Verrückt nach Samantha

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Für den mächtigen Tycoon Demetrios hat das Geschäft stets oberste Priorität. Bis er die Dolmetscherin Samantha einstellt – die rothaarige Sirene lässt den Griechen von ganz anderen Dingen träumen … Um sie aus dem Kopf zu bekommen, gibt es nur einen Ausweg: Verführung!


  • Erscheinungstag 05.09.2022
  • Bandnummer 11
  • ISBN / Artikelnummer 9783751515047
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Samantha Brewster war hundemüde, obwohl sie in der vergangenen Nacht wie eine Tote geschlafen hatte. Sie war immer völlig erledigt, wenn sie zu viele Zeitzonen durchflogen hatte.

Warum auf einen besseren Moment warten, um sich wegzuschleichen? Die Party war in vollem Gang. Carins und Raphaels Gäste drängten sich im Wohnzimmer, die Band spielte eine feurige Samba, und alle feierten ausgelassen. Bestimmt würde es niemand merken, wenn sie verschwand, nicht einmal ihre ständig aufmerksame Mutter und ihre Schwestern.

Sam trank einen Schluck ihres Caipirinhas und stellte das Glas auf einen der kleinen Tische, die überall auf der mondbeschienenen Terrasse herumstanden. Sie hatte sich bei den Festlichkeiten gezeigt und damit ihre Pflicht erfüllt. Jetzt konnte sie nach oben gehen, die Schuhe mit den Stilettoabsätzen wegschleudern, die grüne Hose und das dazugehörige kurze Seidentop gegen ein T-Shirt tauschen und ins Bett fallen. Sie wollte nichts anderes mehr tun, nachdem sie über vierzig Stunden in Terminals und Flugzeugen verbracht hatte. Von Jakarta nach Honolulu, von Honolulu nach San Francisco, von San Francisco nach New York, um Zwischenstation in ihrer Wohnung zu machen, und dann von New York nach São Paulo.

Allein beim Gedanken daran wollte sie sich einfach auf den Fliesenboden legen und schlafen. Sam stellte sich vor, wie ihre Schwestern und ihre Mutter reagieren würden, wenn sie das tun würde. Ihre Mutter wäre noch entsetzter als vor einigen Stunden, als sie behauptet hatte, sie wolle in Jeans und T-Shirt zu Carins und Raphaels Party gehen.

„Zur Party anlässlich des fünften Hochzeitstags deiner Schwester? Also wirklich, Samantha …“

„Also wirklich, Mom, Sam zieht dich nur auf.“ Carin hatte sie flehend angesehen. „Stimmt’s, Sam? Du machst nur Spaß.“

„Natürlich“, hatte Amanda schnell eingeworfen. Oh bitte, keine Szene! hatte ihr Blick besagt.

Zu schade, dachte Sam trübselig. Die Ehe veränderte Menschen. Früher hätten ihre Schwestern einen Gag erkannt. Selbstverständlich hatte sie Spaß gemacht. Sogar sie hütete sich davor, auf so einer Party in Jeans zu erscheinen. Sie hatte ihre Mutter und Schwestern ein bisschen ärgern wollen. Ihr war klar geworden, dass ihre Familie noch immer versuchte, sie unter die Haube zu bringen, und sie war plötzlich nicht nur müde, sondern auch reizbar gewesen.

Sam fuhr sich durch das kastanienbraune Haar, obwohl sie wusste, dass es nicht viel nützen würde. Die feuchte Luft hatte es in eine wilde Lockenmähne verwandelt. Aber sie sah wohl zivilisiert genug aus, um wieder hineinzugehen. Sie würde auf dem Weg durchs Wohnzimmer freundlich nicken und lächeln, und wenn sie zufällig Carin traf, würde sie ihr versichern, sie amüsiere sich großartig. Dann musste sie es nur noch durch die Eingangshalle schaffen, zur Treppe und …

Sam hielt den Atem an. Ein Mann war gerade ins Wohnzimmer gekommen. Er war groß und breitschultrig, hatte schwarzes Haar, blaue oder graue Augen – das war von weitem schwer zu erkennen – und markante Gesichtszüge. Um es ganz offen zu sagen, er war ein Traummann. Eine Frau müsste schon tot sein, um ihn nicht zu beachten. Sam war plötzlich nicht mehr ganz so müde.

Warum versorgten ihre Schwestern sie nicht mit so einem Typ, wenn sie unbedingt Heiratsvermittlerinnen spielen wollten? Nicht, dass sie den gewünschten Erfolg haben würden. Ganz gleich, wie gut aussehend, und auf einer Skala von eins bis zehn erreichte dieser Kerl zwölf Punkte, sie war nicht daran interessiert, häuslich zu werden. Und genau deshalb lotst mich meine Familie niemals zu sexy Männern, dachte Sam seufzend. Männer, die so aussahen wie dieser, waren ungeeignet, weil sie Heirat ebenso wenig wie sie im Sinn hatten. Sie hatte den Vortrag oft genug gehört, als sie noch so dumm gewesen war, den neuesten Mann in ihrem Leben zu irgendeiner Familienfeier mitzubringen.

„Er ist charmant“, hatte Marta Baron dann immer bei der unvermeidlichen nachträglichen Analyse gesagt. „Und er sieht natürlich gut aus. Aber er ist kein Mann zum Heiraten, Liebling. Er ist, nun ja, ungeeignet.“

Ungeeignet für die Ehe, vielleicht. Doch eine Frau konnte einen Mann auch aus anderen Gründen wollen. „Du hast recht, Mom“, hatte Sam jedes Mal erwidert. Jason – oder Brad oder Charlie – sei zweifellos ein Mann, der niemals heiraten und eine Familie gründen würde, und das sei prima, weil sie auch kein Interesse an diesen Dingen habe.

Ihre Mutter wollte es nur leider nicht glauben. Ihre Schwestern glaubten es ebenfalls nicht, jetzt, da sie verheiratet waren. Sam war ihr Projekt geworden. Carin und Amanda hatten die gute Sache ihrer Mutter zu ihrer eigenen gemacht. Deshalb wusste Sam, dass irgendwo in dem Gewühl hier wieder ein Mann lauerte, der hervorragend geeignet war. Und natürlich waren ihre Schwestern überzeugt, dass sie ihn einfach anbeten würde.

Sam nahm das Glas vom Tisch und trank einen Schluck. Sie würde keinen Mann anbeten, der ans Heiraten dachte. So einer wollte ihr die Flügel stutzen, sie in einen goldenen Käfig setzen und sie von einer Weltklassedolmetscherin, die sechs Sprachen fließend sprach, in eine Klassehausfrau verwandeln, die einhundert Kochrezepte aus dem Effeff beherrschte.

Marta, Carin und Amanda glaubten tatsächlich, es würde sie glücklich machen. Deshalb wurde sie ständig hervorragend geeigneten Männern vorgestellt, denen die drei zutrauten, eine Frau wie Sam umzumodeln. Beim letzten Mal hatte Marta einen schwerfälligen Akademiker präsentiert, der zwanzig Jahre älter war als Sam. Davor war es ein verwitweter Rancher gewesen, der ihr einen ganzen Abend lang alles über Bullensperma erzählt hatte.

Beide Männer waren nett gewesen, aber Sam suchte nicht nach nett. Sie suchte nach Freiheit, Abenteuer und einer gelegentlichen Affäre mit einem Mann, der sie erregen konnte, ohne sie auch nur zu berühren.

Mit einem Mann, der vor einigen Minuten ins Wohnzimmer gekommen war. Wo war er? Ah, dort drüben. Er unterhielt sich mit einer Blondine, die aussah, als würde sie sich liebend gern auf der Stelle von ihm ausziehen lassen. Nein. Mit so einem Mann würden ihre Schwestern sie nicht bekannt machen. Seit sie verheiratet waren, glaubten sie anscheinend, sie seien die einzigen Brewster-Frauen, die sich gefahrlos mit gefährlich sexy Typen einlassen konnten.

„Die Männer, mit denen du gehst, werden niemals häuslich werden“, hatte Amanda beim Frühstück gouvernantenhaft gesagt.

Mandy, was ist nur aus dir geworden? hatte Sam traurig gedacht. Verwandelte sich ihre Schwester in einen Marta-Klon? „Richtig. Das macht sie so viel interessanter“, hatte sie erwidert.

Carin seufzte. Amanda seufzte. Sam seufzte auch, mit all der Dramatik, die sie aufbieten konnte. Ihre Schwestern versuchten, streng zu blicken, schafften es jedoch zum Glück nicht. Alle drei kicherten los, und schließlich lachten sie so laut, dass Raphael und Tom darum baten, in den Scherz eingeweiht zu werden, was sie nur noch heftiger lachen ließ.

Später sah Sam, wie die vier die Köpfe zusammensteckten und sich leise unterhielten. Als sie sich ihnen näherte, verstummten sie plötzlich. Ihre Schwager wurden rot, und sie wusste, dass sie bei der Verschwörung mitmachten, Samantha Brewster unter die Haube zu bringen.

Den Beweis, wenn sie denn noch einen gebraucht hätte, erhielt sie einige Stunden später.

„Du bist doch schon in Griechenland gewesen, stimmt’s, Sam?“, fragte Tom beim Mittagessen betont gleichgültig.

„Ja.“ Sam spießte mit der Gabel eine Kirschtomate auf. „Schönes Land.“

Alle wurden still. „Ist es“, sagte Tom zu den anderen am Tisch. „Ein schönes Land.“ Sie nickten, dann setzten die Gespräche wieder ein.

Nach dem Essen streckte sich Sam auf einer Liege aus. Kurz darauf kam Raphael vorbeigeschlendert. „Kannst du eigentlich auch Griechisch?“

„Touristengriechisch. ‚Wo ist die Toilette? Wie viel kostet das?‘ Solche Sachen.“ Sam schob sich die Sonnenbrille hinunter und blickte ihn über den Rand an. „Warum? Sollte ich aus irgendeinem Grund Griechisch sprechen?“

„Nein, nein“, erwiderte Raphael schnell.

Zu schnell. Deshalb war sie alarmiert, als Carin und Amanda in ihr Zimmer kamen, während sie sich für die Party anzog, und beide davon redeten, wie schade es sei, dass sie kein Griechisch spreche, weil ein Gast, ein alter Freund von Raphael und Tom, aus Griechenland sei.

„Er wäre sicher dankbar gewesen, wenn jemand hier seine Sprache gesprochen hätte.“ Carin betrachtete ihre sorgfältig manikürten Fingernägel.

„Das ist ja interessant“, sagte Sam höflich. „Ein Freund von Raphael und Tom spricht nur Griechisch. Ich hätte ja gedacht, Englisch wäre die Sprache, die alle drei beherrschen.“

Ihre Schwestern erklärten hastig, Demetrios Karas spreche natürlich Englisch.

„Er ist Reeder“, hatte Amanda gesagt. „Und auch wenn du kein Griechisch kannst, wäre es nett von dir …“

„Und eine große Hilfe für Raphael und mich“, hatte Carin eingeworfen.

„Nett von dir, Sam, wenn du dafür sorgen würdest, dass sich Demetrios wohl fühlt, indem du heute Abend ein bisschen Zeit mit ihm verbringst.“

Sam seufzte. Sie würde dafür sorgen, dass sie sich wohl fühlte, indem sie in ihr Zimmer ging. Am nächsten Tag würde sie zu ihren Schwestern sagen, sie hätte lange gewartet, aber die Erschöpfung hätte sie überwältigt, bevor der schätzenswerte Mr Karas gekommen wäre. So viel stimmte ja. Sie war todmüde und musste so einen kleinen, übergewichtigen, zu alten, hervorragend geeigneten Reeder erst einmal finden. Und das wollte sie nicht. Wahrscheinlich war sie zu müde, um höflich zu Demetrios Karas zu sein, wenn er sich auf sie stürzte.

Aber für den sexy Mann, der vor kurzem hereingekommen war, könnte sie wahrscheinlich ein Lächeln zu Stande bringen. Nein, sie hatte keine Lust, zu flirten. Sie war wirklich müde. Trotzdem, es schadete ja nicht, sich anzusehen, was er im Schilde führte … Da war er, umringt von zwei Blondinen, einer Brünetten und einer, die so viele verschiedenfarbige Strähnchen im Haar hatte, dass sie wie ein benutzter Pinsel aussah. Alle blickten sie den Mann an, als wollten sie ihn ganz für sich haben.

Das wäre schön, dachte Sam verträumt. Hoppla! Ja, sie war zweifellos müde. Sie mochte Männer, und sie mochte Sex, aber sie neigte nicht zu Träumereien … Oh, oh. Carin war gerade ins Wohnzimmer gekommen. Sie stieß einen Freudenschrei aus und stürzte sich auf den Traummann. Und der blickte über Carins Kopf hinweg sie an.

Sams Pulsschlag beschleunigte sich. Seine Augen waren so blau wie der Sommerhimmel an der Côte d’Azur. Er musterte sie von Kopf bis Fuß, dann erwiderte er ihren Blick. Carin lehnte sich in seinen Armen zurück und sagte irgendetwas. Er lachte, wandte seine Aufmerksamkeit ihr zu … und es war vorbei. Sam atmete aus. Vorbei? Was denn? Es war überhaupt nichts gewesen. Er konnte sie auf der dunklen Terrasse nicht sehen.

Sie zog sich noch weiter zurück. Ihr zitterte die Hand, als sie das Glas an den Mund hob. Sich so unsicher zu fühlen war lächerlich. Gut, dass sie allein hier draußen war. Die Luft duftete nach den Blumen, die in großen Töpfen auf der Terrasse blühten. Der Vollmond stand über der brasilianischen Steppe. Es war ein herrlicher Abend. Zu heiß, hatte sie eine Frau sagen hören, doch Sam fand das Wetter genau richtig.

„Hallo.“

Mit klopfendem Herzen drehte sie sich um, aber er war es nicht. Es konnte auch nicht der Grieche sein. Dieser Mann war groß, hatte rotblondes Haar und sah nett und sehr kultiviert aus. Was war das denn für eine Beschreibung? Alle hier sahen kultiviert aus. Trotzdem, der Mann, den sie beobachtet hatte, strahlte eine primitive Gewalt aus … Sam blinzelte und streckte die Hand aus. „Hallo.“

„Freut mich, Sie kennen zu lernen.“

„Nur um ganz sicherzugehen: Sie heißen nicht Demetrios, stimmt’s?“

Er lachte. „Jack Adams. Ich bin mit Tom al Rashid zur Schule gegangen. Und Sie sind seine Schwägerin Samantha.“

Wie viele hervorragend geeignete Männer laufen hier heute Abend eigentlich herum? dachte Sam grimmig. „Dann kennen Sie ja sicher seine Frau. Meine Schwester“, sagte sie höflich.

„Aber ja.“

Jack und sie sprachen über Philadelphia, wo er lebte, und New York, wo sie lebte. Sie unterhielten sich über Indonesien, wo sie gerade gewesen war, und über New Jersey, wo er gerade gewesen war. Dann sagte er, es wäre doch nett, sich einmal zu treffen, vielleicht, wenn er geschäftlich in Manhattan war. Ob er sie dann anrufen dürfe?

„Gern, aber ich bin fast nie zu Hause“, erwiderte Sam. „Ich reise viel.“

Jacks Lächeln wurde kühl. „Ja, das habe ich schon gehört.“ Er entschuldigte sich und ging wieder hinein.

Verdammt. Sie hatte nicht unfreundlich sein wollen. Die Ausrede war ihr einfach als Erstes eingefallen. Es war nicht wirklich ihre Schuld. Sie war eben argwöhnisch. Ihre Schwestern hatten die Schuld. Die beiden mussten anfangen, sich um ihre eigenen Dinge zu kümmern.

Wahrscheinlich hätte sie nicht nach „Rio de Ouro“ kommen sollen. Nicht, nachdem sie drei Monate lang für Ethnologen aus Rom und San Francisco gedolmetscht hatte. Aber sie hatte Carins und Raphaels fünften Hochzeitstag und den fünften Geburtstag ihrer Nichte nicht versäumen wollen. Zwischen den beiden Ereignissen lagen nur wenige Tage, was weder ihre Schwester noch ihr Schwager jemals leugneten. Und warum auch, da doch offensichtlich war, dass sie noch immer wahnsinnig verliebt ineinander waren? Wenn Carin nur nicht überzeugt wäre, dass Liebe das universale Patentrezept war.

„Ich habe Raphael auf so einer Party wie der unseren kennen gelernt“, hatte sie am Morgen gezwitschert.

„Ich habe Tom auch auf einer Party kennen gelernt“, hatte Amanda gesagt.

Sam seufzte und blickte wieder ins Wohnzimmer. Carin war verschwunden. Der Mann war noch da. Und es bestand kein Zweifel darüber, dass er sie ansah. Sams Herz hämmerte. Jetzt kam er auf die Terrasse zu …

„Demetrios!“

Die dröhnende Stimme gehörte ihrem Schwager. Sams Augen wurden groß. Der Mann, der sich Raphael zuwandte, war kein übergewichtiger, zu alter Schwerenöter.

Es war der Traummann. Verblüfft beobachtete sie, wie sich die beiden Männer ungestüm umarmten.

„Wann bist du angekommen, Demetrios?“

Demetrios Karas. Sam konnte es kaum fassen. Ihre Schwestern wollten, dass sie diesen Prachtkerl kennen lernte? Sie hielten diesen großen, attraktiven, gefährlich sexy aussehenden Mann für geeignet? Nur zwei Frauen, die auf der Euphorie des Eheglücks schwebten, konnten sich so etwas ausdenken. Demetrios Karas war kein Mann zum Heiraten. Er war ein eingefleischter Junggeselle, und Sam hatte volles Verständnis für seine Einstellung. Schnell zog sie sich in die Dunkelheit zurück und biss sich auf die Lippe, um nicht laut zu lachen. Sie war hier herumgeschlichen, weil sie sich nicht in die Arme eines Mannes schubsen lassen wollte, der von ihr erwarten würde, dass sie eine warme Mahlzeit zubereitete, nachdem sie einen langweiligen Tag mit Stricken oder Häkeln zugebracht hatte. Und dabei war die Beute ihrer Schwestern der bestaussehende Mann, der auf drei Kontinenten zu finden war. Vier.

Die Ehe musste Carin und Amanda das Gehirn aufgeweicht haben. Sie sollten eigentlich wissen, dass Demetrios Karas kein Mann zum Heiraten war. Sam hatte sofort erkannt, dass er seine Freiheit ebenso schätzte wie sie ihre. Mit so einem Typ würde sie ausgehen. Für einen Abend war er vielleicht amüsant, aber das würde dann auch reichen. Das Lächeln. Das großspurige Auftreten. Wahrscheinlich war er ein egozentrischer, hitzköpfiger Macho.

Sam verdrehte die Augen. Ihre Schwestern konnten am nächsten Morgen was erleben! Ihre Schwager auch. Und ihre Mutter, die mehr als genug getan hatte, um den Richtigen für sie zu finden. Raus aus meinem Leben, würde sie zu ihnen sagen.

„Samantha.“

Sie atmete tief durch und drehte sich um. „Raphael.“ Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn auf die Wange. „Was für eine schöne Party!“

„Carin hat alles organisiert“, sagte er stolz.

„Ja, sie hat das großartig gemacht.“

Raphael nickte. Dann schob er die Hände in die Hosentaschen und räusperte sich. „Und? Hast du alle kennen gelernt?“

Jetzt geht es los, dachte Sam. „Wie könnte ich? Bei so vielen Gästen ist das unmöglich“, erwiderte sie ganz unschuldig.

„Aha. Ja, natürlich. Aber du solltest ins Haus kommen, damit du … damit du einige von ihnen kennen lernen kannst.“

Sie blickte ihren normalerweise unerschütterlichen Schwager starr an. Er wurde rot, und sie seufzte. „Raphael, ich will Demetrios Karas nicht kennen lernen“, sagte sie freundlich.

„Carin denkt …“

„Sie sollte aufhören zu denken. An mich, jedenfalls.“ Sam schwächte ihre Worte mit einem Lächeln ab. „Ich bin glücklich so. Ehrlich.“

Ihr Schwager sah erleichtert aus. „Das weiß ich. Ich habe versucht, ihr das klarzumachen …“

„Hast du zu Demetrios Karas irgendetwas gesagt?“

„Natürlich nicht“, erwiderte Raphael energisch.

„Gut. Ich möchte nicht, dass er mich für eine auf dem Markt angebotene Ware hält, falls ich mich entschließen sollte, zu ihm zu gehen und mich vorzustellen.“

„Aber du hast doch gerade …“

„Ich habe gemeint, dass ich ihn als Heiratskandidat nicht kennen lernen will. Er wäre kein besonders guter.“

Raphael lächelte. „Ich bin sicher, er würde dir zustimmen.“

„Er würde jedoch eine großartige Abendunterhaltung sein.“

„Samantha!“

Sie lachte. „Ich mache nur Spaß.“ Alles war ein Spaß. Die Versuche ihrer Familie, sie zu verheiraten. Der gut aussehende Fremde mit den Groupies, die ihn anhimmelten. Dass sie sich eingebildet hatte, sie würde sich zu ihm hingezogen fühlen, und er würde sie ansehen. Selbst wenn er sie bemerkt hätte, selbst wenn er ihr Typ wäre, würde es keine Rolle spielen. Sie hatte keine Lust, sich in nächster Zeit mit jemand einzulassen. Nach den Monaten in Indonesien wollte sie ein bisschen Ruhe und Frieden. Irgendein einfacher Übersetzungsauftrag, sodass sie eine Weile in New York bleiben konnte. Danach würde sie vielleicht wieder in der Stimmung sein, einen Mann kennen zu lernen und ihn zu genießen, bis ein neuer Job sie irgendwo anders hinführte.

„Ich suche meine Frau und sehe mal, ob ich sie den Gästen kurz ausspannen kann.“

„Würdest du ihr bitte etwas ausrichten? Sag ihr, die Party sei großartig, aber ich sei völlig erledigt und würde ins Bett gehen.“

„Natürlich.“ Raphael küsste sie auf die Schläfe. „Boa noite, Sam.“

„Gute Nacht, Raphael.“ Sie würde direkt durchs Haus gehen. Wie ein Schulmädchen war sie hier draußen herumgeschlichen und hatte versucht, Demetrios Karas zu meiden. Und sich auch noch einzubilden, er würde sie ansehen und kommen, um Anspruch auf sie zu erheben! Sam verdrehte die Augen. Genug war genug. Sie musste schlafen, und genau das würde sie jetzt tun. Höflich lächelnd ging sie in das überfüllte Wohnzimmer …

Und machte sich auf die Suche nach Demetrios Karas.

2. KAPITEL

Sie war schön, diese Frau mit dem rotbraunen Haar und den meergrünen Augen. Demetrios hatte sie bemerkt, sobald er das Zimmer betreten hatte. Sie war eine Traumfrau in zartgrüner Seide. Das kurze Top betonte ihre Brüste, die Hose begann knapp unter dem Bauchnabel, schmiegte sich an ihre Hüften und Oberschenkel und fiel dann bis zu den Knöcheln herab. Normalerweise mochte er keine Frauen in Hosen, aber dieser Anzug … Ihre zartgrünen Sandaletten schienen nur aus Riemchen und Stilettoabsätzen zu bestehen. Nur ein Heiliger hätte sich nicht vorgestellt, wie sie aussehen würde, wenn sie die Schuhe, einen aufreizenden Spitzenslip und sonst nichts trug. Und niemand würde ihn jemals für die Heiligsprechung vorschlagen.

Dass er sich sie so vorstellte, überraschte ihn nicht. Was ihn überraschte, war die schnelle Reaktion seines Körpers. Es kam völlig unerwartet. Halb belustigt, halb verärgert, wandte sich Demetrios ab, dachte an die kahlen, eisbedeckten Flächen der Tundra und stürzte sich in eine Unterhaltung mit der Frau, die ihn gerade angesprochen hatte.

Es half nicht. Er sagte Ja und Nein, lächelte, wenn ihm ein Lächeln angemessen erschien, und war mit den Gedanken bei der Frau, die auf der Schwelle zur Terrasse stand, als könnte sie sich nicht entscheiden, ob sie bleiben oder gehen wollte. Musik spielte, die Leute redeten und lachten. Raphaels Party war ein voller Erfolg, aber sie sonderte sich ab. Demetrios konnte ihren Gesichtsausdruck nicht deuten. War es Langeweile? Höfliche Gleichgültigkeit? Was auch immer, sie hätte jeden Mann hier angezogen, wenn ihre Körperhaltung nicht signalisiert hätte, dass sie nicht interessiert war.

Es war schwer, zu glauben, dass sie allein gekommen war. Hatte sie wirklich keinen Begleiter? Jedes Mal, wenn Demetrios zur Terrasse blickte, stand die Frau noch immer allein dort. Ihn stieß ihre weltverdrossene Miene nicht ab. Im Gegenteil, sie reizte ihn. Er wartete eine Gesprächspause ab, entschuldigte sich und ging auf die Terrasse zu, kam jedoch nicht weit. Da er mehrere Leute auf dieser Party kannte, wurde er aufgehalten, besonders von Frauen. Es ließ sich nicht vermeiden, Hallo zu sagen, zu versichern, es gehe ihm gut und er würde nicht nach Gstaad fahren. Oder irgendwohin, wo ich wahrscheinlich dich treffe, hätte er fast zu der Exgeliebten gesagt, die ihn verführerisch anlächelte. Sie hatten Spaß miteinander gehabt, aber die Affäre war schon lange vorbei.

Die Frau auf der Terrasse sah nicht so aus, als würde sie sich an einen Mann klammern, wenn die Leidenschaft erloschen war. Na gut, das war wahrscheinlich Wunschdenken. Er wusste aus Erfahrung, dass Frauen unfähig waren, den Moment zu genießen, ohne an die Zukunft zu denken. Trotzdem, es war nett, sich die perfekte Frau vorzustellen, die so schön wie eine seltene Orchidee war und so selbstgenügsam wie ein Wüstenkaktus.

Leider musste so ein Geschöpf erst noch erschaffen werden. Frauen waren entweder schön oder standhaft. Und da er Schönheit der Standhaftigkeit vorzog, hatte er schon ziemlich viele Beziehungen durchlitten, die schlimm geendet hatten. Nur einmal möchte ich eine Frau kennen lernen, die weiß, was sie will, die ihr Begehren ehrlich zugibt und auf Spiele verzichtet, dachte Demetrios. Und dann, gerade als sich Carin in seine Arme stürzte, spürte er ein Prickeln. Er sah auf, stellte fest, dass ihn die Fremde mit dem kastanienbraunen Haar beobachtete, und wollte sich zu ihr durchdrängeln, sie hochheben und forttragen.

Natürlich tat er es nicht. Zivilisierte Männer machten so etwas nicht. Also wartete er, beendete das Gespräch mit Carin und ging wieder auf die Terrasse zu. Das Schicksal war gegen ihn. Als Raphael ihn rief, musste er reagieren. Sie waren seit Jahren befreundet. Sobald sie sich herzlich begrüßt hatten, beschloss er jedoch, offen zu sein. Bei einem Mann konnte man das. „Raphael, lass uns später über alte Zeiten reden. Morgen, vielleicht. Wie klingt das?“

Raphael klopfte ihm breit lächelnd auf den Rücken. „Als hättest du es auf eine abgesehen. Wer ist es?“

„Ich weiß ihren Namen noch nicht. Sie ist mir nur aufgefallen.“

„Zeig sie mir. Was für ein Freund wäre ich, wenn ich dir nicht helfen würde?“

„Sie ist …“ Demetrios blickte nach draußen. Die geheimnisvolle Frau war verschwunden. „Sie war dort vorn auf der Terrasse. Lass es gut sein. Manche Dinge muss ein Mann allein tun.“

„Und ich bin sicher, du wirst Erfolg haben. Tom sagt, du hättest ihn früher immer übertroffen.“

„Freut mich, dass er es zugibt. Aber schließlich ist er jetzt verheiratet.“

„Glücklich verheiratet.“ Raphael räusperte sich. „Wie ich. Und du wirst es auch sein, wenn du die richtige Frau findest.“

Nein, dachte Demetrios, nein. Ein Freund würde doch wohl nicht versuchen …

„Und? Hast du schon alle aus Carins Familie kennen gelernt?“, fragte Raphael viel zu munter.

„Die Ehe hat deinen Verstand getrübt. Ich habe Geschäfte mit Jonas gemacht, erinnerst du dich? Auf ‚Espada‘, wo ich seine Frau und seine Söhne kennen gelernt habe. Und natürlich bin ich mit Toms Amanda auch befreundet.“

„Dann kennst du nur Sam noch nicht.“

Demetrios runzelte die Stirn. „Jonas hat noch einen Sohn?“

„Nein, nein. Sam ist die Kurzform von Samantha.“

„Ach. Ich weiß, dass der alte Mann eine Stieftochter hat, aber …“

„Sam ist nicht Jonas’ Tochter. Sie ist eine Brewster. Carins jüngere Schwester.“

„Ach“, sagte Demetrios wieder und blickte zur Terrasse. Er musste die Frau finden, deren Schönheit so hell strahlte wie das Leuchtfeuer auf seiner Privatinsel in der Ägäis. War sie noch dort draußen? „Raphael, mein Freund …“

„Sam ist hier irgendwo. Warum suchen wir sie nicht, und ich stelle dich vor?“

Verdammt. Raphael Alvares, der Pferde von Weltklasse züchtete und ein brasilianisches Finanzimperium leitete, sollte den Ehestifter spielen. Es war erbärmlich, was aus einem Mann wurde, sobald ihm eine Frau einen Ring durch die Nase gezogen hatte. „Das klingt großartig“, sagte Demetrios herzlich. „Aber ich möchte kurz nach draußen. Ich muss in New York anrufen, und es ist so laut hier drin.“

„Du wirst sie mögen, das weiß ich.“

„Sicher, ich will nur …“

„Sie ist genau dein Typ.“

„Wirklich?“

„Ja. Am Anfang denkst du vielleicht nicht so. Sam ist eine Herausforderung.“

Bedeutete, sie war übellaunig.

„Sie ist heißblütig und hat ihre eigene Meinung.“

Bedeutete, es hatte sich noch kein Mann gefunden, der sie ertragen konnte. Demetrios war dazu gekommen, die Sprache derjenigen zu verstehen, die seinem glücklichen Junggesellenleben ein Ende machen wollten. „Klingt nach einer faszinierenden Frau“, sagte er höflich. „Und ich bin sicher, sie ist ebenso schön wie Carin.“

Raphael dachte darüber nach. „Nein“, erwiderte er schließlich. „Ich muss zugeben, dass Sam überhaupt nicht wie Carin aussieht. Wie Amanda auch nicht.“

Immer schlimmer. Sein alter Freund wollte ihn mit einer alternden Zicke versorgen, die einen Männernamen und nichts von der Schönheit ihrer Schwestern hatte. „Tja, ich bin überzeugt, dass sie entzückend ist“, log Demetrios. „Aber ich muss diesen Anruf erledigen. Und ich sehe einige Bekannte. Lass mich telefonieren und Hallo sagen. Danach komme ich zu dir zurück, damit du mich deiner Schwägerin vorstellen kannst.“

„Nein, tust du nicht.“

Autor

Sandra Marton
Sandra Marton träumte schon immer davon, Autorin zu werden. Als junges Mädchen schrieb sie Gedichte, während ihres Literaturstudiums verfasste sie erste Kurzgeschichten. „Doch dann kam mir das Leben dazwischen“, erzählt sie. „Ich lernte diesen wundervollen Mann kennen. Wir heirateten, gründeten eine Familie und zogen aufs Land. Irgendwann begann ich, mich...
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