüber unfair. Ich meine, guck dir doch nur das da unten an.” Sie wies mit dem Kopf in Richtung der drei Männer am Strand. “Was siehst du?”

Was Sydney sah, war weit mehr, als Poe sich vorstellen konnte. Sie wusste ja selbst kaum, was davon tatsächlich der Wirklichkeit und was ihrer Einbildungskraft entsprang. Auf jeden Fall hatte sie nicht vor, irgendetwas davon preiszugeben – weder gegenüber Poe noch sonst jemandem. Ray gehörte ganz allein ihrer Fantasie, ebenso wie ihre Verführungspläne.

“Na ja, ich sehe einen wahnsinnig tropischen Sonnenuntergang. Ich sehe ein postkartenreifes Bild mit Palmen, Wasser und einem Strand, der so sauber ist, dass man von ihm essen kann. Aber ich habe das Gefühl, du meinst eher Anton, Doug und Ray.”

“Stimmt.” Poe kam näher und setzte sich auf die Verandabrüstung. “Drei absolut ideale Kandidaten für eine heiße Urlaubsaffäre.”

Einen hatte Sydney bereits für sich ausgesucht, und einen zweiten hatte sie anderweitig verplant. Damit blieben nur noch zwei für Poe. “Du hast Jess vergessen.”

Poe schüttelte den Kopf. “Nein, habe ich nicht. Ich weiß schließlich, dass Anton tabu ist. Und was die verbleibenden drei betrifft, werde ich mich schweren Herzens mit der Tatsache arrangieren, dass jede von uns nur einen abbekommen kann.”

“Wie überaus rücksichtsvoll von dir”, antwortete Sydney.

“Meine Rücksichtnahme geht allerdings nur bis zu einem gewissen Punkt. Sollte Lauren ihre Chance ungenutzt verstreichen lassen, werde ich meinen geballten Charme ins Feld führen, sowie wir wieder in den Staaten sind.”

“Dann müssen wir eben dafür sorgen, dass sie ihre Chance nutzt, nicht wahr?”

“Du willst nachhelfen?”, fragte Poe mit einem verschwörerischen Grinsen.

“Ich denke vielleicht darüber nach”, erwiderte Sydney betont beiläufig.

“Tu das. Und solange du nachdenkst, werde ich sie schon mal aus dem Schmollwinkel locken. Das hat sie nämlich bitter nötig.” Poe sprang von der Brüstung. “Irgendwas dagegen?”

Zu Hause in Houston hätte Sydney gewiss etwas dagegen gehabt. Aber hier, weit weg von der Firma? Nein, sie musste zugeben, dass ihr momentan jede Einmischung recht wäre. “Sei so gut und warne mich rechtzeitig vor, ja?”

Poe kicherte. “Das habe ich hiermit getan.”

“Okay.” Sydney hakte Poe unter. “Dann werde ich dir jetzt das Sonnendeck zeigen, solange noch ein Rest Tageslicht übrig ist. Ich kenne keinen schöneren Ort, um sich ungestört zu bräunen.”

Dass sie selbst am liebsten nackt in der Sonne lag, behielt sie jedoch für sich. Derlei persönliche Vorlieben gingen niemanden etwas an – auch wenn es einen Mann gab, der ihr diese Information hatte entlocken können.

Sie warf einen letzten Blick auf die drei männlichen Luxuskörper am Strand, wovon besonders der eine in ihr ein unbändiges Verlangen weckte. Doch zunächst sollte sie ans Abendessen denken. Danach konnte sie sich wieder ihren Verführungsplänen widmen.

Ray ließ die Frisbeescheibe auf der Spitze seines Zeigefingers kreisen und hörte nur mit einem halben Ohr dem Gespräch der beiden anderen zu. Sie redeten übers Geschäft, wie immer. Natürlich hatte er Sydney oben auf der Veranda längst bemerkt. Ihre endlos langen Beine waren entblößt, und dieser Umstand machte es ihm nicht eben leicht, sich auf irgendetwas anderes zu konzentrieren. Diese Frau hatte einen sagenhaften Körper, wie sollte eine Frisbeescheibe dagegen ankommen?

Als er den Segeltörn gewann, hatte er sofort gewusst, dass er Sydney dabeihaben wollte. Genau genommen hatte seine Fantasie bereits einen Monat zuvor begonnen, vollkommen verrücktzuspielen, nämlich in dem Moment, als sie dem Sieger der albernen Schnitzeljagd die Yacht ihres Vaters in Aussicht stellte. An jenem Abend hatte er sich fest vorgenommen zu gewinnen. Für eine Woche mit Sydney hätte er noch ganz andere Dinge getan.

Dann hatte er das Glück gehabt, ihr in diesem Spiel zugeteilt zu werden, was ihm an sich schon wie ein Hauptgewinn erschien. Seine Aufgabe bestand nämlich darin, ihr die persönlichsten Geheimnisse zu entlocken, und das hatte er schon immer tun wollen.

Zunächst hatte er vorgehabt, mit Sydney allein zu reisen. Nur sie, die Sonne, das Meer und er. Etwas Aufregenderes konnte er sich nicht vorstellen.

Doch dann hatte sich sein Verstand zurückgemeldet. Wenn er sich nichts Besseres vorstellen konnte, bedeutete das noch lange nicht, dass es ihr genauso ging. Dafür hatte er keinerlei Anhaltspunkte. Seit er nach fünf Jahren bei der Texas Task Force zur Feuerwehr nach Houston gewechselt war, hatten sie sich nur wenige Male gesehen. Und dabei war es ausschließlich um die Schnitzeljagd gegangen.

Darüber beklagte er sich nicht. Er hatte alle nötigen Informationen aus ihr herausgekitzelt, um diese Reise zu gewinnen. Und das Spiel hatte ihm ermöglicht, mehr Zeit mit Sydney allein zu verbringen als jemals zuvor – auch wenn sie dabei leider vollständig bekleidet geblieben waren.

Er bedauerte nur, dass es noch so viel gab, was er nach wie vor nicht über sie wusste. Aber das würde er schon noch herausfinden, bevor sie nach Texas zurückkehrten.

In der High School ging sie in die Klasse unter ihm, zusammen mit seinem Bruder Patrick. Trotzdem war sie irgendwie weiter, reifer gewesen als die Mädchen seines Jahrgangs, die Mädchen, mit denen er ausging. Sie wirkte sogar reifer als die Mädchen, die ihn während seines ersten Collegejahres unter ihre Fittiche genommen hatten.

Er hatte Vergleiche angestellt, was natürlich unsinnig gewesen war, da sein Erlebnis mit Sydney bis heute einmalig war und sie sich nur flüchtig kannten.

Doug und Anton redeten immer noch über ihre Pläne für eine Immobilie, die sie kürzlich erworben hatten. Und Ray tat so, als hörte er ihnen zu. Die Sonne war untergegangen, und es war zu dunkel, um weiterzuspielen. Außerdem sagte ihm seine innere Uhr, dass es Zeit fürs Abendessen wäre.

Er blickte hinauf zur Villa, wo Sydney sich inzwischen von der Verandabrüstung erhoben hatte.

Sie war relativ groß, gerade mal einen halben Kopf kleiner als er. Ihre Körper passten perfekt zusammen, oder zumindest taten sie es vor acht Jahren. Seither war er um einiges muskulöser und kräftiger geworden. Das lag an seiner Arbeit, für die er sich fit halten musste und entsprechend Sport trieb.

Sydneys Kurven waren mit den Jahren voller und weiblicher geworden. Aus dem vielversprechenden Teenager war eine atemberaubend schöne Frau geworden.

Das ärmellose gelbe Top schmiegte sich eng an ihre Brüste, und in seiner Fantasie strich Ray mit den Händen über den feinen Stoff und ertastete ihre Brustwarzen.

In diesem Augenblick hob sie die Arme, um sich durchs Haar zu fahren. Das Top rutschte ein Stück nach oben, und über dem hüfthoch gebundenen Sarong war ihr schöner flacher Bauch zu sehen. Ray unterdrückte ein Stöhnen. Dann drehte sie sich um und ging mit Poe ins Haus. Ray betrachtete genüsslich ihre schmale Taille, die er mit den Händen vollständig umfassen konnte. Der sanfte Schwung ihrer Hüften und die herrlichen Rundungen ihres Pos waren selbst auf diese Distanz beinahe zu viel für ihn.

Er packte die Frisbeescheibe, als müsste er sich daran festhalten, und atmete ein paar Mal tief durch. Es war unfassbar, welches unbändige Verlangen diese Frau in ihm wecken konnte.

Jene erste Nacht mit ihr war ein einmaliges Erlebnis geblieben. Ray war wieder aufs College gegangen, und Sydney hatte ihr Studium in Austin begonnen. Was zwischen ihnen gewesen war, hatte nicht lange genug gedauert, um als Affäre zu gelten. Andererseits wollte er es auch nicht als One-Night-Stand bezeichnen, denn das würde nicht rechtfertigen, warum er diese Stunden mit ihr in einem billigen Motel bis heute immer wieder in Gedanken durchlebte.

An diesem Abend waren sie ihm gegenwärtiger denn je. Seit sie auf der Insel angekommen waren, hatte Sydney von Mal zu Mal weniger an. Die Änderung des Reiseplans machte ihm nicht das Geringste aus, obwohl er sich monatelang auf den Segeltörn gefreut hatte. Wahrscheinlich war das der Beweis dafür, dass es ihm mehr um die Gesellschaft ging als ums Segeln an sich.

Lauren rief zum Essen, und Ray ging hinter Anton und Doug her zur Villa. Dabei nahm er sich fest vor, die Chance zu nutzen, die ihm dieser Urlaub bescherte. In den nächsten zehn Tagen konnte Sydney ihm nicht entkommen. Außerdem hatte er Sonne, Meer und Tropennächte auf seiner Seite. Wo sonst fand man ein perfekteres Ambiente für eine gelungene Verführung?

Ihm schwebte keineswegs ein “und sie lebten glücklich bis an ihr Lebensende” vor. Er wollte vor allem herausfinden, wie sie über jene Nacht vor acht Jahren dachte und ob sie immer noch so viel Spaß zusammen haben könnten wie damals.

Langfristig zu planen, verbot ihm sein Job. Tagtäglich war er Zeuge der fürchterlichsten Tragödien. Er sah Familien, die von einem Moment zum anderen durch die schrecklichsten Ereignisse auseinandergerissen und zerstört wurden. Noch dazu war seine eigene Familie ein Paradebeispiel dafür, welche irreparablen Schäden Unglücksfälle anrichten konnten. Das spurlose Verschwinden seines Bruders vor drei Jahren war für alle zu einer unerträglichen Bürde geworden.

Hinzu kam, dass Ray in seinem Beruf ständig Gefahren ausgesetzt war, die es ihm verboten, an eine feste Beziehung zu denken. Er konnte und wollte keiner Partnerin zumuten, mit dem Risiko zu leben, dass er von einem seiner Einsätze nicht mehr zurückkommen könnte. Erst recht nicht, seit ihm die Sache mit Patrick klargemacht hatte, welche Qualen die Hinterbliebenen litten.

Er wollte weder Sydney noch irgendeiner anderen Frau Versprechungen machen, die er nicht halten konnte. Also sollte er seine Gefühle heraushalten, wenn er die Zeit mit ihr hier genießen wollte. Und er war sich sicher, dass ihm das gelang.

Für Sydney war er der erste Liebhaber gewesen, was er seinerzeit gar nicht entsprechend gewürdigt hatte. Er war viel zu erregt gewesen, um ihre Entscheidung zu hinterfragen. Aber bevor sie die Insel wieder verließen, musste er endlich Klarheit über diese Nacht gewinnen. Er musste wissen, warum sie hinterher nicht auf seine Anrufe reagiert hatte und weshalb sie ihm seitdem nicht mehr aus dem Kopf ging.

Doch am brennendsten interessierte ihn, wieso sie ausgerechnet ihn ausgesucht hatte. Die anderen Jungen nannten sie damals “Eiskönigin”, weil sie so unnahbar wirkte. Sie hatte jeden von ihnen abblitzen lassen. Wie kam es, dass sie sich gerade ihm so bereitwillig hingegeben hatte?

Das erste Abendessen in der Villa auf Coconut Caye entwickelte sich zu einer der anstrengendsten Mahlzeiten, die Ray je durchgestanden hatte. Das Tischgespräch hatten die Männer mit Kinsey und Poe weitestgehend allein bestritten, und es kreiste um ein einziges Thema: misslungene Urlaube.

Alle sechs waren schon viel in der Weltgeschichte herumgereist und kannten daher jede Menge Geschichten von verschollenem Gepäck, Verwechslungen und danebengegangenen Reservierungen für Mietwagen und Hotelzimmer.

Lauren hatte bisher kein Wort gesagt und mied die Blicke der anderen, insbesondere Antons.

Und Sydneys wenige wortkarge Beiträge wirkten auffallend ernst und ein wenig verkrampft. Doch vielleicht bildete Ray sich das auch nur ein, weil sie ihm auswich. Wann immer er in ihre Richtung sah, ertappte er sie dabei, wie sie ihn anstarrte, dann aber sofort den Blick senkte.

Fasziniert betrachtete er die dichten Wimpern, die ihre Augen umschatteten, und die Art, wie sie kaum merklich den Mund öffnete. Sie hatte sich auf dem Stuhl zurückgelehnt. Das obere ihrer übergeschlagenen Beine wippte leicht auf und ab, wobei der Sarong aufschwang und einen Teil ihrer Schenkel freigab.

Ray wusste nicht, ob er sich über ihr ausweichendes Verhalten amüsieren oder ärgern sollte. Auf jeden Fall machte ihn das nur noch heißer. Ihre Nähe erregte ihn, seit er sich ihr zum ersten Mal vorgestellt hatte – vor acht Jahren im Garten von Boom Daily, unter einer alten Eiche.

Sydney Ford war und blieb ihm ein Rätsel. Was er über sie gehört hatte, als sie mit seinem Bruder zusammen zur Schule gegangen war, wollte einfach nicht zu dem passen, was ihm ihr Vater unlängst über sie gesagt hatte. Und es wollte erst recht nicht zu der Geschäftsführerin von gIRL-gEAR passen, die in dem Ruf stand, eine hervorragende, aber unerbittliche Verhandlungspartnerin zu sein.

Er fragte sich, ob die nächsten Tage ausreichen würden, um seine Neugier zu befriedigen und eine logische Erklärung für die Widersprüche zu finden. An ihm sollte es jedenfalls nicht scheitern, denn er würde sein Bestes geben.

Mit diesem Entschluss zwang er sich, seine Aufmerksamkeit wieder den anderen zuzuwenden. Die meisten waren inzwischen fertig mit dem Abendessen, das aus gegrillten Steaks und Salat bestanden hatte.

Kinsey hatte offenbar keine Probleme, die Blicke der anderen zu suchen und ihnen standzuhalten, und Poe hatte sie sogar noch übertroffen, indem sie beim Abräumen des Tisches, wie zufällig, auf Tuchfühlung ging. Als Ersten erwischte es Doug, über dessen Schulter sie sich beugte, um nach einer leeren Schüssel zu langen.

Er hatte sich ein ärmelloses T-Shirt übergezogen, bevor er zum Essen gekommen war. Poe, immer noch im schwarzen Bikinitop, streifte mit der Brust Dougs Schulter, woraufhin ihm beinahe die Augen aus dem Kopf fielen. Sie schien nicht im Mindesten irritiert, und Ray hätte nicht sagen können, ob sie Doug absichtlich oder aus Versehen berührt hatte.

Dann stand sie da, die Salatschüssel auf eine Hüfte gestützt, und sah sich im Raum um. Ihr Gesichtsausdruck verhieß nichts Gutes. Sie hatte eine Augenbraue hochgezogen, und um ihren Mund spielte ein provokanter Zug. Ray beugte sich vor und spielte mit seinem Besteck. Lächelnd wartete er ab, was sie vorhatte. Und er musste nicht lange warten.

“Liegt es eigentlich an mir”, begann sie und musterte einen nach dem anderen mit funkelnden Augen, “oder habt ihr auch das Gefühl, dass hier eine ungesunde sexuelle Spannung in der Luft liegt?”

Mehrere Sekunden lang herrschte tiefes Schweigen, bis Doug in schallendes Gelächter ausbrach. Anton lachte ebenfalls, allerdings hinter vorgehaltener Hand. Das wiederum brachte Lauren dazu, vor Wut zu kochen. Sydney hatte die Arme vor der Brust verschränkt und bemühte sich verzweifelt um ein ernstes Gesicht.

Ray lehnte sich gelassen zurück und beäugte die ganze Szene amüsiert.

“Na ja, auf jeden Fall habe ich den Eindruck, dass es etwas mit Sex zu tun hat”, erklärte Poe und sammelte das Geschirr ein. “Vielleicht irre ich mich, aber ich denke, die Fakten sprechen für sich.”

“Und welche Fakten wären das?”, fragte Kinsey und knuffte Jess in die Seite, als er sich zu ihr hinüberbeugte und begann, ihr ins Ohr zu hauchen. “Hör auf damit! Wenn mir kalt ist, sag ich dir Bescheid.”

Autor

Alison Kent

Leidenschaftlich gern gelesen hat Alison Kent schon immer, ihre Lust am Schreiben entdeckte sie erst als Dreißigjährige. Mittlerweile hat sie bereits zahlreiche Romane verfasst, denen die Romantic Times „Leidenschaft, Sinnlichkeit und dunkle Faszination“ bescheinigt. Mit ihren prickelnden Liebesgeschichten und den spannenden Thrillern schrieb sich Alison Kent auf Anhieb in die...

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