Bianca Exklusiv Band 280

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NEUANFANG IN GRIECHENLAND? von WINTERS, REBECCA
Dominique ist entsetzt: Andreas, ihr von ihr getrennt lebender Ehemann, will die Scheidung! Doch sie fordert von dem attraktiven Griechen eine zweite Chance: Einen Monat lang will sie wieder mit ihm zusammenleben. Dann erst soll die Entscheidung über die Zukunft fallen ...

NIE MEHR OHNE DICH von THOMAS, MARIN
Ein Kuss wie ein Erdbeben! Heather und Royce sind seit Jahren gute Freunde - aber als sich an einem Abend auf seiner Ranch ihre Lippen berühren, weiß sie: Nie mehr möchte sie diesen Mann loslassen! Doch am nächsten Tag ist er verschwunden. Wird sie ihn je wiedersehen?

KEIN MANN FÜR IMMER? von DUARTE, JUDY
Rico Garcia, Besitzer einer erfolgreichen Privatdetektei, ist von seiner schönen Auftraggeberin Molly Townsend fasziniert. Ihre stürmischen Küsse wecken in ihm den Wunsch nach mehr. Aber er weiß: Molly ist keine Frau für eine Affäre! Und er kein Mann für immer?


  • Erscheinungstag 03.02.2017
  • Bandnummer 0280
  • ISBN / Artikelnummer 9783733733001
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Rebecca Winters, Marin Thomas, Judy Duarte

Bianca Exklusiv BAND 280

1. KAPITEL

Dominique Stamatakis war fest entschlossen, ihre Ehe zu retten. Vor über einem Jahr hatte sie ihren Mann Andreas, die Liebe ihres Lebens, Hals über Kopf verlassen. Seitdem war viel passiert, und sie selbst hatte sich sehr verändert – innerlich und äußerlich. Doch würde das reichen, um Andreas zurückzuerobern?

Zunächst einmal musste sie es irgendwie schaffen, dass er sich überhaupt mit ihr traf.

Sie saß an ihrem Schreibtisch in der amerikanischen Botschaft in Sarajevo, wo sie für ihren Vater arbeitete. Gerade als sie das Büro verlassen wollte, um von einer Telefonzelle aus in Andreas’ Firma in Griechenland anzurufen, summte die Gegensprechanlage.

„Was gibt’s, Walter?“, fragte sie.

„Ein Paul Christopoulos möchte Sie sprechen“, meldete der Portier.

Dominiques Herz schlug schneller, und sie spürte, dass sie blass wurde. Paul war Andreas’ Privatsekretär und bester Freund. Es konnte kein Zufall sein, dass er sie gerade jetzt sehen wollte.

Plötzlich wurde ihr schwindelig, und sie ließ sich auf den Schreibtischstuhl fallen. Es gab nur einen Grund, warum Paul extra aus Athen zu ihr nach Sarajevo kommen würde: Er wollte die Bedingungen für die Scheidung aushandeln.

Vor einem Jahr hatte sie selbst Andreas um die Scheidung gebeten, doch er war nicht darauf eingegangen. Stattdessen überwies er ihr Geld – das sie natürlich nicht angerührt hatte.

Auch auf zwei Scheidungsanträge von ihrem Anwalt in New York hatte Andreas nur mit Schweigen reagiert. Offenbar wollte er Dominique einfach nicht freigeben. Und er war vermögend und einflussreich genug, um seinen Willen durchzusetzen.

Schließlich hatte sie akzeptiert, dass sie Andreas vor allem in seinem Stolz verletzt hatte, als sie ihn verließ. Er würde der Scheidung erst zustimmen, wenn sein Ärger verraucht war.

Dieser Zeitpunkt war nun offenbar gekommen. Sie hatte zu lange gewartet. Gab es jetzt noch eine Chance, sich mit ihm zu versöhnen?

„Soll ich ihm einen Termin geben, oder haben Sie Zeit, ihn gleich zu empfangen?“, fragte Walter über die Gegensprechanlage.

Dominique hörte es kaum. Ihre Gedanken rasten.

Andreas musste eine andere Frau kennengelernt haben.

Nach über einem Jahr der Trennung wollte er bestimmt ein neues Leben anfangen. Sie auch – aber sie träumte nicht von einem anderen, sondern von einer gemeinsamen Zukunft mit ihrem Noch-Ehemann.

Nach kurzem Zögern antwortete sie: „Schicken Sie ihn rein. Und stellen Sie bitte keine Anrufe durch, bis ich mich wieder melde.“

Als Paul kurz darauf ihr Büro betrat, stand Dominique auf und ging auf ihn zu, um ihn zu begrüßen. Paul war noch ein paar Zentimeter größer als Andreas, der mit seinen eins neunzig schon die meisten überragte. Die beiden Männer ähnelten sich auch im Körperbau, doch Andreas’ Haar war tiefschwarz, das von Paul rötlich.

Der unerschütterliche, immer loyale Paul – obwohl Andreas ihn für seine Dienste als Privatsekretär gut bezahlte, behandelte er ihn wie einen Bruder und vertraute ihm bedingungslos. Bei bestimmten Gelegenheiten beschäftigte er Paul sogar als Leibwächter.

Dominique registrierte zufrieden, dass Paul überrascht die Augen aufriss, bevor er ihre ausgestreckte Hand ergriff. Sie hatte sich wirklich sehr verändert, seit er sie das letzte Mal gesehen hatte.

Vor einem Jahr hatten sie sich sehr kühl voneinander verabschiedet. Hysterisch vor Schmerz und Enttäuschung, hatte sie damals Athen verlassen, ohne Andreas Gelegenheit zu einer Aussprache zu geben. Paul hatte versucht, sie umzustimmen, als er sie zum Flughafen fuhr, doch sie hatte schon damals nur noch an Scheidung gedacht – nach gerade mal vier Monaten Ehe!

Das alles kam ihr vor, als wäre es eine Ewigkeit her.

Statt sich wieder an ihren Schreibtisch zu setzen, lehnte sich Dominique an die Kante und verschränkte die Arme vor der Brust. „Schön, Sie wiederzusehen, Paul“, sagte sie. „Setzen Sie sich. Möchten Sie etwas trinken?“

Er blieb stehen. „Nein danke, Mrs. Stamatakis.“

Mrs. Stamatakis. So förmlich. So korrekt.

„So hat mich niemand mehr genannt, seit ich vor einem Jahr Athen verlassen habe“, bemerkte sie. Damals hatte sie beschlossen, dass ihr Privatleben niemanden etwas anging. Sie war bei ihren Eltern untergeschlüpft, hatte ihren Ehering abgelegt und wieder ihren Mädchennamen benutzt.

„Sie haben sich verändert“, bemerkte Paul in neutralem Tonfall.

Damit wollte er wohl sagen, dass sie nicht mehr die unsichere junge Frau war, die vor zwölf Monaten aus Griechenland geflohen war. Wenn sogar der schwer zu beeindruckende Paul dazu eine Bemerkung machte, musste ihr neues Ich im wahrsten Sinne des Wortes umwerfend sein.

Dominique hoffte, dass Andreas’ ähnlich überrascht sein würde. Selbst, wenn er jetzt die Scheidung wollte.

„Sie nicht“, erwiderte sie lächelnd. Paul trug noch immer das dunkle Brillengestell, das so gut zu seinem ernsten Gesichtsausdruck passte. Obwohl er mit vierunddreißig nur ein Jahr älter war als Andreas, wirkte er viel gesetzter und reifer – besonders, wenn es wie jetzt um geschäftliche Dinge ging.

Obwohl er ihr Lächeln nicht erwiderte, wusste sie, dass ihr Auftritt ihn aus der Reserve lockte. Er wirkte nicht so gelassen wie sonst, sondern zögerte kurz, bevor er seine Aktentasche öffnete und einen Hefter herauszog.

„Es ist alles hier drin“, sagte er und reichte ihn ihr. „Ein äußerst großzügiges Angebot. Wenn Sie es durchgelesen haben, brauchen Sie nur noch zu unterschreiben. Dann sind Sie bald wieder Miss Dominique Ainsley.“

Dominique nahm den Hefter und steckte ihn in Pauls Tasche zurück. „Bevor ich irgendetwas unterschreibe, möchte ich mit Andreas sprechen. Wo ist er?“, fragte sie.

Paul betrachtete sie abschätzend. „Auf der Jacht.“

Natürlich. Der September war ideal für einen Jachtausflug. Das Wetter in Griechenland musste traumhaft sein.

„Für wie lange?“, fragte sie.

Wieder zögerte Paul. „Das hängt von Olympia ab“, antwortete er schließlich.

Dominique blieb fast das Herz stehen. Also war die „andere Frau“ Olympia. Immer noch.

Wegen ihr hatte sie Andreas vor einem Jahr verlassen. Ob es Paul Spaß machte, sie mit dem Namen zu quälen?

Na schön, Olympia hatte ihr Ziel erreicht, aber das würde Dominique nicht davon abhalten, ihren Mann zu treffen und um ihn zu kämpfen.

„Natürlich“, erwiderte sie so gelassen wie möglich. „Als beste Freundin seiner Schwester gehört sie ja fast zur Familie.“

Sie straffte die Schultern und trat nun doch hinter den Schreibtisch. „Sie sind mit Andreas’ Privatjet gekommen?“

Es war mehr eine Feststellung als eine Frage, und Paul antwortete nicht. Vielleicht war er auch verblüfft, dass die Erwähnung von Olympia bei ihr keine stärkere Reaktion hervorrief.

„Ich werde auf alle Fälle mit Ihnen zurückfliegen“, entschied Dominique.

„Andreas erwartet mich heute noch zurück.“

„Natürlich, kein Problem. Ich reise beruflich auch viel und habe meinen Pass immer dabei.“ Und meine Medikamente, fügte sie im Stillen hinzu.

Sie zog ihre Handtasche aus der untersten Schreibtischschublade und sah aus dem Augenwinkel, dass Paul nach seinem Handy griff.

„Das würde ich an Ihrer Stelle nicht tun“, sagte sie. „Ich bin noch immer Mrs. Stamatakis. Da mein Mann mir geschworen hat, mich ewig zu lieben, werden Sie sich doch jetzt nicht zwischen uns stellen, oder?“

Normalerweise hätte ihr Einwand den loyalen Paul nicht davon abgehalten, seinen Freund und Chef über die neue Entwicklung zu informieren. Doch offenbar war er noch immer ziemlich fassungslos, und Dominique beschloss, das auszunutzen.

„Diesmal bitte ich Sie um Hilfe“, sagte sie. „Ist das zu viel verlangt? Ich würde Andreas gerne noch heute sprechen. Wollen wir?“

Sie ging zur Tür, und Paul ließ ihr schweigend den Vortritt. Als sie am Empfang vorbeikamen, bat Dominique den Portier: „Sagen Sie meinem Vater, dass ich nach Griechenland fliege. Bis morgen früh weiß ich mehr und melde mich dann.“

Neugierig blickte der Mann auf. „Ist gut.“

Drei Stunden später stiegen Dominique und Paul in den Hubschrauber, der am Athener Flughafen auf sie wartete und sie zur Insel Kefalonia brachte.

Sehnsüchtig blickte Dominique auf die grüne Insel mit den weißen Stränden hinunter, die sie damals mit Andreas zusammen erkundet hatte. Als der Hubschrauber zum Landeanflug ansetzte, kam das malerische Hafenstädtchen Fiskardo in Sicht.

„Die ‚Cygnus‘ liegt ja gar nicht im Hafen“, stellte Dominique überrascht fest.

„Andreas hat in Zakynthos abgelegt und erwartet mich nicht vor dem frühen Abend an Bord“, erklärte Paul.

Dominique warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. Halb drei. „Sehr schön. Dann haben wir noch ein paar Stunden Zeit zum Einkaufen“, sagte sie.

Um Paul zu zeigen, wie ernst es ihr war, hatte sie auf Gepäck verzichtet. Sie waren in Sarajevo direkt von der Botschaft aus aufgebrochen.

Mit dem undurchdringlichen Gesichtsausdruck, hinter dem er immer schon seine Missbilligung für sie verborgen hatte, folgte Paul ihr brav durch die Boutiquen der kleinen Stadt. Dominique sparte nicht und kaufte alles ein, was sie für ihren Aufenthalt auf der Privatjacht brauchen würde.

In einer der Umkleidekabinen schlüpfte sie aus ihrem maßgeschneiderten Kostüm und zog den schillernden, wasserblauen Bikini an, der ihr sofort ins Auge gefallen war. Darüber band sie ein knappes Strandtuch, das mit seinen Häkelspitzen mehr betonte, als es verbarg.

Auch die dazu passenden Riemchensandalen hatte sie mit in die Kabine genommen, und zum Schluss zog sie den Perlmuttkamm aus ihrem hochgesteckten Haar. Sie kämmte es kurz durch und steckte nur eine Strähne zurück, sodass es ihr in silberblonden Wellen offen über die Schultern fiel.

So trat Dominique aus der Umkleidekabine, und Paul blieb buchstäblich der Mund offen stehen. Es freute sie diebisch, dass sie Andreas’ unerschütterlichen Freund gleich zwei Mal am Tag so aus der Fassung brachte.

Sie ließ die Sachen gleich an, bezahlte und trat mit Paul auf die Straße hinaus, die zum Hafen hinunterführte. Inzwischen war die „Cygnus“ eingelaufen, und Dominiques Herz begann schneller zu schlagen. Andreas.

Wie würde er reagieren, wenn er sie sah?

Ungeduldig eilte sie zum Pier hinunter. Die Blicke aller Männer folgten ihr, auch wenn niemand es wagte, ihr in Pauls Gegenwart nachzupfeifen oder eine Bemerkung zu machen.

Sosehr es Dominique genoss, ein wenig Aufsehen zu erregen – der einzige Mann, den sie wirklich beeindrucken wollte, war Andreas.

Ein Crewmitglied, das sie von früher kannte, wartete in dem Beiboot, das Paul zur Jacht bringen sollte. Der Mann sprang überrascht auf, als sie sich näherte. „Mrs. Stamatakis …“, stotterte er. Auch er machte große Augen.

Dominique verbiss sich ein triumphierendes Lächeln. „Hallo, Myron. Lange nicht gesehen. Wie geht es Ihnen?“

„Gut.“ Der Mann wechselte einen unbehaglichen Blick mit Paul.

„Ihrer Familie hoffentlich auch“, sprach Dominique unbekümmert weiter. „Nico ist bestimmt bald schon so groß wie Sie, was?“

Bevor einer der beiden Männer reagieren konnte, stieg sie leichtfüßig in das Boot. Myron murmelte etwas Unverständliches. Er wirkte eindeutig überfordert und machte Paul verzweifelte Zeichen – kein Wunder, wenn Olympia sich auf der Jacht befand.

Sein Verhalten bestätigte Dominiques Verdacht, dass Andreas und Olympia ein Verhältnis hatten. Vor einem Jahr hatte Andreas das vehement abgestritten – und dabei möglicherweise sogar die Wahrheit gesagt. Doch mittlerweile lagen die Dinge wohl anders.

„Hier.“ Myron sprang hinter ihr an Bord und reichte ihr hastig eine Schwimmweste.

„Danke.“

Noch immer schien der Mann zu hoffen, dass Paul irgendetwas tun würde, um die unvermeidliche Katastrophe zu verhindern. Doch der setzte sich nur seelenruhig auf die Bank und tat so, als bemerke er Myrons Unbehagen nicht. Dem Bootsmann blieb nichts anderes übrig, als den Motor zu starten und sie zur „Cygnus“ überzusetzen.

Kurz darauf betrat Dominique das Hauptdeck. Auch die anderen Crewmitglieder schienen mehr erschrocken als erfreut zu sein. Sie konnte sie sogar verstehen. Die Jacht war Andreas’ Rückzugsort von der Welt, und sie platzte einfach hier herein und brachte alles durcheinander.

Pech. Schließlich war sie noch immer Mrs. Stamatakis.

Der Steward fasste sich als Erster und hieß sie an Bord willkommen. Von Andreas oder Olympia war nichts zu sehen.

„Darf ich Ihnen Ihre Sachen abnehmen und sie in eine der Gästekabinen bringen?“

„Schon gut, Leon. Ich bringe sie selbst in unser Schlafzimmer.“

„Aber …“

Sie ließ den Steward stehen und ging zur Treppe, die unter Deck führte – zu dem Schlafzimmer, das sie mit Andreas geteilt hatte.

Was sie dort vorfinden würde, wusste sie nicht – aber es spielte auch keine Rolle. Sie war hier, um sich dafür zu entschuldigen, dass sie ihm nicht vertraut hatte. Dass sie davongelaufen war, statt ihm beizustehen, als Olympias Mann ihn wegen Ehebruchs vor Gericht zerrte.

Sie war einfach zu unsicher gewesen damals, zu unreif. Wie konnte sie Andreas vertrauen, wenn sie ständig an sich selbst zweifelte? Nun war sie bereit, seine Erklärung in Ruhe anzuhören. Vielleicht kam sie ein Jahr zu spät, aber vielleicht ließ sich ihre Ehe ja noch retten. Es war eine Chance, die sie sich auf keinen Fall entgehen lassen wollte.

Im Laufschritt eilte sie zu der geräumigen Kabine, in der Andreas und sie auf der Hochzeitsreise traumhafte Nächte verbracht hatten. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, als sie anklopfte. Niemand antwortete, und sie öffnete behutsam die Tür.

Und dann konnte sie einen überraschten Aufschrei doch nicht unterdrücken. Der früher elegant eingerichtete Raum war nun ein Kinderzimmer – komplett mit Wickeltisch und Babykommode.

Völlig verblüfft starrte sie auf die Krabbeldecken, die auf dem riesigen Bett lagen. Daneben stand eine Wiege, über der ein Mobile hing.

Noch immer fassungslos, stellte sie ihre Taschen auf die kleine Couch und schlich auf Zehenspitzen zu der Wiege hinüber. Darin lag ein dunkelhaariger kleiner Junge in einem blau gestreiften Strampelanzug. Er schlief tief und fest.

Andreas’ Sohn?

Sie war zu spät gekommen.

Es war wie ein Dolchstoß mitten ins Herz, und sie stöhnte auf. Der Laut weckte das Baby, das sie aus großen Augen anschaute und dann angesichts des unbekannten Gesichts laut zu schreien anfing.

„Schon gut, mein Schatz, schon gut“, versuchte sie den Jungen zu beruhigen, doch der schrie nur noch lauter und strampelte wild.

Aus reinem Mutterinstinkt beugte sie sich zu ihm hinunter und nahm ihn auf den Arm, doch er schrie weiter und machte sich ganz steif. Sie schnappte sich eine der Decken vom Bett, legte sie ihm um und wiegte ihn im Gehen hin und her, doch es nützte alles nichts, er war nicht zu beruhigen.

Plötzlich hörte sie eine weibliche Stimme. „Ich komme, Ari, ich komme ja schon.“

Die Tür wurde aufgerissen, und Olympia stürmte herein. Die dunkelhaarige, vollbusige Schönheit trug ein Fläschchen in der Hand und sah wie immer blendend aus.

Als sie allerdings erkannte, wer ihr Baby hielt, schrie sie leise auf und blieb wie angewurzelt stehen. Dominique konnte sehen, wie sie unter ihrer natürlichen Bräune blass wurde. Offenbar hatte sie mit allem gerechnet, aber nicht mit ihr.

Wenn Blicke töten könnten …, dachte Dominique, und beeilte sich, Olympia das Baby zu reichen, das sofort ruhiger wurde.

„Tut mir leid, dass ich ihn erschreckt habe“, sagte Dominique. „Ich wollte nur meine Sachen abstellen. Ich hatte ja keine Ahnung, dass ein Baby hier schläft. Ich habe versucht, ihn zu beruhigen, aber ich habe ihn wohl eher erschreckt.“

Olympia küsste den Jungen auf die Wange. „Du suchst bestimmt Andreas“, murmelte sie, während sie Dominique kühl ansah. „Er ist noch in Athen, aber wir erwarten ihn bald zurück, nicht wahr, Ari?“

Wir.

Olympias Ehemann, Theo, war damit ja wohl nicht gemeint. Hatte er sich von Olympia scheiden lassen? Und wenn ja, wann?

Offenbar waren Olympia, Andreas und Ari schon eine ganze Weile eine Familie. Aber wieso hatte Andreas ihr dann so lange die Scheidung verweigert?

Hatte sie sich etwa ganz umsonst monatelang Vorwürfe gemacht, weil sie Andreas nicht vertraut hatte? Hatte er sie am Ende tatsächlich belogen und sie ihn völlig zu Recht verlassen?

Verunsichert stand Dominique da, während Olympia gelassen und geradezu selbstgefällig wirkte, nachdem sie sich vom ersten Schreck erholt hatte. Sie versuchte auch nicht, ein Gespräch zu beginnen, sondern schaute Dominique nur stumm und von oben herab an.

Kaum zu glauben, dass sie mal Freundinnen gewesen waren. Zumindest hatte Dominique immer versucht, Freundschaft mit ihr zu schließen – schon, um Andreas einen Gefallen zu tun.

Paul hatte gewusst, was er tat, als er Dominique ohne Vorwarnung auf die „Cygnus“ kommen ließ. Sicherlich rechnete er damit, dass sie die Scheidungspapiere einfach unterzeichnen würde, wenn sie erst das Baby gesehen hatte. Wahrscheinlich hoffte er sogar, dass sie nach diesem Schock schnurstracks nach Sarajevo zurückkehren würde, ohne Andreas überhaupt zu belästigen. Sicherlich rieb er sich schon die Hände, weil sein Plan so wunderbar aufgegangen war.

Allerdings kannte er nur die alte Dominique, die sich mit Selbstzweifeln und Minderwertigkeitskomplexen herumschlug und sich ganz bestimmt so verhalten hätte.

Doch die frühere Dominique gab es nicht mehr. Sie würde Andreas zeigen, dass die neue Dominique eine selbstbewusste Frau war, die einem erfolgreichen Mann eine echte Partnerin sein konnte.

Also würde sie Andreas’ Rückkehr abwarten und in Ruhe mit ihm reden. Sie würde sich alles anhören, was er zu sagen hatte, und danach entscheiden, ob sie die Scheidungspapiere unterzeichnen oder um ihn kämpfen würde.

Sie straffte die Schultern und sagte: „Entschuldige die Störung.“

Olympia hatte sich mittlerweile aufs Bett gesetzt, wo sie dem Baby die Flasche gab. „Macht nichts. Er wäre sowieso bald aufgewacht. Andreas spielt sonst um diese Zeit immer mit ihm.“

All das sagte sie, ohne aufzublicken. Ihre Aufmerksamkeit galt ganz dem Baby. Es war ein deutliches Zeichen, und Dominique verstand die Botschaft. Olympia hatte nicht vor, sie über die Situation aufzuklären, sie wollte nur betonen, dass sie und Andreas sich sehr nahestanden. Wortlos griff Dominique nach ihren Einkaufstüten und verließ die Kabine.

Am Ende des Ganges gab es zwei Gästekabinen. Dominique entschied sich für die rechte und stellte ihre Taschen ab. Sie widerstand dem Impuls, sich auf dem Bett zusammenzurollen und sich die Augen auszuheulen, und ging stattdessen an Deck, um sich bis zu Andreas’ Rückkehr in die Sonne zu legen. Sicherlich würde er noch vor Sonnenuntergang mit dem Hubschrauber auf Kefalonia landen und sich mit dem Boot zur Jacht übersetzen lassen. Sie wählte ihren Liegeplatz so, dass er sie sofort sah, wenn er an Bord kam.

Mittlerweile hatte Paul Andreas bestimmt angerufen. Und wenn nicht, gab es genügend Klatschmäuler, die ihre überraschende Ankunft bemerkt und dafür gesorgt hatten, dass Andreas davon erfuhr.

Doch auch, wenn die Überraschung nicht mehr ganz so groß war – sie wollte unbedingt Andreas’ Gesicht sehen, wenn er ankam. Sie streifte das Strandtuch ab und cremte sich sorgfältig mit Sonnenschutzmittel ein, bevor sie sich auf den Rücken legte und das Gesicht in die Sonne hielt. Sie liebte die griechische Ägäis – strahlend blauer Himmel, türkisblaues Meer und angenehme Temperaturen.

Ein paar Minuten später brachte ihr Leon unaufgefordert ein Sandwich und etwas zu trinken. Sie dankte ihm für seine Aufmerksamkeit und machte sich hungrig und durstig darüber her.

Die Sekunden schienen in Zeitlupe zu vergehen, während sie wartete. Kein Andreas. Auch als die Sonne unterging, verließ sie ihren Platz nicht. Um keinen Preis wollte sie seine Ankunft verpassen.

Leon brachte ihr Limonade und ein paar Zeitschriften. Er kannte ihren Geschmack, und sie dankte ihm erneut, legte sich dann auf den Bauch, um zu lesen, solange es noch hell genug war.

Schließlich wurde es zu dunkel und zu kühl, um weiter im Bikini zu warten. Enttäuscht stand sie auf und ging in ihre Kabine, wo sie eigentlich duschen wollte. Doch auf dem Weg nach unten wurde ihr schwindelig, und sie legte sich aufs Bett, um für ein paar Minuten auszuruhen und wieder zu Kräften zu kommen.

Sie wachte erst wieder auf, als sie die Tür hörte und jemand das Licht einschaltete. Langsam drehte sie sich auf den Rücken und versuchte, sich zu orientieren.

Ihr Blick fiel auf Andreas, der in einem hellblauen Leinenanzug neben dem Bett stand und sie aus seinen dunklen Augen unter zusammengezogenen schwarzen Brauen anstarrte.

Es war ein Schock, ihn nach all dieser Zeit wiederzusehen.

Sein gebräuntes Gesicht war schmaler geworden. Unter seinen Augen lagen Schatten, und das Grübchen in seinem Kinn wirkte ausgeprägter. Nur seine weichen Lippen waren noch so voll wie damals. Es kam ihr vor, als sei er insgesamt schlanker geworden, doch es stand ihm gut.

Andreas.

Nun hatte sie seine Ankunft tatsächlich verschlafen, dabei hatte sie diesem kostbaren Moment so entgegengefiebert. Statt sie strahlend schön an Deck zu sehen, fand er sie schlafend vor, ungeduscht, noch immer im Bikini. Ihr Haar war zerzaust, und auf ihren Wangen und Beinen hatten sich wahrscheinlich die Falten der Tagesdecke eingedrückt. Sie roch nach Sonnencreme und war bestimmt trotzdem krebsrot, weil sie keine Sonne mehr gewöhnt war. Wie peinlich.

„Die Überraschung ist dir ja gelungen“, bemerkte Andreas mit seiner tiefen Stimme.

Eilig stand Dominique auf. „Hat dir niemand gesagt, dass ich hier bin?“

Er betrachtete sie von oben bis unten, doch keine Regung in seinem Gesicht verriet ihr, was er dachte.

„Ich habe es gerade von Olympia erfahren.“

Olympia. Natürlich war er zuerst zu ihr gegangen. Wo immer Andreas auch war, Olympia hielt sich stets in seiner Nähe auf. Das war immer schon so gewesen.

„Wo ist Paul?“

„In seiner Kabine, nehme ich an. Wahrscheinlich schläft er schon. Es ist fast zwölf.“

„Ich hatte keine Ahnung, dass es schon so spät ist.“

„Ja, das sieht man.“ Er betrachtete ihr Haar und ihr Gesicht, stemmte dann die Hände in die Hüften. „Was machst du hier? Du bist jetzt wieder frei, und das wolltest du doch. Du hast keinen Grund, nach Griechenland zu kommen.“

„Ich habe die Papiere nicht unterschrieben“, erwiderte sie fest.

Er hob eine Augenbraue. „Willst du mehr Geld? Paul hatte die Vollmacht, dir jede Summe zu geben, die du forderst.“

„Ich will kein Geld“, sagte sie.

„Was dann? Das Penthouse in Athen? Die Villa in Zakynthos? Oder vielleicht die ‚Cygnus‘? Sag, was du willst, ich überschreibe es dir.“

Seine Worte trafen sie tief. „So denkst du nicht wirklich von mir“, flüsterte sie heiser. „Du kennst mich doch besser.“

„Das habe ich auch geglaubt“, erwiderte er kühl.

„Hör zu“, begann sie, „ich kann mir vorstellen, wie wütend du warst, als ich dich verließ …“

„Nein, das kannst du nicht“, fiel er ihr ins Wort. „Lange Zeit war ich so wütend, dass es mir selbst Angst gemacht hat. Ich war eine Gefahr für die Menschen um mich herum. Aber das ist zum Glück vorbei. Wenn du gekommen bist, um mir zu zeigen, dass du jetzt eine Frau bist, die jedem Mann den Kopf verdreht – das hättest du dir sparen können. Ehrlich gesagt war mir die verletzliche, scheue Schönheit lieber, in deren blauen Augen sich ihre Seele spiegelte. Diese Frau gibt es offenbar nicht mehr, aber ich ziehe den Hut vor der neuen Miss Ainsley.“

Er presste die Lippen zusammen, bevor er weiterredete. „Sag Paul, was du haben willst. Ich schicke ihn morgen früh mit den Scheidungspapieren zu dir, damit du sie unterschreiben kannst. Ich hoffe, ich habe mich klar ausgedrückt: Ich möchte dich nicht wiedersehen, Dominique. Yassas. Leb wohl.“

2. KAPITEL

In Andreas tobten widerstreitende Gefühle, und er war kurz davor, die Kontrolle zu verlieren. Auf keinen Fall durfte ihn ein Crewmitglied in diesem Zustand sehen. Es reichte schon, dass Dominique durch ihr überraschendes Auftauchen die Gerüchteküche angeheizt hatte, da musste er sich nicht auch noch vor aller Augen gehen lassen.

Allerdings fiel es ihm schwer, ruhig zu bleiben. Das letzte Jahr war die Hölle für ihn gewesen. Jeden Tag hatte er Dominique verflucht, und jetzt war er trotzdem überglücklich, dass es ihr offenbar gut ging und sie ihre Krankheit besiegt hatte.

Während der Trennung hatte er sich oft das Schlimmste ausgemalt: dass der Krebs zurückgekehrt war und sie sich deshalb nicht bei ihm meldete. Als er von Olympia hörte, dass Dominique an Bord war, konnte er es zuerst gar nicht glauben.

Und dann der Schock, als er die Tür zur Gästekabine öffnete: Im Lampenlicht schimmerte ihr langes, hellblondes Haar auf dem Kissen wie Seide. Fassungslos betrachtete er sie. Der Bikini betonte ihre perfekte Figur. Noch vor zwölf Monaten hätte sie so etwas niemals angezogen. Dafür trug sie ihren Ehering nicht – aber das wäre wohl zu viel verlangt gewesen.

Als sie aufgewacht war und ihn bittend ansah, hätte er beinahe den Kopf verloren. Verdammt, wie konnte Paul ihm so was antun?

Wütend ging er den Gang hinunter zur Kabine seines Freundes und klopfte ungeduldig an.

„Komm rein. Ich hab dich schon erwartet.“ Paul saß am Schreibtisch und arbeitete am Laptop. Als Andreas die Tür hinter sich schloss, setzte er die Brille ab und drehte sich zu ihm um.

Normalerweise verstanden sie sich blind. Jetzt allerdings kamen Andreas leise Zweifel an der Loyalität seines besten Freundes.

„Wieso hast du sie an Bord kommen lassen?“, herrschte er Paul an. „Und mir nichts davon gesagt?“

„Sie ist noch immer deine Frau, und sie hat mich darum gebeten.“

„Und wie kommst du dazu, ihre Wünsche über meine zu stellen?“

„Nachdem du ihr so lange die Scheidung verweigert hast, fand ich ihr Anliegen nicht so außergewöhnlich.“

„Und dass sie hier alles durcheinanderbringt, stört dich wohl gar nicht? Sie hatte Ari auf dem Arm, als Olympia sie fand.“

Paul schloss den Laptop. „Du willst doch sowieso die Scheidung, wo liegt also das Problem?“

Andreas beherrschte sich nur mühsam. „Gleich morgen früh sorgst du dafür, dass sie die Papiere unterschreibt und die Jacht verlässt. Wenn sie weg ist, bringst du mir die Unterlagen. Ich will Dominique nicht sehen. Das ist wohl nicht zu viel verlangt?“

Paul betrachtete ihn abschätzend. „Nein“, sagte er schließlich, doch es klang nicht überzeugt.

Dominique hatte das Gefühl, dass die Luft vor Spannung knisterte, obwohl Andreas die Kabine längst wieder verlassen hatte. Sie stand auf und ging ins Bad, wo sie die Dusche bis zum Anschlag aufdrehte. Durch das Wasserrauschen würde hoffentlich niemand ihr Schluchzen hören.

Sie wusch sich die Haare, trocknete sich ab und schlüpfte in den Bademantel, den sie gekauft hatte. Nun war sie wieder hellwach und würde bestimmt nicht einschlafen können. Traurig trat sie ans Bullauge und starrte auf die im Mondlicht schimmernde Wasserfläche hinaus.

Andreas fand sie nicht schön, ihre Veränderung hatte ihn nicht beeindruckt. Im Gegenteil, er vermisste die alte Dominique, das unsichere Mauerblümchen, das er nach dem Unfall vor seiner Villa in Zakynthos unter seine Fittiche genommen hatte.

Angefangen hatte alles vor über zwei Jahren. Dominique hatte damals gerade ihr Studium begonnen und war zu einer Routineuntersuchung gegangen, bei der man Brustkrebs feststellte. Man operierte sie sofort, danach folgte die langwierige und anstrengende Chemotherapie.

Als sie endlich wieder reisen konnte, flog sie mit ihrer Mutter nach Sarajevo, wo ihr Vater bei der amerikanischen Botschaft arbeitete. Langsam kam sie wieder zu Kräften und begann ein umfangreiches Fitnessprogramm. Schließlich war sie so weit wieder hergestellt, dass sie sogar an Marathonläufen teilnahm.

Und so startete sie auch beim jährlichen Lauf auf der Insel Zakynthos in Griechenland, obwohl ihre Eltern dagegen waren. Bei eins siebzig Körpergröße wog sie nur noch 45 Kilo, und der Arzt hatte ihr dringend geraten, an Gewicht zuzulegen.

Schließlich konnte sie ihre Eltern mit dem Versprechen umstimmen, dass sie nach dem Lauf in Zakynthos weniger trainieren und dafür mehr essen würde.

Mit einigen Lauffreunden flog sie auf die griechische Insel, und zunächst lag sie gut im Rennen. Doch dann führte die Strecke an der hohen Mauer eines privaten Grundstücks entlang, und als sie um eine Ecke bog, streifte sie ein entgegenkommender Lkw. Bewusstlos brach sie zusammen.

Andreas hatte den Unfall gesehen, trug sie in sein Haus und rief einen Arzt. Um ihr Erste Hilfe zu geben und die Blutung der Schürfwunde am Oberkörper zu stoppen, zog er ihr das blutverschmierte T-Shirt aus – und den Sport-BH mit ihrer Brustprothese.

Als sie wieder zu sich kam, sah sie den attraktivsten Mann vor sich, der ihr je begegnet war. Fast akzentfrei stellte er sich vor und erklärte ihr, dass sie sich keine Sorgen machen solle, alles käme in Ordnung. Dabei lächelte er sie so liebevoll an, dass sie glaubte, nur zu träumen. Erst nachdem der Arzt sie untersucht hatte, wurde ihr klar, dass Andreas sie ins Bett gebracht und ausgezogen hatte.

Schon damals begriff sie nicht, wie ein Mann sie so zärtlich anschauen konnte, nachdem er ihre Narbe gesehen hatte. Außerdem hatte sie ihr Kopftuch verloren, und seit der letzten Chemotherapie war ihr Haar nur ein paar stoppelige Zentimeter gewachsen.

Dominique war fest davon überzeugt, dass kein Mann sie attraktiv fand – und erst recht nicht einer wie Andreas. Er war fast eins neunzig groß und gut durchtrainiert, braun gebrannt, ein Bild von einem Mann. Sie selbst dagegen sah aus wie eine halbe Portion ohne richtige Haare, die sich am liebsten in ein Mauseloch verkrochen hätte, weil es ihr so peinlich war, dass Andreas ihr ständig jeden Wunsch von den Augen ablas.

Er lud zum Beispiel kurzerhand ihre Eltern für ein paar Tage in seine Villa ein, bis Dominique sich von der Gehirnerschütterung erholt hatte und nach Sarajevo zurückkehren konnte – selbstverständlich in seinem Privatjet, nachdem er darauf bestanden hatte, sie alle per Hubschrauber nach Athen zum Flughafen zu bringen.

Kaum war sie wieder in Sarajevo angekommen, tauchte auch Andreas dort auf. Ihre Mutter lud ihn ein, bei ihnen zu wohnen, und er blieb eine Woche. Ihre Eltern waren von ihm begeistert und nahmen ihn auf wie einen Sohn.

Dominique dagegen verehrte ihn sehnsüchtig aus der Ferne. Andreas war für sie wie ein unerreichbarer Traum: zehn Jahre älter als sie, lebenserfahren, kultiviert, in Griechenland ein bekannter und geschätzter Geschäftsmann.

Und dennoch interessierte er sich für sie, verwöhnte sie, brachte sie zum Lachen und gestand ihr schließlich seine Liebe. Als sie ihn warnte, dass sie zwar im Moment als geheilt galt, der Krebs aber jederzeit zurückkommen konnte, zuckte er nur die Schultern und meinte, das wäre umso mehr ein Grund, keine Zeit zu verlieren. Schon ein paar Monate später heirateten sie. „Wir werden die Zeit nutzen, die Gott uns zugesteht, und jede Sekunde genießen“, flüsterte er ihr vor dem Altar ins Ohr.

Seine Eltern schienen von seiner Wahl allerdings weniger begeistert zu sein. Das erste Kennenlernen verlief nicht gerade herzlich. Als Dominique ihn fragte, warum sie ihr gegenüber so reserviert wirkten, erklärte er ihr, dass sie noch immer um seine Schwester Maris trauerten, die zwei Jahre vorher bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen war.

„Mach dir keine Sorgen“, sagte er. „Der Verlust von Maris hat sie beinahe umgebracht. Wenn sie die schlimmste Trauer erst überwunden haben, werden sie dich mit offenen Armen in die Familie aufnehmen. Im Moment wagen sie es nur nicht, überhaupt Gefühle zu zeigen, weil die meisten davon so schmerzlich sind.“

Obwohl sich seine Erklärung plausibel anhörte, war Dominique im tiefsten Innern davon überzeugt, dass es doch an ihr lag. Andreas’ Eltern mochten sie einfach nicht. Wieso sonst hätten sie sogar bei der Hochzeit so teilnahmslos gewirkt?

Gleich nach der Feier überraschte Andreas sie mit einer ausgedehnten Hochzeitsreise – zwei Monate an Bord der „Cygnus“ auf einer traumhaften Reise durch das Ionische Meer und die Ägäis. Auf sonnentrunkene Tage an einsamen Stränden und Entdeckungsreisen auf verwunschenen Inseln folgten leidenschaftliche Nächte, wie Dominique sie sich nie hätte träumen lassen.

Andreas war ein zärtlicher und umsichtiger Liebhaber, und außerdem hatte er viel Humor. Nach jeder Liebesnacht brachte er ihr ein übervolles Tablett ans Bett, auf dem sich Sahne, Schokoladencreme, Eis, frisches Obst, Käse und andere Köstlichkeiten türmten. Lachend gestand er ihr, dass er so schnell wie möglich ein Kind mit ihr wolle – und dazu musste sie zuerst einmal zunehmen.

An den Wochenenden kamen Olympia und Theo Panos an Bord. Die beiden waren auch frisch verheiratet, und Olympia kannte Andreas schon lange, weil sie die beste Freundin seiner Schwester Maris gewesen war.

Mit Theo verstand sich Dominique auf Anhieb. Er war in Andreas’ Alter und führte eine gut gehende Textilfirma, konnte unterhaltsam erzählen und begegnete Dominique freundlich und offen.

Mit Olympia dagegen lief es nicht so gut. Vor den Männern gab sie sich immer Mühe, nett zu sein, doch es steckte keine echte Wärme dahinter. Unter dem Siegel der Verschwiegenheit hatte sie Dominique schon vor der Hochzeit anvertraut, dass Theo es sehr mutig von Andreas fand, sie zu heiraten. „Theo meint, dass nicht jeder Mann mit deinem Problem fertig werden würde“, sagte sie spitz. „Aber Andreas ist ja auch nicht jeder.“

In dem Moment war Dominique zu glücklich gewesen, um sich viel aus Olympias Bemerkung zu machen. Schließlich hätte sie ohne ihre Krankheit Andreas nie kennengelernt. Dass sie auf diesem Umweg ihre große Liebe gefunden hatte, bewies doch nur, dass tatsächlich in jedem noch so schlimmen Unheil auch etwas Gutes steckte.

Im Juni waren sie in die Villa auf Zakynthos zurückgekehrt, doch noch immer hatte Andreas seine normalen Tagesgeschäfte zurückgestellt, um so viel Zeit wie möglich mit ihr zu verbringen. Dominique war so glücklich wie nie zuvor.

Dann kam der August, und der Alltag holte sie ein. Andreas musste wieder arbeiten. Seine Firma befand sich in Athen, wo er auch eine Penthouse-Wohnung besaß, doch hier fühlte Dominique sich überflüssig und fehl am Platz. Stück für Stück war ihre Glückseligkeit verflogen, bis die Lage sich zuspitzte und es zur Krise kam.

Eines Abends rief Andreas sie aus der Firma an und sagte ihr, er würde in dieser Nacht nicht nach Hause kommen. Einen Grund wollte er ihr nicht nennen. In den folgenden zwei Wochen war es immer öfter spät geworden, und obwohl sie immer auf ihn wartete, gelang es ihr nicht immer, wach zu bleiben. Wenn sie dann noch miteinander schliefen, war er unaufmerksam und nicht bei der Sache. Dennoch wollte er ihr nicht sagen, was los war und warum er sich so verändert hatte. Er bat sie nur, ihm zu vertrauen.

Es dauerte eine Weile, bis Dominique den Mut fand, ihn zur Rede zu stellen und eine Erklärung zu verlangen. Nachdenklich blickte er sie an, bevor er schließlich sagte: „Ich wollte dich da raushalten, aber du hast wohl ein Recht darauf, es zu erfahren. Theo hat mich verklagt.“

Dominique blieb fast das Herz stehen. „Was? Aber warum? Ihr seid doch Freunde!“

„Nein, richtig gute Freunde waren wir nie“, widersprach Andreas. „Er war immer auf mich eifersüchtig, weil Olympia und ich uns so gut verstehen. Und jetzt verklagt er uns wegen Ehebruchs.“

„Ehebruch?“ Dominique verstand gar nichts mehr. „Nur weil er eifersüchtig auf dich ist? Das ist doch lächerlich. Wie kommt er nur darauf?“

Wieder schaute Andreas sie lange an, bevor er antwortete. „Weil er uns in meiner Wohnung zusammen überrascht hat.“

Sie spürte, wie sie nun blass wurde, doch seltsamerweise fiel ihr nur die unwichtigste Frage von allen ein. „Welche Wohnung?“, flüsterte sie.

„Ich habe ein Apartment im Plaka-Gebäude, das ich Geschäftsfreunden anbiete, wenn sie länger in der Stadt sind.“

„Und wieso hast du mir nie was davon gesagt?“

„Ich hab es dir nicht absichtlich verschwiegen, es kam nur nie die Sprache darauf. Mir gehören überall in Griechenland Apartments, damit ich nicht im Hotel wohnen muss, wenn ich auf Reisen bin. Das ist keine große Sache für mich.“

Dominique wusste nicht, was sie sagen sollte, und schließlich fuhr Andreas fort: „Die Situation mit Olympia war völlig anders, als Theo behauptet. Er hat das alles missverstanden, das schwöre ich dir. Ich kann dir alles erklären, nur im Moment darf ich noch nicht darüber reden. Du weißt, dass ich dich liebe, nicht wahr?“ Er zog sie in seine Arme und drückte sie fest an sich. „Ich liebe dich für immer, und daran wird sich nie etwas ändern.“

Ja, das wusste sie, und das spürte sie auch. Doch ganz so naiv war sie auch nicht mehr. Es gab eine Menge Männer, die ihre Frauen ehrlich liebten und sich trotzdem hin und wieder die Zeit mit einer Geliebten vertrieben.

Olympia war sieben Jahre älter als sie und bildschön. Sie hatte eine wunderbare, weibliche Figur und pralle, feste Brüste. Außerdem war sie selbstbewusst und weltgewandt – also das genaue Gegenteil von Dominique.

Dominique hatte schon länger den Verdacht, dass Olympia heimlich für Andreas schwärmte. Natürlich sagte sie sich immer wieder, dass Andreas Zeit genug gehabt hatte, Olympia zu heiraten, wenn er das gewollt hätte. Schließlich waren sie seit Jahren befreundet. Woher kam also sein plötzlicher Sinneswandel? Hatte er zu spät erkannt, dass er doch nicht mit einer Frau glücklich werden konnte, die nur eine halbe Frau war? Hatte sich seine Liebe in Mitleid verwandelt, und er wusste nur nicht, wie er es ihr sagen sollte?

Vielleicht hatte ihm erst das Zusammenleben mit ihr klargemacht, dass er eigentlich doch Olympia wollte. Kein Wunder. Dominique sah aus der Ferne wie ein Junge aus – noch immer spindeldürr, noch immer mit kurzen Haaren. Olympia dagegen war ein Vollblutweib.

Seufzend wandte sich Dominique vom Bullauge ab, als sie merkte, dass sich ihre Gedanken im Kreis drehten. Ein Jahr lang hatte sie an sich gearbeitet, hatte das Gefühl zurückgewonnen, eine richtige Frau zu sein, und neues Selbstbewusstsein entwickelt. Und nun sagte Andreas, die alte Dominique hätte ihm besser gefallen?

Nun ja, sie hatte sich verändert, aber sie war noch immer seine Frau. Sie konnte nur raten, warum Andreas ihr so lange die Scheidung verweigert hatte. Aus Mitleid? Oder weil er darauf wartete, dass auch Olympia wieder frei war? Wenn Ari Andreas’ Sohn war, hatte es sicherlich gedauert, bis sich Olympias Mann von diesem Schock erholt hatte und seinerseits der Scheidung zustimmte.

Dominique war ja auch geschockt gewesen, als sie das Kind sah. Aber sie würde jetzt nicht kneifen und weglaufen. Sie war gekommen, um sich mit Andreas zu versöhnen – wenn das noch möglich war. Wenn nicht, wollte sie ihm wenigstens eine Chance geben, ihr zu erklären, was hier eigentlich lief.

Mit dem festen Vorsatz, sich diesmal nicht so einfach in die Flucht schlagen zu lassen, schlüpfte Dominique schließlich wieder unter die Bettdecke und schlief tatsächlich ein.

Als das Telefon neben ihrem Bett sie aus dem Schlaf riss, stellte sie überrascht fest, dass es schon helllichter Tag war.

„Hallo?“, sagte sie ein wenig verschlafen in den Hörer.

„Hier ist Paul. Darf ich Sie in Ihrer Kabine aufsuchen?“

Lieber Himmel, der Mann hätte auch für die Königin von England arbeiten können.

„Natürlich.“

„Gut. Ich bin in fünf Minuten da.“

Hastig stand sie auf und zog sich an. Von ihren neuen Sachen wählte sie kakifarbene Shorts und ein fliederfarbenes Trägertop. Sie schaffte es gerade noch, sich die Zähne zu putzen, das Haar zu bürsten und einen Hauch Lippenstift aufzulegen, als es auch schon klopfte.

„Kommen Sie rein“, sagte sie und seufzte, als sie die Aktenmappe sah, die er schon am Vortag mitgebracht hatte. „Setzen Sie sich doch.“

Ohne seine Antwort abzuwarten, wandte sie sich ab und begann, ihre wenigen Habseligkeiten wieder in die Einkaufstüten zu packen. Sie spürte, wie er sie beobachtete, aber da er nichts sagte, sprach sie schließlich zuerst.

„Ich will Ihnen keine Schwierigkeiten machen“, sagte sie. „Andreas brauchte Zeit, bevor er in die Scheidung einwilligte. Nun ist mir klar geworden, dass ich auch noch einmal darüber nachdenken muss, also werde ich heute nichts unterschreiben.“

„Das dachte ich mir schon.“

Dominique nickte. „Andreas hat gesagt, dass ich alles haben könne, was ich wolle, auch seine Immobilien. Also werde ich mich vorerst in der Villa auf Zakynthos einrichten.“

Andreas würde darüber ziemlich wütend sein – hoffentlich genug, um ihr dorthin zu folgen, damit sie endlich in Ruhe reden konnten.

„Könnten Sie den Hubschrauber anfordern?“, bat sie Paul. „Ich bin dann so weit.“

„Er wartet schon.“

Natürlich. Andreas war es gewohnt, seinen Willen durchzusetzen.

„Möchten Sie vorher noch frühstücken?“, fragte Paul und stand auf.

„Nein, das hat später noch Zeit.“

Sie griff nach ihren Taschen und ging zur Tür, dicht gefolgt von Paul.

Auf Deck war noch niemand zu sehen, immerhin war es erst halb acht. Auf der Backbordseite wartete bereits das Beiboot, und Myron begrüßte sie höflich und half ihr hinein, während Paul sich um ihre Taschen kümmerte, die er ihr im Hafen auch bis zum Hubschrauber trug.

Dominique drehte sich nicht einmal zu der Jacht um. Sie hatte auf die harte Tour gelernt, immer nach vorne zu schauen und sich nicht von negativen Gedanken und Gefühlen beeinflussen zu lassen. Es gab Schlimmeres als das hier, und auch davon hatte sie sich nicht kleinkriegen lassen. Jetzt, wo sie wieder ganz gesund und stark war, würde sie sich auch in Beziehungsdingen nicht mehr so schnell geschlagen geben.

Als sie sich von Paul verabschieden wollte, stieg der zu ihrer Überraschung selbst in den Hubschrauber.

„Ich komme schon klar“, wehrte sie ab. „Bestimmt wartet Andreas auf Sie.“

Doch Paul schnallte sich bereits an. „Ich begleite Sie lieber, falls es Probleme gibt.“

Dominique verstand zwar nicht ganz, warum er sich solche Mühe gab, ihr zu helfen, aber sie war dankbar dafür. Ein bisschen Schützenhilfe konnte nie schaden, auch wenn sie von ganz unerwarteter Seite kam.

„Vielen Dank“, sagte sie ehrlich.

Kaum war auch sie angeschnallt, hoben sie ab, und bald war die Jacht nur noch ein kleiner weißer Fleck im tiefblauen Meer. Es tat weh, sich schon wieder von Andreas zu trennen, doch diesmal war es hoffentlich nicht für immer. Noch gab es Hoffnung.

Zakynthos war eine der größeren Inseln im Ionischen Meer. Andreas hatte ihr erzählt, dass die Venezianer, die über dreihundert Jahre dort geherrscht hatten, sie „Perle des Orients“ nannten. Aus der Luft sah man gleich, warum. Im Osten war die Insel grün und fruchtbar, es gab viele Oliven- und Orangenhaine und Buchten mit weißen Stränden. Auf der Westseite fielen die kargeren Berge in fast senkrechten weißen Klippen ins Meer ab.

Andreas’ moderne weiße Villa lag versteckt im dünner besiedelten Norden, hoch über einer kleinen Bucht mit kristallklarem Wasser und einem alten Schiffswrack.

Wie immer bewunderte Dominique die Kunstfertigkeit des Piloten, der den Hubschrauber punktgenau auf dem Landeareal bei der Villa abstellte. Paul stieg hinter ihr aus und reichte ihr die Tüten.

„Danke, dass Sie mir helfen, obwohl Andreas das bestimmt nicht gerne sieht“, sagte sie zu ihm. „Es tut gut, einen Freund zu haben.“

Sie hatte das Gefühl, dass Paul etwas sagen wollte, es sich dann aber anders überlegte. Wenn der Pilot nicht gewesen wäre, hätte sie ihn direkt danach gefragt, doch der Zeitpunkt war ungünstig. Aus der Villa näherte sich bereits Eleni, die Haushälterin, die sich trotz ihres fortgeschrittenen Alters leichtfüßig wie ein junges Mädchen bewegte.

Dominique ging auf sie zu. Als Eleni sie erkannte, schrie sie überrascht auf.

„Guten Morgen, Eleni. Wie geht es Ihnen?“, fragte Dominique möglichst gelassen, obwohl sie tief bewegt war, die alte Dame wiederzusehen.

Kyrie Stamatakis hat mir nicht gesagt, dass Sie kommen!“

„Das wusste er auch nicht, aber es ist in Ordnung. Paul hat mich hergebracht.“

Eleni starrte Dominique unverhohlen an. „Sie sehen anders aus.“

„Nicht viel Ähnlichkeit mit der verletzten halben Portion, die Sie gesund gepflegt haben, was? Ich habe nie vergessen, wie freundlich Sie zu mir waren.“

Die alte Dame nickte bedächtig. „Aber Sie waren vorher schon krank.“

„Jetzt bin ich ganz gesund“, erklärte Dominique.

„Sie haben den Krebs besiegt?“

„Ja. Hoffentlich für immer.“

Elenis Augen schimmerten feucht, als sie fragte: „Wie lange werden Sie hierbleiben?“

„Das weiß ich noch nicht.“

Paul sagte etwas auf Griechisch zu Eleni, was Dominique nicht verstand. Sie konnte nur ein paar Worte, aber nicht genug, um einem Gespräch zu folgen.

Jedenfalls stellte Eleni keine Fragen mehr, sondern griff einfach nach den Tüten und sagte: „Kommen Sie herein. Herzlich willkommen.“ Es klang ehrlich, und Dominique fühlte sich gleich etwas besser.

„Ich schlage vor, Sie schlafen im blauen Zimmer, wohin Kyrie Stamatakis Sie nach dem Unfall gebracht hat“, sagte Eleni im Haus.

Dominique widersprach nicht. Auf weitere Überraschungen im Schlafzimmer, die auf Olympias und Aris regelmäßige Anwesenheit hinwiesen, hatte sie wirklich keine Lust. Dankbar für Elenis Taktgefühl, folgte sie der Haushälterin durch die Villa, in der sie so glücklich gewesen war.

„Kann ich noch irgendetwas für Sie tun, bevor ich nach Athen fliege?“, fragte Paul, als Dominique ihre Sachen abgestellt hatte.

„Sie fliegen gar nicht zur Jacht zurück?“, fragte Dominique überrascht. Sie hatte erwartet, dass Andreas dringend Pauls Bericht erwartete.

„Nein, ich habe noch in Athen zu tun.“

„Ich auch. Würden Sie mich mitnehmen?“

„Sie wollen heute noch nach Athen?“

Offenbar gelang es ihr immer wieder, den sonst so stoischen Paul zu überraschen. „Ja“, antwortete sie schlicht. „Wenn Sie mir noch kurz Zeit zum Umziehen geben, kann es gleich losgehen.“

„Natürlich.“

Sie wollte endlich Antworten auf ihre vielen Fragen. Wenn Andreas nicht mitspielte, würde sie sich eben an Theo wenden, und der arbeitete in Athen.

Nachdem Paul gegangen war, schlüpfte sie in das weiße Sommerkleid, das sie am Vortag gekauft hatte. Mit einem Blick in den großen Spiegel stellte sie zufrieden fest, dass sie beim Sonnenbaden schon etwas braun geworden war.

Sie nahm ihre Handtasche, ging in die Halle, wo Paul auf sie wartete, und teilte Eleni mit, dass sie entweder am Abend oder am nächsten Tag zurück sein würde.

„Los geht’s“, sagte sie strahlend lächelnd zu Paul.

Stirnrunzelnd schaute Andreas auf seine Armbanduhr. Mittlerweile war es Mittag, und Paul hatte sich immer noch nicht bei ihm gemeldet. Machte ihm Dominique solche Schwierigkeiten? Normalerweise wurde Paul mit jedem Problem fertig. Wenn sich die Sache so hinzog, brauchte er wahrscheinlich Hilfe, und das war noch nie vorgekommen.

Er klopfte an Pauls Kabinentür, doch nichts rührte sich. Also war er wahrscheinlich noch in der Gästekabine bei Dominique. Obwohl Andreas sie nicht wiedersehen wollte, beschloss er, jetzt doch einzugreifen. Ohne anzuklopfen, platzte er in Dominiques Kabine.

Sie war leer.

Das Bett war ungemacht, und unwillkürlich sah er vor sich, wie er Dominique letzte Nacht darin vorgefunden hatte – noch warm von der Sonne, weich und weiblich.

Und wo steckte sie jetzt?

Er sah die Aktenmappe auf dem Tisch und schlug sie ungeduldig auf. Als er entdeckte, dass sie die Papiere immer noch nicht unterzeichnet hatte, fluchte er leise in sich hinein. Wo zum Teufel trieb sich Paul herum?

Zurück in seinem Arbeitszimmer, griff er zum Handy und rief den Hubschrauberpiloten an.

„Zuerst habe ich sie nach Zakynthos geflogen“, berichtete der.

Zuerst? So langsam reichte ihm dieses ganze Theater. „Wo ist Paul?“

„Mr. Christopoulos ist dann nach Athen weitergeflogen. Mrs. Stamatakis hat sich spontan entschieden mitzufliegen.“

„Und Sie haben Dominique zum Flughafen gebracht?“

„Nein, zu Ihrem Büro. Sie sagte, dass sie in die Stadt muss.“

Was um alles in der Welt konnte sie in Athen zu tun haben? Ärgerlich schüttelte Andreas den Kopf. „Aha. Holen Sie mich bitte sofort in Fiskardo ab. Ich warte.“

„In Ordnung, Sir.“

Andreas steckte das Handy ein, griff nach der Akte und ging an Deck, um mit Olympia zu reden. Sie saß auf einer Sonnenliege und sah zu, wie Ari auf seiner Babydecke fröhlich glucksend mit einer Rassel spielte.

Normalerweise hätte Andreas sich zu ihm gesetzt und sich ein paar Minuten mit ihm beschäftigt, aber er war durch die ganze Angelegenheit mit Dominique zu angespannt.

Olympia blickte erwartungsvoll zu ihm auf. „Hat sie unterschrieben?“, fragte sie.

„Nein“, erwiderte er grimmig. Am schlimmsten war, dass er sich einfach keinen Reim auf Dominiques Verhalten machen konnte.

„Ich glaube, ich weiß warum“, bemerkte Olympia.

„Dann weißt du mehr als ich“, knurrte er.

„Als sie dich um die Scheidung bat, hat sie gesagt, dass sie kein Geld von dir will“, erinnerte ihn Olympia. „Ich glaube, dass sie jetzt wegen der neuen Situation ihre Meinung geändert hat.“

„Welche neue Situation?“

„Na ja, es ist ja offensichtlich, dass sie eine Schönheits-OP hatte und sich die Brust wiederherstellen ließ. Das ist ziemlich teuer, soviel ich weiß. Außerdem hat ihr der Arzt bestimmt gesagt, dass es ziemlich wahrscheinlich ist, dass der Krebs zurückkommt, wenn man noch so jung ist. Vielleicht hat er ihr sogar geraten, sich zur Vorsicht die andere Brust auch noch abnehmen zu lassen. Und dafür braucht sie jetzt eben Geld.“

Andreas zuckte zusammen, als Olympia so unverblümt über das Thema sprach, das ihm solche Angst machte und ihm immer wieder Albträume bescherte.

„Wenn der Krebs sich ausbreitet, wird sie in Zukunft noch oft ins Krankenhaus müssen. Du weißt, wie teuer eine gute Behandlung in den USA ist. Das wird ein Vermögen kosten“, sprach Olympia weiter.

Andreas schluckte schwer.

„Wir wissen beide, dass sie nicht geldgierig ist und dich niemals um etwas bitten würde. Dafür ist sie viel zu stolz – sonst wäre sie ja auch nicht aus dem Gerichtssaal gestürmt, ohne die Anhörung überhaupt abzuwarten. Dass sie dich einfach so verlassen hat, zeigt auch, wie unreif sie noch ist. Aber das ist ja kein Wunder bei ihrem Alter.“

Der Gedanke daran, wie abrupt Dominique aus seinem Leben verschwunden war, machte ihn noch immer wütend.

„Ich denke, dass sie in Panik geraten ist, als du der Scheidung jetzt plötzlich zugestimmt hast“, fuhr Olympia ungerührt fort. „Als ihr klar wurde, wie düster ihre Zukunft aussieht, hat sie sich wohl überlegt, dass sie doch mehr Geld von dir will. Vielleicht in Form eines offenen Fonds, aus dem sie jederzeit schöpfen kann. Stell dir nur vor, was es kostet, wenn sie immer wieder ins Krankenhaus muss, um Chemotherapie zu bekommen oder operiert zu werden.“

Die Vorstellung allein verursachte Andreas Übelkeit. Und er hatte ihr gesagt, dass er sie nie wiedersehen wollte! Was, wenn Olympia recht hatte und Dominique es nur nicht gewagt hatte, ihm zu erzählen, wie schlecht es ihr ging?

„Ich weiß noch, wie schlimm sie es fand, ihren Eltern so zur Last zu fallen“, redete Olympia weiter. „Ihr Vater verdient ganz gut, aber so viel nun auch wieder nicht, dass er ihr ständig die Operationen bezahlen kann. Da bist du nun ihre Rettung, und deshalb ist sie wahrscheinlich hier.“

„Ich will nicht mehr darüber reden“, sagte Andreas gepresst.

„Natürlich nicht. Aber die Wahrheit verschwindet nicht, nur weil du nicht hinsehen willst. Sie war immer ein schüchternes kleines Ding. Es ist wahrscheinlich schwer für sie, mit dir über den Krebs zu reden.“

Olympia war eine gute Beobachterin, das musste man ihr lassen. Tatsächlich hatte Dominique es immer vermieden, mit ihm über ihre Krankheit zu sprechen. Und er hatte Rücksicht darauf genommen und sie nicht bedrängt, damit sie sich nicht noch mehr in sich zurückzog.

Aber das war nun vorbei.

Es war beinahe unerträglich gewesen, sie wiederzusehen. Es wurde Zeit, dass er mit ihr redete, bevor er noch durchdrehte.

„Ich fliege nach Athen“, verkündete er.

„Wenn sie dich nicht sehen will, wirst du sie nicht finden“, erklärte Olympia. „Warum bleibst du nicht hier und wartest einfach ab? Sie kommt schon zurück, wenn sie so weit ist. Du weißt, wie leicht man sie einschüchtern kann. Wahrscheinlich hat sie sich irgendwo verkrochen und muss sich erst wieder fassen, bevor sie es ein zweites Mal versucht.“

„Ich habe lange genug gewartet“, stieß Andreas hervor. Olympia hatte ihm in allem zur Seite gestanden, aber im Moment wollte er einfach nicht reden, sondern handeln.

Myron brachte ihn zum Hafen, doch der Hubschrauber war noch nicht angekommen. Andreas versuchte Paul anzurufen und bekam nur die Mailbox dran. Fluchend stapfte er die schmale Straße zum nächsten Café hinauf, wo er sich einen Mokka bestellte.

Nach ein paar Minuten klingelte sein Handy, und er las die Nummer im Display.

„Was zum Teufel ist los mit dir?“, rief er, ohne sich zu melden.

„Ich war immer bereit, alles für dich zu tun“, erwiderte Paul ruhig. „Aber jetzt verlangst du zu viel von mir. Wenn du mich deshalb feuern willst, ist das okay.“

Andreas umklammerte das Telefon noch fester. „Wo ist Dominique?“

„Keine Ahnung.“

„Kam sie dir krank vor?“

„Krank?“ Paul schwieg einen Moment. „Nein. Aber du weißt selbst, dass sie ihre wahren Gefühle immer gut verbirgt.“

„Du hättest rausfinden müssen, was sie in Athen vorhat“, sagte Andreas vorwurfsvoll.

Ich bin ja nicht mit ihr verheiratet.“

Andreas verschlug es die Sprache. „Was hat Dominique bloß mit dir gemacht?“, fragte er schließlich.

„Wahrscheinlich dasselbe, was sie mit dir gemacht hat.“

Danach wurde die Leitung unterbrochen, und Andreas starrte ungläubig das Telefon an. Es hatte ihn immer gewundert, dass Paul nie einen Kommentar über Dominique abgegeben hatte. Schließlich schloss er daraus, dass sein Freund sie für einen Fehlgriff hielt – immerhin war sie viel jünger als Andreas, keine Griechin, krank und nicht gerade standesgemäß.

Doch jetzt ging Andreas langsam ein Licht auf. Pauls seltsames Verhalten in den letzten Tagen sprach Bände. Wenn er sogar bereit war, ihre lebenslange Freundschaft zu riskieren, deutete das wohl eher darauf hin, dass er selbst heimlich in Dominique verliebt war.

So langsam wuchs Andreas die ganze Sache über den Kopf. Als endlich der Hubschrauber auftauchte, warf er das Geld für den Kaffee auf den Tisch und ging zum Landeplatz. Den ganzen Flug über starrte er tief in Gedanken aus dem Fenster, bis endlich das Bürohochhaus in Athen in Sicht kam.

„Hat Mrs. Stamatakis gesagt, was sie in Athen vorhat?“, fragte er den Piloten.

„Nein, Sir. Da müssen Sie Mr. Christopoulos fragen.“

„Falls sie sich meldet, sagen Sie mir bitte sofort Bescheid.“

„Geht klar, Sir.“

Noch vom Dach aus rief Andreas seinen Fahrer an und ließ sich zu seinem Penthouse bringen. Irgendwo musste Dominique ja stecken. Und wenn er sie fand, würde er sie zwingen, endlich über den einen empfindlichen Punkt zu reden, den sie in ihrer Beziehung die ganze Zeit vermieden hatten – ihre Krankheit und ihre Zukunft.

3. KAPITEL

Fest entschlossen, endlich Antworten auf ihre Fragen zu bekommen, stieg Dominique vor dem Bürogebäude von Panos Textilien aus dem Taxi. Am Empfang wurde sie von einer jungen Griechin begrüßt.

„Ich möchte zu Theo Panos“, sagte Dominique.

„Haben Sie einen Termin?“

„Nein. Könnte ich mit seiner Sekretärin sprechen?“

„Ihr Name bitte?“

„Dominique Stamatakis.“

Auf einmal machte die junge Frau große Augen und griff zum Telefon. Nach einem kurzen Wortwechsel auf Griechisch bat sie Dominique, mit dem Fahrstuhl ins oberste Stockwerk zu fahren, wo sie erwartet würde.

Es war Theo selbst, der vorm Fahrstuhl stand, als sie ausstieg. Wie Andreas war er dunkelhaarig. Er war zwar nicht so groß und kräftig gebaut, doch durchaus attraktiv. Nach der Begrüßung betrachtete er Dominique ernst.

„Die kleine Raupe ist zum Schmetterling geworden. Du siehst wunderschön aus, Dominique“, sagte er.

„Danke. Auch dafür, dass du mich ohne Termin empfängst.“

„Ich hätte nicht gedacht, dass ich dich je wiedersehe. Komm doch in mein Büro, da sind wir ungestört.“

In dem geschmackvoll eingerichteten Raum bot er ihr einen Platz auf der Ledercouch an und fragte, ob sie etwas trinken wolle, was sie ablehnte.

„Na gut, dann erzähl mir jetzt, wieso du dich in feindliches Gebiet wagst. Weiß dein Mann, dass du hier bist?“

„Nein. Das war allein meine Idee, und ich wollte nur fragen, ob du noch mit Olympia verheiratet bist oder nicht.“

„Das weißt du nicht?“, fragte er überrascht.

Dominique schüttelte den Kopf. „Ich habe den Gerichtssaal damals nach fünf Minuten verlassen und bin sofort nach Sarajevo zurückgeflogen. Ich habe keine Ahnung, was bei der Verhandlung herausgekommen ist, und ich wollte es auch gar nicht wissen.“

Sie erzählte Theo, wie sie Olympia und das Baby auf der Jacht vorgefunden hatte. „Weder Olympia noch Andreas wollten mir etwas sagen, deshalb komme ich zu dir.“

„Und mir glaubst du, obwohl ich deinen Mann vor Gericht gezerrt und seinen Ruf ruiniert habe?“

Auf solche Offenheit war sie nicht gefasst. „Ja“, sagte sie schließlich. „Ich habe dich immer als Freund betrachtet, obwohl ich es schrecklich fand, dass du das alles öffentlich gemacht hast. Aber offenbar hast du Olympia sehr geliebt und warst deshalb außer dir. Bitte sag mir doch, was inzwischen passiert ist.“

„Das weiß ich auch nicht, ich habe sie seit Monaten nicht gesehen. Vor Gericht hat jedenfalls keiner von beiden die Affäre zugegeben. Sie hat ausgesagt, dass sie im Plaka shoppen war und ihr schlecht wurde. Weil ich nicht in der Stadt war, hat sie Andreas angerufen, der ihr seine Wohnung im Plaka-Gebäude anbot und ihr zu Hilfe eilte. Nur wusste sie nicht, dass ich gelogen hatte und ihr schon den ganzen Tag lang folgte. Also erwischte ich sie in flagranti – in Andreas’ Bett. Auch der Richter hat sich von ihren lahmen Ausreden nicht beeindrucken lassen und die Scheidung ausgesprochen. Seitdem habe ich keinen Kontakt mehr zu ihr.“

Dominique schluckte. Olympia war schon seit einem Jahr geschieden?

„Weißt du, dass Olympia damals schwanger war?“, fragte sie.

„Ja.“

Es kostete sie Überwindung, aber sie fragte trotzdem. „Wer ist Aris Vater?“

„Ich“, erwiderte Theo sofort. „Nach der Geburt habe ich auf einem DNA-Test bestanden.“

Dominique wurde vor Erleichterung ganz schwindelig. „Aber dann hatten sie ja vielleicht doch keine Affäre?“, fragte sie hoffnungsvoll.

„Würde mich wundern“, erklärte Theo grimmig. „Mir wurde erst nach der Hochzeit mit Olympia klar, dass ich für sie nur zweite Wahl war. Sie wollte immer schon Andreas. Sie hat zwar die ganze Zeit abgestritten, dass zwischen ihnen was läuft, aber immerhin habe ich sie in seinem Bett erwischt! Das reicht mir als Beweis.“

Diese Tatsache hatte sogar Andreas nie abgestritten. Aber es ist nicht so, wie Theo denkt, hatte er behauptet.

Konnte es wirklich eine andere, ganz unschuldige Erklärung geben?

„Andreas behauptete vor Gericht, dass sie eine Lebensmittelvergiftung hatte, aber ich weiß, was ich gesehen habe. Olympia wirkte weder krank noch geschwächt“, fuhr Theo fort. „Ich hatte keine Lust, den Rest meines Lebens mit einer Lügnerin zu verbringen. Also habe ich sie verklagt. Von der Schwangerschaft habe ich erst vor Gericht erfahren. Da der DNA-Test erst nach der Geburt durchgeführt werden konnte, hat der Richter sich auf meine Seite geschlagen. Ich brauche Olympia nur monatlichen Unterhalt zu zahlen, an mein Vermögen kam sie nicht ran.“

„Und was ist mit Andreas?“

„Ich habe ihn nicht auf Schadenersatz verklagt, wenn du das meinst. Mir reichte es, dass jetzt jeder weiß, was für ein Mistkerl er ist.“

Dominique wurde ganz kalt, als Theo so abfällig über seinen ehemaligen Freund sprach. Andererseits konnte sie sich gut vorstellen, was er durchgemacht hatte. Sie selbst hatte Andreas ja auch nicht geglaubt – kein Wunder, dass Theo außer sich gewesen war.

„Ich mache dir keine Vorwürfe deswegen“, sagte sie.

„Danke. Weißt du, ich habe dich dafür bewundert, dass du so konsequent warst. Nach allem, was du hinter dir hast, mit der Krankheit und so, hast du so was wirklich nicht verdient.“

„Olympia meinte, du fandest es eher mutig von Andreas, mich überhaupt zu heiraten.“

Theo wirkte ehrlich überrascht. „Mutig?“

„Das hat sie gesagt.“

„Dann hat sie wieder mal gelogen. Das kann sie gut.“

Dominique seufzte.

„Das Einzige, was ich wirklich gesagt habe, war, dass Andreas sich glücklich schätzen kann, dich gefunden zu haben“, sagte er und sah sie dabei so offen an, dass Dominique ihm glaubte.

„Danke. Aber du musst zugeben, dass ich eher ein Mäuschen war als eine standesgemäße Ehefrau?“

Zum ersten Mal sah sie Theo lächeln.

„Mich hast du eher an ein süßes, zerbrechliches Vogelküken erinnert, das sehr viel Schutz und Zuwendung brauchte.“

Damit lag er ganz richtig. Sie hatte sich wie ein scheues Tier verhalten. Die ganze Zeit befürchtete sie, dass Andreas irgendwann doch das Interesse an ihr verlieren würde. Seine Welt der Reichen und Kultivierten, der formellen Abendessen mit wichtigen Geschäftspartnern und einflussreichen Freunden machte ihr Angst. Olympias ständige Anwesenheit verunsicherte sie. Zudem musste sie damals noch befürchten, dass der Krebs zurückkommen würde, dass sie unfruchtbar war und Andreas niemals das geben konnte, was er sich wünschte. Die Liste war endlos gewesen.

„Es tut mir leid, dass sie dich so verletzt hat, Theo“, sagte Dominique. „Es ist bestimmt nicht einfach, das Besuchsrecht für Ari mit ihr auszuhandeln.“

„Ich habe meine Rechte an ihm aufgegeben“, sagte Theo ausdruckslos.

„Was?“

„Schau doch nicht so entsetzt. Sie hat mir gleich nach der Verhandlung eröffnet, dass sie und Andreas heiraten würden, sobald eure Scheidung durch ist, und dass Andreas Ari als seinen Sohn aufziehen will.“

Kein Wunder, dass Olympia blass geworden war, als sie plötzlich Dominique an Bord der Jacht vorfand. Das passte ganz bestimmt nicht in ihre schönen Pläne.

„Sechs Monate lang war ich sowieso davon überzeugt, dass Andreas der Vater ist“, fuhr Theo fort. „Als endlich der Test gemacht werden konnte, hatte ich nicht mehr die Kraft, das alles noch mal durchzustehen.“

„Wie furchtbar“, flüsterte Dominique. „Du wärst so ein wunderbarer Vater. Ich kann gar nicht fassen, dass dein Sohn dich nicht mal kennenlernen wird.“

Stumpf blickte Theo sie an. „Andreas hat sich vom ersten Tag an als Aris Vater aufgespielt, er hat Olympia und ihn sogar aus dem Krankenhaus abgeholt. Dagegen komme ich nicht an.“

„Hoffentlich bereust du das nie.“

„Wer weiß. Aber ich hoffe schon, dass ich irgendwann weitere Kinder haben werde. Wenn ich noch mal heirate, dann suche ich mir eine sanfte, liebevolle Frau wie dich, die mich wirklich liebt.“ Fast zärtlich betrachtete er Dominique. „Andreas hatte all das und wusste es nicht zu schätzen. Er ist so ein Idiot.“

Dominique spürte, dass Theo das tragische Ende seiner Ehe noch lange nicht verarbeitet hatte – aber auch, dass da irgendwas ganz eindeutig nicht zusammenpasste. Sie musste unbedingt mit Andreas reden, sonst wurde sie wahnsinnig.

„Danke, dass du meine Fragen beantwortet hast“, sagte sie. „Ich wünsche dir von Herzen alles Gute.“

„Ich dir auch.“

Als sie aufstand, schwankte sie ein wenig, und Theo war sofort an ihrer Seite, legte die Hand unter ihren Ellenbogen und begleitete sie bis zum Fahrstuhl.

„Wie lange bist du noch in Griechenland?“, fragte er.

„Keine Ahnung, ehrlich gesagt.“

„Hättest du Lust, heute Abend mit mir essen zu gehen?“

„Das würde ich sehr gern“, antwortete sie ehrlich. „Aber noch bin ich nicht geschieden, und mein Bedarf an Skandalen ist gedeckt. Du weißt schon, wenn zufällig ein Foto von uns beiden in der Klatschpresse landet, geht das ganze Theater für Andreas wieder los, egal, wie unschuldig unsere Freundschaft ist.“

„Du bist wirklich eine ganz besondere Frau“, sagte Theo leise. „Ich begreife einfach nicht, wie Andreas so dumm sein konnte. Ich wünsche dir viel Glück, meine Liebe.“

Damit küsste er sie auf die Wange.

Sein trauriger Gesichtsausdruck verfolgte sie noch im Fahrstuhl und auf dem Weg zum Flughafen, wo sie für den Rückflug nach Zakynthos einen Hubschrauber charterte. Natürlich hätte sie auch Andreas’ privaten Helikopter nehmen können, doch es hatte schon für genug Aufsehen gesorgt, als sie mit Paul zusammen auf diese Art in Athen angekommen war. Besser, sie verhielt sich möglichst unauffällig, bis einige Dinge mit Andreas geklärt waren.

Zurück in der Villa, wurde sie von Eleni freundlich empfangen. Während Dominique ein paar Bahnen im Pool schwamm, um die Anspannung loszuwerden, servierte die Haushälterin auf der Terrasse das Abendessen.

Es war Dominiques erste Mahlzeit heute, und auf einmal hatte sie so großen Hunger, dass sie sich nicht die Zeit nahm, sich anzuziehen. Sie schlang nur ein Handtuch um ihr nasses Haar und setzte sich im Bikini an den Tisch. Die Köchin erinnerte sich offenbar an sie und hatte ihren Lieblingssalat, Fisch und frisches Brot zubereitet.

Es blieb nicht ein Krümel übrig, und Dominique war bei der zweiten Tasse Kaffee, als sie Rotorengeräusch hörte. Auf einmal schlug ihr das Herz bis zum Hals. Hatte Andreas wieder Paul vorgeschickt, oder kam er diesmal selbst? Und wenn ja, brachte er Olympia und das Baby mit oder gab er ihr die Chance, sich in Ruhe und allein mit ihm auszusprechen?

Obwohl sie vor Nervosität zitterte, zwang sich Dominique, ruhig sitzen zu bleiben und abzuwarten. Und tatsächlich betrat kurz darauf Andreas die Terrasse. Wie immer sah er umwerfend gut aus. Sandfarbene Hosen und ein weißes Poloshirt betonten seinen muskulösen Körperbau. In der Abendsonne wirkte sein Gesicht noch gebräunter als sonst, und als sie seine vollen Lippen sah, fielen ihr all seine leidenschaftlichen Küsse wieder ein.

Unglaublich, dass dieser Traummann, der jede Frau auf der Welt haben konnte, sich damals ausgerechnet für sie entschieden hatte.

Langsam kam er auf den Tisch zu und legte die Hand auf die Lehne des Stuhls, der ihrem gegenüberstand.

„Wo genau warst du heute?“, fragte er ohne Begrüßung.

„Ich habe einen Besuch gemacht.“

„Und Paul nichts davon gesagt?“

„Es ging ihn nichts an.“

Andreas’ dunkle Augen sprühten Funken. „Kenne ich die Person?“

„Spielt das eine Rolle?“

„Herrgott, Dominique!“ Sie zuckte zusammen, als er plötzlich laut wurde. „Ob du bei einem Arzt warst, will ich wissen!“

Verwirrt schüttelte sie den Kopf. „Nein, wieso …“

„Lüg mich nicht an.“

„Tue ich ja nicht. Ich war in New York beim Nachsorgetermin, bevor ich nach Griechenland kam. Was soll ich bei einem Athener Arzt? Wenn du mir nicht glaubst, kannst du ja Dr. Canfield anrufen.“

An Andreas’ Kiefer zuckte ein Muskel. „Wenn das stimmt, kommt ja nur noch einer infrage. Du warst bei Theo, stimmt’s?“

Sie ersparte sich die Antwort, konnte jedoch nicht verhindern, dass sie rot wurde.

„Sag nichts, ich seh’s dir auch so an. Ist dir nicht klar, was du getan hast?“

„Nein“, erwiderte sie ruhig. „Ich fand ehrlich gesagt nichts dabei. Immerhin ist er der Einzige, der mir ein paar Fragen beantworten konnte.“

„Du fragst also lieber meinen Erzfeind als mich?“

„Nun mach aber mal einen Punkt!“, rief sie. „Letzte Nacht hast du mir sehr überzeugend gesagt, dass du mich nie wiedersehen willst. Was blieb mir also noch übrig? Theo ist der Einzige, der weiß, was los ist.“

„Mein Anwalt hat dir doch ein Protokoll geschickt.“

„Von der Verhandlung, ja. Aber erstens habe ich es nie über mich gebracht, es zu lesen, und zweitens steht da auch nicht drin, was danach passiert ist.“

Andreas fluchte leise und rieb sich die Stirn. Während sie darauf wartete, was er als Nächstes sagen würde, fiel ihr plötzlich ein, dass sie noch immer den Handtuchturban trug, und streifte ihn mit einer Handbewegung ab.

„Du glaubst Theo also jedes verdammte Wort, aber deinem eigenen Mann misstraust du?“, schäumte Andreas. „Ich war die ganze Nacht auf der Jacht, du hättest ja zu mir kommen können.“

„Ich wollte unter vier Augen mit dir reden, nicht in Gegenwart von Olympia“, erwiderte sie achselzuckend.

Andreas lief wie ein Tiger im Käfig auf der Terrasse auf und ab. „Hat Theo dir eigentlich gesagt, dass ich Aris Vater bin?“, fragte er.

„Nein, hat er nicht.“

„Und das glaubst du ihm?“

„Ja.“

„Aber als ich dich bat, mir zu glauben, bist du davongelaufen.“ Andreas blieb stehen und blickte sie anklagend an.

Hilflos hob sie die Schultern. Sie liebte ihn noch immer, vielleicht sogar mehr als je zuvor, und konnte doch nicht verhindern, dass sie sich gegenseitig zerfleischten.

„Das ist lange her“, flüsterte sie schließlich.

„So lange, dass du Theo jetzt mehr vertraust als mir.“

Dominique seufzte. „Was sollte ich machen? Du hast mir gesagt, dass du mich nicht wiedersehen willst“, wiederholte sie.

Andreas murmelte etwas, das sie nicht verstand, dann sagte er laut: „Und jetzt glaubst du also, die Wahrheit zu kennen.“

Müde hob sie die Hand. „Andreas, können wir Theo mal für einen Moment aus dem Spiel lassen? Ich möchte dich etwas ganz anderes fragen.“

„Ja, ja, ich weiß schon“, erwiderte er ungeduldig. „Du brauchst mich nicht um Geld für deine teuren Behandlungen anzubetteln. Glaubst du wirklich, ich würde dich finanziell im Stich lassen?“

Sie hatte keine Ahnung, was er meinte, und sah ihn nur fragend an.

„Warum sagst du nicht einfach, dass du eine Klausel im Scheidungsvertrag willst, dass ich auch in Zukunft alle deine medizinischen Kosten übernehme? Warum hast du das überhaupt nicht schon gestern gesagt? Paul hätte die Papiere noch auf der Jacht ändern können.“

„Wovon redest du eigentlich?“, fragte sie verständnislos. „Hier geht es doch nicht um meine Arztkosten! Wie kommst du bloß darauf? Meine Versicherung hat bisher alles anstandslos bezahlt, und das wird sie auch weiterhin tun.“

Jetzt sah Andreas verwirrt aus. „Aber was willst du denn dann?“, fragte er.

„Ich will wissen, warum du jetzt plötzlich der Scheidung zustimmst“, sagte sie. „Willst du Olympia heiraten?“ Auf einmal zitterte ihre Stimme doch.

Er hob die Augenbrauen. „Würdest du mich dann aus Rache genauso lange auf deine Unterschrift warten lassen wie ich dich?“

„Warum bist du nur so grausam?“

Er lachte bitter. „Du hast damit doch angefangen. Vor einem Jahr.“

„Andreas!“, rief sie bittend, doch er sah so wütend aus, dass sie nicht wusste, was sie noch sagen sollte.

„Wieso interessiert es dich überhaupt auf einmal, wann ich wen heirate? Schließlich wolltest du die ganze Zeit die Scheidung!“

Um einen Rest von Würde bemüht, straffte Dominique die Schultern. „Ich werde dir keine Steine in den Weg legen“, flüsterte sie.

„Fein, dann bringe ich dir jetzt die Papiere.“ Er drehte sich um und ging in Richtung Terrassentür.

„Warte …“

Ungehalten drehte er sich um. „Was denn jetzt noch?“

„Ich werde sie unterschreiben, aber ich wollte mich vorher mit dir aussprechen.“

„Reicht es dir noch nicht?“

„Bitte, Andreas … Ich bin ja extra deswegen hergekommen.“

„Tja, da hätte es wohl ein Anruf auch getan.“

Sein Sarkasmus war schwer zu ertragen, aber sie ließ sich nicht abschrecken. „Nein. Immerhin geht es um etwas Wichtiges. Unsere Ehe.“

„Wichtig?“, spottete er. „Du wagst es, das zu sagen, wo du gerade ein ganzes kostbares Jahr damit verschwendet hast, mich um die Scheidung zu bitten?“

„Ich weiß, was ich getan habe, aber ich hatte einen Grund dafür. Wenn du mir mal einen Moment lang zuhören würdest, könnte ich dir erkl…“

„Was willst du denn eigentlich wirklich?“, unterbrach er sie hart.

Da war sie nun, die Frage. Dominique hatte gehofft, dass das Gespräch davor etwas anders verlaufen würde, aber sie ahnte, dass dies ihre einzige Chance war, überhaupt die Sprache darauf zu bringen.

Sie holte tief Luft. „Ich möchte, dass wir einen Monat lang zusammenleben, um zu sehen, ob unsere Ehe noch eine Chance hat.“

Zum ersten Mal verschlug es Andreas die Sprache. Er starrte sie ungläubig an, bis sie unter seinem Blick ganz nervös wurde, gab aber keinen Ton von sich.

„Offenbar findest du die Idee schrecklich“, murmelte sie schließlich.

Noch immer schwieg er beharrlich.

„Ich glaube, dreißig Tage sind nicht zu viel verlangt“, fuhr sie mit dem Mut der Verzweiflung fort. „Wenn es nicht funktioniert, können wir danach für den Rest unseres Lebens getrennte Wege gehen.“

„Nicht, wenn du schwanger wirst.“ Diesmal antwortete er so schnell, dass sie wieder nicht ganz folgen konnte. „Hast du Angst, dass der Krebs zurückkommt, und willst unbedingt vorher noch ein Kind? Geht es darum? Dreißig Tage, um endlich Mutter zu werden?“

„Spinnst du?“ So langsam verlor sie wirklich die Geduld. „Natürlich nicht!“

Sie atmete tief durch und sprach ruhiger weiter. „Selbst wenn ich das wollte – ich weiß gar nicht, ob es klappen würde. Nur weil ich zehn Kilo zugenommen habe, heißt das nicht automatisch, dass ich fruchtbar bin. Nicht nach der Chemotherapie und allem.“

Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar. „Ich kann dir nicht mehr vertrauen, Dominique.“

Tränen brannten in ihren Augen. „Deshalb will ich ja, dass wir es noch einmal miteinander versuchen. Wir könnten die Vergangenheit einfach vergessen und so tun, als hätten wir uns gerade erst kennengelernt.“

„Ach so, einfach alles vergessen, was?“

Sein Zynismus traf sie tief, aber sie schlug sich tapfer. „Ja.“

„Das kann ich nicht.“

Trotzig hob sie das Kinn. „Ich weiß, es ist eine Herausforderung, aber ich habe dich noch nie vor etwas kneifen sehen.“

„Du dagegen hast gleich beim ersten Problem gekniffen“, erwiderte er kalt. „Es wird öfter Probleme geben. Willst du dich dann wieder aus dem Staub machen?“

„Du redest wohl von Olympia?“, fragte sie sachlich.

Er machte sich nicht mal die Mühe, es abzustreiten, und auch das verletzte sie tief. Trotzdem schaffte sie es, sich nichts anmerken zu lassen.

„Mir war von Anfang an klar, dass ihr Gefühle füreinander habt“, fuhr sie ruhig fort. „Sie ist ein Teil deines Lebens, und das wird wohl immer so sein. Meine einzige Bedingung ist, dass du dich die nächsten dreißig Tage von ihrem Bett fernhältst, damit wir eine ernsthafte Chance haben. Wenn das zu viel verlangt ist, sag es bitte gleich. Allein kann ich nichts ausrichten.“

„Ich auch nicht.“

„Was soll das nun wieder heißen?“

„Vielleicht hast du’s vergessen, aber Olympia war nicht unser einziges Problem. Im Moment stecke ich mitten in wichtigen Verhandlungen, was bedeutet, dass ich in Athen sein muss und viele geschäftliche Abendveranstaltungen habe.“

„Womit du sagen willst, dass du dich dabei für mich schämen würdest, genau wie damals.“

Autor

Rebecca Winters

Rebecca Winters und ihre Familie leben in Salt Lake City, Utah. Mit 17 kam Rebecca auf ein Schweizer Internat, wo sie französisch lernte und viele nette Mädchen traf. Ihre Liebe zu Sprachen behielt sie bei und studierte an der Universität in Utah Französisch, Spanisch und Geschichte und später sogar Arabisch.

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