Royale Versuchung - 2 Miniserien

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Prinzessinnentausch - Miniserie von JESSICA GILMORE

VERBOTENE SEHNSUCHT NACH DEM HERZOG

Als illegitime Tochter des Königs von Asturia lebt Clemence als Bürgerliche. Bis ihre Halbschwester dringend eine Auszeit vom Leben bei Hofe braucht. Spontan beschließen die beiden zu tauschen. Nur für ein paar Tage, doch dann verliebt Clemence sich ausgerechnet in Akil, den einen Mann, den sie niemals haben kann …

HEIMLICHE LIEBESTRÄUME IN CORNWALL

Ein letzter unbeschwerter Urlaub in Cornwall – danach zählt für Arrosa Artega nur noch ihre Pflicht als Kronprinzessin! Aber die Liebe geht ihren eigenen Weg. Er führt die junge Hoheit direkt in die Arme des Single-Dads Jack Treloar, der niemals in ihre Welt passen würde …

Royal Scandals - Miniserie von ANNIE WEST

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Kellnerin Aurélie verbringt nur eine einzige Liebesnacht mit dem fremden Gast. Schon am nächsten Morgen ist Lucien nicht mehr als eine süße Erinnerung. Bis sie schockiert feststellt, dass sie sein Kind unter dem Herzen trägt – und er der neue König von Vallort ist!

EINE PRINZESSIN FÜR DEN PLAYBOY-MILLIONÄR

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  • Erscheinungstag 03.10.2024
  • ISBN / Artikelnummer 9783751535878
  • Seitenanzahl 413
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

IMPRESSUM

JULIA erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0
Fax: +49(0) 711/72 52-399
E-Mail: kundenservice@cora.de
Geschäftsführung: Katja Berger, Jürgen Welte
Leitung: Miran Bilic (v. i. S. d. P.)
Produktion: Christina Seeger
Grafik: Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn,
Marina Grothues (Foto)

© 2022 by Jessica Gilmore
Originaltitel: „Cinderella and the Vicomte“
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
in der Reihe: ROMANCE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA , Band 032023 02/2023
Übersetzung: Pia Pfänder

Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 02/2023 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH , Pößneck

ISBN 9783751518338

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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1. KAPITEL

„Denn niemals gab es ein so herbes Los als Julias und ihres Romeos.“

Für einen Moment blieb das Publikum ganz still, dann brach tosender Applaus über sie herein wie die Wellen, die hinter ihr ans Ufer schlugen. Eine Sekunde lang blieb Clemence Beaumont regungslos liegen. Immer noch durchströmten sie die täuschend echt wirkenden Gefühle.

Als sie langsam in die Wirklichkeit zurückkehrte, hob sie den Kopf und nahm die ausgestreckte Hand ihres Schauspielpartners Ed. Er zog sie auf die Füße, und zusammen mit den anderen Schauspielern gingen sie zum Rand der halbrunden Bühne und verbeugten sich vor der jubelnden Menge.

Lächelnd richtete sie sich wieder auf. Zum ersten Mal, seit sie die Bühne betreten hatte, nahm Clem die Zuschauer wahr.

Für eine Amateuraufführung, die nur von Spenden finanziert wurde, war das Freilufttheater ungewöhnlich voll besetzt. Als neue Jubelschreie erklangen, verbeugte Clem sich wieder.

Jetzt erkannte sie in der Menge einzelne Personen: ihre beste Freundin Sally, die also doch einen Babysitter gefunden hatte. Mrs. Atkins, ihre Lieblingsgrundschullehrerin, die sie anstrahlte. Weiter hinten nickte ihr Mr. Reynolds anerkennend zu. Ihr ehemaliger Englischlehrer verehrte Shakespeare und versuchte, diese Leidenschaft an seine Schüler weiterzugeben. Dort saß ihre Nachbarin Trinny, wie immer tadellos gekleidet. Weiter rechts ihre Schwester …

Moment . Ihr Blick glitt zurück. Ihre Schwester? Arrosa war hier in Cornwall? Wie hatte sie es geschafft, zu entkommen? Nicht nur das, anscheinend war sie sogar alleine …

Obwohl Clem wusste, dass Henri nicht weit weg sein konnte, entdeckte sie den Leibwächter ihrer Schwester nirgendwo. Seit zehn Jahren war Arrosa nicht mehr ohne seinen Schutz aus dem Haus gegangen.

Obwohl Arrosas Gesicht regelmäßig die Titelblätter und Klatschseiten der Zeitschriften zierte, schienen ihre Sitznachbarn sie nicht zu erkennen. Wahrscheinlich dank des breitkrempigen Huts und der riesigen Sonnenbrille. Doch Clem hätte ihre Schwester in jeder Verkleidung erkannt, denn jeden Morgen sah ihr aus dem Spiegel ein täuschend ähnliches Gesicht entgegen. Die Schwestern hatten vieles gemeinsam: die charakteristische Nase, die hohen Wangenknochen, die kleinen Grübchen und die haselnussbraunen Augen unter den langen Wimpern.

Aber während Arrosa eine Prinzessin war und die legitime Tochter des Königs Zorien von Asturia, war Clem das Ergebnis einer Affäre. In seinem Auslandsjahr hatte ihr Vater mit ihrer Mutter eine Affäre gehabt, aus der ein Kind hervorgegangen war – Clem.

Die asturische Hälfte ihrer Familie wusste nichts von ihrer Existenz, ebenso wenig wie der Rest des Landes, das ihr Vater regierte. Ein Land, das Clem noch nie betreten hatte.

Erneut verbeugte sie sich, aber das Lächeln auf ihrem Gesicht fühlte sich eingefroren an, und ihre Gedanken waren nicht mehr bei der Aufführung. Was, um alles in der Welt, machte ihre Schwester hier?

Natürlich hatte Clem ihr eine Einladung geschickt, aber sie hätte nicht damit gerechnet, dass Arrosa wirklich kommen würde. Sie hatte noch nie eine von Clems Aufführungen besucht. Für sie war es schwer, dem Palast zu entkommen.

Nach einer Weile ebbte der Applaus ab, und die Schauspieler verließen die Bühne.

„Alle hierher“, rief Ed. Er legte seiner besseren Hälfte Tom einen Arm um die Schulter. „Clem? Bereit zu feiern?“

„Nicht, dass ich keine Lust hätte …“, begann sie.

Eds Miene wurde weich. „Du warst heute Abend sensationell, Clem, und das solltest du feiern. Ich weiß, es ist nicht dasselbe, aber deine Mutter würde es sich wünschen.“

Simone Beaumont war für viele der Aufführungen im Dorf verantwortlich gewesen. Sie hatte das Team angeleitet, das das heruntergekommene Freilufttheater wieder in eine wunderschöne Bühne verwandelt hatte, und auch eigenhändig bei der Renovierung mitgearbeitet.

Wäre ihre Mutter noch am Leben gewesen, hätte sie immer noch gegen den Investoren gekämpft, der das geliebte Dorftheater in eine Touristenattraktion verwandeln wollte. Simone Beaumont hatte sich immer für die Schwächeren und Unterdrückten eingesetzt. Früher hatte es Clem wütend gemacht, dass ihre eigenen Wünsche und Bedürfnisse immer wieder hinter dem neuesten Projekt ihrer Mutter zurückstehen mussten, doch jetzt hätte sie alles dafür gegeben, noch einmal in die Küche zu kommen und zu sehen, wie ihre Mutter eins ihrer Plakate anfertigte. „Rettet die Robben!“ , „Rettet die Vögel!“ , „Reinigt das Abwasser!“ , „Rettet unser Postamt!“.

Simone Beaumont, Retterin der Unterdrückten.

„Wir haben noch einen Platz im Auto frei“, fügte Tom hinzu.

Clem schüttelte den Kopf. „Ich glaube, ich habe meine Cousine im Publikum gesehen.“

„Bring sie mit.“

„Mal schauen. Wir sehen uns nicht oft, vielleicht möchte sie lieber einen ruhigen Abend zu Hause verbringen. Genießt die Party. Ihr wart heute Abend großartig. Danke.“ Clem drückte den beiden einen Kuss auf die Wange und ging zur Umkleide.

Auch wenn sie sich auf die Feier nach der Show gefreut hatte, würde daraus nichts werden. Arrosa wagte es schon seit langer Zeit nicht mehr, sich gemeinsam mit ihr in der Öffentlichkeit zu zeigen.

Ihre Halbschwester mochte einen Adelstitel besitzen, einen luxuriösen Lebensstil führen und über mehr Geld verfügen, als Clem sich vorstellen konnte. Doch Clem genoss eine Freiheit, von der Arrosa nur träumen konnte.

Schnell zog sie sich um und entfernte ihr Bühnen-Make-up. Eine Viertelstunde später verließ sie das Theater und ging die kurze Strecke nach Hause.

Hier in dem hübschen Küstenort in Cornwall war sie geboren und aufgewachsen. Ihre Mutter war während der Schwangerschaft hergezogen – direkt, nachdem sie herausgefunden hatte, dass ihr Geliebter kein einfacher Studienkollege an der Sorbonne war, sondern ein Prinz, dessen arrangierte Hochzeit direkt bevorstand. Drei Monate nach dem Umzug hatte Simone Beaumont allein in einer fremden Stadt ihr Kind zur Welt gebracht … und sechs Monate später war in Asturia die Geburt einer neuen Prinzessin gefeiert worden.

Clem konnte sich nicht vorstellen, wie ihre Mutter sich gefühlt haben musste. Eine Waise ohne Familie, alleinerziehende Mutter und betrogene Geliebte. Aber Simone hatte das kleine Hafenstädtchen geliebt, den langen Strand und die hübschen Fischerhäuser, die sich an die Klippe drängten. Und Clem ging es genauso. Sie hätte ihr Zuhause gegen keinen Palast der Welt eingetauscht. Das traf sich gut, denn wegen der langen schweren Krankheit ihrer Mutter war sie aus London zurückgekehrt.

In den sechs Monaten seit der Beerdigung hatte Clem oft mit dem Gedanken gespielt, wieder nach London zu ziehen und an ihrer Schauspielkarriere zu arbeiten, aber die Trauer lähmte sie noch genauso wie vor einem halben Jahr. Jetzt, wo sie niemanden mehr hatte, brachte sie es nicht über sich, auch noch die Vertrautheit ihres Zuhauses aufzugeben.

Clem bog auf den schmalen Pfad ein, der zu dem Cottage führte, dass Zorien ihnen vor all den Jahren gekauft hatte. Arrosa besaß einen eigenen Schlüssel, und als Clem das Wohnzimmer betrat, lag ihre Schwester zusammengerollt auf dem Sofa. Sie hatte den Hut abgesetzt, sodass ihr die langen dunklen Locken weich über die Schultern fielen. Ihre Miene wirkte nachdenklich und wehmütig, während sie in den leeren Kamin starrte.

Als Clem die Tür öffnete, sprang Arrosa auf und umarmte sie.

„Ich freue mich ja sehr, dich zu sehen, Rosy“, sagte Clem. „Aber was, zum Teufel, machst du hier?“

Arrosa löste sich von ihr. „Du meinst, abgesehen davon, dass ich meine Schwester als Julia sehen wollte? Clem, du warst brillant.“

Dank eines britischen Kindermädchens und fünf Jahren in einem britischen Internat sprach Arrosa ein perfektes akzentfreies Englisch. Was schade war. Clem liebte den Klang des asturischen Dialekts. Er erinnerte sie an das Land, das sie nie kennengelernt hatte.

Sie nahm ein Glas von dem köstlichen Wein entgegen, den Arrosa mitgebracht hatte. Auf dem Couchtisch hatte ihre Schwester einen Geschenkkorb voller teurer Leckereien ausgebreitet. Clem nahm ein Stück Käse und ließ sich in die Sofakissen sinken.

„Du bist noch nie zu einer meiner Aufführungen gekommen.“

„Ich wünschte, ich hätte es schon eher getan. Clem, es tut mir so leid, dass ich nicht zu Simones Beerdigung gekommen bin. Ich habe sie sehr geliebt, aber …“

„Schon gut, sie hätte es verstanden. Und du hast so schöne Blumen geschickt. Ich weiß, wie schwer es für dich ist, aus dem Palast herauszukommen.“

Dennoch hatte Clem sie an jenem langen traurigen Tag schmerzlich vermisst. Auch wenn sie ihre Schwester verstand, war sie es manchmal leid, von der Familie versteckt zu werden wie eine Leiche im Keller.

„In unserer Kindheit war es viel einfacher. Vor allem, als ich noch in England zur Schule gegangen bin und meine Wochenenden hier verbringen konnte.“

Als ihr Vater vorgeschlagen hatte, dass Arrosa inkognito Zeit mit Clem verbringen könne, hatte Simone keine Sekunde gezögert. Sie hatte Arrosa mit offenen Armen aufgenommen, damit die beiden Schwestern sich kennenlernen konnten.

„Ein Palast ist kein Ort für ein Kind“, hatte sie gesagt. „Kinder müssen sich austoben.“

Und das hatten sie getan, an schier endlos langen Strandtagen. Glückliche Tage, die zu Ende gegangen waren, als Arrosa die ersten Staatspflichten übernehmen musste. Inzwischen gab es kaum noch Gelegenheiten, sich zu sehen. Ihr einziger Kontakt waren lange wöchentliche Telefonate. Doch bei ihrem letzten Gespräch vor einigen Tagen hatte ihre Schwester diesen Besuch mit keinem Wort erwähnt.

„Sag, Rosy, warum bist du wirklich hier? Außer um mich als Julia zu sehen. Ist alles in Ordnung?“

Arrosa trank einen Schluck Wein. „Ich glaube, ich habe gerade jemanden gebeten, mich zu heiraten.“

„Glaubst du oder hast du?“ Clem versuchte, nicht so überrascht zu klingen, wie sie war. Ihre Schwester hatte mit keinem Wort erwähnt, dass sie jemanden kennengelernt hatte. „Wer ist der Glückliche?“

„Akil. Er ist der Herzog von Ortiz, ein aufstrebendes Regierungsmitglied. Sein Vater war einer von Dads schärfsten Kritikern. Unsere Familien sind seit Generationen verfeindet. Du weißt, wie altmodisch Asturier sein können. Aber Akil und ich sind fast schon Freunde. Wir haben viel gemeinsam. Familienehre und Erwartungen und solche Dinge.“

Freunde? Du bist nicht einmal mit ihm zusammen? Rosy, die Ehe ist ein großer Schritt. Warum startest du nicht erst einmal mit einem Film und einem gemeinsamen Abendessen? Außerdem“, Clem füllte ihre Weingläser auf, „was meinst du damit, dass du ihn gebeten hast, dich zu heiraten?“

Eine zarte Röte legte sich auf Arrosas Wangen. „Akil war eine treibende Kraft bei der Gesetzesänderung, die es ermöglicht, dass ich als Frau den Thron erben darf. Er hat dafür gesorgt, dass die Oppositionsparteien zustimmen. Du weißt, wie konservativ Asturia ist. Bei einer so weitreichenden Gesetzesänderung ist es wichtig, dass alle Politiker sich einig sind.“

Sobald das Gesetz in einigen Wochen offiziell beschlossen würde, wäre Arrosa die offizielle Thronfolgerin. Früher hatte Arrosa oft gesagt, dass sie hoffte, niemals auf dem Thron sitzen zu müssen. Doch wie auch immer sie heute darüber denken mochte, sie ließ es sich nicht anmerken.

„Ach, ich verstehe. Als Dank für seine Hilfe bekommt er das halbe Königreich und die Hand der Prinzessin. Was für ein Geschäft!“

Aber Arrosa erwiderte Clems Lächeln nicht und trank einen weiteren Schluck Wein. Nachdenklich sah sie in den Kamin.

„Clem … alle – meine Eltern, meine Berater, die Zeitungen – drängen mich, zu heiraten. Einen Erben zu produzieren. Ich mag Akil, und er versteht meine Welt. Wir haben ähnliche Pläne für Asturia. Als wir darüber gesprochen haben, was ich als Thronfolgerin erreichen möchte, wurde uns klar, wie sehr unsere Ziele übereinstimmen. Plötzlich dachte ich: Na ja, ich könnte es schlechter treffen .“

„Also hast du sofort um seine Hand angehalten.“ Die Situation war nicht zum Lachen, aber Humor war alles, was ihr im Moment blieb. Mitleid half niemandem, am allerwenigsten ihrer Schwester.

„Nicht ganz. Ich habe nur gesagt, dass er als Prinzgemahl vielleicht mehr erreichen würde. Dann bin ich geflüchtet. Was, wenn er Ja sagt?“

„Willst du denn, dass er Ja sagt?“

„Auch wenn ich als kleines Mädchen von etwas anderem geträumt habe, würde diese Ehe die Dinge um einiges einfacher machen.“

„Wie ist er so? Sieht er gut aus?“ Ist er nett, wird er dich respektieren, kannst du dich in ihn verlieben? Aber diese Worte sprach sie nicht aus.

„Ich glaube schon. Er sieht ganz okay aus.“ Arrosa reichte Clem ihr Handy.

Bei dem Anblick des Mannes auf dem Foto schnappte Clem hörbar nach Luft. Okay? Das war die Untertreibung des Jahrhunderts! Mit ausgeprägten Wangenknochen, einem markanten Kinn und einem sinnlichen Mund, sah der Herzog aus wie ein Filmstar. In den dunklen Augen schien ein wissendes Funkeln zu liegen. Wenn Arrosa das nicht sehen konnte, sollte sie ihn wirklich nicht heiraten.

„Ja, ganz okay“, kommentierte sie trocken.

„Er ist ein guter Mann.“

„Aber?“

Arrosa sah aus dem Fenster. „Mit dieser Entscheidung gebe ich die letzte Hoffnung auf, meinen eigenen Weg zu finden. Kann ich wirklich einen Mann heiraten, den ich nicht liebe? Ich wünsche mir einen echten Partner. Jemanden, der mich liebt und heiraten möchte. Mich , Arrosa, nicht meinen Titel. Aber ich bin nicht sicher, ob es diesen Mann gibt. Akil ist eine vernünftige Wahl. Vielleicht sollte das reichen.“

„Ich denke, du solltest noch einmal darüber nachdenken. Und zwar gründlich.“ Besorgt musterte Clem das blasse Gesicht und die tiefen Schatten unter den Augen ihrer Schwester. In diesem Zustand sollte sie keine lebensverändernden Entscheidungen treffen.

„Du brauchst eine Pause.“

„Ich weiß.“ Arrosa seufzte. „Die letzten Wochen waren hart, aber jetzt schalte ich erst mal einen Gang zurück. Für die nächsten Wochen habe ich alle Meetings und offiziellen Termine aus meinem Kalender gestrichen. Sobald ich offiziell die Thronfolgerin bin, habe ich genug zu tun. Dad möchte, dass ich perfekt vorbereitet bin.“

„Eine Pause? Machst du Urlaub?“

„So würde ich es nicht nennen.“ Arrosa lächelte schwach. „Es gibt viel zu tun, viel zu organisieren. Aber wenigstens habe ich keine offiziellen Termine oder Veranstaltungen.“

„Dann erledige deine restlichen Pflichten von hier aus.“ Clem beugte sich zu ihrer Schwester hinüber. „Bleib ein paar Wochen hier, Rosy. Du weißt, wie gut dir die Seeluft in Cornwall tun wird.“ Außerdem könnten sie noch einmal ausgiebig Zeit miteinander verbringen. Vielleicht zum letzten Mal.

„Das würde ich gerne“, sagte Arrosa wehmütig. „Aber ich fahre heute Abend zurück.“

„Heute noch? Oh, Rosy.“

Enttäuschung schnürte Clem die Luft ab. Bis sie ihre Schwester nach der Aufführung im Publikum entdeckt hatte, war ihr gar nicht klar gewesen, wie einsam sie war. Natürlich hatte sie Freunde und Bekannte, aber es gab niemanden, der wirklich zu ihr gehörte. Wenn Arrosa und sie doch nur ganz normale Schwestern gewesen wären, die mehr miteinander teilen konnten als Telefonate und vereinzelte gemeinsame Stunden!

„Ich weiß. Aber sobald ich mehr als ein paar Stunden weg bin, fällt es auf. So kurz vor dem Gesetzesbeschluss dürfen keine Gerüchte entstehen. Als ich letztes Jahr die Grippe hatte und ein paar Wochen im Bett lag, haben die Zeitschriften absurde Artikel veröffentlicht. Sie haben behauptet, ich hätte ein Facelifting machen lassen, sei einer Sekte beigetreten und mit einem Soldaten durchgebrannt.“ Arrosa lächelte müde. „Ich weiß, das ist albern und sollte mir egal sein. Aber wenn ich plötzlich verschwinde, stöbert mich irgendwann garantiert ein Journalist auf. Dann stellt er Fragen, wer du bist. Das ist das Letzte, was du brauchst, Clem. Am sichersten ist es für dich, wenn wir nicht zusammen gesehen werden.“

„Falls sie dich wirklich finden. Warum sollten sie dich ausgerechnet hier suchen?“, fragte Clem.

Doch sie wusste nur zu gut, dass Arrosa immer irgendwann erkannt wurde. Seit ihrem achtzehnten Lebensjahr waren die Kameras ständig auf sie gerichtet, und sie war zu einem festen Bestandteil der internationalen Medien geworden.

Immerhin gab es nicht viele schöne, junge und alleinstehende Prinzessinnen. Jeder ihrer Schritte stand unter Beobachtung: was sie aß, welche Kleidung sie trug, mit wem sie sich traf.

Trotzdem hatte niemand in Cornwall je bemerkt, dass das Mädchen, das so oft ihre Ferien bei den Beaumonts verbrachte, die Prinzessin von Asturia war. Noch immer erkundigten sich einige von Clems Freunden und Nachbarn, wie es ihrer Cousine ging. Die Leute sahen nur, womit sie rechneten. Und niemand rechnete damit, eine europäische Prinzessin an einem Strand in Cornwall beim Eisessen zu sehen.

Besorgt musterte Clem ihre Schwester. Wie blass und abgemagert Arrosa wirkte. Offensichtlich brauchte sie einen richtigen Urlaub. Einen Urlaub hier in Cornwalls guter Luft, weit weg von Politik und Diplomatie und Gesetzesentwürfen. Das würde ihr die Zeit und Ruhe geben, zu entscheiden, ob sie wirklich jemanden heiraten wollte, weil er ihr einen Gefallen getan hatte und ihre politischen Ziele teilte. Ob es wirklich das war, was sie wollte.

„Ich könnte an deiner Stelle nach Asturia fliegen“, sagte Clem langsam.

Arrosa lachte schallend, doch als sie Clems ernste Miene sah, verstummte sie.

„Meinst du das im Ernst? Clem, niemand würde dich je für mich halten.“

„Nicht aus der Nähe. Aber hinten im Auto, mit deiner eleganten Frisur, in deiner Kleidung und mit deiner riesigen Sonnenbrille … Warum nicht? Die Leute sehen, womit sie rechnen.“ Mit jede Sekunde gefiel ihr die Idee besser. „Wir haben etwa die gleiche Figur, die gleiche Hautfarbe. Ich bin Schauspielerin und kann deinen Gang nachahmen. Dann könntest du den Sommer hier verbringen, und ich bleibe in Asturia. Ich kann mich gerade oft genug in der Öffentlichkeit blicken lassen, um den Eindruck zu erwecken, dass du schwer mit den Vorbereitungen für den Gesetzesbeschluss beschäftigt bist. Und in Cornwall wird sich niemand etwas dabei denken, wenn du den Sommer hier verbringst. Wir sagen einfach, ich habe eine Rolle irgendwo anders bekommen und du passt auf meine Katze auf. Ich spreche so oft von meiner Cousine, das wird niemand infrage stellen.“

„Das ist das Verrückteste, was ich je gehört habe. Damit kommen wir niemals durch“, war sich Arrosa sicher, aber Clem hörte den Hoffnungsschimmer in ihrer Stimme.

„Wenn du im Palast wohnen würdest oder Dutzende von Dienern hättest, wäre es unmöglich …“

„Aber ich wohne in meinem eigenen Häuschen auf dem Palastgelände“, beendete Arrosa Clems Satz. „Ich bereite meine Mahlzeiten selbst zu. Es kommen zwar Reinigungskräfte zum Putzen, aber nur, wenn ich nicht zu Hause bin. Nur Marie ist regelmäßig bei mir. Henri und sie müssen wir natürlich einweihen, wenn wir mit dem Plan durchkommen wollen. Aber für dich wäre es sehr einsam, Clem. Du musst aufpassen, dass dich kein Dienstmädchen sieht, kein Gärtner, überhaupt kein Personal. Viele Angestellte arbeiten schon seit meiner Kindheit im Palast. Sie würden sofort erkennen, dass ich es nicht bin.“

Einsam. Das war ein Zustand, an den Clem sich in den letzten anderthalb Jahren gewöhnt hatte.

„Ich sorge dafür, dass die Presse sieht, wie Henri mich durch die Gegend fährt. Aber in der Zwischenzeit trage ich meine eigene Kleidung, trage meine Haare wild wie immer und erkunde ganz anonym Asturia. Eigentlich wollte ich schon immer mal dorthin, aber irgendwie habe ich es nie geschafft.“

Clem versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, dass sie in Wahrheit immer auf eine Einladung ihres Vaters gehofft hatte. Aber natürlich hatte Zorien immer gesagt, das sei zu riskant.

„Für mich wäre es eine Chance, Zorien kennenzulernen“, betonte sie stattdessen. „Wenn ich bei dir wohne, wird sich niemand fragen, warum er mich besuchen kommt. Alle werden denken, er verbringt Zeit mit dir.“

Hoffentlich hörte man die Bitterkeit in ihrer Stimme nicht. Clem wusste, dass Zorien in vielerlei Hinsicht auch Arrosa gegenüber ein sehr distanzierter Vater war. Dennoch hatten die beiden wenigstens eine echte Beziehung, nicht nur alle paar Jahre ein kurzes unangenehmes Treffen. Natürlich war sie dankbar für das kleine Cottage und ihren Treuhandfonds. Doch beides würde sie sofort gegen einen richtigen Vater eintauschen.

„Aber was soll ich ohne dich hier machen?“

„Nun, irgendjemand muss Gus füttern.“ Clem nickte zu der schwarzen Katze hinüber, die auf dem Fenstersims saß. „Und du musst natürlich im Meer schwimmen, Strandspaziergänge machen und Scones mit Schlagsahne essen. Du brauchst Zeit für dich, und ich brauche auch dringend einen Tapetenwechsel. Ich schiebe es schon viel zu lange auf, meine eigene Zukunft zu planen. Du würdest mir damit einen Gefallen tun.“

„Natürlich tue ich dir jeden Gefallen.“

„Wir tun uns also gegenseitig einen Gefallen. Wir brauchen beide eine Auszeit von unserem Leben, also warum nicht mal tauschen? Deine Mutter ist zurzeit nicht im Palast, oder?“

Clem wusste, dass Lara Artega nie viel Zeit am Hof verbrachte. Lieber unternahm sie Reisen ins Ausland und repräsentierte ihr Land aus der Ferne.

Arrosa schüttelte den Kopf. „Nein, sie verbringt den Sommer auf Ischia.“

„Dann müssen wir uns keine Sorgen machen.“ Arrosas Mutter wusste zwar von Clem, aber die beiden waren sich nie begegnet. Clem hatte den Verdacht, dass die Königin es dabei belassen wollte. „Es ist deine Entscheidung, Rosy. Was möchtest du lieber? Dich sechs Wochen lang vor Akil und der Presse verstecken und dir so viele Sorgen machen, dass du nur noch ein Schatten deiner selbst bist, oder so viele Scones essen, wie du kannst, und am Strand faulenzen?“

„Die Idee ist vollkommen verrückt. Ich kann mir kaum vorstellen, dass es wirklich funktionieren kann.“ Aber Arrosas Augen funkelten. In diesem Moment wusste Clem, dass ihre Schwester Ja sagen würde.

„Wenn doch etwas schiefgeht, tauschen wir schnell zurück“, setzte sie hinzu.

Arrosa nickte und lachte dann. „Genau. Lass es uns einfach eine Woche lang ausprobieren, dann sehen wir weiter. Danke, Clem. Cornwall ist genau das, was ich jetzt brauche. Und vielleicht tut es dir wirklich gut, Asturia kennenzulernen.“ Sie hob ihr Weinglas in die Luft. „Auf einen Szenenwechsel.“

Sie stießen an. „Auf die vertauschte Prinzessin.“

2. KAPITEL

Mit langen Schritten ging Akil durch den luxuriösen Flur in Richtung des formellen Empfangssaals. Sein eigener Geschmack war schlicht, ganz anders als die Einrichtung seines Familiensitzes. Jedes Möbelstück in dem alten Herrenhaus war unbezahlbar, antik und schrecklich unbequem. Die Bäder bestanden aus vergoldeten Armaturen und sündhaft teurem Marmor. Von jeder Wand blickten Porträts seiner Vorfahren mit missbilligenden Blicken auf ihn herunter.

Bestimmt hätte jeder Einzelne von ihnen etwas zu seinem Dilemma mit Arrosa zu sagen gehabt. Er musste zugeben, die Aussicht, mühelos die Karriereleiter emporzuklettern und plötzlich an der Spitze von Asturia zu stehen, war verlockend. Andererseits hatte er sich selbst eine herausragende Position erarbeitet, und es ging ihm gut. Besser als gut. Mit dreißig Jahren hatte er bereits ein hohes Amt in der Oppositionspartei inne, und noch vor seinem vierzigsten Lebensjahr könnte er es zum Parteivorsitzenden bringen. Ein Jahrzehnt früher als sein Vater.

Aber in Asturia hatte die Königsfamilie immer noch großen Einfluss. Und genau das war der Knackpunkt. Durch eine Heirat mit Arrosa könnte Akil echte Veränderungen im Land bewirken. Sie teilte seine Werte, seine Zukunftsvisionen. Wenn Asturia jemals mehr sein sollte als ein merkwürdiges kleines Land zwischen Frankreich und Spanien, mehr als ein beliebtes Urlaubsziel für Touristen aus aller Welt, dann brauchten sie Veränderungen.

Mehr noch, durch die Heirat würde in den Adern zukünftiger Könige und Königinnen Ortiz-Blut fließen. Wenn sein Vater davon wüsste, würde er ihn drängen, keine Sekunde zu zögern und der Prinzessin einen formellen Heiratsantrag zu machen, bevor sie es sich anders überlegte.

Aber so einfach war es nicht. Akil mochte Arrosa, bewunderte ihre Anmut und Intelligenz, schätzte ihre Schönheit. Doch er kannte sie nicht. Nicht so, wie man eine Frau kennen sollte, die man heiraten wollte.

Natürlich konnte er sowieso nicht einfach aus Liebe heiraten. Die Ehefrau eines Politikers musste bereit sein, Opfer für die Karriere ihres Mannes zu bringen; das hatte seine Mutter am eigenen Leib erfahren. Aber Akil wollte Gemeinsamkeit, Zweisamkeit. Kein Schlachtfeld wie sein eigenes Elternhaus.

Hinter ihm fiel die schwere Tür ins Schloss. Langsam gewöhnten seine Augen sich an die Dunkelheit des Empfangssaals. Dicke Samtvorhänge schirmten die Mittagssonne ab, und einige Lampen tauchten den Raum in Dämmerlicht.

Auf einer Chaiselongue lag seine Mutter. Sie brachte kaum ein Lächeln zustande, als Akil zu ihr ging und einen Kuss auf ihre ausgestreckte Hand hauchte.

„Du siehst deinem Vater wirklich jeden Tag ähnlicher.“

Das war nicht als Kompliment gemeint.

„Mum.“ Er unterdrückte eine Grimasse und setzte sich neben ihr auf einen Hocker. „Du siehst gut aus.“

„Das ist sehr nett von dir, Chéri .“ Ihr schnippischer Tonfall zeigte, dass sie seine Bemerkung ganz und gar nicht nett fand.

Seit Jahren betonte seine Mutter ihre schwache Gesundheit, aber Akil fiel es schwer, ihre Spielchen mitzuspielen. Bei seinem freiwilligen Dienst im Krankenhaus pflegte er Menschen mit echten Krankheiten. Viel zu viele von ihnen bekamen in den überlasteten öffentlichen Krankenhäusern nicht die nötige Behandlung.

„In letzter Zeit leide ich unter schrecklichen Kopfschmerzen. Ich dachte, das wüsstest du. Aber du bist natürlich zu beschäftigt. Wie könntest du dich an so ein unwichtiges Detail erinnern?“ Ihr Seufzen klang perfekt einstudiert, halb klagend, halb vorwurfsvoll.

Nerea Ortiz war erst Mitte fünfzig, und in ihrem naturbraunen Haar zeigten sich nur vereinzelte graue Strähnen. Ihr Körper war immer noch schlank und durchtrainiert, das Gesicht beinahe faltenlos.

Dennoch benahm sie sich wie eine zerbrechliche viktorianische Großmutter. Zu ihren Füßen schnarchte ein kleiner dicker Schoßhund, auf dem Beistelltisch neben ihr lag eine Auswahl an Kräuterheilmitteln. Auf einem zweiten Tisch stand eine Flasche Wasser … falls es Wasser war. Selbst zu dieser Uhrzeit konnte es genauso gut Gin sein.

„Es tut mir leid, das zu hören“, sagte Akil geduldig. „Aber jetzt bin ich hier und kann dir versichern, dass du meine volle Aufmerksamkeit hast.“

Pflichtbewusst verbrachte Akil eine Stunde an der Seite seiner Mutter, bevor er sich verabschiedete. Als er den Raum verließ, fiel sein Blick auf ein Foto an der Wand. Es zeigte seine Mutter mit zwanzig. Schön und strahlend, voller Leben.

Kaum zu glauben, wie jung und lebensfroh sie einmal gewesen war. Die Jahre an der Seite seines Vaters hatten ihr jede Lebensfreude geraubt. Während sein Vater voller Wut steckte und eine messerscharfe Zunge hatte, wehrte sich seine Mutter mit Tränen und eingebildeten Krankheiten. Und Alkohol, aber darüber wurde nicht gesprochen.

Kein Wunder, dass Akil als Kind und Jugendlicher so viel Zeit wie möglich außer Haus verbracht hatte. Selbst jetzt, als Familienoberhaupt, besuchte er den Familiensitz nur, wenn es sich nicht vermeiden ließ. Immer noch weigerte er sich, wieder in das Haus zu ziehen, in dem die Enttäuschung seines Vaters über den einzigen Sohn wie ein Echo in jedem Raum nachhallte.

Dabei verbrachte sein Vater, seit er vor acht Jahren einen Herzinfarkt erlitten hatte, die meiste Zeit in der Familienvilla in der Schweiz. Wenn man den Gerüchten glaubte, nicht allein.

Akil seufzte. Die Beziehung zu seinem Vater war kompliziert. Einerseits quälten ihn Schuldgefühle und die Tatsache, dass er nur Abneigung für ihn empfinden konnte, andererseits konnte er sich nicht von dem unerklärlichen Drang befreien, seinen Vater stolz zu machen … und ihn zu übertreffen. Zu zeigen, dass er das Zeug hatte, der Herzog zu sein, das Oberhaupt der Familie und würdig, den Titel „Herzog von Ortiz“ zu tragen.

Sein Vater hatte ihn immer zu einer strategischen Heirat gedrängt.

„Lass dir den Kopf nicht von irgendeinem hübschen Mädchen verdrehen, wie ich es getan habe“, hatte er Akil mehr als einmal gesagt. „Heirate eine Frau, die Einfluss und Macht mit in die Ehe bringt. Die die Position unserer Familie stärkt.“

Wer wäre da besser geeignet als die Kronprinzessin?

Das Klingeln seines Handys holte ihn zurück in die Wirklichkeit. Akil blieb oben auf der breiten Steintreppe stehen, die von den Flügeltüren des Herrenhauses hinunter zu der geschwungenen Auffahrt führte, und zog das Mobiltelefon aus seiner Tasche. Als er den Namen auf dem Display las, löste sich die Anspannung in seinem Körper. Seine Schwester Elixane.

„Hey, was gibt’s?“

Langsam ging er die Stufen hinunter. Mit jedem Schritt fühlte sich das unsichtbare Gewicht auf seinen Schultern leichter an.

„Ich habe gesehen, dass du versucht hast, mich zu erreichen. Eigentlich wollte ich dich längst zurückrufen, aber hier ist so viel los“, sagte seine Schwester. „Ist alles in Ordnung?“

Akil zögerte. Er hatte Elixane direkt nach dem Gespräch mit Arrosa angerufen. Nachdem die Prinzessin möglicherweise … vielleicht … vorgeschlagen hatte, dass er der Prinzgemahl würde.

Aber je mehr Zeit verging, desto schwerer fiel es ihm, darüber zu sprechen.

„Alles in Ordnung.“ Er hielt inne. „Ich war gerade bei Mum.“

„Wie geht es ihr?“

„Wie immer.“

Seine Schwester seufzte. „Das klingt nicht gut. Bei meinem letzten Besuch habe ich ihr ans Herz gelegt, weniger zu trinken. Aber sie hat getan, als wüsste sie nicht, wovon ich spreche. Dabei mache ich mir weniger Sorgen um die Menge an Alkohol als darum, dass sie immer alleine trinkt. Hast du etwas von Dad gehört?“

„Nur dass alles beim Alten ist.“

„Du meinst, er trinkt auch zu viel, isst zu viel und verbringt wahrscheinlich zu viel Zeit mit seinen Geliebten, von denen wir nichts wissen sollen, während du ihm seinen Traum erfüllst.“

„Er wäre fast gestorben“, verteidigte Akil seinen Vater.

„Erstens lag das an seinen Wutausbrüchen, und zweitens ist das acht Jahre her. Ich finde es furchtbar, wie er dich dazu gebracht hat, dein Studium aufzugeben und seine Pflichten zu übernehmen.“

„Elixane“, sagte Akil warnend. „Ich habe damals meine eigene Entscheidung getroffen, und das tue ich auch heute noch.“

Jetzt hatte Akil die Einfahrt erreicht und trat durch einen kleinen versteckten Torbogen in den Garten. Als er zwischen den alten, gekrümmten Obstbäumen entlangging, fiel auch die letzte Anspannung von ihm ab. Kleine geschwungene Pfade schlängelten sich durch das Gras, in dem Tausende Wildblumen blühten.

„Nun, was soll ich dazu sagen?“ Elixane seufzte. „Vielleicht bist du ja wirklich der geborene Politiker. Du sagst immer genau das Richtige.“

„Nicht immer. Letztens habe ich ein interessantes Gespräch mit der Prinzessin geführt und hatte keine Ahnung, was ich ihr antworten soll.“ Er beobachtete eine Biene, die eifrig auf einer Nektarblüte herumkrabbelte. „Ihre Familie macht ihr Druck, endlich zu heiraten.“

„Arme Arrosa, das kann ich mir gut vorstellen.“ Elixane war im selben Alter wie die Prinzessin, und trotz der Rivalität zwischen ihren Familien waren die Mädchen als Jugendliche befreundet gewesen. „Du bist selbst Mitglied des Senats, du weißt, wie diese Dinosaurier denken. Sie glauben immer noch, dass eine Frau die stützende Hand eines Mannes braucht. Darum beneide ich Arrosa nicht.“

„Ich denke, sie glaubt, es wäre einfacher, wenn sie nicht alleine dastehen würde. Sie …“ Er räusperte sich. „Sie hat mich gefragt, wie es mir gefallen würde, der Prinzgemahl zu sein.“ Die Worte klangen genauso albern, wie er sich fühlte.

„Wie bitte? Hat sie dir einen Antrag gemacht?“ Elixanes Stimme klang plötzlich schrill. „Dir? Ich wusste nicht, dass ihr euch so nahesteht.“

Akil zuckte zusammen. „Das tun wir auch nicht, und nein, das hat sie nicht. Ich würde eher sagen, es war ein Vorschlag. Als wollte sie meine Meinung dazu herausfinden.“

„Und du hast geantwortet, du fühlst dich geschmeichelt, aber nein danke.“

„Ich habe gar nichts gesagt.“ Er hatte keine Zeit gehabt, Arrosa eine Antwort zu geben, bevor sie mit hochrotem Gesicht davongestürmt war.

„Mein Bruder ein Prinz. Das würde Dad im Eiltempo aus der Schweiz zurückbringen. Aber natürlich ist das Ganze lächerlich. Lass mich bitte dabei sein, wenn du Dad erzählst, dass du die Chance hattest, in die Königsfamilie einzuheiraten, und abgelehnt hast.“

Akil antwortete nicht.

„Du lehnst doch ab, oder?“ Elixanes Stimme klang scharf.

„Ich weiß es nicht. Noch nicht. Ich meine, ich wäre ein Idiot, wenn ich nicht wenigstens darüber nachdenke.“

„Aber Akil, du liebst sie nicht. Du kennst sie kaum!“

„In letzter Zeit habe ich ein wenig Zeit mit ihr verbracht. Ich mag sie, respektiere sie. Außerdem braucht man keine Liebe, um eine glückliche Ehe zu führen.“

„Liebe ist keine Garantie für eine glückliche Ehe, aber sie hilft. Du kannst deine Entscheidung nicht nur wegen der katastrophalen Ehe unserer Eltern treffen. Die beiden haben sich nie geliebt, sie waren einfach nur eine Zeit lang ineinander verliebt. Das ist etwas ganz anders.“

„Egal ob es Liebe war oder Verliebtheit, du kannst nicht leugnen, dass unsere Eltern nicht zueinander passen. Ihre Ansichten, Gefühle und Bedürfnisse sind unvereinbar. Diesen Fehler werde ich niemals machen.“ Auf keinen Fall durften seine Kinder in einem feindseligen, unglücklichen Haushalt aufwachsen! „Wenn ich heirate, brauche ich eine Frau, die an der Seite eines Politikers glücklich ist. Eine Frau mit denselben Zielen. Warum nicht Arrosa? Zusammen könnten wir viel erreichen.“

„Ich habe Arrosa seit Jahren nicht mehr gesehen“, antwortete seine Schwester nach einer langen Pause. „Wir haben uns gemocht, aber wir standen uns nie nah. Soweit ich weiß, steht ihr niemand nah. Aber sie ist nett.“

„Ja“, pflichtete Akil ihr bei. „Sie ist nett.“

„Und das reicht dir?“

Akil lehnte sich an einen Baum und sah zum strahlend blauen Himmel auf.

„Jedenfalls ist es besser, als wenn sie nicht nett wäre“, antwortete er langsam. „Wir wünschen uns beide eine moderne Demokratie. Eine bessere Zukunft für Asturia.“

„Und die Ehe ist der einzige Weg, das zu erreichen?“ Akil hörte den Zweifel in der Stimme seiner Schwester. „Wir leben im einundzwanzigsten Jahrhundert.“

Akil lächelte schief. „Das gilt vielleicht für den Rest von Europa.“

„Weißt du, was ich denke?“

„Möchte ich das wirklich wissen?“

„Ich denke, du bist verrückt. Aber wenn du trotzdem darüber nachdenkst, solltest du sie zuerst besser kennenlernen. Triff auf keinen Fall eine Entscheidung, bevor du einige Zeit mit ihr verbracht hast. Mit der Frau Arrosa, nicht mit der Prinzessin Arrosa. Stelle zuerst sicher, dass diese Ehe etwas ist, mit dem ihr beide leben könnt.“

Eine zweite Biene summte an Akils Ohr vorbei, bevor sie auf einer Kletterrose landete. Während er über die Worte seiner Schwester nachdachte, sah er zu, wie das kleine Insekt von Blüte zu Blüte schwebte.

„Vielleicht hast du recht“, murmelte er nach einer Weile.

„Ich weiß, dass ich recht habe. Selbst wenn du glaubst, Liebe wäre für eine gute Ehe nicht nötig, müsst ihr zumindest herausfinden, wie gut ihr miteinander zurechtkommt.“

Elixanes Worte hingen zwischen ihnen in der Luft. Dann erinnerte ihn der Alarm auf seinem Handy daran, dass er bei einem Meeting erwartet wurde.

„Ich muss gehen. Danke für deinen Rat.“

„Ruf mich an, wenn du mich brauchst. Jederzeit.“

Akil legte auf und steckte sein Handy in die Tasche. So ungern er es zugab, doch seine kleine Schwester hatte recht. Wenn Arrosa ihre Worte ernst gemeint hatte, wenn er ernsthaft darüber nachdenken sollte, ihren Vorschlag anzunehmen … dann mussten sie zuerst sehen, ob sie in Harmonie zusammenleben konnten.

Die Ehe seiner Eltern war das beste Beispiel für alles, was er nicht wollte: gedankenlose Leidenschaft, Enttäuschung, Wut und Groll. Dagegen sehnte er sich nach Vernunft, Gemeinsamkeit und gegenseitigem Respekt. Vielleicht sollte er mit Arrosa sprechen, anstatt zu grübeln …

Bevor Akil den Palais d´Ortiz verließ, sagte er alle seine Termine für den restlichen Tag ab. Statt in die Stadt zurückzukehren, fuhr er weiter hinaus aufs Land in Richtung des riesigen Artega-Anwesens.

Fast hätte er Arrosas persönlichen Assistenten angerufen, um ihr ausrichten zu lassen, dass er auf dem Weg zu ihr war. Aber wenn er und Arrosa wirklich über eine Ehe nachdachten, sollten sie solche Förmlichkeiten hinter sich lassen. Ein Verlobter sollte keinen Termin vereinbaren müssen, um seine zukünftige Braut zu sehen.

Akil hatte Arrosa so oft besucht, dass die Wachen am Tor ihn einfach durchwinkten. Langsam fuhr er die lange, von Bäumen gesäumte Auffahrt hinauf, vorbei an dem imposanten Schloss mit den märchenhaften Türmchen und kunstvollen Steinmetzarbeiten.

Nach einigen Minuten kam er an der hübschen weißen Villa an, in der Arrosa wohnte. Plötzlich überkamen ihn Zweifel. Diese Entscheidung würde den Rest seines Lebens beeinflussen. Noch hatte er keine Idee, was das Ergebnis ihres Gesprächs sein würde … oder was er wollte.

Das einstöckige Gebäude aus dem neunzehnten Jahrhundert lag idyllisch direkt an einem See und war von einem blumenreichen Garten mit knorrigen alten Obstbäumen umgeben. Doch trotz der friedlichen Stimmung musste mindestens ein Mitarbeiter des Geheimdienstes irgendwo in der Nähe sein. Außerdem wusste Akil, dass versteckte Überwachungskameras jeden seiner Schritte aufnahmen.

Auch wenn er es dank der Position seines Vaters und auch durch seinen eigenen Beruf gewohnt war, mit einem gewissen Maß an Sicherheitsvorkehrungen zu leben, so wurde er doch nie rund um die Uhr überwacht.

Unerwartet überkam ihn Mitleid mit der Prinzessin. Sie war nie allein, hatte keine Privatsphäre und fragte jetzt einen Mann, den sie nicht liebte, ob er ihr Ehemann sein wollte.

Akil ging den gepflasterten Weg zur Haustür hinauf und klopfte. Meist öffnete Arrosa selbst, oder ihre Haushälterin Marie bat ihn hinein. In Arrosas Haus lebten keine Angestellten, tatsächlich führte sie ein überraschend unabhängiges Leben. Abgesehen von den Mitarbeitern, die in ihrem Büro arbeiteten, bestand ihr einziges Personal aus Marie und ihrem Leibwächter.

Er wartete, aber niemand öffnete die Tür, obwohl aus mehreren geöffneten Fenstern Musik herausdrang. Er klopfte noch einmal.

Als immer noch keine Antwort kam, ging er um die Villa herum. Auf der Rückseite des Hauses lag eine großzügige Terrasse, von der aus ein kleiner Pfad hinunter zum See führte. Neben einem Holzsteg standen ein Bootshaus und eine Umkleidekabine.

Arrosa saß mit dem Rücken zu ihm auf dem Steg. Das Haar fiel ihr über den Rücken und sah wilder aus, als er es je bei ihr gesehen hatte.

Als er durch den Garten auf sie zuging, drehte sie sich nicht um.

„Arrosa“, sagte er leise, und sie erstarrte. „Ich habe geklopft, aber niemand hat geantwortet. Es tut mir leid, dass ich ohne Vorwarnung auftauche.“

All seine Sinne sagten ihm, dass etwas nicht stimmte, doch er konnte nicht benennen, was es war.

„Ich muss dir etwas sagen, was nicht warten kann. Ich denke, unter diesen Umständen ist eine gewisse formlose Leichtigkeit gerechtfertigt.“ Er räusperte sich. „Ich hoffe, du weißt, dass ich gerne mit dir zusammenarbeite. Außerdem schätze ich deine Kameradschaft. Ich würde es fast Freundschaft nennen.“

Immer noch reagierte Arrosa nicht, drehte sich nicht um. Er konnte ihre Körpersprache nicht deuten. Sie wirkte stocksteif wie ein Reh, das ein Raubtier witterte und überlegte, ob es wegrennen oder still bleiben sollte.

„Aber eine Ehe ist eine große Verpflichtung und nichts, was irgendjemand auf die leichte Schulter nehmen sollte“, fuhr er fort. „Wenn du deine Worte neulich nicht ernst gemeint hast, wenn ich deine Absicht falsch verstanden habe oder wenn du deine Meinung geändert hast, dann gehe ich und verspreche, nie wieder davon zu reden. Aber wenn du es ernst gemeint hast, dann lass uns einige Zeit miteinander verbringen. Ohne dass unsere Titel zwischen uns stehen, ohne Arbeit als unsere einzige Gemeinsamkeit. Dann können wir sehen, wie gut wir zueinander passen.“

Irgendetwas an ihrer Stille kam ihm seltsam vor, aber er zwang sich, innezuhalten. Während er auf ihre Antwort wartete, wurde die Stille länger. Die Spannung stieg mit jeder Sekunde, bis sie schließlich sprach.

„Danke.“

Akil runzelte die Stirn. Das Gefühl, dass etwas nicht stimmte, wurde stärker. Nur ein Wort, aber es klang fremd. Ihre Stimme wirkte tiefer, die Aussprache war ungewohnt.

„Aber jetzt ist kein guter Zeitpunkt …“, fuhr sie langsam fort. „Können wir später darüber reden?“ Sie zögerte. Es war, als würde sie jedes Wort überdenken. „Ich weiß, es ist wichtig.“

War sie krank? Wütend? Verletzt? Akil konnte nicht einfach gehen, ohne sich zu vergewissern, ob es Arrosa gut ging. Egal ob sie eine Prinzessin war oder seine Verlobte, sie war eine Frau, die nicht viele Menschen um sich hatte, denen sie sich anvertrauen konnte.

Was auch immer die Zukunft auch bringen mochte, er wollte ihr wenigstens seine Freundschaft anbieten. Akil betrat den schmalen Holzsteg und erreichte sie mit wenigen Schritten.

„Arrosa, was ist los?“ Er ging neben ihr in die Hocke und legte eine Hand auf ihre Schulter. Sanft drehte er sie zu sich um.

Er fuhr zurück. Ihr Gesicht war gleichzeitig vertraut und doch fremd. Da war das gleiche dunkle wogende Haar, die gleichen haselnussbraunen Augen. Aber diese Augen waren etwas heller, mehr Gold als Braun. Die gleiche olivfarbene Haut, sogar die gleiche leicht gebogene Nase, die ihrem Gesicht Charakter verlieh. Aber das war nicht die Prinzessin. Diese Frau war nicht Arrosa.

Er ließ seine Hand sinken, richtete sich auf und trat instinktiv noch einen Schritt zurück.

„Wo ist die Prinzessin? Und wer, um alles in der Welt, sind Sie?“

3. KAPITEL

Clem rührte sich nicht. Für einen Moment hatte sie nicht die geringste Idee, wie sie mit dieser Situation umgehen sollte. Hier gab es kein Drehbuch, keine Notizen des Regisseurs.

Außerdem hatte sie nicht einmal vierundzwanzig Stunden Zeit gehabt, um sich auf diese neue Rolle vorzubereiten. Am Ende hatte sie Arrosa gerade noch daran erinnern können, die Pflanzen zu gießen und die Katze zu füttern, dann hatte sie auch schon im Auto Richtung Flughafen gesessen.

Im Privatjet war sie erst lange nach Mitternacht auf dem Palastgelände angekommen, und Henri hatte ihr die hübsche Villa am See gezeigt, in die Arrosa an ihrem vierundzwanzigsten Geburtstag eingezogen war.

Trotz all der Aufregung und Nervosität war Clem sofort eingeschlafen. Seitdem hatte sie keine Gelegenheit gehabt, noch einmal über diesen verrückten Plan nachzudenken.

Bis zu diesem Augenblick. Hier am Bootssteg hatte sie gerade versucht, ihre Gedanken zu ordnen, als Akil Ortiz plötzlich aufgetaucht war und eine ohnehin schon komplizierte Situation noch schlimmer gemacht hatte.

Welcher Mann tauchte einfach bei einer Frau zu Hause auf, ohne vorher anzurufen? Und dann noch bei einer Prinzessin?

Nun, dieses Gespräch würde sie nicht im Sitzen führen. Langsam stand sie auf und klopfte den Staub von ihrem Rock, bevor sie das Kinn hob und sich zu Akil umdrehte. Kämpferisch erwiderte sie seinen misstrauischen Blick.

Doch als sie ihn ansah, blieb ihr die Luft weg. Ihr erster Gedanke war, dass das Foto auf Arrosas Handy ihm nicht gerecht wurde.

Clem hatte eine der besten Schauspielschulen Großbritanniens besucht, und einige ihrer damaligen Klassenkameraden waren jetzt weltberühmte Herzensbrecher. Aber keiner der attraktiven charismatischen Männer, mit denen sie zur Schule gegangen war, an deren Seite sie gespielt hatte und mit denen sie das ein oder andere Mal ausgegangen war, hatte auch nur annähernd dieselbe wilde Anziehungskraft wie der asturische Herzog.

Er war groß und breitschultrig. Das schwarze Haar trug er glatt nach hinten gekämmt, aber hier und dort lockte sich eine rebellische Strähne. Kräftige Brauen über scharfen dunkelbraunen Augen und eine gerade Nase verliehen seinen atemberaubenden Gesichtszügen Charakter. Sein maßgeschneiderter marineblauer Anzug brachte seinen muskulösen Körper zu Geltung, und das strahlende Weiß des Leinenhemds betonte seine olivfarbene Haut.

Zu ihrem Entsetzen erwachte tief in Clems Innerem ein Gefühl, das ihren ganzen Körper zum Beben brachte.

Nein, sofort Schluss damit, rief sie sich innerlich zur Ordnung.

Dann nahm sie die Schultern zurück und verzog die Lippen zu einem einstudierten Lächeln. Es war das königliche Lächeln aus dem dritten Jahr ihres Schauspielstudiums, als sie Olivia in Shakespeares Was ihr wollt gespielt hatte.

„Sie müssen der Herzog von Ortiz sein. Es tut mir leid, aber Arrosa ist im Moment nicht hier.“

„Verstehe.“ Er musterte sie misstrauisch. „Wann kommt sie zurück?“

„Das dauert noch eine Weile. In der Zwischenzeit kümmere ich mich um ihr Haus.“

Brauchten Prinzessinnen, die auf dem Familienanwesen lebten und von Angestellten umgeben waren, überhaupt jemanden, der sich um ihr Haus kümmerte? Akils misstrauischem Blick nach zu urteilen, glaubte er ihr kein Wort.

„Ich brauchte für eine Weile einen Rückzugsort“, ergänzte sie eilig. „Eigentlich tut sie mir einen Gefallen.“

„Und Sie sind …?“

„Clem, Clemence Beaumont.“ Bestimmt konnte es nicht schaden, wenn er wusste, wie sie hieß, oder? Ihr Name stand in keiner Verbindung zu ihrem Vater oder ihrer Schwester. Selbst wenn er im Internet nach ihr suchen sollte, würde Akil nur einige Rezensionen von Theaterstücken finden, vielleicht noch die Internetseite ihres Schauspielagenten und den Nachruf ihrer Mutter.

„Ich kann Arrosa sagen, dass Sie vorbeigekommen sind. Oder Sie können natürlich selbst mit ihr sprechen.“

„Sie hat mir nicht erzählt, dass sie wegfährt.“

„Es kam alles ganz plötzlich, und sie will keine große Sache daraus machen. Also erzählen Sie es bitte niemandem.“ Clem trat einen Schritt vor, aber er rührte sich nicht. Es gab zwei Wege zum Haus: entweder durchs Wasser oder ganz dicht an ihm vorbei. Beide schienen ihr nicht allzu verlockend zu sein. „Es tut mir leid, dass Sie umsonst gekommen sind. Ich wünsche Ihnen noch eine gute Heimfahrt“, sagte sie betont. „Ich würde Ihnen einen Kaffee anbieten, aber ich habe viel zu tun.“

Wenn das nur stimmen würde! Um ehrlich zu sein, hatte Clem nicht die geringste Idee, was sie mit ihrer Zeit anfangen sollte. Arrosa hatte versprochen, heute Morgen direkt ihren Vater anzurufen und ihm von dem Tausch zu erzählen, doch bisher hatte er sich noch nicht bei Clem gemeldet.

Eigentlich hatte sie die Zeit bis dahin nutzen wollen, um etwas von Asturia kennenzulernen, aber offenbar besaß Arrosa kein eigenes Auto. Henri chauffierte sie mit der schusssicheren Limousine, wann immer sie den Palast verließ. Das war kein Problem, wenn Clem sich als Prinzessin verkleidet in der Öffentlichkeit zeigen wollte. Aber für ihre Freizeit, in der sie sich anonym die Umgebung ansehen wollte, war die Limousine viel zu auffällig.

So schön die Villa auch war und so einladend der See auch wirkte, Clem wollte nicht sechs Wochen alleine im Haus verbringen. Dann hätte sie genauso gut in Cornwall bleiben können.

„Sie haben mir immer noch nicht gesagt, woher Sie Arrosa kennen.“

Offensichtlich hatte Akil nicht vor, ihr aus dem Weg zu gehen. Wenn das seinem Beschützerinstinkt geschuldet war, wenn er sich um Arrosa sorgte, sollte sie es vielleicht als gutes Zeichen deuten. Andererseits folgte ihrer Schwester bereits ein Leibwächter überallhin.

„Nein“, sagte Clem leichthin. „Das habe ich nicht. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden …“

Widerstrebend trat er einen Schritt zur Seite, und sie schob sich an ihm vorbei.

„Den Weg nach Hause finde Sie sicher alleine, schließlich haben Sie auch alleine hergefunden.“ Ohne sich umzudrehen, ging sie den Weg zum Haus hinauf. Im Rücken spürte sie seinen bohrenden Blick, als wollte er all ihre Geheimnisse aus ihr herauslocken.

Drei Terrassen mit gemütlichen Liegen und Sitzgruppen umgaben das Haus, und steinerne Stufen führten in einen farbenfrohen, mit Blumen übersäten Garten, in dem sich Bienen und Schmetterlinge tummelten. Unzählige Blumentöpfe ließen die Terrassen wie einen Teil des Gartens wirken.

Endlich erreichte Clem die Flügeltüren zum Wohnzimmer. Sie legte eine Hand auf die Klinke und wollte eilig ins Haus gehen, als sie Akils Stimme hinter sich hörte.

„Warten Sie.“ Er war ihr auf die Terrasse gefolgt. „Sagen Sie mir wenigstens, ob es Arrosa gut geht.“

Widerwillig drehte Clem sich um und versuchte in seiner Miene zu lesen. Akil wirkte angespannt. Interessierte er sich für ihre Schwester als Person oder nur für ihre Macht und ihren Einfluss?

Arrosa hatte gemeint, Akil sei ein guter Mann, und ihre Schwester besaß eine hervorragende Menschenkenntnis. Auch wenn Clem sich mehr für ihre Schwester wünschte als eine Vernunftehe, wollte Akil ihre Schwester hoffentlich nicht für seine eigenen Zwecke ausnutzen.

„Es geht ihr gut.“

„Gibt es irgendwas, das ich für sie tun kann? Bei unserem letzten Treffen hatte ich das Gefühl, dass sie Freunde braucht. Ich hoffe, sie weiß, dass sie sich an mich wenden kann, wenn sie in Schwierigkeiten steckt.“

Seine grimmige Miene verriet Clem, wie schwer ihm die Worte fielen. Offensichtlich war er es nicht gewohnt, sich vor einer Fremden so verletzlich zu zeigen.

Der Gedanke stimmte sie sanfter. Akil verdiente es, wenigstens einen Teil der Wahrheit zu erfahren. Auch wenn Arrosa ihn nicht liebte, so vertraute sie ihm doch. Außerdem war dies eine gute Gelegenheit, den Mann kennenzulernen, der vielleicht die Zukunft ihrer Schwester in den Händen hielt.

„Vielleicht kann ich mir doch einen Moment Zeit nehmen“, sagte Clem aus diesen Überlegungen heraus. „Darf ich Ihnen einen Kaffee anbieten?“

Einige Minuten später trat sie mit einem voll beladenen Tablett in den Händen auf die Terrasse.

Akil stand mit dem Rücken zu ihr und schaute auf den See hinunter. Als er sie hörte, drehte er sich um und kam mit großen Schritten auf sie zu. Obwohl sie protestierte, nahm er ihr das schwere Tablett ab und stellte es auf den massiven Holztisch.

Clem setzte sich ihm gegenüber an den Tisch und griff dankbar nach der Kaffeekanne. Ein wenig Koffein konnte sie gut gebrauchen.

Jemandem gegenüberzusitzen, zu fragen, wie er seinen Kaffee trank, ihm einzuschenken und Milch in die Tasse zu geben, hatte etwas seltsam Intimes. Die Situation war zugleich vertraut und doch distanziert. Obwohl Clem einen gewissen Vorteil hatte: Wenigstens wusste sie, wer er war. Er dagegen hatte keine Ahnung von ihrer Existenz.

Ohne von seinem Kaffee zu trinken, stellte er die Tasse ab und sah Clem stirnrunzelnd an.

„Als ich vor zwei Tagen mit Arrosa gesprochen habe, hat sie mit keinem Wort erwähnt, dass sie wegfahren will. In wenigen Monaten wird sie zur Kronprinzessin ernannt. Das ist nicht der richtige Zeitpunkt, um unterzutauchen. Was ist los?“

Clem lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und erwiderte seinen Blick.

„Wenn das Gesetz erst einmal in Kraft getreten und Arrosa offiziell die Thronfolgerin geworden ist, wie viele Gelegenheiten gibt es dann noch für eine Auszeit?“, fragte sie zurück. „Wie viel Privatsphäre? In ihrem Leben gibt es bereits so viele Einschränkungen. Sie wird rund um die Uhr bewacht, und das wird nur noch schlimmer werden. Im Gegenteil, jetzt ist der perfekte Zeitpunkt für eine Auszeit. Vielleicht ist es die letzte Chance, die sie hat.“

Er neigte kurz den Kopf, als würde er ihren Standpunkt akzeptieren.

„Aber das erklärt nicht, was Sie hier machen oder wer Sie sind, Clemence Beaumont. Ich glaube nicht, dass Arrosa Sie schon einmal erwähnt hat.“

„Kennt Arrosa die Namen von all Ihren Freunden?“, fragte Clem zuckersüß.

Ein Funkeln blitzte in seinen Augen auf. „Ihre Ähnlichkeit mit ihr ist verblüffend. Zu verblüffend, um Zufall zu sein. Die einzige Erklärung ist, dass Sie verwandt sind. Aber ich kenne Arrosas Familie, und Sie gehören nicht dazu. Außerdem ist Beaumont kein asturischer Name.“

„Sie haben den Stammbaum aber gut im Blick.“

Zu ihrer Überraschung lachte Akil. Das Lachen verwandelte seine strenge, distanzierte Schönheit in etwas Wärmeres … und gefährlich Anziehendes.

„Asturia ist ein kleines Land, hier kennt jeder jeden. Und Sie habe ich noch nie zuvor gesehen, Ihren Namen kenne ich auch nicht. Also frage ich mich natürlich, wieso die Kronprinzessin ohne Vorwarnung verschwindet und plötzlich eine Frau, die ihr zum Verwechseln ähnlich sieht, in ihrer Villa lebt.“

„Sie haben eine lebhafte Fantasie. Vielleicht sollten Sie Krimis schreiben.“ Clem trank einen Schluck Kaffee und lächelte. „Aber hier gibt es kein Geheimnis aufzudecken. Rufen Sie Arrosa an, Sie wird Ihnen sagen, dass es ihr gut geht.“

„Es kommt mir nur wie ein seltsamer Zufall vor, dass sie wenige Tage nach unserem Gespräch verschwindet.“ Er hielt inne, als würde ihm bewusst, dass er zu viel gesagt hatte.

Aber für Clem war es ohnehin zu spät, um vorzutäuschen, dass sie nichts von der möglichen Verlobung zwischen ihrer Schwester und diesem Mann wusste.

„Hören Sie …“ Sie stellte ihre Tasse auf den Tisch. „Ich kann nicht so tun, als hätte ich Sie vorhin am See nicht gehört, und ich kann auch nicht so tun, als wüsste ich nicht, worum es geht. Aber wo Arrosa ist und warum sie dorthin gegangen ist, das ist allein ihre Sache. Wenn Sie mehr wissen möchten, sollten Sie sie anrufen. Sie hat ihr Handy bei sich, ich habe noch heute Morgen mit ihr gesprochen. Was mich angeht, bin ich einerseits hier, weil ich – genau wie Arrosa – eine kleine Pause von meinem Leben brauche. Vor allem aber möchte ich ihr die Möglichkeit geben, sich eine Auszeit zu nehmen. Sie wissen, wie schwer es für Arrosa ist, ein bisschen Freiheit zu genießen. Wie Sie schon sagten, wir sehen uns ähnlich. Von Weitem, mit der richtigen Frisur und dem richtigen Make-up, würden mich die meisten Menschen mit ihr verwechseln. Wenn ich dafür sorge, dass Arrosa zwei- bis dreimal in der Woche in der Öffentlichkeit gesehen wird, kommt niemand auf die Idee, nach ihr zu suchen. Damit gebe ich ihr den Freiraum, den sie braucht. Mehr steckt nicht dahinter.“

Ohne den Blick von ihr abzuwenden, zog Akil sein Handy aus der Hosentasche und diktierte eine kurze Nachricht in das Gerät.

Arrosa, ich bin mit Clemence bei dir zu Hause. Lass mich wissen, dass alles in Ordnung ist.

Dann legte er sein Handy zur Seite.

„In Ordnung, deshalb sind Sie also hier. Aber ich weiß noch immer nicht, wer Sie sind und ob ich Ihnen vertrauen kann.“

„Arrosa vertraut mir, sollte das nicht reichen?“

„Vielleicht. Aber Sie wissen mehr über meine persönlichen Angelegenheiten, als mir lieb ist.“ Er lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich sage Ihnen, was ich bisher weiß. Erstens: Ihre Ähnlichkeit mit Arrosa ist so groß, dass Sie eine nahe Verwandte sein müssen. Zweitens: Auch wenn Arrosa Sie noch nie erwähnt hat, wissen Sie viel über ihr Leben. Drittens: Obwohl Sie keine Asturierin sin...

Autor

Jessica Gilmore
Jessica Gilmore hat in ihrem Leben schon die verschiedensten Jobs ausgeübt. Sie war zum Beispiel als Au Pair, Bücherverkäuferin und Marketing Managerin tätig und arbeitet inzwischen in einer Umweltorganisation in York, England. Hier lebt sie mit ihrem Ehemann, ihrer gemeinsamen Tochter und dem kuschligen Hund – Letzteren können die beiden...
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Annie West
<p>Annie verbrachte ihre prägenden Jahre an der Küste von Australien und wuchs in einer nach Büchern verrückten Familie auf. Eine ihrer frühesten Kindheitserinnerungen besteht darin, nach einem Mittagsabenteuer im bewaldeten Hinterhof schläfrig ins Bett gekuschelt ihrem Vater zu lauschen, wie er The Wind in the Willows vorlas. So bald sie...
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