Julia Bestseller - Sharon Kendrick 1

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Jetzt wird geheiratet!

Jetzt reicht's! Als Amber ihren geliebten Finn in einer heißen Umarmung mit einer anderen überrascht, wirft sie ihm voller Wut den Verlobungsring vor die Füße. Dabei sehnt sie sich immer noch danach, an Finns Seite vor den Altar zu treten …

Ein Traum in Weiß

Ihr eigenes Geschäft für Brautkleider, die sie selbst entworfen hat - für die hübsche Holly erfüllt sich ein Traum! Erst recht, als sie ihren Vermieter kennenlernt, den atemberaubenden Luke Goodwin. Einen Mann zum Verlieben! Sie ahnt nicht, dass er bereits verlobt ist

Das Brautkleid

Ganz in weiß? Wie gerne würde auch Ursula einmal das traumhafte Brautkleid tragen, das schon ihre Schwestern ins Glück geführt hat. Aber das scheint absolut ausgeschlossen. Denn Ross, den sie seit sechs Jahren heimlich liebt, ist mit einer anderen verheiratet …


  • Erscheinungstag 09.06.2010
  • ISBN / Artikelnummer 9783862951413
  • Seitenanzahl 399
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Sharon Kendrick

JULIA BESTSELLER

SHARON KENDRICK

Jetzt wird geheiratet!

Finn ist ein Workaholic! Das weiß Hollys Schwester Amber ja. Und deshalb verzeiht sie ihm auch, dass er fast rund um die Uhr in seiner Modelagentur arbeitet. Verlobung hin oder her! Als sie ihn aber mit der schönen Birgitta ertappt, reicht es ihr – und schweren Herzens verlässt sie den Mann, nach dessen Liebe sie sich doch immer noch sehnt …

Ein Traum in Weiß

Immer hat die hübsche Holly mit den roten Locken, den smaragdgrünen Augen und den endlos langen Beinen nur andere Frauen für das Fest aller Feste ausgestattet. Schließlich ist der Brautkleid- Designerin bisher noch nie ein Mann begegnet wie der anziehenden Luke. Dem Mann ihrer Träume! Bis eines Tages seine Verlobte ein Brautkleid bei ihr erwerben will …

Das Brautkleid

Seit sechs Jahren arbeitet die hübsche Ursula für den verheirateten Ross Sheridan – und liebt ihn seit dem ersten Tag von ganzem Herzen. Doch sie verbirgt ihre Gefühle für ihren smarten Boss. Als seine Ehefrau aber mit einer Rockband auf Tournee geht, wird Ursula auf eine harte Probe gestellt: Ross möchte, dass sie noch häufiger in seiner Nähe ist …

PROLOG

Der kostbare Stoff des Brautkleides schimmerte selbst durch die schützende Plastikhülle matt und geheimnisvoll.

Der bestechend einfache Schnitt, die meisterliche Verarbeitung und der schwere elfenbeinfarbene Seidensatin machten das Kleid zeitlos und elegant. Der Unterrock war aus Organza gefertigt, der bei der kleinsten Bewegung raschelte, und der Schleier bestand aus hauchzartem Tüll.

Das Brautkleid war schon über zwanzig Jahre alt, aber da es über kurzlebige Modeerscheinungen erhaben war, würde es auch in Zukunft noch von vielen Flauen getragen werden können. Jede Braut würde das Kleid durch ihre Persönlichkeit und ihren Stil so einzigartig wirken lassen, als wäre es allein für sie angefertigt und entworfen worden.

Im Moment jedoch hing das Kleid noch im Schrank, gut versteckt und ungetragen. Und es wartete …

1. KAPITEL

Luke Goodwin stand an dem großen Sprossenfenster und war mit sich und der Welt zufrieden, obwohl es ein grauer und nasskalter Tag war. Luke betrachtete eingehend die für ihn so ungewohnte Landschaft. Er hatte ganz vergessen gehabt, dass ein Frühlingstag in England so trostlos sein konnte.

Der Himmel war dunkel und verhangen, und die dicken Wolken kündigten ausgiebigen Regen an. Luke war gerade aus Afrika gekommen, und einen stärkeren Gegensatz zu dem hohen, hellen Himmel und dem weiten Horizont Kenias hätte man sich nicht denken können.

Doch die Felder und Weiden, auf die er blickte, gehörten von nun an ihm, ebenso wie das alte Herrenhaus mit seinem guten Dutzend Gästezimmer. Luke lächelte. Er konnte immer noch nicht fassen, dass dieser herrliche Besitz jetzt sein Eigentum sein sollte.

Der Reiz Kenias war ein ganz anderer gewesen. Luke musste an die sengende Hitze denken, den strahlend blauen Himmel, den Duft nach Zitronen und die Rauchwölkchen, die abends über dem Grillfeuer sich kräuselten. Er sah im Geiste die Häuser vor sich, die weiß gekalkten Räume, karg möbliert und beherrscht von riesigen Deckenventilatoren, Räume, die so völlig verschieden waren von dem eleganten Wohnzimmer mit den antiken Möbeln, in dem er gerade stand.

Er war noch keine acht Stunden hier, und doch war ihm das Haus vertraut, als würde er es schon ewig kennen. Mitten in der Nacht war er angekommen, trotzdem hatte er es sich sofort angesehen, war durch die Flure und Treppenhäuser gegangen, hatte jede Tür geöffnet, die Räume in Ruhe auf sich wirken lassen und sacht über die kostbare Holztäfelung gestrichen.

Sein Herz klopfte wie wild vor Freude und Besitzerstolz, nicht weil Apson House und alles, was dazugehörte, ihn zu einem reichen Mann gemacht hatte, sondern weil das Haus für ihn das Bindeglied zwischen Vergangenheit und Zukunft war. Luke hatte das Gefühl, nach langer Irrfahrt endlich das Ziel seiner Bestimmung erreicht zu haben.

Er ließ den Blick über den Garten schweifen. Hinter der gestutzten Eibenhecke waren die strohgedeckten Dächer der Häuser zu sehen, die sich um einen kleinen Park mit Ententeich gruppierten. Woodhampton war eine englische Kleinstadt wie aus dem Bilderbuch, mit Kirche, Pub und ausgesuchten Fachgeschäften. Vielleicht lag es nur daran, dass er so übermüdet war, aber Luke fand diese Stätte seiner Kindheit schöner als alles, was er bisher von der Welt gesehen hatte.

Nächsten Monat würde ihm Caroline folgen. Sie, die in Afrika geboren und aufgewachsen war, würde in dieses Haus passen, als hätte sie nie woanders gelebt. Caroline, deren Improvisationstalent und ausgeglichenes Wesen, deren unaufdringliche Schönheit und zurückhaltende Kleidung so ganz dem Idealbild einer englischen Lady entsprachen. Caroline, die so ganz anders war als die Frauen, die ihn früher fasziniert hatten …

Irgendwie war es ihr gelungen, es von Kenia aus zu regeln, dass Apson House so aufgeräumt und gemütlich wirkte, als hätte sich eine liebevolle Hausfrau persönlich darum gekümmert. Was Caroline organisierte, das klappte wie am Schnürchen, selbst wenn es über Tausende von Meilen geschah.

Luke war überzeugt, dass es ein Zeichen von Reife war, sich für eine Frau wie Caroline zu entscheiden. Seine wilden Jahre waren vorbei, und nun musste er die Verantwortung übernehmen, die sein Erbe mit sich brachte. Luke akzeptierte, dass von nun an sein Leben grundlegend anders verlaufen würde.

Er lächelte zufrieden, denn das Schicksal hatte ihm geschenkt, wonach er gesucht hatte. Für Luke war das Leben ein großes Puzzle, und er hatte gerade das Teilchen gefunden, das genau in die Lücke passte.

Holly konnte gerade noch rechtzeitig die Kupplung treten und die Zündung ausschalten, bevor der Motor von allein ausgegangen und ihr altes Auto mitten auf der engen Straße stehen geblieben wäre. Eins der unzähligen Dinge, die ich noch erledigen muss, dachte sie humorvoll: mich um einen neuen Wagen kümmern.

Wenn sie nur nicht so an ihrem alten Käfer hängen würde! Sie hatte ihn eigenhändig auffällig und knallbunt angepinselt, so, wie es Studenten eben machten. Aber mittlerweile war sie schon längst keine Studentin mehr …

Langsam stieg Holly aus und blieb auf dem Bürgersteig stehen, um das leer stehende Fachwerkhaus zu betrachten. Sie konnte es selbst kaum glauben, aber sie hatte es gemietet, um darin ihren eigenen Laden zu eröffnen.

„Hollys Brautatelier“ – das Geschäft, in dem jede Frau das für sie ideale Kleid fand und in dem Holly dafür sorgte, dass jede ihrer Kundinnen an ihrem schönsten Tag aussah wie eine Märchenprinzessin.

Holly fröstelte. Sie hatte ihre Thermounterwäsche wohl zu früh weggepackt, denn dieser Apriltag war so nasskalt und ungemütlich, dass man eher an den November als an den bevorstehenden Mai denken musste. Auf alle Fälle war sie mit ihrem T-Shirt viel zu dünn angezogen.

Aber es half nichts, sie wollte ihren Laden noch in diesem Monat eröffnen und durfte sich durch das Wetter nicht abschrecken lassen. Sie musste sofort ihre Sachen ausladen, damit sie sich erst einmal einen Tee machen und einen warmen Pullover anziehen konnte. Das Auto würde sie einfach so lange auf der Straße stehen lassen.

Verzweifelt durchwühlte Holly ihre Umhängetasche nach dem Schlüsselbund. Das war eben der Nachteil von geräumigen Taschen: Man fand nie das, was man gerade suchte. Irritiert blickte sie auf, als sie spürte, dass jemand vor ihr stehen geblieben war.

Sie neigte den Kopf zur Seite, sodass ihr die kupferroten Locken über die Schulter fielen, und hielt mitten in der Bewegung inne. Sie kniff die Augen zusammen, um ganz sicherzugehen, dass sie nicht träumte. Aber der Mann war wirklich keine Fata Morgana, sondern aus Fleisch und Blut. Holly schluckte.

Er war der attraktivste Mann, den sie je gesehen hatte, und wirkte in dieser verschlafenen Kleinstadt völlig deplatziert.

Woran mochte das liegen? Er war groß, schlank, und Aussehen und Haltung verrieten, dass er seine Zeit bestimmt nicht am Schreibtisch verbrachte. Er hatte eine athletische Figur, sein Gesicht war tief gebräunt, und die Spitzen seines dunkelbraunen Haars waren von der Sonne golden gebleicht.

Er trug Jeans, denen man ansah, dass sie von der Arbeit abgewetzt waren. Sie saßen auch nicht hauteng, sondern locker und bequem, ließen seine muskulösen Beine aber dennoch deutlich erkennen. Mit dem grob gestrickten weißen Wollpullover und der abgetragenen Lederjacke erinnerte er Holly an den Helden eines Actionfilms. Er ließ sie den grauen Tag vergessen, und wie gebannt sah sie ihn an.

Die Beine leicht gespreizt, stand er vor ihr. Er wich ihrem Blick nicht aus, sondern erwiderte ihn spöttisch. Seine Augen waren blau – blauer als das Meer, blauer als der Sommerhimmel. Dieser Mann hatte die Augen eines Idealisten und Abenteurers.

Holly suchte verzweifelt nach den passenden Worten, um den Zauber, den er auf sie ausübte, zu brechen. Sie musste den Bann möglichst schnell brechen, sonst würde sie noch die Hand heben und ihm zärtlich die Wange streicheln.

„Hallo“, begrüßte sie ihn und lächelte. Wenn alle Männer in Woodhampton so aussehen wie er, dachte sie, habe ich mir ja den richtigen Standort für meinen Brautsalon ausgewählt.

Luke sah sie sprachlos an, bewunderte ihr kupferrotes Haar, den hellen Teint und die tiefgrünen Augen. Luke war wie betäubt und hatte das Gefühl, einen Schlag in den Magen erhalten zu haben. Sein Puls hämmerte, das Blut schoss ihm in die Wangen, und sein Mund war mit einem Mal wie ausgetrocknet. Luke verachtete sich dafür, dass er unwillkürlich ein schmerzhaftes Ziehen verspürte.

Diese Frau war eine Fremde – weshalb ergriff ihn also dieses plötzliche und heftige Verlangen, gegen das sein Wille machtlos war?

Hollys Knie drohten nachzugeben, und sie musste sich mit aller Macht darauf konzentrieren, normal und unbeeindruckt zu erscheinen. Warum, in aller Welt, starrte dieser Mann sie nur so an?

„Hallo“, wiederholte sie, diesmal bedeutend kühler, denn sie war pikiert, dass er ihren Gruß nicht erwiderte. „Kennen wir uns?“

Er verzog keine Miene. „Natürlich nicht. Das wissen Sie ganz genau.“ Dann rang er sich doch zu einem Lächeln durch. „Wir hätten einander wohl kaum vergessen können, oder?“

Er hatte eine tiefe, melodische Stimme, und sein Englisch war ohne den geringsten Akzent. Trotz seines scherzhaften Tons hatte er die Wahrheit gesprochen: Einen Mann wie ihn konnte man einfach nicht vergessen, dazu war seine Ausstrahlung viel zu beunruhigend.

„Da mögen Sie recht haben“, antwortete sie und zuckte gespielt gleichgültig die Schultern. „So unfreundlich wird man nicht alle Tage begrüßt.“

„Sie bestimmt nicht, darauf möchte ich wetten.“ Obwohl er die Stimme nicht hob, gelang es ihm, diese Antwort wie eine Beleidigung klingen zu lassen.

Plötzlich wünschte Holly, statt ihrer alten Jeans und des noch älteren T-Shirts ein schickes Kostüm und elegante, hochhackige Pumps zu tragen. Vielleicht würde dieser Mann sie dann höflich und respektvoll behandeln, statt sie mit den Blicken förmlich zu verschlingen und anzügliche Bemerkungen zu machen. Die Frage, warum ihr an der Meinung dieses unverschämten Fremden überhaupt etwas lag, stellte sie sich lieber erst gar nicht.

Nein, es war ihr egal, was er von ihr dachte. „Was wollen Sie eigentlich von mir?“, fragte sie ihn deshalb mit provozierender Direktheit. „Denn sie müssen etwas von mir wollen, sonst würden Sie mich nicht so anstarren. Oder habe ich vielleicht einen Schmutzfleck auf der Nase?“

Er betrachtete ihr ungeschminktes Gesicht mit den sinnlichen Lippen, und seine Fantasie drohte mit ihm durchzugehen. „Nein, das haben Sie nicht“, antwortete er rau. „Und ob ich etwas von Ihnen will, das wird sich noch herausstellen.“

„So? Und wovon hängt das ab?“

Er verkniff sich die freimütige Antwort, die ihm auf der Zunge lag, und wurde beleidigend, um sein sexuelles Verlangen zu überspielen. „Es hängt davon ab“, antwortete er, wobei er jedes Wort einzeln betonte, „ob dieses Wrack von einem Auto Ihnen gehört.“

„Und wenn?“ Sie kniff die Augen zusammen und legte den Kopf zurück, wobei ihr die kupferroten Locken wie eine Mähne über den Rücken fielen.

„Wenn ja, dann muss ich Ihnen sagen, dass Sie völlig idiotisch geparkt haben.“

Holly blickte in seine unwahrscheinlich blauen Augen, sah, wie sie zornig blitzten, und fragte sich, weshalb dieser Mann wohl so überzogen reagierte. Hielt er etwa nichts vom weiblichen Geschlecht?

„Oje! Sie haben doch wohl keine Vorurteile gegen Frauen am Steuer?“, fragte sie und lächelte übertrieben freundlich.

„Nein, aber ich habe etwas gegen schlechte Fahrer.“ Er presste die Lippen zusammen. „Und die meisten Frauen brauchen zum Parken ein halbes Fußballfeld.“

Holly wollte schon lachen, merkte aber dann, dass es ihm durchaus ernst war. Fassungslos schüttelte sie den Kopf. „Unglaublich, dass ein moderner Mann es noch wagt, solch überholte und frauenfeindliche Verallgemeinerungen zu äußern!“

Luke war fasziniert von ihren Augen, von deren geheimnisvollem Grün. Zum ersten Mal in seinem Leben verstand er, warum man von Augen sprach, in denen man ertrinken konnte. Die Kehle war ihm wie zugeschnürt. „So? Warum sollte ich mich davor scheuen, die Tatsachen beim Namen zu nennen? Verallgemeinerungen entstehen schließlich aus einer Summe von Einzelbeobachtungen.“

Um Hollys Mundwinkel zuckte es. Er bildete sich wohl ein, äußerst clever zu sein. Aber damit würde er bei ihr nicht durchkommen. „Ich verstehe. Sie haben also das Parkverhalten von Männern und Frauen einer detaillierten wissenschaftlichen Analyse unterzogen!“

„Das ist überflüssig, Sweetheart. Meine Erfahrungen reichen mir.“

„Und die sind bestimmt äußerst weitreichend?“

„Ziemlich.“ Er musterte sie. „Sie haben mir aber immer noch nicht verraten, ob das Auto Ihnen gehört.“

Das wusste er doch ganz genau! Gespielt dramatisch hob Holly die Hände. „Schon gut, Officer, ich geb’s zu. Der Wagen gehört mir.“ Sie griff in die Hosentasche, zog den Autoschlüssel hervor und ließ ihn vor seiner Nase in der Luft kreisen.

„Jetzt zufrieden?“, fragte sie amüsiert.

Luke konnte sich nicht daran erinnern, wann sich eine Frau das letzte Mal derart ungeniert über ihn lustig gemacht hatte. „Dann stellen Sie die Karre bitte woanders hin.“

Das klang so unfreundlich, dass Holly unwillig die Stirn runzelte. „Und warum, bitte sehr?“

„Weil Ihr Auto eine Beleidigung für die Augen und obendrein ein Verkehrshindernis ist.“

Warum lasse ich mir diesen Ton eigentlich bieten?, dachte Holly flüchtig. Jeden anderen Mann hätte sie unmissverständlich aufgefordert, sich ihr gegenüber gebührend höflich zu benehmen, ihm jedoch ließ sie sein Verhalten durchgehen. Warum? Weil er aussah wie der Märchenprinz, von dem jede Frau träumte?

Eine innere Stimme warnte sie, dass sie mit dem Feuer spielte, Holly jedoch schlug sie in den Wind. Jedes Mal, wenn sie später an diese Szene dachte, schämte sie sich für das, was sie jetzt sagte – und vor allem, wie sie es sagte.

„Ich fahre den Wagen weg. Aber nur, wenn Sie mich ganz nett darum bitten“, antwortete sie mit rauchiger Stimme und einem koketten Augenaufschlag.

Luke hielt den Atem an. Diese Frau irritierte ihn maßlos, und er war wütend auf sich selbst, weil er sein Verlangen kaum kontrollieren konnte. Ihr Duft machte ihn benommen, und der Anblick ihrer Brüste und ihres Halses, dessen zarte, helle Haut in aufregendem Kontrast zu ihren roten Locken stand, weckte in ihm die wildesten Wünsche.

In den abgetragenen Jeans sieht sie aus wie eine Studentin, fuhr es ihm durch den Kopf. Durch das dünne T-Shirt zeichneten sich die Knospen ihrer Brüste deutlich ab. Luke musste sich zwingen, den Blick abzuwenden. Er hatte etliche Frauen wie sie gekannt, rothaarig und leicht zu haben. Viel zu leicht. Frauen wie sie hielten nichts von Treue, sie waren die ewigen Verführerinnen.

Einer wie ihr würde er nie wieder in die Falle gehen.

Er dachte ganz fest an Caroline, um mit Schuldgefühlen und sexueller Erregung fertigzuwerden. „Fahren Sie das Auto weg, aber bitte sofort“, herrschte er sie an, drehte sich um und ließ sie einfach stehen.

Holly hätte ihm die Augen auskratzen können, so wütend war sie. Andererseits fühlte sie sich ihm hilflos ausgeliefert, weil sie nicht wusste, wie sie reagieren sollte. Sie konnte sich nicht erinnern, dass ein Mann es je gewagt hätte, in solch einem Ton zu ihr zu sprechen. Ihre Kommilitonen waren ganz anders gewesen und hatten sie stets als gleichberechtigt respektiert. Dieser Mann hatte alle Regeln der Höflichkeit verletzt und war äußerst rüde mit ihr umgesprungen – und trotzdem hatte er sie erregt und fasziniert wie noch nie einer zuvor.

Holly blickte ihm hinterher und fragte sich, warum sie sich so aufreizend benommen und derart schamlos mit ihm geflirtet hatte. Sie musste jedoch selbstkritisch zugeben, dass sie bestimmten Menschen gegenüber ihr Temperament nicht zügeln konnte – dieser Mann zählte ganz offensichtlich dazu.

Männer waren eben schwer zu verstehen, besonders solche, die so schnell in Wut gerieten. Aber sie würde sich bemühen müssen, in Zukunft nicht mehr so schnell aus dem Gleichgewicht zu geraten. Sie war jetzt eine Geschäftsfrau, die souverän genug sein musste, sich nicht durch Menschen irritieren zu lassen, die mit dem falschen Fuß aufgestanden waren. Holly sah dem Fremden hinterher, als er im Kaufhaus am Ende der Straße verschwand, und redete sich ein, sie sei froh, ihm nie wieder begegnen zu müssen.

Sie schloss die Ladentür auf und schob einen riesigen Stapel Post und Werbeprospekte beiseite. Anscheinend hatte sich hier seit dem Tag, an dem sie den Laden gemietet hatte, nichts mehr getan, und das war Monate her. Es war so dunkel, dass sie kaum etwas sehen konnte. Sie knipste das Licht an und kniff die Augen zusammen, um sich an das grelle Licht der nackten Glühbirnen zu gewöhnen. Ihre Enttäuschung war groß, als sich ihre Ahnung bestätigte, dass sich in der Zwischenzeit niemand um die Räume gekümmert hatte.

Die Luft war voller Staub, Spinngewebe hingen von der Decke, und das Szenario hätte jedem Horrorfilm zur Ehre gereicht. Hätte nicht ihre Existenz auf dem Spiel gestanden, wäre es zum Lachen gewesen, dass ausgerechnet hier ein Brautsalon eröffnet werden sollte.

Holly musste husten. Staub schadete jedem Stoff, aber die kostbaren Materialien, mit denen sie arbeitete, hier zu lagern war völlig undenkbar. Was also sollte sie als Erstes tun? Das Auto ausladen? Sich einen Tee machen? Zu Besen und Putzzeug greifen?

Erschöpft schloss sie die Augen und versuchte, Kraft zu schöpfen, indem sie sich den fertigen Laden vorstellte, mit großen Spiegeln, Wände und Boden in kräftigen Farben, damit die weißen Kleider noch strahlender wirkten. Doch Hollys Fantasie versagte, und sie konnte das Bild nicht heraufbeschwören.

Sie hörte ein Geräusch und drehte sich um. Der Mann mit den faszinierend blauen Augen kam mit einer Selbstverständlichkeit in den Laden, als wäre er hier zu Hause.

Der Raum schien Holly plötzlich unerträglich eng und die Luft noch stickiger. Sie konnte den Blick nicht von den breiten Schultern, den schmalen Hüften und den langen Beinen des Fremden wenden. Dabei verspürte sie ein seltsames Ziehen in ihrem Inneren. Unsinnigerweise registrierte sie genau, dass er Milch und eine Dose Kekse in den Händen trug und eine Zeitung unter den Arm geklemmt hatte.

„Kennen wir uns nicht?“ Sie versuchte, spöttisch zu lächeln.

„Was, in aller Welt, machen Sie denn hier?“

„Das müssen Sie noch fragen? Ich bewundere den Staub und die Spinnweben. Ist es nicht ein atemberaubender Anblick?“

„Sie wissen ganz genau, was ich meine! Wie sind Sie hereingekommen?“

Holly sah ihn fassungslos an. „Wie denn wohl? Meinen Sie etwa, ich wäre eingebrochen?“

Sein Blick verriet ihr, dass er ihr das ohne Weiteres zutraute. „Ich warte immer noch auf eine Antwort.“

„Selbst auf die Gefahr hin, Sie zu langweilen, aber ich habe ganz einfach meinen Schlüssel ins Schloss gesteckt und ihn umgedreht.“

„Ihren Schlüssel?“

„Ja.“ Ob dieser Mensch immer so grimmig und verbissen aussah? „Meinen Schlüssel. Hier ist er.“ Sie hielt ihn hoch.

„Und woher haben Sie den?“

„Aus meiner Hosentasche. Eine Handtasche habe ich ja, wie Sie sehen, nicht dabei.“

„Werden Sie nicht frech!“

„Mir reicht es langsam! Wenn hier jemand frech ist, dann sind Sie es! Wie soll ich hier wohl reingekommen sein? Es ist mein Laden. Ich habe ihn gemietet.“

„Gemietet?“

„Ja, gemietet.“ Holly war mit ihrer Geduld am Ende. „Sie haben wirklich eine sehr störende Art, alles, was ich sage, in einem Ton zu wiederholen, als würde es sich um eine unverschämte Lüge handeln.“

„Sie haben den Laden gemietet?“, überging er ihren Einwand. „Diesen Laden?“

„So ist es.“

„Und warum?“

Holly konnte nur den Kopf schütteln. „Was bilden Sie sich eigentlich ein? Sie platzen hier unangemeldet herein, als würde Ihnen das Haus gehören, und nehmen mich wie einen Einbrecher ins Kreuzverhör! Wenn Sie es aber unbedingt wissen müssen, bitte sehr: Ich habe den Laden aus dem einfachen Grund gemietet, weil ich etwas zu verkaufen habe, nämlich die Kleider, die ich entwerfe und nähe.“

„Ja, natürlich.“ Er nickte und verzog angewidert den Mund. „Natürlich, eine Designerin! Darauf hätte ich eigentlich schon längst kommen sollen!“

Hätte sie eine Begleitagentur eröffnen wollen, er hätte sie nicht verächtlicher betrachten können. „Soll das ein Kompliment sein?“, fragte sie hitzig.

„Nein.“

„Das dachte ich mir schon. Ich bestätige all ihre Vorurteile, nicht wahr?“

Er zuckte die Schultern. „Allerdings.“ Langsam ließ er den Blick über ihr T-Shirt gleiten, das nicht verbergen konnte, dass Holly fror. „Sie verletzen mit ihrer Garderobe die herrschenden Konventionen, Sie fahren ein klappriges und noch dazu selbst bemaltes Auto – meinen Sie, da könnte man Sie für eine Bankangestellte halten?“

„Auch gegen Bankangestellte sind Sie also voreingenommen?“

„Ich habe keine Vorurteile! Ich möchte lediglich wissen, warum Sie diesen Laden gemietet haben!“

„Um meine Modellkleider zu verkaufen, das habe ich Ihnen bereits gesagt.“

Er runzelte die Stirn und versuchte, sich jene extravaganten Roben auszumalen, in denen magersüchtige Models über den Laufsteg schritten. Er gab sich alle Mühe, in seiner Fantasie ein Bild von Caroline in einem solchen Outfit heraufzubeschwören. Es wollte ihm nicht gelingen. Nur eine Frau konnte er sich in einer aufregenden und gewagten Kreation vorstellen: die langbeinige rothaarige Schönheit, die vor ihm stand.

„In Woodhampton? Halten Sie diese konservative Kleinstadt wirklich für den geeigneten Standort?“

Holly ignorierte seinen Sarkasmus. „Natürlich. Brautkleider lassen sich überall verkaufen …“

Ungläubig zog er die Brauen hoch. „Brautkleider?“

Holly seufzte resigniert. „Das letzte Wort zu wiederholen ist anscheinend wirklich ein Tick von Ihnen! Ja, Brautkleider, diese Kreationen aus Samt, Seide und Spitzen, die Frauen an dem Tag tragen, welcher der schönste ihres Lebens sein soll.“ Sie wartete darauf, dass er etwas von seiner Hochzeit erzählte, denn das taten ihrer Erfahrung nach bei diesem Thema fast alle Menschen.

Doch er reagierte nicht, und Holly verstand nicht, wieso sie darüber so glücklich war. Er ist nicht verheiratet!, dachte sie. Das Gefühl der Erleichterung war so groß, dass sie nur hoffen konnte, ihr Mienenspiel würde sie nicht verraten.

„Sie entwerfen wirklich Brautkleider?“

„Kommt Ihnen das so unwahrscheinlich vor?“

„Ehrlich gesagt, ja. Sie entsprechen wirklich nicht dem Bild einer Modeschöpferin.“

„Und warum nicht? Bin ich zu jung?“

„Einmal das, und zum anderen denkt man bei Brautkleidern spontan an geheiligte Traditionen.“ Er blinzelte. „Sie dagegen machen einen sehr unkonventionellen Eindruck.“

„Lassen Sie sich durch mein Äußeres nicht täuschen. Es verrät nichts über meine Einstellung.“

Das ist ja interessant, dachte Luke. „Und wo werden Sie wohnen?“, fragte er.

„Natürlich in der Wohnung über dem Geschäft.“ Sie wunderte sich zwar, warum er sie daraufhin so ungläubig ansah, ging aber nicht darauf ein, sondern wischte sich schnell die Hand an den Jeans ab und hielt sie ihm hin. „Ich glaube, ich sollte mich endlich vorstellen. Ich bin Holly Lovelace, die Inhaberin von ‚Hollys Brautatelier‘.“

Er nahm ihre zierliche Hand, die in seiner fast verschwand, und drückte sie vorsichtig. „Und ich bin Luke Goodwin“, sagte er bedeutungsvoll und wartete.

„Freut mich, Mr. Goodwin“, erwiderte Holly unbeeindruckt. Luke genoss die Situation, denn er war derjenige, der auf der ganzen Linie im Vorteil war. „Sie haben also noch nicht von mir gehört?“, erkundigte er sich.

„Nein. Woher auch?“

„Darf ich mich vorstellen? Ich bin Ihr Vermieter.“

Holly brauchte eine Weile, bis sie sich der Bedeutung seiner Worte bewusst wurde, denn sie war sehr unkonzentriert. Aus der Nähe betrachtet sah dieser Mann nämlich noch besser aus, und sein Mund musste einfach jede Frau schwach werden lassen. Sie stellte sich gerade vor, wie es wohl wäre, von ihm geküsst zu werden, als ihr die Wahrheit endlich dämmerte.

„Aber das kann doch gar nicht sein!“ Vermieter waren seriöse ältere Herren in dunklen Anzügen mit Hemd und Krawatte, nicht wettergestählte Abenteurer in Jeans und Lederjacke!

Er kniff seine unbeschreiblich blauen Augen zusammen. „Und wieso nicht?“

„Weil Sie nicht der Mann sind, bei dem ich den Mietvertrag unterschrieben habe.“

„Und bei wem haben Sie unterschrieben?“

„Bei einem Mann mit Büro in Winchester.“

„Wie hieß er?“

„Doug …“ Holly runzelte die Stirn und dachte an den schleimigen Typ, der ständig nach ihren Beinen geschielt und am helllichten Tag versucht hatte, sie mit Gin Tonic abzufüllen. „Ja, jetzt fällt es mir wieder ein: Doug Reasdale.“

„Doug Reasdale ist nicht der Eigentümer, er war der Verwalter meines Onkels“, erläuterte Luke.

„Leider hat er es versäumt, mich darüber aufzuklären.“

„Und mir hat er verschwiegen, dass er dieses Haus an eine Frau vermietet hat, die wahrscheinlich noch nicht einmal volljährig ist.“

„Ich bin sechsundzwanzig“, antwortete Holly empört. Sie hatte es satt, dass sie ewig für einen Teenager gehalten wurde. Vielleicht sollte sie sich doch schminken und das Haar abschneiden lassen.

„Sechsundzwanzig?“ Kopfschüttelnd betrachtete Luke ihre ungebärdigen Locken, die großen grünen Augen und ihre vollen, ungeschminkten Lippen. Trotz oder gerade wegen ihres mädchenhaften Aussehens wirkte diese Frau erregend und verführerisch. „Dann sollten Sie eigentlich in der Lage sein, sich wie eine vernünftige Erwachsene aufzuführen“, hielt er ihr entgegen.

Holly lächelte spöttisch. „Und was genau meinen Sie damit? Soll ich etwa Ihrem Beispiel folgen und mich wie ein aufgeblasener Wichtigtuer benehmen? Ich habe selten einen solch pedantischen Bürokraten wie Sie erlebt.“

Luke musste sich auf die Lippe beißen, um nicht zu lachen. „Ich weiß nicht, was pedantisch oder bürokratisch daran sein soll, wenn ich Sie bitte, ihr Auto so zu parken, dass es nicht die halbe Straße versperrt.“

„Bitten? Sie haben mich nicht gebeten, Sie haben kommandiert! Solch einen Ton habe ich seit meiner Schulzeit nicht mehr gehört!“ Holly war empört.

„Dann sind Sie offensichtlich ein sehr aufsässiges Mädchen gewesen“, antwortete Luke herausfordernd leise und merkte zu spät, wie gefährlich dieser Wortwechsel war, weil er ins Persönliche ging.

Holly hatte noch nie einen Mann getroffen, zu dem sie sich körperlich derart stark hingezogen fühlte und der einen solch unwiderstehlichen Zauber auf sie ausübte. Diese Tatsache und seine tiefe, erregende Stimme erklärten vielleicht ihre spontane Reaktion, die sie sofort bereute.

Holly sah ihn herausfordernd an, stemmte die Hände in die Hüften und nahm die Schultern zurück.

„Haben Sie etwas gegen aufsässige Mädchen?“

Luke verschlug es den Atem. Bei dieser Haltung war genau zu sehen, dass sie keinen BH trug, der ihre vollen Brüste hätte einzwängen können. Er brauchte nur einen kurzen Blick auf Hollys leicht geöffnete Lippen zu werfen, um zu wissen, dass sie sich schon beim ersten Kuss hingebungsvoll in seine Arme schmiegen würde. Solche Flauen kannte er nur zu gut. Nie wieder! Er presste die Lippen zusammen.

„Ich kann Ihnen genau sagen, wogegen ich etwas habe: gegen Menschen, die sich überschätzen und heillos übernehmen.“

„Meinen Sie etwa mich damit?“

„Haarscharf gefolgert!“ Seiner ruhigen Stimme war nicht anzumerken, wie sehr er um Fassung ringen musste. „Wie Sie Ihr Auto geparkt haben, zeigt, dass sie Ihre rechte Hand kaum von Ihrer linken unterscheiden können. Wie sollten Sie da in der Lage sein, ein Unternehmen zu führen? Aber vielleicht wissen Sie das ja auch und flirten deshalb so heftig mit mir! Wollen Sie etwas haben, auf das sie im Falle eines Misserfolgs zurückgreifen können? Wenn Sie mit dem Laden Schiffbruch erleiden, wollen Sie dann wenigstens noch den Vermieter als Rettungsinsel haben?“

Holly sah ihn an, erst entsetzt, dann ungläubig, und schließlich lachte sie. „Das darf doch nicht wahr sein! Sie glauben doch wohl nicht im Ernst, dass ich mit Ihnen ins Bett ginge, nur weil ich die Miete nicht bezahlen könnte?“

Luke wusste, dass er zwei Möglichkeiten hatte. Die eine war, Holly in dem Glauben zu lassen, dass er im Ernst gesprochen hatte. Aber dann würde sie ihn für einen Spinner halten, was ihm nicht behagte – obwohl ihm, noch dazu in Anbetracht von Caroline, die Meinung seiner Mieterin völlig gleichgültig sein konnte. Die zweite Möglichkeit war, das Ganze als einen Scherz abzutun. Vielleicht könnte ein Lachen die Spannung, die sich zwischen dieser Frau und ihm aufgebaut hatte, wieder vertreiben.

Er entspannte sich und lächelte, nicht nur mit dem Mund, sondern auch mit den Augen. Es war ein kalkulierter Schachzug, denn aus Erfahrung wusste er, welche Macht er mit diesem Blick ausüben konnte, auf Männer, Frauen, Kinder und Tiere.

„Natürlich war es nur ein Scherz“, antwortete er sanft.

„Aber ein sehr schlechter“, protestierte Holly, wenn auch nur schwach, denn es war unmöglich, diesen Augen zu widerstehen.

„Ich biete Ihnen an, Ihr Auto auszuladen“, schlug Luke freundlich vor. „Dann können Sie es ein Stück weiter auf dem Parkplatz abstellen.“

Holly wusste nicht, was sie ernsthaft dagegen hätte einwenden können.

2. KAPITEL

Luke sah Holly fragend an. „Oder haben Sie jemand, der Ihnen hilft?“ Er kniff die Augen zusammen.

Sie schüttelte den Kopf. „Nein, ich bin völlig auf mich gestellt.“

„Dann los, sagen Sie mir, was ich machen soll.“

Holly war von seinem plötzlichen Sinneswandel irritiert. Eben noch hatte er sie beleidigt und zurückgewiesen, jetzt ließ er seinen Charme nur so sprühen. Dass ihm das mühelos und überzeugend gelingen könnte, hätte sie wirklich nicht gedacht. „Und wo ist der Haken an der Sache?“, fragte sie misstrauisch.

„Es gibt keinen Haken.“

„Das ist wirklich nett von Ihnen …“, begann sie, doch er unterbrach sie sofort.

„Nein! Ich bin niemals nett, Miss Lovelace.“

„So?“ Holly überlegte. „Wie sollte ich Sie denn aufgrund meiner Erfahrung mit Ihnen sonst beschreiben? Freundlich? Aufmerksam? Der geborene Gentleman?“

Luke lachte und hatte das seltsame Gefühl, selbst das sei ein Verrat an Caroline. Aber wahrscheinlich reagiere ich überzogen, dachte er, schließlich können Mann und Frau auch einfach gute Freunde sein und ganz unkompliziert miteinander umgehen. Dass er mit Holly zusammen lachte, hieß doch noch lange nicht, dass er auch mit ihr schlafen wollte.

„Einigen wir uns doch darauf, dass ich ein schlechtes Gewissen hätte, wenn ich eine Frau mit dem ganzen Gepäck einfach sitzen lassen würde. In dieser Beziehung bin ich sehr altmodisch.“

Holly betrachtete ihn aufmerksam, und ihr Herz schlug plötzlich schneller. Sein leicht überholtes männliches Rollenverständnis machte diesen Luke ausgesprochen liebenswert. „Sie halten mich also für so zart und zerbrechlich, dass Sie glauben, ich könnte keine zwei Koffer vom Dachgepäckträger eines Autos heben?“, fragte sie.

„Zerbrechlich?“ Luke musterte sie eingehend – aus gutem Grund, denn schließlich musste er ihre Frage nach bestem Wissen und Gewissen beantworten.

Er schätzte Holly auf mindestens einsachtzig, für eine Frau also alles andere als klein, und sie hatte aufregend lange Beine, schmale Hüften und eine schlanke Taille. Dennoch würde kein Mann auf die Idee kommen, diese Frau als eine Bohnenstange zu bezeichnen. Besonders ihre üppigen Brüste, die in atemberaubendem Kontrast zu ihrer ansonsten sehr sportlichen Figur standen, waren verlockend rund.

„Nein“, musste er schließlich widerwillig zugeben. „Zart und zerbrechlich würde ich Sie nicht nennen.“

Hoffentlich merkt er nicht, dass ich rot geworden bin, dachte sie. Es war jedoch unwahrscheinlich, denn seine Blicke hatten nicht ihrem Gesicht gegolten, sondern ihrem Körper. Hätte ein anderer Mann sie derart offen taxiert, sie hätte ihn rausgeworfen. Nicht jedoch diesen Mr. Goodwin, es war ihr nämlich sehr angenehm gewesen, so von ihm betrachtet zu werden.

„Möchten Sie meine Hilfe nun annehmen oder nicht?“, fragte er, als sie immer noch schwieg.

Holly schluckte, denn sie wusste nicht, was sie antworten sollte, obwohl die Sache eigentlich ganz einfach war: Wenn sie unabhängig bleiben und niemandem Dank schulden wollte, dann sollte sie sein Angebot ablehnen.

Aber war das unter den gegebenen Umständen auch klug? Sie kannte in Woodhampton niemand und hatte hier keinerlei Unterstützung. Schreckte sie, die sonst kein Risiko scheute, wirklich davor zurück, dringend benötigte Hilfe anzunehmen, nur weil sie ihr von einem Mann angeboten wurde, den sie verwirrend attraktiv fand? War es nicht auch ein sexistisches Vorurteil von Frauen, dass Männer immer nur das eine im Kopf hatten?

„Danke, sehr gern. Es wäre schön, wenn Sie zunächst den

Gepäckträger abräumen könnten“, antwortete sie freundlich und bestimmt, so, als wäre sie es gewohnt, Aufträge zu erteilen. „In der Zwischenzeit werde ich nachsehen, in welchem Zustand sich die Wohnung befindet – hoffentlich in einem besseren als der Laden. Sind Sie in letzter Zeit zufällig oben gewesen?“

Luke schüttelte den Kopf. „Ich habe noch nie einen Fuß in dieses Haus gesetzt.“

Holly runzelte die Stirn. „Sagten Sie nicht, Sie seien der Eigentümer?“

„Ja, das bin ich auch, aber erst seit sehr kurzer Zeit. Es ist eine ziemlich lange und komplizierte Geschichte.“ Er zuckte die Schultern, als er ihren fragenden Blick bemerkte. Wie sie da stand mit ihren roten Locken, die ihr offen über die Schulter fielen, ihren grünen Augen und dem hellen Teint wirkte sie, Jeans und T-Shirt zum Trotz, als wäre sie geradewegs einem Jugendstilbild entstiegen. Luke fühlte sich plötzlich beklommen, denn er hatte eine unbestimmte und dunkle Vorahnung.

„Haben Sie denn bei Abschluss des Mietvertrages nicht nach Referenzen gefragt?“, wollte er unvermittelt wissen. „Das ist doch das Erste, was man tut! Warum haben Sie das unterlassen?“

„Haben Sie denn Referenzen dabei?“

„Nein, natürlich nicht“, gab er widerstrebend zu. „Es wäre also durchaus möglich, dass ich irgendjemand sein könnte …“

„Vielleicht der schleimige Vermieter, der nur darauf wartet, mich in eine dunkle Ecke zu zerren, um sich einen Vorschuss zu holen?“

Plötzlich knisterte es geradezu vor Spannung zwischen ihnen. „Ich finde das nicht lustig“, antwortete Luke gepresst.

„Nein“, stimmte sie ihm zu und senkte ihren Blick, um seinem auszuweichen. „Da haben Sie recht.“

„Sie scheinen äußerst naiv und vertrauensselig zu sein, Miss Lovelace, sonst wären Sie nie in diese Situation geraten.“ Er runzelte die Stirn. „Und jetzt geben Sie mir bitte den Autoschlüssel, damit ich den Wagen nach dem Abladen gleich umsetzen kann.“

Holly zögerte. „Ein altes Auto hat so seine Tücken“, sagte sie vorsichtig. „Bei nasskaltem Wetter funktioniert die Startautomatik manchmal nicht.“

„Das hätte ich mir denken können!“ Luke war weniger überrascht als besorgt. Wie wollte diese Frau ein Unternehmen aufbauen, wenn sie derart unpraktisch und schlecht organisiert war? „Warum haben Sie sich nicht schon längst einen Wagen zugelegt, auf den Sie sich verlassen können? Als Geschäftsfrau, die Termine einzuhalten hat, werden Sie darauf angewiesen sein.“

Zu dieser Einsicht war Holly auch schon gekommen, aus Lukes Mund jedoch klang es wie eine Provokation.

„Grundsätzlich stimme ich Ihnen da zu“, antwortete sie daher von oben herab. „Aber ‚zuverlässig‘ bedeutet entweder langweilig oder unverhältnismäßig teuer. Ein Auto, das nicht nur einigermaßen neu, sondern auch ausgefallen ist, kostet Unsummen. Das kann ich mir im Moment nicht leisten.“ Sie lächelte. „Haben Sie einfach etwas Geduld mit meinem alten Käfer und geben Sie nicht gleich nach dem ersten Versuch auf.“

Ihr Lächeln war so ansteckend, dass Luke es spontan erwiderte. „Ich wirke äußerst beruhigend auf alles, was Launen hat“, versicherte er ihr.

„Sprechen Sie wirklich von Autos? Nicht etwa von Frauen?“ Er schüttelte gespielt verzweifelt den Kopf. „Unterstellen Sie Ihren Mitmenschen eigentlich immer Hintergedanken?“

„Das tut doch jeder. Sie haben es mir gegenüber auch getan. Und lag ich mit meiner Vermutung denn so falsch?“

„In diesem Fall schon. Ich dachte nämlich nicht an Frauen, sondern an das Zureiten von Pferden“, antwortete Luke und hakte die Daumen in den Gürtel seiner Jeans.

Holly nickte, denn endlich verstand sie. Deshalb hatte Luke Goodwin auf der Straße von Woodhampton so fehl am Platz gewirkt! Er passte einfach nicht in eine biedere englische Kleinstadt. Er schien in den Sattel eines Pferdes und die endlos weite Prärie zu gehören.

„So? Kommen Sie vielleicht aus Texas?“

„Nein, aus Afrika.“ Er las die unausgesprochene Frage in ihren Augen. „Ich bin gerade erst aus Kenia gekommen. Aber das ist eine komplizierte Geschichte.“

„Noch eine? Lange sind Sie ja wohl noch nicht hier, oder?“

Das schloss Holly aus seinem auffällig tief gebräunten Gesicht.

Luke blickte auf seine Armbanduhr. „Seit ungefähr zwölf Stunden.“

„Erst zwölf Stunden? Macht Ihnen denn da die Klimaumstellung nicht zu schaffen?“

„Doch, ganz schön sogar.“ Luke redete sich ein, damit eine Erklärung für seine verworrenen Gefühle und sich widersprechenden Empfindungen gefunden zu haben. Oder machte er sich nur etwas vor? Er nahm ihr den Autoschlüssel aus der Hand. „Sie gehen jetzt hoch, und ich kümmere mich um das Gepäck.“

Autoritär, dachte Holly und lächelte versonnen, als sie die Treppe hinaufging, die vom Laden in die Wohnung führte. Schnell rief sie sich jedoch wieder zur Ordnung, denn autoritäre Männer waren längst aus der Mode.

War der Teppichbelag auf den Stufen schon alt und schmutzig, so sah die Wohnung regelrecht heruntergekommen und noch schlimmer als der Laden aus. Die Tapeten hatten feuchte Flecken, und es roch muffig.

Holly blickte sich um und versuchte, sich daran zu erinnern, was sie an diesen Räumen einmal so begeistert hatte. Das Wohnzimmer war nur mäßig groß und hatte Blick auf die Straße, das Gästezimmer war klein, und die Matratze des schmalen Bettes sah durchgelegen und unbequem aus. Im Bad tropfte der Wasserhahn, und die Kücheneinrichtung taugte höchstens noch für den Sperrmüll.

Als sie jedoch das Schlafzimmer betrat, atmete Holly erleichtert auf. Ja, genau dieser Raum war es, der einen alles andere vergessen ließ. Obwohl ebenso vernachlässigt wie die restliche Wohnung, war er hoch, hell und geräumig und einfach ideal als Atelier.

Holly hörte Schritte und ging auf den Flur. Luke, zwei Kartons auf den Schultern, kam die Treppe herauf. Schnell griff sie nach einem Dosenöffner, der unter dem schlecht verschlossenen Deckel herauszufallen drohte.

„Sie sollten nicht so schwer tragen, das ist nicht gesund“, tadelte sie Luke.

Er blickte sie nicht an, als er seine Last absetzte. Ungeduldig strich er sich eine widerspenstige Haarsträhne aus der Stirn. „Nett, dass Sie so fürsorglich sind“, antwortete er. „Aber ich weiß, was ich tue, und ich bin körperliche Arbeit gewöhnt.“ Damit eilte er wieder die Treppe hinunter, wobei er drei Stufen auf einmal nahm.

Holly blickte ihm nach. Ja, er hatte die Haltung und die Bewegungen eines Mannes, der seine Muskeln durch harte Arbeit und nicht durch sorgfältig geplantes Training im Fitnessstudio erworben hatte. Luke wirkte athletisch und natürlich. Sie schluckte. Natürlich und männlich.

Erst nachdem er beim vierten Mal auch das letzte Gepäckstück nach oben transportiert hatte, nahm Luke sich die Zeit, die Wohnung genauer zu betrachten. Er stand mit Holly, die gerade ihre bunt zusammengewürfelten Töpfe und Pfannen auf die Kommode neben den Herd setzte, in der Küche. Er runzelte die Stirn.

„Hier kann man doch nicht wohnen! Es fehlen Möbel, es ist schmutzig, ungelüftet und kalt. So etwas würde ich noch nicht einmal meinem Hund zumuten! Haben Sie denn nicht verlangt, dass die Wohnung vor ihrem Einzug gründlich renoviert wird?“

„Offensichtlich nicht!“, gab sie spitz zurück.

„Und warum nicht?“

Weil der strahlend schöne Tag und ihr Ehrgeiz ihr den Blick für die Realität getrübt hatten? Weil sie benebelt von dem Gin Tonic gewesen war, den Doug Reasdale ihr eingeschenkt hatte, und weil sie versessen auf ihre Karriere gewesen war? Luke gegenüber jedoch äußerte sie nicht den leisesten Zweifel. „Ich war froh, für das Geld überhaupt einen so großen Laden zu bekommen.“

„Das Gebäude ist sträflich vernachlässigt worden“, lautete Lukes vernichtendes Urteil.

„Wahrscheinlich ist die Miete deshalb so billig. Soweit ich informiert bin, mietet man Räume ‚wie gesehen‘. Und sie waren schon in diesem Zustand, als ich sie gesehen habe.“

„Wer hat ihnen denn das erzählt? Doug Reasdale?“

„Ja. Aber ich habe mich später anderweitig erkundigt und erfahren, dass es stimmt.“

Luke lachte hart. „Doug ist faul und durchtrieben. Ich werde ihn mir vorknöpfen.“

Holly schüttelte den Kopf. „Nein! Das Versäumnis liegt auf meiner Seite. Ich habe nicht darauf bestanden, das Haus ordentlich renoviert zu übernehmen.“

„Doug hat sie ausgenutzt“, beharrte er.

Das hat er glücklicherweise nicht, dachte sie, aber er hätte es gern getan.

„Anscheinend brauchen Sie Nachhilfe in Verhandlungsführung.“ Luke sah sich wieder in der Küche um und presste die Lippen zusammen. „Sie können hier unmöglich wohnen.“

Als wäre das ein Stichwort, prasselte ein heftiger Regenschauer gegen das Fenster, und Wasser lief durch den Rahmen auf die Fensterbank und tropfte von da auf den Boden.

„Wenn ich hier gewesen wäre, hätten Sie die Wohnung in einem anderen Zustand übernommen!“

„Es hat keinen Zweck, über etwas zu diskutieren, das nicht mehr zu ändern ist – Sie waren eben nicht hier.“

„Nein.“ Aber jetzt bin ich es, setzte er in Gedanken hinzu und lächelte grimmig.

Holly sah ihn an, und wieder musste Luke seine Erregung mit Macht unterdrücken. Es war nicht neu für ihn, dies unkontrollierte Verlangen, aber er hatte es noch nie so stark erlebt. Es ist lediglich ein Trieb, tröstete er sich, der zwar meine Fantasie beflügelt, aber keinen Einfluss auf mein wirkliches Leben hat. Trotzdem hielt er es für klüger zu gehen. Er musste weg von diesen grünen Augen, die ihn verhexten, weg von diesen sinnlichen Lippen, die einem Mann den Himmel auf Erden zu versprechen schienen.

Sein uralter männlicher Beschützerinstinkt war jedoch stärker als die Vernunft. „Sie können hier nicht wohnen! Jedenfalls nicht, solange sich das Haus in einem derartigen Zustand befindet“, hörte er sich zu seinem eigenen Erstaunen sagen.

„Mir bleibt nichts anderes übrig“, antwortete Holly gefasst.

Einen Moment lang schwiegen beide.

„Doch“, behauptete Luke dann.

Holly blickte ihn verwirrt an. Lukes gerunzelten Augenbrauen nach zu urteilen, wollte er sie abschieben. Er würde ihr bestimmt empfehlen, zu verschwinden und dahin zurückzukehren, wo sie hergekommen sei. Aber mochte dort, wo er herkam, vielleicht das Recht des Stärkeren herrschen, hier in England galten bestimmte Regeln, und sie besaß einen rechtskräftigen Mietvertrag. Deshalb hob sie selbstbewusst den Kopf.

„Und welche andere Wahl hätte ich?“

Luke fragte sich, ob er von allen guten Geistern verlassen sei, machte ihr aber dennoch das Angebot. „Sie könnten die erste Zeit bei mir wohnen.“

„Soll das ein Witz sein?“

„Wieso? Ich fühle mich für Sie verantwortlich.“

„Das brauchen Sie nicht.“

„Doch. Dieses Haus hier ist in einem unbewohnbaren Zustand, und es gehört mir. Mir gehört aber auch Apson House, das genügend Gästezimmer für eine ganze Reisegesellschaft hat.“

„Aber ich kenne Sie doch gar nicht!“

Er lachte. „Sie brauchen keine Angst zu haben, ich bin nicht König Blaubart! Außerdem dürften Sie als Studentin doch bestimmt auch schon in Wohngemeinschaften gelebt haben.“

„Natürlich. Aber was hat das damit zu tun?“

„Wie gut kannten Sie denn die Männer, mit denen Sie die Wohnung teilten?“

„Das ist doch etwas ganz anderes!“

„Dann erklären Sie mir es bitte.“

Das konnte Holly nicht. Sie wollte ihm nicht sagen, dass selbst die talentiertesten und attraktivsten ihrer Kommilitonen nie sexuelle Wünsche in ihr geweckt hatten. Holly konnte ehrlich behaupten, dass es sie nicht gekümmert hätte, wenn ihre männlichen Mitbewohner nackt durch die Wohnung gelaufen wären. Bei Luke Goodwin dagegen …

Dann aber musste sie an Zentralheizung und ein bequemes Bett denken und wurde schwankend. Dennoch schüttelte sie nachdrücklich den Kopf. „Ihr Angebot ist sehr freundlich, aber ich komme schon allein zurecht.“

„Und wie?“

„Als Designerin bin ich äußerst kreativ und erfinderisch.“

„Das werden sie unter diesen Umständen auch sein müssen.“ Skeptisch blickte er zu dem feuchten Fleck an der Decke. „Ich werde dafür sorgen, dass das morgen in Ordnung gebracht wird“, versprach er und machte Anstalten zu gehen – wenn auch nur sehr widerwillig, wie es Holly schien.

Sie musste zugeben, dass auch sie seine Gesellschaft nicht so schnell vermissen wollte. „Möchten Sie vielleicht einen Tee als Dankeschön für die Schlepperei? Außerdem haben Sie die Milch dabei, die ich vergessen habe.“

„Und die Kekse.“ Gegen den bittenden Blick ihrer grünen Augen war Luke einfach machtlos. So stimmte er zu, obwohl er genau wusste, dass er besser gehen sollte, solange das noch so einfach möglich war. „Ich hole die Sachen sofort von unten hoch.“

Holly setzte den Wasserkessel auf, wischte den Couchtisch im Wohnzimmer ab und stellte ihn zwischen die beiden riesigen Polstersessel. Dann machte sie die Fenster sperrangelweit auf, weil sie hoffte, das würde den muffigen Geruch im Zimmer vertreiben.

Gegen ihre glühenden Wangen jedoch war selbst die eisige Zugluft machtlos. Holly konnte sich immer noch nicht erklären, wieso sie sich derart stark zu einem Mann hingezogen fühlte, den sie erst gut eine Stunde kannte.

Als Luke mit der Milch und den Keksen zu ihr zurückkam, hatte sie sich jedoch so weit unter Kontrolle, dass ihr der innere Aufruhr nicht anzumerken war und ihre Hand ruhig blieb, als sie ihm den Becher Tee reichte.

„Danke.“ Luke blickte sich um. „Hier ist es wirklich ungemütlich kalt.“

„Ja“, gab sie zu. „Ich habe das Fenster aufgemacht.“

„Und ich werde es wieder schließen.“

Der Raum schien plötzlich unerträglich eng, und Luke erinnerte Holly an Gulliver bei den Liliputanern – und das nicht nur wegen seiner langen Beine und breiten Schultern. Manche Menschen hatten eine Ausstrahlung, die sie aus der Menge hervorhob, und Luke Goodwin gehörte zweifellos dazu.

Holly rutschte unruhig auf die äußerste Sesselkante. „Was haben Sie in Afrika eigentlich gemacht?“

Er nahm seinen Becher in beide Hände und blickte gedankenverloren in den dampfenden Tee. „Ich war Wildhüter und habe einen Nationalpark geleitet.“

„Oh!“ Holly gab sich alle Mühe, unbeeindruckt zu erscheinen. Sie schlug die Beine übereinander. „Dann haben Sie ja in einer ganz anderen Welt gelebt. Kommt es Ihnen in England jetzt nicht sehr langweilig vor?“

„Um das zu beurteilen, brauche ich noch etwas Zeit.“ Wenn er Holly jedoch so betrachtete, gefiel es ihm hier besser als sonst irgendwo auf der Welt. „Ich habe Ihnen ja schon gesagt, ich bin erst diese Nacht hier angekommen.“

Holly atmete tief durch. „Wollen Sie denn in England bleiben?“

„Das kommt darauf an, wie ich mich hier einlebe.“ Er kniff die Augen zusammen, als würde er geblendet. „Ich war sehr lange weg.“

Das klingt ja nicht gerade, als ob er von Woodhampton begeistert wäre, dachte sie. „Und was hat Sie zur Rückkehr bewogen?“

Er zögerte, weil er nicht wusste, wie viel er ihr über sich erzählen sollte. Die Erbschaft war für ihn völlig unerwartet gekommen, und er war sich noch nicht sicher, wie er damit nach außen hin umgehen sollte. Er war durch das viele Geld kein anderer geworden, wusste aber, dass einen die meisten Leute nach dem beurteilten, was man besaß, und nicht danach, was für ein Mensch man war. Besonders Flauen ließen sich seiner Erfahrung nach mehr durch die Höhe des Bankkontos als durch innere Werte beeindrucken.

Nicht dass er fürchten müsste, nur seines Reichtums wegen geliebt zu werden. Die Frauen liefen ihm hinterher, seit er achtzehn war. Auch in Zeiten, als er seine ganze Habe in einem Rucksack verstauen konnte und nur eine einzige Jeans besaß, hatte er jede Frau bekommen können, die er gewollt hatte. Dennoch war es ihm wichtig, dass Caroline und er sich schon gekannt hatten, als er noch Wildhüter gewesen war. Was dagegen Holly Lovelace über seine finanziellen Verhältnisse wusste, konnte ihm egal sein, denn sie war nur eine Zufallsbekanntschaft.

„Ich bin zurückgekommen, weil mein Onkel gestorben ist und mich zu seinem Alleinerben eingesetzt hat.“ Aus halb geschlossenen Augen beobachtete er, wie sie darauf reagierte.

Holly lachte. „Ich dachte immer, so etwas würde es nur im Roman geben.“

Er trank einen Schluck Tee. „Ich hatte auch nie damit gerechnet. Aber eines Morgens bin ich aufgewacht und war nicht mehr Aufseher in einem der schönsten Nationalparks Afrikas, sondern der Besitzer eines englischen Herrenhauses mit entsprechendem Grundbesitz und etlichen Immobilien – unter anderem dieser hier.“

„Vom Tellerwäscher zum Millionär?“

„So würde ich es nicht ausdrücken, obwohl ich jetzt zweifellos ein reicher Mann bin.“

Er konnte sich also leisten, wonach ihm der Sinn stand! Holly musste erkennen, dass er unerreichbar für sie war – was sie auch schon längst geahnt hatte. Männer wie Luke Goodwin konnte man mit der Lupe suchen. Er sah unwahrscheinlich gut aus, hatte eine athletische Figur, war selbstbewusst, aber nicht borniert, sondern aufgeschlossen und hilfsbereit. Und jetzt stellte sich heraus, dass er obendrein auch noch Geld hatte. Ein richtiger Märchenprinz also!

Unauffällig blickte Holly auf seine Hände. Er trug keinen Ring, und sie konnte auch keine blasse und damit verräterische Spur erkennen. „Sie sind nicht verheiratet?“, fragte sie dennoch.

Die Dame kommt ja schnell zur Sache, dachte Luke und war grenzenlos enttäuscht. Er schüttelte den Kopf. „Nein, ich bin nicht verheiratet“, bestätigte er, erwähnte Caroline jedoch aus ihm unerfindlichen Gründen immer noch nicht. „Aber jetzt sind Sie an der Reihe.“

Verständnislos sah Holly ihn an. „An der Reihe? Womit?“

„Mit Ihrer Lebensgeschichte.“ Er nahm den Deckel der Dose ab und bot ihr einen Keks an.

Holly nahm sich einen, biss hinein und lachte dann. „Das nennen Sie Lebensgeschichte? Die vier Sätze, die Sie über sich erzählt haben?“

„Sie brauchen mir nicht jeden Freund zu beichten, nur die wichtigsten Fakten. Warum, zum Beispiel, möchte eine junge, schöne Frau wie Sie mitten in der Provinz einen Laden eröffnen? Warum soll es ausgerechnet Woodhampton sein? Warum nicht Winchester oder sogar London?“

„Das ist ganz einfach! Man kann nur wirklich kreativ arbeiten, wenn man sein eigener Herr ist. Wenn man irgendwo angestellt ist, muss man die Vorstellungen und Ideen des Chefdesigners verwirklichen. Genau das habe ich getan, seit ich mit der Uni fertig bin, und es reicht mir.“

„Beneidenswert, dass Sie sich schon so jung selbstständig machen können“, warf Luke ein. „Haben Sie einen großzügigen Gönner?“ Bestimmt einen alten Schwerenöter, vermutete er insgeheim, einen, der seine feisten Hände besitzergreifend über ihren herrlichen Körper gleiten lässt. Luke musste sich schütteln.

„Ich habe keinen Gönner. Ich bin völlig unabhängig und allein.“

Interessiert sah er sie an. Alle möglichen unerfreulichen Gedanken, wie sie wohl an das nötige Eigenkapital gekommen sein mochte, schossen ihm dabei durch den Kopf. „Und wer hat Ihnen dann den Start in die Unabhängigkeit ermöglicht?“

„Ich. Ich habe einen Wettbewerb gewonnen, der von einer Frauenzeitschrift veranstaltet wurde. Es ging darum, das schönste Brautkleid zu entwerfen. Ich habe den ersten Preis gewonnen, und der war mit einem dicken Scheck verbunden.“

Luke nickte. Diese Holly Lovelace war also nicht nur schön, sondern auch talentiert. „Waren Sie nicht versucht, mit dem Gewinn etwas Verrücktes zu tun, anstatt ihn in einen Laden zu investieren?“

„Nicht eine Sekunde lang! Ich wollte das Geld nicht verschwenden, sondern damit meine Träume verwirklichen. Und ich habe mir schon immer gewünscht, Brautkleider zu nähen, und das nach meinen eigenen Entwürfen.“

„Ein außergewöhnliches Lebensziel.“

„Nein, es liegt in der Familie. Ich trete nur in die Fußstapfen meiner Mutter.“

Holly musste an ihre Kindheit denken, an all die verschiedenen Partner ihrer Mutter, all die verschiedenen Häuser und Wohnungen. Nur eins war immer gleich geblieben: Ihre Mutter hatte stets genäht, selbst als es finanziell nicht mehr erforderlich gewesen war, hatte sie es aus Spaß getan. Wie sie die herrlichsten Puppenkleider genäht hatte, gehörte zu Hollys schönsten Kindheitserinnerungen. Noch heute sah sie vor sich, wie ihre Mutter mit ihren auffällig schmalen und feingliedrigen Händen die Nadel durch raschelnde Seide und zarte Spitze schob. Diese Bewegungen hatten auf sie eine seltsam beruhigende Wirkung ausgeübt. Auf und ab, auf und ab.

„Und warum hier?“, unterbrach Luke den Strom ihrer Erinnerungen. „Warum ausgerechnet in Woodhampton?“

„Weil ich nach einem alten, stilvollen Haus gesucht habe, das ich mir leisten kann. Eins mit hohen, gut geschnittenen Räumen, eins, das zu den Kleidern passt, die ich entwerfe. Diese Vorstellungen konnte ich nur hier verwirklichen. In der Stadt hätte mein Geld nur zu einem winzigen Atelier gereicht, in dem meine Kleider einfach nicht wirken würden.“

Luke sah sich nachdenklich um. „Und wann wollen Sie eröffnen?“

„So schnell wie möglich – schon aus finanziellen Gründen.“

„Wie schnell?“

„Noch vor Ostern, sodass ich Anfang Mai die Startschwierigkeiten überwunden und mich durch Werbung schon bekannt gemacht habe, denn im Mai beginnt für mich die Hauptsaison.“ Holly blickte sich unwillkürlich um, und ihre Zuversicht schwand. Unvorstellbar, dass sie in wenigen Wochen so weit sein würde, dass sich hier die Ballen mit den kostbarsten Stoffen stapelten und die angehenden Bräute aufgeregt und erwartungsvoll zur Anprobe kamen.

Luke war ihr Gesichtsausdruck nicht entgangen. „Das wird ein hartes Stückchen Arbeit sein“, bemerkte er und fragte sich, ob sie eigentlich wirklich wusste, was sie sich vorgenommen hatte.

„Davor habe ich keine Angst, denn ich weiß, dass ich zupacken kann“, antwortete Holly mit einer Überzeugung, die sie nicht verspürte, denn Laden und Wohnung innerhalb einiger Wochen so zu renovieren, dass sie ihr Geschäft eröffnen konnte, schien ihr im Moment einfach unmöglich.

Lukes Entschluss war schnell gefasst. Diesem Doug Reasdale wollte er einen gehörigen Denkzettel verpassen. Für seine Unverschämtheit, einer gutgläubigen Frau das Haus in einem solchen Zustand zu vermieten, sollte er büßen.

„Zupacken kann ich auch“, wandte er sich an Holly. „Ich werde Sie bei der Renovierung unterstützen.“

Holly atmete erleichtert auf. „Weshalb tun Sie das?“

„Weil ich als der Besitzer dieses Hauses bestimmte Pflichten habe. Wohnung und Laden hätten in diesem Zustand gar nicht an Sie vermietet werden dürfen.“ Luke redete sich ein, dass sein Angebot wirklich nur mit seinem sozialen Verantwortungsgefühl und absolut nichts mit Hollys verführerischen Augen und sinnlichem Mund zu tun hatte. „Was sagen Sie dazu?“

Holly wusste nicht, wie ihr geschah. Am liebsten wäre sie Luke um den Hals gefallen und hätte ihm einen Kuss gegeben. Aber sie war sich unsicher, wie er darauf reagieren würde, denn er schien auf Herzlichkeit keinen Wert zu legen – höchstens auf Sex. „Vielen, vielen Dank“, antwortete sie deshalb nur hölzern.

„Und versprechen Sie mir bitte, dass Sie sofort zu mir kommen, falls Sie es hier doch nicht aushalten sollten.“

„Aber ich weiß doch gar nicht, wo Sie wohnen!“

„Kommen Sie her.“ Er winkte sie zu sich ans Fenster und deutete nach draußen. „Sehen Sie das Haus dort hinter der Hecke?“

Das imposante Gebäude war beim besten Willen nicht zu übersehen. „Das gehört Ihnen?“, fragte sie erstaunt.

„Ja. Wenn es Ihnen also zu viel wird oder Sie nicht mehr allein sein wollen, kommen Sie einfach rüber und klingeln. So einfach ist das.“ Er sah sie durchdringend an. „Sie brauchen keine Angst vor mir zu haben, okay?“

„Okay“, erwiderte sie zögernd, denn es war ihr klar, dass sie auf der Hut sein musste, wenn sie Hilfe von einem Mann wie Luke Goodwin annehmen wollte.

3. KAPITEL

Sofort nachdem Luke nach Hause gekommen war, rief er Doug Reasdale an. Luke kannte Doug nur flüchtig, hauptsächlich durch die langen Telefongespräche, die er aus Afrika mit ihm geführt hatte. Von Anfang an war ihm der Verwalter seines verstorbenen Onkels nicht gerade sympathisch gewesen, er hatte sich ihm gegenüber jedoch stets beherrscht. Diesmal durfte Doug mit einer derartigen Zurückhaltung nicht rechnen.

„Hallo, Doug, hier ist Luke Goodwin.“

„Luke, altes Haus!“ Doug lachte jovial. „Schön, dass du wieder im Lande bist. Wie geht es dir?“

Luke hatte Doug lediglich einmal persönlich getroffen, und das war auf der Beerdigung seines Onkels gewesen, zu der Luke für zwei Tage aus Kenia gekommen war. Doug und Luke waren gleichaltrig, was Doug zum Anlass genommen hatte, sich sofort auf die plumpste Weise bei Luke anzubiedern und Brüderschaft mit ihm zu trinken. Den Nachmittag nach der Beerdigung, als die beiden die wichtigsten Papiere durchgegangen waren, hatte Doug einen Whisky nach dem anderen getrunken und sich benommen, als hätten sie schon zusammen im Sandkasten gespielt.

„Mir geht es gut. Ich bin richtig froh, wieder in England zu sein“, antwortete Luke zu seiner eigenen Überraschung.

„Was kann ich für dich tun?“, fragte Doug. „Ist in Apson House alles in Ordnung?“

„Ja, alles bestens. Ich rufe aus einem anderen Grund an.“

„So?“

„Fällt dir zu dem Namen Holly Lovelace etwas ein?“

Doug Reasdale pfiff durch die Zähne. „Rote Mähne und grüne Katzenaugen? Lange Beine und traumhafte Brüste? Hat das Haus mit dem Laden und der Wohnung gemietet?“ Doug lachte anzüglich. „Erzähl mir von der Dame.“

Luke presste die Lippen zusammen. Hätte Doug vor ihm gestanden, er hätte bestimmt zugeschlagen. „Sprichst du von Mietern immer in diesem Ton?“, fragte er so jedoch nur kühl.

Doug war viel zu unsensibel, um den Wink zu verstehen. „Nein, eigentlich nicht. Aber Mieter sehen im Allgemeinen auch nicht aus wie diese Holly Lovelace.“ Sein Ton wurde noch vertraulicher. „Obwohl ich ehrlich sagen muss, dass ich sie nicht gerade für sehr entgegenkommend halte.“

„Wie bitte?“ Luke gab sich keine Mühe, seine Empörung zu verbergen.

„Na, du weißt schon, was ich meine! Diese Frau sieht wahnsinnig aufreizend aus und kleidet sich auch so, dass man denkt … Na ja, aber selbst als ich sie zum Essen einlud, blieb sie äußerst zugeknöpft.“

„Du hast sie zum Essen eingeladen?“ Luke war verblüfft.

„Aber sicher. Hättest du die Gelegenheit ungenutzt gelassen?“

Luke überging die Frage. „Etwa auch noch auf Geschäftskosten? Machst du das immer so, wenn sich jemand für eine Wohnung bewirbt?“

„Nein, sicherlich nicht.“ Doug lachte nervös. „Aber wie ich schon sagte, diese Frau hat es in sich, da macht man schon mal eine Ausnahme.“

Luke musste sich zusammennehmen, sich auf das Gespräch zu konzentrieren. In Gedanken traf er schon die nötigen Vorbereitungen, um Doug zu entlassen und sich einen neuen Verwalter zu suchen. „Wie schätzt du den Zustand des Ladens und der Wohnung ein, Doug?“, fuhr er unerbittlich fort.

Wieder ertönte ein nervöses Lachen. „Das Haus hat ewig leer gestanden.“

„Das glaube ich dir sofort, aber damit hast du meine Frage nicht beantwortet. Also, was ist deine Meinung?“

„Die Ausstattung ist nicht gerade luxuriös. Deshalb ist die Miete ja auch so niedrig.“

„Nicht gerade luxuriös? Das Haus ist eine Bruchbude. Das

Dach ist undicht, und an mehreren Stellen regnet es durch. Wusstet du das?“

„Ich hatte den Verdacht …“

„Die Fensterrahmen haben sich verzogen, und die Möbel scheinen vom Sperrmüll zu stammen“, schnitt Luke ihm das Wort ab. „Ich bestehe darauf, dass die Schäden repariert und defekte Möbel und Geräte ersetzt werden. Und das alles bis vorgestern!“

„Aber das kostet viel Geld“, wandte Doug ein. „Dein Geld!“

„Selbst wenn du es nicht glaubst, aber darauf bin ich schon von allein gekommen“, spottete Luke.

„Es schmälert deinen Gewinn!“ Doug ließ sich nicht beirren. „Ich mache keinen Gewinn zulasten von Menschen, die sich nicht wehren können, Doug.“ Luke sprach ruhig und sachlich. „Und ich lasse nicht zu, dass eine Frau in einer kalten und feuchten Wohnung hausen muss. Wenn sie sich erkälten oder krank werden würde, wäre ich dafür verantwortlich. Ich möchte ein reines Gewissen haben, verstehst du das?“

„Äh … Ja.“ Doug kaute an den Fingernägeln.

„Wie schnell kannst du das Haus herrichten lassen?“

Doug dachte an den Maler, dem er schon öfter einen Gefallen getan hatte, und an den Tischler, der bestimmt gern für den neuen Besitzer von Apson House arbeiten würde. Doug war sich klar darüber, dass er die Handwerker unbedingt dazu bringen musste, schnell und gut zu arbeiten, denn er ahnte schon, dass sein Job auf dem Spiel stand. „Ich werde keinen Monat dazu brauchen“, versprach er großspurig.

„Das ist zu lang.“

„Aber du weißt doch, dass gute Leute nicht von einem Tag auf den anderen zu haben sind, sie sind ausgebucht.“

„Dann zahl ihnen so viel, dass sie umbuchen.“

„Äh … wie du meinst. Wären zwei Wochen okay?“

„Aber keinen Tag länger!“

„Ich werde dafür sorgen!“, versprach Doug hastig.

„Das möchte ich dir auch geraten haben“, erwiderte Luke und legte auf.

Holly wusch die beiden Becher ab, aus denen Luke und sie Tee getrunken hatten, und setzte sie umgekehrt auf den Ablauf der Spüle, damit sie trocknen konnten. Dann nutzte sie den Rest des Tageslichts, um die Räume einigermaßen bewohnbar zu machen.

Das Wasser, das aus der Therme kam, war nur lauwarm, sodass sie einen Kessel aufsetzen musste, um heißes Putzwasser zu haben. Sie kippte reichlich Reinigungsmittel dazu und begann, die Küchenmöbel abzuschrubben. Dann kam das Badezimmer an die Reihe. Als sie damit fertig war, schmerzten ihr die Handgelenke, und die Fingerkuppen waren rot und rissig. Daher beschloss sie, fürs Erste Schluss mit dem Scheuern zu machen, denn ihre Hände waren ihr Arbeitskapital, und sie durfte sie auf keinen Fall überstrapazieren.

Holly kniete auf dem abgetretenen Linoleumfußboden und überlegte, wie oft sie wohl Wasser aufsetzen müsse, um heiß baden zu können. Bestimmt ein halbes Dutzend Mal. Seufzend brachte sie den ersten Kessel in Gang und suchte sich dann ihre Bettwäsche aus dem Koffer, um das Bett zu beziehen.

Gerade wollte sie nach dem Kopfkissen greifen, als sie eine dunkle Stelle auf der Matratze entdeckte. Sie entpuppte sich glücklicherweise nur als Wasserfleck, denn ein Blick an die Decke zeigte Holly, dass es von dort aufs Bett tropfte. Dennoch war die Matratze so durchnässt, dass man unmöglich darauf schlafen konnte. Damit blieb nur der nackte Fußboden.

Holly biss sich auf die Lippe. Sie war mit den Nerven am Ende, und Tränen standen ihr in den Augen. Das Schlimmste an der Situation war, dass sie sich ihr Unglück selbst zuzuschreiben hatte. Sie hatte aus einer euphorischen Stimmung heraus den Laden gemietet, weil er genau ihren Vorstellungen entsprochen hatte, und dabei vergessen, einen kritischen Blick auf den Zustand der Wohnung zu werfen!

Obendrein hatte sie nichts zu lesen dabei, und das Licht war so schlecht, dass sie weder nähen noch Entwürfe skizzieren konnte. Ein endlos langer Sonntagabend lag vor ihr, und sie hatte noch nicht einmal ein Bett zum Verkriechen!

Was sollte sie also tun? Sich in eine Decke wickeln, auf den harten Fußboden legen und sich die Augen ausweinen? Oder wie eine moderne und selbstbewusste junge Frau auftreten, Luke Goodwin beim Wort nehmen und ihn um ein Bett für die Nacht bitten?

Ehe sie es sich noch anders überlegen konnte, griff sie zu ihrer Regenjacke und machte sich auf den Weg nach Apson House.

Luke saß am Schreibtisch im Arbeitszimmer und beschäftigte sich mit den Papieren, die ihm sein Onkel in großen Stapeln hinterlassen hatte. Aus dem Fenster des im ersten Stock gelegenen Raums konnte er den Eingang überblicken, und schuldbewusst musste er sich eingestehen, dass er sich unbändig freute, als er Holly durch die Hecke und auf das Haus zukommen sah.

Er beobachtete sie genau. Auf den ersten Blick wirkte sie in ihren Jeans und mit ihrem festen Schritt wie eine zielbewusste und energische junge Frau. Doch ihre weichen Züge und ihre vom Wind zerzausten Locken wollten zu diesem Bild nicht passen.

Bevor Holly noch klingeln konnte, war Luke schon die Treppe hinuntergelaufen, um die Tür zu öffnen. Er erkannte sofort, wie blass und erschöpft sie war, und wieder regte sich sein Beschützerinstinkt. Und sein Verlangen.

Wenn er nur einen Funken Vernunft besessen hätte, hätte er ihr spätestens jetzt die Tür vor der Nase zugeschlagen, er schuldete dieser Frau schließlich nichts. Doch der verzweifelte Ausdruck ihrer großen grünen Augen ließ ihn alle Vorsicht vergessen.

„Wollten Sie doch nicht allein bleiben?“, fragte er leise und wunderte sich, dass sie kein Gepäck dabeihatte.

„Ich konnte es nicht.“ Ihre Stimme klang zittrig. „Sie hatten recht: Diese Wohnung ist eine Zumutung. Kein heißes Wasser und eine Matratze, aus der nicht nur die Sprungfedern ragen, sondern die auch noch nass ist, weil es durchs Dach regnet! Sie brauchen mir jetzt keine Predigt zu halten, Mr. Goodwin, ich weiß es auch allein: Ich hätte genauer hinsehen sollen, bevor ich den Vertrag unterschrieben habe. Ich hätte darauf bestehen sollen, dass die Wohnung renoviert wird. Zu allem Unglück habe ich auch weder Radio noch Fernseher mitgebracht und kann noch nicht einmal den Koffer ausräumen, weil es keinen Schrank gibt. Bitte machen Sie sich jetzt nicht lustig über mich, das würde mir vollends den Rest geben.“

Hollys Stimme schwankte, trotzdem rang sie sich tapfer ein Lächeln ab. Luke fand diese Mischung aus Hilflosigkeit und Sinnlichkeit einfach unwiderstehlich. „Kommen Sie“, bat er und hielt ihr die Tür weit auf. „Nie im Leben würde ich mich über Sie lustig machen. Ich bin froh, dass Sie gekommen sind, anstatt die Märtyrerin zu spielen.“

„Ehrlich?“

„Ja, ehrlich.“ Er versuchte, sein Verlangen zu unterdrücken und Holly mit den Augen eines hilfreichen Freundes zu betrachten. „Sie sehen aus, als könnten Sie ein warmes Bad gebrauchen. Oder möchten Sie erst etwas trinken?“

„Das wäre himmlisch!“ Hollys Augen leuchteten auf, so erleichtert war sie, dass Luke ihr keine Moralpredigt hielt. „Ich möchte ganz heiß und ganz lange baden.“

„Also dann ab in die Wanne. Kommen Sie, ich zeige Ihnen Ihr Zimmer.“ Er lachte leise. „Ich klinge wirklich wie Blaubart persönlich.“

„Blaubart? Noch nie von ihm gehört.“ Sie zwinkerte ihm zu und folgte ihm die Treppe hoch. Liebevoll ließ sie die Hand über das polierte Holz des Geländers gleiten. „Der Schreiner, der dies geschaffen hat, muss ein Meister seines Fachs gewesen sein“, sagte sie bewundernd.

Aber nicht nur die alte, kunstvoll gedrechselte Treppe, das ganze Haus war beeindruckend. Apson House war so geschickt und geschmackvoll modernisiert, dass es, obwohl mit allem Komfort ausgestattet, nichts von dem Flair eines traditionellen englischen Landsitzes eingebüßt hatte. Das Badezimmer, in das Luke Holly führte, war das größte, das sie je gesehen hatte. Die elegante kobaltblaue Badewanne stand frei im Raum, und die Auswahl an Badezusätzen auf einem Kristalltisch daneben war regelrecht verwirrend. Luke öffnete einen Wandschrank und reichte Holly ein großes, flauschiges Frotteelaken.

„Haben Sie nichts zum Anziehen mitgebracht?“, fragte Luke.

„Sie meinen einen Pyjama?“

Luke traute sich nicht, ihr in die Augen zu blicken. Unwillkürlich stellte er sich Holly im Pyjama vor – und Holly ohne Pyjama. Er versuchte, seine Erregung unter Kontrolle zu bekommen, indem er Holly kritisierte. „Nein, ich meinte Kleidung zum Wechseln. Die, die Sie anhaben, ist völlig verschmutzt.“

Holly spürte die Missbilligung, die aus diesen Worten sprach, und blickte an sich hinunter – auf die staubige Jeans, das fleckige T-Shirt und die Ränder unter den abgebrochenen Fingernägeln. Luke hatte recht – sie sah beinahe verwahrlost aus.

„Nein, ich habe nichts mitgebracht.“ Reuevoll sah sie ihn an. „Wie hätte es wohl gewirkt, wenn ich mit dem Koffer in der Hand plötzlich vor Ihrer Tür gestanden hätte?“

Äußerst beunruhigend, dachte Luke. „Ich kann Ihnen einen Bademantel von mir leihen“, antwortete er, ohne auf die Frage einzugehen. „Dann stecken wir Ihre Sachen in die Waschmaschine und den Trockner, und in zwei Stunden ist alles wieder sauber. Legen Sie die Wäsche einfach vor die Tür, ich kümmere mich darum. Was Sie sonst noch brauchen, können Sie dann morgen holen.“

„Sie sind wirklich ein sehr netter Mensch“, sagte Holly und meinte es auch.

„So?“, fragte er spöttisch, denn „nett“ war nicht gerade eine Beschreibung, die er für sich gelten ließ, und schon gar nicht in Bezug auf Frauen. Er beobachtete, wie Holly ihr Ölzeug auszog und es über eine Stuhllehne hängte.

„Fühlen Sie sich wie zu Hause“, forderte er sie auf und zog sich hastig zurück, bevor seine Fantasie noch weiter angeheizt wurde. Er stellte sich vor, wie sie sich aus ihren Jeans schälte und sich ihren Slip über die Schenkel streifte – sofern sie überhaupt einen trug. „Baden Sie, solange Sie wollen.“

„Das lasse ich mir nicht zweimal sagen.“ Holly lächelte und schloss die Tür hinter ihm.

Holly konnte sich nicht erinnern, ein Bad jemals so genossen zu haben. Sie entschied sich für ein Badeöl mit Rosenduft, das sie äußerst verschwenderisch verwendete. Als der Schaum schon bald über den Rand quoll, ließ sie sich ins Wasser gleiten, schloss die Augen und versuchte, sich zu entspannen. Da sie im Moment sowieso nichts an dem erbärmlichen Zustand ihrer Wohnung ändern konnte, war es das Beste, die nasse

Matratze und das undichte Dach, Staub und Spinnenweben einfach zu vergessen.

Der zarte, duftende Schaum inspirierte sie, sich ein Brautkleid mit einem Petticoat aus Unmengen von weißem Tüll auszudenken, und so merkte sie gar nicht, wie die Zeit verging. Sie hatte bestimmt schon fast eine Stunde in der Wanne gelegen, als es klopfte.

„Sie sind doch wohl nicht eingeschlafen?“, ließ sich Lukes Stimme durch die Tür vernehmen.

Holly bewegte sich unruhig. Ihre Haut schimmerte rosig, und die Spitzen ihrer Brüste reagierten sofort, als sie Lukes dunkle Stimme vernahm. „Nein. Nein, ich bin nicht eingeschlafen“, antwortete sie und drehte schnell das kalte Wasser auf, um sich das erhitzte Gesicht zu kühlen.

„Dann kommen Sie nach unten. Den Bademantel lasse ich Ihnen hier liegen.“

Wohlig kuschelte sich Holly in den warmen, weichen Frotteemantel und knotete den Gürtel fest. Das Haar rieb sie nur mit einem Handtuch trocken und bürstete es kurz, sodass es ihr feucht über die Schultern fiel. Dann machte sie sich auf die Suche nach Luke.

Er saß im Wohnzimmer auf dem Boden vor dem Kamin, in dem ein Feuer prasselte, neben sich das Teetablett und etliche halb ausgelesene Zeitungen. Als er Holly kommen hörte, blickte er auf und war wie verzaubert. Die weiße Farbe des Bademantels ließ Hollys Haar flammend rot wirken, während der flauschige Stoff ihre zarten Konturen betonte. Im Schein des Kaminfeuers wirkte sie wie eine Nymphe, unschuldig und verführerisch zugleich.

Luke hatte Mühe, normal zu atmen, und eine Ader an seiner Schläfe begann heftig zu pochen. Wie hatte er nur so verrückt sein können, diese Frau in sein Haus einzuladen? „Möchten Sie Tee?“, fragte er mit erzwungener Ruhe.

„Danke, gern.“

„Und wie?“

„Nur mit Milch bitte, ohne Zucker.“

Autor

Sharon Kendrick
Fast ihr ganzes Leben lang hat sich Sharon Kendrick Geschichten ausgedacht. Ihr erstes Buch, das von eineiigen Zwillingen handelte, die böse Mächte in ihrem Internat bekämpften, schrieb sie mit elf Jahren! Allerdings wurde der Roman nie veröffentlicht, und das Manuskript existiert leider nicht mehr.

Sharon träumte davon, Journalistin zu werden, doch...
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