Sterne der Liebe über Bahania

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Im fernen Bahania erwartet Zara ein aufregend neues Leben: Erst jetzt hat sie erfahren, dass sie die Tochter eines Scheichs ist! Doch als sie sich ausgerechnet in dessen Sicherheitsberater verliebt, ist ihr Vater entschlossen, diese Verbindung zu verhindern ...


  • Erscheinungstag 04.05.2016
  • ISBN / Artikelnummer 9783733767501
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Wer möchte nicht gern eine Prinzessin sein?“, fragte Cleo.

Zara Paxton ignorierte sowohl die Frage als auch ihre Schwester. Am liebsten würde sie einfach davonlaufen. Diese Idee war von Anfang an idiotisch gewesen.

„Die Mosaike an der Ostwand stammen aus dem frühen elften Jahrhundert“, informierte die Reiseleiterin, während sie den Palast besichtigten.

„Diese Szene stellt Lucas Surrat dar“, fuhr die ältere Dame fort. „Der Kronprinz dieser Insel ist seit je ein Mitglied der herrschenden Familie von Bahania.“

„Wieso willst du das nicht wissen?“, fragte Cleo leise. „Komm, Zara, stell dich nicht so an.“

„Du hast gut reden. Um dein Leben geht es ja nicht.“

„Ich wünsche, es wäre so. Für mich wäre es toll, wenn sich herausstellte, dass ich die uneheliche Tochter eines Königs bin.“

Zara mahnte ihre Schwester, still zu sein, und schaute sich um. Hoffentlich hatte niemand die Bemerkungen gehört. Sie zog Cleo am Arm. „Sag bloß nichts. Wir kennen die Wahrheit nicht. Ich habe zwar einige Briefe, aber sie bedeuten noch lange nicht, dass der König mein Vater ist.“

Cleo wirkte nicht überzeugt. „Wenn du nicht an eine wenn auch nur leise Möglichkeit glaubst, was tun wir dann bitte hier?“

Darauf hatte Zara keine Antwort. „Das hier“ war eine Führung durch den berühmten Königspalast von Bahania. Cleo hatte vorgeschlagen, einfach zum Haupttor zu gehen und um Einlass zu bitten. Zara wollte die Sache vorsichtiger angehen und hatte sich erst mal für diese Tour entschieden. Zumindest könnte sie sich auf diese Weise schon einmal umschauen. Ihre Reise nach Bahania war völlig impulsiv gewesen. Was wollte sie eigentlich hier?

„Du machst mich wahnsinnig“, meinte Cleo. „Immer schon wolltest du wissen, wer dein Vater ist. Jetzt hast du endlich Informationen und bist auf einmal feige.“

Zara schüttelte den Kopf. „Du tust so, als ob das alles schon klipp und klar sei. Ich dachte immer, meine Mutter hätte eine Affäre mit einem verheirateten Mann gehabt und deshalb nie mit mir über meinen Vater geredet. Wenn er wirklich König sein sollte, dann wird alles noch komplizierter.“

„Zara, du kannst ein Märchen erleben“, meinte Cleo ungeduldig. „Wie ich schon sagte: Wer von uns will nicht eine Prinzessin sein? Warum um Himmels willen ergreifst du nicht deine Chance?“

„Weil ich …“

„Prinzessin Sabra! Ich wusste nicht, dass Sie schon angekommen sind.“

Beide Frauen drehten sich zu dem Mann, der auf sie zueilte. Er war klein, Mitte dreißig und trug eine Uniform.

„Man hat mir gesagt, dass Sie bald ankommen würden. Ich hatte schon nach Ihnen Ausschau gehalten, muss Sie aber verpasst haben.“

Der Mann blieb vor ihnen stehen und verbeugte sich.

„Ich bitte tausend Mal um Verzeihung.“

Zara blinzelte. „Es tut mir leid, aber ich glaube, Sie verwechseln mich. Ich bin nicht …“

„Ich bin neu hier“, erwiderte der Mann, ohne auf ihre Worte einzugehen. „Seien Sie bitte nicht böse. Folgen Sie mir.“

Noch bevor Zara protestieren konnte, nahm der Mann ihren Arm und führte sie einen langen Flur entlang. Cleo eilte hinter ihnen her.

„Zara? Was ist los?“

„Keine Ahnung.“ Sie versuchte, sich zu befreien, aber der Mann lockerte seinen Griff nicht. „Sie müssen sich irren. Ich bin nicht die, für die Sie mich halten. Ich bin nur eine Touristin, die den Palast besichtigt.“

Missbilligend schaute der Mann sie an. „Sicher, Prinzessin, aber wenn Sie den Palast besichtigen wollen, dann können Sie einfach Ihren Vater fragen, der jetzt auf Sie wartet.“

„Meinen Vater?“ Zaras Magen verkrampfte sich, und ihr wurde ganz mulmig.

Der Mann führte sie durch eine Vielzahl von Gängen, bis sie endlich in eine Halle kamen, in der einige Leute standen.

„Ich habe Prinzessin Sabra gefunden“, verkündete der Mann und ließ Zara endlich los.

Jeder blickte sie an, und die Gespräche verstummten. Zara spürte, dass gleich etwas Schreckliches geschehen würde.

Und ihre Vorahnung war richtig.

Eine Männerstimme brüllte, dass sie Betrügerinnen seien. Von allen Richtungen kamen Menschen auf sie zu. Zara wusste nicht, was sie tun sollte, als ein großer Mann sich auf sie warf. Unsanft landete sie auf dem Boden.

Ihr Kopf stieß an etwas Hartem an, und alles begann sich zu drehen. Im nächsten Moment konnte sie nicht mehr atmen, und ein Gewehr wurde an ihre Schläfe gehalten.

„Reden Sie!“

Zara versuchte, Luft zu holen, aber ihre Lungen versagten den Dienst. Ihr wurde schwindelig, und ein Panikgefühl machte sich breit. Endlich gelang es ihr, mehrmals tief einzuatmen, und da bemerkte sie erst, dass ein großer wütender Mann sie festhielt. Er hatte die kältesten blauen Augen, die sie je gesehen hatte.

Blau war eigentlich immer meine Lieblingsfarbe, dachte sie verwirrt. Es war die Farbe des Meeres und des Himmels. Die Augen dieses Mannes strahlten jedoch alles andere als Wärme aus.

„Wer sind Sie?“, wollte er wissen.

„Zara Paxton“, erwiderte sie.

Sie schluckte, als er den Kolben des Gewehres stärker an ihre Schläfe drückte.

„Bitte, erschießen Sie mich nicht“, bat sie mit zitternder Stimme. Wo war sie hier nur reingeraten?

Bahania, so hatte sie im Reisekatalog gelesen, war ein sicheres fortschrittliches Land. Vielleicht wurde in den Katalogen nicht die Wahrheit gesagt?

„Was machen Sie hier?“, wollte er wissen, ohne auf ihre Frage einzugehen.

„Meine Schwester und ich haben den Palast besichtigt. Plötzlich kam ein Mann auf uns zu, hat uns von der Gruppe weggezogen und darauf bestanden, dass wir mit ihm gehen sollen.“ Sie vermied es zu erwähnen, dass der Mann sie Prinzessin Sabra genannt und den König erwähnt hatte. Plötzlich klang das einfach zu unglaubwürdig.

Mit seinen kalten Augen sah der Bewaffnete sie intensiv an. Sie zweifelte nicht daran, dass er jeden ihrer Gedanken lesen konnte. Der Mann trug traditionelle orientalische Kleidung – nur seine Gesichtszüge verrieten, dass er nicht von hier war. Er sah irgendwie … amerikanisch aus.

Eine seiner Hände lag noch immer an ihrem Hals, wo er sicher den rasenden Puls fühlen konnte.

„Es tut mir leid“, murmelte der Mann, als er aufstand.

„Mir auch“, murmelte sie, als sie sich langsam aufsetzte und sich zögerlich umsah. Zwei stämmige Wachen hielten Cleo fest, bis der Mann mit den blauen Augen ihnen befahl, sie loszulassen.

Vorsichtig stellte Zara sich auf, denn ihr war noch etwas schwindelig. Cleo kam zu ihr und stützte sie.

„Okay, und was passiert nun, Mr …“ Sie unterbrach sich, als ihr auffiel, dass sie nicht wusste, wie der Mann hieß.

„Rafe Stryker.“

Er gab einige Befehle in einer fremden Sprache, und dann entfernten sich die Leute.

„Kommen Sie“, ordnete er an, ohne abzuwarten, ob sie ihm folgen würden.

Zara erwog kurz wegzulaufen – aber wohin? Sie waren in einem riesigen Palast, in dem sie sich nicht auskannten. Dieser Stryker hatte die Wachen weggeschickt, also schien es nicht so, als ob sie verhaftet würden.

In einem kleinen Büro konnten sie sich schließlich setzen.

„Hier liegt ein Missverständnis vor“, erklärte Zara. „Ich habe eben die Wahrheit gesagt. Meine Schwester und ich haben an einer Palastführung teilgenommen, als wir plötzlich weggezogen wurden. Dann haben Sie und diese Wachen uns angegriffen. Was geht hier eigentlich vor?“

Rafe Stryker rieb sich den Kopf. „Das würde ich auch gern wissen. Haben Sie Ihre Pässe bei sich?“

Zara und Cleo sahen sich an. Sollten sie diesem Mann wirklich ihre Pässe geben?

„Hören Sie, ich werde Ihnen Ihre Dokumente nicht wegnehmen, ich möchte nur einige Anrufe machen.“

„Wir haben wohl keine Wahl“, meinte Cleo kleinlaut. Ihr kurzes blondes Haar war noch wirrer als sonst, und ihre Lippen zitterten.

Zara nickte. Als sie darüber gesprochen hatten, nach Bahania zu reisen, hatte sie sich viele Gedanken gemacht, was alles passieren könnte. Aber im Palast angegriffen zu werden hatte definitiv nicht dazugehört.

Sie holten die Pässe hervor und reichten sie Rafe, der sofort mit dem Telefonieren begann.

Fünf Minuten später brachte eine junge Frau ein Tablett mit kalten Getränken und kleinen Sandwiches. Wortlos stellte sie das Tablett auf einem Tisch vor dem Fenster ab, verbeugte sich und ging aus dem Zimmer. Rafe redete noch, deutete aber an, dass sie sich bedienen sollten.

Daraufhin standen die Schwestern auf und gingen zum Fenster. Cleo, die immer hungrig war, beäugte das Essen und griff nach einem Glas. „Limonade. Wunderbar.“

Zara lief das Wasser im Mund zusammen, und sie nahm auch einen Schluck von dem eiskalten Getränk. Während Cleo in ein Sandwich biss, sah sich Zara das Zimmer ein bisschen genauer an.

Der Raum war mit Computer und Fax ausgestattet. Durch das Fenster sah man auf einen Garten mit verschiedenen Blumen und Obstbäumen.

Sie betrachtete den Mann am Telefon. Von seinem Körper war nicht viel zu sehen, da er ein langes Gewand trug. Sie hatte jedoch seine Stärke gespürt, als er sie festgehalten hatte. Nach seinem Akzent zu urteilen, war er Amerikaner. Seine Haut war gebräunt, aber nicht dunkel. Was machte dieser Rafe Stryker im Königspalast von Bahania, und warum bedrohte er arglose Touristen mit dem Gewehr?

Als ob er ihren Blick ahnte, wandte Rafe sich ihr zu. Zara wollte wegschauen, aber sie konnte sich nicht rühren. Ihr Körper erstarrte, ihr Herzschlag verlangsamte sich.

Rafes Gesichtsausdruck und seiner Körpersprache war keine Regung zu entnehmen. Schließlich legte er den Hörer auf. Zara hatte das Gefühl, dass sie von einem Zauber befreit war. Plötzlich zitterte sie und kam sich verletzlich vor.

„Okay, was macht eine nette kleine Lehrerin wie Sie in Bahania?“, wollte Rafe wissen.

Sie schluckte. „Ich bin keine Lehrerin, ich bin Dozentin am College.“

Er zuckte mit den Achseln als wolle er andeuten, dass er darin keinen Unterschied sah.

Cleo seufzte. „Zara hat verdammt hart gearbeitet, um Dozentin zu werden. Da versteht sie keinen Spaß.“

Als Rafe sie scharf anschaute, trat Cleo sofort einen Schritt zurück.

„Sie ist keine ‚kleine Lehrerin‘“, insistierte sie jedoch tapfer. „Und außerdem ist der König wahrscheinlich ihr Vater. Sie wollen doch nicht, dass er sich über Sie ärgert, oder?“

„König Hassan ist Ihr Vater?“

Die Frage klang leicht amüsiert, und Zara zuckte zusammen. Sie stellte ihr Glas ab und nahm eine kerzengerade Haltung ein. Jetzt reichte es.

„Ich sage Ihnen, was hier los ist: Meine Schwester und ich sind amerikanische Staatsbürgerinnen und nahmen an einer Besichtigungstour des Palastes teil. Von dieser Tour wurden wir ohne Erklärung weggezerrt und in den privaten Teil des Palastes gebracht. Dort wurden wir angegriffen. Nun haben Sie unsere Pässe an sich genommen. Ich möchte sie sofort zurückhaben, und dann will ich unverzüglich aus dem Palast gebracht werden.“

„Zara!“ Cleo zog die Stirn in Falten. „Was ist mit dem König?“

„Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt“, erwiderte sie und schaute nicht ihre Schwester, sondern Rafe an, der von ihrer Rede nicht im Geringsten beeindruckt schien.

Zu ihrer Überraschung gab er ihr die Pässe.

Zara griff nach den Dokumenten und steckte sie in die Handtasche. „Können wir jetzt endlich gehen?“, fragte sie.

„Erst wenn ich die ganze Geschichte gehört habe.“

„Es gibt keine Geschichte.“

„Denk an die Briefe“, warf Cleo ein und wandte sich dann an Rafe: „Zara hat Briefe von König Hassan an ihre Mutter.“

Rafe sah sich die Schwestern genau an. Cleo, die jüngere, war klein und blond und hatte eine kurvenreiche Figur, bei deren Anblick den Männern das Wasser im Mund zusammenlief. Doch Rafe war eher an der großen schlanken Brünetten interessiert.

Er konnte leicht erkennen, warum der Wächter sie für Prinzessin Sabra gehalten hatte. Zara war nur etwas größer. Doch die Farbe ihrer Haut und ihre Züge stimmten exakt mit denen der Prinzessin überein. Beide hatten große braune Augen und die gleiche Gesichtsform. Die Amerikanerin trug jedoch eine Brille, was die Prinzessin nicht tat. Obwohl er mit Prinzessin Sabra schon engen Kontakt gehabt hatte, hatte sein Körper noch nie auf sie reagiert. Die wenigen Momente der Nähe zu Zara Paxton hatten ihn allerdings … fasziniert.

Zara seufzte und holte einen Stapel Briefe aus der Tasche.

„Meine Mutter hat mir nie gesagt, wer mein Vater ist. Es gab keine Fotos oder Erinnerungsstücke von ihm. Sie hat mir auch nicht viel über ihre gemeinsame Zeit erzählt, sodass ich davon ausging, dass er ein wohlhabender verheirateter Mann gewesen war. Meine Mutter war Tänzerin und sehr schön, Männer waren gleich haufenweise an ihr interessiert. Sie hatte einige wertvolle Schmuckstücke. Die meisten verkaufte sie über die Jahre, um unser Auskommen zu sichern. Vor acht Jahren starb sie, und ich dachte, dass damit auch das Wissen um meinen Vater mit ihr gestorben war.“

„Und warum sind Sie jetzt hergekommen?“, unterbrach Rafe sie, während er sich fragte, worum sie bitten wollte. Wann hatte sie gemerkt, dass sie eine starke Ähnlichkeit mit Prinzessin Sabra hatte, und wann hatte sie beschlossen, dies auszunutzen? Stammte der Plan von ihr oder der Schwester?

„Meine Mutter hatte die Briefe mit einigen Andenken bei einem Anwalt hinterlegt. Ich habe erst vor einigen Monaten von ihrer Existenz erfahren, als der Anwalt eine Rechnung für die Aufbewahrung schickte. Ich ließ mir die Gegenstände zusenden und las die Briefe. Da erkannte ich …“

„Dass Sie die Tochter des Königs sein könnten. Darf ich die Briefe sehen?“

Zara schüttelte den Kopf. „Wissen Sie, was ich wirklich möchte?“

Ungefähr fünf Millionen Dollar, dachte Rafe zynisch.

„Ich würde gern in mein Hotel gehen und vergessen, dass dies je geschehen ist.“

„Was?“, rief Cleo empört.

Zara achtete nicht auf sie. „Das alles war ein Irrtum. Ich möchte nach Hause. Können Sie uns aus dem Palast bringen?“

Rafe überlegte. Vielleicht brauchte sie Zeit, um sich eine bessere Geschichte auszudenken? Oder sie bereitete einen Auftritt in den Medien vor. Er sollte die Lady besser nicht allein herumlaufen lassen.

„Kann ich Sie zum Hotel bringen? Sozusagen als Entschuldigung?“

„Zeigen Sie uns nur den nächsten Ausgang, dann kommen wir zurecht.“

„Ich würde Sie lieber begleiten.“

Nicht ganz glücklich stimmte Zara zu. Rafe wollte sich kurz umziehen und in zehn Minuten zurückkommen.

„Was machst du nur?“, fragte Cleo, als sie alleine waren. „Warum willst du ins Hotel zurück? Zara, du hast die Chance, den König zu treffen.“

„Verstehst du denn nicht? So wie Stryker uns angesehen hat, denkt er bestimmt, dass wir Geld wollen.“

Cleo grinste. „Gehört das nicht zu einer Prinzessin dazu?“

„Ich meine es ernst. Er glaubt uns nicht. Der Typ denkt, wir wollen den König erpressen.“

Vor ihrer Reise nach Bahania hatte sie im Kopf sämtliche mögliche Szenen durchgespielt. Sie hatte sich vorgestellt, dass der König ihr sagte, dass sie nicht seine Tochter sei. Oder dass er zugab, ihr Vater zu sein, aber nichts mit ihr zu tun haben wollte. Vielleicht würde er sie auch für verrückt halten. Dass jemand glauben würde, sie wolle Geld herausschlagen, daran hatte sie allerdings nie gedacht.

„Warum konnte Mom sich nicht in einen Banker oder Beamten verlieben? Warum musste es ausgerechnet der König von Bahania sein?“

Cleo schwieg. Zara wusste, dass ihre Schwester nicht verstand, warum sie nicht einfach zum König marschierte und ihm verkündete, dass sie seine Tochter sei. Als ob Zara die Möglichkeit hätte, einem Mitglied der königlichen Familie näherzukommen. Außerdem verstand Cleo nicht ihre zwiespältigen Gefühle. Aus einer Entfernung von fünftausend Meilen hatte alles anders ausgesehen.

Rafe kam zurück. „Sind Sie fertig?“

Cleo blickte zu Zara, die sprachlos war. Mit der traditionellen Kopfbedeckung und dem arabischen Gewand hatte Rafe groß und Furcht einflößend ausgesehen. Aber in diesem gut sitzenden Anzug sah er einfach … fantastisch aus.

Sein goldblondes Haar war wie beim Militär kurz geschnitten, was gleichzeitig seriös und sexy aussah. Sein Kinn war kantig, der Mund perfekt, und der Blick aus seinen kalten Augen wühlte Zaras Innerstes auf.

Noch niemals hatte sie das Gefühl gehabt, in der Gegenwart eines Mannes zu schmelzen, aber jetzt schienen sich ihre Knochen aufzulösen. Sie konnte sich nicht bewegen und keinen klaren Gedanken mehr fassen.

2. KAPITEL

„Cool! Eine Limousine!“

Cleo strahlte, als sie aus einem Seiteneingang des Palastes kamen und das Fahrzeug entdeckten. Doch Zara konnte sich nicht darauf konzentrieren, da sie mit dem bloßen Luftholen beschäftigt war. Die Nähe zu dem gefährlichen und mysteriösen Rafe Stryker raubte ihr den Atem.

Was stimmte nicht mit ihr? Warum reagierte sie so auf den Mann? Natürlich – er hatte sie angegriffen und zu Boden geworfen, das würde jeden aus der Fassung bringen. Aber darüber sollte sie jetzt eigentlich hinweg sein. Vielleicht hatte ihr Gehirn bei dem Sturz einen Schaden erlitten?

Cleo stieg zuerst in den Wagen. Leider setzte sie sich hinter den Fahrer, sodass Zara neben Rafe sitzen musste. Sie rückte so weit es ging von ihm ab, denn sie brauchte Distanz, um klar denken zu können.

„Ich hätte zu Hause bleiben sollen“, platzte sie heraus.

Rafe blickte sie an. „Dafür ist es jetzt zu spät.“

Langsam fuhr der Wagen an. Cleo beugte sich nach vorn und schaute aus dem verdunkelten Fenster.

„Bahania ist ein schönes Land. Mir gefällt es hier“, meinte sie. Sie lehnte sich zurück und berührte das gepflegte Leder. „Hält der König wirklich Dutzende Katzen im Palast?“

Rafe nickte. „Sie gelten als besonderer Schatz.“

„Glückliche Katzen“, meinte Cleo und grinste Zara an.

Zara wollte antworten, aber ihre Kehle war wie ausgetrocknet. Ihr Herzschlag hatte sich endlich normalisiert, aber jetzt musste sie sich auf ihre Atmung konzentrieren.

„Wie haben Sie sich denn informiert?“, erkundigte sich Rafe.

„Hauptsächlich über das Internet. Zara hat in der Universität einige Bücher durchgeforstet, ich habe online gesucht. Es war nicht schwierig, denn es gibt viele Informationen über die Geschichte des Landes und die königliche Familie. Wir haben uns Fotos heruntergeladen.“

Zara fand, dass Cleo die Lage nur noch verschlimmerte, aber das konnte sie ihr schlecht sagen. Nicht vor Rafe, der ja bereits der Auffassung war, sie wären nur des Geldes wegen hier. Jetzt dachte er sicher, sie würden die neuesten Technologien einsetzen, um ihren Plan auszuführen. Nun, sie konnte ihm kaum einen Vorwurf machen, denn von seinem Standpunkt aus gab es sicher keine andere Erklärung.

Sie sollten nach Hause zurückkehren. Es war verrückt, zu glauben, dass die Sache klappen würde. Selbst wenn König Hassan ihr Vater wäre, würde sie kaum mit ihm in Verbindung treten können, weil es zu viele Bewacher gab. Achtundzwanzig Jahre war sie ohne Vater ausgekommen, dann würde ihr das auch weiter gelingen.

Die Limousine hielt vor dem Hotel. Zara bemerkte, dass sie Rafe gar nicht gesagt hatten, wo sie wohnten. Dass er diese Information so schnell herausbekommen hatte, bestärkte sie in ihrem Wunsch abzureisen. Zu Hause war sie sicher, und in Bahania war sie eindeutig fehl am Platze.

Rafe stieg aus und hielt ihnen die Tür auf. Zara zwang sich, freundlich zu lächeln, als sie ihm für die Fahrt dankte.

„Sie waren sehr nett“, meinte sie. „Wir werden Sie nicht mehr belästigen.“

Doch er stieg nicht wieder ein, sondern nahm sie am Arm und führte sie zu dem kleinen Hotel. „Ich glaube, wir haben noch ein bisschen was zu bereden“, meinte er, während Cleo hinterherkam.

Zara wollte sich aus seinem Griff befreien, vergebens. Sicher wollte er sie nur erschrecken, damit sie endlich abreisten. Wenn sie mit ihm allein gewesen wäre, hätte sie ihm mitgeteilt, dass er sich keine Sorgen machen musste. Sie würde mit Cleo so schnell wie möglich in die Staaten zurückkehren.

Sie gingen durch die Lobby zum Fahrstuhl. Zara bemerkte Rafes Blick auf die etwas schäbige Einrichtung.

„Nur weil wir begrenzte Mittel haben, bedeutet das noch lange nicht, dass wir hinter Geld her sind“, sagte sie ärgerlich. „Sie haben kein Recht, mich zu verurteilen.“

Sie begegnete seinem Blick und reckte sich stolz.

Da öffneten sich die Türen des Fahrstuhls, und die Spannung verschwand.

„Mr Stryker, kennen Sie den König persönlich?“, fragte Cleo.

„Ja.“

Cleo lachte. „Sie sind nicht gerade sehr gesprächig, was? Aber egal, wie verärgert Sie auch sein wollen – Zara ist wirklich seine Tochter. Sie hat Briefe und einen Ring. Sie können das gleich persönlich überprüfen. Und danach werden Sie erkennen, dass meine Schwester keine Hochstaplerin ist, sondern die Wahrheit sagt.“

Zum ersten Mal entspannte Zara sich. Vielleicht sollte sie doch noch nicht davonlaufen.

Sie wandte sich an den Mann, der sie immer noch am Arm hielt. „Sind Sie bereit, sich unsere Unterlagen anzusehen? Obwohl Sie schon einen Schluss gezogen haben?“

„Auf jeden Fall.“

„Und wenn Sie feststellen, dass Sie unrecht hatten?“

„Darüber reden wir dann.“

Dreißig Minuten später war Rafe sich in der Tat nicht mehr so sicher, ob das Ganze ein Schwindel war. Er betrachtete das Dutzend Briefe, das er von Zara erhalten hatte. Besonders die Bemerkungen über die Katzen fielen ihm auf. Gut, sämtliche Informationen hätte man durch sorgfältige Nachforschungen erhalten können. Die Handschrift allerdings … sie glich der von Hassan doch auf frappierende Weise. Und auch der Satzbau entsprach der Ausdrucksweise des Königs. Am meisten überzeugte ihn jedoch sein Gefühl.

Jahrelange Erfahrung hatte ihn gelehrt, seinem Instinkt zu folgen. Dadurch hatte er sein Leben schon mehr als einmal retten können. Obwohl er zunächst angenommen hatte, dass Zara und ihre Schwester auf Geld aus waren, konnte es doch sein, dass er sich geirrt hatte.

„Haben Sie sonst noch etwas?“, fragte er und schaute auf die beiden Frauen.

Zara holte ein weiteres Papier aus der Tasche. „Hier ist eine Liste der Schmuckstücke, die meine Mutter verkauft hat. Wahrscheinlich ist sie nicht vollständig, denn vielleicht hat sie schon einiges vor meiner Geburt veräußert oder als ich noch sehr jung war. Dann habe ich noch das hier.“

„Das“ war ein Diamantring mit der Inschrift für immer auf der Innenseite.

Zara hatte die Hände gefaltet und betrachtete Rafe. Sie trug ein leichtes pfirsichfarbenes Baumwollkleid und Sandalen. Das lange Haar fiel ihr über den Rücken. Ihre dunklen Augen und ihr honigfarbener Teint glichen dem von Prinzessin Sabra, der einzigen Tochter des Königs.

Rafe war sich plötzlich sicher. Die Kombination aus der äußeren Ähnlichkeit und dem vorliegenden Beweismaterial ließen den Schluss zu, dass Zara genau die Person war, die sie vorgab zu sein. Himmel, wie würde der König darauf reagieren?

„Was hat Ihre Mutter über Ihren Vater erzählt?“

„Sie hat fast nie über ihn gesprochen. Wenn ich Fragen stellte, antwortete sie mir immer nur, dass sie nicht zusammen sein konnten und dass mein Vater nichts von meiner Existenz wusste. Meistens fragte ich, ob er mich wohl haben wollte, wenn er herausfände, dass er eine Tochter hat. Meine Mutter bejahte das immer, aber ich wusste nie, ob das nur ihre Interpretation war oder ob es wirklich stimmte.“

„Erinnern Sie sich an Geschichten, die Ihre Mutter über Ihren Vater erzählte?“, wollte Rafe nun von Cleo wissen.

Cleo lächelte. „Ich habe nicht das Glück, mit Königen verwandt zu sein. Tut mir leid.“

„Cleo ist meine Pflegeschwester“, erklärte Zara.

„So ist es. Fiona nahm mich zu sich, als ich zehn war. Da ich kein Zuhause hatte, beschloss sie, mich zu behalten.“

Diese Erklärung erfolgte in einem fröhlichen Ton, aber Cleos Augen drückten Traurigkeit aus. Rafe betrachtete ihr hübsches rundliches Gesicht, die großen Augen, das blonde Haar und die vollen Lippen. Sie sah völlig anders aus als Zara.

Zara schaute ihre Schwester an. „Cleo kam als Pflegekind zu uns, wurde aber schnell ein Mitglied der Familie.“

„Sie sind also nicht blutsverwandt.“

„Nein.“ Sie wollte noch etwas sagen, unterbrach sich jedoch sofort und stand auf. „Ach, ich möchte so schnell wie möglich wieder nach Hause“, meinte sie und ging zum Balkon.

Cleo seufzte. „Seit wir Spokane verlassen haben, verhält sich Zara so. Natürlich kann man leicht sagen, dass man den eigenen Vater kennenlernen will, aber wenn es dann geschehen soll, ist es etwas anderes. Das sagt sie zumindest. Für mich wäre es kein Problem, mit der königlichen Familie verwandt zu sein, aber Zara war immer schon die sensiblere von uns beiden.“

Sensibel? Damit hatte Rafe nichts am Hut. Warum zum Teufel musste er vorhin auch anwesend sein, als die Wache Zara brachte? Hätte nicht ein anderer Zara angreifen und für diesen Schlamassel verantwortlich sein können?

Vor sich hin murmelnd, ging auch Rafe auf den kleinen Balkon. Sofort nahm ihn die Hitze draußen in Beschlag. Zara schien davon nichts zu merken, sie starrte in die Ferne.

„Ich möchte nicht, dass Sie dem König etwas von dem allen hier berichten“, forderte sie Rafe auf, ohne ihn anzusehen.

„Das kann ich nicht.“

Nun drehte sie sich zu ihm. „Warum? Es bedeutet doch nichts. Er hat schon eine Tochter und braucht nicht noch eine. Außerdem wäre ich sicher keine gute Prinzessin.“

„Doch, das wären Sie.“

Rafe bewegte sich unruhig. Frauen, die so aussahen, als könnten sie gleich weinen, ging er lieber aus dem Weg.

Sie schluckte. „Glauben Sie, dass er wirklich …“

„Ja, Zara, ich glaube, König Hassan könnte Ihr Vater sein.“

„Ich wollte immer eine komplette Familie haben, Verwandte, väterliche Wurzeln und das alles. Aber so habe ich es mir nicht vorgestellt, nicht … mit einer königlichen Familie. Ich wollte eine ganz normale amerikanische Familie. Eine mit vielen Kindern und zwei oder drei exzentrischen Verwandten.“

Ihr Profil war einfach perfekt. Er blickte auf ihren sanft geschwungenen Mund und ihren schlanken Hals. Etwas regte sich in ihm. Etwas, das nichts mit seinen Überlebensinstinkten zu tun hatte, sondern damit, dass er ein Mann war.

Eine leichte Brise brachte ihm ihren Duft. Den hatte er bereits bemerkt, als er sich auf sie gestürzt hatte.

Sie blickte ihn an. „Was ist, wenn mir das alles zu viel wird?“

Autor

Susan Mallery

Die SPIEGEL-Bestsellerautorin Susan Mallery unterhält ein Millionenpublikum mit ihren Frauenromanen voll großer Gefühle und tiefgründigem Humor. Mallery lebt mit ihrem Ehemann und ihrem kleinen, aber unerschrockenen Zwergpudel in Seattle.

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