Romana Extra Band 115

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LIEBESTRÄUME AN DER SMARAGDKÜSTE von SABINE STRICK
Sanft wiegt sich die Jacht auf den Wellen vor Sardiniens Smaragdküste. Der attraktive Schauspieler Luca küsst sie, und Keyla wünscht sich sehnlichst, dass der Abend nie enden möge. Doch am nächsten Morgen erfährt sie etwas über Luca, das sie am Boden zerstört zurücklässt …

EINE MILLION GRÜNDE, DICH ZU LIEBEN von NIOBIA BRYANT
Gegensätze ziehen sich an – das spürt Chance in jeder leidenschaftlichen Minute mit der faszinierenden Anwältin Ngozi. Als es jedoch darum geht, die Millionenklage gegen seine Ex fallenzulassen oder Ngozi zu verlieren, trifft er eine fatale Entscheidung …

GEHEIMNIS UNTER DER HEISSEN SONNE GRIECHENLANDS von DANI COLLINS
Reichtum, Macht und eine betörend schöne Frau an seiner Seite: Die glamouröse Welt des griechischen Reeders Gideon Vozaras droht jäh zu zerbrechen, denn er verdächtigt seine geliebte Gattin Adara des Betrugs …

EIN HERZ IN GEFAHR von SUSAN CARLISLE
Die bezaubernde Sally ist seine Traumfrau! Dennoch muss Feuerwehrmann Ross ihre Beziehung beenden, um seine Beförderung nicht zu riskieren. Erst als die Sanitäterin bei einem gemeinsamen Einsatz in Gefahr gerät, begreift er, dass er einen viel zu hohen Preis gezahlt hat …


  • Erscheinungstag 21.12.2021
  • Bandnummer 115
  • ISBN / Artikelnummer 9783751500319
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Sabine Strick, Niobia Bryant, Dani Collins, Susan Carlisle

ROMANA EXTRA BAND 115

SABINE STRICK

Liebesträume an der Smaragdküste

Malerische Drehorte auf Sardinien, traumhafte Stunden mit der süßen Keyla – Schauspieler Luca könnte nicht glücklicher sein. Bis Keyla ihn ohne ein Wort verlässt. Hat sie nur mit ihm gespielt?

NIOBIA BRYANT

Eine Million Gründe, dich zu lieben

Gegen den Charme ihres Klienten ist Ngozi machtlos. Und so wird aus einer berauschenden Nacht die perfekte Affäre. Wäre da nur nicht die Vergangenheit, die ihre Schatten auf Ngozi wirft …

DANI COLLINS

Geheimnis unter der heißen Sonne Griechenlands

Adara bricht das Herz: Ihr Ehemann, der griechische Reeder Gideon Vozaras, hat eine Affäre mit seiner Sekretärin! Aber warum will er sie dann nicht gehen lassen, als sie spontan die Scheidung verlangt?

SUSAN CARLISLE

Ein Herz in Gefahr

Sonnige Tage auf der Ranch, heiße Küsse unterm Sternenzelt – Erinnerungen sind alles, was Sally bleibt. Denn wenn sie Ross wirklich liebt, muss sie ihn freigeben, damit sich sein größter Traum erfüllt.

1. KAPITEL

Im Hafen von Porto Cervo lagen die Jachten aufgereiht wie kostbare Diamanten an einer Kette. Vor der Kulisse flacher Berge blitzten Chrom und Lack in der Sonne. Dazwischen glitzerte das glasklare türkisgrüne Meer, dem Sardiniens Costa Smeralda ihren Namen verdankte.

Keyla Shepard lief mit wehendem Haar die Promenade von Porto Cervo entlang und fühlte sich zum ersten Mal seit Wochen leicht und unbeschwert. Sie konnte nicht sagen, was sie am meisten genoss: die begehrlichen Blicke der Männer, die sich auf sie hefteten, das Panorama oder das berauschende Gefühl, in diesem Ort der Schönen und Reichen zu leben.

Als sie über das Wasser blickte, zog eine besonders schnittige dunkelblaue Motorjacht ihre Aufmerksamkeit auf sich. Die hatte am Vortag noch nicht dort gelegen. Wer wohl der Besitzer war? Ein Filmstar, ein Scheich oder ein Industrieller?

Sie war so in den Anblick vertieft, dass sie beim Weiterlaufen gegen einen Tisch vor einem Café stieß und aufschrie.

„Vorsicht, Keyla“, hörte sie eine amüsierte Frauenstimme. „Lass meine Möbel stehen.“

Buon giorno, Chiara“, sagte sie verlegen zur Cafébesitzerin, die sie anlächelte. „Entschuldige. Ich konnte die Augen nicht von dieser Jacht lassen, die ist einfach prachtvoll. Die lag gestern Abend noch nicht hier, oder?“

„Nein, erst seit heute Morgen“, bestätigte Chiara und wischte den Tisch mit einem feuchten Lappen ab. „Die muss einem dieser Filmleute gehören.“

„Was für Filmleute?“

„An der Costa Smeralda wird ein Film gedreht. Das Team wird heute eintreffen und in einem der Hotels hier in Porto Cervo wohnen, erzählt man. Die Jacht gehört bestimmt dem Produzenten oder dem Regisseur oder einem der Stars.“

„Ach so.“ Keyla warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. „Entschuldige mich, ich muss das Geschäft öffnen, Jane kommt heute etwas später.“

„Bestell ihr schöne Grüße, ich schaue in den nächsten Tagen mal vorbei, wenn die neuen Kleider aus Mailand eingetroffen sind.“

„Sage ich ihr.“

Keyla setzte ihren Weg fort bis zum nahe gelegenen kleinen Einkaufszentrum, in dem sich die Boutique ihrer Cousine Jane Forlani befand.

Als Jane von ihrem Dilemma hörte, bot sie ihr spontan an, sie für den Rest der Saison als Verkäuferin einzustellen und bei ihr zu wohnen. Janes italienischer Ehemann hatte in den nächsten Monaten die meiste Zeit beruflich auf dem Festland zu tun, und so gab es Platz für sie, und Jane freute sich über Gesellschaft.

Nachdem Keyla die Boutique betreten hatte, musste sie sich erst mal umziehen. Jane legte Wert auf ein elegantes Outfit und lieh ihr bereitwillig Kleider aus der letzten Saison, die sie nicht hatte verkaufen können, denn die Garderobe, die Keyla nach Sardinien mitgebracht hatte, war eher sportlich.

Keyla fühlte sich stets ein wenig verkleidet in den zarten Kreationen aus fließenden Stoffen, aber das Bild, das der Spiegel zurückwarf, gefiel ihr. Hochgewachsen und schlank, wie sie war, wirkte sie in dem figurumschmeichelnden Seidenkleid nicht so schlaksig wie in ihren geliebten Jeans mit T-Shirt. Und auch die leuchtenden Farben standen ihr. Schon nach einer Woche an der Costa Smeralda gewann sie allmählich ihre Fröhlichkeit zurück, und ihre grünbraunen Augen strahlten zum ersten Mal seit Monaten wieder.

Das melodiöse Klingeln der sich öffnenden Tür kündigte die ersten Kunden an und riss sie aus der Betrachtung ihres Spiegelbilds. Eine Frauenstimme schnatterte auf Italienisch in einem Tempo, in dem Keyla kaum etwas verstand. Ihr Italienisch war alles andere als fließend, doch zum Glück sprachen in diesem mondänen Ferienort fast alle Gäste gut Englisch. Sie eilte in den Verkaufsraum, in dem eine blondierte Frau in den Dreißigern mit energischen Bewegungen die Bügel verschob, auf denen die Kleider hingen. Ein lässig gekleideter dunkelhaariger Mann stand ein wenig gelangweilt daneben.

Buon giorno – kann ich Ihnen helfen?“, fragte Keyla und setzte ein gewinnendes Lächeln auf.

„Ich sehe mich erst mal um“, wies die Blonde sie in kühlem Ton ab, ohne sie eines Blickes zu würdigen.

Ihr Begleiter dagegen lächelte sie an, anfangs höflich, dann mit zunehmendem Interesse. Er musterte sie von oben bis unten, und als er bei ihren Füßen anlangte, wurde sein Lächeln zu einem Grinsen. Mit Schrecken wurde Keyla bewusst, dass sie in der Eile vergessen hatte, Schuhe anzuziehen.

„Oh Gott, entschuldigen Sie mich“, murmelte sie.

„Ich bitte Sie, das macht doch nichts. Barfuß laufen soll viel gesünder sein.“

Er lachte sie an, und nun klopfte ihr Herz nicht mehr wegen der Peinlichkeit, sondern wegen dieses umwerfend charmanten Lächelns, bei dem ebenmäßige weiße Zähne zwischen seinen Lippen schimmerten. Seine blitzenden dunklen Augen waren von winzigen Lachfältchen umgeben, obwohl er höchstens Anfang dreißig sein mochte, und er trug einen Dreitagebart.

„Sehen Sie sich ruhig um.“ Hastig floh Keyla in den privaten Raum der Boutique und schlüpfte in hochhackige Pumps, die zu ihrem Kleid passten. Was für ein Mann! Es gab in diesem Ort etliche, die attraktiv waren, aber noch nie hatte sie spontan so ein Kribbeln verspürt, wenn einer sie ansah. Nach dem, was ihr passiert war, hatte sie jedoch vorerst genug von Männern und hatte sich geschworen, auf keinen mehr hereinzufallen.

Am liebsten wäre sie in diesem Raum geblieben, bis die beiden die Boutique wieder verlassen hatten, aber das konnte sie nicht mit ihrem beruflichen Gewissen vereinbaren. Jane bezahlte sie nicht dafür, dass sie sich vor potenziellen Kunden versteckte, und noch dazu war es kindisch. Mit sechsundzwanzig sollte sie genug Reife haben, sich nicht aus dem Konzept bringen zu lassen, nur weil ein Mann optisch ansprechend aussah. Sie konnte ihn ja ignorieren, denn offensichtlich begleitete er lediglich die Dame beim Shoppen.

Sobald Keyla jedoch in den Verkaufsraum zurückging, heftete sich ihr Blick wie von selbst auf den attraktiven Mann, der über das Display seines Smartphones wischte und beim Lesen kopfschüttelnd die Lippen schürzte.

Als sie sich von der Betrachtung seiner sinnlichen Lippen losriss, um auf die Kundin zuzugehen, knickte sie mit den hohen Schuhen um und konnte sich gerade noch an einem Kleiderständer festhalten. Das Blut schoss ihr ins Gesicht. Der Mann, der trotz seiner sportlichen Kleidung gewandt und selbstsicher wirkte, musste sie für einen Tölpel halten. Sicher würde er nun wieder grinsen.

Vorsichtig suchte sie seinen Blick und stellte erleichtert fest, dass er ihr Stolpern gar nicht bemerkt hatte. Oder taktvoll genug war, es stillschweigend zu übergehen, indem er so tat, als wäre er auf das Display konzentriert.

Die Blonde hingegen schnaubte verächtlich und hob ein Kleid in die Höhe. „Ich werde das anprobieren. Was meinst du, Luca? Luca!“

Er steckte das Handy weg und nickte.

Keyla sah sofort, dass das Kleid an den Hüften zu eng sein würde. „Vielleicht nehmen Sie es auch noch in Größe zweiundvierzig mit in die Kabine“, schlug sie vor.

Ein giftiger Blick aus grauen Augen traf sie. „Ich habe doch nicht Größe zweiundvierzig!“

Die Frau drehte sich auf dem Absatz um, warf die Haare in den Nacken und stolzierte auf eine der Umkleidekabinen zu.

Keyla sah ihren Begleiter, den sie Luca genannt hatte, entschuldigend an, doch der zwinkerte ihr beruhigend zu. Sie fühlte sich auf einmal merkwürdig wackelig auf den Beinen, beschloss aber, dass es an den hohen Absätzen liegen musste und nicht am Funkeln in seinen Augen, die von geradezu unverschämt langen Wimpern umgeben waren.

„Wir haben auch Herrenmode“, hörte sie sich sagen und atmete auf, als er sich folgsam von ihr entfernte und mehr aus Höflichkeit als aus echtem Interesse Hemden, Hosen und Krawatten betrachtete.

„Dieses Kleid ist total verschnitten!“, tönte es empört aus der Kabine. „Bringen Sie mir die zweiundvierzig!“

Luca wandte sich halb zu ihr um und warf ihr ein verschmitztes Lächeln zu, das sein Gesicht erhellte und seine Augen zum Strahlen brachte. Die Luft zwischen ihnen schien auf einmal elektrisch aufgeladen, und Keyla spürte, wie ein Prickeln von ihrem Haaransatz über ihren Rücken lief. So wohlig das Gefühl auch war, es irritierte sie mehr, als dass sie es genoss. Hastig ging sie zum Kleiderständer, griff nach dem Kleid in Größe zweiundvierzig und reichte es ihrer Kundin in die Kabine hinein.

„Die Größen fallen bei diesem Designer sehr klein aus, Signora“, sagte sie beschwichtigend.

Luca näherte sich langsam. „Akzeptiere es einfach, Sofia. Ich verspreche auch, niemandem zu sagen, dass du jetzt eine Zweiundvierzig brauchst.“ Er schien sich nur mühsam ein Lachen zu verkneifen.

„Untersteh dich!“, zischte die Frau aus der Kabine.

„Du hast eine tolle Figur, da ist es doch egal, welche Zahl auf dem Etikett steht“, bemerkte er versöhnlich.

Er wurde Keyla immer sympathischer, auch wenn es sie wurmte, dass er die Figur der arroganten Sofia lobte. Aber ja, Männer standen nun mal auf Kurven, und da hatte sie selbst leider nicht allzu viel zu bieten. Unwillkürlich nahm sie eine etwas geradere Haltung an und streckte die Brust heraus.

„Woher kommen Sie?“, erkundigte er sich. „England, vermute ich nach Ihrem Akzent?“

Keyla nickte und lauschte fasziniert seiner wohlklingenden dunklen Stimme, die sie einhüllte wie eine Umarmung. „Und Sie? Bestimmt vom italienischen Festland?“

Sein Lächeln wurde zu einem amüsierten Grinsen. „Ja, ich lebe in Rom, aber meine Mutter stammt aus Sardinien, aus einem kleinen Städtchen nicht weit von hier. Santa Teresa di Gallura an der Costa Smeralda. Waren Sie schon mal dort?“

Keyla schüttelte den Kopf. „Ich bin erst seit wenigen Tagen auf Sardinien, ich kenne noch nichts außer Porto Cervo.“

„Santa Teresa ist ein beliebter Ferienort. Mein Onkel betreibt dort ein kleines Hotel in Strandnähe, das kann ich empfehlen, falls Sie mal hinwollen. Hotel Alessandro.“

„Ich merke es mir, danke. Bleiben Sie länger hier?“ Sie versuchte sich einzureden, dass sie nur Smalltalk betrieb, aber zugegebenermaßen interessierte es sie tatsächlich, wie ihre Chancen standen, diesen charismatischen Mann wiederzusehen. Obwohl er sicher mit der blondierten Ziege zusammen war. Warum nur hatten die nettesten Männer immer die schrecklichsten Frauen und die netten Frauen gingen leer aus? Oder wurden für dumm verkauft, so wie sie.

Der dicke Vorhang der Umkleidekabine wurde mit einem Ruck zur Seite geschoben, Sofia trat heraus und stellte sich prüfend vor den hohen Spiegel.

„Das Kleid steht Ihnen ausgezeichnet, Signora“, versicherte Keyla.

„Ach, was wissen Sie denn schon“, erwiderte Sofia mürrisch, zupfte kritisch am weichen Stoff herum und versuchte, über ihre Schulter hinweg ihr Hinterteil im Spiegel zu mustern.

„Das Kleid steht dir fantastisch, Sofia“, lobte Luca. „Genau deine Farben.“

Sie drehte sich zu ihm um, ein Lächeln erhellte ihre unzufriedenen Züge. „Findest du wirklich?“

„Absolut.“

Er warf verstohlen einen Blick auf seine Armbanduhr, und Keyla ahnte, dass er mit seinem Lob das Ganze lediglich abkürzen wollte.

„Es sitzt perfekt. Nimm es.“

„Also, in der Taille ist es aber viel zu weit“, protestierte Sofia.

Keyla war erleichtert, als in diesem Moment Jane die Boutique betrat. Ihre Cousine hatte mehr Erfahrung im Umgang mit schwierigen Kundinnen. Nicht, dass die in London nicht schwierig gewesen wären, doch dort hatte Keyla Billigmode verkauft, keine hochpreisigen Designerstücke für Damen mit dickem Geldbeutel oder gut betuchten Begleitern.

Jane erfasste die Situation mit einem Blick, näherte sich eilig und grüßte freundlich in perfektem Italienisch. Sie raffte den überflüssigen Stoff in der Taille an den Seiten zusammen und schüttelte dann den Kopf.

„Ich könnte es von unserer Änderungsschneiderin enger nähen lassen, aber ich würde Ihnen davon abraten. Ein breiter Ledergürtel bringt Ihre schmale Taille viel besser zur Geltung und verleiht dem Kleid zusätzlichen Pep. Schauen Sie – dieser hier wäre perfekt.“

Erleichtert verließ Keyla den Umkleidebereich und räumte einige liegen gelassene Kleidungsstücke auf.

„Ich habe noch nicht auf Ihre Frage geantwortet, Signorina“, sagte Luca und trat neben sie. „Signora oder Signorina?“

Wollte er etwa herausfinden, ob sie verheiratet oder zu haben war? Sein herb-frisches Parfüm duftete göttlich. Nervös hängte sie Blusen auf Bügel und diese auf die Kleiderstange. „Sagen Sie einfach Keyla. Welche Frage?“

„Wie lange ich bleibe. Drei oder vier Tage, je nachdem, wie es läuft. Danach geht es nach Isola Rossa.“

Wie was läuft, überlegte sie verwundert, beschloss aber, nicht nachzufragen, um nicht aufdringlich zu wirken. Sie räumte weiter auf.

Sofia hatte sich inzwischen wieder angekleidet und kramte in ihrer winzigen Handtasche. „Ich habe meine Kreditkarte in der anderen Tasche gelassen. Kannst du mal eben zahlen, Luca?“

Er zog seine Brieftasche aus der Gesäßtasche seiner Jeans. „Nehmen Sie auch American Express?“

„Selbstverständlich, Signore de Rossi“, sagte Jane beflissen, und Keyla hob erstaunt die Augenbrauen.

Der Mann hatte sich nicht vorgestellt. Woher kannte Jane seinen Namen, noch bevor sie auf die Kreditkarte geblickt hatte? Nun, vielleicht waren er und seine Begleiterin Stammkunden, die jedes Jahr in Porto Cervo Urlaub machten.

Die beiden verließen die Boutique. An der Tür wandte Luca kurz den Kopf und warf Keyla einen langen Blick zu. „Arrivederci!“

„Auf Wiedersehen, ich wünsche Ihnen einen schönen Urlaub“, erwiderte Keyla.

„Viel Erfolg weiterhin“, rief Jane ihm nach. Sie legte die Handflächen auf Brusthöhe gegeneinander und blickte verzückt zur Decke. „Luca de Rossi, in meiner Boutique! Was sagst du dazu?“

„Wer war das?“, fragte Keyla neugierig. „Ich meine, wer ist Luca de Rossi?“

„Was denn, den kennst du nicht?“

Keyla schüttelte verständnislos den Kopf.

„Stimmt, in England ist er nicht so bekannt“, gab Jane nach kurzem Nachdenken zu. „Noch nicht. Kommt aber bestimmt bald. Er ist in Italien ein berühmter Schauspieler.“

„Ach, dann gehört er sicher zu diesem Filmteam, das in der nächsten Zeit an der Costa Smeralda dreht? Hat mir Chiara gerade erzählt.“

„Sehr wahrscheinlich, ja.“

„Ob ihm die tolle Jacht gehört, an der ich vorbeigekommen bin? Sie ist nicht so riesig wie einige der anderen, aber wahnsinnig elegant.“

„Wäre möglich.“ Jane lächelte. „Ich werde mich erkundigen, wenn du es unbedingt wissen möchtest.“

„Hach, ist das aufregend!“ Keyla wirbelte einmal um die eigene Achse und fiel dann ihrer Cousine um den Hals. „Ich bin dir so dankbar, dass du mich hergeholt hast.“

„Ich kann dich doch nicht wieder bei deinen Eltern wohnen lassen – in deinem Alter“, sagte Jane lachend. Sie selbst war zweiunddreißig und somit sechs Jahre älter als Keyla. „Und Daryll hat sich wirklich wie ein Du-weißt-schon-was verhalten. Dich in eurem Bett zu betrügen, geht einfach gar nicht.“

Keyla seufzte. „Ich weiß, du hast ihn nie gemocht. Und du hattest recht damit.“

„Er hätte wenigstens den Anstand besitzen sollen, sich selbst eine neue Bleibe zu suchen.“

„Es ist leider seine Wohnung. Und natürlich auch sein Geschäft. Ist ja klar, dass die Verkäuferin gehen muss und nicht der Inhaber.“

„Du kannst was Besseres bekommen als den. Hast du den Blick gesehen, den dir Luca de Rossi zum Abschied zugeworfen hat?“, fragte Jane aufgeregt.

„Nein. Bist du sicher?“

„Aber ja, dem hast du gefallen.“

Keyla lachte auf. „Wenn ich gewusst hätte, wer er ist, hätte ich ihn um ein Selfie von uns gebeten und es an Daryll geschickt.“

„Kannst du immer noch machen – er bleibt ja sicher einige Tage. Allerdings nur für dich selbst – Daryll brauchst du nicht eifersüchtig zu machen. Sei einfach froh, dass du ihn los bist.“

2. KAPITEL

„Was war das denn für ein Trampel?“, sagte Sofia spöttisch, als sie die Boutique verlassen hatten und auf die kleine Holzbrücke zugingen, die zur Promenade an der Marina führte.

„Wer?“, fragte Luca zerstreut. Er war mit den Gedanken noch bei der hübschen Engländerin, die ihm barfuß entgegengelaufen war.

„Diese Verkäuferin.“

Er zog missbilligend die Augenbrauen zusammen. „Nur weil sie in Absatzschuhen umgeknickt ist? Meine Güte, sie ist doch kein Model, das dafür einen Kurs absolviert hat. Obwohl sie durchaus eins sein könnte, so wie sie aussieht“, sinnierte er, woraufhin Sofia die Stirn runzelte.

„Sag bloß, du stehst auf simpel.“

„Ich stehe auf natürlich“, betonte er.

„Die wusste ja noch nicht mal, wer du bist!“

Er lachte schallend. „Das fand ich sehr erfrischend. Du weißt genau, wie anstrengend ich die üblichen Reaktionen finde. Endlich mal in einem Geschäft herumstehen und dabei in Ruhe meine Mails checken können, ohne dass man mir einen Sitzplatz, einen Kaffee und die neueste Herrenkollektion anbietet und im Gegenzug Autogramme und Selfies haben will. Ich sollte nach England auswandern.“

„Wieso England?“, fragte Sofia verständnislos.

„Die junge Frau war Engländerin. Anscheinend kennt man mich dort nicht.“

„Das sehe ich nicht als Vorteil, mein Lieber. Wir müssen unbedingt an deiner internationalen Bekanntheit arbeiten.“

Während sie die Promenade entlangschlenderten, ließ Luca den Blick über die gepflegten Grünanlagen schweifen, in denen Oleander, Hibiskus und Bougainvillea üppig blühten. Auf einmal blieb er wie angewurzelt stehen und kniff die Augen gegen die blendende Sonne zusammen.

„Oh nein, nicht schon wieder“, murmelte er.

„Was ist?“ Sofia wandte sich zu ihm um und starrte dann suchend in die gleiche Richtung wie er.

„Ach nichts. Ich dachte nur, ich hätte jemanden gesehen.“ Er zog seine Sonnenbrille aus der Brusttasche seines Hemdes und setzte sie eilig auf.

„Deiner Miene nach zu urteilen ist das niemand, den du treffen möchtest.“

„Nein, nicht unbedingt. Er hat mich schon in Mailand und Neapel gestalkt.“

„Gestalkt, sagst du? Ein Fan?“

„Nein, das ist kein Bewunderer.“

„Hat er dich etwa bedroht?“, fragte Sofia beunruhigt.

„Nicht direkt. Gestalkt ist vielleicht übertrieben – sagen wir, ich treffe ihn zu oft, als dass es Zufall sein könnte.“ Luca wusste sehr gut, dass der Mann ihn bewusst verfolgte, aber er wollte die Sache herunterspielen.

„Du musst ihn der Security zeigen, die schaffen ihn dir vom Hals. Wenn er dich hier belästigt, können wir versuchen, eine einstweilige Verfügung …“

„Lass mal, ist nicht so wild“, wehrte er ab. „Der wird mich nicht gleich umbringen.“

„Woher willst du das wissen? Ist alles schon vorgekommen.“

„Ich kenne den Typen von früher“, murmelte Luca. „Einer von der Schauspielschule, der keinen Erfolg hat. Der ist nur neidisch, sonst nichts.“ Rasch verdrängte er die unangenehmen Erinnerungen und den Teil der Geschichte, den er selbst zu verantworten hatte, um lieber wieder an Keyla zu denken. Es geschah nicht oft, dass ihn eine Frau spontan so anzog. Dabei war er ständig von den schönsten Schauspielerinnen und Models umgeben. Doch deren Charme war ihm zu eigennützig und ließ ihn nach einigen unerquicklichen Erfahrungen inzwischen kalt.

Ihm war nicht entgangen, wie Keyla auf ihn reagiert hatte, obwohl sie offensichtlich keine Ahnung gehabt hatte, wer er war. Das war ungemein beruhigend. Noch dazu hatte ihre natürliche Art ihn fasziniert und amüsiert. Sie mochte in einem eleganten Kleid gesteckt haben, aber er war sicher, dass sie privat lieber sportliche Kleidung trug, genau wie er. Und dass sie wie er die Natur liebte und man sie nicht auf diesen grässlichen Partys antreffen würde, zu denen er immer gehen musste, um „sich sehen zu lassen und Kontakte zu knüpfen“, wie Sofia das nannte.

Wenn er es nicht so lieben würde, vor der Kamera andere Menschen zu verkörpern, würde er sich einen unauffälligeren Job mit mehr Privatsphäre suchen. Auch wenn dieser hier gewisse Annehmlichkeiten mit sich brachte, gestand er sich ein, als er auf die in der Sonne blitzende dunkelblaue Jacht namens Bellaluna zuging, die im Hafen von Porto Cervo vor Anker lag. Sie gehörte ihm allerdings nicht, sondern war nur eine Leihgabe eines Freundes aus dem Jetset für die Dauer seines Aufenthalts auf Sardinien. Er hätte sein Geld nie für etwas so Protziges ausgegeben, auch wenn er es sich hätte leisten können. Doch der schöne Schein war alles in dieser künstlichen Welt, in der er lebte, und natürlich verlieh es ihm ein glamouröseres Image, auf einer Jacht zu wohnen.

„Wann fangen wir an zu drehen?“, fragte er.

„Um sechzehn Uhr. Halte dich ab vierzehn Uhr für die Maske bereit. Ich rufe dich an, wenn es so weit ist.“

Sofia wohnte mit den anderen Kollegen des Filmteams in einem der luxuriösen Hotels, die sich flach und terrakottafarben gehalten harmonisch in die atemberaubende Landschaft einfügten. Er selbst hatte als Star des Films das einsame Privileg der Jacht.

„Gut, bis nachher.“ Luca zog den Schlüssel aus der Hosentasche, warf ihn spielerisch in die Luft und fing ihn wieder auf. Ob er mit diesem protzigen Prachtstück wenigstens die interessante Engländerin beeindrucken konnte? Doch so, wie er sie einschätzte, hatte sie mit Statussymbolen nicht viel im Sinn. Bei ihr würde er nicht nur seinen Charme, sondern auch seinen Grips bemühen müssen. Diese Aussicht bot einen prickelnden Reiz. Fröhlich pfeifend ging er an Bord.

Als Keyla Feierabend hatte, schlenderte sie die Promenade von Porto Cervo entlang und stieg am anderen Ende des Jachthafens in die Bahn, mit der sie zu Janes Haus fahren wollte, das einige Kilometer entfernt in einer Kleinstadt lag. Ihre Cousine war noch in der Boutique mit Büroarbeiten beschäftigt.

Die kleine Bimmelbahn sah aus wie ein Spielzeugzug aus Holz und wurde überwiegend von Touristen benutzt. Keyla genoss stets die kurzen Fahrten in den seitlich offenen Waggons entlang der blühenden Grünanlagen, hinter denen versteckt Villen und Hotels mit Rundbögen und Ziegeldächern lagen. Zwischen den Häusern boten sich immer wieder überwältigende Blicke auf Buchten, in denen sich blitzende Jachten tummelten. Alles strahlte Eleganz und dezenten Reichtum aus, Sicherheit und Friedlichkeit. In diesem fremden Ort fühlte sie sich geborgener als im Londoner Bezirk Newham, in dem sie zuletzt gelebt hatte.

Nach einer Kurve erblickte sie eine Menschenansammlung auf der von Oleanderbäumen gesäumten Straße und ein rotes Absperrband, das den idyllischen Anblick störte. Neugierig sah sie aus dem offenen Fenster und nahm hinter der Absperrung eine riesige Kamera wahr, vor der sich zwei attraktive Frauen einen saftigen, beinahe handgreiflichen Krach lieferten. Als der Regisseur: „Danke, das war’s“, rief, brachen sie in Gelächter aus und umarmten einander.

Die Bahn hielt an der Haltestelle vor einer Hotelanlage, und einer plötzlichen Eingebung folgend verließ Keyla ihren Sitzplatz und stieg aus, obwohl sie ihr Ziel noch nicht erreicht hatte. Gebannt verfolgte sie aus einiger Entfernung den Filmdreh und ließ ihren Blick suchend über die Menge schweifen. Elegant gekleidete Schauspieler und Komparsen, Kameramänner, Tontechniker, Masken- und Kostümbildner sowie etliche schaulustige Touristen, die wie sie die Szene beobachteten.

Und dann endlich sah sie ihn: Luca de Rossi. Er stand am Rand, blinzelte in die Sonne und hielt sein Gesicht einer jungen Frau entgegen, die ihm Nase und Stirn puderte und glättend über sein Haar strich.

Keylas Herz machte einen kleinen Hüpfer, und ihr wurde klar, dass sie gehofft hatte, ihn hier zu sehen. Da brauchte sie sich gar kein spontanes Interesse für die Filmindustrie vorzumachen – sie war seinetwegen aus der Bahn gestiegen, das gestand sie sich seufzend ein.

Ihre Blicke trafen sich und hielten einander fest. Die Make-up-Artistin verschwand, und Luca lächelte und gab Keyla ein Zeichen, sich zu nähern, wobei er auf sie zukam.

Vorsichtshalber blickte Keyla sich um. Es hielt sich jedoch niemand hinter ihr auf, dem das Winken gegolten haben könnte. Ignoriere es – geh nicht, warnte ihre innere Stimme, aber ihre Beine setzten sich trotzdem in Bewegung.

Luca sagte etwas zu einem Security-Mitarbeiter, der das Absperrband anhob, damit Keyla bequemer darunter hindurchschlüpfen konnte.

„Hallo“, begrüßte er sie lächelnd. „Wollen Sie mir bei der Arbeit zuschauen?“

„Oh, ich kam gerade zufällig hier vorbei, ich war auf dem Nachhauseweg …“

Er war nun nicht mehr lässig gekleidet wie am Vormittag, sondern trug einen eleganten Anzug mit einem blütenweißen Hemd, dessen oberste Knöpfe offen standen und den Blick auf seine gebräunte Brust freigaben. Sein fingerlanges dunkles Haar war sorgfältig frisiert, und er war so frisch und gründlich rasiert, dass seine Haut schimmerte.

Keyla liebte seidig glatt rasierte Männerwangen und gestand sich ein, dass sie Luca einfach zum Anbeißen fand. Gleichzeitig wurde ihr bewusst, dass sie eine weite Cargohose aus Baumwolle trug, die genau wie ihre flachen Sandalen weder Schick noch Sexappeal hatte, ihre Haare hatte sie zu einem unkleidsamen Pferdeschwanz zusammengebunden. Ihren dünnen Hoodie trug sie um die Hüften geschlungen. Eigentlich sollte es ihr egal sein, wie sie aussah, schließlich wollte sie ihn nicht verführen, doch aus irgendeinem Grund war es ihr unangenehm. Unbehaglich zupfte sie an ihrem T-Shirt.

Luca lächelte. „Ich wäre auch lieber so locker angezogen wie Sie – ich schwitze mich dumm und dämlich in diesem feinen Zwirn.“

Sie lachte erleichtert. „Es ist ganz schön heiß heute, was? Ich habe gehört, dass das Wetter in Nordsardinien im Mai oft noch ziemlich launisch sein kann.“

„Das kann passieren. Aber Mai ist auch die schönste Zeit hier – es ist Frühling, und die ganze Insel blüht. Ich hoffe, Sie kommen dazu, sich die Gegend anzusehen.“

„Vielleicht am Wochenende.“

Der Regisseur rief etwas auf Italienisch, und Luca spitzte die Ohren. „Das ist meine nächste Szene. Bleiben Sie noch und sehen mir zu?“

„Mit Vergnügen. Viel Erfolg.“

Gebannt beobachtete Keyla sein subtiles und dennoch abwechslungsreiches Mienenspiel bei seinem Dialog mit einem Schauspielkollegen. Innerhalb von wenigen Minuten schwankte er zwischen Hoffnung, Freude, Bestürzung und Verärgerung. Sein Dialogpartner schien sich jedoch mehrmals zu verhaspeln, und so begannen sie immer wieder von vorne.

Keyla hätte Luca noch stundenlang zusehen können, ohne sich zu langweilen, doch als sie die nächste Bimmelbahn um die Ecke biegen sah, schaute sie hastig auf ihre Uhr. In zehn Minuten würde der Linienbus fahren, den sie im Anschluss nehmen musste, und der kam nur einmal in der Stunde. So löste sie ihren Blick bedauernd von Lucas anziehender Gestalt und beeilte sich, zur Haltestelle zu kommen.

3. KAPITEL

Das kleine Haus, das Janes Mann Flavio von seinem sardischen Großvater geerbt hatte, lag in Abbiadori, einer Kleinstadt im Hinterland von Porto Cervo.

Im Supermarkt um die Ecke kaufte Keyla Brot, sardischen Käse und Gemüse für das Abendessen. Als ihre Cousine kurz darauf eintraf – mit dem Auto war es im Gegensatz zu den öffentlichen Verkehrsmitteln ein Katzensprung –, bereiteten sie zusammen einen Salat zu und deckten den Tisch auf der Terrasse.

Obwohl sie ihre Cousine jahrelang nicht gesehen hatte, stellte sich zwischen ihnen sofort wieder die alte Vertrautheit ein, die sie als Kinder und Jugendliche gehabt hatten, als sie hier ankam.

Jane hatte sich kaum verändert. Sie trug lediglich ihr früher schulterlanges dunkelblondes Haar in einem stylischen Longbob und so raffiniert aufgehellt, dass es wirkte wie von der Sonne Italiens geküsst. Sie hatte schon immer eine angeborene Eleganz besessen, die sie für eine Karriere in der Modebranche zu prädestinieren schien, und es wunderte Keyla nicht, dass sie sich einen wohlhabenden Mann geangelt hatte, der ihr den Traum einer eigenen Nobelboutique ermöglichte.

„Fühlst du dich eigentlich wohl hier, Liebes?“, erkundigte Jane sich und richtete den Blick ihrer blauen Augen etwas besorgt auf sie. „Ich meine, es ist eine ziemliche Umstellung für dich, oder?“

Keyla hob die geschwungenen Augenbrauen. „Ja klar, Sonne und Wärme gegen nasskalten englischen Frühjahrsregen, mediterrane Eleganz und Schönheit gegen die Tristheit von Newham, Designermode gegen Billigklamotten – das ist wirklich eine schwierige Umstellung.“

„Nun ja, aber du hast sicher eine Ahnung davon bekommen, dass die Welt der Reichen und Prominenten für uns nicht unbedingt ein Paradies ist. Man wird ständig mit dem konfrontiert, was man nie wird haben können – das kann frustrierend sein. Und speziell Porto Cervo ist eine Kunstwelt für wohlhabende Touristen – das ist nicht das wahre Sardinien.“

„Stimmt, ich dachte immer, Sardinien wäre eine eher ärmere Insel. Wo kommt das Geld für all den Luxus her? Nur von den Touristen?“

„Nein. Die Costa Smeralda ist größtenteils im Besitz des Emirs von Qatar.“

„Ach, echt?“

„Ja. Stell dir vor, es gibt hier Hotels, in denen die Scheiche die Preise für eine Übernachtung in einer Suite auf vierzigtausend Euro festsetzen, damit sie unter sich bleiben. Dafür müssten wir beide verdammt lange arbeiten.“

„Wow.“ Keyla zerbröselte ihre Weißbrotscheibe zwischen den Fingern.

„Du wirkst geistesabwesend“, stellte Jane fest.

„Gerade habe ich Luca de Rossi bei den Dreharbeiten zugesehen“, platzte Keyla heraus und naschte eine Olive.

„Oh, das ist ja cool, warum nur war ich nicht dabei?“

„Da kannst du mal sehen, was man alles verpasst, wenn man ein Auto hat“, sagte Keyla lachend.

„Ach, übrigens soll diese Jacht, die dir heute Morgen so gefallen hat, tatsächlich Luca de Rossi gehören.“

„Woher weißt du das?“

„Ich bin gerade Chiara über den Weg gelaufen und habe kurz mit ihr geplaudert. Sie hat Luca vorhin an Bord gehen sehen. Konntest du noch mal mit ihm reden, oder hast du ihn nur von Weitem gesehen?“

„Ich habe mich mit ihm unterhalten, und er schien Wert darauf zu legen, dass ich ihm beim Drehen zusehe.“

„Du machst mich neidisch. Und? Worüber habt ihr geredet?“

„Über den Frühling auf Sardinien.“

„Wie romantisch.“ Jane seufzte verzückt.

„Ach was, er hat mir nur geraten, mich umzusehen, solange noch alles blüht.“

„Wir können am Sonntag ein wenig herumfahren. Oder mal zusammen ausgehen.“

„Stört es dich eigentlich nicht, so lange von Flavio getrennt zu sein?“

„Ach weißt du … Wir sind jetzt fünf Jahre verheiratet, da ist man auch mal froh über eine kleine Pause. Und so viel habe ich in Mailand auch nicht von ihm, er arbeitet andauernd und ist oft auf Geschäftsreise. Er kommt immerhin nächsten Monat für ein langes Wochenende her.“

Keyla betrachtete ihre Cousine aufmerksam und bemerkte, dass ihre sanften Gesichtszüge sich angespannt hatten. „Bist du nicht glücklich mit ihm?“

„Doch, im Grunde schon. Aber wahrscheinlich gerade, weil wir uns im Sommer nicht regelmäßig sehen.“

„Wollt ihr eigentlich keine Kinder?“

„Doch, wir arbeiten daran. Es hat allerdings bisher nicht geklappt.“

Keyla lachte auf. „Wie denn auch, wenn ihr so wenig Zeit dafür zur Verfügung habt.“

Jane blickte sie ernst an. „Flavio ist mir ein guter Partner, aber Romantik und Erotik bleiben im Alltag leider oft auf der Strecke. Das ist wohl unvermeidlich. Deswegen, kleine Cousine, möchte ich dir eins mit auf den Weg geben: Genieße das Leben, bevor du dich für immer und ewig bindest. Flirte viel, lass dich umwerben, vielleicht auch verführen, wenn dir danach ist. Es ist bekanntlich besser zu bereuen, was man getan hat, als zu bereuen, was man nicht getan hat.“

Als Keyla am nächsten Morgen an der Hafenpromenade entlang zur Boutique ging, wurde ihr Blick wieder von der schönen dunkelblauen Jacht angezogen. Über Nacht hatte die Bellaluna eine neue Nachbarin bekommen, die einem Reederei-Milliardär zur Ehre gereicht hätte und neben der sie sich beinahe bescheiden ausnahm. Trotzdem schlug gerade dieses Schiff Keyla in seinen Bann, als hätte sie eine persönliche Beziehung dazu. Musste wohl an seinem interessanten Bewohner liegen.

Sie hoffte, Luca zu entdecken, sah aber nur einen Mitarbeiter der Crew, der das Deck säuberte. Kopfschüttelnd über ihre eigene Torheit ging sie an der Jacht vorbei und schlug rechtzeitig einen Bogen um die Tische von Chiaras Café-Restaurant. Sie sollte sich dieses aufkommende Interesse besser gleich aus dem Kopf schlagen. Es war ja nicht mal sicher, ob sie Luca überhaupt wiedersehen würde. Und selbst wenn – sie hatte keine Lust auf die Flirtversuche eines Jetset-Casanovas, der von Berufs wegen Charme versprühte, und wenn ihm tausend Mal alle Frauen Italiens zu Füßen lagen. Da konnte Jane ihr erzählen, was sie wollte.

Dennoch schlug ihr Herz höher, als sie am späten Vormittag den attraktiven Mann erkannte, der die Boutique betrat.

„Oh, hallo. Heute ohne Ihre Begleitung?“ Keyla presste die Lippen aufeinander. Was für eine dämliche Bemerkung. Es war offensichtlich, dass er allein war, und noch dazu glaubte er nun sicher, sie wolle auf den Busch klopfen, wer seine Begleiterin gewesen war.

Er nickte. „Es ist nicht die Regel, dass ich meine Managerin beim Shoppen begleite, das hatte sich nur zufällig so ergeben. Heute will ich mich für mich selbst umschauen.“

So, die kühle Blonde war also seine Managerin. „Gern. Suchen Sie etwas Bestimmtes?“

„Ich könnte ein Hemd gebrauchen. Weiß und eher klassisch.“

„Die Oberhemden sind dort drüben.“ Sie folgte ihm langsam zu den Kleiderständern mit der Herrenmode.

Luca schob einige Bügel hin und her, dann wandte er sich zu ihr um.

„Ich war ein bisschen enttäuscht, dass Sie gestern nicht mehr da waren, als ich mit meiner Szene fertig war. Spiele ich so schrecklich, dass Sie es nicht länger ausgehalten haben?“, scherzte er.

„Ich denke, Sie wissen sehr genau, dass Sie fabelhaft spielen. Aber ich musste nach Hause, und da gerade die Bahn kam, wollte ich sie nicht verpassen.“

„Ach so. Schade, ich hatte Sie noch auf einen Drink nach Drehschluss einladen wollen.“

Ups. Keyla wusste nicht, ob sie erschreckt oder erfreut sein sollte. Vorsichtshalber antwortete sie nicht.

Offenbar gab er sich nicht so schnell geschlagen, denn er fragte: „Haben Sie Lust, heute Abend mit mir essen zu gehen?“

„Danke für das Angebot, Signore de Rossi, aber …“

„Bitte nennen Sie mich Luca.“

„Danke, Luca, das ist nett, nur … ich kann heute Abend nicht.“

„Vielleicht morgen?“

„Also, generell ist das schwierig“, druckste sie. „Weil … also, ich …“

„Sie haben jemanden?“

„Mehr oder weniger.“

Er hob die Augenbrauen. „Ja oder nein?“

Sie hatte vorgeben wollen, einen Freund zu haben, das schien ihr die beste Lösung zu sein, doch als er ihr so direkt in die Augen sah, brachte sie die Lüge nicht über die Lippen.

„Nein, aber, ich … ich meine, Sie sind nur kurz hier im Ort, oder?“

„Lange genug, um zu Abend zu essen“, erwiderte er trocken.

Sie lachte verlegen und errötete unter seinem forschenden Blick. „Bitte, nehmen Sie es nicht persönlich, Luca, aber ich möchte nicht.“ Sie bemerkte, wie Jane, die in Hörweite stand, sich vor die Stirn schlug und eine verständnislose Grimasse zog.

„Dieses Hemd scheint mir wie gemacht für Sie“, sagte Keyla hastig und zog ein elegantes weißes Oberhemd von Patrizia Pepe hervor.

Luca nahm es ihr aus der Hand und betrachtete es prüfend. „Ja, an so was in der Art hatte ich gedacht.“

„Das hier ist vermutlich zu klein, doch wir haben dieses Modell auch noch originalverpackt in anderen Größen. Möchten Sie eins anprobieren?“

Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. „Vielleicht ein anderes Mal. Ich muss jetzt los. Ciao.

Er drückte ihr das Hemd in die Hände und wandte sich zum Gehen. Keyla konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass er ein wenig verärgert war. Sicher war er es nicht gewohnt, einen Korb zu bekommen.

„Irgendwann ist immer das erste Mal“, murmelte sie und zuckte trotzig die Achseln. Sie war stolz auf sich, weil sie der Versuchung widerstanden hatte, doch gleichzeitig verspürte sie ein nagendes Verlustgefühl.

4. KAPITEL

„Du kannst jetzt Feierabend machen, Keyla“, sagte Jane am frühen Abend desselben Tages. „Aber ich möchte dich bitten, auf dem Heimweg dieses Hemd hier einem Kunden zu bringen. Er hat es bestellt.“ Sie ließ ein auf Karton gespanntes und in Cellophan verpacktes Männerhemd in eine der kartonierten Hochglanzpapiertüten der Boutique gleiten.

„Seit wann bieten wir einen Lieferservice an?“, fragte Keyla verblüfft.

Ihre Cousine grinste. „Wenn der Kunde Luca de Rossi heißt, liefern wir auch. Er hat vorhin angerufen und gesagt, dass er sich nun doch für das Hemd von Patrizia Pepe entschieden hat, das du ihm gezeigt hast, aber keine Zeit mehr hat vorbeizukommen.“

Keyla trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen. „Kannst du das nicht machen?“

„Süße, ich sterbe vor Lust, ihm dieses Hemd persönlich auf seine Jacht zu bringen und auch gleich bei der Anprobe behilflich zu sein, nur leider hat er ausdrücklich nach dir verlangt.“

Keyla runzelte die Stirn und verzog den Mund.

Jane sah sie ungläubig an. „Warum ziehst du so ein Gesicht? Tausende junger Frauen würden töten für so eine Gelegenheit!“

„Und bereitwillig mit ihm in die Koje der Kajüte springen, meinst du“, ergänzte Keyla ironisch. „Danke, nein.“

„Na, du musst ja nicht. Er ist sicher nicht der Typ, der eine Frau zu irgendetwas zwingt.“

„Weiß man’s? Solche Typen sind doch so erfolgsverwöhnt, dass sie ein Nein gar nicht gelten lassen.“

„Du solltest nicht alle über einen Kamm scheren“, tadelte Jane. „Luca de Rossi hat absolut nicht das Image eines Don Juans. Da er Single ist, dichtet ihm die Regenbogenpresse natürlich immer mal eine neue Affäre an, allerdings glaube ich, da steckt nicht viel dahinter.“

„Trotzdem … bei einem Filmstar erscheint es mir vorprogrammiert, dass er nur mit mir spielen würde. Der hat schließlich die große Auswahl.“

„Nun ja, eine feste Beziehung würde ich mir nicht unbedingt erhoffen“, räumte Jane ein, „aber gönn dir doch ein kleines Abenteuer, das wird deinem Selbstbewusstsein guttun nach der Schlappe mit Daryll.“

„Ich kann damit nicht so locker umgehen. Wenn ich mit ihm schlafe, werde ich mich todsicher in ihn verlieben, und dann bin ich unglücklich, wenn er mir den Laufpass gibt.“

„Genieße doch einfach nur einen kleinen Flirt, du musst ja nicht bis zum Äußersten gehen. Und überhaupt. Nach deiner Abfuhr von heute Vormittag will er vielleicht gar nichts mehr von dir. Du sollst ihm lediglich ein Hemd bringen.“

„Gut, ich erledige das.“ Keyla seufzte. „Ich zieh mich schnell um.“

„Nichts da, du wirst nicht in deinen langweiligen Unisex-Klamotten zu Luca de Rossi gehen!“

„Das ist kein Date“, protestierte sie.

„Nein, aber du repräsentierst meine Boutique, und da wirst du unseren reichen Kunden angemessen gekleidet gegenübertreten“, entschied Jane.

Keyla erinnerte sich daran, wie verlegen es sie am Abend zuvor gemacht hatte, Luca so leger gekleidet zu begegnen, und fügte sich. Zumal sie den modisch gemusterten Seidenrock, den sie an diesem Tag trug, selbst sehr verführerisch fand. Wenn nur ihre Füße in den ledernen Riemchensandaletten nicht so schmerzen würden.

Sie hatte sich eine Blase gelaufen und humpelte nun unelegant über die Promenade. Kurzentschlossen zog sie die Schuhe aus, als sie auf die Bellaluna zuging, und ließ sie an den Riemchen von der Hand baumeln.

Luca erschien an der Reling und strahlte sie an. „Endlich eine Frau, die begriffen hat, dass man keinesfalls auf High Heels an Bord einer Jacht gehen sollte.“

Keyla zuckte mit den Schultern. „Davon habe ich keine Ahnung. Mir tun nur unglaublich die Füße weh, und ich denke, barfuß laufen sieht auf jeden Fall besser aus als hinken.“

„Das stimmt. Offenbar soll es so sein, dass Sie mir immer wieder auf nackten Füßen entgegenkommen.“

Keyla musste lachen und drückte ihm die Tüte der Boutique in die Hand. „Bitte schön, das bestellte Hemd. Meine Cousine lässt Ihnen ausrichten, dass Sie es gern auf Rechnung bezahlen können. Die ist in dem Umschlag in der Tüte. Und umtauschen können Sie es natürlich auch, wenn es nicht passt.“

„Ich schaue morgen vorbei und bezahle direkt“, versprach er und reichte ihr einladend die Hand. „Kommen Sie.“

„Oh, äh, ich wollte eigentlich nicht … Ich muss …“

„Ich möchte Ihnen was zeigen. Wenn es Ihnen nicht gefällt, können Sie sofort wieder gehen.“

Die Berührung seiner Finger fühlte sich viel zu gut an, um ihm ihre Hand zu entziehen, und so ließ Keyla sich bereitwillig von ihm auf das Zwischendeck der Jacht führen.

„Mein Gott, ist das schön!“, entfuhr es ihr. Sie starrte beinahe ehrfürchtig auf den für zwei gedeckten Tisch mit den roten Hibiskusblüten in der Mitte. Das goldene Licht der untergehenden Sonne ließ das Besteck glänzen und den weißen Damast von Tischtuch und Servietten strahlen. Das Meer in der Bucht glitzerte, und der Himmel färbte sich in zarte Orangetöne. „Sie bekommen noch Besuch?“

„Ist soeben eingetroffen.“ Er ließ ihre Hand los, um einen der Stühle zurückzuziehen und eine einladende Geste zu machen. „Ich dachte mir, als Entschädigung für die kostenlose Lieferung wäre ein Snack angebracht.“

„Es war kein Umweg, ich komme auf dem Heimweg sowieso hier vorbei“, wehrte sie halbherzig ab.

Er seufzte. „Das war ein miserabler Vorwand, ich gebe es zu.“

Keyla stemmte die Hände in die Taille. „Sie geben also zu, dass das ein Trick war, um mich nun doch zu einem Abendessen zu überreden und auf Ihre Jacht zu locken?“

Luca legte den Kopf schief. „Sind Sie nur verärgert oder auch ein kleines bisschen erfreut?“

„Ich überlege noch“, erwiderte sie hoheitsvoll, aber ein Zucken in ihren Mundwinkeln strafte ihren kühlen Ton Lügen. „Was gibt es denn zu essen?“

„Ich habe beim Koch etwas typisch Sardisches bestellt. Als Vorspeise Meeresfrüchtesalat, als primo piatto Malloreddus und als Hauptgericht Fisch aus der Region. Ich hoffe, Sie mögen das. In der Kombüse gibt es natürlich nicht die gleichen Möglichkeiten wie in einem Restaurant oder auf einem Kreuzfahrtschiff, daher ist es wahrscheinlich etwas schlichter.“

„Es ist sicher weniger schlicht als das Abendessen, das ich eigentlich geplant hatte. Was sind Malloreddus?“

„Kleine weiße Grießklößchen, die mit pikanter Tomatensauce serviert werden, in die Hackfleisch oder Schafskäse gemengt ist. Das ist die gebräuchlichste Nudelart der Insel. Italiener bezeichnen sie als sardische Gnocchi.“

„Es klingt auf jeden Fall gut.“ Sie ließ sich auf den Stuhl sinken, den er ihr zurechtschob, und er setzte sich ihr gegenüber.

„Nehmen wir Weißwein dazu? Passt besser zu Fisch und Meeresfrüchten.“

Wie aufs Stichwort erschien ein fülliger Mann in mittleren Jahren, deutete eine kleine Verbeugung in ihre Richtung an und hielt Luca eine Flasche Wein hin, damit er das Etikett lesen konnte.

Luca nickte. „Ein Campidano di Terralba, ausgezeichnet. Das ist ein Weißwein aus der Region um Oristano.“

„Ich habe keine Ahnung von Wein“, gestand Keyla. „Schon gar nicht von sardischem.“

Er lächelte. „Ich bin selbst kein Weinkenner. Für mich gibt es nur die Sorten ‚schmeckt mir‘ und ‚schmeckt mir nicht‘. Aber ich versuche, die lokale Weinproduktion zu unterstützen.“

„Bitte auch ein Wasser dazu“, bat Keyla den Steward. Sie wollte nicht riskieren, vor Durst zu viel Wein zu trinken und sich dann zu etwas hinreißen zu lassen, das sie später bereuen könnte.

„Das ist übrigens Alberto – der Mann für den Service an Bord.“ Luca prostete ihr zu. „Ich freue mich über Ihre Gesellschaft, Keyla. Wollen wir uns nicht duzen?“

„Klar, gerne.“

Der trockene Weißwein war gut gekühlt und sehr erfrischend.

„Erzähle mir was von dir“, bat Luca, nachdem sie beide einen Schluck getrunken hatten. „Wie hat es dich auf meine Insel verschlagen?“

„Deine Insel?“, fragte sie spöttisch, in einem Versuch, ihn von dem heiklen Thema abzubringen. „Gehört sie dir, genau wie die Jacht?“

„Ich meinte natürlich, meine Heimatinsel. Oder präziser, die Heimat meiner Mutter. Sorry, mein Englisch ist nicht perfekt.“

„Immer noch bedeutend besser als mein Italienisch“, gab sie zu. „Entschuldige, ich wolle mich nicht über dich lustig machen. Und dein Akzent klingt echt schön.“

„Danke. Die Jacht gehört mir übrigens auch nicht, um das gleich klarzustellen.“

„Lass mich raten, gemietet, weil du keine Hotels magst?“

„Quatsch, ich würde viel lieber mit den Kollegen im Hotel wohnen und vor dem Schlafengehen noch einen Absacker an der Bar nehmen. Die Jacht wird mir zur Verfügung gestellt, weil es besser fürs Prestige ist. Ich gebe in den nächsten Tagen Interviews an Bord, es kommen Pressefotografen, und all das dient natürlich auch der Promotion des Films. Und der Besitzer der Bellaluna fühlt sich geschmeichelt, wenn seine Jacht in den Zeitungen zu sehen ist.“

„Worum geht es in dem Film?“, wollte sie wissen und war erleichtert, dass es ihr gelungen war, das Gespräch in eine andere Bahn zu lenken.

„Ich spiele einen Sarden, der durch harte Arbeit auf dem Festland zu Geld gekommen ist und nun in seine Heimat zurückkehrt und versucht, seine Jugendliebe zurückzuerobern. Natürlich steht den beiden so einiges im Weg, und er muss sich vielen Anfeindungen von neidischen früheren Freunden stellen und all das.“

„Gefällt dir das Drehbuch?“

„Ja, sonst hätte ich die Rolle nicht angenommen. Zum Glück muss ich schon lange keine Angebote mehr annehmen, die mir nicht zusagen, nur um die Miete zu zahlen. Es steckt viel von meiner eigenen Geschichte darin, deswegen wollte ich es unbedingt machen. Aber mir ist klar geworden, dass das recht schmerzhaft sein kann.“

Er starrte zum Horizont, wo die Sonne langsam unterging, und sah für einen Moment so verwundbar aus, dass Keyla am liebsten seine Hand genommen hätte.

„Hast du auch eine Jugendliebe, die du gern zurückerobern würdest?“, fragte sie leise.

„Wie?“ Er schien sich nur mühsam von seinen Gedanken losreißen zu können. „Oh nein, das ist es nicht. Ich dachte eher an die Freunde, zu denen man den Kontakt verliert, weil man nicht mehr in der gleichen Welt lebt, an Neid und Missgunst, die einem entgegenschlagen, weil den Leuten nicht bewusst ist, wie hart man für den Erfolg gearbeitet hat, wie viel Kampf, Verzicht und Frustration oft dahinterstecken. All das eben.“

Alberto brachte zwei kleine Glasschalen mit Meeresfrüchtesalat, und Luca nahm das zum Anlass, das Thema zu wechseln.

„Also, Keyla, wie kommt es, dass du auf Sardinien bist?“

„Meine Cousine brauchte etwas Unterstützung in ihrer Boutique, und da ich gerade keinen Job hatte, habe ich nur zu gern London gegen diesen paradiesischen Ort getauscht.“ Sie starrte kurz über das Meer. „Außerdem brauchte ich einen Tapetenwechsel, weil mein Freund und ich uns vor drei Wochen getrennt haben“, gestand sie nun doch.

„Oh.“ Er blickte sie mitfühlend an. „Wenn er dich hat gehen lassen, muss er ein Idiot sein.“

Sie lachte verächtlich auf. „Er hat mich nicht nur gehen lassen, sondern mich rausgeschmissen“, gab sie zu. „Aus seiner Wohnung, in der ich gelebt habe, und aus seinem Geschäft, in dem ich gearbeitet habe.“

„Oha. Hast du was Schlimmes angestellt?“

„Ja – ihn beim Fremdgehen in unserem Bett erwischt.“

„Autsch.“

Keyla hatte nicht vorgehabt, Luca das alles auf die Nase zu binden, aber sie hatte sich in Rage geredet und merkte auf einmal, dass sie es befreiend fand, ihm alles zu erzählen.

„Und da es in London nahezu unmöglich ist, auf die Schnelle eine bezahlbare Wohnung zu finden, musste ich erst mal wieder zu meinen Eltern ziehen. Die waren auch nicht gerade begeistert. Meine Mutter hat es natürlich ihrer Schwester erzählt, und die hat es ihrer Tochter erzählt – also meiner Cousine Jane. Und die hat mir sofort den Job in ihrer Boutique angeboten, und ich kann auch bei ihr wohnen. Allerdings nur bis zum Saisonende. Dann geht sie nach Mailand zurück und ich … ach, keine Ahnung. Ich werde schon wieder irgendeinen Job und eine Unterkunft finden.“

„Das ist ja eine blöde Geschichte“, sagte Luca teilnahmsvoll. „So ein Mistkerl. Na, zumindest verstehe ich nun, wieso du keine Lust auf ein Date hattest.“

„Genau. Ich will nicht vom Regen in die Traufe kommen.“

„Vielen Dank für den Vergleich“, brummte er etwas eingeschnappt.

„Entschuldige. Aber ist es nicht klar, dass ich jetzt vorsichtig bin? Es war ein Drama und hat mein Leben total durcheinandergebracht“, erwiderte sie heftig.

„Verstehe ich gut. Aber wenigstens bist du dadurch nach Sardinien gekommen und wir haben uns kennengelernt – worüber ich mich freue.“

„Wie Jane es ausdrücken würde: Statt dir in einem tristen Londoner Vorort die Beine in einem Billigmodeladen in den Bauch zu stehen, dinierst du jetzt bei Sonnenuntergang auf einer Jacht mit einem der angesagtesten italienischen Filmstars – wo ist eigentlich dein Problem, Sweetie?“

Sie lachten.

„Das Problem liegt darin, sich ausgenutzt und weggeworfen zu fühlen“, sagte Luca dann leise. „Und in dem Gefühl, lange einfach blind und blöd gewesen zu sein.“

Es klang, als wisse er, wovon er sprach, und als wecke dies schmerzhafte Erinnerungen bei ihm.

„Ist dir so was auch passiert?“

„So in der Art. Nur dass es meine Wohnung war, in der ich meine Freundin in eindeutiger Situation mit einem anderen Typen vorgefunden habe. Nachdem ich ihr ein Jahr lang jeden Wunsch von den Augen abgelesen und versucht hatte, ihr Kontakte beim Film zu verschaffen. Freunde hatten mich gleich davor gewarnt, mich mit einem Model einzulassen, aber ich habe sie bezichtigt, Vorurteile zu haben. Sie war so wunderschön und auch so lieb … tja, sie hatte wohl tatsächlich Schauspielqualitäten.“ Er lachte bitter auf und zerknüllte die Stoffserviette in seiner Hand.

„Bestimmt hat sie dich geliebt“, sagte Keyla sanft.

„Mag sein, dass sie gefunden hat, ich sei ein netter Kerl, ja. Eine Win-win-Situation für sie. Oh, und weißt du, sie war nicht die Einzige. Ständig turteln schöne Frauen aus dem Showbusiness um mich herum und erhoffen sich davon entweder ein Sprungbrett in eine Karriere beim Film oder einen Ehering, um ausgesorgt zu haben. Das mit Tatjana ist nun zwei Jahre her, ich bin längst darüber hinweg, doch ich merke nun viel schneller, wenn mich eine Frau nur ausnutzen will.“

„Da kannst du bei mir völlig beruhigt sein – weder strebe ich eine Karriere beim Film an, noch will ich was mit dem Jetset zu tun haben. Und schon gar nicht suche ich einen Ehemann. Ich will nur eins, meine Unabhängigkeit.“

Er lächelte und beugte sich über den Tisch zu ihr herüber. „Das glaube ich, deswegen wollte ich auch mit dir ausgehen.“

Ihr wurde bewusst, dass ihre Worte nach einem halben Versprechen geklungen haben mussten, und sie wich verlegen zurück. „Ich meinte damit, ich will erst mal gar nichts von Männern.“

„Ich kann verstehen, dass deine Enttäuschung noch zu frisch ist, aber willst du denn für immer auf Liebe verzichten?“

Unter seinem forschenden Blick schluckte sie. „Für immer sicher nicht. Und du?“

„Auf keinen Fall. Hey, ich bin Italiener, für mich gibt es auf Dauer kein Leben ohne amore“, rief er theatralisch, und Keyla musste lachen. „Ich bin jetzt einunddreißig, als Mann habe ich noch etwas Zeit, doch irgendwann möchte ich unbedingt mindestens zwei Kinder haben und natürlich mit deren Mutter eine glückliche Ehe führen. Und es soll selbstverständlich eine Liebesheirat sein.“

„Du wirst sie sicher finden, die Eine“, sagte sie leise.

„Was machst du gern in deiner Freizeit?“, wechselte Luca das Thema, sichtlich bemüht, wieder einen leichteren Ton anzuschlagen. „Nutzt du das Londoner Nachtleben und feierst in angesagten Clubs?“

„Um Himmels willen, nein. Meine Diskozeit ist schon seit mindestens fünf Jahren vorbei. Wenn ich von der Arbeit komme, tun mir die Füße und der Rücken weh und ich möchte eigentlich nur noch auf die Couch und ein gutes Buch lesen. Das klingt schrecklich spießig, oder?“

Luca schüttelte den Kopf. „Das geht mir nicht anders. Allerdings muss ich statt auf der Couch meine Zeit eher im Fitnessstudio oder mit meinem Personal Trainer verbringen, um vor der Kamera wie ein toll trainierter Typ auszusehen. Einen Bauch kann ich mir nicht leisten, nur esse ich so gerne Pizza …“

Keyla lachte. „Das sieht man dir wirklich nicht an. Ich weiß zwar nicht, wie es unter deinem Hemd aussieht, aber …“ Sie verstummte, als sie das amüsierte Funkeln in seinen dunklen Augen sah, und war froh, dass er in dem gedämpften Licht vermutlich nicht die Röte bemerkte, die ihr in die Wangen stieg.

Das lag weniger an ihrer provozierenden Bemerkung als vielmehr an der Vorstellung eines halb nackten Luca de Rossi, die sich ihr plötzlich aufdrängte. Seine ausgeprägte Armmuskulatur war unter den kurzen Ärmeln seines T-Shirts nicht zu übersehen, und sicher hatte er einen Waschbrettbauch und Brustmuskeln, die zum Streicheln einluden, genau wie seine glatte gebräunte Haut. Keyla räusperte sich und trank schnell einen Schluck Wein.

„Ich liebe die Natur“, lenkte sie verlegen ab, als er nichts sagte, sondern sie nur lächelnd betrachtete. „Wenn ich freihabe, gehe ich am liebsten irgendwo im Wald spazieren oder besser noch an der Küste. Davon haben wir ja zum Glück so einige in Großbritannien.“

„Ich kenne Großbritannien leider kaum.“

„Es ist natürlich nicht so schön wie Italien oder Sardinien“, räumte sie ein. „Aber es gibt echt tolle und vielfältige Landschaften. Und die Natur in Südengland ist ein Traum, es ist ein einziger großer Garten. Na, und erst Cornwall …“

Unversehens geriet sie ins Schwärmen über ihre Heimat, und Luca hörte gespannt zu und stellte interessiert Zwischenfragen. Ihr Gespräch brach während des ganzen Essens nicht ab, und Keyla hatte Mühe, sich auf den wohlschmeckenden Fisch zu konzentrieren, so gefesselt war sie von ihrer lebhaften Unterhaltung mit Luca. Es geschah selten, dass sie mit einem Mann so gut reden konnte.

„Möchtest du noch ein Dessert?“, fragte er schließlich. „Ich bin sicher, wir haben Sebadas im Kühlschrank, das sind gefüllte Teigtaschen, die mit miele amaro, also bitterem Honig, übergossen werden.“

„Puh, das klingt ziemlich schwer.“ Keyla strich sich über ihren vollen Bauch.

„Ist es auch. Aber du kannst es dir ja leisten.“

Sie schnaufte. „Nein, ich bin total satt. Trotzdem lieben Dank.“

„Einen caffè zum Abschluss?“

„Ja, bitte. Du bist wirklich ein vollendeter Gastgeber, Luca.“

Inzwischen war es dunkel geworden, und die Jacht wurde nun von Girlanden aus winzigen Lichtern erhellt. Alberto hatte, als er die Teller abgeräumt hatte, die Kerze auf dem Tisch angezündet.

„Wollen wir den Espresso da drüben trinken?“ Luca wies auf die beiden über Eck liegenden Sitzpolster auf dem Zwischendeck, die sehr bequem wirkten. Keyla, deren Rücken von der harten Lehne des Stuhls etwas wehtat, nickte.

Alberto stellte die winzigen Tässchen auf dem niedrigen kleinen Tisch vor der Sitzgruppe ab, zündete ein Teelicht an und zog sich wieder zurück.

Keyla ließ sich auf das weiche Polster sinken, legte den Kopf in den Nacken und blickte in den sternenübersäten Nachthimmel. Der Wind war frisch geworden, und sie schauderte in ihrem ärmellosen Shirt. Luca setzte sich neben sie, nahm eine dunkelblaue Strickjacke, die lässig hingeworfen am Rand der Sitzgruppe gelegen hatte, und legte sie ihr fürsorglich um die Schultern. Ein schwacher Duft nach seinem edlen Aftershave hing darin, und Keyla atmete genussvoll tief ein.

„Endlich sitzt du nahe genug bei mir“, flüsterte er.

„Zu nahe“, murmelte sie. „Du bist eine Gefahr für gute Vorsätze, Luca de Rossi.“

Er lachte leise, und der Klang dieses warmen, kehligen Lachens rann ihren Rücken hinunter wie der wohlige Schauer bei einer heißen Dusche.

„Dann soll ich also weggehen?“ Er machte Anstalten, sich zu erheben.

„Nein“, sagte Keyla sofort und griff reflexartig nach seinem Arm.

Er setzte sich noch dichter neben sie, und als er sie vorsichtig an sich zog, schlang sie die Arme um seinen Nacken, ohne nachzudenken. Seine Lippen fühlten sich zart und heiß an, und sie war es, die seinen fragenden, leichten Kuss mit einer Leidenschaft erwiderte, die sie selbst überraschte. Er umarmte sie fester und strich zärtlich und fordernd zugleich über ihren Rücken. Die Strickjacke glitt von ihren Schultern, und sie fühlte die Wärme seiner Haut durch die dünne Seide ihres Shirts.

Es wäre so leicht und unsagbar angenehm, sich einfach in die Kissen zurückzulehnen, Luca auf sich zu ziehen und unter seinen erregenden Lippen und Händen Daryll und dessen Betrug zu vergessen. Daryll. Was für ein unpassender Name in diesem Moment! Luca würde Sardinien in wenigen Tagen wieder verlassen, und sie würde erneut allein zurückbleiben und sich ausgenutzt fühlen.

„Tut mir leid, ich kann das nicht!“ Keyla stand so abrupt auf, dass sie gegen das Tischchen stieß und der Espresso aus den Tässchen schwappte. Sie schnappte sich ihre Handtasche, lief über das Deck und sprang mit einem Satz auf den Anlegesteg.

Erst als sie das warme, raue Holz unter ihren Fußsohlen spürte, merkte sie, dass sie ihre Sandaletten an Bord vergessen hatte. Doch um nichts in der Welt wäre sie zurückgekehrt. Sie wusste genau, wie das enden würde.

Luca würde sie erneut in die Arme schließen, sie würde sich erst widerstrebend, dann immer williger an ihn schmiegen, sich von seinen Küssen einlullen und sich schließlich in sein vermutlich luxuriöses Schlafzimmer ziehen lassen. Dort würden sie auf das breite Bett sinken, sich eilig die Kleider vom Leib streifen, er würde seine Lippen auf ihren Hals drücken und eine Hand behutsam an die empfindsame Stelle zwischen ihren Beinen legen …

Eines Tages würde sie ihn dann in genau der gleichen Position mit einer anderen vorfinden, weil sie zu früh von der Arbeit nach Hause gekommen war. Ein schlechtes Drehbuch – Schnitt!

Nein, lieber ging sie barfuß heim.

5. KAPITEL

Sie drehten an diesem Vormittag im Jachthafen von Porto Cervo, und es machte Luca kribbelig, in Keylas Nähe zu sein und sie dennoch nicht sehen zu können. Während er auf seinen Einsatz wartete, saß er auf dem Klappstuhl, auf dessen Lehne sein Name stand, und beobachtete seine Filmpartnerin Gianna, die eine Szene mit einem der Nebendarsteller hatte. Unruhig warf er einen Blick zur Uhr. Gleich zehn, die Boutique würde in Kürze öffnen.

„Was hast du da?“ Sofia, die sich zu ihm setzte, spähte neugierig in die Papptüte, die er neben sich abgestellt hatte. „Sandalen?“, fragte sie ungläubig.

„Zum Wechseln“, sagte er hastig. „Ich halte es nicht aus in geschlossenen Schuhen bei diesen Temperaturen.“ Er wollte die Tüte aus ihrer Reichweite bringen, doch sie hatte bereits eine Hand hineingesteckt und zog eine Riemchensandalette heraus.

Sie ließ sie an ihrem ausgestreckten Zeigefinger baumeln, der sich anklagend auf ihn richtete. „Das ist aber weder dein Stil noch deine Größe, mein Lieber.“

„Keyla hat sie gestern Abend bei mir vergessen.“

Sofia sog scharf die Luft durch die Nase ein.

„Es ist nicht, wie du denkst. Sie hat die Schuhe gewissermaßen verloren, und ich habe sie gefunden. Wie bei Cinderella“, sagte Luca amüsiert.

„Nenn sie ruhig Aschenputtel, das passt besser zu ihr.“

„Sei doch nicht so giftig. Man könnte meinen, du wärst eifersüchtig.“

Zu seiner Überraschung liefen die Wangen seiner Managerin rot an, und sie wich seinem Blick aus.

„Ach was. Ich will nur nicht, dass dich so eine Affäre von der Arbeit ablenkt.“

„Meinst du nicht, ich bin alt und auch professionell genug, so was selbst zu entscheiden?“, fragte er ruhig, aber mit leichtem Tadel.

„Natürlich, Luca. Habt ihr …?“ Sie wackelte vielsagend mit Zeige- und Mittelfinger der anderen Hand.

„Ich glaube nicht, dass dich das was angeht“, erwiderte er eine Spur heftiger und fügte hinzu, um Keylas Ehre zu verteidigen: „Nein, sie ist nicht so leicht zu haben.“

„Umso besser.“

„Ich bringe die Schuhe schnell in der Boutique vorbei. Heute Morgen war sie noch zu.“ Er erhob sich und griff nach der Tüte, doch Sofia nahm sie ihm aus der Hand. „Dafür hast du keine Zeit, du bist gleich dran. Ich erledige das, während du drehst.“

Luca seufzte innerlich. Er hatte gehofft, den Vorwand nutzen zu können, um Keyla zu sehen. Ihr unerwartet schneller Abgang hatte seine leidenschaftlichen Gefühle für sie nur noch verstärkt. Gleichzeitig hatte er den Eindruck, ihr die Küsse aufgedrängt zu haben, obwohl sie wahrscheinlich nicht bereit dazu gewesen war, und er wollte sich dafür entschuldigen. Aber Sofia hatte recht, ihm blieb keine Zeit mehr.

„Gibst du ihr bitte meine Handynummer und bittest sie, mich anzurufen? Ich möchte ihr etwas sagen.“

„Mach ich.“

„Ach, und ich muss das Hemd noch bezahlen“, fiel ihm ein.

„Welches Hemd?“

„Ich habe in der Boutique eins gekauft, aber noch nicht bezahlt. Bitte richte Keyla aus, dass ich heute vorbeischaue, sobald ich fertig bin.“

„Du drehst eine Nachtszene und sollst ab neunzehn Uhr am Set sein“, erinnerte sie ihn. „Und am späten Nachmittag kommt ein Fotograf, um Bilder von dir auf der Jacht zu machen.“

„Ach, verdammt, ja. Na, vielleicht klappt es zwischendurch.“

„Ich bezahle das Hemd für dich, kein Ding. Ich schulde dir sowieso noch Geld für das Kleid.“

„Danke. Was würde ich nur ohne dich machen, Sofia.“

„Du wärst aufgeschmissen. Gut, dass dir das bewusst ist“, erwiderte sie zufrieden.

Luca nahm sich vor, schnell in der Boutique vorbeizuschauen, sobald er mal Pause hatte, doch daraus wurde nichts. Unkonzentriert und schlecht vorbereitet, wie er es an diesem Tag ausnahmsweise war, verpatzte er seine Szenen mehrmals, was die Drehzeit in die Länge zog. Und in der Mittagspause stand plötzlich eine Journalistin vor ihm, die eigentlich gar keinen Termin hatte.

„Das ist wichtig, Luca“, zischelte Sofia ihm zu. „Sie arbeitet für die Cosmopolitan und ist nur noch heute auf Sardinien.“

Seufzend fügte er sich in sein Schicksal.

Keyla wusste nicht, ob sie hoffte oder fürchtete, Luca würde in der Boutique aufkreuzen. Wenn sie seine Handynummer gehabt hätte, hätte sie ihn angerufen, um sich dafür zu entschuldigen, dass sie weggerannt war wie eine kopflose Idiotin.

Unruhig starrte sie immer wieder zur gläsernen Tür, doch statt Luca betrat am späten Vormittag Sofia die Boutique und knallte die Tüte mit ihren Sandaletten auf den Tresen.

„Sie haben Ihre Schuhe gestern Abend bei Luca vergessen. Ich weiß nicht genau, was zwischen Ihnen beiden ist, aber ich bitte Sie, künftig die Finger von meinem Freund zu lassen.“

„Ihrem Freund?“ Keyla starrte sie bestürzt an. „Luca hat mir gesagt, Sie seien seine Managerin.“

„Das eine schließt das andere ja nicht aus, oder? Wir sind Partner im Job und auch sonst.“

„Er hat durchblicken lassen, dass es zurzeit keine Frau in seinem Leben gibt“, verteidigte Keyla sich.

Moment mal – hatte er das wirklich? Hatte sie das nicht nur in seine Worte hineininterpretiert?

Sofia hob die dünn gezupften Augenbrauen. „Und das haben Sie ihm geglaubt? Wie naiv muss man da sein?“ Sie schüttelte herablassend den Kopf. „Ein Mann wie Luca bleibt doch nicht alleine. Zum Glück für mich steht er auf erfahrene Frauen, nicht auf junge Hühner.“

Ihr Blick ließ keinen Zweifel daran, dass Sofia sie als eins dieser jungen Hühner betrachtete.

Keyla wich zurück und atmete tief durch. „Wenn Sie sich einbilden, dass ich an Luca interessiert wäre, irren Sie sich. Sollten Sie jedoch denken, dass er sich für mich interessiert – und das tun Sie, sonst wären Sie nicht hier –, kann er ja nicht so wahnsinnig verliebt in Sie sein, oder?“

Sofia schnaubte verächtlich. „Welcher Mann lässt schon eine Gelegenheit aus, eine Frau ins Bett zu kriegen, die sich ihm an den Hals wirft? Da werden sie alle schwach, auch wenn sie ihre Partnerinnen eigentlich lieben.“

„Ich habe mich ihm nicht an den Hals geworfen“, protestierte Keyla. Gleichzeitig stieg ihr die Röte in die Wangen, als sie sich daran erinnerte, wie sie ihre Arme um seinen Nacken geschlungen hatte.

„Nun, wie dem auch sei, Sie wissen jetzt Bescheid“, sagte Sofia kühl und zog ihr Portemonnaie aus der Handtasche. „Wie viel schulden wir Ihnen für das Hemd?“

„Einhundertfünfundvierzig Euro“, antwortete Jane, die sich im Hintergrund gehalten, das Gespräch aber aufmerksam verfolgt hatte.

Sofia zog einen Hunderter und einen Fünfzigeuroschein hervor und legte beides auf die Ladentheke. „Stimmt so. Der Rest ist Trinkgeld. Kaufen Sie sich ein Eis davon, Kleines.“

Keyla starrte ihr mit geöffnetem Mund hinterher, als sie aus dem Geschäft stöckelte.

„Glaube ich nicht, dass die tatsächlich zusammen sind“, sagte Jane ruhig. „Die ist doch bloß eifersüchtig, weil sie scharf auf ihn ist. Vielleicht erzählst du mir endlich mal, was gestern passiert ist. Dein ‚gar nichts‘ von heute Morgen habe ich dir nämlich nie geglaubt. Du bist ziemlich spät nach Hause gekommen, wenn ich mich nicht irre.“

Keyla seufzte und berichtete ihr von dem überaus angenehmen Abend in Lucas Gesellschaft und ließ auch die leidenschaftlichen Küsse zum Schluss nicht aus.

„Bevor ich vollends schwach werden konnte, bin ich getürmt und habe in der Eile meine Sandaletten vergessen.“ Sie blickte ihre Cousine zerknirscht an. „Das war albern, was?“

Zu ihrer Überraschung schüttelte Jane den Kopf. „Nein, du hast richtig gehandelt. Einfach davonzurennen war vielleicht kindisch, jedoch immer noch besser, als beim ersten Date mit ihm im Bett zu landen. Viele Italiener sind da altmodisch – sie genießen es zwar, aber am nächsten Morgen haken sie die Frau ab. Wenn du Luca mitten in so feurigen Küssen zurückgestoßen hast, hast du bestimmt einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Der Ärmste, das passiert ihm sicher nicht oft.“ Sie kicherte. „Obwohl ich mir einen würdevolleren Abgang für dich gewünscht hätte.“

„Ob ich mich bei ihm entschuldigen sollte? Ich glaube, sogar der Espresso in unseren Tassen ist übergeschwappt“, sagte sie zerknirscht.

„Na, wenigstens hat Luca gemerkt, dass du Temperament hast“, bemerkte Jane trocken und legte nachdenklich den Zeigefinger an ihre schmale Nase. „Ja, rede besser noch mal mit ihm. Wenn er ein Gentleman ist, wird er verstehen, warum du dich zurückgezogen hast. Und wenn nicht, solltest du sowieso auf ihn pfeifen. Dann siehst du ihn ja eh nie wieder.“

Am späten Nachmittag hatte Luca vor seinem Dreh in der Dunkelheit zwei Stunden frei und kehrte zur Jacht zurück, um sich etwas auszuruhen. Er hatte eine Actionszene in der heißen Nachmittagssonne mehrmals wiederholen müssen und fühlte sich müde und verschwitzt. Daher beschloss er, sich schnell frisch zu machen und dann auf einen Sprung in der Boutique vorbeizuschauen, bevor der Fotograf kam.

Als er geduscht hatte und sich gerade abtrocknete, hörte er Geräusche an Deck. Eilig schlang er sich ein Handtuch um die Lenden und ging nachsehen.

„Ach, du bist es nur“, sagte er, als er Sofia erkannte. Er starrte auf einen Koffer und eine Reisetasche, die neben ihr standen. „Was soll das?“

„Ich muss bei dir einziehen.“

„Wie bitte?“

„Mein Badezimmer hat einen Wasserschaden. Aus der Toilette läuft ständig Wasser aus, und im Hotel haben sie gesagt, das lässt sich so schnell nicht reparieren. Leider sind sie in den nächsten Nächten ausgebucht. Und bevor ich jetzt lange herumrenne und mir ein neues Hotel suche, kann ich doch auch bei dir wohnen. Dieser Luxusdampfer hat schließlich mehrere Schlafzimmer.“

„Von mir aus.“ Luca hatte keine Lust auf eine Diskussion. „Mi casa es su casa.“ Er machte eine einladende Handbewegung.

„Ich danke dir.“ Sie warf ihm einen Luftkuss zu.

Keyla hatte früher Feierabend gemacht und ging auf ihrem Nachhauseweg an der Promenade auf die Jacht zu, blieb jedoch wie erstarrt stehen.

Sie war nicht sicher gewesen, ob sie Sofia glauben sollte, dass sie und Luca tatsächlich ein Paar waren, doch die Szene, die sich ihr bot, wirkte eindeutig genug. Er stand fast nackt vor Sofia, breitete einladend einen Arm aus und griff dann nach ihrem Koffer, um ihn in die Kabine zu bringen. Und Sofia strahlte ihn an und folgte ihm mit einer Reisetasche.

Eigentlich hatte sie bei Luca vorbeischauen und sich bei ihm für ihren überstürzten Aufbruch entschuldigen wollen, aber davon konnte nun natürlich keine Rede mehr sein. Stattdessen stieg Wut in ihr auf.

Er hatte sie also belogen, der Mistkerl. Hatte es ausgenutzt, dass seine Freundin mal einen Abend nicht bei ihm war, und hatte gleich versucht, eine andere ins Bett zu bekommen. Und sie war auch noch darauf hereingefallen und hatte sich nur zu bereitwillig von ihm küssen lassen.

Jetzt tat es ihr nicht mehr leid, dass sie ihn von sich gestoßen hatte. Schon die fragwürdige Art, wie er sie unter einem Vorwand auf die Jacht gelockt hatte, hätte ihr zu denken geben sollen.

Verärgert und gekränkt stapfte sie mit verdrossener Miene in Richtung Bahnhaltestelle.

6. KAPITEL

„Mach jetzt ruhig Mittagspause“, sagte Jane am nächsten Tag, und Keyla nickte müde. Sie hatte in der Nacht schlecht geschlafen.

Seit dem Morgen hatten sich die Kunden die Klinke in die Hand gegeben, und sie hoffte nicht länger, Luca eintreten zu sehen. Ihre Wut auf ihn hatte während der schlaflosen Stunden Sehnsucht und Verlangen Platz gemacht. Doch sie musste ihn vergessen, und wenn sie ihn nicht mehr sah, bevor er den Ort verließ und für immer aus ihrem Leben verschwand, war es umso besser.

Es war schon fast halb zwei, und Keylas Magen knurrte. Sie beschloss, in Chiaras Café-Restaurant einen Salat zu essen. Ach nein. Da hätte sie die ganze Zeit vollen Ausblick auf Lucas Jacht, und am Ende würde sie ihm noch in die Arme laufen.

In der Tat baute sich unversehens ein Mann vor ihr auf, kaum dass sie die Boutique verlassen hatte, und zwei kräftige Hände umfassten ihre Oberarme, als sie, ohne den Blick zu heben, ausweichen wollte.

„Keyla, Darling!“

Sie wich zurück, um dem Mann ins Gesicht sehen zu können. Das war nicht Lucas Stimme, auch wenn sie ihr äußerst bekannt vorkam.

„Daryll!“, sagte sie entsetzt. „Was zur Hölle machst du denn hier?“

„Ich wollte dich überraschen.“ Ihr Ex-Freund blickte sie aus blauen Augen treuherzig an.

„Das ist dir gelungen! Aber wie kommst du darauf, dass ich mich freuen würde, dich zu sehen?“, fauchte sie ihn an.

„Ich weiß, du hast allen Grund, stocksauer auf mich zu sein. Ich will mich bei dir entschuldigen.“

„Entschuldigen? Oh nein. ‚Tut mir leid‘ reicht bei Weitem nicht für das, was du getan hast! Und lass mich sofort los, hörst du?“

Er ließ die Arme sinken und wirkte auf einmal recht jämmerlich.

„Ich habe mich wie ein blöder Arsch verhalten, das ist mir jetzt bewusst geworden.“

„Da kann ich nicht widersprechen.“

„Mir sind einfach die Pferde durchgegangen mit dieser Tussi. Zwischen dir und mir war es seit einiger Zeit schwierig, und da … Hör mal, können wir das nicht bei einem Essen besprechen?“

„Nein, vielen Dank, mir würde der Appetit vergehen.“

„Was kann ich tun, um es wiedergutzumachen, Keyla?“

„Mir aus dem Weg zu gehen wäre schon mal ein guter Anfang.“

„Ich bin extra aus London hergeflogen, um mich mit dir zu versöhnen.“

„Woher weißt du überhaupt, wo ich bin?“

„Das ist doch egal. Bitte gib mir noch eine Chance.“

„Was meinst du mit Chance?“, fragte sie argwöhnisch. „Die Chance, dich zu entschuldigen? Das hast du ja nun erledigt.“

„Nicht nur das. Du fehlst mir so sehr, meine Süße. Ich möchte, dass du wieder bei mir einziehst. Und selbstverständlich kannst du deinen Job zurückhaben.“

„Ich glaube, ich träume. Du hast wohl keinen Ersatz gefunden?“

Er ignorierte den Sarkasmus in ihren Worten. „Nein, Darling, du träumst nicht. Und natürlich war es kein Problem, eine andere Verkäuferin zu finden, aber du bist eben besser.“

„Du bildest dir ein, du kannst mich aus deiner Wohnung und deinem Geschäft schmeißen, nachdem du mich in unserem Bett betrogen hast, und mich jetzt einfach so wieder zurückholen, wenn es dir gerade passt?“, fragte sie ungläubig.

„Darling, bitte sieh es mal mit meinen Augen … Natürlich habe ich mich wie ein Schwein verhalten, als ich dich betrogen habe, allerdings hast du dann auch sehr heftig reagiert. Ich hatte befürchtet, dass du noch mehr zerdepperst als nur die teure Stehlampe und den Spiegel. Und unter diesen Umständen wäre es im Geschäft mit uns unerträglich geworden … Aber ich verstehe natürlich deine Reaktion.“

„Gut, ich nehme einen Teil der Schuld auf mich“, sagte sie müde. „Und jetzt geh. Flieg zurück, ich bleibe hier. Ich fühle mich sehr wohl auf Sardinien.“

„Ich liebe dich, Keyla. Und ich glaube nicht, dass es für dich wirklich vorbei ist.“

Keyla war zu deprimiert, um sich weiter Wortgefechte mit ihm zu liefern. Nach der Schlappe mit Luca fühlte sie sich noch verwundbarer als vorher.

Sie wollte wortlos ausweichen, um an Daryll vorbeizugehen, doch er zog sie erneut in die Arme.

„Bitte heirate mich, Keyla.“

Sie erstarrte vor Überraschung, und ehe sie sichs versah, hatte er seine Lippen auf ihre gesenkt. Sein Kuss fühlte sich nach den gemeinsamen Jahren so vertraut an, dass sie vor Verblüffung nicht daran dachte, Daryll zurückzustoßen. Doch da war nichts von dem prickelnden Feuer, das sie bei Lucas Küssen gespürt hatte.

Demonstrativ wischte sie sich mit dem Handrücken über den Mund. „Nein, Daryll. Tut mir leid, wenn du extra den Weg hierhergemacht hast, um mich das zu fragen. Es ist vorbei.“ Heftig machte sie sich los.

Luca hatte am späten Vormittag seine letzte Szene in Porto Cervo gedreht. Vor ihm lagen zweieinhalb freie Tage, und er hoffte, Keyla dazu überreden zu können, noch einmal mit ihm auszugehen. Obwohl ihm Sofia versichert hatte, dass sie Keyla seine Handynummer gegeben hatte, hatte Keyla sich nicht gemeldet. Nun, warum sollte sie auch.

Sie hielt ihn sicher für einen schmierigen Typen, der sie unter einem Vorwand auf sein Schiff gelockt hatte, um sie mit Wein und Abendessen zu verführen und sie ins Bett zu kriegen. Bestimmt dachte sie, dass er nur auf einen One-Night-Stand aus war. Er musste unbedingt richtigstellen, dass er an viel mehr als einem Abenteuer interessiert war.

Bei einem Floristen an der Hafenpromenade kaufte er drei langstielige rote Rosen und betrat beschwingt das kleine Einkaufszentrum. Als er um die Ecke bog, hinter der Janes Boutique lag, sah er Keyla dort mit einem großen dunkelblonden Mann stehen. Sie stand mit dem Rücken zu Luca, und er konnte ihr Gesicht nicht sehen, aber er erkannte sie trotzdem eindeutig. Unentschlossen verharrte er und beobachtete, wie der Mann Keyla in seine Arme zog und sie küsste.

Luca wartete nicht, bis sich die beiden voneinander lösten, sondern machte auf dem Absatz kehrt. Also gab es einen Mann in Keylas Leben, denn die Szene hatte nicht so gewirkt, als wäre es ein frischer Flirt gewesen. Ob das der Ex-Lebensgefährte war, der sie so mies behandelt hatte? Zu dem würde sie doch hoffentlich nicht zurückkehren? Oder aber sie hatte ihm diese Geschichte nur vorgeflunkert, aus welchem Grund auch immer. Anscheinend hatte er sich vergebens Hoffnungen gemacht, unabhängig davon, wer der Kerl war.

In seine düsteren Grübeleien vertieft, bemerkte er nicht den untersetzten dunkelhaarigen Mann, der ihm gefolgt war. Erst als der sich ihm in den Weg stellte, prallte Luca zurück. Da hatte er an seinem Ankunftstag also doch richtig gesehen.

„Na, Luca, bist du abgeblitzt? Hat sie einen anderen? Kein schönes Gefühl, was?“, meinte der Mann hämisch.

Der Kerl war einen halben Kopf kleiner als Luca und musste zu ihm aufsehen. In seinen schmalen braunen Augen loderte unverkennbar Hass.

„Heißt das, du beobachtest mich seit Tagen? Was willst du eigentlich von mir, Francesco?“

„Ich will dabei sein, wenn du fällst. Wenn alle Welt erfährt, was für ein mieser Typ der tolle Luca de Rossi im Privatleben ist. Deine Kleine hat das anscheinend sofort erkannt – kluges Mädchen.“

„Du spinnst doch. Lass mich in Ruhe.“

„Der Tag wird kommen, an dem Gerechtigkeit einkehrt“, sagte Francesco theatralisch und packte seinen Arm.

Luca schüttelte den Kopf. „Du musst wirklich verrückt sein. Aus dem Grund hat dich Alessia damals verlassen, nicht meinetwegen.“

„Du verdrehst die Tatsachen und manipulierst alle, de Rossi. Bist du deswegen so erfolgreich geworden? Du wirst es noch bereuen, das kann ich dir versichern.“

„Du tust mir leid, Francesco, du hast ja einen Knall!“

Luca riss sich los und eilte die Promenade entlang. Erleichtert bemerkte er, dass Francesco ihm nicht folgte. Dafür spurtete plötzlich eine pummelige Frau in mittleren Jahren in pinkfarbener Hose und geblümtem Top hinter ihm her.

„Luca, Luca, bitte warten Sie! Kann ich ein Autogramm haben?“

Er stöhnte innerlich, verlangsamte aber sein Tempo. Er hatte sich mal geschworen, seine Fans nie zu ignorieren.

„Ich bin ein großer Fan von Ihnen, Luca“, stieß sie kurzatmig hervor und wühlte in ihrer Handtasche. „Ihr Nico in ‚Gefährliche Nähe‘ war einfach fantastisch. Sie sind großartig!“

„Vielen Dank“, murmelte er und drückte der Frau die Rosen in die Hand. „Hier, für Sie.“

„Oh, mille grazie!“ Überwältigt vor Glück presste sie die Blumen an ihre üppige Brust.

Luca kritzelte seinen Namen in das Notizbuch, das sie ihm hinhielt, und verabschiedete sich hastig.

„Hey, Luca, schauen Sie mal zu mir!“, ertönte eine Männerstimme, und schon klickte der Auslöser einer Kamera. „Wie laufen die Dreharbeiten in Porto Cervo?“

Ein Paparazzo, das hatte ihm gerade noch gefehlt. Hoffentlich hatte der nichts von dem Intermezzo mit Francesco mitbekommen.

„Darf ich mir mal Ihre Jacht von innen ansehen?“

Luca machte eine abwehrende Geste. „Stellen Sie eine offizielle Anfrage für Fotos oder ein Interview an meine Agentur. Danke.“

Er beschleunigte seinen Schritt und flüchtete auf die Bellaluna.

„Was ist denn los, was machst du für ein Gesicht?“, fragte Sofia, die auf dem Zwischendeck saß und einen Cappuccino trank, wobei sie in einem Drehbuch blätterte. „Himmel, du blutest ja!“

Luca betrachtete seine blutverschmierte rechte Handinnenfläche, und jetzt erst wurde ihm bewusst, dass sich die Dornen der Rosen hineingebohrt haben mussten, als er die Stiele umklammert hatte, während er Keyla bei dem Kuss beobachtete, und danach bei der unerfreulichen Begegnung mit Francesco.

„Das ist nichts“, murmelte er und ließ sich auf das Sitzpolster sinken. „Ist nur ein ziemlich beschissener Tag heute.“

„Warte, ich kümmere mich darum.“ Sofia ging in die Kabine und kehrte kurz darauf mit einem kleinen Täschchen zurück. Sie setzte sich dicht neben ihn, nahm seine Hand und tupfte mit einem alkoholgetränkten Tüchlein behutsam über die winzigen Stichwunden.

„Ich glaube, Pflaster brauchst du nicht, das hält sowieso nicht.“ Sie strich ihm liebevoll über die Stirn. „Was ist passiert, Luca?“

Er wollte sie zurückweisen, doch irgendwie tat es gut, sich von ihr bemuttern zu lassen. „Ich wollte Keyla Rosen schenken. Aber sie stand mit einem Typen vor der Boutique und hat ihn geküsst.“

„Das überrascht mich nicht. Für die warst du doch nur ein Lückenbüßer.“

„Ach, im Grunde wollte sie gar nichts von mir.“ Er seufzte. „Ich hatte nur gehofft …“ Er brach ab, denn Sofia hatte begonnen, den Haaransatz an seinen Schläfen zu streicheln.

„Die hätte auch nicht zu dir gepasst“, flüsterte sie, und auf einmal waren ihre Lippen seinen ganz nah. „Ich dagegen …“ Sie schlang die Arme um seinen Nacken.

Luca wich zurück. „Was wird das, Sofia?“, fragte er entsetzt und griff nach ihren Armen, um sie von seinem Nacken zu lösen.

Sie räusperte sich. „Ich wollte dich nur trösten.“

„Sehr nett, aber absolut unnötig. Und ziemlich unprofessionell.“

„Nun, es wird dir nicht entgangen sein, dass unsere Beziehung längst über das rein Professionelle …“

„Stopp“, unterbrach er sie. „Ich will das nicht hören. Du bist meine Managerin und damit basta.“ In einem spontanen Entschluss sprang er auf und lief in sein Schlafzimmer. In Porto Cervo hielt er es nicht mehr aus, er musste weg. Er nahm seine Reisetasche und stopfte Shorts, Shirts, Badesachen und eine weiße Jeans hinein.

„Was hast du vor, Luca?“, fragte Sofia beunruhigt, die im Türrahmen aufgetaucht war.

„Ich will meine drehfreien Tage nicht in diesem Schickimicki-Ort verbringen. Ich fahre woanders hin. Versuch nicht, mich ausfindig zu machen, und ruf mich nur im äußersten Notfall an, ja? Keine Sorge, ich finde mich am Dienstag pünktlich zu den Dreharbeiten in Isola Rossa ein.“ Er verstaute den Nylonbeutel, der seine Toilettensachen enthielt, und schloss die Reisetasche mit einer heftigen Bewegung. „Ciao, Sofia.“

„Wiedersehen, pass auf dich auf“, murmelte sie verblüfft und trat zur Seite, um ihm den Weg freizugeben.

Luca war hungrig. Er hatte noch nicht gegessen, denn eigentlich hatte er gehofft, Keyla zu einem gemeinsamen Mittagessen überreden zu können. Auf keinen Fall wollte er an Bord mit Sofia essen, deren Gesellschaft ihm nach dem aufgedrängten Kuss unerträglich war. So ging er in das Café-Restaurant gegenüber der Jacht und ließ sich an einem der freien Tische nieder. Er setzte eine Sonnenbrille auf, zog sein Basecap tief ins Gesicht und hoffte, unerkannt zu bleiben. Nachdem er ein Sandwich und einen Espresso bestellt hatte, zog er sein Smartphone hervor und wählte eine eingespeicherte Nummer.

Ciao, Onkel Alessandro“, sagte er, als der Gesprächsteilnehmer sich meldete. „Ich wollte mal in unserem Hotel vorbeischauen und dir Bescheid sagen, dass ich in eineinhalb bis zwei Stunden etwa ankomme. Ich bleibe ein paar Tage – hast du noch ein Zimmer für mich frei? Fabelhaft, danke! Bis nachher.“

7. KAPITEL

Keyla verließ das Einkaufszentrum ausnahmsweise nicht auf dem Weg, der zu der kleinen Brücke und der Hafenpromenade führte, sondern auf der anderen Seite, wo sich zur Straße hin ein Parkplatz für Touristenbusse und einige Snackbars und Imbissbuden befanden.

Obwohl ihr die Begegnung mit Daryll den Appetit verdorben hatte, schlang sie ihr Käse-Sandwich nervös hinunter, weil essen sie beruhigte. Um diesen Effekt nicht gleich wieder zunichtezumachen, verzichtete sie auf den Espresso und gönnte sich stattdessen ein Eis. Danach fühlte sie sich etwas besser.

Auf dem kurzen Rückweg ins Geschäft stellte sich ihr plötzlich erneut ein Mann in den Weg, diesmal war es jedoch nicht Daryll, sondern ein Unbekannter, der südländisch aussah und auf Italienisch auf sie einredete.

„Nicht so schnell, ich verstehe Sie nicht“, unterbrach sie ihn verwirrt. Sein intensiver Blick beunruhigte sie, und eigentlich hätte sie ihn am liebsten stehen gelassen, doch sie hörte Luca de Rossis Namen heraus, und das weckte ihre Neugier.

Er suchte mühsam nach englischen Worten. „Wunderbar, wie Sie gemacht haben gerade mit Luca. Sehrrrr gutt.“

„Was meinen Sie? Ich habe Luca heute gar nicht gesehen.“

„Er hat gebracht Rosen für Sie. Aber Sie küssen andere Mann. Gefällt mir.“ Er lachte schadenfroh.

„Sie wollen sagen, Luca hat das beobachtet?“, fragte Keyla erschrocken. „Wie mich dieser Mann geküsst hat?“

„Ja. Richtig so. Hat ihm nicht gefallen.“ Er machte eine Geste, als würde er sich einen Dolch in die Brust stoßen.

„Und was haben Sie damit zu tun? Wer sind Sie?“

„Ist egal.“ Er wandte sich ab und lief davon.

Keyla starrte ihm verblüfft und beunruhigt hinterher. Dann beeilte sie sich, in die Boutique zurückzukommen, bevor noch jemand ihr auflauern konnte.

Jane musterte sie. „Was ist denn mit dir los? Du siehst ja völlig aufgelöst aus.“

„Was für ein bescheuerter Tag.“ Keyla war den Tränen nahe, als sie ihrer Cousine von den Zwischenfällen mit Daryll und dem Fremden erzählte. „Erst die Erkenntnis gestern, dass Luca in festen Händen ist, dann Daryll und zum Schluss auch noch dieser merkwürdige Typ – zum Teufel mit allen Männern!“

„Ach, Herzchen, du hast wohl eine Pechsträhne. Aber sieh es mal so: Es ist gut, dass Luca nun weiß, dass du nicht auf seine Masche hereingefallen bist und ihm nicht nachtrauerst, sondern gleich den nächsten küsst.“

„Er hatte Rosen für mich dabei, sagte dieser Mann.“

„Hm. Manchmal sind die Dinge auch anders, als sie scheinen. Du hast nicht gesehen, dass Luca diese Sofia gestern geküsst hat, oder?“

„Nein, aber er stand nur mit einem Handtuch bekleidet vor ihr.“

„Das will doch nichts heißen. Seinen knackigen Oberkörper durfte schon die ganze Nation bewundern, warum sollte er sich da vor seiner Managerin genieren? Stell ihn heute Abend zur Rede. Bitte ihn, dir die Jacht zu zeigen, und schau dir an, ob es weibliche Utensilien dort gibt.“

„Ja, das werde ich tun. Außerdem will ich klarstellen, dass Daryll mich mit seinem Kuss überrumpelt hat und ich nicht die Absicht habe, zu ihm zurückzukehren.“

„Bleib ein bisschen vage damit“, riet Jane. „Konkurrenz spornt Männer an.“

„Ich möchte überhaupt nicht, dass Luca sich angespornt fühlt. Ich will nichts von ihm, schon vergessen? Ich will nur nicht, dass er einen falschen Eindruck von mir hat.“

„Sicher.“ Jane lächelte wissend.

Der Nachmittag verging trotz vieler Kunden an diesem Samstag in zähflüssiger Langsamkeit. Keyla atmete auf, als sie endlich Feierabend machen konnte, und schritt zügig über die Promenade zur Bellaluna.

„Guten Abend, Alberto“, grüßte sie den Steward, der auf einem Klappstuhl an der Anlegestelle saß und eine Zigarette rauchte. „Ist Luca da?“

Buona sera, Signorina. Nein, Signore de Rossi ist weg.“

Keyla blieb stehen. „Wie – weg?“

„Er hat seine Tasche gepackt und die Bellaluna verlassen – ich weiß nicht, wo er hinwollte und wann er wiederkommt. Ob er überhaupt wiederkommt.“

Autor

Dani Collins

Dani Collins verliebte sich in der High School nicht nur in ihren späteren Ehemann Doug, sondern auch in ihren ersten Liebesroman! Sie erinnert sich heute immer noch an den atemberaubend schönen Kuss der Helden. Damals wurde ihr klar, dass sie selbst diese Art von Büchern schreiben möchte. Mit 21 verfasste...

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