Unerhört reich, verboten sexy

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"530 000. Wer bietet mehr?" "Eine Million Dollar." Entsetzt mustert Vanessa den attraktiven Fremden. Sie wollte das Manuskript ersteigern, das der verunglückte Vater ihrer kleinen Zwillinge verfasst hat. Warum schnappt dieser arrogante Chase Harrington es ihr weg? Als der Selfmade-Milliardär sie zu einer Party einlädt, hofft sie, dass er es ihr vielleicht doch noch überlässt. Aber dann wecken seine tiefblauen Augen und stahlharten Muskeln plötzlich ganz andere Sehnsüchte in ihr. Will sie wirklich noch das Manuskript - oder will sie diesen Mann?


  • Erscheinungstag 05.11.2013
  • Bandnummer 1792
  • ISBN / Artikelnummer 9783733720063
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Eine halbe Millionen sind geboten, Ladies und Gentlemen. Bietet jemand mehr?“

Der Bariton des Auktionators übertönte das Wispern der aufgeregten Menge, die sich bei Waverlys versammelt hatte. Chase Harrington konnte spüren, wie diese Aufregung von jedem der Bieter im Saal Besitz ergriff.

Das mit handgeschriebenen Notizen versehene Manuskript von D. B. Dunbar war ein Riesencoup für Waverlys – eines der ältesten und skandalträchtigsten Auktionshäuser New Yorks. Alle Welt war ebenso geschockt wie fasziniert gewesen von Dunbars plötzlichem Tod im Oktober. Der berühmte 30-jährige Kinderbuchautor war bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen. Doch nach den üblichen Beileidsbekundungen hatten sich die Presse und das öffentliche Interesse schnell einem anderen Thema zugewandt. Hatte der zurückgezogen lebende Autor ein viertes Buch in seiner beliebten Serie Charlie Jack: Teenage Ninja Warrior hinterlassen? Unzählige Facebook-Fanseiten, laufende Twitter-Kommentare und etliche Fanfiction-Seiten kannten kein anderes Thema mehr. Alle wollten wissen, ob dieses vierte Buch existierte und wenn ja, ob und wann es veröffentlicht würde.

Chase verkrampfte die Finger um seine Bieterkarte. Er war nervös wie ein Teenager vor dem ersten Date. Nach dem Tod des Autors hatte ein entfernter Cousin die Bühne betreten, der sowohl dem Geld als auch dem Ruhm nachjagte. Ein Walter … Walter … Shalvey. Ein selbstverliebter Widerling, der leider nur zu genau wusste, wie man die Medien so geschickt fütterte, dass die Story monatelang im Fokus der Öffentlichkeit blieb. Dank äußerst lukrativer Tantiemen und weiterer Einnahmen aus allen Lizenzen für die ersten drei Bücher hatte der Kerl bereits ausgesorgt. Und jetzt gab es auch noch ein viertes Buch, das Dunbars Agent gerade letzte Woche für eine siebenstellige Summe verkauft hatte. Es sollte im April erscheinen.

Was viel zu spät war.

Chase blickte sich ungeduldig in dem überfüllten Saal um. Die Auktion war nur für geladene Gäste, und Chase hatte bereits einen Politiker und diverse Leute aus der Schickeria erkannt sowie einen Schauspieler, von dem es hieß, er wäre an den Filmrechten interessiert.

Der zurückhaltende Dunbar würde sich angesichts dieser Meute vermutlich im Grabe umdrehen.

„Weitere Gebote?“ Der Auktionator hob den Hammer.

Chase kämpfte, um seinen neutralen Gesichtsausdruck zu behalten. Das Manuskript würde ihm gehören. Er konnte es schon beinahe in den Händen spüren.

„510.000 Dollar. Vielen Dank, Ma’am.“

Das vereinte Aufkeuchen der Menge übertönte Chases leisen Fluch. Er umklammerte seine Bieterkarte noch fester und hob sie.

Der Auktionator nickte ihm zu. „Fünfhundert und zwanzig.“

Die gut angezogene Blondine neben ihm blickte von ihrem Handy auf. „Sie wissen schon, dass das Buch in sechs Monaten rauskommt?“

„Ja.“

Sie schien auf mehr zu warten, doch als Chase schwieg, zuckte sie nur mit den Schultern und wandte sich wieder ihrem Handy zu.

Ein Murmeln ging durch die Menge, dann … „Fünfhundert und dreißig.“

O nein, du bekommst es nicht. Chase hob erneut seine Karte und verfolgte dann den Blick des Auktionators.

Seine Rivalin befand sich am anderen Ende des Saals und lehnte mit dem Rücken an der Wand. Zierlich, große Augen, feuerrote Haare, die zu einem ordentlichen Knoten gebunden waren, und ein grimmig entschlossener Ausdruck im Gesicht. All das nahm er in wenigen Momenten auf, gefolgt von einem seltsamen Gedanken. Dieses schwarze Kostüm passt nicht zu ihrer blassen Haut, dachte er.

Wie auch immer, sie war wild entschlossen – so, wie sie ihn wieder überbot und dabei erst die Augenbrauen hob, bevor sie das Kinn herausfordernd reckte.

Außerdem war sie sehr darauf bedacht, eine stolze und unnahbare Fassade aufrechtzuerhalten. Eine Frau, die es gewohnt war zu bekommen, was sie wollte.

Und wie aus dem Nichts überfiel ihn die Erinnerung. Er presste die Lippen aufeinander, als ihm unendlich viele Bilder durch den Kopf gingen.

O nein. Du bist keine sechzehn mehr, und sie ist definitiv keine von den Perfekten.

Die Perfekten … Mann, er hatte jahrelang nicht mehr an diese drei Idioten und ihre gehässigen Freundinnen gedacht. Perfektes Aussehen, perfekte Umgangsformen und ebenso perfekt darin, jeden auszuschließen, der nach ihren Standards unzureichend war. Die verdammten Perfekten hatten seine Highschoolzeit zur Hölle werden lassen. Fast hätte er sie nicht durchgestanden.

Wütend blitzte er die Frau an, registrierte die vertraut arrogante Neigung des Kinns, das Anspruchsdenken, das sie ebenso wie die absolute Beherrschung der Situation ausstrahlte, die Überlegenheit, mit der sie auf alle anderen im Saal herabschaute. Sie musterte ihn und fällte ihr Urteil: mangelhaft. Unzumutbar. Unwürdig.

Mann, reiß dich zusammen. Dieses Leben liegt lange hinter dir. Du bist nicht mehr der hilflose Junge aus der Unterschicht, dachte er.

Und doch konnte er den Blick nicht von ihr abwenden. Er biss die Zähne so fest aufeinander, dass ihm der Kiefer schmerzte.

Endlich riss er sich von ihr los und blickte wieder zum Auktionator. „Eine Million Dollar“, rief er ihm zu.

Die Welle der Überraschung wuchs sich zu einem Tsunami aus. Chase warf seiner Rivalin einen ausdruckslosen Blick zu. Versuch das zu überbieten, Prinzessin.

Sie blinzelte. Einmal, zweimal. Sie musterte ihn aus ihren riesigen Augen so intensiv, dass er spürte, wie er die Brauen runzelte. Dann wandte sie sich dem Auktionator zu und schüttelte den Kopf.

Wenige Augenblicke später war es vorbei.

Ja! Das Gefühl des Siegs war süß, als er aufstand.

„Glückwunsch“, sagte die Blondine, während sie ihm durch die Menge nach vorn folgte. „Obwohl ich eine Million für was Besseres ausgeben würde.“

Chase lächelte ihr kurz zu und schaute sich dann im Saal um.

Sie war verschwunden.

Er suchte die Menge ab. Blondine. Blondine. Brünette. Nicht Rot genug. Ah …

Sein Blick verweilte, und als die Leute sich endlich bewegten, teilte sich die Menge und gewährte ihm eine bessere Sicht.

Sie unterhielt sich mit einer großen Blondine in einem gut geschnittenen Hosenanzug, und als die Frau sich umdrehte, erkannte er sie.

Ann Richardson, die Geschäftsführerin von Waverlys mit dem angekratzten Ruf.

In den vergangenen Monaten hatte er mehr als genug über Waverlys in den Zeitungen gelesen. Filmstars, Skandale, eine verschwundene Goldstatue. Verrücktes Zeug, das ins Reich von Bestsellern gehörte und nicht in die Realität. Manchmal konnte er selbst kaum glauben, dass er sich in diesen Kreisen bewegte.

Aber er wusste nur zu gut, wie die Kehrseite davon aussah, insbesondere wenn es um viel Geld ging. Man musste nur Ann Richardson als Beispiel nehmen – eine ehrgeizige, charismatische Frau, die dank ihrer angeblichen Affäre mit Dalton Rothschild den guten Ruf von Waverlys aufs Spiel gesetzt hatte.

Er runzelte die Stirn. Irgendwas störte ihn an Rothschild. Sicher, dessen Charme war ebenso überwältigend wie sein Talent als Geschäftsmann, aber Chase hatte noch nie gemocht, wie der Mann das Scheinwerferlicht suchte.

Während er mehr Glückwünsche und Handschläge über sich ergehen ließ, sah er wieder zu den beiden Frauen hinüber und bemerkte, wie vertraut sie sich miteinander unterhielten. Ann legte eine Hand auf den Arm der Rothaarigen. Beide lächelten. Dann steckten sie die Köpfe zusammen und tauschten eilige Worte miteinander aus, begleitet von verstohlenen Blicken, die nur bedeuten konnten, dass es um etwas sehr Persönliches ging.

Erste Zweifel stiegen in ihm auf.

Chase zog sein Handy aus der Tasche und gab vor, seine Anrufe zu checken, während er die beiden Frauen genauer musterte.

Einem unaufmerksamen Beobachter mochte die Rothaarige makellos erscheinen. Aber Chase suchte nach Auffälligkeiten, und bald erspähte er auch welche. Ein loser Faden an einem Ärmelaufschlag, Knitterfalten im Jackett. Und die Handtasche ließ an den Ledergriffen deutliche Abnutzungsspuren erkennen.

Sein Blick blieb an ihren Beinen hängen, und er bewunderte die schlanken Waden, bevor er den Blick weiter hinabwandern ließ. Schuhe mit unglaublich hohen Absätzen, glänzend und offensichtlich teuer. Und irgendwie vertraut.

Die Modedesignerin, mit der er vor ein paar Jahren zusammen gewesen war, hatte eine Leidenschaft für Schuhe gehabt. Und sie hatte genau solche besessen – in fünf verschiedenen Farben. Wenn die Schuhe echt waren, dann waren sie wenigstens drei Jahre alt. Sollten sie eine Fälschung sein, warf das nur noch mehr Fragen auf.

Die Rothaarige verlagerte das Gewicht von einem Fuß auf den anderen und zuckte zusammen, ein sicheres Anzeichen dafür, dass ihr die Füße in diesen Schuhen schmerzten. Eine Frau also, die es nicht gewohnt war, so ausgefallene Schuhe zu tragen. Eine Frau, die definitiv keine halbe Million Dollar übrig hatte.

Er hatte oft genug erlebt, wie Geschäfte unter der Hand gemacht wurden, und so verdichteten sich seine kleinen Beobachtungen schnell zu einem ausgewachsenen Verdacht.

Wut flammte in ihm auf. Zufall? Keine Chance. Hinter jeder Handlung steckte eine Absicht, er glaubte nicht an Schicksal. Die Rothaarige verfolgte einen Plan. Ihr widersprüchliches Erscheinungsbild, die Verbindung zu Ann Richardson, zusammengenommen mit Ann Richardsons beschmutztem Ruf …

Wut und Widerwille breiteten sich in ihm aus. Wenn Richardson sich darauf verlegt hatte, die Gebote künstlich in die Höhe zu treiben, würde er sie damit nicht durchkommen lassen.

Verloren, verloren, verloren. Vanessas rote High Heels schlugen im Takt zu dem Wort auf den Boden des Flurs, während sie die Halle durchquerte und versuchte, ihre Enttäuschung herunterzuschlucken.

Das Wiedersehen mit Ann Richardson, der Zimmergenossin ihrer Schwester im College, hatte sie ihr Versagen kurz vergessen lassen. Ein paar Momente lang war sie einfach nur Juliets Schwester gewesen, hatte freundlichen Smalltalk gemacht und die letzten Neuigkeiten ausgetauscht.

„Juliet ist für ein paar Wochen in Washington“, hatte Vanessa gesagt. „Du solltest sie mal anrufen, und wir könnten uns alle zum Essen verabreden. Das heißt“, fügte sie etwas verspätet an, als ihr die letzten Schlagzeilen wieder einfielen, „wenn du nicht zu beschäftigt bist.“

Ann lächelte. „Ich bin immer vielbeschäftigt. Aber der Gedanke ist verlockend. Mal aus der Stadt rauszukommen, täte mir sicher gut.“

Vanessa wusste nur zu gut, wie sich das anfühlte.

Sie unterhielten sich über die Auktion und dann über Vanessas Familie, bis sie bedauernd ihren Abflug erwähnte und Ann ihr ihren Wagen angeboten hatte. Sie wollte schon ablehnen, aber ein Wagen mit Chauffeur hatte mehr Privatsphäre als ein New Yorker Taxi.

Privatsphäre, um sich in ihrem Versagen zu suhlen.

Fort, fort, fort, klapperten ihre Absätze auf dem weißen Marmorboden.

Sie war mit dem Gebot so hoch gegangen, wie sie konnte, aber selbst der Treuhandfonds ihrer Großmutter war begrenzt. Tut mir leid, Meme. Sie seufzte und zog den Gürtel ihres Mantels fest. Ich weiß, du hast geglaubt, ich wär verrückt, weil ich was von dem Mann wollte. Aber du hast immer gesagt, dass ein Familienerbstück das größte Geschenk ist, was man seinen Kindern geben kann.

Und alles, was sie für ihre Mühe bekommen hatte, waren schmerzende Muskeln von ihrer verkrampft aufrechten Haltung, eine schmerzvolle Belohnung für die vertraute Ausstrahlung von Kühle und gelangweiltem Überdruss, die alle neugierigen Beobachter fernhalten sollte.

Sie behielt den flotten Schritt bei, und ihr Gesicht war noch immer angespannt, als sie an einem reich verzierten Spiegel vorbeikam.

Sie hatte ihr Scheingesicht lange nicht aufsetzen müssen, aber alte Gewohnheiten waren schwer totzukriegen. Ist ja auch klar. Diese Dinge sind mir seit meiner Kindheit eingehämmert worden, seit ich fünf war, dachte sie. Und weitere zweiundzwanzig Jahre lang hatte sie den äußeren Schein gewahrt und danach gelebt. „Du bist eine Partridge“, hatte der Lieblingsvortrag ihres Vaters stets begonnen. „Deine Vorfahren haben zu den Gründungsfamilien der großartigen Stadt Washington gehört. Du darfst weder Schwäche noch Verletzlichkeit zeigen, und du darfst nie, niemals etwas tun, um das Andenken deiner Ahnen zu beschmutzen.“

Sie griff nach der Türklinke, während ihre Gefühle Achterbahn fuhren. Nun, sie hatte es geschafft, dieses Andenken gehörig zu beschmutzen; sie hatte nicht nur eine Karriere im Rechtswesen für ein Lehrerstudium an den Nagel gehängt und dann auch noch die Stelle gekündigt, die ihr Vater ihr an der angesehenen Winchester Privatschule verschafft hatte: Nein, sie war allein, unverheiratet und schwanger geendet. In den Augen des großen Allen Partridge war das schlimmer als ihr Job an der Bright Stars Vorschule. Er hatte sie seine Verachtung und Enttäuschung spüren lassen, bis sie sich endlich zum Auszug durchgerungen hatte.

„Entschuldigung.“ Eine große männliche Hand legte sich plötzlich auf die Tür und schob sie zu.

„He, was fällt Ihnen …?“ Sie wirbelte herum, doch der Rest des Satzes blieb ihr im Halse stecken, als sie in ein Paar wütender blauer Augen starrte. Attraktives Gesicht. Sehr attraktives Gesicht. Halt, stopp! Das da vor ihr war Mr Eine-Million-Dollar, der selbstgefällige Anzugtyp, der ersteigert hatte, was ihr hätte gehören sollen. „… eigentlich ein?“, beendete sie verärgert den Satz.

Sie verlagerte ihr Gewicht und schuf so etwas Abstand zwischen ihnen. Ihre Finger krampften sich um den Griff der Handtasche.

Aus jeder Pore des gut gekleideten Mannes strahlte ihr Feindseligkeit entgegen. Breite, gestraffte Schultern und kühle Arroganz in einem verblüffend beeindruckenden Gesicht. Gebräunte Haut, ein Kinn wie gemeißelt. Die Künstlerin in ihr hielt inne und bewunderte die Aussicht. Klassisch attraktiv …

„Wer sind Sie?“, fuhr er sie an.

Sie blinzelte, und der Bann war gebrochen. „Das geht Sie gar nichts an. Und wer sind Sie?“

„Jemand, der Ihnen viele Unannehmlichkeiten bereiten kann. Woher kennen Sie Ann Richardson?“

Vanessa schob den Gurt ihrer Handtasche hoch über eine Schulter. „Ich kann mich nur wiederholen: Das geht Sie nichts an. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden?“

Der Mann weigerte sich, ihr aus dem Weg zu gehen und versuchte stattdessen sie niederzustarren.

Tja, viel Glück damit, Kollege.

Sie hob herablassend eine Augenbraue und verschränkte dann langsam die Arme. „Muss ich erst den Wachschutz rufen?“

„Oh, tun Sie sich keinen Zwang an. Ich bin mir sicher, dass die sich gern Ihre Story anhören.“

Wie bitte? Verwirrung stieg in ihr auf, gefolgt von Sorge. Sie sog scharf die Luft ein. „Ich weiß ja nicht, für wen Sie mich halten oder was Sie glauben, dass ich …“

Er schnaubte. „Hören Sie doch mit dem Mist auf. Ich weiß genau, was Sie getan haben. Die Frage ist, ob Sie reinen Tisch machen wollen oder ob ich für Sie die Wahrheit aussprechen muss?“

Die Kälte seiner Stimme passte zu der in seinen Augen und drang mit einem Schnitt durch ihre Rüstung.

„Reinen Tisch machen?“ Selbst in ihren Ohren klang sie schwach.

„Ja, genau. Und ich kann sicher auch ein paar Journalisten auftreiben, die an der Story interessiert sind.“

Der Schock nahm ihr den Atem und die Worte. Woher kannte er die Wahrheit? Niemand kannte sie! Sie krampfte eine Hand um ihren Wollkragen.

Doch als er da so stand, selbstgerecht und wütend und mitten in ihrer Wohlfühlzone, drang durch ihre Empörung und ihre Furcht eine Erinnerung. Was hatte ihr Vater immer gesagt? „Gib niemals etwas zu, es sei denn, du wirst mit unwiderlegbaren Beweisen konfrontiert.“

Wow, es konnte wirklich nützlich sein, einen Verteidiger in der Familie zu haben.

Entschlossen ballte sie eine Faust. Und dann zwang sie jeden erschöpften Muskel dazu, Haltung anzunehmen, während sie einatmete und alles an Selbstsicherheit wachrief, die ihr jemals eingeimpft worden war.

„Und was für eine Story soll das sein?“ Sie durchbohrte ihn mit ihrem Blick.

Sein ungläubiges Murmeln verärgerte sie zutiefst. „Gebotstreibung.“

Sie blinzelte. „Wie bitte?“

„Ein Spitzel bietet gegen …“

„… seriöse Bieter, um den Preis in die Höhe zu treiben. Ja, ich weiß, was das heißt. Und Sie …“ Sie stieß erleichtert den Atem aus. „… Sie sind vollkommen verrückt.“

„Wollen Sie etwa bestreiten, dass Sie Ann Richardson kennen?“

Vanessa kniff den Mund zusammen. „Natürlich kenne ich sie – sie war die Zimmergenossin meiner Schwester auf dem College.“

Der Fremde blickte sie misstrauisch an. „Klar.“ Er ließ den Blick über sie wandern, als prüfte er sie eingehend. Offene Herablassung lag in seiner Musterung.

Wieder stieg Besorgnis in ihr auf und jagte ihr einen Schauer über den Rücken. Sei auf der Hut, Ness. „Es ist wahr und lässt sich leicht nachprüfen.“

„Natürlich.“

„Hören Sie Mr …?“

„Harrington. Chase Harrington.“

„Mr Harrington. Sie haben die Auktion für sich entschieden. Sie sind jetzt im Besitz des seltenen und wertvollen Manuskripts mit Notizen von D. B. Dunbars letztem Buch …“ Fast brach ihr die Stimme, doch sie schluckte schnell und fuhr fort: „Also gehen Sie, bezahlen Sie Waverlys und viel Spaß mit Ihrem Preis. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen …“

„Warum haben Sie dann auf das Manuskript geboten?“

Sie suchte in der Handtasche nach ihrer Sonnenbrille. „Warum wollten alle anderen im Saal es haben?“

„Ich frage Sie und nicht die anderen.“

Mit einem bewusst gelangweilten Schulterzucken setzte sie die Sonnenbrille auf. „Ich hasse es zu warten. Insbesondere auf einen D. B. Dunbar.“

Er verschränkte die Arme und betrachtete sie mit einer Mischung aus Skepsis und Verachtung. „Sie konnten kein halbes Jahr warten.“

„Stimmt.“

„Bockmist.“

All der Stress der letzten Jahre, die Anspannung der Auktion, ihre Babys zu vermissen und das hektisch verrückte New York hatten Spuren hinterlassen und ihre Selbstbeherrschung mehr und mehr ins Wanken gebracht. Und jetzt das … dieser … dieser arrogante Mistkerl. Es reichte. Sie straffte die Schultern und schob die Sonnenbrille hoch in ihre Haare. Dann reckte sie das Kinn und musterte ihn mit ihrem Todesblick.

„Wissen Sie was? Sie haben mich erwischt. Sie wollen wissen, wer ich bin?“ Als sie einen aggressiven Schritt nach vorn machte, blickte er sie überrascht an. Davon ermutigt, trat sie noch einen Schritt auf ihn zu. „Ich bin Dunbars heimliche Geliebte gewesen. Und er hat mich mit nichts zurückgelassen. Also hab ich auf das Manuskript geboten in der Hoffnung, es in ein paar Monaten gewinnbringend verkaufen zu können, sobald das Buch erschienen ist. Wie klingt das für Sie?“

Sie unterstrich jedes Wort, indem sie einen Finger nach vorn stieß, bis sie kurz vor seiner breiten Brust stoppte.

Seine Augen waren von einem stechend klaren Blau, der Art von Blau, die für Film- und Rockstars reserviert war. Und seltsamerweise erinnerte es sie an einen perfekten Winter in Colorado, an den Morgen nach dem ersten Schneefall.

Kontaktlinsen, vermutlich. Seine ganze Persönlichkeit strahlte Geld und Anspruchsdenken aus und damit gingen Ego und Eitelkeit Hand in Hand. Doch als sie innehielt, die Fäuste in die Hüften gestemmt und heftig atmend, glitt sein Blick zu ihrem Mund.

Die plötzliche Hitze zwischen ihnen war so intensiv, dass Vanessa ein Keuchen unterdrücken musste. Ihr Ärger erstarb, als ein neues Bewusstsein in ihr aufstieg und mit einem Mal unendlich viele Möglichkeiten in der Luft lagen und sie aneinander fesselten.

Der Moment ließ sie schwindelig zurück.

Chase kam nicht umhin, die plötzlich weit aufgerissenen grünen Augen wahrzunehmen. Unschuldige Augen, hätte er sie genannt, wenn sie nicht die letzten zwanzig Sekunden damit zugebracht hätte, ihm dieses irre Szenario an den Kopf zu werfen.

Und, zum Teufel, eine Frau mit einem solchen Mund war ebenso weit von Unschuld entfernt wie er.

Er sog die Luft ein und stieß sie dann schnell wieder aus, als er realisierte, dass sie ganz und gar von der Frau vor ihm durchdrungen war. Sie roch nach Vanille und nach noch etwas anderem … weich und pudrig, vertraut und doch nicht zu fassen.

Die Prinzessin roch umwerfend, und das machte ihn wütend, denn das Letzte, was er brauchte, war, sich stürmisch zu ihr hingezogen zu fühlen. Das durfte er nicht. Das würde er nicht zulassen. Er ließ sich auf niemanden ein, schon gar nicht auf eine von den Perfekten.

Kontrolle. Er musste die Kontrolle zurückgewinnen.

„Miss Partridge?“, erklang eine Stimme, und sie sprangen zurück und drehten sich um.

Ein uniformierter Mann stand da und hielt eine Mütze unter einen Arm geklemmt.

„Ja?“ Sie reckte das Kinn und hob die Augenbrauen, mit dem vollen gebieterischen „Wie-können-Sie-es-wagen-mich-zu-unterbrechen“-Ausdruck.

„Miss Richardson bat mich, Sie zu informieren, dass ihr Wagen jetzt für Sie bereitsteht. Wohin darf ich Sie fahren?“

Sie schenkte Chase einen hochmütigen Blick. „JFK, bitte.“ Und ohne ein weiteres Wort drehte sie sich um und folgte dem Chauffeur.

Sie hatte die geschliffene Ausdrucksweise und das adlige Gebaren, bei dem sich alle Muskeln in Chases Körper verkrampften und ihn in höchste Alarmbereitschaft versetzten. Selbst den perfekten Gang hatte sie drauf, bemerkte er, ihre Hüften schwangen unter dem engen schwarzen Rock und sie schritt auf ihren mörderischen Absätzen in graziler Präzision den Flur hinab. Zu gleichen Teilen hypnotisierend und seine Wut schürend, verriet ihm dieser arrogante Gang, dass sie genau wusste, wohin sein Blick gerichtet war. Er hätte einen Tausender darauf verwettet, dass ein selbstgefälliges Lächeln auf diesem wunderschönen Gesicht lag.

Er starrte ihr nach, bis sie endlich um die Ecke verschwand.

Weder hatte sie ihre Unschuld beteuert, noch eine seiner Fragen beantwortet. Doch jetzt hatte er einen Namen – Partridge.

2. KAPITEL

Chase schaute zum fünften Mal in fünf Minuten auf seine Uhr. Dann starrte er wieder hinaus auf die dunkle Straße des grünen Vororts und rutschte unruhig auf dem luxuriösen Ledersitz des Mietwagens hin und her.

Vanessa Partridge. Er richtete den Blick auf das drei Häuser entfernte Gebäude, auf die Wohnung im zweiten Stock, wo Licht durch die geschlossenen Vorhänge fiel.

Zuerst hatte er vermutet, das Manuskript würde irgendetwas enthüllen, was sie um jeden Preis geheim halten wollte. Doch da war nichts, bis auf einen Stapel handgeschriebener Notizen und ein paar Kapiteln, bei denen dem Drucker die Tinte ausgegangen sein musste.

Er hatte die Papiere auf seinem Schreibtisch so lange angestarrt, dass sein Blick eigentlich schon ein Loch hätte hineinbrennen müssen. Und so war er zu seinem ursprünglichen Verdacht zurückgekehrt – sie war von Waverlys beauftragt worden, bei der Auktion den Preis in die Höhe zu treiben.

Er knöpfte den Mantel zu und stieß die Autotür auf. Die für Oktober ungewöhnliche Kälte ließ ihn zusammenzucken. Tausend Fragen gingen ihm durch den Kopf, und die fehlenden Antworten bereiteten ihm Kopfschmerzen. Trotz der Informationen, die er den Angestellten bei Waverlys hatte entlocken und dann online vertiefen können, so würde doch niemand die noch existenten Lücken besser füllen können als die Frau selbst. Ja, die Story über Ann Richardson und die Schwester entsprach der Wahrheit, aber der Rest blieb elend lückenhaft … und er verabscheute diese Unvollkommenheit.

Warum ließ Vanessa Partridge sich auf Preistreiberei ein? Und warum hatte die Tochter zweier angesehener Washingtoner Juristen einen derart eklatanten Mangel an Respekt vor dem Gesetz?

Chase schob die Hände in die Taschen. Wenn sie so unschuldig war, wie sie behauptete, wie konnte sie es sich dann als Alleinerziehende mit einem Lehrerinnengehalt leisten, auf dieses Manuskript zu bieten? Mit Daddys Geld? Aber warum benutzte sie dieses Geld dann nicht für ein Haus, ein protziges Auto, ein Kindermädchen?

Diese Fragen verfolgten ihn, seit er beobachtet hatte, wie sie die Vorschule verließ, in der sie arbeitete. In Jeans und einer abgetragenen Bomberjacke, die Haare zu einem simplen Pferdeschwanz gebunden. Fasziniert hatte er zugesehen, wie sie zwei Babys hinaustrug und sie in den Kindersitzen auf der Rückbank festschnallte, ein offensichtlich alltäglicher Vorgang. Dann hatte sie ihre Taschen in den Kofferraum des alten BMW geworfen und war hierhergefahren, in eine äußerst gewöhnliche Straße voller Wohnhäuser in Silver Spring, Maryland.

Alles, was er über Vanessa Partridge herausgefunden hatte, sprach von Achtbarkeit und Anstand: von ihren Washingtoner Juristeneltern aus altem Geldadel bis zu ihrer weit zurückreichenden Familiengeschichte. Aber sie verblüffte ihn auch. Warum lehnte eine Frau eine vielversprechende Anwaltskarriere ab, eine, für die sie nur, direkt nach dem Examen, in die Kanzlei ihrer Eltern hätte einsteigen müssen? Als er das gelesen hatte, war ihm sofort klar gewesen, dass er nach Maryland fahren würde. Der Handel mit Spekulationen war sein Tagesgeschäft: Bei Rushford Investments hatte er seine Karriere begonnen und war dann der begehrteste Portfolio-Manager bei McCoy Jameson geworden. Jetzt arbeitete er nur noch für sich selbst und ein paar handverlesene Investoren. Er hatte Talent zum Geldverdienen, und über die Jahre hatte er eine geradezu obszöne Menge davon angehäuft, trotz der turbulenten Zeiten, die auf den Börsencrash gefolgt waren. Er konnte es sich leisten, seinen Launen und Eingebungen zu folgen.

Und im Moment reizte es ihn, das Rätsel um Vanessa Partridge zu lösen, weil alles an ihr irgendwie nicht zusammenpasste.

Er starrte hinauf zu den geschlossenen Vorhängen von Vanessas Wohnung.

Wenn sich herausstellte, dass er sich geirrt hatte, schuldete er ihr eine Entschuldigung. Chase Harrington stand immer zu seinen Fehlern. Aber der einzige Weg, die Wahrheit herauszufinden, lag darin, sie zu konfrontieren.

Nein, keine Konfrontation. Das hatte er in New York bereits versucht – und war damit gescheitert. Sie hatte ihn gehörig fertiggemacht und dann – zack! Dieser Moment, in dem er sie hatte küssen wollen.

Er stieß den Atem aus, und er formte eine kleine weiße Wolke in der kühlen Nachtluft. Verdammt! Sie war eine von den perfekten, in jeder nur möglichen Bedeutung des Wortes, und das nicht nur nach den Standards seiner engstirnigen Heimatstadt. Bei ihr stimmte die Herkunft, das Geld, die Haltung … das Aussehen. Diese Haut – und die Haare. Der Mund – dieser wunderschön geformte, geschwungene Mund, zusammen mit diesen großen grünen Augen …

Leise fluchend schloss er die Autotür. Krieg dich wieder ein, Chase! Er hatte hart darum gekämpft, die Vergangenheit hinter sich zu lassen, auch wenn sie ihn zu dem Mann geformt hatte, der er heute war, und jede seiner Entscheidungen bestimmt hatte, nur damit er sich so weit wie möglich von ihr entfernen konnte. Leuten wie Vanessa Partridge entkommen konnte.

Sie hatte seine Neugier geweckt und zu viele Warnlichter aufblitzen lassen. Wenn sie eine Gebotstreiberin war, dann musste er sie anzeigen.

Und wenn sie keine war?

Die Erinnerung an sie und ihre zwei Kinder blitzte in ihm auf.

Bis er wusste, wie ihre wirkliche Story aussah und was ihre Verbindung zu dem Manuskript war, musste er einen kühlen Kopf behalten. Wut bedeutete Gefühle, und die konnten zu Fehlern verleiten. Diese Lektion hatte er sehr früh gelernt.

„Sehr gut, Heather – du hast alles aufgegessen!“ Vanessa putzte sanft den Mund ihrer achtzehn Monate alten Tochter ab, bevor sie sich deren Zwilling zuwandte. „Und wie steht es bei dir, Erin? Immer noch beim Malen?“

Das kleine Mädchen mit den schokoladenfarbenen Locken blickte von dem mit Kürbis verschmierten Tablett ihres Kinderstuhls auf und strahlte sie an. „Maln!“ Sie steckte einen Finger nach dem anderen in den Mund und schaute sie verschmitzt an.

Vanessa lachte und entfernte ein paar Essensreste aus dem Haar der Kleinen. „Ein großartiges Kunstwerk hast du da geschaffen. Und auch noch ein essbares. Sehr avantgardistisch.“

Heather wollte sich an dem Gespräch beteiligen und klatschte in die Hände. Was ihre Schwester ihr sofort gleichtat. Kürbis spritzte auf Vanessas Hemd und hinterließ orangefarbene Streifen auf dem Dunkelblau. Schnell säuberte sie den Stoff und lächelte, auch wenn sie immer noch das bittersüße Bedauern ihres Versagens fühlte.

Seit zwei Tagen war sie jetzt wieder zu Hause, zurück auf der Arbeit und in ihrem normalen Leben, und doch konnte sie dieses Bedauern nicht loswerden.

Ich bin sehr enttäuscht von dir, Vanessa. Wenn sie die Augen schloss, klang die imaginäre Stimme sogar so wie die ihres Vaters.

Autor

Paula Roe

Schon als kleines Mädchen konnte sich Paula Roe nicht entscheiden, was sie werden wollte: Lieber Tierärztin … oder doch Tänzerin, wie in dem Film Flashdance? Ähnlich bewegt sah dann auch ihre Karriere aus. Sie hat als Sekretärin, Software-Trainerin und Aerobic-Lehrerin gearbeitet. Außerdem machte sie eine Rucksack-Tour einmal quer durch Europa....

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