Riskantes Spiel mit der Versuchung

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Amelia Kennedy träumt von der perfekten Hochzeit. Natürlich mit dem perfekten Mann. Doch aus einer verrückten Laune heraus heiratet sie spontan ihren besten Freund Tyler in Las Vegas. Nicht so schlimm, man kann sich ja wieder scheiden lassen … Könnte man, wenn Tyler nicht seine Unterschrift verweigern würde. Trotz ihrer Freundschaft glaubt Amelia nicht an eine Zukunft mit dem Selfmade-Millionär. Aber sie gibt ihm eine Chance: Einen Monat lang darf er versuchen, sie von seinen Liebhaber-Qualitäten zu überzeugen …


  • Erscheinungstag 07.03.2017
  • Bandnummer 1967
  • ISBN / Artikelnummer 9783733723637
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

„Wollen wir abhauen?“

Amelia Kennedy drehte sich um und sah in die eisblauen Augen ihres besten Freundes Tyler Dixon. Natürlich war er es, der sie rettete. „Ja, bitte.“ Sie stand von der Festtafel auf, nahm seine Hand und folgte ihm erleichtert aus dem Ballsaal, durchs Casino und hinaus zu den funkelnden Lichtern des Las Vegas Strip.

Sie fühlte sich schon besser, als sie die kühle Wüstenluft einatmete. Warum hatte sie nur geglaubt, dass ihr das Klassentreffen Spaß machen würde? Nichts als Leute, die sie noch nie gemocht hatte und die damit angaben, wie toll ihr Leben war. Eigentlich war ihr egal, was andere aus sich gemacht hatten, aber irgendwie hatte deren Wichtigtuerei dafür gesorgt, dass Amelia mit ihren eigenen Leistungen unzufrieden war.

Das war wirklich lächerlich. Sie war Mitbesitzerin einer Firma und sehr erfolgreich, aber ohne Ehering am Finger und Kinderfotos auf dem Handy war sie heute Abend die Ausnahme. Diese Reise war eine Verschwendung ihrer kostbaren Urlaubstage.

Na ja, nicht ganz. Sie hatte sich dafür gelohnt, Tyler zu sehen. Sie waren seit der neunten Klasse beste Freunde, aber in letzter Zeit beide so beschäftigt, dass sie es höchstens einmal im Jahr schafften, sich zu treffen. Das Klassentreffen war ihr deshalb wie eine gute Gelegenheit erschienen.

Hand in Hand schlenderten sie ziellos den Bürgersteig entlang. Es spielte keine Rolle, wohin sie gingen. Jeder Schritt, den sie zwischen sich und das Klassentreffen brachten, verbesserte Amelias Laune. Entweder das oder – nach ihren weichen Knien zu urteilen – der Tequila begann endlich zu wirken. Ein leises Grollen ließ sie aufhorchen, und sie blieben vor dem Mirage stehen, um sich den Ausbruch des künstlichen Vulkans anzusehen.

Sie lehnten sich ans Geländer. Amelia lehnte den Kopf an Tylers Schulter und seufzte zufrieden. Sie hatte ihn wirklich vermisst. Mit Tyler sah die Welt gleich besser aus. Obwohl sie nie zusammen gewesen waren, hatte Tyler die Messlatte für ihre künftigen Beziehungen sehr hoch gelegt. Vielleicht zu hoch – immerhin war sie immer noch Single.

„Fühlst du dich besser?“, fragte er.

„Ja, danke. Ich konnte einfach keine Hochzeits- und Babyfotos mehr sehen.“

Tyler legte den Arm um sie und verscheuchte die Januarkälte der Wüste. „So ist das nun einmal bei Klassentreffen.“

„Ja, aber ich hätte nie damit gerechnet, dass ich mir dabei vorkomme wie eine …“

„Erfolgreiche, begabte Geschäftsfrau?“

Amelia seufzte. „Eher wie eine Versagerin ohne Beziehung und auf dem besten Weg, in einem Haus mit zu vielen Katzen zu enden.“

„Hör auf“, sagte er streng, wandte sich ihr zu und hob ihr Kinn an, sodass sie ihm in die Augen sehen musste. „Du bist unglaublich. Du bist schön, talentiert, erfolgreich … Jeder Mann könnte sich glücklich schätzen, dich in seinem Leben zu haben. Du hast nur noch keinen gefunden, der deiner würdig ist.“

Das war ein schöner Gedanke, änderte aber nichts daran, dass sie schon erfolglos nach dem Richtigen suchte, seit sie volljährig war. „Danke, Ty“, sagte sie trotzdem und schlang ihre Arme um seine Taille. Er hielt sie fest und ließ das Kinn auf ihrem Kopf ruhen.

Sie hatten sich schon oft so umarmt. Aber heute Abend war es irgendwie anders. Sie nahm plötzlich sehr bewusst wahr, wie seine Muskeln sich unter seinem Hemd bewegten. Sein Aftershave stieg ihr in die Nase, vertraut und doch verführerisch. Es ließ sie den Wunsch verspüren, das Gesicht an seinen Hals zu schmiegen und den warmen Duft seiner Haut einzuatmen oder mit der Handfläche über seine rauen Bartstoppeln zu streichen …

Amelia wurde heiß, und sie erkannte, dass es nichts mit den Flammen zu tun hatte, die neben ihnen übers Wasser schossen. In ihrem Bauch breiteten sich Wärme und Verlangen aus. Dieses wohlbekannte Begehren hatte sie noch nie mit Tyler in Verbindung gebracht. Er war ihr bester Freund, weiter nichts.

Aber jetzt wollte sie mehr. Sie wollte, dass er ihr mit Händen und Mund statt nur mit Worten zeigte, für wie schön und begabt er sie hielt. Es war ein gefährlicher Gedanke, doch er ging ihr nicht aus dem Kopf.

„Erinnerst du dich an den Abend nach unserem Schulabschluss?“

„Natürlich“, sagte sie und löste sich von ihm, da der Körperkontakt ihr Blut zu sehr in Wallung brachte. Es war ein unvergesslicher Abend gewesen. Nachdem sie die Familienfeiern überstanden hatten, waren sie zusammen in die Wüste am Stadtrand geflüchtet. Dort hatten sie endlich die Sterne sehen können. „Wir haben Weinschorle getrunken und sind die ganze Nacht aufgeblieben, um nach Sternschnuppen Ausschau zu halten.“

„Erinnerst du dich auch noch an unseren Pakt?“

Amelia entsann sich verschwommen, dass sie sich irgendetwas geschworen hatten. „Worum ging es noch genau? Ich hab’s vergessen.“

„Wir haben abgemacht, uns gegenseitig zu heiraten, wenn wir bei unserem zehnjährigen Klassentreffen noch Singles wären.“

„Ach ja“, sagte sie. Die Erinnerung brach über sie herein. Als Achtzehnjährige hatten sie geglaubt, dass man mit achtundzwanzig uralt war. Wer dann noch nicht verheiratet wäre, könnte alle Hoffnung aufgeben. Sie hatten geschworen, einander vor einem einsamen Leben zu bewahren. „Achtundzwanzig fühlt sich gar nicht so an, wie ich es mir damals vorgestellt habe. Ich komme mir immer noch jung vor, aber manchmal zugleich wie der langweiligste Mensch, den ich kenne. Ständig arbeite ich nur. Ich habe nie Abenteuer, wie wir sie früher zusammen erlebt haben.“

Tyler musterte sie, die hellbraunen Augenbrauen nachdenklich zusammengezogen. „Hast du heute Lust auf ein Abenteuer? Es muntert dich garantiert auf.“

Das war genau das, was sie brauchte. „Na klar! Was für eins?“

Tyler lächelte und nahm ihre Hand. Die Berührung jagte ihr einen Schauer über den Rücken, und sie wusste, dass sie sich zu allem bereit erklären würde, wenn er sie so anlächelte. Dann kniete er vor ihr nieder, und ihr wurde klar, dass ihr mehr bevorstand, als sie geahnt hatte.

„Amelia, willst du mich heiraten?“

1. KAPITEL

„Amelia!“ Gretchen sah sie durchdringend an. „Sag mir bitte, dass du nicht heimlich in Las Vegas geheiratet hast.“

Amelia holte tief Luft und nickte langsam. Ihr Magen schlug Purzelbäume, aber sie rang sich durch, es zuzugeben. „Doch. Die Einzelheiten sind etwas verschwommen, aber ich bin aufgewacht und war plötzlich mit meinem besten Freund verheiratet.“

„Warte mal.“ Bree hob ungläubig die Hände. „Hast du gerade gesagt, dass du verheiratet bist? Verheiratet?

Amelia sah ihre beiden Freundinnen und Kolleginnen an und wusste nicht, ob sie wiederholen konnte, was sie gerade gesagt hatte. Es war schwer genug gewesen, es einmal auszusprechen. Bis eben hatte sie es noch nicht laut eingestanden. Die letzten paar Wochen über war ihr alles wie ein Traum vorgekommen, aber nun, da Gretchen und Bree sie entgeistert anstarrten, war es plötzlich Wirklichkeit.

„Mein Klassentreffen ist nicht so gelaufen wie geplant“, erklärte sie. „Ich dachte, es würde Spaß machen, nach Las Vegas zurückzukehren, aber weit gefehlt. Alle haben Bilder von ihren Hochzeiten und ihren Kindern herumgereicht …“

An dem Abend hatte Amelia sich den traurigen Zustand ihres Liebeslebens sehr zu Herzen genommen. Obwohl sie in den letzten zehn Jahren weiß Gott kein Mauerblümchen gewesen war, hatte sie doch nur eine Reihe gescheiterter Beziehungen vorzuweisen. Sie hatte einfach kein Glück. Mit weniger als ewiger Liebe wollte sie sich nun einmal nicht begnügen, und die schien außer Reichweite zu liegen.

Ihr hektischer Job war keine Hilfe. Die letzten paar Jahre seit dem College hatte sie damit verbracht, mit ihren Partnerinnen ihre gemeinsame Firma aufzubauen, From This Moment. Ein Hochzeitsunternehmen zu führen war stressig, vor allem in ihrem Fachgebiet Catering. Nach Menüverkostungen, Vorarbeiten und Hochzeitstorten war die eigentliche Feier ihre geringste Sorge. Sie liebte ihren Beruf, aber er ließ ihr wenig Zeit, selbst die große Liebe zu finden und die Familie zu gründen, von der sie immer geträumt hatte.

Sie war erst achtundzwanzig und nicht gerade eine alte Jungfer. Aber beim Klassentreffen hatte sie festgestellt, dass ihre Klassenkameraden auf diesem Gebiet einen großen Vorsprung hatten. Dass Tyler auch noch Single war, zählte nicht. Er war schließlich freiwillig ungebunden, weil er lieber als Geschäftsmann um die Welt jettete, statt sich mit einer festen Beziehung zu belasten.

„Ich habe mir selbst leidgetan. Mein bester Freund Tyler hat mir einen Drink nach dem anderen gebracht, und am Ende haben wir die Party sausen lassen und sind auf dem Strip spazieren gegangen.“

„Spring zu der Stelle, an der ihr geheiratet habt“, drängte Gretchen. Auf ihrem Engelsgesicht hielten sich Staunen und Freude die Waage.

Amelia schüttelte den Kopf. „Ich erinnere mich nur verschwommen, aber Tyler hat mich an unseren dämlichen Pakt gleich nach dem Schulabschluss erinnert. Wir hatten geschworen, einander zu heiraten, wenn wir bei unserem Zehnjahrestreffen noch allein wären.“

„Nein!“ Bree riss die großen blauen Augen immer weiter auf.

„Doch.“ Sie konnte es selbst kaum glauben, aber sie hatten es durchgezogen. Als Amelia am nächsten Morgen aufgewacht war, hatten der Ring mit dem riesigen Diamanten an ihrer Hand und der nackte Mann im Bett neben ihr ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Der Vorabend war nicht nur ein lebhafter Traum gewesen. Es war wirklich passiert. Sie war mit ihrem besten Freund verheiratet.

„Wir haben es aus Spaß gemacht, wisst ihr? An der Highschool hatten wir beide immer so verrückte Einfälle. Tyler wollte mich aufmuntern, und in dem Moment klang es nach einer tollen Idee.“

„So ist das doch immer“, bemerkte Gretchen, als hätte sie selbst reichlich spontane Erfahrungen gemacht.

„Was zum Teufel habt ihr bloß getrunken?“, fragte Bree und schob die Brautmodenzeitschrift beiseite, die sie gelesen hatte. Sie war gerade dabei, ihre eigene bevorstehende Hochzeit zu planen.

Amelia ignorierte sie und fuhr fort: „Jedenfalls wollen wir die Ehe so bald wie möglich annullieren. Er wohnt in New York. Ich lebe hier. Auf die Dauer wird das nicht funktionieren.“

Funktionieren? Wovon redete sie da überhaupt? Natürlich würde es nicht funktionieren! Sie hatte ihren Schulfreund geheiratet. Tyler. Sie wusste alles, was es über ihn zu wissen gab, und war sich hundertprozentig sicher, dass Tyler sich nicht als Ehemann eignete. Er arbeitete zu viel, war ständig auf Reisen und hatte die schlechte Angewohnheit, wochenlang wie vom Erdboden verschluckt zu sein. Sie liebte ihn – er war schließlich ihr bester Freund –, aber sie konnte sich nicht auf ihn verlassen. Und jetzt war sie mit ihm verheiratet?!

„Bisher läuft es mit der Annullierung nicht so wie geplant. Leider kann man in Tennessee eine Ehe nicht einfach annullieren lassen, nur weil man sie aus einer Laune heraus geschlossen hat. Wenn die Gesetzeslage in New York nicht besser ist, blüht uns eine richtige Scheidung. Tyler war bisher zu viel auf Reisen, um die Sache in die Wege zu leiten. Ich habe nur ein paar SMS von ihm bekommen, seit ich aus Las Vegas abgereist bin. Ich habe noch nicht einmal mit ihm telefoniert.“

„Meinst du, dass er viel um die Ohren hat, oder geht er dir aus dem Weg?“, fragte Gretchen. „Mir wäre das alles peinlich. Ich kann mir nicht vorstellen, mit einem meiner Highschool-Kumpel zu schlafen. Wenn der Sex mies wäre, könnte ich ihm nie mehr in die Augen sehen, und wenn der Sex gut wäre … dann erst recht nicht.“

„Der Sex war atemberaubend“, gestand Amelia und schlug sich dann die Hand vor den Mund. Hatte sie das gerade laut gesagt? Es war ihr einfach herausgerutscht. Weil es stimmte. Tyler war der begabteste und aufmerksamste Liebhaber, den sie je gehabt hatte. Ihre Hochzeitsnacht hatte alles bisher Dagewesene übertroffen. Sie war sich nicht sicher, was sie davon halten sollte.

„Na dann, erzähl mal.“ Bree grinste sie spitzbübisch an.

„Oh nein“, wehrte Amelia ab. „Ich habe schon zu viel gesagt.“

„Vielleicht lässt er sich Zeit, weil er von dem Leckerbissen noch einmal kosten möchte“, vermutete Gretchen.

„Kommt nicht infrage! Es war ein One-Night-Stand, das wissen wir beide“, widersprach Amelia, obwohl sie spürte, dass es nicht so war. Sie wollte mehr, obwohl sie es nicht sollte. „Er ist einfach beschäftigt. Er hat immer viel zu tun.“

Tyler hatte es offenbar nicht eilig, alles in Ordnung zu bringen. In den wenigen SMS hatte er ihr geraten, sich zu entspannen. Wenn eine Annullierung vom Tisch sei, sagte er, drängte die Zeit ja nicht, und wenn sie nicht bis über beide Ohren verliebt wäre und sofort einen anderen heiraten müsste, dann sei doch alles halb so schlimm. Er war besser als sonst irgendjemand über ihre Beziehungsprobleme informiert und wusste daher, dass die Wahrscheinlichkeit, dass das der Fall war, extrem gering war.

Aber für sie war es sehr wohl schlimm, denn da war noch etwas. Sie konnte es immer noch nicht ganz fassen, also ignorierte sie es. Es war nicht dringend … Noch nicht.

„Willst du wirklich einfach den Mann sitzen lassen, der dir den besten Orgasmus aller Zeiten geschenkt hat?“ Gretchen runzelte die Stirn. „Ich glaube, das könnte ich nicht, selbst wenn ich den Typen nicht ausstehen könnte. Aber du und Tyler liebt einander doch. Von Freunden bis zum Liebespaar ist es doch nicht sehr weit, oder?“

„Oh doch, das kann ich dir versichern.“ Tyler war seit der neunten Klasse ihr bester Freund, eine Beziehung mit ihm war für sie nie infrage gekommen. Erstens wollte sie ihre Freundschaft nicht bei dem Versuch riskieren, mehr daraus zu machen. Wenn es schiefging – und das würde es –, dann würde sie den wichtigsten Menschen in ihrem Leben verlieren.

Und zweitens bestand ein großer Unterschied darin, ob man mit jemandem befreundet oder mit ihm zusammen war. Freundschaft war einfach. Sie nahm Tylers Reisefieber hin, ebenso wie seine rechthaberische Art und die lange Funkstille. Dafür ertrug er ihre Beziehungsdramen und ihre wählerische Ader. Das war alles nicht so wichtig, weil es auf ihre Freundschaft keine direkten Auswirkungen hatte. Wenn man in einer Beziehung war, sah man diese Schwächen aber wie durch ein Vergrößerungsglas, und sie wurden auf einmal zu Trennungsgründen.

Beim Klassentreffen hatten ihre verletzten Gefühle wohl ausgereicht, sie diese Sorgen verdrängen zu lassen. Und plötzlich war es ihre Hochzeitsnacht, und nichts war ihr wichtiger erschienen, als Tyler die Kleider auszuziehen und von der verbotenen Frucht zu kosten. Sein definierter Körper und seine zielsicheren Berührungen hatten sie überrascht, und sie hatte nicht genug von ihm bekommen können. Sogar jetzt durchlief sie allein schon beim Gedanken daran ein Schauer des Begehrens.

Die gemeinsame Nacht ging ihr seit ihrer Rückkehr vom Klassentreffen nicht aus dem Kopf. Ihre Ehe ließ sich rückgängig machen, aber die Erinnerungen waren unauslöschlich. Wie er sie berührt hatte. Wie er ihren Körper zur höchsten Lust getrieben hatte, als hätte er sein Leben lang für diesen einen Moment geübt … Sie konnten nicht mehr in die selige Unwissenheit von früher zurückkehren.

Ihr Handy klingelte und riss sie aus ihren Gedanken. Eine neue SMS. Sie runzelte die Stirn, als sie Tylers Namen sah. Wenn man vom Teufel spricht … Leider beantwortete er weder ihre Fragen noch entschuldigte er sich dafür, dass er sie wochenlang hatte warten lassen. Da stand nur: Bist du bei der Arbeit?

Er musste endlich bereit sein, über alles zu reden. Vielleicht hatte seine Reiselust sich für ein paar Tage gelegt, sodass sie endlich einen Schritt vorankommen konnten.

Ja, beantwortete sie seine SMS. Sie würde ihn nach dem Meeting anrufen. Dann konnte sie in ihr Büro gehen, die Tür zumachen und das bitter notwendige Gespräch führen. Aber jetzt würde gleich Natalie, die Hochzeitsplanerin und Büromanagerin, wie jeden Montag mit dem Kaffee kommen. Nicht einmal Amelias neueste Katastrophe konnte Nats Terminplanung durcheinanderbringen.

Wie aufs Stichwort stieß Natalie die Tür zum Konferenzraum auf. Sie hatte die Halterung mit vier Pappbechern wie immer fest in der Hand, aber ihr sonst so ruhiges Gesicht wirkte verkniffen. Irgendetwas stimmte nicht.

„Was ist los, Natalie?“, fragte Bree.

Natalie wandte sich Amelia zu und fegte dabei ihren dunklen Pferdeschwanz über ihre Schulter. „Ein unglaublich gut aussehender Typ ist hier für dich, Amelia. Er sagt, er sei dein Mann.“

Irgendjemand keuchte. Amelia war nicht sicher, wer. Wahrscheinlich sie selbst. Sie schoss panisch von ihrem Stuhl hoch. Er konnte unmöglich hier sein. Er hatte ihr gerade eine SMS geschrieben und darin nicht erwähnt, dass er in Nashville war. Natalie irrte sich bestimmt. „Wie sieht er aus?“

Natalie zog die Augenbrauen hoch. „Vor fünf Minuten wusste ich noch nicht einmal, dass du überhaupt einen Ehemann hast – geschweige denn so viele, dass du nicht gleich weißt, von welchem ich rede.“

„Groß, dunkelblondes Haar, dichte Augenbrauen, eisblaue Augen?“

Natalie nickte. „Genau. Er wartet in der Lobby und trägt einen Ehering. Habe ich etwas verpasst?“

„Kann man wohl sagen.“ Gretchen prustete los.

Natalie stellte den Kaffee ab und verschränkte die Arme. „Du bist verheiratet? Mit dem Mann in der Lobby?“

„Ja“, gestand Amelia.

„Obwohl du deine Hochzeit schon geplant hast, seit du fünf warst, und noch vor ein paar Wochen gejammert hast, dass es keinen Mann in deinem Leben gebe? Du bist doch Amelia, oder? Und nicht bloß ihre Doppelgängerin?“

Sie wünschte, sie hätte eine solche Ausrede für ihr überstürztes Handeln, aber sie war ganz allein schuld. Kein Wunder, dass Natalie so erstaunt war. Amelia plante ihre Hochzeit wirklich schon seit dreiundzwanzig Jahren. Heute hatte sie keinen Ordner voller Zeichnungen und Zeitschriftenschnipsel mehr, sondern Pinterest-Seiten und Tabellen, aber der Inhalt war noch fast derselbe. Sie hatte immer von einer großen Hochzeit geträumt, mit Hunderten von Gästen, einem Festmahl und all den eleganten Kleinigkeiten, für die sie schwärmte. Es fehlte nur noch, dass ihre große Liebe in einen Armani-Smoking schlüpfte und ihre Träume Wirklichkeit werden ließ.

Dass sie stattdessen von Elvis zum Altar geführt worden war und ihren besten Freund geheiratet hatte, war … unvorstellbar. Aber diese Wirkung hatte Las Vegas nun einmal auf einen. „Das ist eine lange Geschichte. Die anderen können dir alles erzählen.“ Amelia ging zur Tür.

„Möchtest du nicht wenigstens deinen Kaffee?“, fragte Natalie und hielt den Pappbecher mit ihrem Caramel macchiato mit weißer Schokolade hoch.

Amelia griff danach, aber als ihr der Duft in die Nase stieg, wurde ihr übel, und sie zuckte zurück. „Nein danke. Vielleicht später.“ Sie drehte sich schnell um und ging.

Natalies Stimme war trotz der Entfernung gut zu hören: „Kann mir bitte jemand erklären, was los ist?“

Tyler Dixon hatte nicht damit gerechnet, so lange in der Lobby warten zu müssen. Als die dunkelhaarige Frau den Flur hinunter verschwunden war, hatte er geglaubt, dass Amelia gleich zu ihm kommen würde, um ihm um den Hals zu fallen und ihn mit einem Kuss zu begrüßen wie immer.

Er warf einen Blick auf seine Rolex und fragte sich, ob er alles falsch eingeschätzt hatte. Er hatte schon gewusst, dass sie hier war, bevor sie seine SMS beantwortet hatte – er hatte ihr Auto auf dem Parkplatz erkannt. Entweder war sie wütend und ließ ihn warten, weil er sie so lange ignoriert hatte, oder die ganze Sexgeschichte war ihr peinlich.

Er wusste allerdings nicht, wofür sie sich hätte schämen sollen. Mit einem Körper wie ihrem würde sie der Menschheit einen Gefallen tun, wenn sie nur noch nackt herumlaufen würde. Sie hatten eine Grenze überschritten, ja, aber das konnten sie aufarbeiten. Ihre Freundschaft hatte schon ganz andere Krisen überstanden.

Wahrscheinlich lag es nur daran, dass er sie nicht zurückgerufen hatte. Sein Terminkalender war seit dem Klassentreffen ziemlich voll gewesen: Er hatte Rohdiamanten gekauft und nach Indien gebracht, um sie schleifen zu lassen. Er hatte an einer Auktion in Belgien teilgenommen und eine antike Saphirbrosche ersteigert, die vor der Revolution dem französischen Königshaus gehört hatte. Er hatte in Beverly Hills einen lukrativen Liefervertrag mit einem Schmuckdesigner geschlossen. Wann immer ihm eingefallen war, Amelia anzurufen, war er gerade in der falschen Zeitzone gewesen. Sie hätte es sicher nicht zu schätzen gewusst, um zwei Uhr morgens aus dem Bett geklingelt zu werden.

Deshalb ließ er sich nicht mehr auf ernsthafte Beziehungen ein. Er hatte sich an Christine die Finger verbrannt und seine Lektion gelernt. Die meisten Frauen hielten nicht viel davon, dass er ständig unterwegs war, auch wenn ihnen das Geld zusagte, das er damit verdiente. Auf den ersten Blick wirkten seine Diamantentransporte und exotischen Reisen aufregend, aber die meisten Frauen begriffen bald, dass das auch hieß, dass er nie da war.

Amelia hatte das bisher nicht gestört. War das nun anders, wo sie verheiratet waren?

Aber warum überhaupt die Eile? Sie hatte ihren Märchenprinzen in den letzten zehn Jahren nicht gefunden, und bestimmt auch nicht im letzten Monat. Er mochte Amelia, aber sie war nicht unbedingt für ihre erfolgreichen Beziehungen bekannt. Ihm war bisher nur eine andere Frau begegnet, die so anspruchsvoll war wie sie, und das war seine Ex. Das hatte er im Voraus über Amelia gewusst, aber sie war seine beste Freundin, und er würde alles tun, um sie glücklich zu machen.

Sie würden sich um die Scheidung kümmern. Deshalb war er bei erster Gelegenheit hergekommen. Ganz gleich, was Amelia dachte, Tyler zögerte nicht absichtlich alles hinaus. Ehrlich gesagt bedauerte er allerdings, ihre weichen Kurven nie wieder berühren zu dürfen. Er war immer froh gewesen, Amelias Freund zu sein, aber es hätte ihm nichts ausgemacht, ihren Körper noch ein wenig länger zu erkunden, bevor ihre Beziehung wieder rein platonisch wurde. Eine kurze Kostprobe war bei einer Frau wie ihr nicht annähernd genug.

Doch letzten Endes wusste er, dass ihre Freundschaft mehr zählte als sein Begehren. Amelia war der wichtigste Mensch in seinem Leben, und das würde er nicht aufs Spiel setzen, nicht einmal, um wieder mit ihr zu schlafen. Sie war nicht nur seine beste Freundin, sondern die treibende Kraft seines Lebens. Als Kind war er ein Niemand gewesen, der im Chaos seiner Großfamilie untergegangen war. In der Schule war er genauso unsichtbar gewesen. Nur Amelia hatte ihn wahrgenommen. Sie hatte sein Potenzial erkannt und ihn ermutigt, etwas aus sich zu machen. In den letzten zehn Jahren hatte er seine eigene Firma aufgebaut, die mit Edelsteinen und Antikschmuck handelte. Er führte ein Leben, das er sich als armes Kind in Vegas nie auch nur hätte vorstellen können. Amelia hatte ihn überhaupt erst glauben lassen, dass er dazu in der Lage war.

Nein, er würde seine Freundschaft mit ihr nicht einmal für den tollsten Sex im ganzen Universum riskieren.

Als Tyler aufschaute, erkannte er, dass Amelia in der Tür stand und ihn beobachtete. Sie fiel ihm nicht um den Hals, aber mittlerweile rechnete er auch gar nicht mehr mit einer begeisterten Begrüßung.

Sie sah heute wunderschön aus. Ein Leuchten umgab sie und lud ihn ein, den Blick über ihren Körper schweifen zu lassen und den Sitz ihres Kleids zu bewundern. Die purpurne Tunika war unter ihren üppigen Brüsten gerafft und fiel ihr fließend bis zu den Knien. Darunter trug sie schwarze Leggings und Stiefel, die ihre wohlgeformten Beine betonten. Den tiefen V-Ausschnitt des Kleids zierte ein Amethystanhänger, den er ihr zum Geburtstag geschickt hatte. Der tränenförmige Edelstein ruhte unmittelbar oberhalb ihres Dekolletés und lenkte seine Aufmerksamkeit auf ihre Brüste. Amelia war in vielerlei Hinsicht zierlich, aber der liebe Gott hatte sie mit genug Oberweite für drei Frauen gesegnet.

Tyler wusste, dass er nicht hinsehen sollte, aber die Erinnerung an ihre Hochzeitsnacht stürzte auf ihn ein, und er konnte einfach nicht anders. Sofort sah er wieder ihren nackten Körper auf dem Hotelbett vor sich. Die Handflächen kribbelten ihm bei der Erinnerung daran, wie er jeden Zentimeter ihrer makellosen porzellanfarbenen Haut gestreichelt hatte. Der Geschmack ihrer Brüste, ihre lustvollen Schreie …

In der Lobby war es auf einmal sehr warm. Es war eine grausame Wendung des Schicksals, dass er eine so begehrenswerte Frau erst heiraten und dann doch nicht behalten durfte. Und behalten konnte er sie nicht. Sie würden einander nur enttäuschen, und daran würde ihre Freundschaft scheitern.

„Hi, Ames“, sagte er und sah ihr endlich in die Augen.

Sie schluckte schwer und musterte ihn misstrauisch. Mit ihren großen dunkelbraunen Augen wirkte sie heute wie ein scheues Reh, das bei jeder plötzlichen Bewegung erschrak. Er hasste das. Früher hatte sie ihn immer nur bewundernd und liebevoll angesehen. Ihre Hochzeit schien das zerstört zu haben. Kaum waren die Flitterwochen vorbei, steckte er schon in Schwierigkeiten. Er hätte eindeutig nicht so lange warten sollen, mit ihr zu sprechen.

„Was machst du hier, Tyler?“

Anscheinend übersprangen sie die höflichen Nichtigkeiten. „Ich bin hier, um mit dir zu reden.“

Sie verschränkte die Arme, sodass ihr die Brüste fast aus dem Ausschnitt quollen. „Jetzt auf einmal? In den letzten paar Wochen habe ich ständig versucht, dich zu fassen zu bekommen, und du hast mich abgewimmelt. Als ich mit dir reden wollte, war dir alles egal. Und jetzt soll ich alles stehen und liegen lassen, um mit dir zu sprechen, weil du endlich beschlossen hast, dich mit diesem Desaster auseinanderzusetzen?“

Tyler schürzte nachdenklich die Lippen und strich sich über die Bartstoppeln am Kinn. Jetzt war wohl nicht der richtige Zeitpunkt, sie zu überzeugen, dass alles halb so schlimm war. Sie war immer sehr emotional gewesen, mit einem feurigen Temperament, das zu ihren roten Haaren passte. Er hatte ihre Wut auf frühere Partner miterlebt und wollte unter keinen Umständen selbst zur Zielscheibe werden. „Tut mir leid, dass ich dich nicht zurückgerufen habe. Ich musste mich unbedingt um ein paar Dinge kümmern.“

„Und ich musste unbedingt mit dir sprechen!“ Sie kam auf ihn zu. Eine Haarsträhne löste sich aus ihrer Spange. Normalerweise war ihre Haut cremefarben, aber nun stieg ihr Röte in die Wangen und ins Dekolleté. „Wir sind verheiratet, Tyler. Verheiratet! Das kannst du nicht immer weiter ignorieren. So gern ich so tun würde, als wäre es nie passiert, wir müssen uns damit auseinandersetzen. Darüber reden.“

„Ich weiß.“ Er streckte begütigend die Hände aus. Es tat ihm weh, zu erfahren, wie verzweifelt sie über ihre Situation war, aber das ließ sich nicht ändern. Das Geschäft war wichtiger als eine Scheinehe, selbst wenn die Frau seine beste Freundin war. „Ja, ich hätte dich anrufen sollen. Es tut mir leid. Ich bin, so schnell ich konnte, in ein Flugzeug hierher gestiegen, damit wir persönlich darüber reden können.“

Autor

Andrea Laurence
Bereits im Alter von zehn Jahren begann Andrea Laurence damit, Geschichten zu schreiben – damals noch in ihrem Kinderzimmer, wo sie an einer alten Schreibmaschine saß. Sie hat immer davon geträumt, ihre Romane eines Tages in der Hand halten zu können, und sie arbeitete jahrelang hart, bis sich ihr Traum...
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