Romana Extra Band 162

– oder –

Im Abonnement bestellen
 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

KÜSSE, SO SÜSS WIE GRIECHISCHER WEIN von RONA WICKSTEAD

In einer Ferienvilla auf dem griechischen Pilion will Sophie nach ihrer Trennung zu sich finden. Nur wie, wenn plötzlich der unverschämt attraktive Nikos Katsounis dort auftaucht und ihre Sinne in Aufruhr versetzt? Ungewollt verzehrt sie sich bald immer mehr nach ihm …

NUR EINE NACHT MIT DEM WÜSTENPRINZEN? von KARIN BAINE

Eigentlich reist Isolde nur aus einem Grund mit Prinz Amir in sein Wüstenreich: weil ihre Schwester dort seinen Bruder heiratet! Insgeheim jedoch zieht er sie magisch an und sie verbringt eine sinnliche Nacht mit ihm. Aber ist der Witwer schon bereit für eine neue Liebe?

HEIRATSANTRAG UNTER DER SONNE AFRIKAS von HANA SHEIK

Bei einer Afrikareise trifft Tycoon Mansur Ali seine Ex-Geliebte Amal wieder – zum ersten Mal, seit sie ihm das Herz gebrochen hat. Doch zu seiner Überraschung kann sie sich plötzlich nicht mehr an ihn erinnern. Bedeutet das etwa die zweite Chance für ihr Glück?


  • Erscheinungstag 02.08.2025
  • Bandnummer 162
  • ISBN / Artikelnummer 9783751533133
  • Seitenanzahl 400
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Rona Wickstead, Karin Baine, Hana Sheik

ROMANA EXTRA BAND 162

Rona Wickstead

1. KAPITEL

In dem Moment, in dem sie Charlotte zum ersten Mal seit vielen Monaten wiedersah, konnte Sophie erkennen, wie glücklich ihre Schwester war. Mit einem Strahlen kam sie auf das Taxi zugestürzt, das Sophie und ihre Eltern vom Fährhafen zu der luxuriösen Ferienanlage gefahren hatte, in der die Gäste für die Hochzeit von Charlotte und Alexis untergebracht waren.

„Sophie! Mum! Dad!“ Charlotte fiel ihnen der Reihe nach um den Hals und sah sich dann um. „Wo ist denn Clifford, Sophie?“

Sophie biss sich auf die Lippen. Es war genau diese Frage, die ihre Laune deutlich trübte. „Er lässt sich entschuldigen, Charlie. Ihm ist in letzter Minute etwas dazwischengekommen.“

„Du meine Güte“, entfuhr es Charlotte. „Was kann denn für einen Mitarbeiter der Stadtverwaltung so Weltbewegendes passieren, dass er eine Hochzeit auf einer griechischen Insel verpasst?“

Ihre Mutter Margaret schüttelte missbilligend den Kopf. „Das versteht keiner von uns, Charlotte. Er hat sich auch erst gestern Abend gemeldet und sein Flugticket einfach verfallen lassen.“

„Aber es klang schon ziemlich wichtig“, fügte Sophie eilig hinzu. Sie war selbst total enttäuscht, dass ihr Freund so kurzfristig abgesagt hatte. Aber bestimmt würde er sie heute Abend wie versprochen anrufen und ihr mehr darüber erzählen. Vielleicht hatte es mit der Beförderung zu tun, die ihm der Bürgermeister von Little Beresford, ihrem Heimatort, für den Herbst angekündigt hatte? Auf jeden Fall würde er ihr einen guten Grund nennen müssen, weshalb er sie allein zur Hochzeit ihrer Schwester reisen ließ (einem Event, der für die ganze Familie so wichtig war) und erst zu dem danach geplanten Familienurlaub auf Mallorca dazustieß. Was würde er denn sagen, wenn sein Schwager Alexis nicht zu seiner Hochzeit mit Sophie kommen würde?

Insgeheim hoffte Sophie nämlich, dass Clifford ihr endlich einen Heiratsantrag machen würde, und was wäre eine bessere Gelegenheit als die Hochzeit ihrer Schwester auf einer romantischen griechischen Insel? Sie waren seit Jahren zusammen, hatten beide sichere Jobs in derselben kleinen Stadt (sie als Bibliothekarin, er als Mitarbeiter des Bauamts), und neulich hatte ihr Vater sie beim gemeinsamen Sonntagsdinner darauf hingewiesen, dass die alte Miss Roth ihr hübsches Häuschen hinter der Bücherei verkaufen und in eine Seniorenresidenz ziehen wollte. Seitdem träumte Sophie davon, mit Clifford dort zu wohnen und Miss Roths Rosengarten sorgsam weiter zu pflegen. Sie könnten sich einen Hund anschaffen, bevor sie sich entschlossen, Kinder zu haben, und …

„Sophie?“ Charlotte lachte, als ihre Schwester sichtbar aus ihren Tagträumen aufschreckte, und hakte sich bei ihr unter. „Komm mit, ich will euch eure Zimmer zeigen!“

„Aber unser Gepäck …“

„Das bringt euch gleich der Page“, unterbrach Charlotte sie. „Mum und Dad, euch habe ich hier direkt in der Nähe der Lobby untergebracht – mit direktem Zugang zum Garten!“ Sie öffnete eine Zimmertür und führte ihre Familie in eine großzügig geschnittene Suite. „Bedient euch an der Minibar, wenn ihr mögt. Wenn ihr euch etwas frischgemacht habt, kommt doch einfach an den Pool und trinkt einen Kaffee mit uns.“

Charlottes Vater Derek trat zum Fenster und schaute interessiert nach draußen. „Eine interessante Bauweise, dieses Hotel!“ Auch wenn er privat unterwegs war, sprach der Architekt aus ihm.

„Alexis führt dich sicher gern ein wenig herum“, versprach seine ältere Tochter, während sie ihre Schwester wieder aus dem Raum steuerte. „Sophie, dich habe ich drüben im Westflügel einquartiert mit Blick aufs Meer.“

„Moment mal!“, widersprach Margaret. „Jetzt, wo Clifford nicht mitgekommen ist, wäre es doch sicher besser, wenn Sophie bei uns in der Nähe wohnt, meine ich.“

„Mum!“, sagte Sophie kopfschüttelnd. „Ich bin fünfundzwanzig und nicht mehr fünf. Ich komme schon in einem anderen Flur zurecht, glaub mir.“

„Ich würde es dir zutrauen!“, rief Charlotte vergnügt aus. „Also, Mum, lass deinem Nesthäkchen etwas Freiheit. Sie soll sich doch hier amüsieren.“

Margaret runzelte die Stirn. „Also wirklich, Charlotte, was meinst du denn damit?“

„Dass ich für meine Hochzeit nur fröhliche Menschen um mich haben möchte“, erwiderte Charlotte und zog ihre Schwester mit sich aus dem Zimmer. Sie tauschte einen verschwörerischen Blick mit ihr. „So, und jetzt sag, dass du mir dankbar bist, dass ich dir kein Zimmer direkt neben Mum gegeben habe.“

Sophie lächelte etwas hilflos. „Sie meint es nur gut, Charlie, das weißt du doch.“

„Ja, aber gut gemeint ist das Gegenteil von gut gemacht“, meinte ihre Schwester. „Und du möchtest doch nicht, dass sie dir hier täglich erklärt, was du anziehen sollst, oder?“

Jetzt musste Sophie kichern. „Keine Sorge, das tut sie schon lange nicht mehr. Aber sag mal, wie es dir geht? Bist du aufgeregt?“

„Ein bisschen schon“, gestand Charlotte. „Aber Alexis und seine Familie haben sich wirklich viel Mühe gegeben, damit die Hochzeit so wird, wie wir es möchten. Ein Riesenfest mit rotem Teppich und Sektempfang in einem Athener Fünf-Sterne-Hotel ist einfach nicht mein Stil. Hier kann alles ganz zwanglos vonstattengehen.“

„Zwanglos“, murmelte Sophie, während sie ihrer Schwester durch das Hotel folgte. Für sie drückte jedes Detail einen Luxus aus, der ihr fremd war und sie deswegen ein wenig verunsicherte. Aber sie freute sich für ihre Schwester, dass sie an diesem Wochenende ihren Traummann heiraten würde, und sie würde gern alles mitmachen, um die Feier so schön wie möglich werden zu lassen. Natürlich würde ihre eigene Hochzeit ganz anders werden, wenn sie erst mal mit Clifford …

Wieder riss Charlotte sie aus ihren Gedanken. „So, da vorn ist deine Suite. Alexis und ich wohnen gleich nebenan, da hast du es nicht weit, wenn ich mich für die Trauung fertig mache. Ich rechne fest mit deiner Unterstützung!“

„Natürlich helfe ich dir!“, versicherte Sophie. „Wie sieht denn dein Kleid …“ Erschrocken wich sie im letzten Moment aus, als direkt vor ihr eine Tür aufgestoßen wurde und ein Mann in den Flur trat.

„Oh, Verzeihung, da war ich wohl etwas zu schwungvoll!“, entschuldigte er sich in perfektem Englisch.

„Das trifft sich ja gut!“, sagte Charlotte. „Da kann ich euch direkt bekannt machen! Sophie, das ist Nikos Katsounis, der Cousin von Alexis und sein Trauzeuge. Nikos, meine Schwester Sophie. Sie wird mich vor den Altar begleiten.“

„Freut mich sehr!“ Nikos streckte Sophie seine Hand entgegen. „Noch eine bildschöne Engländerin – ich bin begeistert! Ich bin sicher, wir werden eine tolles Fest miteinander feiern. Ich wollte gerade an den Pool – kommst du mit?“

Sophie fühlte sich ein wenig überrumpelt von seinen Schmeicheleien. Auch wenn sich nicht abstreiten ließ, dass Charlotte eine sehr attraktive Frau war, sich selbst hielt sie nicht für bildschön mit ihren blonden Haaren, die sich ständig gegen ihren Willen zu wilden Locken kräuselten, und der blassen Haut. Nach der Fahrt in dem nicht klimatisierten Taxi war sie ein wenig verschwitzt und ihre weiße Bluse arg zerknittert. Da konnte sie die Worte dieses Mannes wirklich nicht ernst nehmen, der seinerseits so aussah, wie sie sich griechische Götter vorstellte: groß, wohlproportioniert, mit rabenschwarzem Haar und ebenmäßigen Gesichtszügen. Perfekte weiße Zähne kontrastierten vorteilhaft mit seiner gebräunten Haut, und ja, an seinem Hals schimmerte ein sehr dezentes Goldkettchen.

Ungläubig musterte sie ihn, während er mit festem Griff ihre Hand schüttelte. Solche Typen gab es wirklich? Bei genauerem Hinsehen erkannte sie die Familienähnlichkeit mit Alexis, der ja auch ein gut aussehender Mann war, aber Nikos schlug ihn noch um Längen. Sie spürte, wie sich ihre Stimmung besserte. Cliffords Absage hatte sie doch ein bisschen niedergedrückt. Aber wenn sie die Hochzeit mit diesem Adonis verbrachte, könnte sie ihre Freundinnen daheim zumindest mit einigen neiderweckenden Fotos beeindrucken.

„Nun lass Sophie erst mal ankommen“, nahm Charlotte ihr die Antwort lachend ab. „Später ist noch genug Zeit, um euch näher kennenzulernen.“

„Das will ich doch hoffen!“, meinte er und zwinkerte Sophie zu. „Ich freue mich schon darauf!“

Charlotte schob ihre Schwester in den Wohnraum der Suite, die sie gerade aufgeschlossen hatte. „Ein Charmeur, wie er im Buche steht, unser Nikos“, erklärte sie. „Aber im Grunde einer der nettesten Menschen, die ich kenne. Mit ihm kann man immer viel Spaß haben.“

„Das bezweifle ich nicht“, murmelte Sophie, immer noch nicht ganz sicher, was sie von dieser Begegnung halten sollte. „Was macht dieser Schönling denn beruflich? Wenn er überhaupt was macht?“

„Du wirst dich wundern“, erwiderte ihre Schwester. „Er ist Unternehmensberater, und zwar ein sehr erfolgreicher. Seine Kunden halten große Stücke auf ihn. Dieses ganze Playboy-Gehabe ist nur eine Masche, weißt du. Beruflich ist er ganz anders.“

„Ah“, machte Sophie ein wenig unkonzentriert, weil sie ans Fenster getreten war und den Ausblick entdeckt hatte. Königsblau schimmerte die Ägäis hinter der sorgsam gepflegten Parklandschaft des Hotelgartens, wo zwischen schattenspendenden Bäumen auch der türkisfarbene Pool hervorblitzte. „Das ist ja traumhaft! Wieso verbringt ihr eure Flitterwochen in der Karibik und nicht einfach hier?“

Charlotte lächelte. „Der einzige Grund ist wohl, dass wir einfach weit weg sein wollen, ganz allein. Die Familie von Alexis ist wirklich nett, aber manchmal braucht man doch ein wenig Abstand. Aber wenn du mit Clifford mal eine romantische Auszeit verbringen möchtest, bist du hier genau richtig.“

Es klopfte an der Tür – ein Mitarbeiter brachte Sophies Koffer und trug ihn in das angrenzende Schlafzimmer. Charlotte sah auf ihre Uhr. „Ich muss wieder in die Lobby“, erklärte sie. „Gleich kommt Alexis’ Großmutter, die möchte ich nicht verpassen. Spring doch unter die Dusche und zieh dich um, dann treffen wir uns nachher am Pool, okay?“

Sophie nickte und blickte ihrer Schwester nach, die zusammen mit dem Angestellten die Suite verließ. Auf dem Tisch stand ein Obstkorb, und sie schob sich gedankenverloren ein paar Weintrauben in den Mund. Allein in dieser weitläufigen Suite kam sie sich plötzlich recht verloren vor. Sollte sie tatsächlich ihren Badeanzug anziehen und sich an den Pool begeben, wo sie außer ihrer Familie niemanden kannte? Oder wäre es nicht mindestens genauso nett, es sich mit einem Buch auf der Liege des Balkons gemütlich zu machen? Nein, das ging wohl nicht. Charlotte würde sie holen kommen, und das wäre mehr als peinlich.

Seufzend öffnete sie ihren Koffer und begann, nach ihrer Sonnenmilch zu suchen.

Wenn Leute behaupteten, sie wollten etwas schlicht und unkompliziert haben, war das leichter gesagt als getan, wusste Sophie. Aber Charlotte und Alexis war es tatsächlich gelungen, ihre Trauzeremonie ohne viel Brimborium hinter sich zu bringen. Ihre eigene Aufgabe war nur gewesen, vor ihrer Schwester den Mittelgang zwischen den beiden Stuhlreihen hinabzuschreiten, die unter einem riesigen Sonnensegel für die etwa hundert Gäste auf der Rasenfläche aufgestellt worden waren. Charlotte hatte für sie ein leuchtend blaues, fließendes Kleid ausgesucht, das vom Schnitt her dem cremefarbenen Brautkleid ähnelte, das sie selbst trug.

Vorn an dem altarähnlichen Tisch hatte Alexis mit seinem Cousin Nikos gewartet. Die Ähnlichkeit der beiden Männer wurde durch die dunklen Anzüge noch unterstrichen, aber während die Augen von Alexis nur auf die Stelle gerichtet waren, an der seine Braut erscheinen würde, hatte Nikos tatsächlich Sophie zugelächelt, während sie mit gemessenen Schritten auf ihn zukam.

Die eigentliche Zeremonie war rasch vorüber, und danach war er auf sie zugekommen und hatte ihr ein Kompliment zu ihrem Kleid gemacht. „Es hat genau die Farbe deiner Augen – und die ähneln dem Blau des Meeres!“ Es hatte sich gut angehört, selbst wenn er dabei auch einen Blick auf das weit ausgeschnittene Dekolleté geworfen hatte.

Für den Geschmack ihrer Mutter war der Ausschnitt viel zu gewagt. Aber es war keine Zeit mehr gewesen, das zu ändern, und so hielt Sophie sich möglichst gerade, um niemandem zu tiefe Einblicke zu gewähren. Hinter ihr hörte sie, wie sich einige Frauen in schnellem Griechisch unterhielten und befürchtete, sie wären ebenso empört über das Kleid wie Margaret. Und da sie niemanden außer Nikos kannte, fragte sie ihn rasch: „Worüber regen sich die Damen so auf?“

Er lachte. „Die regen sich nicht auf! Jedenfalls nicht besonders. Griechische Frauen klingen immer wie Elstern, so, als hätte sich etwas ganz Besonders ereignet, das liegt einfach an der Sprache.“

„Wirklich? Und warum gucken die alle so kritisch?“

Er zuckte mit den Schultern. „Sie fanden die Trauung nicht fromm und nicht traditionell genug. Aber das sollte man nicht zu ernst nehmen. Wenn man will, findet man immer etwas zu meckern.“ Er legte ganz leicht seine Hand auf ihren Rücken. „Komm, wir haben uns jetzt ein Glas Champagner verdient, finde ich.“

Mühelos bahnte er für sie einen Weg durch die Gäste bis an die Bar, wo er ihr eine langstielige Sektflöte reichte. „Auf das Brautpaar! Und darauf, dass Charlotte ihre hübsche Schwester hierherlocken konnte!“

Sophie trank ihm zu. Sie war sich nicht sicher, wie sie seine Aufmerksamkeit einschätzen sollte. Ihre offizielle Aufgabe als Trauzeugen war erledigt, es gab also keine Verpflichtung mehr für ihn, sich um sie zu kümmern. Längst war ihr klar, dass eine ganze Reihe von Frauen ihm interessierte Blicke zuwarfen, und er wusste das auch.

Vielleicht sollte sie ihn mehr auf Abstand halten? Aber sie kannte hier sonst niemanden von den Gästen. Die Alternative war, sich zu ihren Eltern zu gesellen, die sich offenbar gerade mit der Großmutter von Alexis unterhielten. Aber da bevorzugte sie auf jeden Fall das Gespräch mit diesem attraktiven Mann neben ihr.

Das anschließende Dinner umfasste eine endlose Menge köstlicher griechischer Speisen. Auch dazu hatte man sie am Tisch des Brautpaars direkt neben Nikos platziert. Und als Charlotte und Alexis die Tanzfläche eröffneten, war Nikos der Erste, der aufsprang und sie mit sich zog.

Sie musste zugeben, dass es großartig war, mit ihm zu tanzen. Er hatte definitiv mehr Rhythmusgefühl als Clifford und brachte es fertig, sie zu Schrittfolgen zu bewegen, die sie bisher nicht kannte und auch nie gewagt hätte. Auch jetzt war ihr bewusst, dass sie von einigen neiderfüllten Augenpaaren beobachtet wurden. Vor allem eine kurvige schwarzhaarige Schönheit in einem pfirsichfarbenen Kleid versuchte wiederholt, seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, aber mehr als ein charmantes Lächeln hatte Nikos nicht für sie übrig.

Sophie hatte sich noch nie so gut amüsiert, und das lag hauptsächlich daran, dass Nikos sich so intensiv um sie bemühte. Er versorgte sie mit Getränken und stand neben ihr, als die Hochzeitstorte angeschnitten wurde, so dass sie eins der ersten Stücke bekam. Als Charlotte verkündete, dass sich nun alle unverheirateten Frauen versammeln sollten, weil sie den Brautstrauß werfen wollte, stand sie mitten im Gedränge. Fast hätte sie das begehrte Gebinde auch gefangen – hätte nicht die Frau im pfirsichfarbenen Kleid sie in letzter Sekunde noch beiseitegestoßen. Die Enttäuschung darüber dauerte nur einen winzigen Moment, weil Nikos bereits wieder neben ihr stand und sie für den Verabschiedungswalzer auf die Tanzfläche holte.

Es war angekündigt worden, dass Charlotte und Alexis nun die Feier verließen. Sophie umarmte sie noch einmal. „Das war eine wunderbare Hochzeit!“, flüsterte sie Charlotte ins Ohr.

„Fand ich auch!“, erwiderte ihre Schwester strahlend. „Wir sehen uns morgen noch, bevor wir abreisen.“

Sophie verfolgte beinahe sehnsüchtig, wie Charlotte und Alexis sich von ihrem Fest zurückzogen. Sie waren so eindeutig glücklich miteinander! Sie hoffte, dass sie und Clifford dasselbe Glück ausstrahlen würden, wenn sie verheiratet wären.

Der Gedanke an Clifford ernüchterte sie ein wenig. Sie hatte gar nicht an ihn gedacht, während sie so intensiv gefeiert hatte! Und ihr wurde bewusst, dass sie heute noch überhaupt nicht mit ihm gesprochen hatte.

Sie blickte kurz auf ihre Armbanduhr. In England war es zwei Stunden früher, da würde Clifford bestimmt noch nicht schlafen. Sie ging zu ihrem Platz, um ihre Handtasche zu holen.

Nikos fing sie ab, bevor sie die Lobby erreicht hatte. „Was haben Sie vor, schöne Frau?“

Sie lächelte. „Ich habe den Eindruck, die Feier neigt sich dem Ende zu. Und deshalb werde ich es meiner Schwester gleichtun. Ich möchte ins Bett.“

Er nickte zustimmend. „Da trifft es sich doch gut, dass wir denselben Weg haben, nicht wahr?“ Mit einer lässigen Bewegung griff er nach einer halbvollen Champagnerflasche. „Und schon haben wir auch eine Wegzehrung.“

„Ich war eigentlich der Meinung, ich hätte genug“, gestand Sophie.

„Von Champagner kann man nie genug haben“, entgegnete er und legte ihr einen Arm um die Schulter. „Genau wie von lauen Sommernächten wie diesen, in denen der Mond scheint und die Zikaden zirpen.“

„Du bist ja ein Romantiker“, staunte sie. „Das hätte ich nicht gedacht.“

„Vielleicht kennst du noch nicht alle Seiten von mir. Aber das können wir ändern.“ Sie hatten den Anfang des Westflügels erreicht. Nikos stellte die Champagnerflasche auf einem Tischchen ab und drehte Sophie zu sich. Sie spürte überrascht, wie er seine Hände um ihr Gesicht legte und sich zu ihr beugte. Er würde doch nicht …

Vorsichtig näherte sich sein Gesicht ihrem, und dann trafen sich ihre Lippen zu einem Kuss. Ein Kuss, der Sophie bis in ihr Innerstes traf. Das war ihr noch nie passiert. Lag es am Champagner? An der Tatsache, dass sie sich beim Tanzen so verausgabt hatte? Vom allgemeinen Zauber der Hochzeitsfeier? Sie wusste es nicht. Sie wollte es auch nicht weiter hinterfragen, weil es sich so gut anfühlte: seine Lippen auf ihren, seine Zunge, die sich vorsichtig in ihren Mund vortastete, seine zärtlichen Hände, die jetzt sanft über ihren Hals strichen. Ohne nachzudenken, erwiderte sie seinen Kuss, drängte sich näher an ihn, streckte eine Hand aus, um in seinem Haar zu wühlen. Sie spürte die kühle Wand in ihrem Rücken und seinen warmen Körper, der sich gegen ihren presste, hörte seltsame Laute, von denen sie nicht wusste, ob sie von ihm oder von ihr kamen …

Nikos unterbrach den Kuss, um sie mit einem Lächeln anzusehen. Sein Finger spielte mit einer ihrer blonden Strähnen, die sich aus ihrer Hochsteckfrisur gelöst hatte. „Zu mir oder zu dir?“, fragte er leise.

Mit einem Schlag war das wundervolle Gefühl Vergangenheit. „Was meinst du damit?“, stieß sie hervor.

„Das ist doch nicht so kompliziert“, antwortete er, immer noch lächelnd. „Dein Zimmer ist links und meins rechts. Welches soll es sein?“

Sophie fühlte sich, als hätte er einen Eimer kaltes Wasser über ihr ausgekippt. „Aber das geht doch nicht!“, stotterte sie.

Überrascht sah er sie an. „Was daran soll nicht gehen? Wir haben einen wunderschönen Abend zusammen verbracht, wir fühlen uns zueinander hingezogen … Ich spüre doch an deinem Kuss, dass du es willst!“

„Nein, ich will das nicht!“, widersprach sie heftig. „Ich gehe doch nicht am ersten Abend mit einem Mann ins Bett!“

„Das hat sich gerade aber ganz anders angefühlt.“

„Sorry!“ Sophie war zum Heulen zumute. Wie konnte er sie so missverstanden haben? „Aber das kommt nicht infrage. Ich bin verlobt!“

Schlagartig trat Nikos zwei Schritte zurück. „Verlobt? Und das sagst du erst jetzt?“ Er griff die Champagnerflasche und wandte sich zum Gehen. „Tja dann, schönen Abend noch.“

Sophies Hand zitterte ein wenig, als sie kurz darauf die Schlüsselkarte aus ihrem Täschchen holte. Die wunderbare Stimmung des Abends war verflogen, sie fühlte sich schrecklich.

In ihrer Suite zog sie als Erstes das Kleid aus. Sie würde es immer mit Nikos’ Komplimenten verbinden, und das ging gar nicht. Die hatte er alle nur ausgesprochen, um sie ins Bett zu kriegen … Wofür hielt er sie?

Immerhin wusste sie, wohin sie gehörte. In den kuschligen Hotelbademantel gehüllt setzte sie sich aufs Sofa und wählte auf ihrem Handy Cliffords Nummer.

„Sophie?“ Seine Stimme klang erstaunt. „Ich dachte, du feierst Charlottes Hochzeit?“

„Die Feier ist vorbei“, antwortete sie. „Hier ist es ja schon später.“

„Ach so.“ Er klang etwas unkonzentriert. „Und du wirst dann morgen mit deinen Eltern nach Mallorca weiterreisen?“

„Ja, das war doch der Plan! Ich wüsste gern, wann du nachkommst. Die Stressphase in deinem Job wird dich ja wohl nicht über zwei Wochen festhalten, oder?“

„Sophie …“ Er räusperte sich mehrmals. „Ach, was hilft es. Irgendwann muss ich es dir sowieso sagen.“

„Was musst du mir sagen?“, fragte sie mit zunehmender Panik. Sein Tonfall klang merkwürdig.

„Sophie, ich werde nicht nach Mallorca kommen. Ich … ich werde mich von dir trennen.“

2. KAPITEL

Zunächst dachte Sophie, sie hätte sich verhört.

„Trennen?“, wiederholte sie ungläubig. „Aber … aber wieso?“

„Ich habe mich verliebt, Sophie. Ja, ich weiß, ich habe immer gesagt, dass ich dich liebe, aber ich weiß erst jetzt, was das wirklich bedeutet. Ich liebe Sue, ich möchte für immer mit ihr zusammen sein, und deshalb … Es tut mir leid, Sophie.“

Die Szene mit Nikos vorhin war nichts gegen das, was Sophie jetzt empfand. „Aber Clifford! Ich dachte immer …“

„Ich weiß, Sophie. Du bist jetzt bestimmt total schockiert. Aber du musst auch mich verstehen, ich …“

„Muss ich das?“, fragte sie und nahm das Telefon vom Ohr. Ohne zu überlegen, beendete sie das Gespräch, schaltete das Handy aus und warf es weit von sich. Und dann begann sie zu weinen.

Sie weinte, bis ihre Augen brannten und die Nase so verstopft war, dass sie kaum noch Luft bekam. Die Taschentuch-Box aus dem Bad war fast leer, als sie schließlich auf den Balkon trat und auf das Meer blickte, das sich in der Dunkelheit kaum noch vom Himmel abhob. Fetzen von Musik drangen zu ihr hinauf; offensichtlich war die Party noch nicht zu Ende.

Was Nikos wohl machte? Ob er sich wieder auf die Tanzfläche gestürzt hatte? Für einen Augenblick hatte sie sich von seinem Charme und seiner Ausstrahlung einwickeln lassen, und obwohl Clifford davon nichts wissen konnte, hatte das Schicksal sie dafür schwer bestraft.

Zumindest werde ich ihn nicht wiedersehen, sagte sie sich. Aber das machte es auch nicht besser. Clifford würde sie wiedersehen, weil sie beide für denselben Arbeitgeber tätig waren. Er hatte von einer Sue gesprochen, die Sophie nicht kannte. Wo hatte er sie getroffen? Würde er am Ende gar mit ihr zusammen das Häuschen von Miss Roth kaufen? Wie sollte sie das nur überstehen?

Sophie verließ den Balkon und beschloss, ins Bett zu gehen. Aber es wurde schon wieder hell am Himmel, bis sie endlich schlafen konnte.

„Du liebe Güte, was ist passiert?“ Charlotte warf nur einen Blick auf ihre Schwester, die wie ein Häufchen Elend vor der Tür ihrer Suite stand, und nahm sie erst einmal in den Arm.

Sophie ließ sich von ihr zum Sofa leiten und nahm widerspruchlos Platz. Auf dem großen Tisch am anderen Ende des Wohnraums stand noch das Frühstück, das Charlotte und Alexis sich hatten kommen lassen, und Charlotte goss eine Tasse Kaffee ein, die sie Sophie reichte. Dann setzte sie sich neben ihre Schwester.

„Bitte sag doch was“, drängte sie besorgt. „Du bist ja völlig fertig.“

„Clifford hat mit mir Schluss gemacht“, antwortete Sophie tonlos. „Er hat eine andere kennengelernt.“

Charlotte sah sie erschrocken an. „Ist das der Grund, weshalb er nicht mitgekommen ist?“

Sophie nickte niedergeschlagen. „Er sagte, er wollte mir die Reise nicht verderben, deshalb hat er es mir nicht vorher erzählt.“

Charlottes Augen blitzten wütend auf. „So ein Idiot! Denkt er, das macht es besser?“

Sophie zog ratlos die Schultern hoch. „Er sagt, es tut ihm wirklich leid, und er wollte mir nicht wehtun.“

„Dieser Feigling!“, rief Charlotte empört. „Der hatte doch nur keinen Mut, es dir persönlich zu sagen! Stattdessen wartet er, bis du weit weg bist.“

Sophie trank ihren Kaffee, ohne ihn wirklich zu schmecken. „Was mache ich denn jetzt?“, murmelte sie ratlos. „Ich hatte ja geglaubt, er würde wenigstens nach Mallorca kommen.“

Charlotte begriff sofort, was sie meinte. „Ich schätze, du hast wenig Lust, mit Mum und Dad allein Ferien zu machen?“

„Du sagst es“, erwiderte Sophie düster. „Zumal sie vermutlich jeden Tag auf den Golfplatz gehen werden und ich sitze allein im Hotel.“

„Wenn Mum nicht denkt, sie müsste bei dir bleiben und dich betüddeln, was noch viel schlimmer wäre“, überlegte Charlotte. „Du könntest dir natürlich ein Auto mieten und …“

„Aber die sind doch alle linksgesteuert!“, jammerte Sophie. „Das bin ich überhaupt nicht gewohnt!“

Charlotte nickte. „Ich weiß, da muss man sich ziemlich umgewöhnen. Lass uns überlegen, was es sonst noch für Möglichkeiten gibt. Nach Hause fahren willst du bestimmt auch nicht, oder?“

Sophie schüttelte den Kopf. „Um mich von allen bemitleiden zu lassen, weil ich sitzengelassen wurde? Bloß nicht! Am liebsten würde ich einfach hierbleiben, wo mich niemand kennt, und alle Bücher lesen, die ich auf meinem Reader habe.“

„Das wird wohl nicht gehen“, meinte Charlotte besorgt. „Die Anlage ist ab morgen wieder völlig ausgebucht. Aber ich habe eine andere Idee.“ Sie ging zu dem kleinen Schreibtisch und kramte in ihrer Handtasche, bis sie einen Schlüssel fand. „Du bleibst einfach die zwei Wochen in der Pilion-Villa.“

Sophie riss die Augen auf. „Du meinst das Haus, wo du Alexis kennengelernt hast?“ Sofort musste sie daran denken, dass Charlotte dort im letzten Sommer mit ihrem VW-Bus gecampt und versucht hatte, das große Bauprojekt zu verhindern, das Alexis in der Bucht plante. Inzwischen waren die beiden gemeinsam dabei, eine kleine, aber feine Feriensiedlung nach ökologischen Standards anzulegen.

„Genau! Ich weiß, dass es leer steht, bis wir wiederkommen und mit dem Innenausbau beginnen. Wir nehmen dich mit aufs Festland, dort nimmst du ein Taxi. Mein Bus steht an der Villa, also hast du ein Auto, mit dem du fahren kannst.“

„Und du denkst, ich kann einfach …“

„Na klar!“ Jetzt war Charlotte Feuer und Flamme für ihre Idee. „Dort hast du deine Ruhe, einen Pool für dich und das Meer vor der Tür. Das ist doch ideal, oder? Alexis kann sich um die Umbuchung deines Fluges kümmern, das kriegen wir schon hin.“ Sie sah ihre Schwester aufmunternd an. „Klingt das nicht gut?“

„Schon fast zu gut“, sagte Sophie zögernd, aber sie spürte, dass Charlottes Vorschlag ihre Laune wieder steigen ließ. Sie hatte schon Fotos von der Villa gesehen, und dort ihren Urlaub zu verbringen, völlig ungestört und nach ihren eigenen Vorstellungen, klang deutlich verlockender als alle anderen Möglichkeiten.

„Dann machen wir das so!“, entschied Charlotte. „Du packst deinen Koffer, und ich gehe zu Mum und Dad und erkläre ihnen das Ganze.“

Als Sophie die Suite ihrer Schwester verließ, fühlte sie sich wesentlich besser. Der Schlüsselbund in ihrer Hand symbolisierte für sie, dass sie immer noch ihre Familie hatte, die ihr half, diesen Tiefschlag zu überstehen.

Trotzdem erschrak sie, als sich ausgerechnet in diesem Moment die Zimmertür gegenüber öffnete. Aber es war nicht Nikos, der in den Flur trat, sondern eine kurvige Schwarzhaarige in einem völlig zerknautschten pfirsichfarbenen Cocktailkleid und zerdrückter Frisur, die mit ihren Sandaletten in der Hand das Zimmer verließ.

Eins war klar: Nikos schien sich schnell getröstet zu haben.

Nikos selbst stand nur mit einer Boxershorts bekleidet am Fenster seiner Suite und starrte mit finsterem Blick auf die karge Gebirgslandschaft der Insel, während er am Handy der Stimme seines Geschäftspartners Pavlos zuhörte.

„Hör mal, diese Anschuldigungen sind völlig haltlos!“, rief er aufgebracht. „Ich habe mit Angelina seit mindestens einem Jahr nichts mehr zu tun, ich kann nicht der Vater ihres Kindes sein!“

„Das kannst du mir erzählen, aber der griechischen Skandalpresse ist das ziemlich einerlei“, hielt Pavlos ihm entgegen. „Angelina hat das Gerücht in die Welt gesetzt, weil sie weiß, was du für einen Ruf hast. Dein Verschleiß an hübschen Mädchen ist legendär, und erzähl mir nicht, dass du an diesem Wochenende nicht wieder mit mindestens einer von ihnen in die Kiste gesprungen bist.“

Unwillkürlich schweifte Nikos’ Blick hinüber zum Schlafzimmer seiner Suite. Ganz so wild, wie Pavlos vermutete, war es nicht gewesen – er hatte nach dem Sophie-Desaster mit Despina noch die Flasche Champagner geleert, bevor sie auf seiner Couch eingeschlafen war. Zum Glück war sie freiwillig gegangen, als Nikos’ Telefon geläutet hatte, und hatte nicht noch von ihm verlangt, mit ihr zu frühstücken oder etwas zu unternehmen.

„Das ist ja wohl meine Sache“, sagte er missmutig. „Aber verlass dich darauf, bei der Verhütung mache ich keine Kompromisse. Ich will nur meinen Spaß haben. Kinder in die Welt zu setzen gehört nicht dazu.“

„Das glaube ich dir sogar“, entgegnete Pavlos. „Aber es gibt immerhin diese Fotos, die dich noch vor ein paar Wochen mit ihr bei ihrer Filmpremiere zeigen. Du hast deinen Arm um ihre Schulter gelegt …“

„Das war nur für die Fotografen“, fiel Nikos ihm ins Wort. „Und du weißt selbst, dass ich das bei vielen Leuten tue, auch mit dir zum Beispiel. Das heißt nicht, dass ich gleich eine sexuelle Beziehung mit dir habe.“

„Zum Glück“, sagte Pavlos ungerührt. „Aber wenn Angelina behauptet, dass bei dieser Gelegenheit dieses Kind entstanden ist, dann wird es ziemlich schwierig, das Gegenteil zu beweisen.“

„Das ist wohl so“, brummte Nikos und ließ sich schlecht gelaunt auf einen Sessel fallen. „Die Frage ist, warum behauptet sie es? Warum geht sie nicht zu dem Kerl, der wirklich der Vater ist, und fällt dem auf die Nerven damit?“

„Offensichtlich weiß sie nicht, wer das ist“, erklärte Pavlos. „Und das ist genau das Problem. Ich schätze, deshalb hat sie auch mich angerufen und ist nicht direkt zu dir gerannt.“

„Dann komm mal zur Sache“, verlangte Nikos. „Was genau hat sie dir erzählt?“

„Sie hatte einen Filmriss“, berichtete Pavlos. „Sie war offensichtlich so betrunken, dass sie nicht mehr weiß, mit wem sie in dieser Nacht Sex hatte. Als sie am nächsten Morgen aufwachte, meinte sie, auf ihrem Kissen dein Aftershave zu riechen.“

„Na, das ist ja ein fabelhafter Beweis. Wenn ich der Einzige wäre, der das Aftershave von Yohji Yamamoto benutzt, hätten sie die Linie längst eingestellt. Auf so was lasse ich mich nicht ein.“

„Darum geht es doch gar nicht, Nikos“, argumentierte Pavlos. „Das Entscheidende ist, dass sie dich in der Presse als einen egozentrischen, frauenverachtenden Mistkerl darstellen wird, wenn du die Vaterschaft nicht anerkennst. Das betrifft wiederum nicht nur dich persönlich, sondern auch unsere Unternehmensberatung ‚International Development Projects‘. Ein Imageschaden, den wir uns gerade jetzt nicht leisten können, bis wir den Auftrag von McFadden in der Tasche haben und er mit unserer Hilfe seine Niederlassung in Patras baut – das bringt mindestens 800 Arbeitsplätze für die Region, eine Menge Aufmerksamkeit in der Presse und für uns eine anständige Provision! Du kennst McFadden und weißt, wie viel Wert er auf Anstand und Moral legt. Wenn der wegen dieser Skandalgeschichte das Projekt absagt, werden wir auch andere Kunden verlieren, und unsere Firma existiert noch nicht lange genug, um das zu überstehen.“

3. KAPITEL

Nikos kniff die Augen zusammen. Er hatte nicht damit gerechnet, an diesem Morgen zuallererst mit einem Problem konfrontiert zu werden, das ihn seine berufliche Existenz kosten könnte. „Ja, das weiß ich alles. Trotzdem kann ich diese Vaterschaft nicht anerkennen, weil ich nicht der Vater bin.“

„Das glaube ich dir, Nikos. Irgendwann wird das ein Vaterschaftstest auch eindeutig feststellen. Aber bis dahin könnte unsere Firma durch diese bösen Gerüchte in eine gefährliche Schieflage geraten.“

Frustriert schüttelte Nikos den Kopf. Das durfte doch nicht wahr sein! Jahrelang hatte er hart gearbeitet, um sich ein Unternehmen aufzubauen, das auch ohne die Unterstützung seiner Familie erfolgreich war. Niemals wäre er auf die Idee gekommen, dass ihm sein Privatleben einmal so böse auf die Füße fallen würde – und das auch noch, ohne dass er daran Schuld hatte.

„Was soll ich deiner Meinung nach jetzt machen?“, fragte er seinen Geschäftspartner. „Ich wollte eigentlich heute noch auf der Insel bleiben und ein bisschen Wasserski fahren, aber am besten komme ich direkt nach Athen zurück, und wir setzen uns dazu in Ruhe zusammen.“

„Genau das solltest du nicht tun“, widersprach Pavlos. „Ich wette, die Paparazzi warten schon vor deinem Apartment auf dich und werden dich auf Schritt und Tritt verfolgen, und wenn du einer hübschen Frau auch nur die Tür aufhältst, werden sie dir die nächste Affäre andichten. Nein, du solltest für eine Weile untertauchen und ihnen keine Chance geben, Bilder von dir in die Magazine zu bringen.“

„Meinst du das ernst? Denkst du nicht, die suchen sich schnell ein neues Opfer, wenn ich Ihnen keinen interessanten Stoff liefere?“

„Erstens“, zählte Pavlos geduldig auf, „darfst du auf keinen Fall auf Angelina treffen, genau das wird sie aber wollen. Du weißt so gut wie ich, dass sie deine Lebensgewohnheiten in Athen gut kennt. Irgendwann erwischt sie dich, und du bist geliefert. Lächelst du, bist du ein herzloser Leichtfuß. Guckst du ernst, gibst du zu, dass du ein Problem hast. Du kannst dabei nur verlieren.“

„Das ist eine Frechheit“, zischte Nikos erbost.

„Zweitens“, fuhr Pavlos fort, „wird viel eher Gras über die Sache wachsen, wenn dich niemand sieht. Du kannst auch von der Insel aus arbeiten.“

Nikos überlegte. „Hier kann ich nicht bleiben, die Presse weiß doch, dass Alexis hier geheiratet hat. Spätestens morgen setzen die ersten Fotografen mit der Fähre über.“

„Dann flieg nach Monte Carlo oder Dubai, ist mir völlig egal. Hauptsache, du hast Zugriff auf den Firmenserver und bist erreichbar, wenn McFadden eine Zoom-Sitzung vorschlägt.“

„Na gut“, stimmte Nikos zu. „Ich frag meinen Onkel, wo seine Jacht gerade liegt. Da wird mich wohl keiner finden, ich bin ja nicht Prinzessin Diana.“

„Das stimmt“, erwiderte Pavlos erheitert. „Trotzdem solltest du dich vor den Paparazzi in Acht nehmen.“

Nikos hatte keine besondere Lust, in den Frühstücksraum zu gehen, aber er hatte seiner Großmutter versprochen, sich persönlich von ihr zu verabschieden. Offensichtlich hatte Anastasia bereits gefrühstückt und saß nun bei einer letzten Tasse Tee, als er erschien.

„Setz dich zu mir!“, winkte sie ihn heran. „Und hol dir etwas zu essen, vielleicht siehst du dann nicht mehr so finster drein.“

Auch ein Frühstück wird an meiner Laune nichts ändern, dachte er, holte sich aber trotzdem einen Kaffee und lud sich eine Portion Bougatsa auf seinen Teller. Schon als Kind hatte er das mit Vanillecreme gefüllte Blätterteiggebäck geliebt, und als er jetzt seiner Großmutter gegenübersaß und einen ersten Bissen nahm, erinnerte er sich an die unbeschwerten Sommerferien, die er mit ihr in der Villa auf dem Pilion verbracht hatte.

„Sag mal, Yiayia“, begann er nachdenklich, „sind im Augenblick eigentlich irgendwelche Gäste in der Ferienvilla?“

„Nein, mein Junge“, antwortete sie überrascht. „Ich selbst werde von hier aus für ein paar Wochen nach Korfu reisen und dort den Rest des Sommers bei Freunden verbringen. Alexis und Charlotte sind die nächsten, die dort eine Weile bleiben werden, wenn sie von ihrer Hochzeitsreise zurück sind. Schließlich haben sie dort ein Projekt zu betreuen.“ Sie lächelte bei dem Gedanken. „Gut, dass Charlotte das große Hotel verhindert hat … Mir gefällt der Gedanke an diese Feriensiedlung viel besser. Die Bucht wird davon profitieren.“

„Hättest du was dagegen, wenn ich für ein paar Tage auf den Pilion fahre?“

„Natürlich nicht!“, rief Anastasia überrascht. „Musst du denn nicht nach Athen zurück?“

„Das hatte ich ursprünglich vor“, sagte er. „Aber …“ Ihm war bewusst, dass seine Großmutter sich immer schon dadurch ausgezeichnet hatte, dass ihr nichts verborgen blieb. Also entschloss er sich, ihr die ganze vertrackte Angelegenheit zu erzählen.

Anastasia schürzte abfällig die Lippen, als er geendet hatte. „Dieses kleine Miststück!“, schimpfte sie. „Ich mochte sie noch nie und war heilfroh, als du die Beziehung zu ihr beendet hast. Für meinen Geschmack hat sie auch in ihrem Privatleben zu viel geschauspielert. Dein Kollege Pavlos hat ganz recht, du solltest ihr keine Chance geben, dich an die Presse auszuliefern. Du kannst dich in die Villa zurückziehen. Ich bin sicher, Alexis hat nichts dagegen.“

Nikos nickte bedauernd. „Jetzt habe ich die beiden wegen dieser blöden Sache nicht mehr gesehen. Ob ich Alexis noch rasch anrufe, bevor sie in den Flieger steigen?“

Anastasia legte ihm lächelnd die Hand auf den Arm. „Lass sie in Ruhe, mein Junge. Es ist ihre Hochzeitsreise, da sollte man sie nur im Notfall stören.“ Sie leerte ihre Tasse und stand auf. „Und du solltest dich auch sputen, damit wir die nächste Fähre aufs Festland nicht verpassen. Wir könnten uns ein Taxi teilen.“

„Aber gern, Yiayia.“ Er nahm noch einen letzten Bissen Bougatsa und begleitete dann seine Großmutter hinaus.

Spätestens als er in Argalasti in Richtung Osten abbog, stellte sich für Nikos wieder das Gefühl ein, das er schon als kleiner Junge gehabt hatte, wenn er in den Sommerferien seine Großmutter hier besuchen konnte. Er war zehn, als sein Vater sich scheiden ließ, um eine andere Frau zu heiraten. Danach war es zu Hause nie wieder so schön gewesen wie vorher; seine Mutter wurde zunehmend verbittert und ließ keine Gelegenheit aus, über seinen Vater zu schimpfen und seine Untreue zu beklagen. Umso sehnlicher wartete Nikos dann darauf, dass die Schulferien begannen und er in die Villa auf dem Pilion gebracht wurde, wo er zusammen mit seinem Cousin Alexis viele wunderbare Wochen unter der Aufsicht von Anastasia verbrachte.

Das war die beste Zeit meines Lebens, dachte er ein wenig deprimiert, während sein Geländewagen über die ungeteerte Abkürzung ruckelte, die ihm mindestens zehn Minuten Zeit sparen würde. So sorglos, so unbeschwert war es nie wieder gewesen!

Seit damals war ihm das Wichtigste, sein eigenes Leben führen zu können, von niemandem abhängig zu sein. Er wollte sich weder beruflich von irgendwelchen Vorgesetzten herumkommandieren lassen noch sich privat auf Dauer an eine Frau binden, weil er gesehen hatte, wohin das führte.

Das ständige Genörgel seiner unzufriedenen Mutter hatte ihn früh von zu Hause weggehen lassen, und seitdem empfand er sein Leben als einen ständigen Kampf um Erfolg und Anerkennung. Da half es wenig, aus einer wohlhabenden Familie zu stammen – das hatten ihm die Kommilitonen im Studium rasch beigebracht. Die beste Methode, sowohl mit Neidern als auch mit opportunistischen Schleimern umzugehen, war die scheinbar unverbindliche und selbstzentrierte Haltung, die er sich mit der Zeit zugelegt hatte. Damit gelang es ihm, sich viele Leute vom Hals zu halten, die in ihm nur einen oberflächlichen Blender sahen.

Aber wenn er jetzt in die Villa zurückkehrte, dann würde er nicht mehr die fröhliche Atmosphäre seiner Kindheit vorfinden. Stattdessen war sie zu einem Versteck geworden vor einer neuen Stolperfalle, die das Schicksal für ihn bereitet hatte.

Wieder einmal ging es darum, etwas Unerfreuliches von sich abprallen zu lassen, ohne dass es ihn beschädigte. Er kannte Angelina gut genug. Sie war ihm im Grunde ähnlich, eine Getriebene, die es im Filmgeschäft ganz nach oben schaffen wollte. Aber im Gegensatz zu ihm scheute sie auch vor unlauteren Methoden nicht zurück. Die Beziehung zu ihm war ein Sprungbrett gewesen, um die richtigen Leute kennenzulernen; die Klatschpresse hatte sie als Traumpaar gefeiert, der Sohn eines reichen Reeders und die schöne junge Schauspielerin. Dass es auf Dauer nicht reichte, mit einer attraktiven Frau zusammenzuleben, die sich nur für ihre Karriere interessierte, aber nicht hätte sagen können, was er beruflich machte, stand auf einem anderen Blatt.

Nun war sie schwanger und musste sich entscheiden, wie sie aus dieser Lage maximal Kapital schlagen konnte. Von allen Männern, mit denen sie auf der Premierenparty gefeiert hatte, war er vermutlich der am besten geeignete für ihre Ziele. Pavlos hatte ihm die Situation unmissverständlich klargemacht. Wenn er nicht zu diesem Kind stand und zahlte, würde sie alles daransetzen, seinen Ruf zu zerstören. Sie wusste schließlich, wie wichtig das passende Image für den beruflichen Erfolg war. Für sie ging es darum, den Klatschblättern entweder eine reizende Familie zu präsentieren oder sich und ihr Kind als Opfer eines herzlosen Egoisten darzustellen. Dabei war ihr völlig egal, was das für ihn bedeutete. Eine Beratungsfirma wie seine gründete auch darauf, dass die Klienten absolutes Vertrauen in seine Ehrlichkeit und Anständigkeit hatten, denn sonst könnten sie sich nicht darauf verlassen, dass sie ihre Millionen in reelle Unternehmungen investierten. Es gab genug schwarze Schafe auf dem Markt, die viel versprachen und wenig davon hielten; von Anfang an hatten Pavlos und er größten Wert darauf gelegt, diesen Ruf zu erwerben. Und gerade Mr. McFadden war deshalb zu ihnen gekommen, weil er sie für absolut seriös hielt.

Er bog um eine Kurve und erblickte das Haus. Anastasia hatte es bauen lassen, nachdem sie plötzlich und viel zu früh verwitwet war, und ihm damit eine dringend nötige Anlaufstelle geschaffen. Sie war es auch gewesen, die in sein Unternehmen investiert hatte, damit er weder seinen Vater noch seine Onkel fragen musste. Wenn das McFadden-Projekt abgewickelt war, könnte er ihr die letzte Rate zurückzahlen. Schon deswegen konnte er nicht riskieren, alles aufs Spiel zu setzen, nur weil ein ehrgeiziges Filmsternchen mit fragwürdigen Moralbegriffen ihn zu erpressen versuchte. Er konnte nur hoffen, dass der Plan von Pavlos aufging und er hier für die Presse lange genug unauffindbar war, bis es aktuellere Skandale zu behandeln gab.

Ein tiefhängender Oleanderast peitschte gegen seine Seitenscheibe, als er schwungvoll die Auffahrt hinauffuhr. Überrascht stellte er fest, dass das Tor offenstand. Auf dem Platz vor dem Haus parkte Charlottes Campingbus, aber der Staub und die Blütenblätter darauf ließen darauf schließen, dass er schon einige Tage nicht bewegt worden war. Trotzdem schien jemand im Haus zu sein, denn die Schlagläden waren teilweise geöffnet.

Ein wenig beunruhigt parkte er seinen Wagen im Carport neben dem Haus und näherte sich der Haustür, die immerhin ordnungsgemäß verschlossen war. War im Inneren der Villa Musik zu hören? Das spräche jedenfalls gegen einen Einbrecher. Nikos zückte seinen Schlüssel und öffnete die Tür.

Tatsächlich erklang Musik aus dem Wohnzimmer, aber nicht die griechischen Schlager, die Anastasias Putzfrau gern hörte, sondern Orchestermusik, vielleicht von Bach. Verwundert folgte er dem Geräusch. Die Terrassentür im Wohnzimmer stand offen, und es schien jemand im Pool zu schwimmen. Sehr merkwürdig – wer hatte sich hier einquartiert? Die ganze Familie war schließlich auf der Hochzeit gewesen, offiziell an Fremde vermietet wurde das Haus nicht.

Alarmiert trat er nach draußen, um die Angelegenheit zu klären. Ganz genau konnte er nicht erkennen, was für eine Frau durch das Becken tauchte, aber zumindest machte sie eine gute Figur in ihrem pinkfarbenen Einteiler. Er schlenderte zur Stirnseite des Pools und wartete, bis sie auftauchte, bevor er sie kühl fragte: „Was machen Sie hier?“

Sophie kam es vor, als würde das kühle Wasser den ganzen Kummer wenigstens für einen Moment von ihr abspülen. Nachdem sie in der Villa angekommen war und ihren Koffer im schönsten der vier Schlafzimmer abgestellt hatte, war ihr nicht nach ordentlichem Auspacken gewesen. Sie hatte einfach nur ihren Badeanzug angezogen, sich ein Handtuch aus dem Schrank genommen und war in den Pool gesprungen – ein Vorgehen, das sie als wunderbar dekadent empfand und das ihre Mutter bestimmt nicht gutgeheißen hätte.

Es war wunderbar, sich treiben lassen zu können, ohne auf irgendjemanden Rücksicht nehmen oder sich anpassen zu müssen! Die ganze Geschichte mit Clifford hinter sich lassen und völlig unerwartet diesen Luxus genießen zu können! In Little Beresford gab es kein Freibad, und schon gar nicht so ein fabelhaftes Schwimmbecken ganz für sie allein. Sie holte tief Luft und probierte aus, ob sie immer noch in einem Zug durch die gesamte Länge tauchen konnte.

Zufrieden tauchte sie kurz vor der Beckenkante auf – und wäre fast vor Schreck wieder untergegangen, weil sie auf ein Paar Männerschuhe blickte. Voller Panik schaute sie nach oben und erkannte den Mann, den sie eigentlich niemals hatte wiedersehen wollen.

„Nikos? Was machst du hier?“

„Das Gleiche könnte ich dich auch fragen“, entgegnete er verärgert. „Dies ist die Villa meiner Familie. Wieso bist du hier?“

Sophie wischte sich das Wasser aus dem Gesicht und wünschte, sie befände sich nicht in so einer ungünstigen Position in einem fremden Pool, während ein hünenhafter Kerl mit finsterer Miene auf sie herabsah. „Charlotte und Alexis haben mir den Schlüssel gegeben“, verteidigte sie sich. „Sie sagten, das Haus wäre leer.“

„Das wird es auch bald wieder sein“, gab er zurück. „Denn du wirst jetzt aus dem Pool steigen, deine Sachen packen und verschwinden.“

Normalerweise hätte sie so ein Befehl gleich eingeschüchtert. Aber sein herrischer Ton weckte plötzlich ihren Widerspruchsgeist. „Wieso sollte ich? Ich war zuerst da.“ Um ihn nicht von so weit unten betrachten zu müssen, schwang sie sich auf die Poolkante und begann, sich das Wasser aus ihren langen blonden Haaren zu schütteln.

Nikos machte ein paar Schritte rückwärts, weil er nicht von ihr bespritzt werden wollte. „So lange her kann das noch nicht sein“, brummte er. „Vermutlich hast du eine Fähre früher genommen als ich.“

„Ich schätze, da warst du noch anderweitig beschäftigt“, sagte sie spitz. Sie hatte die Dame im pfirsichfarbenen Cocktailkleid nicht vergessen. „Und soweit ich weiß, lebst und arbeitest du in Athen. Ich hingegen möchte hier Urlaub machen.“

„Sophie, diese Villa gehört meiner Großmutter. Sie hat mir ihren Schlüssel gegeben, und ich werde hierbleiben, solange ich will.“

Sie stand auf und funkelte ihn herausfordernd an. „Und ich habe meinen Schlüssel von Alexis, der hier wohnen wird, bis die Ferienanlage fertig ist, die er in der Bucht bauen lässt. Ich halte sozusagen in seinem Auftrag die Stellung, bis er von seinen Flitterwochen zurück ist, und ich werde auch hierbleiben. Finde dich damit ab.“ Sie ergriff ihr Handtuch, wickelte es sich um und ging mit schnellen Schritten ins Haus zurück.

Erst als sie in ihrem Badezimmer stand, um den Badeanzug gegen ein Sommerkleid auszutauschen, wurde ihr bewusst, dass sie sich gerade ziemlich unhöflich verhalten hatte. Du liebe Güte, sie hatte ihn regelrecht angefahren und einen Sarkasmus angewendet, den sie sonst nie einzusetzen wagte.

Aber immerhin hatte sie auf diese Weise das letzte Wort behalten, fiel ihr auf. Und das fühlte sich gar nicht mal so schlecht an. Und von ihm vertreiben lassen ließ sie sich auf keinen Fall!

Nikos schaute ungläubig Sophie hinterher, die jetzt eilig im Haus verschwand. Er hatte schon mit vielen Frauen zu tun gehabt, aber noch keine war eine so unerfreuliche Mischung aus zickig und prüde. Dabei sah sie gar nicht übel aus, wenn man auf den romantischen Typ mit blonden Locken und blauen Augen stand, eine Frau, die bei Männern an ihren Beschützerinstinkt appellierte, weil sie rasch den Eindruck machte, vom Leben insgesamt überfordert zu sein. Aber dann begann sie ganz überraschend Gift und Galle zu spucken, und in diesen Fällen sollte man sich am besten schnell zurückziehen.

Wobei das in diesem Fall nicht infrage kam. Es gab schließlich einen Grund, weshalb er hier in der Villa war. Überhaupt hatte er fürs Erste die Nase voll von Frauen. Entweder waren sie so skrupellos wie Angelina oder so uninteressant wie Despina, mit der er letzte Nacht zwar Champagner getrunken, aber keine vernünftige Unterhaltung geführt hatte. Und wenn es ganz schlimm kam, dann waren sie so seltsam wie diese Sophie, die den ganzen Abend mit ihm flirtete und dann plötzlich behauptete, verlobt zu sein, die sich so brav und zurückhaltend gab, nur um ihn wie vorhin mit ironischen Bemerkungen zu überrumpeln … wieso war sie überhaupt allein hier? Wo steckte denn dieser mysteriöse Verlobte? Am liebsten würde er jetzt Charlotte anrufen – wie konnte eine so patente, selbstbewusste Frau eine so zickige Schwester haben? – und sie danach befragen. Aber natürlich hatte Anastasia recht, man sollte ein Paar in den Flitterwochen nur kontaktieren, wenn es gar nicht mehr anders ging.

Außerdem ging ihn das alles nichts an. Er konnte nur hoffen, dass sie es sich bald anders überlegen und die Villa wieder verlassen würde. Er schätzte sie nicht als eine Person ein, die mangelnde Harmonie und die Atmosphäre schlechter Laune lange aushalten würde.

Und bis dahin hätte er auf jeden Fall genug zu tun. Er ging zu seinem Auto zurück, um sein Gepäck zu holen.

Natürlich hatte sie ausgerechnet das Zimmer gewählt, in dem er sonst immer wohnte, wenn sich die Familie hier traf. Fremde übernachteten selten hier, deswegen hatte sich über die Jahre eine klare Verteilung ergeben. Kurz erwog er, ihre Sachen zu nehmen und in den Raum gegenüber zu bringen. Das würde sie bestimmt ärgern, aber andererseits kam ihm eine solche Aktion recht kleinlich und albern vor. Also trug er seinen Koffer in ein anderes Schlafzimmer und packte ihn aus.

Als er mit seinem Aktenkoffer in den Wohnbereich zurückkehrte, sah er sie auf der Terrasse unter einem Sonnenschirm sitzen, einen E-Book-Reader in der Hand. Sie trug eines dieser wallenden Blümchenkleider, die die Figur ihrer Trägerin völlig versteckten, und eine Sonnenbrille mit runden Gläsern. Ihre Haare, die er bisher nur glatt und hochgesteckt kannte, begannen sich beim Trocknen weich um ihr Gesicht zu locken. Bestimmt besaß sie auch einen großen Schlapphut, um ihr Gesicht vor der Sonne zu schützen. Das war eindeutig nicht sein Typ, aber zu einer braven Bibliothekarin aus einer englischen Kleinstadt passte es.

Nikos trug seinen Koffer zu dem Schreibtisch hinüber, an dem früher Anastasia oft gesessen hatte, wenn sie ihre geschäftliche Korrespondenz erledigt hatte. Er baute seinen Laptop auf und begann zu arbeiten. In erster Linie ging es darum, McFadden durch Kompetenz und gewissenhafte Vorbereitung zu überzeugen, damit er sich gar nicht erst allzu intensiv mit dem Privatleben seines Beraters beschäftigte. Je detaillierter er seinem Klienten die Vorteile einer Firmenniederlassung in Griechenland nahebringen konnte, desto besser; gerade vorige Woche war Nikos noch in Patras gewesen und hatte sich davon überzeugt, dass das fragliche Stück Land genau den Anforderungen entsprach, die sein Kunde aufgelistet hatte. Jetzt begann er, diese Informationen in das Zahlenwerk einzufügen, um die Wirtschaftlichkeit des Projekts deutlich zu machen.

Das war etwas, das Nikos konnte. Wer ihn nur in seiner Freizeit erlebte, hätte vermutlich nicht erwartet, wie gründlich und unermüdlich er bei seiner Arbeit war, Eigenschaften, die er schon bei seinem Wirtschafts-Studium entwickelt hatte. Für ihn war es unverzichtbar, alle Details genau zu kennen und auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein. Damit hatte er bisher eine Menge Kunden überzeugt, und er war nicht bereit, sich sein mühsam aufgebautes Renommee durch Angelinas Intrige zerstören zu lassen.

Irgendwann bekam er aus dem Augenwinkel mit, dass Sophie ins Haus zurückkam und in der Küche zu werkeln begann. Kurze Zeit später brachte sie ihm eine Tasse Kaffee. „Ich habe den Automaten in Betrieb genommen“, sagte sie. „Und ich dachte, vielleicht willst du auch einen.“

Überrascht schaute er hoch. Meinte sie das wirklich so, oder steckte etwas anderes dahinter? Ihr Gesichtsausdruck war weder hinterhältig noch unterwürfig. Selbst wenn sie hoffte, dass er die Villa rasch wieder verließ, sie würde ihn schon nicht vergiften.

„Danke schön“, sagte er. Nach dem knapp ausgefallenen Frühstück kam ihm der Kaffee sehr gelegen.

„Keine Ursache“, erwiderte sie und tappte barfuß auf die Terrasse zurück. Unwillkürlich beobachtete er, wie sie es sich wieder auf ihrem Sessel gemütlich machte. Tatsächlich stand ihr das Kleid sehr gut; die pastelligen Farben passten ideal zu ihrer hellen Haut, und der Ausschnitt lenkte den Blick auf ihr herzförmiges Gesicht.

Nikos trank seinen Kaffee und überprüfte ein letztes Mal sein Dokument, bevor er es abspeicherte. Erst jetzt fiel ihm auf, dass es sehr ruhig war – Sophie hatte die Musik abgestellt, die anfangs noch im Hintergrund gespielt hatte. Bei genauerem Hinsehen stellte er fest, dass sie stattdessen Ohrstöpsel trug.

Er wollte schon wieder den Blick abwenden, aber dann betrachtete er sie einen Augenblick länger. Sie schien völlig entspannt zu sein und doch vollkommen konzentriert auf ihre Lektüre. Ihm wurde klar, dass er bisher noch keine Frau getroffen hatte, die Bücher las. Angelina blätterte höchstens einmal durch den Mode- und Beauty-Teil einer Zeitschrift und hatte ansonsten eher ihr Handy vor der Nase. Aber selbst beim Studieren ihres umfangreichen Instagram-Feeds hatte sie niemals diese absolute Versunkenheit gezeigt, die er bei Sophie erkennen konnte.

Er kannte diesen Zustand aus eigener Erfahrung, wenn die Zeit keine Rolle mehr spielte, weil man hundertprozentig in das eingetaucht war, was man gerade tat. Bei ihm waren es eher die beruflichen Projekte, die seinen Ehrgeiz geweckt hatten und für ihn beinahe mehr Vergnügen als Arbeit bedeuteten – wenn er für einen ausländischen Kunden auf der Suche nach dem passenden Angebot in Griechenland war, konnte er ohne Probleme bis tief in die Nacht arbeiten. Für jemanden, der wie sie täglich mit Büchern zu tun hatte, besaßen sie vermutlich eine ähnlich hohe Wichtigkeit. Kein Wunder, dass sie bereit war, für längere Zeit ganz allein in dieser doch recht einsamen Bucht zu wohnen, aus der die meisten seiner Bekannten schon nach einem halben Tag vor Langeweile die Flucht ergreifen würden.

Nikos öffnete eine Excel-Tabelle, kontrollierte die Eingaben, die seine Mitarbeiterin am Freitag eingefügt hatte, und verknüpfte sie mit seinen eigenen Daten. Das McFadden-Projekt ließ sich gut an. Es wäre eine Katastrophe, wenn der als ausgesprochen konservativ geltende Kunde sich wegen der von Angelina gestreuten Gerüchte gegen eine Zusammenarbeit entscheiden würde! Insofern war es die richtige Entscheidung, sich für eine Weile hierher zu verkriechen. Auch wenn er die Abgeschiedenheit überhaupt nicht mehr gewohnt war. Der nächste Nachtclub war vermutlich eine Autostunde entfernt, und mit Angeboten wie Wasserski oder Paragl...

Autor

Kontakt des Verlags für weitere Informationen zur Barrierefreiheit - Für weitere Informationen über die Zugänglichkeit unserer Produkte wenden Sie sich bitte an info@cora.de.

Navigation im Inhaltsverzeichnis - Dieses E-Book enthält ein Inhaltsverzeichnis mit Hyperlinks, um die Navigation zu allen Abschnitten und Kapiteln in diesem E-Book zu erleichtern. Informationen über zusätzliche verlinkte Inhalte finden Sie in der Zusammenfassung zur Barrierefreiheit.

Zusammenfassung der Barrierefreiheit - <ProductFormFeatureDescription> enthält eine kurze erläuternde Zusammenfassung der Barrierefreiheit des Produkts oder die URL einer Webseite mit einer solchen Zusammenfassung, die mit den spezifischeren Konformitäts-, Merkmals- und Zertifizierungsangaben übereinstimmt. Die Zusammenfassung sollte sowohl die vorhandenen Zugänglichkeitsmerkmale als auch mögliche Mängel aufzeigen. Die Zusammenfassung entbindet nicht von der Forderung nach vollständig strukturierten Zugänglichkeitsdaten, sollte aber als Ausweichmöglichkeit betrachtet werden, wenn keine detaillierteren Angaben gemacht oder verwendet werden können. Weitere detaillierte Informationen können in einer externen Datei unter Verwendung der Codes 94-96 bereitgestellt werden. Nur zur Verwendung in ONIX 3.0 oder höher.

Keine bekannten Gefahren oder Warnungen - Produkt bewertet, aber keine bekannten Gefahren oder Warnhinweise. Kann sowohl auf digitale als auch auf physische Produkte angewendet werden. Nur für die Verwendung in ONIX 3.0 oder höher.