Julia Herzensbrecher Band 63

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MIT DIR IM HIMMEL AUF ERDEN von TRISH WYLIE

Sexy und durchtrainiert: Der attraktive Fremde am Strand fasziniert Roane. Ist er wirklich Adam Bryant, der als junger Mann ihre Heimat verließ? Hals über Kopf stürzt Roane sich in eine heiße Affäre mit ihm. Doch seine Worte von damals gehen ihr nicht aus dem Kopf …

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  • Erscheinungstag 01.11.2025
  • Bandnummer 63
  • ISBN / Artikelnummer 9783751534239
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Trish Wylie, Anne Oliver, Lynn Raye Harris

JULIA HERZENSBRECHER BAND 63

Trish Wylie

1. KAPITEL

„Entschuldigen Sie bitte, aber das hier ist ein Privatstrand.“

Zögernd ging Roane Elliott ein Stück weiter. Der Schein des Vollmonds tauchte die Umgebung in Silber- und Grauschattierungen. Schwarze Schatten bewegten sich im Rhythmus von Ebbe und Flut. Das machte ihr nichts aus, schließlich kannte sie hier jeden Fels, jede Düne, jedes Sandkorn. Doch die Anwesenheit des Fremden verunsicherte sie. Diese Gegend war sehr einsam. Es würde ewig dauern, bis hier Hilfe einträfe, falls sie einen Notruf absetzte.

Unvermittelt blieb sie stehen. Nicht der Gedanke an einen Notruf ließ sie verharren, sondern …

Der Mann war splitterfasernackt!

Und er sah aus wie ein griechischer Gott. Im silbrig schimmernden Mondlicht erkannte sie breite Schultern, eine schmale Taille und … Ihr stockte der Atem.

In diesem Moment drehte der Mann sich um. Schnell wandte Roane den Blick ab. „Sieh ihm ins Gesicht“, ermahnte sie sich flüsternd.

Doch das war leichter gesagt als getan! Hingerissen ließ sie die Zunge über die Lippen gleiten. Am liebsten hätte sie die Hand ausgestreckt und ihn berührt.

Sie riss sich zusammen. „Das ist ein Privatstrand“, wiederholte sie energisch. „Sie haben hier nichts zu suchen.“

„Der Ozean gehört uns allen.“ Sogar seine Stimme klang magisch – tief, wohlklingend, und sehr, sehr männlich …

Roanes Pulsschlag katapultierte sich in ungeahnte Höhen. Angesichts des athletischen Körpers dieses Adonis’ wurde ihr heiß. Der Mann schien körperlich zu arbeiten, oder er trieb viel Sport. Vielleicht war er auch ein Profisportler? Nein, dazu war er nicht schlank genug. Dick war er natürlich auch nicht, jedenfalls nicht, soweit sie es beurteilen konnte. Und das konnte sie. Schließlich stand er splitterfasernackt vor ihr. Und es schien ihn nicht einmal zu stören. Jetzt stützte er sogar die Hände in die Hüften und musterte sein Gegenüber herausfordernd.

Diese arrogante Haltung brachte Roane wieder in die Gegenwart zurück. Statt den Blick weiter nach unten gleiten zu lassen, wie sie es am liebsten getan hätte, sah sie dem unverschämten Fremden in die Augen.

„Sie befinden sich aber nicht im Ozean, sondern am Strand. Und der ist in Privatbesitz. Bitte verschwinden Sie, bevor der Wachdienst Sie entdeckt.“

Es gab gar keinen Wachdienst, aber woher sollte er das wissen?

Er lächelte amüsiert. „Dann ist das Ihr Strand, oder?“

„Nein, er gehört der Familie, bei der ich angestellt bin. Ich …“ Beinahe hätte sie ihm verraten, dass sie selbst in einem Strandhaus ganz in der Nähe wohnte. „Ich darf mich hier aufhalten.“

Instinktiv wich sie zurück, als er näher kam. „Keinen Schritt weiter! Ich habe einen schwarzen Gürtel in Ju-kwando.“

Der Mann lachte leise, nahm die Hände von den Hüften und machte einen Schritt nach vorn. „Meine Sachen liegen hinter Ihnen. Ach ja, nur zu Ihrer Information: Die korrekten Bezeichnungen für Selbstverteidigungssportarten lauten Ju-Jutsu und Taekwondo. Aber keine Angst, ich beiße nicht.“

Roane machte ihm den Weg frei und errötete, als er ihr im Vorbeigehen vertraulich zuraunte: „Nur wenn Sie mich darum bitten.“

Was für eine Vorstellung! Ihre Fantasie schlug Purzelbäume. Welche heißblütige Frau hätte bei dieser Bemerkung keine erotischen Bilder vor ihrem geistigen Auge gesehen? Noch dazu, wenn ihr Gegenüber nackt und unglaublich sexy war. Die eher unerfahrene Roane konnte kaum fassen, was mit ihr passierte.

Doch so leicht würde sie es dem Fremden ganz sicher nicht machen. Er soll endlich verschwinden, dachte sie – nicht sehr überzeugt.

Bei dem Geräusch eines hochgezogenen Reißverschlusses riskierte sie einen weiteren Blick. Der Mann grinste sie unverschämt an. „Wohnen Sie hier in der Nähe?“

„Die Frage sollte ich wohl besser nicht beantworten.“

„Es gibt einiges, was Sie nicht hätten tun sollen. Beispielsweise halte ich es für keine gute Idee, mitten in der Nacht einen Fremden anzusprechen.“

Als er jetzt aufs Meer hinausblickte, konnte Roane sein Gesicht im Mondschein etwas besser erkennen. Ihr stockte der Atem. So ein schönes Männergesicht hatte sie noch nie gesehen. Haar- und Augenfarbe ließen sich bei der Beleuchtung nicht ausmachen, aber sein Gesicht war symmetrisch und wirkte wie gemeißelt. Er hatte große Augen, eine gerade Nase und einen Mund, so sinnlich, dass sie ihn am liebsten sofort geküsst hätte.

Der Typ schien genau zu wissen, was ihr durch den Kopf ging, denn er lächelte nun sexy. Wahrscheinlich liefen ihm die Frauen in Scharen nach. Auf dem Weg zum Strand hatte sie ein schweres Motorrad entdeckt. Vermutlich tourte der Adonis durch die Lande und hinterließ überall gebrochene Herzen. Er nahm sich, was ihm gefiel, schwamm nackt im Ozean, hielt sich unbefugt auf Privateigentum auf und tat so, als hätte er das Recht dazu, und wenn er Lust dazu hatte, verführte er eine Frau im Mondschein …

Es wäre ihm ein Leichtes gewesen, sie mit einer Handbewegung an sich zu ziehen, sie zu küssen und sie behutsam auf den weichen Sandstrand zu legen, sich auf sie zu schieben und …

Heißes Verlangen durchflutete sie bei dieser erotischen Vorstellung. Die Sehnsucht nach diesem Mann schmerzte sie fast körperlich.

Roane hörte förmlich sein erregtes Atmen, spürte den feuchten Körper an ihrem … Sie riss sich zusammen. „Bitte gehen Sie jetzt.“

„Plötzlich ängstlich, Kleine?“

Diese tiefe, raue Stimme klang erregend sexy. Roane empfand ein süßes Ziehen in ihren Brüsten. Dieses ungewohnte Gefühl hatte sie einen Moment lang abgelenkt. Doch jetzt ließ sie die Worte in sich nachklingen. Sie waren ihr seltsam vertraut. Wer war dieser Mann? „Kennen wir uns?“, fragte sie erstaunt.

„Niemand kennt mich hier.“ Er bückte sich und hob Hemd, Jacke und Stiefel auf. Keine Boxershorts, wie Roane sofort bemerkte. Dann sah er sie wieder an. „Ziemlich riskant, mitten in der Nacht einen nackten Fremden am Strand anzusprechen, oder, Kleine?“

Wieso nannte er sie so? Okay, verglichen mit seiner geschätzten Körpergröße von knapp einem Meter neunzig war sie mit ihren eins fünfundsechzig eher klein. Neben diesem Muskelpaket kam sie sich vor wie eine Nymphe. Aber immerhin war sie kein Teenager mehr, sondern eine erwachsene Frau von siebenundzwanzig Jahren. Eigentlich war die Anrede eine Beleidigung, aber aus seinem Mund klang sie fast verführerisch. Dessen war er sich offensichtlich bewusst.

„Ich habe Ihnen doch gesagt, dass es hier einen Wachdienst gibt.“

„Den gibt es nicht.“

Erschrocken sah sie ihn an. „Das können Sie gar nicht wissen.“

„Aber ich weiß es.“

Wer um alles in der Welt war der Typ? In diese Ecke von Martha’s Vineyard verirrte sich nur selten mal ein Motorradfahrer. Leute, die fremd auf der Insel waren, würden diesen versteckten Strand gar nicht finden. Die große Villa auf den Klippen erregte allerdings vermutlich das Interesse von Einbrechern. Vielleicht hatte der Typ das Grundstück der Bryants ausgespäht, war dann zum Strand gegangen, um zu schwimmen und sich die Zeit zu vertreiben, bis alle sich zu Bett gelegt hatten, um dann unbemerkt ins Haus einzubrechen.

Die Fantasie ging mal wieder mit ihr durch.

Der Fremde streckte die Hand nach ihr aus. Roane wich zurück. Irritiert versprach er: „Ich tu dir nichts.“

„Woher soll ich das wissen?“

„Wenn du es nicht instinktiv spüren würdest, wärst du längst davongelaufen. Komm her.“

„Warum?“

„Ich will dich anschauen.“

„Warum?“

Er machte eine ungeduldige Handbewegung, kam näher, umfasste ihr Kinn und drehte das Gesicht zum Mondlicht. Überrascht sah sie ihn von der Seite an, hielt aber ganz still.

Langsam und gründlich ließ er den Blick über ihre Züge gleiten. Dabei streichelte er geistesabwesend mit dem Daumen das Kinn. Dann ließ er sie unvermittelt wieder los.

„Du bist erwachsen geworden, Kleine.“

Roane blinzelte, als er sich abwandte und über die Holzplanken Richtung Motorrad ging. „Wer sind Sie?“, fragte sie rau.

Er sah sich nicht einmal um, sondern sagte nur mit dieser sexy Stimme: „Nacht, Roane.“

„Morgen, Jake.“

Roane joggte quer über den Rasen, als sie ihren Freund auf dem Weg zwischen der großen Villa und dem Gästehaus erblickte. „Warte mal!“

Erfreut lächelnd wandte er sich um. „Guten Morgen, meine Sonne.“

„Morgen“, erwiderte sie fröhlich seinen Gruß und passte sich Jakes Schritttempo an. Sie kannten sich seit ihrer frühesten Kindheit. Die meisten Frauen hätten sich wohl sofort in den großen, dunkelhaarigen, gut aussehenden Mann verliebt, aber für Roane war er eher so etwas wie ein älterer Bruder.

„Habt ihr einen Gast? Ich habe gestern Abend auf dem Heimweg einen Mann gesehen.“

Jake zog die dunklen Brauen hoch. „Tatsächlich?“

„Ja. Es war sehr seltsam.“ Sie schob die Hände in die Hosentaschen ihrer Jeans und schilderte die Begegnung in groben Zügen. Die anzüglichen Details ließ sie aus. Man konnte schließlich seine erotischen Fantasien nicht mit seinem Bruder teilen, oder? „Er schien mich zu kennen.“

Jake hob das Kinn und blickte Richtung Gästehaus. „Wirklich? Dann wollen wir mal sehen, ob er da ist. Ich habe da so eine Vermutung, wer es sein könnte.“ Freundschaftlich legte er ihr den Arm um die Schultern und flüsterte: „Wir haben tatsächlich Besuch.“

Und warum wusste sie nichts davon? Verärgert verzog sie das Gesicht, ließ sich aber bereitwillig von Jake zum Haus ziehen, das die Größe ihres Strandhäuschens um mindestens das Zwölffache übertraf. Gäste der Bryants wurden hier so verwöhnt wie in einem Fünfsternehotel.

Der Blick vom Designerhaus aus über den Ozean war spektakulär. Hinzu kam, dass es sich auf einem weitläufigen Grundstück mit altem Baumbestand befand und in einer Bucht lag, die der Öffentlichkeit nicht zugänglich war. Das großzügig geschnittene Haus verfügte über ein geräumiges Wohnzimmer mit hohen Decken und einem riesigen Kamin, fünf Gästezimmer mit eigenem Badezimmer, Gourmetküche und sogar über ein Schlafzimmer, dessen angrenzender Badetempel mit einem Whirlpool ausgestattet war.

So einen Luxus waren wohl nicht einmal königliche Hoheiten aus Europa gewohnt.

„Hallo?“, rief Jake, als sie das Haus durch die Küchentür betraten. Die Buchenholzküche war in gleißenden Sonnenschein getaucht. „Jemand zu Hause?“

Er blieb so unvermittelt stehen, dass Roane fast gegen seinen Rücken geprallt wäre. Ärgerlich schob sie sich an ihm vorbei und wollte ihn zur Rede stellen. Doch dann stockte ihr der Atem.

Der geheimnisvolle Fremde nickte ihr kurz zu und fragte dann Jake: „Kaffee?“

„Ja, bitte.“

Er drehte sich um und schenkte zwei Tassen ein. Roane hatte sich noch immer nicht von ihrem Schock erholt. Im Sonnenschein war der Mann noch attraktiver als bei Mondlicht. Sein Haar war dunkelblond, durchzogen von helleren Strähnen, für deren Farbe die Sonne verantwortlich war. Jetzt schob er sich lässig einige der hellblonden Strähnen aus dem Gesicht. Die Augenfarbe konnte sie nicht erkennen.

„Du hast den Schlüssel also gefunden“, sagte Jake.

„Sieht so aus.“ Er reichte ihnen die Tassen. „Milch und Zucker stehen auf dem Tresen. Bedient euch.“

Schon im Umdrehen bemerkte er Roanes Blick und hielt inne. Ein wissendes Aufleuchten in seinen unglaublich grünen Augen, in denen kleine braune Punkte tanzten, verriet, was er dachte. „Morgen, Roane.“

Und plötzlich wusste sie, wer da vor ihr stand. „Adam?“

Während Jake zum Küchentisch ging, lächelte Adam lässig, neigte den Kopf und flüsterte: „Jetzt erinnert sie sich an mich.“

Bevor sie reagieren konnte, hatte er sich schon abgewandt und setzte sich seinem Bruder gegenüber an den Tisch. „Findest du es nicht etwas übertrieben, einen Privatdetektiv zu beauftragen?“

Jake zuckte die Schultern. „Du hast uns ja nicht gerade zu jedem Weihnachtsfest eine Karte mit Absender geschickt. Woher sollten wir wissen, wie du zu erreichen bist?“

„Ich hatte meine Gründe.“

Roane setzte sich neben Jake. Sie spürte, wie angespannt er war und versuchte, ihn aufzuheitern. „Hast du wirklich einen Privatdetektiv angeheuert, um ihn zu finden? War das so ein Typ mit verknittertem Trenchcoat?“

Jake lächelte. „Nein, da muss ich dich leider enttäuschen.“

„Warum hast du mich nicht eingeweiht? Es hätte sicher Spaß gemacht, den richtigen Mann zu engagieren.“ Sie ließ sich nicht anmerken, wie verletzt sie war, dass Jake ihr nichts von seiner Suche nach Adam erzählt hatte.

Der verlorene Sohn lehnte sich lässig zurück. Im Sonnenlicht schimmerte sein Teint goldfarben. Roane war sicher, dass die Lässigkeit nur gespielt war. Tatsächlich wirkte Adam angespannt, als er dem Geplänkel zwischen ihr und seinem Bruder lauschte.

Als er sie direkt anschaute, blieb ihr fast die Luft weg. Wie machte er das nur? Ein Blick von ihm, und sie war hin und weg.

Jetzt wandte Adam sich wieder seinem Bruder zu. „Wie krank ist er wirklich?“

„Er hat gute und schlechte Tage.“ Jake drehte die Tasse in den Händen. „Wir versuchen, stets den gleichen Tagesablauf einzuhalten. Das ist ganz hilfreich.“

Leise sagte Roane: „Er wird sich freuen, dich zu sehen.“

Adam bedachte sie mit einem kurzen Blick. „Ist er bei klarem Verstand?“

„Das Kurzzeitgedächtnis funktioniert nicht mehr. Manchmal ist er verwirrt, dann wieder wütend. Seine Stimmungen wechseln ständig.“

Adam sah aus dem Fenster. „Dann hat sich ja nicht viel geändert“, sagte er ironisch.

„So gesehen wohl nicht“, erwiderte Jake traurig. „Aber es ist nur eine Frage der Zeit, wann es weiter bergab geht und er sich nicht mehr artikulieren kann. Wir müssen damit rechnen, dass er auch das Langzeitgedächtnis verliert und sich völlig in sich zurückzieht. Vor zwei Jahren haben die Ärzte ihm noch sieben Jahre gegeben. Wenn du also deinen Frieden mit ihm schließen willst, dann solltest du nicht allzu lange damit warten.“

Roane fand es merkwürdig, dass Adam nicht darauf einging. Aber er wäre doch nicht nach Hause gekommen, wenn er nicht vorhätte, sich mit seinem Vater zu versöhnen, oder? Sie wusste nicht genau, warum Jakes rebellischer älterer Bruder damals fortgegangen war. Er war ihr ohnehin immer ein Rätsel gewesen, und mit ihren fünfzehn Jahren hatte sie nicht verstehen können, dass Adam Martha’s Vineyard einfach so den Rücken kehrte. Jake, damals wie heute ihr bester Freund, der ein Jahr älter als sie war, hatte auch dazu geschwiegen.

Jake wagte einen erneuten Vorstoß. „Wenn du dir die Geschäftsbücher ansehen möchtest, bevor du dich entscheidest …“

„Es ist also dringend?“

Wie kühl er ist! Roane lief ein eisiger Schauer über den Rücken. Wenn ihn seine Familie nicht interessierte, warum hatte er sich dann die Mühe gemacht, herzukommen? Wieso tauchte er nach zwölf Jahren Abwesenheit wieder auf, wenn ihn das alles nicht interessierte?

„Ja“, antwortete Jake.

Verwundert musterte sie ihn. Was ging hier eigentlich vor?

Adam schien Bescheid zu wissen. „Du willst mich auszahlen, oder?“

„Wenn es nicht anders geht.“ Jake nickte.

Roane ließ den Blick zu dem älteren Bruder gleiten. Er sah wirklich blendend aus, aber offensichtlich besaß er kein Herz. Fühlte er sich denn überhaupt nicht schuldbewusst, seinem Bruder all die Jahre die Verantwortung für alles überlassen zu haben? Die Bürde, einen Konzern wie Bryant zu führen, hatte Spuren bei Jake hinterlassen. In letzter Zeit wirkte er ständig angespannt, und er war sichtlich gealtert.

Adam schien zu ahnen, was ihr durch den Kopf ging. Er bedachte sie mit einem raschen Blick, dann wandte er sich wieder Jake zu. Roane hatte das Gefühl, zu stören. Aber wieso hatte Jake sie mit ins Haus genommen? Offensichtlich wollte er sie bei dem Gespräch dabeihaben.

„Ich sehe mir die Zahlen mal an“, sagte Adam.

„Um fünfzehn Uhr findet eine Vorstandssitzung in Manhattan statt. Roane kann dich hinfliegen, oder?“

Musste das sein? Sie ließ sich nichts anmerken. „Selbstverständlich.“

Adam wich ihrem Blick aus. „Ich kann auch fahren.“

„Du bist mindestens fünfeinhalb Stunden unterwegs und müsstest spätestens in einer Stunde losfahren“, gab Roane zu bedenken. „Mit dem Flieger bist du in knapp zwei Stunden da. Du brauchst dich also erst gegen Mittag auf den Weg zu machen. Du möchtest sicher zu deinem Vater, bevor du aufbrichst.“

Jetzt hatte sie seine Aufmerksamkeit für sich.

„Du bist Pilotin?“

„Ja.“ Insgeheim erwartete sie jetzt eine Bemerkung, dass sie es weiter gebracht hatte, als ihr Vater, der einige Jahrzehnte als Chauffeur und Mädchen für alles bei den Bryants beschäftigt gewesen war.

Doch Adam ging kommentarlos darüber hinweg. Schließlich atmete er tief durch, wobei sich das dunkelgrüne T-Shirt über der breiten Brust spannte, und konzentrierte sich wieder auf seinen Bruder. „Wann ist die nächste Vorstandssitzung?“

„In zwei Wochen.“

„Aha.“ Nachdenklich sah Adam aus dem Fenster. Dann nickte er zustimmend. „Also gut, ich nehme den Flieger.“

„Okay, dann melde ich uns jetzt an“, sagte Roane. „Kommst du mit, Jake?“

„Nein, ich fliege früher los. Angemeldet ist der Flug bereits.“

Dann war Adam also ihr einziger Passagier. Das konnte ja heiter werden. Körperlich fühlte sie sich sehr zu ihm hingezogen, aber sein Wesen war ihr unsympathisch.

Jake stupste sie an, damit sie aufstand und er von der Sitzbank rutschen konnte. „Ich bringe Adam jetzt zur Villa.“

„Ich kenne den Weg.“

Roane verzog missfällig die Miene über Adams Antwort, stand auf und goss den Kaffee ins Spülbecken.

„Ich muss sowieso gehen.“ Jake gesellte sich zu ihr an die Spüle. Besorgt fragte Roane leise: „Alles in Ordnung?“

„Klar.“ Beruhigend zwinkerte er ihr zu.

Sie nahm ihm die Tasse ab und spülte sie mit dem anderen benutzten Geschirr. Als sie damit fertig war, wandte sie sich um. Sie hatte gar nicht gemerkt, dass Jake schon zur Tür gegangen war und prallte gegen Adam. Geistesgegenwärtig umfasste er ihren Arm, als sie erschrocken zurückwich und dabei gegen den Tresen stieß. Verwundert betrachtete Roane Adams Hand auf ihrem Arm.

Ein Stromschlag schien sie zu durchzucken – vom Arm aus direkt ins Blut und zum Herzen, das plötzlich raste. Dann spürte sie am ganzen Körper ein Prickeln. Die harten Brustspitzen zeichneten sich unter ihrem T-Shirt ab.

Adam ließ sie so plötzlich los, dass sie ihn erschrocken ansah.

Auch er hatte das Knistern gespürt. Aber wie konnte so etwas passieren? Wie war es zu erklären, dass sie beide so auf die kurze Berührung reagierten?

„Kommst du, Roane?“ Jake wartete am Ausgang auf sie.

„Ja, klar.“ Geistesabwesend rieb sie sich den Arm, wo Adam ihn berührt hatte und wollte Jake folgen. Adam verstellte ihr den Weg. „Bis später, Kleine.“

Sie blieb stehen und lächelte zuckersüß. „Was hattest du gesagt, wie lange du bleibst?“

„Ich habe nichts gesagt.“

Plötzlich wurde sie nervös. Zumal Jake inzwischen das Haus verlassen hatte. Auch Adam hatte es bemerkt.

„Dann hast du ihn dir jetzt also geschnappt.“

„Wie?“ Im ersten Moment hatte sie keine Ahnung, was er meinte. Dann fiel der Groschen. „Unsinn! Ich war nie …“ Sie verstummte. Wieso verteidigte sie sich eigentlich? „Meine Beziehung zu Jake geht dich nichts an.“

Als sie nun endlich gehen wollte, nahm Adam ihre Hand und zog sie dicht zu sich heran. „Ich sehe keinen Ring.“

„Lass mich sofort los!“

Er dachte gar nicht daran. „Wieso nicht?“

Roane hatte wenig Erfahrung mit Männern, aber so einem unverschämten Kerl war sie noch nie begegnet!

Erneut versuchte sie, sich zu befreien. Die Schmetterlinge im Bauch ignorierte sie geflissentlich. „Auch das geht dich nichts an.“

Adam begann, ihre Hand zu streicheln und lächelte wissend. Seine grünen Augen waren dunkel geworden, und dieses sexy Lächeln … Roane schmolz förmlich dahin, bis ihr bewusst wurde, worüber er lächelte.

Der Schuft hatte gefühlt, wie ihr Puls raste! Und die verräterische Reaktion ihres ungehorsamen Körpers freute ihn. Dieser arrogante …

Er ließ sie los.

Roane floh aus dem Haus. Sollte er doch denken, sie wäre mit Jake zusammen. Aber das machte ihre Reaktion auf ihn nur noch schlimmer. Doch wenigstens war sie nun sicher vor ihm. Er würde doch nicht versuchen, die Freundin seines Bruders zu verführen, oder?

Eigentlich war es feige, sich hinter Jake zu verstecken. Aber das war ihr egal. Sie machte sich nichts aus hinterhältigen Kerlen. Obwohl … Adam Bryant war eigentlich genau der Typ Mann, von dem jedes Mädchen heimlich träumte.

2. KAPITEL

„MVY tower … five eight nine – ready to taxi with mike … right turnout southeast bound.“

Roane teilte dem Fluglotsen in Martha’s Vineyard mit, dass sie startklar war.

Erst als sie sich auf der Reiseflughöhe befanden, entspannte sie sich und genoss ihre Arbeit, eine Kombination aus Gelassenheit, Kontrolle und dem Hochgefühl, in der Luft zu sein. Um sie herum erstreckte sich der blaue Himmel, unter ihnen glitzerte der Ozean wie ein riesiger Aquamarin. Es herrschte eine völlig ruhige Wetterlage. Eigentlich hätte Roane auf Autopilot stellen können. Doch dann hätte sie Zeit gehabt, sich mit ihrem Passagier zu unterhalten. Er hatte sich zu ihr ins Cockpit gesetzt, statt auf einen der für Fluggäste vorgesehenen Plätze. Nun konnte sie sich nicht einmal einbilden, allein an Bord zu sein.

Bei einem kurzen neugierigen Seitenblick stellte sie fest, dass Adam nervös mit den Fingern auf seine wippenden Schenkel klopfte. Roane wusste sofort, was das zu bedeuten hatte.

„Du fliegst nicht gern, oder?“

Als sie sich ein Lächeln verkneifen musste, runzelte Adam die Stirn. „Mir geht’s gut, danke.“

„Aha.“ Sie nickte wissend. „Du bist völlig entspannt, deshalb tappst du mit dem Fuß auf den Boden.“

Er hörte sofort auf und ballte die Hand zur Faust. Nur die weißen Knöchel verrieten jetzt, wie angespannt er war. Zum ersten Mal seit ihrer Begegnung am Strand fühlte Roane sich ihm überlegen. Das neue Machtgefühl war aufregend. Bisher hatten ihre Hormone verrückt gespielt, sobald sie nur einen Blick auf Adam erhaschte. Als er vorhin am Flugplatz eingetroffen war, wäre ihr bei seinem Anblick im dunklen Anzug vor Bewunderung fast der Atem weggeblieben. Offenbar war der Urinstinkt durchgebrochen, sich mit dem stärksten Männchen zu paaren, um die Art zu erhalten.

Momentan wirkte ihr Passagier allerdings alles andere als stark. Das hatte zur Folge, dass sie als Pilotin sich verpflichtet fühlte, ihn von seiner Flugangst abzulenken. Manchmal wünschte sie sich, ein weniger ausgeprägtes Pflichtgefühl zu haben.

„Wir haben eine völlig ruhige Wetterlage, von hier bis New York steht keine einzige Wolke am Himmel. Zu Turbulenzen kann es nicht kommen. Ehrlich nicht.“

„Gut.“

Roane musterte sein angespanntes Profil, atmete tief durch und beschloss, einfach zu sagen, was sie dachte. „Sehr gesprächig bist du nicht gerade.“

Adams gemurmelte Antwort war nur vernehmbar, weil Roane und er Kopfhörer mit Mikrofonen trugen. „Das Geheimnis zu langweilen besteht darin, alles zu sagen.“

Verblüfft sah sie ihn an. „Woher hast du denn diese Ausrede?“

„Von Voltaire.“

Ironisch zog sie die Augenbrauen hoch. „Zitat des Tages?“

Er rang sich ein flüchtiges Lächeln ab. „Nein.“

Das läuft ja großartig, dachte sie. Hätte sie es nicht besser gewusst, wäre sie auf den Gedanken verfallen, er spiele absichtlich den geheimnisvollen, rätselhaften Fremden. Bevor sie einen neuen Versuch wagen konnte, ihn aus der Reserve zu locken, atmete Adam laut aus, lehnte sich zurück und betrachtete interessiert das Armaturenbrett.

„Erzähl mir mal, wie das hier alles funktioniert.“

Erwartete er jetzt eine Flugstunde? Das war eine merkwürdige Reaktion von einem Passagier mit Flugangst. Vielleicht ging es ihm mehr um die Theorie des Fliegens. Die konnte sie ihm vermitteln.

„Eine Sekunde.“ Sie schaltete auf Autopilot, lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. „Jetzt fliegt die Maschine von selbst. Aber sag bitte Bescheid, wenn dir der Boden plötzlich zu nahe erscheint.“

„Sehr witzig“, kommentierte Adam trocken.

„Also, wie war das noch?“ Roane richtete den Blick einen Moment lang nach oben und dachte nach. Dann begann sie ihre Erklärung mit einer Theorie, die sie irgendwo gelesen hatte. „Im Grunde genommen dreht es sich um Newtons Vorstellung, dass jede Aktion eine gleiche und eine entgegengesetzte Reaktion nach sich zieht.“

Das Thema gefiel ihr richtig. „Stell dir mal vor, du lässt einen aufgeblasenen Ballon los. Er fliegt durchs ganze Zimmer. Das erklärt die Schubkraft einer Turbine, sie sorgt dafür, dass das Flugzeug abhebt.“ Sie beschrieb das Prinzip des Startvorgangs mit einer entsprechenden Handbewegung und war richtig in ihrem Element, als sie Adams vorwurfsvollen Blick auffing.

„Seit wann hältst du mich für komplett beschränkt, Roane?“, fragte er mit seiner tiefen Stimme.

Sie schluckte, doch dann fing sie sich wieder und antwortete leise: „Seit du wie ein Steinzeitmensch nur mit kurzen Grunzlauten antwortest, nehme ich an.“

„Newtons Gesetze sind mir durchaus vertraut.“

Mit Mühe unterdrückte sie ein nervöses Lachen und zwang sich zu einem herausfordernden Lächeln. „Dann könntest du sie mir vielleicht mal erklären. Ich weiß nur, wie ich dieses Ding in der Luft halten kann. Irgendwie habe ich es bisher nicht für nötig gehalten, mich mit der entsprechenden wissenschaftlichen Theorie zu beschäftigen.“

Unschuldig klimperte sie mit den Wimpern.

„Deinen Pilotenschein hast du bestimmt nicht erhalten, weil du auf dummes Blondchen gemacht hast. Wie lange fliegst du schon?“

„Ach, schon ewig. Es ist noch niemand dabei draufgegangen. Bisher jedenfalls nicht.“

Amüsiert verzog Adam den Mund. Braune Punkte tanzten in seinen grünen Augen, die von feinen Lachfältchen umgeben waren. Roane staunte. Offensichtlich lachte er öfter, als sie es bisher für möglich gehalten hatte. Interessant! Sofort überlegte sie, was sie tun müsste, damit Adam in lautes Gelächter ausbräche.

Zu gern würde sie ihn mal so richtig herzlich lachen hören.

Inzwischen war ihm das Lächeln schon wieder vergangen. Ernst sah er sie an und zeigte aufs Armaturenbrett. „Zeig mir einfach, wie es funktioniert.“

„Du meinst, wie man ein Flugzeug steuert, und nicht die Theorie des Fliegens?“

„Ja.“

Roane befeuchtete sich die Lippen. „Du möchtest immer die Kontrolle haben, oder?“

Adam zwinkerte ihr lässig zu. „Kann schon sein.“

Es beunruhigte sie, dass sie noch immer nicht schlau aus ihm wurde. Aber schließlich hatte sie ja auch kaum Erfahrung mit Männern. Sowieso: Die Männer, mit denen sie bisher ausgegangen war, konnte man nicht mit Adam vergleichen. Adam spielte in einer anderen Liga, und er faszinierte sie. Doch das hätte sie niemals zugegeben.

Sie verstellte das Mikro und hörte ihre eigene Stimme in den Kopfhörern. „Am Boden befinden sich Pedale, mit denen Bremsen und Ruder betätigt werden. Wenn man auf das linke Pedal tritt, geht das Ruder nach links, mit dem rechten geht das Ruder nach rechts. Bis hierhin alles klar?“

Adam hatte die Beine gespreizt und sah auf den Boden. Doch als sie ihre Frage stellte, warf er Roane einen kurzen Seitenblick zu. „Ich versuche, es mir zu merken“, antwortete er ironisch.

Lächelnd wandte sie sich ab und prüfte kurz die Anzeigen, dann fuhr sie fort. „Der Pilot steuert das Flugzeug mit dem Steuerknüppel. Damit lassen sich Höhenruder und Querruder verstellen, und somit wird das Flugzeug bewegt. Kannst du mir folgen?“

Er seufzte nur ungeduldig.

Lächelnd beugte Roane sich zu ihm. „Hände auf den Steuerknüppel!“

Adam wischte sich die Hände an der Hose ab, dann umfasste er mit festem Griff den Steuerknüppel. Die Knöchel traten weiß hervor.

Roane richtete den Blick himmelwärts. „Sag mal, Adam, würdest du so eine Frau anfassen?“

Das brachte ihr einen schnellen Seitenblick ein. „Sag mir Bescheid, wenn du es herausfinden möchtest.“ Er lockerte den Griff. „Mach weiter!“

Bei der Vorstellung, Adam könnte sie in den Armen halten, wurde ihr heiß. Natürlich war die Bemerkung nur als passende Antwort auf ihren Kommentar gedacht. Trotzdem reagierte ihr Körper sofort.

„Zieh den Steuerknüppel zu dir, dann geht die Nase nach oben. Drückst du ihn von dir, neigt sich die Nase nach unten. Aber ich warne dich: Lass die Finger von der Drosselklappe, sonst bringe ich dich eigenhändig um, bevor wir abstürzen.“

Erschrocken musterte er sie. „Wo ist denn das Ding?“

Erneut musste sie sich das Lachen verkneifen. Es war aber auch zu komisch, dass dieser große, attraktive, selbstbewusste Mann Angst vorm Fliegen hatte. Eigentlich machte ihn das sogar richtig menschlich. Aber das behielt sie wohl lieber für sich. Also legte sie ihre Hände auf seine.

„Zwischen uns“, antwortete sie und betrachtete ihre Hände, während Adam sich mehr für die Drosselklappe interessierte. Roane spürte die Wärme seiner zupackenden Hände unter ihren kühlen Fingern und stellte sich vor, wie es wäre, von ihnen gestreichelt zu werden. Seine Hände auf ihrem Körper … Vor Erregung stockte ihr der Atem.

Heiser fuhr sie mit ihren Erklärungen fort. „Hier. Eine kleine Bewegung nach vorn, und die Nase neigt sich nach unten. Etwas zurück, und …“

Es war ein Fehler, aufzusehen. Adams Gesicht war ihr zu nah. So beunruhigend nah, dass sie vorübergehend keinen klaren Gedanken fassen konnte. Nervös befeuchtete sie sich die Lippen, Adam schaute fasziniert zu. Roane fielen seine langen dichten Wimpern auf. Welch eine Verschwendung bei einem Mann!

„Die Nase … äh … neigt sich nach oben.“ Sie riss sich zusammen und atmete tief durch. Dabei stieg ihr Adams Duft in die Nase. Sie hatte ihn schon beim Einsteigen gerochen. Jetzt raubte der intensive Duft ihr fast den Verstand.

Mit Düften kannte sie sich aus, auch wenn sie keine Expertin auf dem Gebiet war. Ein Hauch von Zitrone umwehte sie, eine Spur schwarze Johannisbeere und Sandelholz und ein Hauch von Ambra. Ausgesprochen verführerisch …

Genießerisch sog sie die Luft ein und atmete wieder aus. Dann fing sie Adams äußerst intensiven Blick auf und geriet weiter aus dem Konzept.

„Ja, was soll ich noch sagen? Links ist links, und rechts ist rechts. Im Grunde genommen …“

Ein amüsiertes Lächeln erhellte sein Gesicht. „Das sagtest du bereits.“

Wie sollte sie sich denn konzentrieren, wenn er ihr so nah war, ihr tief in die Augen schaute und so verführerisch duftete?

Sie ließ seine Hände los und lehnte sich zurück.

„Beweg den Steuerknüppel nicht!“

Die Veränderung, die Roane vornahm, wäre nur einem Experten aufgefallen. Sie hatte den Autopiloten wieder ausgeschaltet und fühlte sich sofort besser. Jetzt hatte sie wieder alles unter Kontrolle und konnte sich aufs Fliegen konzentrieren und durfte sich nicht von Adams Nähe ablenken lassen.

„Entspann dich, und konzentrier dich darauf, wie das Flugzeug auf meine Bewegungen reagiert. So ist es gut. Ganz behutsam.“

Plötzlich wurde sie sich des erotischen Untertons bewusst, der da mitschwang. Sie war noch nie mit einem Mann zusammen gewesen, bei dem sie den Mut gehabt hätte, die Führung zu übernehmen. Sie hatte noch nie angedeutet, wo sie gern gestreichelt werden wollte, damit es auch für sie schön wäre. Nein, das hatte sie sich nicht getraut. Doch hier in ihrem Cockpit kontrollierte sie das Geschehen. Es kam ihr ganz natürlich vor, einem Mann wie Adam Bryant Anweisungen zu geben.

Allerdings ging die Fantasie wieder mal mit ihr durch. Sie stellte sich vor, wie sie Adam befahl, sie zu küssen, sie zu liebkosen …

Seit wann war sie so auf Sex fixiert? Sie verstand die Welt nicht mehr.

Jetzt wurde sie sich der Vibration des Motors bewusst, die sich durch den Steuerknüppel auf sie übertrug und für ein unbekanntes Spannungsgefühl zwischen ihren Beinen sorgte. Roane stöhnte unterdrückt und veränderte ihre Sitzposition.

Adam schien glücklicherweise nichts bemerkt zu haben. Offensichtlich konzentrierte er sich aufs Fliegen. Sie befeuchtete ihre Lippen. „Okay, jetzt du.“

Er atmete tief durch, umfasste den Steuerknüppel fester und versuchte zu verdrängen, was er gerade aus dem Augenwinkel wahrgenommen hatte. Diese Frau war aufregender als jede Flugstunde.

Als er beschlossen hatte, der Bitte seines Bruders zu folgen und seinen Vater zu besuchen, hätte er sich nicht träumen lassen, dass es zwischen Jakes Freundin und ihm knistern würde. Und wie es knisterte!

Aus der ‚Kleinen‘ war eine ausgesprochen sexy Frau geworden. Klein war sie allerdings noch immer. Alles an ihr war klein: die Hände, die in seinen verschwanden, die Taille, die er mühelos umfassen könnte, die Brüste, die wunderbar in seine Hände passen würden …

Dabei wirkte sie alles andere als zerbrechlich. Burschikos war sie aber auch nicht – ganz im Gegenteil. Sie hatte etwas Verletzliches an sich, das ihn faszinierte. Und er war froh um die Ablenkung.

Denn Adam hasste Sportflugzeuge.

Jetzt erklang wieder ihre verführerische Stimme. „Siehst du, Adam, du kannst fliegen.“

Während Adam sich auf das Führen des Flugzeugs konzentrierte und darauf, wie sehr die Pilotin ihn anzog, deutete Roane sein Schweigen damit, dass er nun entspannt genug war, sich mit ihr zu unterhalten.

„Ist es nicht ein komisches Gefühl wieder hier zu sein?“

„Du meinst in Martha’s Vineyard?“

„Ja.“

„Nein.“

„Wieso nicht? Du warst doch so lange fort.“

Es gefiel ihm nicht, dass sie an seinen Worten zweifelte. Daher antwortete er philosophisch: „Der leere Himmel ist mein Zeuge.“

Nach kurzem Schweigen fragte sie nach. „Ist das auch von Voltaire?“

„Nein, ein Zitat von Kerouac.“

Er fing ihren verblüfften Blick auf und schmunzelte. Offensichtlich wurde sie nicht schlau aus ihm. Hoffentlich blieb das so.

„Du kennst Dutzende Zitate, oder?“

Er lächelte. „Nur ein paar.“

„Ist das deine Methode, Gesprächen aus dem Weg zu gehen?“

Nein, wenn er wollte, konnte er sich über alles Mögliche unterhalten. „Du kannst Stille nicht ertragen.“

„Doch.“ Dabei hatte sie die ganze Zeit nervös auf ihn eingeredet. „Aber Unhöflichkeit stört mich. Ich versuche gerade herauszufinden, ob du nur unhöflich bist.“

„So ist das also. Wenn ich einsilbig antworte, bin ich beschränkt, und wenn ich gar nichts sage, bin ich unhöflich.“ Adam lehnte sich zurück. „Sonst noch etwas?“

Nach kurzem Schweigen sagte sie leise: „Du bist so ganz anders als Jake. Seltsam, wie unterschiedlich Brüder sein können.“

Das meinte sie sicher gar nicht verächtlich, aber es kam so rüber. Aus dem Mund seines Vaters hatte es immer verächtlich geklungen. Sofort stieg in Adam die Wut hoch, so wie damals, wenn sein Vater ihn seine Herablassung hatte spüren lassen. Wie oft hatte sein Vater seinen Frust, seine Ungeduld, seine Enttäuschung an ihm ausgelassen! Immer hatte er Jake vorgezogen. Nie konnte Adam ihm etwas recht machen.

Doch das ließ er sich jetzt nicht mehr gefallen. Vielleicht sollte er zunächst Roane Elliott eine Lektion erteilen.

Genüsslich ließ er den Blick über sie gleiten. Er hörte, wie sie scharf die Luft einsog, als er ihre Brüste betrachtete. Und dann bemerkte er, wie sich die erregten Spitzen unter der Bluse abzeichneten. Zufrieden lächelnd widmete er sich ihrem Mund, der sich leicht geöffnet hatte. Die Wangen schimmerten rosig, die Augen dunkelblau. Er hatte genug gesehen.

„Möchtest du nicht herausfinden, wie unterschiedlich wir sind, Kleine?“, fragte er verführerisch und betrachtete ihr honigblondes Haar, das sich um die Wangen schmiegte. „Ich habe deinen sehnsüchtigen Blick von gestern Nacht nicht vergessen. An Manieren und Intelligenzquotienten hast du in dem Moment ganz sicher nicht gedacht.“

Als sie ihn nur sprachlos anschaute, lehnte er sich zu ihr hinüber. Die Brüste, die nur zur Hälfte von einem sexy BH bedeckt waren, drängten sich an den dünnen Blusenstoff. Adam bemerkte den Puls an ihrem schlanken Hals und beobachtete, wie sie sich die Lippen befeuchtete. Dann sah er ihr tief in die Augen. „Du hast recht. Ich halte gern alle Fäden in der Hand. Aber du würdest gern völlig die Kontrolle über dich verlieren, oder? Bei meinem Bruder gelingt dir das offensichtlich nicht, sonst würdest du dich nicht so zu mir hingezogen fühlen. Du weißt, dass ich dich nehmen würde, wie du es magst. Hart. Und langsam. Stundenlang …“

Sie kniff leicht die Augen zusammen, ehe Adam fortfuhr. „Sieh zu, dass du dir den richtigen Bryant aussuchst, Kleine.“

Roane stockte der Atem. Ihre Augen funkelten wütend und verlangend zugleich. „Ich bin nicht deine Kleine, die du einschüchtern kannst.“ Herausfordernd schob sie das Kinn vor. Nur der heisere Klang ihrer Stimme verriet, wie erregend sie seine Worte fand. „Lass den Steuerknüppel los! Bitte!“

Erschrocken runzelte Adam die Stirn. „Warum? Was ist denn?“

Ohne Vorwarnung bewegte sie abrupt das Knie, das Flugzeug zog bedenklich nach links, und Adam wurde in die andere Richtung geschleudert. Er ließ den Steuerknüppel los, als hätte er sich verbrannt. Der Magen hing ihm in den Knien, und Adam fluchte wütend.

Inzwischen verlief der Flug wieder ereignislos. Doch Adam steckte der Schreck noch in den Gliedern. „Was sollte das?“

Roane blickte starr geradeaus. Sie hielt den Steuerknüppel mit beiden Händen umfasst. „Entschuldige, mir ist der Fuß ausgerutscht.“

Dieses kleine Biest! Das konnte sie ihrer Großmutter weismachen! Dahinter steckte volle Absicht. Ihre Waghalsigkeit kostete ihn mindestens ein Jahr seines Lebens. Wie kam sein kleiner Bruder nur mit diesem Temperamentsbündel zurecht?

„Sehr clever.“

Sie überhörte sein Kompliment. „Wenn du willst, kannst du dich bis zur Landung in New York in Schweigen hüllen. Ich könnte dir auch zeigen, was in dieser kleinen Maschine drinsteckt.“

Adam hörte die versteckte Warnung heraus. Wenn er sie nicht in Ruhe ließ, würde sie ihn das Fürchten lehren. Netter Versuch, aber er hatte ja mit eigenen Augen gesehen, wie ihr Körper auf seine erotischen Bemerkungen reagierte.

Und das hatte ihn so sehr erregt, dass er es kaum abwarten konnte, dieses widerspenstige kleine Biest zu zähmen.

Bisher hatte er alle Herausforderungen angenommen, die sich ihm stellten. Vielleicht bestand gerade darin sein Problem. Sollte Roane ruhig glauben, sie hätte über ihn triumphiert, aber noch einmal würde er ihr das nicht durchgehen lassen. Sie sollte ihn kennenlernen! Alle sollten sie ihn kennenlernen!

Allerdings würde er dafür sorgen, dass Roane Spaß an der Lektion hatte. Die anderen hingegen sollten nichts zu lachen haben!

3. KAPITEL

„Ist das wirklich nötig?“

Jake musterte sie erstaunt. „Offensichtlich magst du ihn nicht. Dabei dachte ich immer, du kommst mit allen Menschen gut aus.“

Das stimmte ja auch – eigentlich. Für Roane war das Glas immer halb voll. Sie hatte eine durch und durch positive Einstellung zum Leben. Doch seit ihrer Begegnung mit Adam war ihr Glauben an die Menschheit erschüttert. Wie konnte jemand so unverzeihliche Behauptungen aufstellen und gleichzeitig eine so enorme körperliche Anziehungskraft auf sie ausüben?

Und hatte er ihr nicht mehr oder weniger zu verstehen gegeben, dass sie es nur auf das Geld der Bryants abgesehen hatte?

Und es wurde noch schöner: Sie war nicht nur geldgierig, sondern auch untreu. Ihr wurde unterstellt, mit dem einen Bruder liiert zu sein, während sie mit dem anderen heißen, unvergesslichen Sex haben wollte. Sie wurde immer wütender. So ein Mistkerl! „Er ist aber auch wirklich nicht besonders nett.“

Jake konnte sich das Lachen kaum verkneifen. „Jetzt hast du mich neugierig gemacht. Was ist auf dem Flug hierher passiert?“

Oh … Wie sollte sie diese Frage in einem Satz beantworten?

Nachdenklich drehte sie sich auf dem Bürosessel hin und her und überlegte, wie sie sich möglichst diplomatisch ausdrücken konnte. „Er denkt, ich halte ihn für beschränkt.“

Ja, genau! So hatte es angefangen. Oder? Nein, eigentlich hatte es ihm schon nicht gepasst, dass sie seine Flugangst bemerkt hatte. „Sag mal, Jake, wusstest du von seiner Flugangst?“

Jake saß am Schreibtisch und blätterte einen Aktenordner durch. „Es überrascht mich nicht. Er wäre fast mal abgestürzt.“

Roane musterte ihn entsetzt. „Und das sagst du mir erst jetzt? Was ist passiert?“

„Wenn ich mich richtig erinnere, ist es auf einem Charterflug passiert. Adam und seine Mutter hatten eine Woche in den Hamptons verbracht und befanden sich auf dem Rückflug. Adam war damals drei oder vier. Seine Mum und Dad waren zu diesem Zeitpunkt schon getrennt, aber Dad versuchte trotzdem, ihn oft zu sehen. Na ja, es war wohl eine recht unsanfte Landung.“ Er blickte auf. „Es gab keine Verletzten, aber die Passagiere hatten natürlich schreckliche Angst.“

Für ein Kind musste so etwas der reinste Albtraum sein. Kein Wunder, dass er unter Flugangst litt. Warum hatte Adam nichts gesagt, bevor sie abgehoben waren?

„Sag mal, Jake, du hast doch wohl nicht absichtlich vorgeschlagen, dass er den Flieger nimmt, weil du von seiner Flugangst wusstest?“

„Was unterstellst du mir? Woher sollte ich denn wissen, dass er die Angst noch immer nicht überwunden hat? Er hätte ja mal einen Ton sagen können.“

„Lieber hätte er sich die Zunge abgebissen, als seinem Bruder, den er zwölf Jahre nicht gesehen hat, diese Schwäche einzugestehen. Ihr habt euch heute Morgen wie zwei Kampfhähne benommen.“ Sie hatte keine Lust, zwischen die Fronten zu geraten. Falls Jake also dachte …

„Jetzt verteidigst du ihn auch noch.“ Beleidigt sah Jake sie an. „Ich dachte, du kannst ihn nicht leiden.“

„Kann ich auch nicht.“

„Wie hat er eigentlich reagiert, als du ihn für beschränkt erklärt hast?“

„Das habe ich nicht getan. Er hat es nur so verstanden. Natürlich war er ziemlich missmutig.“

Jake lachte amüsiert. „Das kann ich mir lebhaft vorstellen.“ Nach einem kurzen Blick auf seine schwere Armbanduhr klappte er die Akte zu und stand auf. „Sein IQ liegt übrigens bei hundertfünfzig oder -sechzig. Viel höher geht es nicht. Als Kind hat mich das ganz schön gefuchst. Verglichen mit Adam kam ich mir immer wie ein Dummkopf vor.“

„Das ist ein Scherz, oder?“

„Nein.“ Jake schlüpfte in sein Jackett, das über der Sessellehne gehangen hatte. „Dad meinte, seine Rastlosigkeit müsse damit zu tun haben. Adam hat ja diverse Klassen übersprungen und langweilte sich trotzdem noch im Unterricht. Gegen die Rolle als Wunderkind hat er dann schließlich rebelliert. Ich glaube, Dad gibt sich die Schuld dafür, dass es ihm nie gelungen ist, Adam lange genug für eine Sache zu interessieren. So hätte er vielleicht verhindert, dass Adam immer wieder in Schwierigkeiten geriet.“

Jake lachte über Roanes Gesichtsausdruck. Und dann fiel ihr etwas ein. Entsetzt schlug sie die Hände vors Gesicht. „Ach, du liebe Zeit“, sagte sie leise.

„Was hast du getan?“

Verschämt spreizte sie die Finger und lugte dazwischen durch. „Er hat Voltaire und Kerouac zitiert.“

„Und was hast du gesagt?“

Roane nahm die Hände vom Gesicht und stöhnte vor Scham. „Ich habe ihn gefragt, ob das die Zitate des Tages sind.“

Jake wollte sich ausschütten vor Lachen, riss sich aber zusammen, als er ihre jämmerliche Miene bemerkte. Seine dunklen Augen blitzten vor Vergnügen, als er Roane die Hand reichte und seine Freundin vom Sessel zog. „Es ist kaum zu glauben: Adam ist noch nicht einmal seit vierundzwanzig Stunden hier, und du hast schon Streit mit ihm. Eigentlich bist du doch umgänglicher als ich. Zwischen Adam und mir sind viel mehr Streitpunkte zu klären, aber ich bin ganz ruhig geblieben.“

Ihm ging es ja auch um ganz andere Punkte, aber das behielt sie wohl lieber für sich.

„Versprich mir, nett zu ihm zu sein, bis er die Papiere unterschrieben hat. Dann kannst du ihm an den Kopf werfen, was du von ihm hältst. Das habe ich mir jedenfalls vorgenommen.“

Sie ließ sich von Jake zur Tür führen. „Ist das wirklich nötig?“

„Ja. Tu’s für mich. Wenn du dich nicht so nett um meine Gäste und Kunden kümmern würdest, während ich schufte, wäre ich gezwungen, mir eine Ehefrau zu suchen.“

Roane verdrehte die Augen. „Du Ärmster. Das kann ich natürlich nicht verantworten.“

„Eben.“ Er hielt ihr die Tür auf und folgte Roane auf den Flur. „Du gehörst praktisch zu uns Bryants, und du weißt ja: Adel verpflichtet.“

Sie lachte, boxte ihn spielerisch und behauptete: „Ich hasse dich.“

Jake schlug ihr leicht mit einem Schnellhefter auf den Po. „Du lügst. In Wirklichkeit liebst du mich. Gib es ruhig zu. Ich bin unwiderstehlich.“

Als sie um die Ecke bogen, verging ihr das Lachen. Vor dem Sitzungszimmer, in dem der Vorstand tagen sollte, stand Adam, die Hände tief in die Hosentaschen geschoben.

Als sich ihre Blicke trafen, wurde ihr sofort heiß. Verflixt! Das musste aufhören. Sie mochte ihn doch gar nicht. Auch die Tatsache, dass sie jetzt etwas mehr über ihn wusste, änderte nichts daran.

Showtime, Roane, dachte sie, stellte sich auf die Zehenspitzen und drückte Jake einen Kuss auf die Wange. Lächelnd bemerkte sie seinen überraschten Blick. „Natürlich liebe ich dich, Jake. Aber du wirst dir meine Hilfsbereitschaft etwas kosten lassen müssen. So einfach kommst du mir nicht davon.“

Jake blinzelte. „Okay.“

Sie atmete tief durch und wandte sich dann an Adam, der ihr amüsiert entgegensah. „Ich hole dich nach der Vorstandssitzung ab. Jake sagt, du wohnst im Penthouse.“

„Übernimmst du die Rolle der Reiseleiterin?“ Er lächelte lässig und fügte dann leise hinzu: „Oder sollst du verhindern, dass ich mich wieder aus dem Staub mache?“

Roane setzte eine Unschuldsmiene auf und brachte sogar einen Schmollmund zustande. „Babysitter gefällig?“

Adam warf einen schnellen Blick auf die Leute, die im Sitzungsraum verschwanden. Dann machte er einen Schritt auf Roane zu. Sofort wurde sie von diesem berauschenden Duft umhüllt, als Adam sich zu ihr hinunterbeugte. „Wie schön, dass deine Beziehung zu Jake auch so feurig ist“, raunte er. „Sag Bescheid, wenn du bereit für eine Steigerung bist.“

Roane versuchte, sich ihre Erregung angesichts dieser Aussicht nicht anmerken zu lassen. Sie holte tief Luft und sah Adam in die Augen. „Ich frage mich, ob es tatsächlich eine Steigerung wäre.“

Als sie das amüsierte Lächeln bemerkte, das seinen sexy Mund umspielte, wurde es für sie schwierig, gelassen zu bleiben. Doch sie hatte Jake versprochen, nett zu seinem Bruder zu sein. Also lächelte sie honigsüß. „Viel Spaß bei der Vorstandssitzung.“

Aufmunternd klopfte sie ihm auf die Schulter.

Adams überraschter Blick erheiterte sie so sehr, dass sie nur mühsam ein Lachen unterdrücken konnte. Leider unterbrach Jake ihren kleinen Machtkampf. „Bist du so weit, Adam?“

„Sicher.“ Adam warf Roane einen letzten Blick zu. „Wir sprechen uns später.“

Roane bemühte sich um ein strahlendes Lächeln. „Ich kann es kaum erwarten.“

Während der Sitzung war Adam einige Male kurz davor, die Geduld zu verlieren. Die Vorstandsmitglieder versuchten, ihm die Lage mit möglichst einfachen Worten zu erklären. Offensichtlich bildeten sie sich ein, er hätte keine Ahnung vom Geschäft. Was für ein fataler Irrtum!

Schweigend hörte er sich ihre Ausführungen an. Sollten die doch glauben, was sie wollten.

„So, jetzt weißt du Bescheid“, sagte Jake nach der Sitzung zu ihm, als alle anderen den Raum verlassen hatten.

„Ja.“

Adam musste anerkennen, dass sein Bruder etwas vom Geschäft verstand. Das hätte er ihm nicht zugetraut. Es war wirklich beeindruckend. Geschickt hatte er die Vorstandssitzung geleitet und schien mit jedem noch so unbedeutenden Aspekt der Firmengeschäfte vertraut. Als jemand in den Akten geblättert hatte, um einige Zahlen zu nennen, hatte Jake sofort bemerkt, dass die Zahlen nicht stimmen konnten und sie aus dem Kopf korrigiert. Er lobte Mitarbeiter für ihre guten Leistungen und brachte berechtigte Kritik an, ohne dabei verletzend zu wirken. Es bestand kein Zweifel daran, wer am Ruder dieses Schiffes stand. Bei Jake war das Firmenimperium der Familie Bryant in guten Händen. Darüber bestand kein Zweifel. Leider ließ die Mannschaft zu wünschen übrig.

„Sag mal, Jake, hast du diese Mitarbeiter angeheuert, oder hast du sie geerbt?“

„Einige habe ich geerbt.“

Und ich wette, ich weiß, um welche Personen es sich handelt, dachte Adam. „Dann setz sie an die Luft.“

„So einfach ist das nicht.“

„Das ist mir klar.“

„Einige von ihnen halten Aktienpakete.“

So war das also. Die größte Gefahr für Jake bestand darin, die Aktienmehrheit zu verlieren. Deshalb hatte er ihn, Adam, also herzitiert. Und nur deshalb hatte er ihn von einem Privatdetektiv ausfindig machen lassen. Hätte Jake die Wahrheit gewusst, hätte er sich das sparen können …

Wortlos beobachtete Jake, wie Adam den Kopf hin- und herdrehte, um die Nackenmuskeln zu lockern. „Was hast du nun vor, Adam?“, fragte er schließlich.

„Bietest du mir Optionen an?“ Adam sah seinem Bruder direkt in die Augen. „Willst du mir hier ein kleines Büro einrichten?“

„Nein.“

„Gut, ich habe nämlich bisher noch keinen einzigen Tag in einem Büro verbracht, und daran wird sich auch nichts ändern.“ Es würde ihm die Luft zum Atmen nehmen.

„Dann verkauf mir deinen Anteil.“

„Vielleicht.“ Er schob den Stuhl zurück und streckte die langen Beine von sich. „Woher willst du das Geld nehmen?“

Als Jake ihn misstrauisch musterte, befürchtete Adam schon, er hätte sich zu lässig gegeben. Er veränderte seine Position und stützte die Arme auf den Tisch. „Du kannst nicht genug Mittel von heute auf morgen flüssigmachen. Außerdem benötigst du das Einverständnis des Vorstands, und das wirst du nicht bekommen, wenn jemand mit einem Übernahmeangebot Geld einstreichen will. Also noch mal: Woher willst du das Geld nehmen?“

Jake spitzte die Lippen.

Adam machte Anstalten, aufzustehen. „Entweder spielst du jetzt mit offenen Karten, oder wir können es gleich vergessen.“

„Warum ist es so wichtig, dass du weißt, woher das Geld kommt?“ Jake blieb ganz ruhig. „Ich will ja auch nicht wissen, was du damit machen wirst.“

Das war natürlich ein Argument. Aber Adam wollte es trotzdem wissen. Wenn sein kleiner Bruder es ihm nicht verraten wollte, würde er es eben selbst herausfinden.

Adam sah sich in dem großen Raum um. Seit sein Vater ihn hierher mitgenommen hatte, um ihn mit seinem künftigen Reich vertraut zu machen, hatte sich einiges geändert. Das schwere Eichenmobiliar und die -täfelung waren verschwunden und waren durch helle Möbel und Wände ersetzt worden. Von der schwarz gestrichenen Decke leuchteten Spotlights wie Sterne. Sein Vater hatte diese Modernisierung sicher nicht veranlasst, und Adam fragte sich, wie lange Jake die Zügel schon in der Hand hielt und wie viel Verantwortung er für die gegenwärtigen Schwierigkeiten des Konzerns trug.

„Vier Jahre.“

Adam sah fragend auf.

Jake lehnte sich zurück, die aneinandergelegten Hände formten ein Dreieck. „Ich leite den Konzern seit vier Jahren. Das wolltest du doch gerade fragen, oder?“

Adam ließ sich nicht anmerken, wie sehr ihn die Intuition seines Bruders erstaunte. „Da warst du aber ziemlich jung.“

„Ich hatte keine andere Wahl, oder?“

„Jeder Mensch hat im Leben eine Wahl.“

„Aber nicht, wenn einem etwas wichtig ist. Dann gründet man seine Entscheidung aufs Wesentliche, beziehungsweise darauf, was wesentlich sein sollte.“

Adam lachte verächtlich und stand auf. „Jetzt tu bitte nicht so, als wüsstest du, was mir wichtig ist. Was weißt du schon von mir, Jake?“

„Und wessen Schuld ist das?“ Bevor Adam darauf antworten konnte, stand auch Jake auf und packte die Akten zusammen. „Dir ist die Firma vielleicht egal, Adam, mir aber nicht. Sag mir Bescheid, wenn du verkaufen willst. Wenn du mehr über die Firma wissen willst, bevor du dich entscheidest, stehe ich dir jederzeit zur Verfügung, um Auskunft zu geben. Ich hatte immer ein offenes Ohr für dich.“

Er warf Adam im Vorbeigehen einen Blick zu. „...

Autor

Anne Oliver
Anne Oliver wurde in Adelaide in Süd Australien geboren und ist dort immer noch heimisch. Sie hat zwei erwachsene Kinder und einen Abschluss in Naturwissenschaften. Seit annähernd 30 Jahren arbeitet sie im Bereich der früh kindlichen Bildung. Anne begann 1998 mit dem Schreiben und ist Mitglied der Romance Writers of...
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Lynn Raye Harris

Lynn Raye Harris las ihren ersten Harlequin Mills & Boon Roman als ihre Großmutter mit einer Kiste Bücher vom Flohmarkt zurück kam. Sie wusste damals noch nicht, dass sie eines Tages selber Schriftstellerin werden wollte. Aber sie wusste definitiv, dass sie einen Scheich oder einen Prinzen heiraten und ein so...

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