Zu einem Scheich sagt man nicht Nein

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"Nein, ich heirate dich nicht!" Stolz lehnt die schöne Ella den Antrag von Scheich Zarif ab und macht Schluss mit ihm. Doch sie hätte es wissen müssen: Ein Wüstenherrscher bekommt immer, was er will …


  • Erscheinungstag 17.01.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733739096
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Zarif langweilte sich. Er war seiner derzeitigen Geliebten ganz einfach überdrüssig, egal, wie schön und erfindungsreich sie auch sein mochte. Gerade posierte die Dame in seinem Bett vor dem großen Spiegel und begutachtete die neue funkelnde Rubinkette um ihren Hals. „Sie ist wunderschön“, hauchte sie bewundernd. „Danke. Du bist wirklich zu großzügig!“

Lena war nicht auf den Kopf gefallen. Sie wusste genau, dass die Kette ein Abschiedsgeschenk war. Klaglos würde sie nun Zarifs luxuriöses Apartment in Dubai verlassen – und versuchen, sich den nächsten reichen Mann zu angeln.

Zarif zog im Schlafzimmer Amateurinnen Professionelle vor, machte sich jedoch kaum Illusionen, was die Moral dieser Frauen anging. Er bot ihnen für eine Weile den Luxus, die angenehmen Dinge des Lebens zu genießen, während sie ihm ein Ventil für seine stark ausgeprägte Libido verschafften. Außerdem achteten sie seinen Wunsch nach Diskretion, weil sie wussten, dass es sich rächen würde, sich mit Klatsch über ihre Beziehung zu ihm an die Medien zu wenden.

Zarif musste mehr als andere Männer sein Ansehen in der Öffentlichkeit wahren. Er war schon seit seinem zwölften Lebensjahr König von Vashir. Sein Onkel hatte die Regierung innegehabt, bis Zarif volljährig geworden war – der vorerst Letzte einer langen Reihe von Herrschern auf dem Smaragdthron im alten Palast. Vashir war reich an Öl, aber sehr konservativ. Immer, wenn Zarif versuchte, sein Land ins einundzwanzigste Jahrhundert zu führen, bekam sein sich aus zwölf alten Stammesfürsten zusammensetzender Rat Panik und bat ihn, seine Entscheidung noch mal zu überdenken.

„Willst du heiraten?“, fragte Lena ihn impulsiv und sah ihn dann reumütig an. „Tut mir leid, das geht mich natürlich nichts an.“

„Noch nicht, aber bald“, antwortete Zarif kurz angebunden, zog sein Jackett glatt und wandte sich ab.

„Viel Glück“, sagte Lena. „Deine Zukünftige kann sich glücklich schätzen.“

Zarif runzelte immer noch irritiert die Stirn, als er den Fahrstuhl betrat. Wenn es um Ehe oder Kinder ging, hatten seine Vorfahren stets ausgesprochen wenig Glück gehabt. Die Liebesehen waren genauso schlecht gewesen wie die Vernunftehen, und nur sehr wenige Kinder waren geboren worden.

Da auch Zarif Einzelkind war, konnte er sich dem öffentlichen Druck, zu heiraten und einen Erben zu zeugen, nicht länger widersetzen. Mit seinen neunundzwanzig Jahren war er nur deshalb noch Single, weil er Witwer war. Seine Frau Azel und sein kleiner Sohn Firas waren vor sieben Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen.

Zarif rechnete nicht damit, sich je von diesem Verlust zu erholen. Bislang respektierten seine Landsleute sein Recht zu trauern, aber ihm war bewusst, dass er seine Pflichten nicht ewig vernachlässigen konnte, und dazu gehörte, den Fortbestand seiner Dynastie zu sichern. Trotzdem widerstrebte ihm die Vorstellung zu heiraten. Es gefiel ihm, allein zu sein; er mochte sein Leben so, wie es war.

Ein Privatjet brachte Zarif nach Vashir zurück. Bevor er von Bord ging, streifte er sich eine lange weiße Tunika, einen beigen Mantel und eine mit einer Kordel gehaltene Kopfbedeckung über – die traditionelle Kleidung seines Landes, die er gleich für die feierliche Eröffnung eines neuen Museums im Stadtzentrum brauchte. Erst nach seinem Erscheinen dort würde er in den alten Palast zurückkehren können, ein langgestrecktes Gebäude, das inmitten üppiger duftender Gärten lag. Das alte Bauwerk war vor einiger Zeit durch einen nagelneuen Riesenpalast auf der anderen Seite der Stadt ersetzt worden, der jedoch bisher nur als offizielles Regierungszentrum fungierte. Zarif hing an dem alten Gemäuer, in dem er aufgewachsen war.

Außerdem verbrachte dort auch sein geliebter Onkel Halim seine letzten Lebensmonate, und Zarif wollte dem todkranken Mann so oft wie möglich zur Seite stehen. Halim war ihm in mehrfacher Hinsicht der Vater gewesen, den Zarif nie kennengelernt hatte – ein sanfter stiller Mann, der ihm alles Entscheidende über Verhandlungstaktik, Selbstdisziplin und Staatskunst beigebracht hatte.

Zu Zarifs Überraschung wartete sein Manager Yaman in seinem Büro auf ihn. „Was führt Sie hierher?“, fragte Zarif beim Anblick des mittelalten Mannes überrascht. Yaman kam nur selten unangemeldet vorbei. Anders als Zarifs Halbbrüder Nik und Cristo, die sich einen Namen als Finanzhaie gemacht hatten, interessierte Zarif sich nämlich nicht für Geschäftliches. Vashir war schon lange vor seiner Geburt durch Öl reich geworden, und er war völlig selbstverständlich mit diesem Reichtum aufgewachsen. Yaman und sein Team sorgten für dessen Erhalt.

„Es gibt da eine Angelegenheit, auf die ich Sie aufmerksam machen wollte“, teilte Yaman ihm ernst mit.

„Natürlich. Was ist los?“, fragte Zarif. Er lehnte sich gegen die Schreibtischkante und sah seinen Verwalter erwartungsvoll an.

Dem Buchhalter stand sein Unbehagen deutlich ins Gesicht geschrieben. „Es geht um einen persönlichen Kredit, den Sie vor drei Jahren einem Freund gewährt haben … Jason Gilchrist.“

Zarif versteifte sich bei der Erwähnung dieses Namens. Doch nicht das Gesicht seines früheren Freundes tauchte vor seinem inneren Auge auf, sondern das von Jasons Schwester Eleonora, eine junge Frau mit honigblondem Haar, enzianblauen Augen und den Beinen einer Gazelle. Zarif erstarrte, als er spürte, wie sein Körper bei der Erinnerung an sie reagierte … und als ihm wieder einfiel, wie sie ihn beleidigt hatte.

Wir sind viel zu jung, um zu heiraten. Außerdem bin ich Britin. Ich könnte nie in einer Kultur leben, in der Frauen wie Menschen zweiter Klasse behandelt werden. Ich bin einfach nicht dafür geschaffen, Königin zu sein.

„Was ist passiert?“, fragte er Yaman äußerlich beherrscht. Nur das plötzliche Aufblitzen seiner dunklen Augen verriet seinen emotionalen Aufruhr.

Als Ella das stille Haus betrat, war sie so müde, dass sie sich nur noch mit bloßer Willenskraft aufrecht halten konnte.

Unter der Wohnzimmertür schimmerte Licht hervor. Jason war also noch wach. Da Ella keine Lust auf eine weitere Auseinandersetzung mit ihrem jähzornigen Bruder hatte, schlich sie leise an der Tür vorbei in die Küche, wo immer noch Chaos herrschte. Schmutzige Teller standen auf dem Tisch, und die Stühle waren achtlos weggeschoben. Nichts hatte sich verändert, seitdem Jason bei der letzten Familienmahlzeit ihren finanziellen Ruin verkündet hatte.

Entschlossen straffte Ella die Schultern und begann aufzuräumen. Sonst würde sie sich nur umso elender fühlen, wenn sie das Chaos am nächsten Morgen sah.

Ohne ihre Eltern fühlte sich das Haus gar nicht wie ein echtes Zuhause an. Verstörende Bilder tauchten vor Ellas innerem Auge auf: ihre Mutter, wie sie zerbrechlich und vorzeitig gealtert im Krankenhaus lag, und ihr Vater, wie er unkontrolliert vor sich hin schluchzte. Wütend blinzelte Ella gegen die Tränen an, die ihr in die Augen stiegen. Sich selbst zu bemitleiden änderte auch nichts an ihrer Situation.

Die letzten achtundvierzig Stunden waren der reinste Alptraum gewesen. Alles hatte mit Jasons Geständnis angefangen, dass die Buchhaltungsfirma der Familie kurz vor dem Bankrott stehe und das Haus ihrer Eltern hoch mit Hypotheken verschuldet sei. Ihr Vater war außer sich vor Wut ins Büro gefahren, um die Bücher der Firma zu überprüfen und danach den Sachbearbeiter seiner Bank um Rat zu bitten, während Jason zurückgeblieben war und seiner Mutter die Situation näher geschildert hatte.

Am Anfang war Jennifer Gilchrist noch ruhig geblieben, da sie davon ausgegangen war, dass ihr kluger und erfolgreicher Sohn die Probleme schon meistern würde. Im Gegensatz zu ihrem Mann hatte sie Jason auch keine wütenden Vorhaltungen gemacht, weil er die Unterschriften seiner Eltern gefälscht hatte, um eine weitere Hypothek auf das Haus aufzunehmen. Sie hatte ihm sogar das hehre Motiv unterstellt, dass er seine Eltern damit nur vor überflüssigen Sorgen schützen wollte.

Jason war schon immer der Augapfel von Ellas Eltern gewesen. Immer wenn er gelogen oder betrogen hatte, hatten sie Ausreden für ihn gefunden und ihm nichts als Verständnis entgegengebracht. Intelligent und sportlich zugleich, hatte Jason in allem brilliert, was er angepackt hatte, und der Stolz seiner Eltern auf ihn hatte keine Grenzen gekannt. Doch Ellas Bruder hatte einen schwerwiegenden Charakterfehler: Er dachte nur an sich selbst.

Ellas Eltern hatten sich jahrelang eingeschränkt, um Jason auf eine gute Privatschule schicken zu können, und als er einen Studienplatz in Oxford bekommen hatte, schienen sich ihre kühnsten Hoffnungen erfüllt zu haben. An der Universität hatte Jason sich mit viel vermögenderen Studenten angefreundet. Ella fragte sich oft, ob er damals schon so geldgierig und extravagant geworden war. Oder hatte er sich erst mit seiner ersten Anstellung als Banker verändert?

Wie dem auch sei, Jason hat immer mehr gewollt, und genau das hatte ihn letztendlich auf die schiefe Bahn gebracht. Was Ella ihm dabei nie verzeihen würde, war, dass er ihre Eltern mit in den Abgrund gezogen hatte.

Es hätte kaum schlimmer kommen können. Gestern hatte ihre Mutter einen Herzinfarkt bekommen, als ihr endlich bewusst geworden war, wie alarmierend die finanzielle Situation ihrer Familie tatsächlich war. Gott sei Dank befand sie sich inzwischen auf dem Weg der Besserung, da sie sofort operiert worden war.

Gerald Gilchrist hatte sein Bestes versucht, das Schlimmste abzuwenden, hatte jedoch feststellen müssen, dass noch nicht mal genug Geld übrig war, um die Angestellten zu bezahlen. Sein Entsetzen und seine Beschämung waren so groß gewesen, dass er im Krankenhausflur in den Armen seiner Tochter zusammengebrochen war. Er machte sich bittere Vorwürfe, seinen Sohn nicht besser kontrolliert zu haben.

Ella hörte ein Geräusch hinter sich und wandte den Kopf zur Tür. Ihr Bruder, der den Körperbau eines aus dem Leim gehenden Rugbyspielers hatte, stand in der Küchentür, ein Glas Whisky in der Rechten. „Wie geht es Mutter?“, fragte er schroff.

„Sie schlägt sich tapfer. Die Prognose ist gut“, antwortete Ella tonlos und drehte sich wieder zur Spüle um. Der Abwasch lenkte sie davon ab, dass ihr Bruder ihre Mutter weder ins Krankenhaus begleitet noch sie bisher dort besucht hatte.

„Es ist nicht meine Schuld, dass sie einen Herzinfarkt hatte!“, erklärte Jason streitsüchtig.

„Das habe ich auch nicht behauptet.“ Ella war fest entschlossen, sich nicht wieder in eine Auseinandersetzung mit ihm hineinziehen zu lassen. Er hatte schon als Kind lieber stundenlang diskutiert, anstatt nachzugeben. „Niemand hat Schuld.“

„Mutter hätte schließlich überall einen Herzinfarkt bekommen können. So waren wir wenigstens dabei und konnten dafür sorgen, dass sie sofort ins Krankenhaus kommt.“

„Okay“, stimmte Ella um des lieben Friedens willen zu. „Ich wollte dich übrigens noch fragen … dieser große Kredit, den du vor drei Jahren aufgenommen hast …“

„Was soll damit sein?“ Jasons gereizter Tonfall ließ keinen Zweifel daran, dass er keine Lust hatte, irgendwelche Fragen zu beantworten.

„Bei welcher Bank war das?“

Jason schnaubte verächtlich. „Keine Bank der Welt hätte mir einen solchen Geldbetrag ohne Sicherheiten gegeben. Das Geld kam von Zarif.“

Beim Klang dieses Namens fiel Ella vor Schreck die Spülbürste aus der Hand. Schockiert drehte sie sich um. „Zarif?“, wiederholte sie.

„Ja. Nachdem man mich bei der Bank entlassen hatte, bot Zarif mir an, mir Geld für die Gründung einer eigenen Firma zu leihen. Ein zinsloses Darlehen, das ich erst nach drei Jahren zurückzahlen müsste“, erklärte Jason widerstrebend. „Nur ein Idiot hätte ein solches Angebot ausgeschlagen.“

„Das war sehr … großzügig von ihm“, sagte Ella mit gepresster Stimme. Ihr schönes Gesicht war beherrscht, doch hinter der Fassade herrschte Aufruhr. Drei Jahre hatte sie dafür gebraucht, etwas zu vergessen, das für sie die schlimmste Erfahrung ihres Lebens gewesen war. „Aber du hast keine eigene Firma gegründet. Stattdessen wurdest du Dads Partner.“

„Tja, die Heimat ist eben immer dort, wo einst die Wiege stand oder so“, erwiderte ihr Bruder ungerührt. „Die Firma hatte keine Zukunft, bis ich Teilhaber wurde.“

Ella unterdrückte eine wütende Bemerkung. Schade, dass Jason keine eigene Firma gegründet, sondern stattdessen eine in den Ruin getrieben hatte, die vielen Menschen jahrzehntelang ein sicheres, wenn auch unspektakuläres Auskommen gesichert hatte. „Ich kann nicht fassen, dass du Geld von Zarif angenommen hast!“

„Wenn ein Milliardär mit einem Batzen Geld vor meiner Nase herumwedelt, bleibt mir ja wohl nichts anderes übrig“, entgegnete Jason herablassend. „Natürlich hat Zarif mir das Darlehen nur deshalb angeboten, weil er geglaubt hat, du würdest ihn heiraten. Er hat wohl keinen arbeitslosen Schwager gewollt.“

Ella verkrampfte sich. „Wenn das stimmt, hättest du ihm das Geld zurückzahlen müssen, als wir Schluss gemacht haben.“

„Ihr habt nicht Schluss gemacht, Ella“, unterbrach Jason sie gereizt. „Du hast dich unerklärlicherweise geweigert, die Partie des Jahrhunderts zu heiraten. War doch klar, dass Zarif sich nach einem solchen Schlag ins Gesicht nicht mehr melden würde. Wenn du also einen Verantwortlichen für diese Misere suchst, dann denk mal darüber nach, welchen Beitrag du dazu geleistet hast!“

Ella schoss das Blut ins Gesicht. „Willst du mir etwa unterstellen, dass ich für das verantwortlich bin, was passiert ist?“

Jasons blutunterlaufene Augen waren voller Abneigung. „Du hast total selbstsüchtig gehandelt. Du hast Zarif nicht nur beleidigt, sondern auch meine Freundschaft mit ihm zerstört. Er hat mich nie wieder kontaktiert!“

Ella senkte den Kopf, um ihre Verstörung zu verbergen. Das volle honigblonde Haar fiel ihr ins Gesicht. Jason hatte recht, die Freundschaft ihres Bruders mit Zarif war an dem Tag vorbei gewesen, als sie Zarifs Heiratsantrag abgelehnt hatte. „Ich mag ihm einen Korb gegeben haben, aber das war keine selbstsüchtige Entscheidung – wir haben einfach nicht zusammengepasst“, erklärte sie mit gepresster Stimme, den Blick noch immer zum Fußboden gesenkt.

„Als ich das Geld von Zarif angenommen habe, bin ich davon ausgegangen, dass du ihn heiraten würdest und ich es nie zurückzahlen muss“, fuhr Jason gereizt fort und stürzte den guten Whisky seines Vaters achtlos herunter. „Unsere gegenwärtigen Probleme sind ganz offensichtlich deine Schuld. Schließlich hast du auch von Zarifs Geld profitiert!“

Ella runzelte verwirrt die Stirn. „Was für Geld? Ich habe Zarifs Geld nie angerührt!“

„Oh doch, hast du“, widersprach Jason triumphierend. „Was glaubst du wohl, woher das Geld stammte, das ich dir gegeben habe, um den Buchladen mit Cathy aufzumachen?“

Ella starrte ihren Bruder entgeistert an. „Du hast mir gesagt, dass es sich um deine Ersparnisse handelt!“, protestierte sie empört. „Willst du damit etwa sagen, dass das Geld von Zarif stammte?“

„Woher hätte ich Ersparnisse haben sollen?“, fegte Jason ihren Einwand beiseite. „Ich war bis zum Hals verschuldet, als ich entlassen wurde. Ich hatte Kredite für meine Autos am Laufen, war in den Miesen bei der Bank und hatte eine große Hypothek auf meine Wohnung aufgenommen.“

Ella war schockiert. Nach dem Collegeabschluss hatten sie und ihre Freundin Cathy eine Buchhandlung mit Café eröffnet. Ella hatte sich von Jason das Geld für ihren Anteil geliehen und zahlte ihm seitdem jeden Monat einen Teilbetrag zurück. Nach zweieinhalb Jahren war sie immer noch so arm wie eine Kirchenmaus und konnte es sich weder leisten, bei ihren Eltern auszuziehen, noch, sich ein Auto zu kaufen. Der Laden lief nicht schlecht, aber Luxus war nicht drin. Cathy, das einzige Kind wohlhabender Eltern, war viel besser dran, weil sie nicht allein von den Erlösen leben musste.

„Du hast mich absichtlich getäuscht!“, rief Ella wütend. „Ich hätte das Geld nie angenommen, wenn ich gewusst hätte, dass es von Zarif stammt, das weißt du ganz genau!“

„In deiner Lage konntest du es dir nicht erlauben, wählerisch zu sein. Du konntest froh sein, überhaupt Geld zu bekommen.“

„Wenn es wirklich stimmt, dass mein Anteil am Laden von Zarifs Darlehen stammt, dann bin ich offensichtlich mehr in die Sache involviert, als mir bewusst war.“ Mit zittrigen Beinen ließ Ella sich auf einen Stuhl sinken. „Aber du kannst mir nicht allen Ernstes die Schuld daran geben, dass du das Geld für neue Büroräume und Inventar ausgegeben hast und es jetzt nicht zurückzahlen kannst.“

Jasons Blick war vernichtend. „Nicht? Als ich das Geld bekommen habe, hätte ich nie damit gerechnet, es je zurückzahlen zu müssen!“, wiederholte er. „Wenn du Zarif geheiratet hättest, hätte er nie von mir verlangt, es zurückzuzahlen! Klar gebe ich dir die Schuld an diesem ganzen gottverdammten Alptraum! Ohne dich wären wir jetzt nicht in dieser Situation!“

Wütend sprang Ella auf. „Das ist nicht fair! Von dem Moment an, als du das Geld hattest, hast du nicht nur gelogen, sondern auch auf viel zu großem Fuß gelebt! Du hast das Gesetz gebrochen, indem du Mums und Dads Unterschrift gefälscht hast, um eine weitere Hypothek auf dieses Haus aufzunehmen. Du hast uns alle getäuscht, weil du uns nicht gesagt hast, was wirklich mit der Firma los ist. Wag es ja nicht, mir auch nur irgendetwas davon in die Schuhe zu schieben!“

„Du bist selbstsüchtig und kurzsichtig!“, gab Jason zurück. Sei Gesicht war knallrot vor Wut. „Du bist diejenige, die Zarifs Freundschaft mit unserer Familie zerstört hat und uns in diese demütigende Lage gebracht hat. Deshalb solltest du auch zu ihm gehen und ihn um einen Zahlungsaufschub bitten.“

Ella war fassungslos. „Ich soll zu ihm gehen? Du willst allen Ernstes, dass ich Zarif aufsuche?“

„Wer denn sonst?“ Jason verzog verächtlich die Lippen. „Männer sind immer verständnisvoller, wenn eine Frau sie um einen Gefallen bittet, und Zarif bereitet es bestimmt große Genugtuung, wenn du auf allen vieren bei ihm angekrochen kommst.“

Ella wurde erst rot und dann blass. „Niemals! Ich könnte es nicht ertragen, ihn wiederzusehen“, erklärte sie, auch wenn es ihr peinlich war, das zuzugeben. Drei Jahre war das alles jetzt her, aber sie war immer noch nicht über Zarif hinweg.

„Tja, unter den gegebenen Umständen wird er mich kaum empfangen, aber dich schon“, prophezeite Jason. „Und du musst dafür noch nicht mal in sein gottverlassenes Land reisen. Er hat gerade irgendein schickes Forschungsgebäude in Oxford gestiftet und hält dort übermorgen eine Rede.“

Ellas schönes Gesicht war noch immer kreidebleich. „Das spielt keine Rolle, da ich ihn nicht sehen will.“

„Noch nicht mal, um Mummy und Daddy aus diesem Alptraum zu erlösen? Sieh den Tatsachen doch endlich ins Auge – du bist gerade ihre einzige Hoffnung. Vorausgesetzt natürlich, dass Zarif hinter seiner steifen Fassade eine sentimentale Ader hat.“

„Ich bin nicht diejenige, die hinter Mums und Dads Rücken eine Hypothek aufgenommen hat“, protestierte Ella, fragte sich jedoch insgeheim, ob sie sich nicht doch selbstsüchtig verhielt, wenn sie ihren Eltern nicht half. Auf der anderen Seite hatte sie keine Lust, sich von Jason manipulieren zu lassen. Sein Vorschlag war nichts weiter als ein letzter verzweifelter Versuch, die Situation zu retten. Glaubte er denn allen Ernstes, dass Zarif sie empfangen würde?

Andererseits hatte Zarif ihre Eltern immer gemocht und vermutlich keine Ahnung, dass Jason sein Darlehen verschwendet und damit sich selbst und seine Eltern finanziell ruiniert hatte.

„Dir ist wohl immer noch nicht klar, was du angerichtet hast, als du Zarifs Antrag abgelehnt hast!“, sagte Jason bitter. „Mit Zarifs Unterstützung wäre ich aus allem raus.“

„Wenn auch nicht durch eigene Bemühungen“, murmelte Ella.

„Was hast du gesagt?“, fragte Jason drohend.

Entschlossen ging Ella im Bogen um ihn herum durch die Tür. „Nichts … ich habe nichts gesagt“, log sie. „Wir sind beide zu müde und zu gestresst für diese Diskussion. Ich gehe jetzt ins Bett.“

„Du selbstsüchtige dumme Kuh, Ella!“, zischte Jason hinter ihr. „Du hättest alles haben können, und was hast du jetzt? Den halben Anteil an einer Buchhandlung von der Größe eines Kleiderschranks!“

Ella versteifte sich und drehte sich um. „Immerhin habe ich noch meine Integrität“, erklärte sie würdevoll und hob trotzig das Kinn.

Als sie jedoch eine halbe Stunde später erschöpft im Bett lag, wurde ihr bewusst, dass das nicht stimmte. Ob es ihr gefiel oder nicht, sie war persönlich stärker in den finanziellen Ruin ihrer Familie involviert als gedacht. Da sie es sich nicht leisten konnte, das restliche Geld auf einmal zurückzuzahlen, gehörte Zarif auch die Hälfte ihres Buchladens

Doch Jasons zweite Anschuldigung hatte sie noch tiefer getroffen. Es war zweifellos ihre Schuld, dass Zarif sich von der Gilchrist-Familie zurückgezogen hatte. Es war nur verständlich, dass er Ella oder ihre Familie nach ihrer Abfuhr nie wieder besucht hatte. Bisher hatte Ella deswegen nie ein schlechtes Gewissen gehabt, aber jetzt schon.

So schwer es ihr auch fiel, sie musste Jason zugestehen, dass er vermutlich wirklich nie damit gerechnet hatte, Zarifs Darlehen zurückzahlen zu müssen. Offensichtlich hatte er schon lange gewusst, dass Zarif ernste Absichten in Bezug auf seine Schwester hatte und entsprechende Pläne gemacht. Hatte er das Geld nur deshalb so leichtsinnig verschwendet, weil er davon ausgegangen war, damit machen zu können, was er wollte?

Ella verzog das Gesicht, als ihr bewusst wurde, dass die Last der Verantwortung jetzt allein auf ihren Schultern ruhte. Sie war nicht mehr die unschuldige Nebenfigur, für die sie sich so lange gehalten hatte. Ihre Beziehung mit Zarif hatte Jasons Einstellung zum Darlehen zweifellos beeinflusst.

Noch während ihrer Beziehung mit Zarif hatte ihr Bruder die neuen Büroräume für die Firma ihres Vaters angemietet und zusätzliches Personal angestellt. Damals hatte er tatsächlich noch guten Grund für seine Annahme gehabt, dass er das Geld nie würde zurückzahlen müssen …

Ein hartnäckiges Klingeln an der Eingangstür riss Ella aus einem unruhigen Schlaf. Beunruhigt stand sie auf, streifte sich ihren Morgenrock über und eilte hinunter.

Der beste Freund ihres Vaters, Jonathan Scarsdale, stand auf der Schwelle. „Bei euch war ständig besetzt“, sagte er entschuldigend. „Ich dachte, dann komme ich lieber persönlich vorbei, um mit dir zu reden.“

Ella warf einen Blick auf den Telefontisch und stellte fest, dass das Telefon sich nicht in der Ladestation befand.

„Nein, mach dir keine Gedanken“, beruhigte sie ihn. Die besten Freunde ihrer Eltern, Jonathan und Marsha, waren ihr schon seit ihrer Kindheit vertraut. „Ich bin froh, dich zu sehen. Komm doch rein.“

„Das wäre vielleicht wirklich besser“, stimmte der ältere Mann bekümmert zu. „Obwohl ich dir nur ungern noch schlechtere Nachrichten überbringe.“

Autor

Lynne Graham
Lynne Graham ist eine populäre Autorin aus Nord-Irland. Seit 1987 hat sie über 60 Romances geschrieben, die auf vielen Bestseller-Listen stehen.

Bereits im Alter von 15 Jahren schrieb sie ihren ersten Liebesroman, leider wurde er abgelehnt. Nachdem sie wegen ihres Babys zu Hause blieb, begann sie erneut mit dem...
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