Romana Extra Band 23

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SCHNEEFLOCKEN UND SANFTE KÜSSE von LENNOX, MARION
Lord Angus hat ein Problem: Über Weihnachten kommen überraschend seine Geschwister nach Schottland. Daher sucht er dringend jemanden, der seinem maroden Schloss festlichen Glanz verleiht - und findet die hübsche Holly. Wie ein heller Stern tritt sie in sein bisher so düsteres Leben …

EIN ZÄRTLICHER BESCHÜTZER von WAY, MARGARET
Grandpa hat ihr seine Milliarden vermacht! Carol, über Nacht reiche Erbin, schlagen Hass und Neid entgegen. Sie braucht Hilfe - und erhält sie von Damon Hunter, dem smarten Anwalt aus Sydney. Aber kann sie ihm wirklich vertrauen? Vielleicht, sagt ihr Verstand. Ihr Herz sagt Ja …

ZAUBERHAFTE LIEBESNACHT IN HONGKONG von LOGAN, NIKKI
Alle Jahre wieder … trifft Audrey zu Weihnachten ihren guten Freund Oliver in der Metropole Hongkong. Nur: Dieses Jahr ist alles anders. Denn sie ist wieder Single. Er auch. Und bei aller Freundschaft knistert es plötzlich aufregend zwischen ihnen …

PRINZ MEINES HERZENS von STEPHENS, SUSAN
Das ist sie! Prinz Alessandro Bussoni di Ferara kann den Blick nicht von der schönen Sängerin wenden. Seit Monaten sucht er vergeblich nach einer Braut. Jetzt ist er überzeugt, dass er endlich die Richtige gefunden hat. Doch mit seiner unangemessenen Wahl beginnen die Probleme … (290)


  • Erscheinungstag 25.11.2014
  • Bandnummer 0023
  • ISBN / Artikelnummer 9783733740405
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Marion Lennox, Margaret Way, Nikki Logan, Susan Stephens

ROMANA EXTRA BAND 23

MARION LENNOX

Schneeflocken und sanfte Küsse

Das bekomme ich hin! Köchin Holly ist sich sicher, dass sie für den Lord ein Weihnachtsmenü zaubern kann. Sie ahnt nicht: Der attraktive Schlossherr will von ihr mehr als Gans, Rotkohl und süße Zimtsterne …

MARGARET WAY

Ein zärtlicher Beschützer

Würde Carol die Zeit zurückdrehen, wenn sie könnte? Dann hätte das Erbe ihres Großvaters sie nicht in höchste Gefahr gebracht. Aber dann würde ihr auch nicht der verführerische Anwalt Damon Hunter beistehen …

NIKKI LOGAN

Zauberhafte Liebesnacht in Hongkong

Einmal im Jahr, am 20. Dezember, trifft Oliver die Frau, die er insgeheim begehrt – ein Abend in aller Freundschaft, denn Audrey ist verheiratet! Doch diesmal ist etwas anders: Audrey ist wieder Single …

SUSAN STEPHENS

Prinz meines Herzens

Wie bitte? Er will sie heiraten? Zuerst glaubt Emily, dass Prinz Alessandro einen Scherz macht. Sie gehört doch nicht zum Adel! Aber sein Blick ist ernst – und voller Leidenschaft …

1. KAPITEL

„Bitte, Mylord, wir würden so gerne Weihnachten im Schloss verbringen. Es ist doch unser Zuhause. Wir möchten es noch einmal sehen, bevor es verkauft wird. Wir fallen Ihnen auch bestimmt nicht zur Last. Oh, bitte, Mylord.“

Mylord. Ein eindrucksvoller Titel, an den Angus weder gewöhnt war noch sich gewöhnen wollte. Nur so kurz wie möglich wollte er der Lord von Craigie Castle sein.

Aber hier ging es um seine Halbgeschwister aus der zweiten gescheiterten Ehe seines Vaters. Diese Kinder lebten immer noch in ärmlichen Verhältnissen.

„Meiner Mutter geht es nicht gut“, fuhr Ben fort, als seine Bitte nicht sofort auf Ablehnung stieß. „Sie kann uns nicht bringen. Mary ist dreizehn und vermisst die Dachse. Wilde Tiere gibt es nicht in London. Polly ist zehn und hat immer Verstecke im Schloss gebaut. Und ich … meine Freunde leben in Craigenstone. Ich habe in einer Band gespielt. Ich würde so gerne mal wieder mitspielen, gerade an Weihnachten … Mutter ist so krank. Und es ist so schrecklich hier. Es wäre einfach …“

Der Junge verstummte, und Angus hörte ein tiefes Seufzen am anderen Ende der Leitung. Dann fasste Ben sich noch einmal ein Herz. „Bitte. Sie brauchen sich um nichts zu kümmern. Nur dieses eine letzte Mal, damit wir uns richtig verabschieden können. Bitte, Mylord …“

Angus war ein nüchterner Geschäftsmann aus Manhattan, der eine der weltweit führenden Fondsgesellschaften leitete. Er war mit Sicherheit gegen Betteleien immun. Aber ein sechzehnjähriger Junge, der für seine Geschwister bettelte …

Damit wir uns richtig verabschieden können … Warum waren sie vor drei Jahren nur so rasch ausgezogen? Er hatte keine Ahnung, aber er kannte den schrecklichen Ruf seines Vaters und konnte sich die Umstände zusammenreimen.

Wenn er jedoch zustimmte … was fing er mit einer Gruppe Kinder und ihrer kranken Mutter an? Sollte er das Schloss länger behalten als geplant? Den Lord an Weihnachten spielen? Angus stand in der riesigen, zugigen Eingangshalle des Schlosses. Alles sprach dagegen.

Angus hatte die finanzielle Lage des Schlosses geprüft; er hatte die verzweifelten Briefe gelesen, die die Mutter der Kinder an den Earl geschickt hatte. Wie krank sie war, wie sehr die Kinder Unterstützung brauchten. Nach den Büchern zu urteilen, hatte sein Vater nichts unternommen. Diese Familie musste durch die Hölle gegangen sein.

„Wenn ich Personal finde, das sich um euch kümmert“, hörte er sich sagen.

„Mutter macht das. Bestimmt …“

„Deine Mutter ist krank, hast du doch gerade gesagt. Seitdem sie vor drei Jahren mit euch weggegangen ist, ist hier nicht mehr geputzt worden. Wenn ich jemanden finde, der für uns kocht und diesen Ort wieder bewohnbar macht, könnt ihr kommen. Sonst nicht. Aber ich verspreche dir, dass ich mein Mögliches versuchen werde.“ Damit beendete er das Telefonat.

Angus Stuart war ein Mann, der sein Wort hielt, obwohl er nie Weihnachten feierte. Dieses Fest war etwas für Familien, und Lord Angus McTavish Stuart, achter Earl of Craigenstone, hatte keine Familie. Sein einziger Versuch, eine zu gründen, war gescheitert.

Außerdem war Craigie Castle kein Familienheim und er hatte nicht vor, eines daraus zu machen. Aber für einen bittenden Jungen … für eine bedürftige Familie …

Vielleicht ausnahmsweise. Weil Weihnachten war.

Köchin/Haushälterin für drei Wochen ab sofort gesucht. Persönliche Vorstellung in Craigie Castle erwünscht.

Die Stellenanzeige hing im Schaufenster des winzigen Kramladens in Craigenstone. Die auf Pergamentpapier geschriebene Annonce mit Lord Craigenstones Wappen fiel sofort ins Auge.

Köchin/Haushälterin … Vielleicht …

„Das wäre doch was“, überlegte Holly laut, aber ihre Großmutter schüttelte heftig den Kopf.

„Im Schloss? Du müsstest für den Earl arbeiten. Das kommt nicht infrage!“

„Warum? Ist er ein Oger?“

„Earl, Oger, das ist doch dasselbe.“

„Du hast doch gesagt, dass du den heutigen Earl gar nicht kennst.“

„Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Sein Vater war über siebzig Jahre ein knauseriger Tyrann. Genauso wie sein Großvater und sein Urgroßvater. Dieses Exemplar lebt zwar seit fünfunddreißig Jahren in Amerika, aber das macht ihn nicht besser.“

„Wie alt ist er?“

„Sechsunddreißig.“

„Dann wohnt er seit seinem ersten Lebensjahr in den Staaten?“, bemerkte Holly erstaunt.

„Seine Mutter Helen war eine amerikanische Erbin. Es geht das Gerücht, dass sein Vater sie wegen ihres Geldes geheiratet hat. Für Geld tat er alles. Weiß der Himmel, wie er das nette Mädchen überreden konnte, mit ihm in diesem Mausoleum von einem Schloss zu leben. Aber man munkelte, dass seine Lordschaft ihr in London den Hof gemacht hat. Er konnte unwiderstehlich sein, wenn er wollte. Er hat sie geheiratet und in dieses Loch gebracht. Das muss entsetzlich für sie gewesen sein.“

Hollys Großmutter blickte die schneenasse Hauptstraße des heruntergekommenen Dorfes zurück, über die schneebedeckten Moorlandschaften, hinter denen sich schemenhaft die große, graue Silhouette von Craigie Castle am Himmel abzeichnete.

„Fast zwei Jahre hat sie es dort ausgehalten“, fuhr sie fort. „Sie hatte Köpfchen, und man sagt, sie habe ihn geliebt. Aber Liebe kann nicht alles verändern. Schließlich hat sie eingesehen, dass ihr Ehemann gefühlskalt und bösartig ist. Vor fünfdreißig Jahren ist sie kurz nach Weihnachten verschwunden und hat das Baby mitgenommen.“

„Hat der Earl nichts unternommen?“

„Wie man sich erzählt, schien er es noch nicht einmal bemerkt zu haben. Er hatte seinen Erben. Und wahrscheinlich war es ihm gerade recht, dass er ihn weder großziehen noch finanziell für ihn aufkommen musste. Jahrelang hat er allein gelebt und schließlich seine Haushälterin geschwängert. Delia. Sie war immer so eine Art Fußabtreter für ihn.“

„War sie von hier?“

„Sie kam aus London. Ein armes Ding. Bei seiner ersten Heirat hat er sie als Hausmädchen angestellt. Sie war eine der wenigen Dienstboten, die nach dem Weggang von Lady Helen geblieben sind. Zur Überraschung aller hat er sie schließlich geheiratet. Böse Stimmen behaupten, damit er ihr keinen Lohn mehr zahlen muss, aber sie hat dem alten Mann nur Gutes getan. Wie eine Sklavin hat sie gearbeitet und ihm drei Kinder geboren. Aber für die hat er sich auch nicht interessiert. Sie haben in einem separaten Trakt gelebt. Aber eines Tages ist selbst Delia das Benehmen des alten Mannes zu viel geworden. Sie bekam schreckliche Arthritis und seine Forderungen wurden immer überzogener. Vor drei Jahren ist sie mit den Kindern nach London zurückgegangen. Keiner von der Familie ist seitdem wieder hier gewesen.“

„Bis heute?“, vermutete Holly.

„Richtig. Der alte Earl ist vor drei Monaten gestorben und vor zwei Wochen ist der heutige Earl aufgetaucht.“

„Was weißt du denn über ihn, außer der Tatsache, dass er Amerikaner ist?“ Holly fror an den Füßen. Eigentlich fror sie am ganzen Körper, aber sie und Maggie hatten entschieden, zu Fuß zu gehen. „Erzähl mir mehr von ihm.“

„Ich weiß nur wenig“, gestand Maggie. „Seine amerikanische Familie hat richtig Geld. Vor ungefähr fünfzehn Jahren stand in einigen Zeitschriften, dass seine Verlobte ums Leben gekommen ist.“

„Vor so langer Zeit?“

„Ja. Einer aus dem Dorf hat es in einer amerikanischen Zeitschrift gelesen und rumerzählt. Gerüchten zufolge ist er in reichen Verhältnissen groß geworden, aber er hat nicht viel Liebe bekommen. Seine Mutter lebt sehr zurückgezogen und es heißt, dass er schon mit sechs Jahren ins Internat gesteckt worden ist. Heute ist er so was wie ein Finanzgenie. Hin und wieder steht etwas über ihn im Börsenteil der Zeitungen. Es wird erzählt, dass er am College in die falschen Kreise geraten ist. Seine Verlobte hieß Louise. An ihren Nachnamen kann ich mich nicht mehr erinnern, obwohl sie eine Society-Prinzessin war. Auf jeden Fall ist sie an Heiligabend in Aspen ums Leben gekommen. Es gab einen ziemlichen Skandal. Man sprach von Drogen, und offensichtlich war sie mit einem anderen Mann unterwegs. Die Schlagzeilen titelten: ‚Millionenerbe betrogen‘. Zu dem Zeitpunkt war er einundzwanzig und sie dreiundzwanzig. Aber das ist alles, was ich darüber weiß. Dann hat er weiter Geld gescheffelt, und seitdem haben wir nicht mehr viel von ihm gehört. Ich dachte, er bietet das Schloss zum Verkauf an und ist nur deswegen hier.“ Maggie klang etwas gehässig. „Am besten lässt du die Finger davon.“

„Aber es ist ein bezahlter Job“, entgegnete Holly. „Stell dir doch nur vor … ein hübscher Eimer voller Kohlen für Weihnachten … Fragen kostet doch nichts.“

„Du hast doch Urlaub.“

„Das stimmt“, bestätigte Holly seufzend. Dann lachte sie und hakte sich bei ihrer Großmutter unter. „Dann spielst du an Weihnachten die perfekte Gastgeberin und ich den perfekten Gast. Aber wenn wir kein Dosenfleisch essen wollen, wäre das die Lösung.“

„Das meinst du doch nicht ernst?“

„Was habe ich denn zu verlieren?“

„Du schuftest dich zu Tode. Alle Earls waren Geizkragen.“ Maggie starrte wieder auf die Annonce. „Das Schloss hat zwanzig Schlafzimmer.“

„Der Mann denkt doch nicht im Traum daran, alle Räume zu belegen“, wandte Holly besorgt ein.

„Er ist der Earl of Craigenstone. Man kann nicht wissen, was er denkt. Seit Generationen hat kein Earl dieser Grafschaft etwas Gutes getan.“

„Aber es ist ein Job, Gran“, bemerkte Holly sanft. „Wir beide wissen, dass ich einen brauche. Ich muss mir eine Arbeit suchen.“

Bedrückt schwiegen sie. Holly wusste, was ihrer Großmutter gerade durch den Kopf ging. Was sie beide dachten. Sie besaßen nur noch die fürstliche Summe von fünfzig Pfund. Und Grannies nächste Rente lag in weiter Ferne. Es war verheerend …

Schließlich lenkte Maggie seufzend ein. „Okay. Wir brauchen Kohle. Denn ohne würde ich dir ein trauriges Weihnachten bereiten. Aber wenn du dich ernsthaft um den Job bewerben willst, Holly, Liebes, mache ich mit.“

„Gran!“

„Warum denn nicht? Du hast in einigen der besten Restaurants in Australien gekocht und ich war zu meiner Zeit eine gute Haushälterin. Zusammen …“

„Du sollst nicht arbeiten … und sie suchen nur eine Person.“

„Aber es könnte mir sogar Spaß machen“, beharrte Maggie. „Es ist zwar schon zwanzig Jahre her, dass ich mich um einen Haushalt gekümmert habe, und in einem Schloss habe ich noch nie gearbeitet, aber es gibt für alles ein erstes Mal. Und selbst der Earl wird zu Weihnachten kein Dosenfleisch servieren, wofür mein Budget gerade reicht“, bemerkte sie grinsend. „Ich sehe uns schon in der Schlossküche, wie wir die Überreste des Truthahns verspeisen.“

„Wir sollen also Aschenbrödel und ihre gute Fee in den Dienstbotenquartieren spielen und die Reste essen?“

„Alles, was auf den Boden fällt, gehört gesetzlich uns. So lauten die Regeln. Und an Weihnachten können die Dienstboten sehr ungeschickt sein. Nun gut. Starten wir einen Versuch, Holly, mein Mädchen. Dieser Earl kann nicht schlimmer als sein Vater sein. Was haben wir also zu verlieren?“

„Nichts“, stimmte ihr Holly zu.

Wie konnte sie etwas verlieren, wenn sie nichts mehr besaß, was es zu verlieren gab. Nur noch sich und ihre Großmutter.

„Lass uns nach Hause gehen und unsere Bewerbungen schreiben“, schlug Holly vor. „Er soll bloß nicht glauben, dass er uns mit ein paar Erdnüssen abspeisen kann. Schließlich bekommt er keine Affen, sondern die Besten.“

Holly ging davon aus, dass sie nicht die geringste Chance hatten, aber dieser Zeitvertreib würde sie ablenken.

Wenn sich in den nächsten Tagen niemand auf seine Anzeige bewarb, konnte Angus Weihnachten in Manhattan verbringen. Dort, in seinem schicken Apartment mit Blick auf den Central Park, fühlte er sich zu Hause.

Seit Louises Tod lief Weihnachten für ihn immer gleich ab: Am ersten Weihnachtstag aß er mit Freunden im bekanntesten Restaurant der Stadt, und am zweiten Feiertag besuchte er seine Mutter. Helen lebte mit einem Heer von Dienstboten in einem Haus auf Martha’s Vineyard, und feierte Weihnachten nur widerwillig mit ihm.

„Wenn sich bis morgen niemand beworben hat, stelle ich die Suche ein“, erzählte er dem schwarzen kleinen Hund an seiner Seite, den er an seinem ersten Tag in den Ställen gefunden hatte.

„Der gehört niemandem. Ich bringe ihn ins Tierheim, Mylord“, hatte sein Verwalter angeboten, aber der verwahrloste Hund hatte ihn so bittend mit seinen großen braunen Augen angesehen, dass Angus entschied, ihn so lange zu behalten, bis sein Gastspiel als Schlossherr beendet war.

Nur zu bald würde ihn die Wirklichkeit wieder einholen.

Angus legte noch einen Holzscheit auf das flackernde Feuer. Es war schrecklich kalt draußen und der alte Earl hatte mit Sicherheit eine Zentralheizung nie in Betracht gezogen.

Ob sein Vater sich je in diesem Raum aufgehalten hatte? Angus hatte den Eindruck, sein Vater habe nie etwas anderes getan, als im Bett zu liegen und Befehle zu erteilen.

Aber wer hatte sie befolgt? Stanley, der Gutsverwalter, machte, was er wollte. Und Ehrlichkeit schien nicht zu seinen Stärken zu gehören. Ein kurzer Blick in die Geschäftsbücher hatte genügt, um zu erkennen, dass sich Stanley seit Jahren kräftig bediente.

Dennoch konnte er ihn nicht entlassen. Er war der Einzige, der sich auskannte und den potenziellen Käufern Informationen über das Schloss und das Land geben konnte.

Angus würde ihn sich erst vorknöpfen, wenn das Schloss verkauft war. Er wollte das Anwesen so rasch wie möglich loswerden. Es verbanden ihn keine Erinnerungen mit diesem Ort. Noch vor seinem ersten Lebensjahr hatte man ihn von hier fortgebracht und er war nie wieder zurückgekommen.

Ein lautes Klopfen riss ihn aus seinen Gedanken. Es kam von der Schlosstür, hallte durch die Eingangshalle und drang selbst durch die schweren Türen des abgelegenen Zimmers.

Stanley tauchte im Türrahmen auf und schaute ihn missmutig an. „Ich sehe nach, Mylord. Es ist bestimmt jemand aus dem Dorf. Die wollen immer was, aber Ihr Vater hat mir schon früh beigebracht, wie man sie abwimmelt.“

Verschwörerisch nickte er Angus zu und verschwand. Als Angus ihn die Eingangstür öffnen hörte, stand er auf und stellte sich an die Tür, um zu lauschen.

„Sie wünschen?“, fragte Stanley unhöflich.

„Ich bin wegen der Anzeige als Aushilfe hier“, hörte er eine junge und fröhliche Frauenstimme sagen.

„Für eine Köchin sehen Sie sehr jung aus“, bemerkte Stanley mürrisch. Seine Missbilligung war selbst aus der Entfernung deutlich zu hören. „Haben Sie Referenzen?“

„Ich bin keine einfache Köchin. Ich bin Sterneköchin“, entgegnete die Frau. „Ich bin achtundzwanzig Jahre alt und koche seit meinem fünfzehnten Lebensjahr. Ich habe in einigen der besten Restaurants in Australien gearbeitet, daher bin ich im Grunde überqualifiziert für diesen Job, aber ich habe einige Tage Zeit. Wenn Sie interessiert sind …“

„Können Sie Betten machen?“, fragte Stanley noch unfreundlicher.

„Nein. Ich kann gerade ein Federbett beziehen, aber das ist auch alles. Meine Großmutter dagegen war Haushälterin in Gorse Hall und sucht auch eine Stelle. Sie ist großartig im Betten machen.“

„Es geht hier nur um eine Stelle“, herrschte Stanley sie an. „Seine Lordschaft sucht jemanden, der kochen und sein Bett machen kann.“

„Ich koche also nur für seine Lordschaft? Kann seine Lordschaft sein Bett nicht selber machen?“

„Werden Sie nicht unverschämt“, gab Stanley zurück. „Sie sind offensichtlich nicht für diese Stelle geeignet.“ Mit diesen Worten schickte er sich an, die knarrende Eingangstür langsam wieder zu schließen.

Es ist entschieden, dachte Angus erleichtert. Sobald Stanley sie losgeworden war, konnte er seinen Stiefbruder anrufen und ihm bedauernd mitteilen, dass er niemanden gefunden hatte. Ohne Personal konnte er kein Weihnachtsfest für sie auf die Beine stellen. Es blieb nur das Angebot, ihn und seine Familie für einen Tag zu holen, bevor das Schloss verkauft wurde.

Es war ganz einfach.

Andererseits … Kann seine Lordschaft sein Bett nicht selber machen? Diese unverblümte Frage hatte ihn neugierig gemacht. Kurz entschlossen durchquerte er die Eingangshalle und hielt Stanley davon ab, die riesige Tür zu schließen.

Er musste die Person sehen.

Das Mädchen machte einen verfrorenen Eindruck. Und einen bezaubernden.

Einen sehr bezaubernden sogar.

Sie war klein und verbarg ihre rundlichen Kurven unter einer abgetragenen Jeans, einem dicken grauen Pullover und einem riesigen alten Wintermantel ohne Knöpfe. Auf dem Kopf trug sie eine rote Wollmütze, unter der rote Locken widerspenstig hervorlugten. Mit ihren klaren grünen Augen und dem kindlich grimmigen Blick konnte sie unmöglich achtundzwanzig Jahre alt sein.

Vielleicht hatte Stanley ja doch recht, sie abzuweisen. Wer bewarb sich in Anziehsachen, die aussahen, als kämen sie von der Wohlfahrt?

„Eilen Sie ihm zu Hilfe?“, fragte sie verärgert, als er die Tür weiter öffnete. Wer immer sie auch sein mochte, schüchtern war diese Frau nicht. Stanleys rüde Abfuhr hatte sie offensichtlich verärgert. „Damit Lurch mich noch schneller von Ihrem Anwesen jagen kann? Ich bin den ganzen Weg vom Dorf hierher über Ihre schreckliche Straße voller Schlaglöcher gelaufen. Sie könnten sich wenigstens meinen Lebenslauf ansehen.“

Lurch? Diese Bezeichnung gefiel ihm. Angus warf Stanley einen verstohlenen Blick zu und gab ihr recht. Es gab eindeutige Ähnlichkeiten zwischen dem Verwalter seines Vaters und dem Butler der Addams Familie.

„Es geht nur um eine Stelle“, erklärte er fast entschuldigend.

„Koch und Haushälterin für dieses riesige Anwesen?“ Sie trat einen Schritt zurück und zeigte auf das große Schloss. Der Grundstein war Anfang des dreizehnten Jahrhunderts gelegt worden, aber in den letzten achthundert Jahren war ein Sammelsurium an Zinnen und Türmen dazugekommen.

„Ich brauche eine Woche, um das alles zu putzen“, sagte sie. „Vermutlich sogar zwei. Und damit habe ich nicht allzu viel Erfahrung.“

„Hier soll nichts geputzt werden“, erklärte Angus.

„Ich serviere mein Essen nicht im Dreck.“

„Verzeihung“. Er musste schmunzeln. Diese Frau sah aus wie ein Landstreicher, aber sie besaß Haltung. „Entschuldigen Sie, dass wir Sie so hochmütig behandeln, aber Sie machen nicht gerade den Eindruck, als seien Sie eine Köchin.“

„Ich bin Sterneköchin“, gab sie empört zurück.

„Können Sie das beweisen?“

„Natürlich.“ Sie zog einige mit der Maschine geschriebene Seiten aus ihrer Handtasche und reichte sie ihm. Er faltete die Papiere auseinander und überflog sie.

Erstaunt zog er die Augenbrauen hoch. Das war beeindruckend. Wirklich beeindruckend.

„Sie wollen uns glauben machen, dass Sie eine Sterneköchin aus Australien sind – schreiben Ihren Lebenslauf aber auf das Briefpapier der Craigenstone Bibliothek?“

„Doris, die Bibliothekarin, ist eine Freundin meiner Großmutter“, erklärte sie geduldig. „Sie hat keinen Drucker. Aus bestimmten Gründen habe ich keine Kopien meiner Referenzen mitgebracht.“

„Warum bewerben Sie sich um diese Stelle?“

„Tue ich das? Lurch hat mir ja gerade erklärt, dass Sie nicht interessiert sind. Das war’s dann. Außerdem friere ich. Sie haben mich im Schnee stehen lassen, als sie sich meinen Lebenslauf angeschaut haben. Und jetzt reicht es mir. Frohe Weihnachten.“

Wütend drehte Holly sich auf dem Absatz um, rutschte auf dem gefrorenen Kopfsteinpflaster aus und wäre gestürzt, wenn Angus sie nicht aufgefangen hätte.

Ihre erste Empörung wich, als sie starke Arme um sich fühlte und in ein Gesicht blickte, das …

So passierte es immer im Märchen! Der Lord von Craigie Castle hatte sie vor einem schmerzhaften Sturz bewahrt. Verwirrt dachte sie, dass sie nun verstand, warum der alte Earl die Frauen dazu gebracht hatte, ihn zu heiraten. Denn wenn Großmutter recht hatte, und der Apfel nicht weit vom Stamm fiel, waren alle Earls so gewesen wie dieser Mann … Er war der Prototyp des melancholischen Helden, über ein Meter achtzig groß, schwarze Haare, gleichmäßige markante Züge, dunkelgraue Augen, ein entschlossener Zug um den Mund.

Und er trug einen Kilt. Oh Himmel …

Aber Großmutter hatte ihr doch erzählt, dass der jetzige Earl Amerikaner war. Warum trug er dann einen Schottenrock?

Holly hatte sich darauf eingestellt, ihn nicht zu mögen, aber sein Anblick machte ihr das nicht gerade leicht. Er schien so einsam und unnahbar wie sein Vater zu sein. Nicht ein einziger Hinweis auf seine traurige Geschichte spiegelte sich in seinen Gesichtszügen.

Und dieser Kilt …

„Sind … sind Sie wirklich der Earl?“ Er hielt sie beschützend in seinen Armen.

„Ja“, entgegnete er und um seine Mundwinkel zuckte ein Lächeln. „Aber nur für ein paar Wochen.“

„Sie sind Amerikaner?“

„Ja.“

„Warum tragen Sie dann einen Kilt?“

Was stellte sie für alberne Fragen? Wenn sie das Maggie erzählte, würde sie ihr einen Eimer kaltes Wasser über den Kopf schütten.

Bei dem Gedanken kehrte Holly in die Wirklichkeit zurück und bat den Earl, sie loszulassen. Da der Boden immer noch glatt war, hielt er ihre Schultern mit beiden Händen umfasst.

„Amerikaner oder nicht, momentan bin ich der Gutsherr“, erklärte er ihr mit einem Lächeln, dass ihr den Atem nahm …

Schluss jetzt! Maggie würde sie unsanft an die Tatsache erinnern, das diesem Gutsherrn nicht zu trauen war.

„Einige potenzielle Käufer haben sich das Anwesen bereits angeschaut“, unterbrach er ihre Gedanken. „Internationale Käufer. Der Makler hält es für wichtig, dass ich schottisch aussehe. Mein Vater besaß viele Schottenröcke, Kilts in allen Größen. Ich laufe neben den Interessenten her, sage nur das Nötigste, während Stanley die Fragen im breitesten schottischen Akzent beantwortet. Daher sehe ich aus wie der Lord aller Länder, der seine Getreuen um sich schart, um die umliegenden Dörfer zu plündern.“

Er grinste. „So. Jetzt habe ich Ihnen meine Geschichte erzählt. Jetzt sind Sie an der Reihe. Holly McIntosh, wenn Sie eine erfahrene Sterneköchin sind, warum stehen Sie an meiner Türschwelle und bitten in durchnässten Turnschuhen und einem gebrauchten Wintermantel um einen Job?“

„Ich hoffe immer noch, an Weihnachten nicht frieren zu müssen“, gestand sie offen ein. „Könnten Sie mich loslassen? Ich muss nach Hause, bevor mir die Füße abfrieren.“

„Kommen Sie rein“, forderte er sie freundlich auf.

„Ich muss mich …“

„… aufwärmen. Sie wollen sich um einen Job bewerben. Lassen Sie uns darüber nachdenken. Im Haus habe ich ein brennendes Kaminfeuer, einen heißen Tee oder Whisky und Früchtekuchen. Und Stanley wird Sie nach Hause fahren, wenn wir fertig sind.“

„Fertig womit?“, fragte sie etwas naiv, worauf sich zu ihrem Erstaunen ein breites Grinsen auf seinem Gesicht zeigte. Verräterisch blitzten seine dunklen Augen.

„Mit meinem verruchten Umgang mit Ihnen. Als Lord von Craigie Castle mache ich das mit jedem Mädchen aus dem Dorf.“ Dann musste er selber lachen. Es war ein sympathisches dunkles Lachen. „Tut mir leid“, meinte er, als er ihren Gesichtsausdruck sah. „Da ist meine Fantasie mit mir durchgegangen. Da sprach der Mann im Kilt, nicht ich.“

„Das …“, brachte sie mühsam hervor. „So sind Sie sonst nicht?“

„Nein. Das ist meine dunkle Seite im Schottenrock. Mein normales Ich trägt Chinohosen. Und ich schwöre, ich plündere nie. Wenn wir hineingehen, lasse ich meine dunkle Seite hier draußen im Schnee und verwandele mich wieder in Angus Stuart, Finanzmakler aus Manhattan. Dann können wir in Ruhe über den Job reden.“

Wow. Sie atmete tief durch und versuchte, klar zu denken.

Lass dich nicht ablenken und besinn dich auf dein Anliegen, ermahnte sie sich verzweifelt.

„Über zwei Jobs oder keinen“, brachte sie schließlich zustande.

„Wie bitte?“, fragte Angus verwirrt.

„Ich sagte, es geht um zwei Jobs. Ich akzeptiere nur, wenn Sie uns beide nehmen. Ich koche alles, was Sie mögen, aber ich werde nicht putzen. Gran ist auf einer Beerdigung, sonst wäre sie mit mir hier und würde sich auch vorstellen. Ihren Lebenslauf habe ich dabei.“

„Es ist nur ein Job!“ Stanley hatte die ganze Zeit schweigend danebengestanden, aber jetzt schien ihm der geeignete Moment, sich einzumischen. „Wir haben eine Stelle inseriert, Mylord. Ich bin sicher, dass wir eine andere Interessentin finden werden.“

„Nicht vor Weihnachten“, erwiderte Angus. „Seit Erscheinen der Anzeige hat sich noch niemand darauf beworben.“

„Es geht nur um einen Job“, beharrte Stanley.

„Okay“, meinte Holly. Himmel, hatte sie kalte Füße. „Das war es dann. Danke für Ihr Angebot von Whiskey und Früchtekuchen, aber wir verschwenden nur unsere Zeit. Frohe Weihnachten und auf Wiedersehen.“

Damit entzog sie sich Angus’ Griff und stapfte vorsichtig davon.

„Wenn Sie wirklich an einem Koch interessiert waren, hätten Sie eine Anzeige in die Zeitung setzen müssen“, bemerkte Stanley mürrisch, während sie ihr hinterherschauten.

Angus gab ihm recht.

Er hatte es nicht wirklich gewollt. Sonst hätte er dieses Schloss in ein Zuhause verwandeln und seine Halbgeschwister einladen müssen.

Was hielt ihn nur ab?

Diesem Ort haftete etwas Tragisches an. Seine Mutter hatte ihn eindringlich gebeten, nicht hierher zu fahren. Sie wäre enttäuscht, wenn er seinen Aufenthalt nun auch noch verlängern würde. Außerdem wollte er kein Weihnachten mit Familie. Das war nicht seine Art, dieses Fest zu feiern. Hatten Louises Tod und die Tragödie seiner Mutter ihn nichts gelehrt?

Nachdenklich schaute er Holly nach. Sie war den ganzen Weg vom Dorf hierher in Turnschuhen gelaufen, um sich um eine Stelle zu bewerben, die er nicht besetzen wollte.

Er hätte Ben gleich absagen müssen.

Er selbst hätte gar nicht herkommen dürfen.

Für seine Mutter schien die Tragödie erst letzte Woche passiert zu sein und nicht schon über dreißig Jahre zurückzuliegen: „Komm diesem Ort nicht zu nahe. Verkauf das Schloss so schnell wie möglich an den Meistbietenden. Schenk das Geld der Wohlfahrt. Mir ist es egal. Werd es nur einfach los, Angus.“

Er war jedoch der neue Earl of Craigenstone. Am Titel lag ihm nichts, aber er wollte wissen, was er da verkaufte. So wie seine Halbgeschwister noch einmal den Ort sehen wollten, den sie aufgeben mussten. Bis vor drei Jahren hatten sie hier gelebt. Ihr Vater hatte ihnen keinen Zutritt mehr gewährt, nachdem ihre Mutter ihn verlassen hatte. Außer ihren Erinnerungen war ihnen nichts geblieben.

Angus seufzte. Es ging hier nicht nur um ihn. Der alte Earl hatte vier Kinder. Warum also traf er die Entscheidungen allein? War er egoistisch? Gemein und selbstsüchtig? Wie sein Vater?

Er war mit Sicherheit nicht wie sein Vater.

Es ging nur um drei Wochen. Seine Mutter würde schon damit fertig, wenn er es ihr erklärte.

„Holly …“, rief er hinter der jungen Köchin her.

Trotz einiger Entfernung hörte sie ihn. Die Hände in die Hüften gestemmt, drehte sie sich zu ihm. Wenn ich sie engagiere, habe ich es nicht mit einer normalen Angestellten zu tun, dachte er amüsiert. Sie besaß Tatkraft und Temperament.

„Ich bin mit zwei Jobs einverstanden“, bot er an.

„Wie viel zahlen Sie?“, rief sie, ohne sich von der Stelle zu rühren.

„Was zahlt man hier für einen Koch?“, fragte er Stanley. Dieser starrte ihn an, als sei er im Begriff, sein Gehalt auszugeben. Die Summe, die er ihm nannte, war lächerlich gering. Zudem hatte Holly mit stolzer Empörung und im Bewusstsein ihres Könnens darauf hingewiesen, dass sie Sterneköchin war.

Wenn er sie einstellte, hatte er eine großartige Köchin für Weihnachten. Und eine Haushälterin. Er dachte an den Ruf seines Vaters und schaute in Stanleys missmutiges Gesicht. Ein paar Dinge mussten sich jetzt ändern.

„Ich zahle Ihnen das Dreifache des üblichen Lohns, und ich stelle Sie und Ihre Großmutter als Team ein“, rief er. Und als sich Hollys Gesichtsausdruck nicht änderte, fügte er hinzu. „Ich zahle Ihnen beiden denselben Lohn.“

„Mylord!“ Stanley rang nach Atem, aber Angus ignorierte ihn. Hollys Miene hellte sich auf. Ungläubig schaute sie ihn an. „Jeder von uns?“

„Ja. Acht Stunden pro Tag und sonntags haben Sie einen halben Tag frei. Es werden drei Wochen harte Arbeit, aber es lohnt sich.“

Hollys Wut verflüchtigte sich. „Sind … sind Kost und Logis inbegriffen?“, fragte sie vorsichtig, als ob er beißen würde.

„Vermutlich. Aber warum brauchen Sie eine Unterkunft?“

„Wir haben kein Auto“, erklärte ihm Holly. „Und falls es Ihnen noch nicht aufgefallen ist, schneit es und Ihre Auffahrt ist eine Zumutung. Ich habe eine halbe Stunde gebraucht, um hier hochzukommen. Zudem ist Gran auch nicht mehr die Jüngste.“ Entschlossen hob sie das Kinn und schaute ihn an. „Und unsere Unterkunft muss beheizt sein.“

„Beheizt?“ Stanley spie das Wort förmlich aus. Angus dachte an die kalten, muffigen Schlafzimmer im ganzen Schloss und die großen zugigen Treppen. Es würde ein Riesenaufwand werden, diesen Ort bis Weihnachten zu beheizen. Der kleine Raum hatte den einzigen funktionierenden Kamin.

Holly war eine Herausforderung. Plötzlich dachte er an seine Geschwister, die all die Jahre unter diesen Bedingungen gelebt und die Launen des alten Mannes ertragen hatten. Vielleicht konnte er es möglich machen, dass sie gute Erinnerungen an diesen Ort bewahrten.

„Einverstanden. Unter einer Bedingung.“

„Welcher?“

„Dass Sie jetzt mit reinkommen, sich aufwärmen und mir erzählen, warum Sie diese durchnässten Schuhe tragen.“

„Ich muss zurück zu Gran.“

„Wir fahren Sie zurück, sobald Sie sich aufgewärmt haben. Ich habe Sie gerade unter Vertrag genommen. Also sind Sie jetzt meine Angestellte. Sie können mich verklagen, wenn Sie sich auf dem Weg zur Arbeit verletzt haben. Daher kümmere ich mich um meine Investition. Kommen Sie herein, Miss McIntosh, und wir besprechen alles Weitere.“

„Gibt es noch Früchtekuchen?“

„Das könnte ich arrangieren.“

„Dann nehme ich Ihr Angebot dankbar an.“

Als sie die Eingangstreppe erreicht hatte, kam Angus ihr entgegen, um ihr die vereisten Stufen hinaufzuhelfen. Einen Augenblick lang starrte sie auf seine ausgestreckte Hand, dann schüttelte sie den Kopf.

„Ich mache das nur zu meinen Bedingungen“, sagte sie brüsk. „Ich brauche diesen Job. Ich mag auch Ihren Früchtekuchen, aber ich brauche nichts anderes.“

„Wirklich nicht?“

„Bestimmt.“ Sie lächelte ihn verschmitzt an. „Also schlagen Sie sich am besten gleich jeden verruchten Umgang mit Ihrer Angestellten aus dem Kopf, Lord Craigenstone. Lassen Sie die dunkle Seite bitte draußen. Ich mag zwar in Ihrem Schloss übernachten, aber ich kenne meine Rechte. Außerdem ist Verführung kein Bestandteil eines Vertrags, den ich jemals unterschreiben würde.“

2. KAPITEL

Nachdem Holly ihren Wintermantel und ihre Wollmütze abgelegt und es sich mit einem heißen Kakao in einem der großen Kaminsessel gemütlich gemacht hatte, konnte Angus sie genauer betrachten. Sie erschien ihm noch jünger als auf den ersten Blick. Und noch bezaubernder. Während sie die heiße Schokolade genoss und mit Heißhunger den Früchtekuchen verschlang, studierte Angus in Ruhe ihre Referenzen.

Es konnte funktionieren. Nach den Unterlagen zu urteilen waren Holly und ihre Großmutter erfahrene Fachkräfte. Mit ihnen konnte er ein Weihnachtsfest auf die Beine stellen.

Aber ihr Aussehen irritierte ihn. Der kleine Hund war auf ihren Schoss gesprungen und ließ sich von ihr streicheln.

„Wenn Ihre Behauptungen stimmen“, sagte er langsam, „sind Sie eine der bestbezahlten Sterneköchinnen Australiens.“

„Das bin ich“, bestätigte sie und korrigierte sich im gleichen Augenblick. „Das war ich.“

„Kann ich das überprüfen?“

Sie schaute auf ihre Uhr. „Ja“, erwiderte sie bestimmt. „Das will ich sogar. Wir haben jetzt Mittag. Dann ist es jetzt neun Uhr abends in Sydney. Ich habe die Rufnummern der Küchenchefs der letzten drei Restaurants, für die ich gearbeitet habe. Bis auf das letzte. Um diese Zeit werden die meisten in ihrer Küche sein. Rufen Sie sie an.“

„Aber im letzten kann ich nicht anrufen?“, fragte er.

„Das letzte Restaurant gehörte mir selbst“, antwortete sie freiheraus. „Mit meinem Partner. Es hat nicht geklappt.“ Sie zögerte und entschied sich, ehrlich zu antworten. „Er war mein Verlobter und Geschäftspartner. Er hat mich betrogen.“

„Das tut mir leid.“

„Das braucht es nicht. Rufen Sie die anderen an“, forderte sie ihn auf.

Es war ihr wichtig, ging es ihm schlagartig auf. Sie wusste, dass sie wie eine Landstreicherin aussah und ihr beruflicher Stolz musste wiederhergestellt werden.

Von allen drei Küchenchefs erhielt er dieselbe einhellige Antwort: „Wenn Sie Holly McIntosh unter Vertrag haben, ist das ein Geschenk des Himmels. Ich würde sie sofort wieder einstellen. Wir haben davon gehört, dass ihr Restaurant Pleite gemacht hat. Sagen Sie ihr, sobald sie wieder in Australien ist, wartet ein Job auf sie.“

Er legte auf. Feierlich schaute sie ihn an. Sie war rehabilitiert.

„Was hat es mit den Turnschuhen auf sich?“, hakte er nach. Sie hatte die durchnässten Schuhe ausgezogen und heimlich unter den Sessel geschoben, was ihm jedoch nicht entgangen war. Auch ihrer nassen Socken hatte sie sich entledigt und sich auf ihre kalten Füße gesetzt.

„Ich bin vor zwei Tagen angekommen, aber mein Gepäck ist verloren gegangen. Die Fluggesellschaft sucht noch. Die Kleidung meiner Großmutter passt mir nicht, daher stecke ich in der Klemme.“

„Könnten Sie sich nicht während der Wartezeit ein paar ordentliche Schuhe kaufen?“

„Ich habe kein Geld. Daher brauche ich den Job.“

„Noch nicht mal für ein Paar Gummistiefel?“

Sie seufzte tief, stellte den Becher energisch ab und schaute ihn mit ihren klaren grünen Augen an.

„Ich bin Sterneköchin. Eine gute. Ich und mein … mein Ex­partner hatten beschlossen, ein eigenes Restaurant aufzumachen. Alles, was wir besaßen, haben wir in dieses Restaurant gesteckt. Vielmehr ich habe das getan, wie sich später herausstellte, da Geoff keinen Cent besaß. Wir waren verlobt. Ich habe ihm vertraut, aber er hat mich getäuscht. Ich hatte angenommen, dass wir das Doppelte des Kapitals zur Verfügung haben, aber er hat gelogen. Vor einem Monat kamen die Gläubiger und Geoff zog aus. Ich habe keine Ahnung, wo er sich aufhält, aber mein Kreditrahmen ist ausgeschöpft. Ich bin bis über beide Ohren verschuldet und mein Stolz ist zutiefst verletzt, von meinem gebrochenen Herzen mal abgesehen. Außerdem fällt es mir schwer zu glauben, dass ich jemanden geliebt habe, der sich als solcher Penner herausgestellt hat.“

„Woher kommen Sie?“, fragte er.

„Mein Vater war Schotte und der Rest von mir ist australisch. Meine Eltern sind bei einem Autounfall ums Leben gekommen, als ich zwölf Jahre alt war. Meine Großmutter mütterlicherseits hat mich zu sich genommen, aber sie ist letztes Jahr gestorben. Maggie ist die einzige Verwandte, die mir geblieben ist. Als ich sie letzten Monat angerufen und ihr meine Schwierigkeiten angedeutet habe, war ihr bereits klar, wie abgebrannt ich bin. Sie hat mir ein Flugticket gekauft, damit mir ein trostloses Weihnachten erspart bleibt.“

„Sie scheint eine tolle Person zu sein.“

„Das ist sie“, bestätigte sie und ergänzte schelmisch grinsend. „Und eine großartige Haushälterin.“

„Und noch eine Empfehlung“, bemerkte Angus, überwältigt von ihrem Lächeln.

„Leider“, fuhr Holly fort, die knisternde Spannung zwischen ihnen ignorierend, „wusste ich nicht, dass Maggie Miete für ihr Cottage zahlt. Ich habe immer angenommen, dass es ihr gehört. Meine Granny ist nicht gerade fürs Sparen bekannt, wie die großzügige Geste mit dem Flugticket beweist. Nach meiner Ankunft habe ich schnell herausgefunden, dass ihr Vermieter ihr Haus zum Verkauf angeboten hat. Jetzt kratzt sie verzweifelt genug Geld zusammen, um eine Kaution für ein neues Cottage zu hinterlegen, aber sie ist genauso pleite wie ich. Sie war davon ausgegangen, dass wir uns die Kosten für Weihnachten teilen könnten, wenn ich komme, aber wie teilt man nichts? So sieht es aus. Wir hatten ein Problem und Sie haben es gelöst. Wann soll ich anfangen?“

„Haben Sie Ihr Flugticket dabei?“

„Was? Warum?“

„Haben Sie es noch in Ihrer Tasche?“, hakte er nach.

„Ja, aber …“

„Kann ich es mal sehen?“

„Wollen Sie das auch überprüfen?“, fragte sie verwirrt.

„Lassen Sie mich nur machen.“

Sie runzelte die Stirn und schob den kleinen Hund von ihren Beinen. Sie wühlte in ihrer Tasche und zog eine zerknitterte Buchungsbestätigung und das Flugticket hervor.

„Halten Sie Ihre Füße warm. Ich muss noch einen Anruf machen.“

Sie hörte, wie er die Fluggesellschaft anrief. Stunden hatte sie in der Warteschleife gehangen. Aber der Earl of Craigenstone musste nicht warten. Er schien Mitglied in einem dieser Platinclubs zu sein und wurde mit einer wirklichen Person verbunden. Holly blieb der Mund offen stehen. Man musste offenbar nur adelig sein.

Die Person am anderen Ende der Leitung schien sogar willens, behilflich zu sein. Angus stellte ein paar präzise Fragen und reichte ihr dann das Telefon.

„Alles geklärt. Hören Sie selbst.“

„Es tut uns sehr leid, Miss“, sagte der Mann in der Leitung. „Wir hätten Ihnen die Situation erklären müssen. Da Ihr Gepäck seit mehr als vierundzwanzig Stunden vermisst wird, können Sie das, was Sie brauchen, sofort kaufen. Innerhalb von vier Arbeitstagen wird Ihnen das erstattet. Außerdem hat Ihre Großmutter eine Zusatzversicherung für den Fall gekauft, dass Ihr Gepäck verloren geht. Daher entstehen Ihnen keine Kosten. Sollte das Gepäck nicht aufgefunden werden, wird Ihnen alles erstattet, plus eine Entschädigung für die entstandenen Unannehmlichkeiten. Ich bedauere, dass man Ihnen das vor zwei Tagen nicht mitgeteilt hat.“

„Danke“, brachte sie hervor. Angus nahm ihr den Hörer ab, gab noch ein paar Kontaktdaten durch und legte auf.

„Jetzt können Sie sich Gummistiefel kaufen.“

„Ich …“ Sie verstummte und starrte auf ihre Füße.

„Wie abgebrannt sind Sie?“, fragte er leise.

„Ich bin komplett pleite“, flüsterte sie und eine leichte Röte überzog ihr Gesicht. „Ich danke Ihnen, aber kein Laden wird als Zahlung das Versprechen einer Fluggesellschaft akzeptieren, dass das Geld in Kürze kommen wird. Aber ich kann noch vier Tage warten.“

„Nein. Ich gebe Ihnen einen Vorschuss, damit Sie über die Runden kommen.“ Er holte seine Brieftasche hervor und zählte ein paar Scheine ab.

„Nein.“ Was dachte sie sich nur? Die Warnung ihrer Großmutter schoss ihr wieder durch den Kopf. Abrupt stand sie auf und ging zur Tür. „Sie haben mir bereits einen Job gegeben. Mehr kann ich nicht annehmen.“

„Das Geld ist kein Geschenk“, beruhigte er sie. „Wenn Sie das Geld der Fluggesellschaft bekommen haben, zahlen Sie es zurück.“

„Sie kennen mich doch gar nicht. Wie können Sie mir vertrauen?“

„Sie sind meine Angestellte.“

„Richtig, und Geoff war mein Partner und Sie haben ja gehört, was er angerichtet hat“, erwiderte sie aufgebracht. „Ich könnte das Geld verprassen und Sie würden mich nie wiedersehen.“

„In Craigenstone?“ Er lachte. „Falls es Ihnen noch nicht aufgefallen ist, gibt es hier nichts, wo Sie das Geld verprassen könnten.“

Er musterte sie mit einem Blick, der sie um Fassung ringen ließ. Der Kilt und dieses verruchte Lächeln … Ihre Fantasie und der Ruf des Earl of Craigenstone brachten sie völlig durcheinander.

„Ich … ich weiß.“

Sie schaute auf die Scheine in seiner Hand. Warme Füße …

„Das ist großartig. Ich könnte mir ein Paar Gummistiefel, einen Wollpullover und Kohle kaufen.“

„Sie haben keine Heizung?“

„Nein.“

„Ich fahre Sie zurück ins Dorf und wir kaufen unterwegs Kohle.“

„Das ist nicht Ihr Ernst. Sie sind der Earl!“

„Ich wusste gar nicht, dass Australier etwas auf Aristokratie geben“, bemerkte er grinsend. „Die Amerikaner bestimmt nicht.“

„Und doch sind Sie einer.“

„Nur bis das Schloss verkauft ist. Der Titel erübrigt sich dann.“

„Trotzdem dürfen Sie uns keine Kohle kaufen oder mich nach Hause fahren. Ich weiß es wirklich sehr zu schätzen, dass Sie mir das Geld leihen. Aber wenn Gran die Tür öffnet und ein Earl auf ihrer Türschwelle steht, mit Kohlen in der Hand, bekommt sie einen hysterischen Anfall.“

„Warum?“

„Das stammt noch aus früheren Zeiten“, erklärte sie ihm. „Als die Earls und die Dienstboten noch ihre Stellung kannten. Ohnmachten und hysterische Anfälle waren an der Tagesordnung. Gran und ich wissen, wo unser Platz ist. Wir bleiben in den Räumen der Dienstboten und machen unseren Job.“

„Sie haben zu viele Liebesromane gelesen, wenn Sie so von mir denken.“

„Wie dem auch sei. Gran hat eine klare Vorstellung von Recht und Unrecht und wir machen es auf ihre Weise. Also, vielen Dank, aber wir kaufen unsere Kohle selbst. Wann sollen wir anfangen?“

„Morgen?“

„Morgen!“

„In zwei Wochen ist Weihnachten. Dieser Raum und mein Schlafzimmer scheinen die einzig bewohnbaren Zimmer zu sein. Seitdem meine Stiefmutter weg ist, wurde hier nicht mehr geputzt. Stanley kocht auf einem tragbaren Gaskocher. Weiß der Himmel, ob der Herd überhaupt noch funktioniert.“

„Ich brauche einen.“

„Darum sollen Sie morgen anfangen. Vielleicht müssen wir ja auch schnell einen bestellen. Ich kümmere mich um die Heizung.“

„Das wird ein Jahr dauern.“

„Ich erledige meine Aufgaben. Können Sie sich um Ihre kümmern, Miss McIntosh?“

„Holly, Mylord.“

„Angus.“

„Holly und Mylord“, entgegnete sie zaghaft. „Granny wird nichts anderes akzeptieren. Das Britische Weltreich wurde von denen gegründet, die ihren Platz kannten.“

„Dann werden Sie sich mir unterordnen?“

„Sicher“, erwiderte sie vergnügt. „Solange Sie das tun, was ich Ihnen sage, werde ich so gehorsam sein, wie Sie es wünschen.“

„Solange ich das tue, was Sie mir sagen …“

„Wenn ich in einer Küche kochen muss, die seit Jahren nicht benutzt worden ist, dann sage ich Ihnen ordentlich Bescheid.“ Mit diesen Worten stand sie auf und schlüpfte in ihre nassen Turnschuhe. „Vielen Dank, Mylord. Gran und ich sind morgen um neun Uhr da.“ Sie schüttelte seine Hand, dann beugte sie sich nach unten und streichelte den kleinen Hund. „Bis dann.“

Angus stand im Türrahmen und blickte ihr nach. Sie hatte sein Angebot, sie nach Hause zu fahren, abgelehnt.

„Da haben Sie einen Fehler gemacht, Mylord“, hörte er Stanley plötzlich hinter sich sagen. „Sie wird Sie ein Vermögen kosten.“

„Stanley, verraten Sie mir, wie viel Geld haben wir in der Portokasse?“

„Ich …“

„Wir verfügen doch über Mieteinnahmen aus dem letzten Monat, nicht wahr? Die decken doch bestimmt die Kosten. Es ist sicherlich zu spät, um bis Weihnachten eine Zentralheizung in jedem Zimmer einzubauen, aber ich möchte, dass jeder Kamin gereinigt und mit Kohle bestückt wird und dass Ölheizer in allen Räumen stehen. Nach Weihnachten werde ich vermutlich im großen Rahmen aufforsten müssen, um den Umweltschaden auszugleichen, aber ich schwöre Ihnen, in diesem Schloss wird es an Weihnachten warm sein. Kann ich Sie damit betrauen, Stanley?“, fragte Angus mit samtweicher Stimme.

Er beobachtete Stanleys Gesicht. Nur zu genau wusste er, was der Mann dachte. Die Mieteinnahmen waren gigantisch. Am Anfang jeden Monats sollten die Zahlungen auf ein Girokonto gehen, bevor sie am Monatsende auf ein Ertragskonto seines Vaters transferiert wurden. Stattdessen vermutete Angus jedoch, dass Stanley die Gelder bereits seit Jahren für dreißig Tage auf sein eigenes Konto übertrug. Seinem Vater dürfte es nie aufgefallen sein, aber die Zinsen, die Stanley durch dieses Vorgehen über die Jahre verdient haben musste, ergaben vermutlich eine ansehnliche Summe …

Angus musste Stanley jedoch zugutehalten, dass er bei seinem Vater geblieben war und das Anwesen zusammengehalten hatte. Er konnte ihn noch nicht entlassen. Er brauchte ihn. Doch dann fiel ihm Holly in ihren durchnässten Turnschuhen wieder ein und er dachte an das Elend, das Unehrlichkeit immer wieder nach sich zog.

Stanley musste das Geld umgehend zurück auf das Konto überweisen, ging es ihm wütend durch den Kopf. Mit dem Ruf, dass der Earl of Craigenstone, ein Geizhals sei, war es nun vorbei. Auch mit der Unehrlichkeit. Bis jetzt hatte er den Diebstahl toleriert, da es ihm anfangs zwecklos erschienen war, die Dinge in der kurzen Zeit zu ändern. Aber jetzt war alles anders. Nun würde ein wundervolles Weihnachtsfest in Craigie Castle stattfinden!

„Er ist so nett. Einfach großartig. Stell dir vor, er hat uns beide eingestellt. Und wir bekommen dasselbe Gehalt!“

Holly war förmlich in die Küche gestürmt, in der Maggie untröstlich auf ein Päckchen Pasta und eine billige Dose Tomaten starrte. Jetzt schaute sie ihre Enkelin an, als ob die den Verstand verloren hätte.

„Wie bitte?“

Holly erzählte ihr von dem Gehalt und wiederholte es sicherheitshalber noch einmal. „Und wir fangen morgen an. Wir wohnen im Schloss und die Zimmer werden beheizt.“

Vor Freude umarmte sie ihre Großmutter, zog sie hoch und zerrte sie für ein Tänzchen durch die Küche.

Aber Maggie blieb stehen.

„Was ist los?“

„Die Sache hat einen Haken“, sagte Maggie unbeeindruckt. „Das ist immer so.“

„Du irrst dich. Er bekommt eine Sterneköchin und eine erstklassige Haushälterin. Und er ist bereit, dafür zu bezahlen. So einen Lohn habe ich zuletzt in Sydney bekommen, bevor …“

„Bevor du Geoff vertraut hast“, entgegnete Maggie. „Hast du nichts gelernt?“

„Gran, er hat die Fluggesellschaft angerufen und tatsächlich mit jemandem gesprochen. Und sieh her.“ Sie holte die Geldscheine aus ihrer Tasche. „Dies ist ein Vorschuss auf die Summe, die mir die Fluggesellschaft zahlen muss. Anscheinend hast du eine Reiseversicherung abgeschlossen. Gran, das ist …“

„Gib das Geld zurück!“

„Bist du verrückt?“

„Er ist der Earl of Craigenstone. Solch einem Mann darfst du niemals trauen. Wir stehen in seiner Schuld. Und er wird eine Gegenleistung fordern. Du weißt, was das heißt, oder?“

„Das Recht der ersten Nacht? Jedes Dorfmädchen, nach dem ihm verlangt?“ Holly starrte auf die Geldscheine in ihrer Hand und konnte ein Kichern nicht unterdrücken. „Wir sind nicht im Mittelalter. Das hier bedeutet warme Schuhe. Und dafür hätte ich gegen ein bisschen … nichts einzuwenden.“

„Holly!“

„Okay, tut mir leid“, sagte sie besänftigend. „Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Nach der Sache mit Geoff habe ich nicht das geringste Interesse daran. Aber wir haben einen Job und können jederzeit kündigen.“

„Was ist mit diesem Geld?“

„Das zahle ich ihm sofort zurück, sobald mich die Fluggesellschaft entschädigt hat.“

„Wie viele Personen werden verköstigt?“

Der plötzliche Themenwechsel ließ Holly innehalten. Sie starrte Maggie an, und es schien ihr, als ob sie in ihr eigenes Spiegelbild schaute. Maggie sah aus wie Holly, nur fünfzig Jahre älter, mit ein paar Falten und grauen statt roten Locken.

„Ich habe keine Ahnung“, räumte sie dann ein. „Der Butler meinte …“

„Wer?“

„Der Mann, der die Tür geöffnet hat. Ein dünner und fieser Typ. Er sieht aus wie Lurch aus der Addams Familie.“

„Stanley“, entfuhr es Maggie. „Der Gutsverwalter. Er erinnert mich an ein Frettchen. Lurch hat mich zum Lachen gebracht. Stanley nicht.“

„Er meinte, dass wir nur für den Earl kochen und putzen.“

„Wenn er solche Löhne zahlt, wird er bestimmt halb New York eingeladen haben.“

„Das schaffen wir“, sagte Holly kämpferisch und dachte wieder an den Mann, den sie gerade verlassen hatte. „Oh Gran, er ist einfach toll.“

„Er hat nichts Tolles an sich“, brauste Maggie auf. „Der Mann ist der Earl. Betrug und Tyrannei herrschen seit Generationen in dieser Familie. Bin ich froh, dass ich mit dabei bin. Weiß der Himmel, in welche Schwierigkeiten du geraten würdest.“

„Also, machst du es?“

„Wir haben keine große Wahl“, gestand sie grimmig ein. „Entweder gehorchen wir den Befehlen seiner Lordschaft oder wir verhungern. In diesem Dorf hat sich seit fünfhundert Jahren nichts verändert, aber jetzt tut sich was.“

Er machte drei Anrufe. Zuerst rief er seine Mutter an, die so fassungslos reagierte, wie er es vermutet hatte.

„Ich bleibe über Weihnachten hier. Ich weiß, wie du über diesen Ort denkst, Mutter, aber ich habe dir ja schon von den Kindern erzählt. Ich werde mein Versprechen halten und mit ihnen Weihnachten feiern.“

„Du wirst dich doch nicht in einen Earl verwandeln?“, versuchte sie zu scherzen, aber er hörte die Angst in ihrer Stimme. „Der Ort ist eine Falle.“

„Mein Vater hat dich in eine Falle gelockt, nicht das Schloss.“ Für einen Augenblick zögerte er. „Mum, warum kommst du nicht auch? Wir haben eine tolle Köchin und eine Haushälterin. Wenn es dich nicht stört, Delia zu begegnen.“

„Im Gegenteil. Sie war meine einzige Freundin in diesem Schloss. Aber ich werde nicht kommen. Dieses Schloss birgt nur schlechte Erinnerungen.“

„Hey, ich bin hier geboren. Bin ich keine gute Erinnerung?“ Vergeblich versuchte er, sie aufzumuntern. Schließlich legte er seufzend auf.

Er rief seine Freunde an und erntete völlig gegensätzliche Reaktionen.

„Du verbringst Weihnachten als Earl? In einem schottischen Schloss? Wie aufregend! Wie wäre es mit einer Party?“

„Ich habe Kinder zu Gast.“

„Aber eine Party!“

Rasch legte er wieder auf, bevor sich das Schloss mit amerikanischen Bankern füllte. Zuletzt rief er die Kinder an. „Ich hatte fast schon gehofft, dass Sie nicht anrufen würden“, sagte Ben unumwunden.

Zu behaupten, dass ihn das überraschte, wäre eine Untertreibung, nachdem Ben ihn beim letzten Telefonat förmlich angefleht hatte.

„Willst du nicht mehr kommen?“

„Doch, aber jetzt geht es nicht mehr“, erklärte der Junge. „Mit Mutters Rücken ist etwas nicht in Ordnung. Der Arzt sagt, dass sie Freitag für eine Operation ins Krankenhaus muss. Gran meint, dass Mum sich nicht allein um sich kümmern kann, daher ziehen wir vorübergehend in ihre Wohnung. Und ihre Wohnung ist noch kleiner als unsere. Ich habe Mum gefragt, ob wir nicht allein ins Schloss fahren könnten, aber sie hat abgelehnt, da Sie wie Ihr Vater aussehen. Es ist aussichtslos.“

Es herrschte Stille in der Leitung. Angus starrte auf die alten Steinfliesen in der Halle. Der verwahrloste kleine Hund kuschelte sich um seine Füße und schaute erwartungsvoll zu ihm hoch.

Ich bin nicht wie mein Vater.

„Gib mir deine Mutter“, sagte er schließlich. Als sie an den Apparat kam, hörte er die Skepsis in ihrer Stimme.

„Ich habe eine Köchin und eine Haushälterin engagiert“, erzählte er ihr. „Wenn die Kinder doch so gerne kommen möchten …“

„Ich kann das nicht“, antwortete sie seufzend. „Es tut mir leid, aber ich kenne Sie nicht. Ich weiß nur, dass Sie der Earl sind und das ist nicht gerade eine Empfehlung.“

Aber die Kinder …“

„Sie kommen schon damit klar. Kinder sind unverwüstlich.“

Ja, dachte Angus im Stillen. Das musste diese Familie auch sein. Hatte er Holly und Maggie umsonst angestellt?

„Es wäre anders, wenn Sie verheiratet wären“, hörte er Delia sagen. „Wenn ich Ihre Frau kennenlernen würde … Ich brauche einfach jemanden, dem ich trauen kann. Und ich hasse Stanley. Sie sind nicht verheiratet, oder?“

„Nein.“

„Na bitte.“

„Ich beschäftige …“

„Es ist mir egal, wen Sie beschäftigen.“

„Aber ich bin verlobt“, platzte es aus ihm heraus. „Meine Verlobte wird auch hier sein und sie ist wirklich bezaubernd. Ihre Kinder werden sie mögen. Und ihr können Sie vertrauen.“

Delia hatte recht, schoss es ihm grimmig durch den Kopf. Er sah seinem Vater zu ähnlich, als dass man ihm trauen könnte. Holly dagegen vertraute jeder. Sie würde seine Verlobte spielen. Diese Idee war ihm einfach in den Sinn gekommen. Sie würde sich bestimmt für die Sache der Kinder einsetzen.

Sie musste nur noch zustimmen …

„Wie heißt sie?“, fragte Delia argwöhnisch.

„Holly McIntosh.“

„Woher weiß ich, wie sie ist?“

„Sie ist großartig“, sagte er herzlich. „Was würde ich auch anderes über sie sagen? Ich frage sie, ob sie nach London fährt, um Sie kennenzulernen.“ Das musste er zumindest vorher mit ihr abklären. „Wenn sie einverstanden ist, setze ich sie übermorgen in den Zug. Wenn Sie Holly mögen, wovon ich überzeugt bin, bringt sie die Kinder mit. Dann könnten Sie sich ganz auf Ihre Genesung konzentrieren. Und sobald Sie wieder reisefähig sind, kommen Sie vielleicht mit Ihrer Mutter am Weihnachtstag nach.“

Er hatte sich gerade eine Verlobte angelacht! Was war nur in ihn gefahren?

Er hatte gelogen.

Aber Bens Stimme hallte immer noch in ihm nach. Er hatte es nicht über sich gebracht, ihn abzuweisen.

Was für einen Stundenlohn mochte Holly wohl dafür verlangen? Er stellte sich ihr Gesicht vor, wenn er ihr die neue Stellenbeschreibung vorschlug. Plötzlich musste er grinsen. Mit ihr zu verhandeln, würde bestimmt vergnüglich.

„Ich wollte das Schloss nie wieder sehen“, gestand Delia. „Ich hätte nur Bens Wunsch erfüllt.“

„Das kann ich gut verstehen“, entgegnete Angus freundlich. „Aber mit Holly verändert sich der Ort. Sie werden sehen.“

„Es klingt, als ob Sie sie lieben würden“, bemerkte Delia erstaunt. „Aber Ben hat Sie im Internet gegoogelt. Sie sind nicht verlobt. Sie waren vor Jahren verlobt und Ihre Verlobte ist bei einem Skiunfall ums Leben gekommen.“

Delia klang wieder misstrauisch, und Angus entschied, sich in den unnahbaren Banker zu verwandeln.

„Mein Privatleben ist privat“, sagte er kurz angebunden. „Glücklicherweise steht nicht alles im Internet. Aber wenn Sie einverstanden sind, kommt Holly übermorgen bei Ihnen vorbei. Kein Druck. Wenn Sie sie nicht mögen, belassen wir es dabei, aber ich denke, Sie werden sie gern haben.“

„Wirklich?“

„Ich verspreche es. Solange Holly damit einverstanden ist, nach London zu fahren.“

Und solange Holly mit allem anderen einverstanden war …

Holly und Maggie aßen ein Steak zum Abendessen. Mit Pommes. Und Apfelkuchen als Nachtisch. Sie tranken eine Flasche Wein dazu und öffneten eine zweite, als sie sich nach dem Essen ans Feuer setzten, dass sie sich dank Angus’ Vorschuss leisten konnten.

Plötzlich dröhnte ein lautes Klopfen an der Eingangstür. Maggie runzelte die Stirn. „Es ist neun Uhr abends. Wer kann das sein?“

„Ich geh schon.“

„Nimm den Schürhaken mit, Holly.“

Sie öffnete die Tür. Auf der Schwelle stand Maggies größte Sorge. Ihr neuer Arbeitgeber. Der Earl of Craigenstone persönlich.

„Es tut mir leid, dass ich Sie so spät am Abend noch störe“, setzte er an und starrte in Hollys fassungsloses Gesicht. „Aber ich habe noch eine weitere Stelle zu besetzen und mich gefragt, ob Sie diese übernehmen wollen.“

„Wie bitte?“, fragte Holly völlig verwirrt.

„Ich bin in Schwierigkeiten“, erklärte der Earl. „Ich habe ein Versprechen gegeben, das ich einhalten möchte, aber um das zu tun, Holly, brauche ich eine Verlobte. Nur für Weihnachten. Geben Sie mir Ihre vorläufige Zustimmung, mich zu heiraten?“

3. KAPITEL

„Ich habe es doch gleich gewusst“, ertönte Maggies Stimme. Aus dem Nichts war sie hinter Holly aufgetaucht. „Habe ich es dir nicht gesagt? Er tischt dir eine schöne Geschichte auf. Schlag ihm die Tür vor der Nase zu, Holly. Mit seiner verruchten Art kommt er bei dir nicht durch.“

Holly drehte sich zu Maggie um.

„Verruchte Art?“

„Er ist ein Earl“, betonte Maggie finster.

Mit erstauntem Blick wandte sich Holly wieder Angus zu. Er wirkte verlegen. „Er friert“, erklärte sie ihrer Großmutter.

„Mach die Tür zu, Holly“, verlangte Maggie.

„Das kann ich nicht. Selbst wenn er verrückt ist. Er friert.“

„Holly …“

„Ich habe bei ihm einen heißen Kakao bekommen“, wandte Holly ein. „Und genug Geld, um uns Kohle zu kaufen. Er mag den Verstand verloren haben, aber ich schicke ihn nicht weg. Außer er ist mit dem Auto gekommen.“

„Ich bin gelaufen“, sagte Angus. „Es schneit zu stark. Außerdem brauchte ich frische Luft, um nachzudenken.“

„Dann haben wir keine andere Wahl, als Sie hereinzubitten, damit Sie sich aufwärmen können. Natürlich nur, solange Sie uns nicht mit weiteren albernen Vorschlägen kommen. Großmutter und ich haben schon anderthalb Flaschen Wein getrunken. Sie vielleicht auch?“

„Ich bin nüchtern“, widersprach er eigensinnig. Holly war nicht überzeugt. Skeptisch musterte sie ihn. Er sah in seinem maßgeschneiderten, grauen Wintermantel, dem farblich passenden Schal und den teuren Stiefeln umwerfend aus. In seinen Augen blitzte es gefährlich und in der Dunkelheit wirkte seine Erscheinung unheimlich. Vielleicht hatte Maggie ja doch recht und sie sollte ihn nicht hereinbitten.

Aber er war nett zu ihr gewesen. Dieser Mann hatte ihr Weihnachten gerettet. Vielleicht war ein bisschen Exzentrik erlaubt.

Sie führte ihn ins Wohnzimmer.

„Legen Sie los“, forderte sie ihn auf. „Wovon sprechen Sie? Ich dachte, wir hätten unseren Vertrag klargemacht. Von Heirat war in unserem Gespräch heute Morgen nicht die Rede.“

„Das ist ein zusätzlicher Vertrag“, erklärte er und fügte hoffnungsvoll hinzu. „Ich zahle extra.“

„Extras sind nicht vorgesehen“, erwiderte sie vorsichtig.

„Darum geht es nicht.“ Verzweifelt fuhr er sich mit beiden Händen durchs Haar.

Zu ihrem Erstaunen besänftigte sie diese Geste. „Okay. Wo liegt das Problem?“

Ohne Umschweife erzählte er ihnen die Geschichte der drei Kinder, die sich so sehnlichst wünschten, das Schloss ein letztes Mal zu sehen, deren Mutter sie ihm jedoch nicht anvertrauen wollte.

„Ist das der Grund, warum Sie uns angestellt haben?“, fragte Holly verblüfft. „Damit wir uns um sie kümmern?“

„Ich … nein, denn ihre Mutter sollte anfangs auch mitkommen. Aber jetzt ist Delia krank geworden und kann nicht mitfahren. Und sie will mir ihre Kinder nicht anvertrauen. Sie wissen, welchen Ruf mein Vater hatte“, räumte er ein. „Ich kann ihr das nicht übel nehmen.“

„Sie wollen also, dass ich mit Delia rede und ihr sage, dass ich für die Kinder verantwortlich sein werde?“, frage Holly, die versuchte, die Sache zu verstehen.

„Genau.“

„Das kann ich gerne tun, aber dafür brauchen wir keine vorgetäuschte Verlobung.“

„Doch, weil ich gelogen habe. Ich hätte nicht so schnell aufgeben dürfen, Delia mehr über Sie und Ihre Großmutter erzählen sollen, ohne zu lügen. Aber sie klang so ängstlich.“

„Ganz wie der Vater“, warf Maggie ein. „Und wie Ihr Groß- und Urgroßvater. Sie haben alle gelogen.“

„Ich weiß, aber gegen diesen Ruf kämpfe ich an. Ich habe aus guten Gründen gelogen. Holly muss Delia bis auf die Verlobung nichts vorspielen. Sie ist eine Sterneköchin aus Australien, mit einer Großmutter aus dem Dorf. Delia kennt Sie, Mrs McIntosh, und wenn sie erst einmal Holly kennengelernt hat, wird sie beruhigter sein. Holly ist einfach sie selbst, hat einen Blick auf mich und weiß, was im Schloss vor sich geht. Glauben Sie nicht, dass das klappen könnte?“

„Diese Kinder hatten mit Sicherheit eine schwere Zeit“, sagte Maggie, die ihre Abwehrhaltung aufgegeben hatte. „Der alte Earl hat Delia geschwängert und ihr dann einen Heiratsantrag gemacht. Das hat er sicher nur getan, um keinen Unterhalt zahlen zu müssen. Ihn geheiratet zu haben, hat sie in den letzten sechzehn Jahren bestimmt bereut.“ Sie schaute Holly an. „Wenn es seiner Lordschaft ernst ist, und wenn du das Spiel durchhältst, mit ihm verlobt zu sein …“

„Ich möchte mich nicht verloben“, brauste Holly auf. „Ich möchte mit niemandem mehr verlobt sein.“

„Nur an Weihnachten“, wand Maggie sanft ein.

„Du willst, dass ich lüge?“

„Du warst in den letzten beiden Jahren verlobt.“ Maggie zeigte auf Hollys Hand, wo der weiße Abdruck noch am Ringfinger zu sehen war. „Soweit ich weiß, hast du den grässlichen Geoff nicht mehr gesehen, seitdem er sich davongemacht hat, also wirst du ihm den Ring nicht an den Kopf geworfen haben. Du könntest offiziell immer noch verlobt sein. Spielt es eine Rolle mit wem? Mit etwas Glück musst du noch nicht einmal lügen.“

„Du bittest mich, Geoffs Verlobungsring wieder anzustecken?“ Holly war sprachlos.

„Nein“, mischte sich Angus ein und holte eine rote Schachtel aus seiner Manteltasche. „Das ist der Diamantring der Craigenstones. Mein Vater hat ihn meiner Mutter zur Verlobung gegeben und ihr wieder weggenommen, sobald sie verheiratet waren. Als meine Mutter ihn verlassen hat, hat sie den Ring neben all den anderen Dingen, die ihr rechtlich zustanden, mitgenommen. Sie können sich nicht vorstellen, wie viele Briefe er meiner Mutter geschrieben hat, in denen er die Herausgabe des Rings gefordert hat. Es war ihr eine große Genugtuung, ihm zu schreiben, dass sie ihn verlegt haben muss. Sie hasst ihn, daher ist es egal, wenn ich ihn weggebe. Delia wird ihn wiedererkennen, denn der Ring ist auf jedem Porträt der Craigenstone-Frauen zu sehen.“

„Sie bitten Holly, den Craigenstone-Ring zu tragen?“ Maggie rang nach Luft, als Holly auf den extravaganten Ring starrte.

„Den trage ich nicht die ganzen Weihnachtstage“, wehrte Holly ab.

„Nur wenn Sie Delia treffen.“

„Und danach schließen sie ihn wieder weg.“

„Abgemacht.“

„Ich trage den Ring auf keinen Fall auf der Zugfahrt.“

„Es stört mich nicht, wenn er verloren geht.“ Er zögerte. „Holly, der Ring hat jeder Frau, die ihn getragen hat, nur Unglück gebracht. Aber ich schlage Ihnen Folgendes vor: Wenn wir die Sache durchziehen, gehört der Ring Ihnen. Meiner Mutter und mir bedeutet er nichts – weder ideell noch finanziell. Wenn die Kinder dafür ein schönes Weihnachtsfest bekommen, gebe ich ihn gerne her.“

„Ich will ihn nicht“, sagte Holly schroff. „Sobald ich mich damit auf der Straße zeige, werde ich ausgeraubt.“

„So wie du aussiehst“, meinte Maggie besänftigend, „wird ihn jeder für einen unechten Edelstein halten.“

„Soll ich mich jetzt besser fühlen?“

„Das ist der andere Punkt“, bemerkte Angus. „Sie braucht etwas Neues zum Anziehen.“

„Ich habe Kleidung und ich werde diesen Ring nicht behalten!“

„Das besprechen wir später. Wenn Sie ihn wirklich nicht wollen, dann überlegen wir uns etwas anderes, aber im Augenblick gehört er Ihnen. Wenn Sie ihn verlieren, brauchen Sie jedenfalls kein schlechtes Gewissen zu haben.“

„Sie meinen, falls ich ausgeraubt werde?“

„Das ist mein Risiko“, bemerkte er grinsend. „Sie können den Ring ganz entspannt tragen. Und Maggie, wo ist der teuerste Bekleidungsladen der Stadt?“

„Es gibt keinen“, sagte Maggie kurz angebunden. „Und bei diesem Wetter schicken Sie meine Enkelin nicht mit dem Zug nach London. Und schon gar nicht mit diesem Ring am Finger! Wenn Sie wollen, dass Holly fährt, dann bringen Sie sie persönlich zu Delia. Ihr modernes Allradauto sieht so aus, als ob sie überall damit hinkämen. Außerdem ist die Hauptstraße nach London immer frei. Sie können unterwegs in Edinburgh anhalten, wo es ein großes Kleidergeschäft gibt. Ich habe gelesen, dass selbst die königliche Familie dort einkauft. Kaufen Sie Holly ein paar teure Kleider. Fahren Sie nach London, protzen Sie mit dem Ring, überreden Sie Delia, Ihnen die Kinder mitzugeben und kommen Sie schnell zurück. Machen Sie es richtig.“

„Gran!“, rief Holly.

„Richtig oder gar nicht.“ Mit vor der Brust verschränkten Armen schaute sie erst Holly und dann Angus entschlossen an.

„Ihr seid beide verrückt“, resignierte Holly.

„Ja, aber ich bin reich und verrückt“, entschuldigte sich Angus und lächelte Maggie an. „Und ich zahle für das, was ich brauche. Und ich brauche Sie. Vielleicht hat Maggie recht. Es wäre besser, wenn ich Sie nach London fahre.“

„Ich habe eine Anstellung als Köchin.“

„Mit diesem Ring habe ich Sie als meine Verlobte auf Abruf engagiert, die nebenbei etwas kocht. Die alles mit mir teilt. Bis auf mein Bett“, schob er hastig nach, als er ihr Gesicht sah.

„Ihr seid ein nettes altmodisches Paar“, stimmte Maggie zu. Dann musste sie grinsen. „Was für eine Idee.“

„Das ist doch komplett verrückt. Es ist unmöglich. Die Kinder kriegen das raus.“

„Wird es die Kinder überhaupt kümmern? Denk doch nur an das Geld, das uns angeboten wird, Liebes. Selbst ohne den Ring. Was wir damit tun können …“

Mit diesem Job hätten sie die Mietkaution, die Gran sich nie würde zusammensparen können, auf einen Schlag beisammen. Gleichgültig, wie absurd das Angebot war, es abzulehnen, wäre komplett verrückt. Auch wenn sie dafür einen Klunker am Finger tragen musste, ihr der Earl Kleider kaufte und sie nach London fuhr.

„Okay“, stimmte sie leicht verzweifelt zu. „Aber … es gibt Bedingungen.“

„Welche?“, fragte Angus argwöhnisch.

„Ich rufe Delia morgen an und rede mit ihr. Wenn sie damit einverstanden ist, fahren wir Donnerstag nach London. Wir beide. Aber morgen fangen Gran und ich um sieben Uhr an. Und Sie müssen Geld lockermachen. Wenn aus dem Dorf noch Leute mithelfen wollen, brauche ich Ihre Erlaubnis, sie einzustellen. Das Schloss wird von oben bis unten blitzblank geschrubbt, jeder Raum ist beheizt und überall hängt Weihnachtsschmuck. Ich brauche einen erstklassigen Herd – gekauft oder geliehen, das ist mir egal. Außerdem gute Küchengeräte und genug Essen, damit alle satt werden. Das wird Sie ein Vermögen kosten, Lord Craigenstone, fast so viel, wie dieser Ring wert ist, aber Sie haben das letzte Wort.“

Diese Forderungen waren schon frech, dachte sie sich. Er hatte ihr eine finanzielle Rettungsleine zugeworfen, die sie gerade aufs Spiel setzte.

„Ich möchte ein unvergessliches Weihnachtsfest“, fügte sie hinzu und hielt seinem Blick stand. „Wenn es Ihnen damit ernst ist, und danach sieht es aus, so wie Sie mit Geld um sich werfen, sind den Ausgaben keine Grenzen gesetzt.“

Ruhig und nachdenklich betrachtete er sie. „Ich zahle für Leistung.“

„Sollten Sie auch nur annähernd wie Ihr Vater sein, halten Sie fest, wofür Sie bezahlen“, warf Maggie ein. „Nur damit das klar ist: Meine Holly kriegen Sie nicht.“

„Holly hat einen Vertrag von heute bis Neujahr“, antwortete er und ließ Holly nicht aus den Augen. „Ich habe nicht die Absicht, auch nur einen Tag länger als nötig mit ihr verlobt zu sein. Diese Verlobung war ein Versehen meinerseits. Einer spontanen Eingebung folgend habe ich gelogen, Ich zahle dafür, aber ich bin nicht wie mein Vater. Ich halte niemanden fest.“

„Und ich habe nicht die Absicht, festgehalten zu werden“, stimmte Holly zu. „Du brauchst dir also keine Sorgen zu machen, Gran. Fang schon mal an, Aufgabenlisten zu schreiben. Sind Sie mit unseren Bedingungen einverstanden, Mylord?“

„Angus, bitte.“

„Mylord. Dieses Weihnachtsfest wird alle bisherigen in den Schatten stellen. Sie müssen Ihren Kilt tragen.“

„Soll das auch in den Vertrag?“

„Ja“, bestätigte sie. „Aber Sie kommen glimpflich davon. Ich könnte Sie auch bitten, sich als Weihnachtsmann zu verkleiden.“

„Was ich nicht einmal für Sie tun würde.“

„Um mich geht es nicht. Es geht um die drei Kinder und Gran.“

„Tragen Sie also meinen Ring?“ Er hielt ihr die Schachtel entgegen. In seiner Extravaganz wirkte er in diesem winzigen Cottage fehl am Platze.

Holly starrte den Ring minutenlang an. Sie hatte sich geschworen …

Aber hier ging es nicht um eine Verlobung, sondern um drei Kinder und Sicherheit für ihre Großmutter. Das schaffte sie.

Plötzlich ging ihr die Fahrt mit ihm nach London durch den Kopf. Sie würde zwei Tage und eine Nacht mit ihm in London verbringen.

„Ich könnte vielleicht doch mit dem Zug fahren“, schlug sie zögernd vor und starrte auf den Ring.

„Unter keinen Umständen“, brauste Maggie auf. „Wenn du glaubst, dass ich mit seiner Lordschaft allein in diesem Schloss bleibe, während du in einer Schneewehe irgendwo auf dem Weg nach London festhängst, hast du dich getäuscht. Er bringt dich mit dem Auto oder du fährst nicht.“

„Geht es hier um dich oder mich?“, fragte Holly. Zu ihrem Erstaunen fing Maggie an zu kichern. Es war das erste Mal seit ihrer Ankunft, dass sie ihre Großmutter lachen sah.

Dieses Lachen gab den Ausschlag. Holly nahm den Ring und streifte ihn über den Ringfinger.

„Okay“, stimmte sie schließlich zu. „Ich mache es.“

Damit war Holly Margaret McIntosh offiziell mit Lord Angus McTavish Stuart verlobt. In guten wie in schlechten Zeiten.

Oder zumindest in der Zeit bis Weihnachten …

4. KAPITEL

Stanley holte Holly und Maggie am nächsten Morgen ab. Wortlos warf er ihre Sachen auf die Rückbank des Kombis.

„Als Gutsverwalter steht er praktisch eine Stufe über uns“, flüsterte Maggie ihrer Enkelin auf der Fahrt zum Schloss zu. „Als Köchin und Haushälterin sind wir es nicht wert, beachtet zu werden.“

„Wir sind keine Dienstboten mehr“, entgegnete sie leise und zeigte auf den Ring an ihrem Finger. Dann wandte sie sich an den Verwalter: „Wie viele Gäste erwarten wir zum Weihnachtsessen, Stanley?“

„Da müssen Sie schon Ihre Lordschaft fragen“, fertigte Stanley sie unfreundlich ab.

„Ich frage aber Sie“, beharrte Holly und spielte entschlossen mit ihrem Ring.

„Es steht mir nicht zu, Ihnen das zu sagen“, entgegnete Stanley barsch.

„Als Verlobte seiner Lordschaft gehe ich davon aus, dass Sie mir Rede und Antwort stehen.“

Im Wagen herrschte Totenstille. Offensichtlich hatte Angus seinen Verwalter nicht eingeweiht, daher war es an Holly, die Dinge klarzustellen.

„Was ist denn das für ein Unsinn?“, knurrte Stanley. Zum Beweis hielt Holly den Ringfinger hoch, damit er ihn im Rückspiegel sehen konnte.

„Liebe auf den ersten Blick“, säuselte sie. „Fragen Sie Ihre Lordschaft. Wie viele kommen denn nun zum Weihnachtsessen?“

Schockiert starrte Stanley auf den Ring, und Holly befürchtete schon, dass er vor Schreck von der Straße abkam.

„Nur seine Lordschaft und die Kinder.“

„Keine Freunde? Keine Familie?“

„Nein.“

„Danke, Stanley.“

Das war nur die erste Hürde. Die nächsten drei Wochen garantierten die Zukunft ihrer Großmutter. Wenn die fingierte Verlobung gleich zu Beginn aufflog, würde die ganze Sache scheitern.

Kurze Zeit später bogen sie in die Auffahrt zum Schloss ein. Sie erblickte Angus, der wartend vor dem Eingang stand.

Obwohl er heute keinen Kilt, sondern Freizeitkleidung trug, sah er von Kopf bis Fuß wie ein Lord aus.

Holly musste sich beherrschen, nicht aus dem Auto zu springen und die Flucht zu ergreifen.

Der Wagen hielt an. Angus eilte auf das Auto zu und öffnete die Tür.

„Willkommen, Mrs McIntosh“, begrüßte er zuerst ihre Großmutter und in seinen dunklen Augen blitzte es schelmisch auf. „Ich hoffe, dass Sie sich an Ihrem neuen Arbeitsplatz wohlfühlen.“

„Wie nett“, entgegnete Maggie angetan. „Nennen Sie mich Maggie.“

„Maggie“, wiederholte er und strahlte sie an. „Und Miss …“, setzte er an, korrigierte sich aber noch rasch. „… Holly.“

„Hallo, Liebster“, sagte Holly, schlang die Arme um seinen Hals und küsste ihn. Letzte Nacht hatte sie sich überlegt, gleich richtig als seine Verlobte aufzutreten. Es erschien ihr vernünftig.

Als er jetzt jedoch unter ihrem Kuss erstarrte, fürchtete sie, die Grenzen des Schicklichen überschritten zu haben. Würde er ihr kündigen? Oder sie unverzüglich in sein Schlafzimmer zerren?

Sein Mund fühlte sich fest und warm an. Instinktiv legte er ihr die Arme um die Taille und zog sie an sich. Für eine Sekunde verlor sie sich in dem Glauben, dass dies real war.

Dann ließ er sie los. Bildete sie sich das nur ein oder hatte er einen Augenblick gezögert?

„Hallo … Liebes.“

„Vielleicht solltest du Stanley die Situation erklären. Er ist etwas schockiert. Zeigst du uns unsere Zimmer?“, bat sie ihn.

„In den Räumen ist es immer noch kalt“, warnte er sie. „Bevor ich nicht mit ein paar Geschäftsleuten gesprochen habe, werden wir keine Heizung haben.“

„Uns wird nicht kalt, nicht wahr, Gran? Dafür haben wir viel zu viel Arbeit. Stanley soll sich um unser Gepäck kümmern. Wenn du uns jetzt das Schloss zeigst, können wir uns ein Bild davon machen, was alles zu tun ist.“

Das Haus war eine große, steinerne Gruft, die nie mit Leben erfüllt worden war, ging es Holly durch den Kopf, als Angus sie durch die riesigen Hallen, Gänge und Räume führte. Verzweifelt schaute sie in einen weiteren staubbedeckten Raum. Selbst Maggie ließ die Schultern hängen.

„Wo sind die Räume der Kinder?“

„Ich hoffe, ich finde sie wieder“, bemerkte Angus zweifelnd.

„Sie hoffen …“

„Stanley hat mir zwar alles schon einmal gezeigt, aber ich finde mich immer noch nicht zurecht“, gab er zu.

Doch er entdeckte die Zimmer, in denen Delia und die Kinder gelebt hatten. Entsetzt starrten Maggie und Holly hinein. Drei kahle Räume nicht weit von der Küche. Im Kinderzimmer waren drei harte Einzelbetten nebeneinander aufgereiht. In dem kleineren Schlafzimmer daneben stand ein weiteres Bett. Wie es schien hatte Delia das eheliche Bett verlassen. Bei dem dritten Raum handelte es sich um ein winziges Wohnzimmer, in dem sich nichts als vier Stühle und ein abgenutzter Läufer befanden.

„Ihr braucht nichts zu sagen“, bemerkte Angus niedergeschlagen. „Mein Vater war ein Tyrann.“

„Nur an Geld interessiert“, sagte Maggie wütend. „Wie kommt es, dass Sie bereit sind, uns so viel zu zahlen?“

„Ich wünsche mir ein richtiges Weihnachtsfest für die Kinder“, brauste Angus auf. „Wie ich … wie wir es noch nie hatten.“

„Sie hatten in Amerika noch nie ein richtiges Weihnachtsfest?“, fragte Maggie, und Holly sah, wie sich seine Miene verdüsterte.

„Wir müssen diesen Ort bewohnbar machen“, sagte er entschlossen, ohne die Frage zu beantworten.

Gedankenvoll schaute Holly auf ihren Ring, mit dem Angus ihr den Titel der zukünftigen Schlossherrin verliehen hatte. Gerüchten zufolge war der Earl of Craigenstone unermesslich reich. War eine Schlossherrin nicht dafür da, das Geld ihres Mannes auszugeben?

„Hier schlafen sie nicht“, entschied sie. Erstaunt blickten Angus und Maggie sie an.

„Sie kommen aus nostalgischen Gründen“, erwiderte Angus. „Vielleicht wollen sie ja in ihr altes Schlafzimmer zurück.“

„Dann beziehen wir ihre Betten frisch und lassen das Zimmer unverändert“, entgegnete Holly. „Wenn sie also darin schlafen wollen, haben sie die Wahl. Aber warum geben wir ihnen nicht etwas zum Träumen? Das Schloss muss doch einige repräsentable Räume haben. Warum setzen wir nicht Himmel und Hölle in Bewegung und bieten diesen Kindern eine Verabschiedung, die sie nie vergessen werden?“

„Bis Freitag kriegen wir das wohl kaum hin“, bemerkte Angus, aber Holly schüttelte missbilligend den Kopf.

„Ich dachte, du bist ein Earl. Können Earls nicht bestellen?“

„Ja, aber …“

„Gran, du kennst dich doch hier aus?“

„Aber im Dorf …“

„Natürlich gibt es im Dorf nicht das, was wir brauchen. Nicht die Dinge, die wir wollen.“

Sie begann, sich für diese Idee zu begeistern. Seit dem Tod ihrer Eltern hatte auch Holly kein schönes Weihnachtsfest mehr gehabt. Ihre australische Großmutter war sehr sparsam gewesen. Und als Köchin hatte sie über Weihnachten immer Dienst gehabt.

Holly schaute auf die kargen Betten, dachte an die Kinder in dieser schrecklichen Farce von einem Zuhause und kam zu dem Schluss: Warum nicht ein Weihnachtfest feiern, das sie für all die versäumten entschädigt?

„Wenn Geld wirklich keine Rolle spielt“, wandte sie sich an Angus, „dann rede ich von Überfluss. Dicke Teppiche, Federmatratzen, haufenweise Kissen. Ich will Glühbirnen in all den staubigen Kristallleuchtern. Ich will Wärme und Licht. Können wir von irgendwo Gemälde leihen?“ Sie betrachtete die leeren Wände und dann die riesigen Gänge hinter sich. „Wir brauchen eine Ahnengalerie.“

„Vorfahren?“, fragte Angus zögerlich.

„Wir nehmen alles“, sagte sie unbekümmert. „Rüstungen und Hirschgeweihe, auch aus Plastik, wenn nötig. Ich weiß, wie ein richtiges Schloss aussehen sollte. Nicht so wie das hier. Maggie, wir brauchen Hilfe beim Saubermachen. Wir brauchen Elektriker und Klempner. Kennst du welche aus dem Dorf, die vielleicht …?“

„Ich kenne einige, die begeistert wären“, unterbrach Maggie sie und schaute sich ehrfurchtsvoll um. „Wenn seine Lordschaft gerne zahlt …“

„Einen Augenblick“, wandte Angus zögerlich ein. Holly stützte die Hände in die Hüften und starrte ihn an.

„Wir sind doch verlobt, oder … mein Lieber?“, verlangte sie zu wissen.

„Für drei Wochen.“

„Dann bin ich für drei Wochen die Schlossherrin. Und mein Ruf steht auf dem Spiel. Du kannst dem Himmel danken, dass wir nicht auf Lebenszeit aneinander gefesselt sind. Stell dir nur vor, was ich dich sonst kosten würde.“

„Plastikgeweihe“, wiederholte er leise.

Maggie hüstelte. „Ich kann richtige auftreiben“, beruhigte sie ihn. „Der Geschichtsverein von Craigenstone hat bestimmt welche eingelagert. Auch wenn sie vermutlich nicht mehr im allerbesten Zustand sind.“

„Wir kaufen künstliche Felle und bessern sie aus“, schlug Holly vor. „Wunderbar.“ Sie holte Notizblock und Stift aus ihrer Tasche und schrieb als Erstes ‚Geweihe‘ auf. „Lasst uns Listen machen“, sagte sie glücklich.

Er hatte einen Wirbelwind in Gang gesetzt.

Zu jedem Zimmer, das sie betraten, machte Holly sich Notizen. Bei zwei Drittel der Räume, die seit Generationen unter einer Staubschicht lagen, notierte sie sich ‚unbrauchbar‘. Aber in den Räumen, die ihr bewohnbar erschienen, war ihr Schreibfluss kaum zu bremsen. Gebannt schaute Angus ihr zu, während Maggie sich sein Handy auslieh und zum Telefonieren kurz auf den Flur hinausging.

„Der Enkel meines Cousins ist Elektriker“, erzählte sie ihm, als sie zurückkam. „Heute Mittag ist er hier. Seine beiden Schwestern packen ebenfalls mit an. Es sind großartige Mädchen. Hier wird im Handumdrehen alles blitzsauber sein. Was den Klempner angeht, kommt der Neffe von Mrs McConkey. Wussten Sie, dass die Abflüsse in drei Badezimmern verstopft sind? Hatten Sie an ein Badezimmer für alle Gäste gedacht?“

Verdrießlich hatte ihm Stanley erklärt, dass bis Weihnachten keine Handwerker zu kriegen waren. Maggie und Holly bewirkten Wunder.

„Alle schulden Maggie einen Gefallen und ihrem Stundensatz widersteht niemand“, sagte Holly vergnügt. „Doch wir müssen uns ranhalten, damit wir das alles geschafft kriegen.“

Angus hätte ihnen noch Stunden dabei zusehen können, aber er musste jetzt mit Stanley reden und ihn über die Verlobung informieren.

Maggie und Holly waren im letzten und wichtigsten Raum angekommen: der Küche.

Entsetzt stand Holly in der Tür und sah sich um. Hier musste sie ein Wunder vollbringen.

Die Küche war darauf ausgerichtet, eine Armee zu beköstigen. Die offene Feuerstelle war riesig, mit den Jahren völlig verrußt und verschmutzt. In den Stein gemauert befanden sich auf jeder Seite große schwarze Haken, an denen vermutlich ein Drehspieß gehangen hatte oder Stangen mit Kochkesseln.

In der Mitte stand ein riesiger Holztisch, der mit Mäusedreck bedeckt war. Der Steinfußboden war schmutzig und rissig. Mit den Jahren hatte sich sogar Schimmel gebildet.

Es gab eine saubere Ecke, in der ein alter elektrischer Herd und eine ramponierte billige Mikrowelle standen.

Unter dem Tisch kauerte verängstigt ein kleiner schwarzer Hund.

„Hallo“, sagte Holly. Sie bückte sich, um ihn genauer zu betrachten. Er wich noch weiter zurück. Das war doch der kleine Hund, den sie zuletzt in Angus’ Arbeitszimmer gesehen hatte. Warum wirkte er nur so ängstlich?

Sie lief hinüber zum Kühlschrank. Offensichtlich versorgte sich seine Lordschaft selbst. Eier, Schinken und Bier waren die einzigen Lebensmittel.

Sie nahm ein Stückchen Schinken und hielt es dem kleinen Hund hin. Vorsichtig wagte er sich vor, nahm ihr den Schinken behutsam aus der Hand und kroch wieder zurück. Nachdem sie das Spiel mehrfach wiederholt hatte, saß er schließlich auf ihrem Schoß.

„Dieser kleine Kerl war gestern im Arbeitszimmer seiner Lordschaft“, erzählte sie Maggie stirnrunzelnd. „Da war er noch unverletzt. Und jetzt …“ Sie untersuchte seine Pfote, die leicht geblutet hatte.

„Er sieht aus wie der Hund von McAllister“, meinte Maggie.

„Von wem?“

„McAllister. Er war hier fünfzig Jahre Wildhüter und hatte immer einen kleinen Terrier. Das Letzte, was ich von ihm gehört habe, ist, dass er krank geworden ist und in ein Pflegeheim musste. Wir haben angenommen, dass er den Hund mitgenommen hat.“ Maggie kraulte ihm den Nacken. „Er war McAllisters Ein und Alles. Er muss bei Stanley geblieben sein.“ Zweifelnd blickte sie auf das ängstliche Tier. „Er scheint sich nicht gut um ihn gekümmert zu haben.“

Vorsichtig nahm Holly den kleinen Hund hoch. „Gestern sah er noch ganz gepflegt aus. Anscheinend hat unser Chef Launen.“ Sie hielt inne und starrte auf die große Kaminstelle. „Ich brauche einen guten Herd und noch ein paar weitere Dinge. Wenn wir für diesen Mann arbeiten, setze ich jetzt einen schriftlichen Vertrag auf, wozu auch ein Weihnachtsfest für diesen kleinen Kerl gehört.“

Derweil hatte Angus ein ernstes Gespräch mit Stanley. „Sie werden Holly und Maggie in all ihren Wünschen unterstützen“, wies er ihn an. „Haben Sie mich verstanden, Stanley? Das ist unabdingbar.“

„So ist es“, hörte er plötzlich Holly hinter sich sagen. Wutentbrannt stand sie in der Tür. „Wenn du dem Hund einen Tritt verpasst hast, dann gehen wir auf der Stelle“, eröffnete sie Angus. „Ich gebe dir zwei Minuten für eine Erklärung. Sag mir, wie seit gestern aus einem anhänglichen Haustier ein zitterndes Wrack geworden ist, das sich in der Küche versteckt.“

„Er muss durch die Hintertür reingekommen sein“, murmelte Stanley, der ihn voller Abneigung anstarrte. „Er kommt immer wieder.“

„Sie sperren ihn aus?“ Es verschlug Holly die Sprache. „Den Hund Ihres Wildhüters?“

„Er ist ein Streuner“, sagte Angus und ging mit schnellen Schritten auf sie zu, um sich den Hund näher anzusehen. „Stanleys Worten zufolge kommt und geht er. Ich habe ihn vor ein paar Tagen draußen gefunden.“

„Das stimmt nicht“, fuhr Holly ihn an. „Maggie ist sich sicher, dass er der Hund von McAllister ist. McAllister hat fünfzig Jahre lang für das Schloss gearbeitet und du kannst noch nicht einmal für seinen Hund sorgen?“

„Ich kenne keinen McAllister.“ Angus nahm ihr den Hund aus dem Arm. Der kleine Kerl ließ sich das bereitwillig gefallen. „Wo hast du denn gesteckt? Ich habe dich gestern Abend gesucht.“

„Er ist getreten worden“, wiederholte Holly zornig.

„Ich werde mich besser um ihn kümmern.“

„Wie ist das passiert?“

„Holly, das ist ein streunender Hund“, sagte er freundlich. „Ich habe ihn gefüttert, aber das ist kein Grund, mich anzuschauen, als wäre ich ein Welpenkiller.“

„Aber einer von euch ist es. Er ist der Hund deines Angestellten.“

„Das werde ich herausfinden.“

„Das rate ich dir auch“, fauchte sie. „Der Hund ist Bestandteil des Vertrags. Drei Wochen Unterkunft und Essen auch für ihn. Aber nach diesem Vorfall hätte ich gerne jedes Wort, das wir besprochen haben, schriftlich, unterschrieben, bezeugt, alles.“

„Auch unsere Verlobung?“

Sie warf Stanley einen Blick zu, der zu ihrer großen Überraschung verdrießlich dreinschaute. „Er weiß Bescheid?“

„Ja, das unsere Verlobung befristet ist.“

„Sie mag befristet sein, aber echt“, brauste sie auf. „Ich trage den Ring der Schlossherrin und solange ich das Sagen habe, wird kein Hund mehr getreten. Ich passe jetzt auf ihn auf.“

„In der Küche?“, fragte Stanley eine Spur zu eifrig, und sie nickte.

„Richtig. Hüten Sie sich davor, das Gesundheitsamt anzurufen.“ Sie straffte die Schultern und blickte Angus voll ins Gesicht.

„Wirf mich jetzt raus oder stell mich zu meinen Bedingungen ein“, sagte sie und nahm ihm den Hund wieder ab. „Triff eine Entscheidung.“

Worauf ließ er sich da nur ein? Er war doch der Arbeitgeber hier. Warum fühlte es sich nur genau umgekehrt an?

Warum sah sie nur so bezaubernd aus?

„Ich mache den Vertrag fertig“, sagte er leise. Sie nickte ihm kurz zu.

„Gut. Um sieben Uhr gibt es Essen.“

Verächtlich schaute sie Stanley an, aber Angus bemerkte, dass die Verachtung ihnen beiden galt.

Sie ging und ließ sie allein zurück.

„Sie überschreitet ihre Kompetenzen“, murrte Stanley. Angus drehte sich zu ihm um und musterte ihn von Kopf bis Fuß.

„Es hat den Anschein“, entgegnete er, „aber über Ihre Kompetenzen bin ich mir auch nicht im Klaren. Stanley, erzählen Sie mir alles, was Sie über den Hund wissen.“

5. KAPITEL

Am Donnerstag brachen sie spät morgens nach London auf. Der Herd war geliefert worden, und Holly fuhr nicht eher los, bis sie sichergehen konnte, dass er angeschlossen war und funktionierte.

Er war eines von vielen Dingen, die installiert worden waren. In den letzten beiden Tagen schien Angus nichts anderes getan zu haben, als Schecks zu unterzeichnen.

Es war eine Untertreibung zu behaupten, dass die Arbeiten im Schloss im Gang waren. Vor zwei Tagen mutete es noch wie ein leeres und kaltes Mausoleum an, jetzt pulsierte dort das Leben. Sie überließen Maggie die Leitung, die in ihrem Element war.

„Sie kommen morgen Abend mit den Kindern zurück und bis dahin ist das Schloss noch einladender als mein Cottage“, versicherte sie dem Earl. Mit diesen Worten im Ohr fuhren er, Holly und der Hund los.

Autor

Margaret Way
Mit mehr als 110 Romanen, die weltweit über elf Millionen Mal verkauft wurden, ist Margaret Way eine der erfolgreichsten Liebesroman-Autorinnen überhaupt. Bevor sie 1970 ihren ersten Roman verfasste, verdiente sie ihren Unterhalt unter anderem als Konzertpianistin und Gesangslehrerin. Erst mit der Geburt ihres Sohnes kehrte Ruhe in ihr hektisches Leben...
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