Hochzeitsplanung mit Hindernissen

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Eine Vernunftehe mit dem besten Freund? Für die hübsche Millie ist es nach einer schmerzlichen Enttäuschung die perfekte Lösung. So kann sie doch noch die ersehnte Familie gründen – ohne erneut verletzt zu werden! Doch als ihr Freund geschäftlich verreisen muss und ihr stattdessen sein Trauzeuge Giles bei den Hochzeitsvorbereitungen hilft, sprühen plötzlich ungeahnt sinnliche Funken. Millie kann Giles’ Anziehungskraft immer weniger widerstehen, gegen jede Vernunft verliebt sie sich in ihn. Aber die geplante Trauung an Heiligabend rückt unaufhaltsam näher …


  • Erscheinungstag 30.09.2025
  • Bandnummer 202025
  • ISBN / Artikelnummer 0800250020
  • Seitenanzahl 144

Leseprobe

Sophie Pembroke

Hochzeitsplanung mit Hindernissen

1. KAPITEL

Millie Myles lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und würdigte die launige Rede des Trauzeugen an den richtigen Stellen mit pflichtschuldigen Lachern. Giles Fairfax war der geborene Trauzeuge … ebenso kultiviert wie gut erzogen und ausgesprochen attraktiv in seinem Cutaway.

Dazu kam seine Rede gut an, sogar sie musste gegen ihren Willen lachen, was Millie ziemlich ärgerte.

Giles war schon immer in vielerlei Hinsicht nervtötend erfolgreich gewesen, manchmal war er aber auch einfach nur strapaziös! Und obwohl sie sich seit ihrem achtzehnten Lebensjahr nicht mehr gesehen hatten – was kein Zufall war –, hatte sie immer noch lebhafte Erinnerungen an den Giles Fairfax von damals. Außerdem versorgte sie ihr bester Freund Charlie mit fortlaufenden Geschichten Giles’ Erfolge betreffend, über die sie sich nach Belieben aufregen konnte.

Denn Charlie war nicht nur ihr, sondern auch Giles’ Best Buddy. Genau gesagt eiferten Giles und Millie seit ihrem zwölften Lebensjahr um diesen Status. Das mochte kindisch erscheinen, aber sie war trotzdem immer noch entschlossen, zu gewinnen!

Wie auch immer … Giles Fairfax erwachsen zu sehen, hatte ihr zugegebenermaßen einen ziemlichen Schock versetzt. Aus dem schlaksigen Achtzehnjährigen war ein breitschultriger, selbstbewusster und verdammt gut aussehender Dreißigjähriger geworden. Bevor sie realisiert hatte, wer er war, hatte sie ihm sogar von hinten ein oder zwei anerkennende Blicke zugeworfen!

Nicht, dass das irgendwas zu bedeuten hatte …

Was Millie anging, hatte körperliche Anziehung keinen Stellenwert im Vergleich zu Kompatibilität auf Seelenebene. Was Lust und Leidenschaft betraf, hatte sie sich bereits die Finger verbrannt. Sie brauchte keinen Kerl, der vor Charisma und Charme strotzte, bis er sich irgendwann mit ihr im Bett langweilte. Nein, das nächste Mal, wenn sie sich mit einem Mann einließ, würde es eine erwachsene Beziehung sein, die nicht auf Verlangen, sondern auf gemeinsamen Überzeugungen und Respekt beruhte. War das denn wirklich zu viel verlangt?

Giles hielt die Menge immer noch fest im Griff. Er erzählte von wilden Universitätszeiten in Oxford, mit denen sich alle Zuhörer identifizieren konnten. Die meisten Gäste hatten elitäre englische Internate besucht und waren anschließend in Banken gelandet, wenn sie nicht Jura oder Medizin studierten.

Millie unterdrückte einen Seufzer. Ohne Frage war sie die einzige staatlich ausgebildete Floristin an diesem Tisch und hatte sich in ihrem Leben noch nie so fehl am Platz gefühlt. Und das wollte wirklich etwas heißen!

Am oberen Tischende hielt Giles inne und lächelte unbeschwert und Beifall heischend in die Runde, bis sich ihre Blicke für eine Sekunde kreuzten. Sein Lächeln erlosch, stattdessen war plötzlich etwas ganz anderes in seinem Gesicht zu lesen, das sie nicht ganz deuten konnte und auch nicht verstehen wollte.

Rasch senkte sie den Blick und konzentrierte sich auf das Blumenarrangement in der Mitte des Tischs, eines von denen, die sie vergangene Nacht hatte umarbeiten müssen, da die Braut in letzter Sekunde ihre Wünsche geändert hatte.

Okay, sie kannte Giles mindestens ihr halbes Leben, und auch wenn sie ihn seit über einem Jahrzehnt nicht mehr gesehen hatten, stand ihre Meinung über ihn noch ebenso fest wie vor Jahren: Er war der Inbegriff des privilegierten Sprösslings aus einer Familie mit altem Geld, Grundbesitz und dem dazugehörigen Titel. Jemand, der auf Kosten anderer durchs Leben segelte. Und dazu lieber eine Show abzog, statt einfach echt zu sein.

Hauptsächlich dieser letzte Aspekt unterschied ihn von dem Mann, mit dem sie zu der Hochzeit gekommen war: ihrem gemeinsamen besten Freund. Auch Charlie würde eines Tages über Titel, Grundbesitz und das Geld seiner Familie verfügen können, wusste aber, was es bedeutete, dafür zu arbeiten.

Als die Zeiten härter wurden und neben allen anderen Kosten auch die Renovierungskosten rapide anstiegen, hatte seine Familie mit dem geerbten Vermögen ein florierendes Unternehmen aufgebaut, das zudem lokalen Gewerken und einheimischen Handwerkern zugutekam. Währenddessen hatte Giles’ Familie, soweit sie wusste, die imaginäre Zugbrücke hochgezogen, um ungestört ihr privates Wohlergehen zu zelebrieren.

Millie seufzte und blickte zur Braut, die schön und kalt wie eine Eiskönigin am Ehrentisch thronte. Aus einem Impuls heraus drückte Millie die Hand ihres Dates und wagte einen Seitenblick. Auf Charlies Gesicht saß wie festgefroren ein starres Lächeln, sein Gesellschaftslächeln, wie sie es scherzhaft nannte. Denn innerlich war ihm absolut nicht danach zumute.

Wie auch, wenn die Liebe seines Lebens einen anderen Mann heiratete!

Nie zuvor war Millie so wütend auf jemand gewesen wie in diesem Moment auf Octavia Sinclair. Sogar ihr seit fast zwei Jahrzehnten andauernder Frust Giles betreffend, verblasste neben dem, was Octavia Charlie angetan hatte!

„Alles in Ordnung mit dir?“, raunte sie leise, während Giles seine Rede als Trauzeuge mit einem launigen Schlusswort beendete und dafür andauernden Applaus erntete.

„Natürlich!“, log Charlie. „Wie sollte es anders sein? Ich sitze hier zusammen mit der attraktivsten und wundervollsten Frau im Saal.“

Zumindest das Lächeln, das er ihr während der letzten Worte schenkte, war echt, ließ Millie sich jedoch fragen, ob sie ihm das letzte Glas Champagner nicht lieber hätte wegnehmen sollen.

„Im Ernst, Mills, ich bin so froh, dich heute an meiner Seite zu haben. Mit dir abhängen zu können, macht das Ganze auf jeden Fall erträglicher.“

Spontan lehnte sie ihre Stirn an seine Schulter. „Ich möchte nirgendwo anders sein.“ Was nicht ganz stimmte. Eine High-Society-Hochzeit entsprach absolut nicht ihrer Vorstellung von einem gelungenen Abend, aber Charlie brauchte sie. Also hatte sie Ja gesagt, auch wenn Octavia die Nase gerümpft hatte, als sie mitbekam, dass ihr Ex-Freund ihre Floristin als Begleitung mitbrachte.

So konnte sie heute zumindest ihre Arbeit sehen. Dieses herrliche Farbenmeer des Herbstes, kunstvoll zu einem Bogen arrangiert, unter dem Braut und Bräutigam während der Zeremonie gestanden hatten. Dazu der Brautstrauß in Honig- und Goldtönen, den die Braut längst irgendwo hingeworfen hatte.

Es freute sie, dass ihre Arbeit bewundert wurde und den Gästen Freude bereitete. Octavia hatte ihre Hochzeitsgesellschaft mit dem Blumenschmuck beeindrucken wollen, und Millie war überzeugt, dass es ihr gelungen war.

Charlie griff schon wieder zur Champagnerflasche, und Millie überlegte, wie sie es anstellen sollte, ihn um Mitternacht bis zum Taxi zu manövrieren. Schon allein deshalb hatte sie sich lieber zurückgehalten.

Außerdem wollte sie sich daran gewöhnen, auf Alkohol zu verzichten.

Als die livrierten Kellner damit begannen, Kaffeekannen durch den Raum zu tragen, lächelte sie einen von ihnen hoffnungsvoll an, worauf er direkt auf sie zusteuerte und beide Tassen, um die sie bat, vollschenkte. Millie bedankte sich überschwänglich.

Noch etwas, worauf ich verzichten muss, wenn ich schwanger werden will.

Der Gedanke, der ihr ungebeten in den Kopf gekommen war, führte dazu, dass ihr Löffel klappernd auf der Untertasse landete.

„Alles okay mit dir?“, fragte Charlie besorgt.

„Alles bestens!“, versicherte sie strahlend. Heute ging es nicht um ihre Probleme, sondern um seine. „Sag mir lieber, wie du dich fühlst.“

Er zwang sich zu einem Lächeln. „Es ist, wie es ist.“

Himmel! Wie sie diesen Satz hasste!

Die Vorstellung, sich zu ergeben und alles hinzunehmen, war absolut nicht ihre Lösung. Sie war stets bestrebt, Dinge zu ändern, die sie unglücklich oder wütend oder was auch immer machten.

Zugegeben, viel Handlungsspielraum hatte Charlie nicht, wenn Octavia einfach einen anderen Mann heiratete. Dass Octavia sich Millie gegenüber vom ersten Tag an als eiskalte Zicke präsentiert hatte, war Charlie bis heute nicht bewusst.

Millie presste die Lippen zusammen. Sie war nun mal nicht wie er im Glanz von Howard Hall aufgewachsen. Ihre Eltern besaßen keine elegante Abendgarderobe, hatten keinen Koch und auch sonst kein Personal.

Sie war im Pförtnerhaus des Herrenhauses aufgewachsen, mit einer Mutter, die dort als Köchin angestellt war, und einem Vater, der sich um Garten und Parkanlagen gekümmert hatte, bis er starb. Charlie war von klein auf ihr Spielkamerad und ihr bester Freund gewesen, selbst in seiner Internatszeit. Sogar noch, nachdem er dort Giles kennengelernt hatte und sie plötzlich den Status der besten Freundin mit einem distanzierten Schnösel teilen musste.

Das Wichtigste war, dass Charlie sie besser kannte als jeder sonst. Und dass sie wusste, wer er hinter dem verbindlichen Gesellschaftslächeln tatsächlich war.

Doch sie war nie Teil seiner Welt gewesen, so wie Giles. Die Partys und großen Feste in Howard Hall hatte sie immer nur versteckt hinter Büschen beobachten können und alles atemlos in sich aufgesogen, zumindest, bis ein Elternteil sie gefunden und nach Hause ins Bett verbannt hatte.

Millie seufzte und schüttelte die wehmütigen Erinnerungen ab.

Heute nahm sie als geladener Gast an der Hochzeit des Jahres teil … und das am Arm eines der begehrtesten Junggesellen des Landes: Charles St. Clare Howard, Erbe des Titels Baron Howard, der bis auf die Normannen zurückging.

Keiner der Gäste wusste, dass sie nur zu seiner moralischen Unterstützung hier war. Möglicherweise wurde sogar spekuliert, dass Charlie verrückt nach ihr war und vielleicht sogar plante, ihr einen Heiratsantrag zu machen. Sie könnten sogar daran denken, eine Familie zu gründen.

Vergiss es!

Heute war nicht der Tag, um über ihre Probleme nachzudenken. Sie war ausschließlich hier, um Charlie beizustehen. Was sicher besser gelänge, wenn die Braut nicht genau in diesem Moment auf sie zugesteuert käme …

„Da bist du ja“, sagte sie spitz, als hätte Millie nicht den ganzen Abend über auf dem ihr zugewiesenen Platz gesessen. „Du musst meinen Brautstrauß richten.“

Millie stand auf. „Was ist mit ihm passiert?“

Octavia zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Aber er sieht irgendwie seltsam aus und muss perfekt sein, bevor ich ihn später werfe. Nun komm schon …“

Millie warf Charlie, den Octavia nicht einmal zur Kenntnis genommen hatte, einen entschuldigenden Blick zu und folgte der Braut, die sie offenkundig nur daran erinnern wollte, dass sie eigentlich zum Personal gehörte.

Giles Fairfax hatte von Ex-Freundinnen oft den Satz immer die Brautjungfer, nie die Braut gehört. Aber er war nie auf die Formulierung immer der Trauzeuge, nie der Bräutigam gestoßen.

Trotzdem schien genau das sein Schicksal zu sein. Auf Octavias und Laytons Hochzeit gab er das dritte Mal in diesem Jahr den Trauzeugen. In dem Umfeld, in dem er verkehrte, oder zumindest aufgewachsen war, hatte jeder einen großen Bekanntenkreis, aber enge, beste Freunde spielten keine große Rolle.

Giles selbst verspürte keinen Drang, zu heiraten. Und was den heutigen Tag betraf, war er ernsthaft hin- und hergerissen gewesen, ob er dazu Ja sagen sollte. Sosehr er Layton auch mochte, seine Meinung über Octavia fiel weniger positiv aus. Nicht zuletzt wegen Charlie, der zusammengesunken an seinem Tisch saß und der Braut mit liebeskrankem Blick hinterherschaute, wie sie in ihrem Hochzeitskleid davontänzelte.

Aber vielleicht galt seine Aufmerksamkeit auch der Frau an der Seite der Braut … dieser dunkelhaarigen Schönheit im salbeigrünen Kleid. Sie hatte weiche Kurven, wo Octavia eckig wirkte, war dunkel, wogegen das Eisblond der Braut eher künstlich wirkte, und sanft, im Gegensatz zu …

Wenn er nicht genau wüsste, mit welch scharfer Zunge und missbilligenden Blicken er rechnen musste, würde er weit mehr tun, als sie nur heimlich zu beobachten. In der Sekunde, als er während seiner Rede Millies Blick aufgefangen hatte, spürte er diesen gewissen Funken, der normalerweise einen unvergesslichen Abend verhieß. Aber dies war nun mal Millie, also verwirrte es ihn eher, als dass es ihn erregte. Und natürlich schaute sie sofort weg. Offensichtlich hatte sich ihre festgefahrene Meinung über ihn im Lauf der Jahre nicht geändert.

Er hatte Millie Myles seit über einem Jahrzehnt nicht mehr gesehen und musste zugeben, dass er sich nicht wirklich an eine prickelnde Erregung zwischen ihnen erinnerte, als sie Teenager waren. Eher an handfeste Irritation und Verärgerung.

Aber jetzt … jetzt war sie einfach umwerfend und strahlte ein Selbstbewusstsein aus, das sie mit achtzehn definitiv nicht gehabt hatte. Er verstand absolut, dass Charlie sie als seine Begleitung zu dieser Hochzeit gewählt hatte. Abgesehen von der Tatsache, dass Charlie bisher nie angedeutet hatte, dass er in Millie Myles jemals etwas anderes gesehen hätte als seinen anderen besten Kumpel aus Kindertagen.

Damals hatten Millie und er darum gekämpft, für Charlie die wichtigste Person der Welt zu sein, und ihn dabei unglücklicherweise in Octavias Fänge geraten lassen. So gesehen war Giles sogar froh, heute Millie an der Seite seines besten Freunds zu sehen, da er zu weit ab vom Schuss war, um selbst ein Auge auf Charlie zu haben.

Jetzt nahm er den momentan verwaisten Platz neben Charlie ein, um sich nach einem prüfenden Blick auf die leere Champagnerflasche und seine volle Kaffeetasse ein wenig um ihn zu kümmern.

„Na, wie läuft’s?“ Noch während er das fragte, realisierte er, wie unangemessen diese Frage war. Eigentlich hätte er fragen müssen: Zerreißt es dir das Herz, wenn du mit ansehen musst, wie die Frau, die du liebst, einen anderen heiratet? Warum zum Teufel hast du überhaupt zugestimmt, herzukommen?

Aber in ihren Kreisen stellte man solche Fragen nicht.

„Oh, hallo …“ Charlie setzte ein Lächeln auf, das der Freund ihm keinen Moment abnahm. „Tolle Rede, aber du bist ja auch schon ein alter Hase in diesem Metier.“

„Ich übe nur für den Moment, in dem du mich um meine Dienste als Trauzeuge bittest“, behauptete Giles mit einem Nicken in Richtung von Millie, die an Octavias Brautstrauß herumfummelte, während die Braut sie keine Sekunde aus den Augen ließ. „Aber da du Millie als Begleitung zur Hochzeit deiner Ex mitgebracht hast, gibt’s wohl noch keine konkreten Pläne?“

Während er den Freund beobachtete, kam ihm der Gedanke, dass Charlie sich, sollte er die Kindheitsfreundin einmal mit den Augen eines Erwachsenen betrachten, wahrscheinlich sofort in sie verlieben würde. Was hieße, dass Millie den Kampf um Charlies Gunst, den sie seit ihrem zwölften Lebensjahr führten, schlussendlich doch gewonnen hätte.

Vielleicht sollte er ihr einfach das Feld überlassen.

„Sie hat sich ganz schön rausgemacht, das muss ich zugeben“, stellte er mehr für sich fest und blickte erneut in ihre Richtung.

Charlie nickte nur trübe. „Mir ist aufgefallen, dass du keine Begleitung mitgebracht hast, obwohl du Trauzeuge bist.“ Es war ein unbeholfener Versuch das Thema zu wechseln, doch Giles ließ sich bereitwillig darauf ein.

„Das tue ich doch nie, wie du weißt.“ Er hatte nicht die Absicht, je zu heiraten, sprich, sich auf diese Weise an die Kette legen zu lassen. Wieder schaute er zu Millie hinüber … und bemerkte ihren ebenso verächtlichen wie gereizten Gesichtsausdruck, während Octavia sie herumkommandierte.

Hatte sie sich vielleicht etwas vorgenommen, jetzt, da Charlies große Liebe aus dem Weg war? Zutrauen würde er es ihr. Und möglicherweise gelang es ihr sogar, Charlie von seiner Octavia-Besessenheit zu heilen.

Wenn das passieren sollte … nun ja, dann würde er sich eben anstrengen müssen, sich für seinen besten Freund zu freuen. Spontan beschloss Giles, seine Theorie zu testen. „Also, wenn Millie und du … wenn ihr beide wirklich nur beste Freunde seid und ich gerade kein Date am Start habe …“

„Nein“, unterbrach ihn Charlie, bevor er seinen Satz überhaupt aussprechen konnte.

„Warum nicht? Wir kennen uns schon ewig und sind nicht mehr die streitlustigen Teenager von damals. Obwohl wir damals vielleicht auch nur versucht haben, eine gewisse Anziehung zu verbergen und …“

„Millie ist doch gar nicht dein Typ.“

Angesichts dessen, wie sie in ihre Kurven quasi reingewachsen war und wie selbstgewusst sie wirkte, musste Giles ihm eindeutig widersprechen. „Oh, ich würde sagen, inzwischen entspricht sie genau meinem Typ.“

Überwältigend weiblich und umwerfend selbstbewusst. Hätten sich Millie und er heute zum ersten Mal gesehen, wäre er absolut an ihr interessiert gewesen, zumindest für eine Nacht … Himmel! Was für eine Nacht! Wenn sie all die Leidenschaft, die sie in ihre Teenagerstreitigkeiten investiert hatte, in meinem Bett …

Er wollte Millie Myles wirklich, und das war neu.

„Auf gar keinen Fall!“, durchkreuzte Charlie seine Gedanken, als hätte er sie gelesen. „Millie ist meine älteste Freundin.“

„Und ich bin dein bester Freund“, warf Giles ein. Es war ein Reflex, der noch aus dem alten Gefühl resultierte, ständig um diesen Titel konkurrieren zu müssen.

„Aber du bist nichts für sie. Millie sucht nach einer festen Bindung, der wahren Liebe. Sie träumt von einer Familie, inklusive Kindern. Kurz gesagt, sie wünscht sich alles, was du meidest wie die Pest. Also nein … sie ist nichts für dich.“

Giles jagte allein der bloße Gedanken einen Schauer über den Rücken. Okay, ein One-Night-Stand mit Millie Myles mochte spektakulär sein, aber ein falsches Spiel mit Frauen zu treiben, die sich Familie und Kinder wünschten, war nicht sein Stil.

„Na gut.“ Er sah noch einmal von Charlie zu Millie und lächelte. „Tja, wenn es hier doch nur jemanden gäbe, der dasselbe will wie sie …“

Als Charlie endlich verstand, worauf er anspielte, verdrehte er die Augen. „Los, verschwinde endlich. Sie kommt jeden Moment zurück, und ich möchte nicht riskieren, dass du deine guten Vorsätze in den Wind schießt und sie womöglich in Verlegenheit bringst.“

Giles lachte, stand auf und nickte auf seinem Weg zur Bar Millie und Octavia betont höflich zu, nicht ohne für sich zu vermerken, wie verführerisch die kleine Zornesfalte zwischen Millies feingezeichneten dunklen Brauen wirkte.

Aber Charlie hatte recht, sie war wirklich nicht sein Typ. Eigentlich schade.

Aber vielleicht würde er ja früher als gedacht erneut den Trauzeugen geben müssen, wenn er die Zeichen richtig deutete …

Im Laufe des Abends wurde Charlie immer trübsinniger, Millie hatte es längst aufgegeben, den Champagner rationieren zu wollen. Stattdessen tat sie ihr Bestes, um ihren alten Jugendfreund aufzuheitern, ließ sich aber von ihrer Mission ablenken, als sie Giles Fairfax mit einer der Brautjungfern auf der Tanzfläche sah.

Verdammt! Musste er zu allem anderen auch noch wie ein junger Gott tanzen? Es wäre ihr egal, wenn sie nicht jedes Mal, sobald er in ihr Blickfeld geriet, dieses seltsame Kribbeln in der Magengegend verspüren würde. So wie früher, wenn ihre große Liebe in der Mittelschule ihren Weg gekreuzt hatte. Wie lächerlich, da sie längst erwachsen war und sich ganz sicher nicht für Giles Fairfax interessierte, auf welche kindische Weise auch immer.

Es half auch nicht wirklich, dass er sie beim Starren ertappte! Frustriert senkte sie die Lider, aber nicht, bevor Giles ihren Blick auffing und ihr lächelnd zunickte, bevor er seiner Tanzpartnerin etwas ins Ohr flüsterte.

Wahrscheinlich machten die beiden sich über sie lustig, was sie ihnen nicht verdenken konnte.

Neben ihr seufzte Charlie abgrundtief und griff erneut zum Champagnerglas. Sofort widmete Millie sich wieder ihrer eigentlichen Aufgabe: ihren besten Freund von seinem Elend abzulenken. Und das funktionierte am besten mit Klatsch und Tratsch.

„Die beiden hatten vor der Hochzeit unter Garantie einen Riesenknatsch.“ Millie nickte einem Paar zu, das an ihnen vorbeitanzte. „Sie haben sich in der Kirche ganz schön angezickt.“

„Wirklich?“ Charlie klang überrascht. „Ist mir gar nicht aufgefallen.“

Millie seufzte. „Wie auch, wenn du die ganze Zeit über die Braut anstarrst.“

„Stimmt …“ Sein Kopf sank an ihre Schulter, und Millie gab besänftigende Gluckenlaute von sich, während sie beide im Ballsaal umherblickten. „Ich glaube, sie hat gehofft, dass er ihr schon früher einen Antrag macht“, kam es nach einem Moment von Charlie. „Sie sind lange genug zusammen.“

„Wie lange ist denn lange genug?“, fragte Millie geistesabwesend.

Sie war drei Jahre mit ihrem Ex Tom zusammen gewesen und ihm nie wirklich nähergekommen. Ihre Beziehung endete abrupt, als sie ihn mit einer anderen im Bett erwischt hatte. Das hatte sie gelehrt, dass aus gutem Sex nicht automatisch eine dauerhafte Beziehung entstehen musste.

„Ich weiß nicht …“, meinte Charlie schulterzuckend. „Octavia und ich waren jahrelang zusammen.“

„Aber ihr habt euch ungefähr alle sechs Monate getrennt“, erinnerte Millie ihn.

„Das könnte das Problem gewesen sein.“ Er wedelte vage mit seinem Sektglas, verschüttete aber keinen einzigen Tropfen.

„Aber keinesfalls das einzige“, erwiderte Millie grimmig. „Sie hat dich schrecklich behandelt. Eure Beziehung war eindeutig toxisch, und ich bin unglaublich froh, dass es dir inzwischen deutlich besser geht, weil du einer meiner allerliebsten Menschen bist.“

„Und du meiner …“ Er umarmte sie etwas unbeholfen, und Millie spürte Tränen unter ihren Lidern brennen. Sie hätte das letzte Glas Wein ablehnen sollen!

„Ich glaube nicht, dass ich überhaupt jemals heiraten werde“, erklärte Charlie dumpf und starrte erneut auf die Tanzfläche, wo Octavia mit ihren Brautjungfern tanzte … abgesehen von der einen, die immer noch an Giles’ Schulter kuschelte.

Nicht, dass es Millie interessierte!

„Octavia war vielleicht meine einzige Chance“, murmelte Charlie und schüttelte den Kopf. „Aber ich muss es irgendwie hinbekommen. Da ist das Anwesen und der Titel! Meine Familie erwartet … nein, sie braucht mich, um zu heiraten und die Linie weiterzuführen. Aber wie könnte ich jemand anders heiraten?“

Millie riss ihren Blick von Giles los und umfasste liebevoll Charlies Hände. „Ich weiß, dass es jetzt wehtut, aber du musst Vertrauen haben. Ich habe auch geglaubt, dass Tom meine einzige Chance wäre …“

„Aber du hast nach ihm auch niemanden mehr ernsthaft gedatet, oder?“

Millie seufzte. Was sollte sie dazu sagen? „Ich war neulich beim Arzt und …“

„Ist alles in Ordnung mit dir?“, wollte Charlie in völlig verändertem Ton wissen. 

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