Weihnachtszauber in den Cotswolds

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Nach ihrer Trennung kurz vor Weihnachten flieht Köchin Daisy auf ein abgelegenes Schloss in den Cotswolds. Dort wartet nicht nur ein neuer Job auf sie, sondern auch Earl Matthew Pearl. Dann der Schock: Statt zu kochen, soll sie als Escort-Dame fürs Festtagsdinner herhalten! Unvorstellbar – zumal der Tech-Tycoon nicht nur reich, sondern unverschämt attraktiv ist. Aber Liebe? Das kommt für Daisy nicht mehr infrage. Doch zwischen Weihnachtsduft, Schneeflocken und heißen Blicken wird aus Distanz schnell gefährlich viel Nähe …


  • Erscheinungstag 28.10.2025
  • Bandnummer 222025
  • ISBN / Artikelnummer 0800250022
  • Seitenanzahl 144

Leseprobe

Melody Summer

Weihnachtszauber in den Cotswolds

1. KAPITEL

Daisy steuerte ihren klapprigen Vauxhall über die schmale Landstraße und spürte, wie die Anspannung allmählich von ihr abfiel. London hatte sie hinter sich gelassen. Vor ihr lagen die Cotswolds. Die Fahrt hatte nur eineinhalb Stunden gedauert, und doch kam es ihr vor, als hätte sie soeben das Tor zu einer anderen Welt passiert. Die traumhaft schöne Landschaft nördlich von Bath galt als teuerste Wohngegend außerhalb der Hauptstadt. Hinter hohen Hecken erstreckten sich weite Felder, und immer wieder passierte sie idyllische Dörfer mit jahrhundertealten Sandsteinhäusern. Sie fuhr langsamer, um die Gegend in sich aufzunehmen. Zum ersten Mal seit langer Zeit wich die Traurigkeit einem Anflug von Freude. In den nächsten Tagen würde sie ihr Leben vergessen können, die Probleme, die Einsamkeit, die Verletzungen.

Ein halbes Jahr lang hatte sie sich vor den Weihnachtstagen gefürchtet, doch dann hatte sich eine vollkommen unerwartete Möglichkeit ergeben, den Geistern der Vergangenheit zu entkommen. Chris Reas Driving home for Christmas schallte aus den Lautsprechern des alten Radios. Doch sie fuhr nicht nach Hause, das würde sie nie wieder tun. Sie hatte ein anderes Ziel, und dafür war sie dankbar.

„Daisy, du hast doch über Weihnachten sicher nichts Wichtiges geplant, oder?“, hatte ihr Chef Louis Pierre, der berühmte Fernseh- und Sternekoch, vor einigen Wochen gefragt. „Du hast nämlich einen Auftrag. Ein sehr wichtiger Stammkunde hat dich als Privatköchin vom 16. Dezember bis 5. Januar angefragt. Du würdest dort im Haus unterkommen, und die Verpflegung wäre frei. Er erwartet dich am Abend des 15. Ich muss hoffentlich nicht betonen, wie wichtig es ist, dass du das Restaurant gut vertrittst. Er hat eine Menge einflussreicher Freunde, die ich alle gern bei uns im La vie est belle sehen möchte.“

Zuerst hatte sie sich über die unverfrorene Art ihres Chefs geärgert – Louis hatte diese herrische, bestimmende Art, sich über die Bedürfnisse anderer hinwegzusetzen –, aber dann hatte sie schnell begriffen, dass sie dieser Auftrag retten würde. Alles war besser, als allein an Weihnachten in ihrem Apartment zu sitzen und daran erinnert zu werden, was sie verloren hatte.

Als sie das Ortsschild mit der Aufschrift „Snowshill“ passierte, kribbelte ihr Magen vor Aufregung. Vor ihr lagen fast drei Wochen, in denen sie hart arbeiten würde und ihre Probleme vergessen konnte.

Die Straße verlief in einer Linkskurve und führte einen steilen Berg hinunter.

„Wow!“, stieß sie aus, als sie die windschiefen, aber gepflegten Cottages von Snowshill sah, die ein wenig wie aus der Zeit gefallen wirkten. Genauso hatte es hier vermutlich auch schon vor einhundert Jahren ausgesehen. Beinahe erwartete sie, Miss Marple in einem der weihnachtlich geschmückten Vorgärten zu erblicken. Warmes Licht floss aus den Fenstern in die Dämmerung, die sich über das Land legte.

Ihr Blick fiel auf eine alte Kirche, die von einem kleinen Friedhof umfasst wurde. Tannengrün und Lichterketten waren an der niedrigen Außenmauer des Friedhofs angebracht worden. Sie hielt an, als sie die Querstraße dahinter erreichte. In welche Richtung musste sie? Daisy zog den Zettel aus ihrer Tasche, den Louis ihr in die Hand gedrückt hatte. Matthew Pearl, Snowshill stand darauf. Sie war so froh über das Angebot gewesen, dass sie gar nicht darüber nachgedacht hatte, wie sie ihren Auftraggeber ohne seine genaue Adresse in Snowshill ausfindig machen sollte. Andererseits war sie davon ausgegangen, dass es in dem kleinen Dorf keine große Sache werden würde.

Sie erkannte ein beleuchtetes Holzschild an einem der pittoresken Sandsteinhäuser. „Snowshill Arms“ stand in altmodisch geschwungenen Lettern auf der Tafel. Daisy fuhr auf den kleinen Parkplatz hinter dem Pub und stieg aus. Sie fröstelte, als sie in den kalten Nachmittag hinaustrat. Und als wollte das Dorf seinem Namen alle Ehre machen, fielen in diesem Moment die ersten weißen Flocken vom Himmel. Daisy zog den Wollschal enger um ihre Schultern. Hier in den Cotswolds war es empfindlich kälter als in London, wo die Abgase und Heizungen der Stadt die Umgebung erwärmten.

Als Daisy den Pub betrat, schlugen ihr die Wärme und der Geruch eines Kaminfeuers entgegen, das in einer Feuerstelle neben dem Eingang knisterte.

Der Pub bestand aus zwei aneinandergereihten Gasträumen, links von Daisy befand sich eine lange Theke. Die Tische waren alle unbesetzt, nur am Tresen saßen zwei Männer bei einem frühen Feierabendbier.

„Hallo“, begrüßte sie eine Frau mittleren Alters mit blonden schulterlangen Haaren, die in diesem Moment aus einer Schwingtür hinter der Bar trat. „Ganz schön kalt geworden, nicht wahr?“

„Hi“, Daisy strich sich ihr Haar zurück, das sie, wie so oft, offen trug. „Ich suche das Haus von Matthew Pearl.“

Die Frau lächelte. „Das können Sie nicht übersehen. Fahren Sie den Berg hoch, Richtung Snowshill Lavender, dort biegen Sie rechts ab und nehmen die nächste Abzweigung nach links. Dann stehen Sie irgendwann vor dem Haupttor.“

„Danke.“ Daisy erwiderte ihr Lächeln, hob kurz die Hand und wandte sich wieder dem Ausgang zu.

„Grüßen Sie Matt von mir. Er soll sich mal wieder hier blicken lassen!“, rief die Frau ihr nach, und Daisy winkte ihr zu, als Zeichen, den Auftrag verstanden zu haben.

Wenig später saß sie im Auto und fuhr den Berg wieder hinauf, den sie gerade heruntergekommen war. Sie folgte den Anweisungen der Wirtin und fand sich bald darauf auf einem noch schmaleren, geschotterten Weg wieder. Die Sandsteincottages des Dorfs hatte sie längst hinter sich gelassen, und der frühe Winterabend tauchte die Landschaft in ein Zwielicht, das die Schatten der Büsche und Sträucher gespenstisch erschienen ließ.

Unvermittelt endete die Straße in einem Wendehammer, an dem ein steinerner Torbogen mit einem mächtigen Eisenportal die dahinterliegende Zufahrt versperrte. Rechts und links konnte Daisy den hohen, mit kunstvoll geschmiedeten Ranken und Spitzen verzierten Zaun erkennen. Was für ein weitläufiges Gelände! Sie hatte mit einem luxuriösen Haus gerechnet – schließlich verkehrten im La vie est belle nur ausgesprochen wohlhabende Leute –, aber das hier deutete auf ein riesiges Anwesen hin.

Sie hielt vor dem Tor und stieg aus. Schneeflocken wirbelten ihr ins Gesicht, und die Kälte hüllte sie ein. Mit gesenktem Kopf lief sie zum Tor. Erst als sie direkt vor dem mächtigen Portal stand, fielen ihr die Gegensprechanlage und Kameras auf, die in die Steinumfassung eingelassen waren. Sie legte den Kopf in den Nacken und las die eingemeißelte Inschrift am oberen Ende des Torbogens: Snowshill Castle.

Daisy zögerte. Ein Schloss hatte sie nicht erwartet. Ob sie hier wirklich richtig war? Oder hatten die Eigentümer mit ihrem Namen für das Haus übertrieben? Es kam immer mal wieder vor, dass Leute ihre Häuser zum Schloss erhoben, das Gebäude aber allenfalls und mit viel Wohlwollen als Villa durchgehen konnte. Vielleicht war es hier ein ähnlicher Fall.

Sie drückte auf den einzigen Knopf, der zu sehen war, und ein dumpfer Signalton erklang. Frierend trat sie von einem Bein aufs andere. Ein rotes Licht an der Kamera, die weit über ihrem Kopf hing, blinkte.

Dann vernahm sie eine blecherne Stimme. „Ja, bitte?“

„Hallo“, begann Daisy zögernd. „Ich bin Daisy Milton, und Mr. Pearl erwartet mich.“

„Bitte kommen Sie zum Haupteingang, Sie werden dort empfangen. Folgen Sie der Zufahrt, immer geradeaus, über zwei Kreuzungen hinweg.“

Wieder dieser dumpfe Signalton, das Tor schwang auf, und das rote Licht der Kamera erlosch.

Zitternd lief Daisy zurück zu ihrem Vauxhall und stieg ein. Als sie den Motor startete, kam ihr der elf Jahre alte Wagen auf einmal noch klappriger und wenig repräsentabel vor. Was für ein Anwesen würde sie am Ende der Zufahrt erwarten?

Nachdem sie das Eingangstor passiert hatte, beobachtete sie im Rückspiegel, wie sich die Flügel wie von Geisterhand hinter ihr schlossen. Vor ihr konnte sie weite Wiesen und Rhododendren in der Dämmerung erkennen, die im Sommer bestimmt wunderschön blühten, jetzt aber von weißen Flocken umweht wurden. Der Sandweg führte sie einen Hügel hinauf, und als sie oben angekommen war, trat sie überwältigt auf die Bremse. Von hier aus hatte sie einen weiten Blick über die sanften Hügel der Cotswolds, warme Lichter leuchteten aus den Fenstern der umliegenden Dörfer, die sie gerade noch in der Ferne ausmachen konnte. Doch das, was Daisys Atem stocken ließ, war das Schloss, das vor ihr auf dem nächsten Hügel lag.

Das war es?

Das war das Haus, in dem sie die nächsten Wochen verbringen sollte?

Sie stieß ein ungläubiges Lachen aus. Der Name Castle war keine Übertreibung. Vor ihr erhob sich tatsächlich ein riesiges Schloss! Bewohnte Matthew Pearl es allein? Oder war das Castle in mehrere Wohnungen aufgeteilt worden? Sie hoffte, dass es sich um mehrere Wohnungen handelte, denn der Besitzer eines solchen Anwesens sollte doch über einen ganzen Personalstab verfügen. Selbst wenn seine Köchin oder sein Koch über Weihnachten frei hatte, so musste es noch andere Küchenmitarbeiter geben, die in diesem Fall übernehmen konnten.

Nein, beruhigte sie sich selbst. Bestimmt besaß Mr. Pearl ein Apartment im Schloss. Denn auch wenn Daisy im La vie est belle arbeitete, einem der besten Restaurants in London, so war sie doch nur eine Köchin von vielen. Louis Pierre war der Chef de Cuisine, er hatte die Sterne erkocht, und sie arbeitete ihm nur zu, so wie das restliche Küchenteam. Wenn der Stammgast also Louis persönlich gebucht hätte, um seine Gäste über die Feiertage mit einem Sternekoch zu beeindrucken, hätte Daisy es verstanden, aber sie? Eine einfache kleine Hilfsköchin? Hoffentlich war das kein Missverständnis. Wenn Matthew Pearl doch das ganze Schloss besaß, dann hatte Louis ihn bestimmt falsch verstanden. Dann ging der Mann mit Sicherheit davon aus, dass der große Louis Pierre persönlich kommen würde. Sie seufzte. Es brachte nichts, sich den Kopf zu zerbrechen, sie würde noch früh genug herausfinden, ob man wirklich nur sie erwartete.

Wenig später hatte sie den großen Vorhof des Anwesens erreicht. Unbehaglich stieg sie aus dem Vauxhall und sah sich um. Eigentlich erschien es ihr richtig, den Hintereingang fürs Personal zu benutzen, allerdings war ihr am Tor ausdrücklich aufgetragen worden, zum Haupteingang zu kommen. Sie sah an den gelben Sandsteinen hinauf, aus denen das Gebäude errichtet worden war. Hinter einigen Fenstern brannte schon Licht, verschiedene Türme reckten sich in den grauen Himmel. Das Schneetreiben wurde dichter.

Daisy trat auf den Haupteingang zu und wollte gerade nach einer Klingel Ausschau halten, als die Tür geöffnet wurde.

Ein vornehm aussehender Mann im Frack stand vor ihr und deutete eine Verbeugung an. „Willkommen auf Snowshill Castle, Ms. Milton. Bitte lassen Sie Ihr Gepäck einfach im Auto, ich sorge dafür, dass es auf Ihr Zimmer gebracht wird.“ Er streckte die Hand nach ihrem Autoschlüssel aus, und Daisy ließ ihn zögernd in die behandschuhten Finger fallen. Aus dem Hintergrund trat ein weiterer Mann auf sie zu, der den Schlüssel entgegennahm und mit ihm nach draußen verschwand.

„Danke“, sagte Daisy unsicher.

„Mein Name ist Parson“, erklärte der Mann im Frack in diesem Moment. „Ich bin der Butler des Earls. Wenn Sie einen Wunsch haben, wenden Sie sich jederzeit gern an mich. Bitte folgen Sie mir, ich bringe Sie zu Lord Snowshill.“

„Lord Snowshill?“, rutschte es Daisy ungläubig heraus. Sie hatte ja keine Ahnung gehabt, dass ihr Kunde dem Adel angehörte.

„Matthew Pearl, der achte Earl of Snowshill“, erklärte Parson. Wieder deutete er eine Verbeugung an und trat zur Seite, um sie hereinzulassen.

Der Duft von Kaminfeuern, Weihnachtsgebäck und Zimt empfing sie. Daisy strich den Schnee von ihrem Parker und schüttelte die Flocken aus ihren Haaren.

Als Parson hinter ihr die Tür schloss und sich umgehend in Richtung der herrschaftlichen Wohnräume in Bewegung setzte, erfasste Daisy ein leichter Anflug von Panik. „Warten Sie bitte“, stammelte sie hastig. „Sollten wir nicht erst in die Küche gehen? Ich bin schließlich als Köchin eingestellt worden und würde mir gern erst die Wirtschaftsräume ansehen.“

Daisy wusste selbst nicht, warum sie plötzlich solche Angst hatte, dem Earl entgegenzutreten. Vermutlich ahnte sie insgeheim, dass der alte Mann enttäuscht von ihr sein würde. Ob er nun Louis Pierre persönlich oder eine seiner Angestellten erwartete, auf jeden Fall konnte eine siebenundzwanzigjährige junge Frau wie sie, die erst seit wenigen Jahren im Beruf war, seine Erwartungen bestimmt nicht erfüllen.

Der Butler sah sie verwundert an: „Aber wir haben eine Köchin.“

„Oh.“ Daisy wurde schwindelig. Genau wie sie es sich gedacht hatte. Es lag ein Missverständnis vor.

Langsam folgte sie dem Butler durch die große Eingangshalle. Sie hatte sich so darüber gefreut, über die Feiertage fort aus London und weit weg von ihren Erinnerungen zu sein. Doch nun würde sie bestimmt heute noch nach Hause zurückgeschickt. Sie nahm nur am Rande die kostbaren Teppiche wahr, die auf dem Steinboden lagen, die schweren Ölgemälde an den Wänden, auf denen Menschen aus längst vergangenen Jahrhunderten zu sehen waren. Ritterrüstungen und antike Tische, Stühle und Kommoden standen in den Räumen, die sie passierten. Zwei große Treppen führten in die oberen Stockwerke, mehrere Gänge und Türen in andere Teile des Gebäudes.

Daisy musste an Louis’ Worte denken, und plötzlich verstand sie auch den Sinn. Ihr Chef hatte betont, wie wichtig die Zufriedenheit dieses besonderen Kunden war. Sie hatte den Druck, den Louis ihr damit gemacht hatte, auf seine natürliche Überspanntheit geschoben. Er neigte dazu, aus Nichtigkeiten ein Drama zu machen. Doch jetzt begriff sie, dass dieser Auftrag tatsächlich größer war, als sie angenommen hatte. Natürlich verkehrten im La vie est belle täglich ranghohe Mitglieder der englischen Gesellschaft. Aber in erster Linie war es Louis Pierre, der für das Essen zuständig war, auch wenn Daisy und ihr Küchenteam die praktische Ausführung der Kreationen lieferten, die er sich überlegt hatte.

Wenn es bereits eine festangestellte Köchin im Castle gab, hatte man mit Sicherheit Louis höchstpersönlich gebucht. Ihr Chef musste Lord Snowshill falsch verstanden haben. Nun, alles würde sich in wenigen Minuten aufklären. Hoffentlich würde Daisy am Ende nicht von Louis den Ärger für diese Verwirrung bekommen. Ihr Magen schmerzte vor Angst und Enttäuschung.

Insgeheim hatte sie sich einen Karrieresprung von diesem Auftrag erhofft, schließlich musste es etwas zu bedeuten haben, dass Louis gerade sie dafür in Betracht gezogen hatte. Das wäre eine große Verantwortung gewesen, aber auch eine riesige Chance. Sie hätte zeigen können, was sie draufhatte.

Während sie dem Butler in einen breiten Flur folgte, wuchs die Unsicherheit in ihr, und ihr wurde übel, als sie daran dachte, wieder nach London zurückfahren zu müssen, wo sie die Einsamkeit ihres Apartments erwartete.

Vor einer doppelflügeligen schweren Eichentür mit aufwendigen Schnitzereien blieb Parson stehen. Er klopfte und drehte gleich darauf den Knauf, um die Tür zu öffnen.

Daisy betrat einen großen Raum, aus dem ihr warmes Licht entgegenfloss. Es duftete nach Tannengrün und alten Büchern. Es schien sich um eine Bibliothek zu handeln, denn entlang der Wände des Zimmers zogen sich hohe Bücherregale. In einem Kamin prasselte ein wärmendes Feuer. Gemütlich aussehende Ohrensessel standen in einigem Abstand davor. Über zwei flache Stufen gelangte man auf eine tiefere Ebene des Raumes, der mit großen Fenstern ausgestattet war, hinter denen Daisy noch gerade die atemberaubende Aussicht über die Cotswolds erahnen konnte. Dicke weiße Flocken wehten gegen die Scheiben, und das Licht der Kerzen, die auf einer langen Tafel standen, spiegelte sich darin.

Ein braunhaariger Mann mit Dreitagebart und Fassonschnitt erhob sich vom Tisch.

„Ah, Ms. Milton, oder darf ich Daisy sagen?“ Er kam auf sie zu und streckte ihr die Hand entgegen. „Ich bin Matt.“

Einen Moment lang starrte Daisy den jungen, gutaussehenden Mann an. Das war Matthew Pearl? Lord Snowshill? Sie konnte nicht sagen, warum, aber sie war davon ausgegangen, einem weißhaarigen älteren Mann entgegenzutreten.

„Hi“, erwiderte sie überrumpelt. „Ich bin Daisy Milton.“

„Herzlich willkommen auf Snowshill Castle. Danke, dass Sie es so spontan möglich machen konnten. Was darf ich Ihnen anbieten? Tee? Oder lieber Sherry? Weißwein? Punsch?“ Matt deutete auf den großen Tisch, auf dem zwei Kandelaber standen.

„Tee, bitte“, antwortete Daisy perplex. Sie hatte nicht damit gerechnet, erst einmal mit dem Hausherrn Tee zu trinken, vielmehr war sie davon ausgegangen, in die Küche geführt zu werden und dort von einem Angestellten eine knappe Einführung zu erhalten. Auf jeden Fall schien es sich nicht um ein Missverständnis zu handeln. Sie entspannte sich etwas und zog ihren dicken Anorak aus, den ihr Parson sofort abnahm.

Zögernd setzte sie sich auf einen Stuhl gegenüber der großen Fenstern. Ihr Gesicht spiegelte sich in der Glasscheibe.

„Ich hoffe, Sie haben gut hergefunden? Sie haben es ja so gerade vor dem Schneefall geschafft. Hier oben kann es manchmal erstaunlich weiß werden.“ Matt nahm ihr gegenüber Platz und schob einen der Kerzenleuchter beiseite, damit sie sich besser ansehen konnten. „Für die nächsten Tage ist viel davon angekündigt.“

„Es hat alles gut geklappt“, erklärte Daisy leise.

Er nickte. „Schön.“

Schweigen. Er betrachtete sie lächelnd.

Irgendwann wurde es ihr unangenehm. „Was genau ist meine Aufgabe?“, fragte sie. „Gibt es bestimmte Speisenfolgen, die ich zubereiten soll, oder darf ich die Menüs selber planen?“

Matt strich sich mit der Hand über den gepflegten Dreitagebart. „Ich muss gestehen, dass ich Louis gegenüber nicht ganz ehrlich war. Ich erwarte gar nicht, dass Sie kochen.“

„Was?“ Daisy sah ihn irritiert an. Dann erinnerte sie sich daran, was ihr der Butler bereits zu verstehen gegeben hatte: Matt hatte seine eigene Köchin, er brauchte sie nur als Aushilfe, zum Gemüseschneiden und Anrühren von Speisen. Wie dumm von ihr. Sie spürte, dass sie errötete. „Oh, ich dachte … aber natürlich bin ich nicht … Sorry, ich kann mich sehr gut unterordnen. Ich verspreche, der Köchin nach bestem Wissen und Gewissen zuzuarbeiten …“

„Nein, nein, das meine ich nicht.“ Er hob abwehrend beide Hände, dann ließ er sie wieder sinken und atmete tief ein. „Ich habe Louis gesagt, dass ich Sie über die Feiertage privat buchen möchte.“

Daisy nickte. „Das habe ich verstanden. Ich soll hier kochen.“

„Nein.“ Matt zögerte und strich sich wieder über das Kinn. „Wenn ich privat sagte, meinte ich auch privat.“

Daisy stutzte. „Was soll das heißen?“

Vollkommen ernst sah er sie an. „Sie sollen für die nächsten Wochen die Rolle meiner Verlobten übernehmen.“

2. KAPITEL

Matt konnte sehen, wie Daisy die Gesichtszüge entgleisten. Schnell schob er hinterher: „Ich bezahle Sie natürlich sehr gut dafür.“

„Ich …“ Sie sah ihn mit ihren großen blauen Augen an, die ihn sofort gefangen genommen hatten, als er Daisy letzte Woche zum ersten Mal im La vie est belle gesehen hatte. Sie hatte ihn gar nicht wahrgenommen, sondern ihren Gedanken nachgehangen. Auf dem Weg zur Toilette war er an der offenen Restaurantküche vorbeigekommen. Ihr Gesicht und der melancholische Ausdruck der leuchtend blauen Augen, umrahmt von den seidig blonden Haaren, die unter ihrer riesigen Kochmütze hervorschauten, hatten ihn gefesselt. Trotzdem hatte er die junge Frau gleich wieder vergessen. Erst als er zu Hause war und über sein Problem nachdachte, tauchte plötzlich dieses Gesicht wieder vor seinen Augen auf. Und in diesem Moment hatte er die Lösung vor sich gesehen. Er hatte Louis angerufen und sich nach der attraktiven Köchin erkundigt.

„Ich … ich bin keine Escort-Dame oder so“, stammelte Daisy und riss ihn damit aus seinen Gedanken.

Matt bemühte sich um sein gewinnendstes Lächeln. „Ich weiß, und es tut mir leid, dass ich nicht ganz ehrlich zu Louis war“, antwortete er schnell, weil er sah, dass sie im Begriff war, aufzustehen und wieder zu fahren. „Und ich verspreche Ihnen: Das, was ich von Ihnen erwarte, hat nichts zu tun mit den Diensten einer solchen Dame.“

Sie zog eine Augenbraue hoch und sah ihn fragend an.

Matt atmete tief ein. „Ich habe eine Bekannte, Mia Pinkerton-Smythe, mit der ich vor zehn Jahren eine alberne Vereinbarung getroffen habe. Sollten wir beide mit fünfunddreißig noch Single sein, heiraten wir am Silvestertag.“

„Okay?“ Daisy musterte ihn fragend. Offensichtlich verstand sie noch nicht ganz, was er von ihr wollte.

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