Sinnliche Stunden mit dem Fremden

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Bei seinem Lächeln werden Abigail die Knie weich, seine Küsse versprechen den Himmel auf Erden. Also warum nicht eine Nacht mit diesem sexy Fremden genießen? Zumal es Abigails letzter Abend in der Stadt ist und sie morgen zurück auf die Ranch ihrer Familie fährt. Die Spielregeln sind einfach: Keine Namen, keine Vergangenheit, nur er und sie und Lust ohne Reue … Doch die leidenschaftlichen Stunden mit dem Unbekannten sind einfach zu gut! Aus der Nacht wird eine heiße Affäre, und plötzlich steht Abigail vor der schwersten Entscheidung ihres Lebens.


  • Erscheinungstag 02.01.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733775803
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

So aufgeregt war Zach Rainer das letzte Mal gewesen, als er an seinem achtzehnten Geburtstag die betreute Wohneinrichtung in Texas verlassen hatte. Doch an diesem Tag, zwölf Jahre später, stand mehr auf dem Spiel als nur seine eigene Zukunft.

Bereits seit Sonnenaufgang war er in seinem drei Jahre alten Jaguar Cabrio auf der Interstate unterwegs. Gesellschaft hatten ihm nur ein fades Sandwich von der Tankstelle und sechs Pappbecher Kaffee geleistet. Sein Geschäftspartner Alex Cable war fest davon überzeugt gewesen, dass der Roadtrip von Texas nach Colorado Zach helfen würde, wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Zach hätte es besser wissen müssen. Nachdenken hatte seiner Erfahrung nach noch kein einziges Problem gelöst. Das Einzige, was half, war zu handeln.

Jetzt war er endlich in Lyndon, Colorado, angekommen und nahm an der Rezeption des Caspian Hotels in der Innenstadt den Schlüssel für sein Zimmer im achten Stock entgegen. Während er seine Kreditkarte wieder einsteckte, fiel sein Blick auf den großen Treppenabsatz über der Lobby. Auf der imposanten geschwungenen Treppe plauderten elegant gekleidete Herren und mit Schmuck behängte Damen zu den Klängen von Kammermusik.

Zach gab sein Gepäck beim Portier ab, klopfte sich den Reisestaub von seinem Jackett und machte sich auf den Weg in die Sportbar am anderen Ende der Lobby, die ihm die freundliche Rezeptionistin empfohlen hatte. Sie hatte ihm versichert, dass es dort nicht so überfüllt sein würde wie in der Lobby. In Anbetracht seines zerknitterten Hemds und des Bartschattens auf seinen Wangen vermutete er allerdings, dass sie auch davon ausgegangen war, er würde sich in der Sportbar wohler fühlen als hier zwischen den oberen Zehntausend. Doch Zach war so müde und hungrig, dass es ihm vollkommen egal war, ob man ihn schief ansah. Alles, was er wollte, waren eine warme Mahlzeit und ein weiches Bett.

Am folgenden Morgen würde er in die hinter Lyndon gelegenen Hügel fahren und die Craig Mountain Brewery begutachten. Die Brauerei war der Schwachpunkt von DFB Corporated, der Vereinigung von Lokalbrauereien, die Zach in den vergangenen zwölf Jahren gemeinsam mit Alex aufgebaut hatte. Kein Mensch hätte jemals damit gerechnet, dass das Schicksal des Unternehmens und Hunderte von Arbeitsplätzen eines Tages allein von Craig Mountain abhängen würden.

Durch einen beleuchteten Durchgang betrat Zach die in gedämpftes Licht gehüllte Bar. Er zwinkerte, um seine Augen an die Dunkelheit zu gewöhnen. Auf dem großen Plasmabildschirm über dem Tresen lief ein Basketballspiel, das von Rockmusik aus den Achtzigern untermalt wurde.

Die Lakers spielten gegen die Celtics. Zach interessierte sich für keines der beiden Teams, aber das Spiel würde ihn wenigstens eine Weile lang von seinen Sorgen ablenken. Sie hatten sechs Monate Zeit, die Produktionsmenge von Craig Mountain zu verdreifachen. Ansonsten stand DBF vor dem Aus.

Als er an den Tresen trat, bemerkte er eine aufsehenerregend schöne Frau mit kastanienbraunem Haar, die ganz allein an einem Tisch saß. Mit ihrem tief ausgeschnittenen schwarzen Cocktailkleid wirkte sie in der lockeren Umgebung völlig fehl am Platz. Schmale Spaghettiträger gaben den Blick auf ihre glatten, schimmernden Schultern preis, und der enge Schnitt des Kleides betonte ihre tolle Figur.

Offenbar war sie tief in Gedanken versunken, denn sie starrte ins Nichts und schien das Martiniglas, das sie in der Hand hielt, vollkommen vergessen zu haben. In ihren hellbraunen, mit Gold gesprenkelten Augen spiegelte sich das Flackern des Bildschirms wider. Ihr Haar war kunstvoll hochgesteckt. Ein paar lose Haarsträhnen umspielten ihre Schläfen und die glitzernden Ohrringe.

Zach blieb wie gebannt stehen. Er konnte nicht anders, als sie bewundernd zu mustern. Im selben Augenblick sah sie auf, als hätte sie seinen Blick bemerkt. Sie wirkte überrascht. Zach wollte sich schon für seine Aufdringlichkeit entschuldigen, da warf sie ihm ein Lächeln zu und nickte ihm zu.

Ganz gleich, wie müde und hungrig Zach auch war – solange er noch am Leben war, würde er sich so eine Einladung nicht entgehen lassen.

„Hallo“, sagte er, während er auf ihren Tisch zuging.

„Flüchten Sie auch vor der Menge?“, fragte sie und lächelte freundlich.

Er nickte. „Ich hatte gehofft, dass es hier hinten etwas ruhiger ist.“

„Tja, ruhiger nicht, aber wenigstens ist es eine andere Art von Lärm“, erwiderte sie mit einem amüsierten Blick in Richtung der Lautsprecher, aus denen der nächste Achtziger-Jahre-Hit drang.

Zach musste grinsen. „Meinen Geschmack trifft die Musik auch nicht unbedingt.“

„Wenigstens sind hier weniger Menschen. Mir tat vom vielen Lächeln schon der Mund weh.“

„Jetzt lächeln Sie aber auch“, merkte er an, während er die letzten Schritte bis zu dem freien Stuhl an ihrem Tisch zurücklegte.

„Stimmt.“ Aus ihren schönen goldfarbenen Augen sah sie ihn nachdenklich an und neigte fragend den Kopf. „Ich kann mich nicht erinnern, Sie beim Empfang gesehen zu haben.“

Zach wusste, dass er gleich als Fremder entlarvt werden würde. Ihm war klar, dass ihm nur zwei Sekunden blieben, um einen Weg zu finden, dieses Gespräch zu verlängern. Er nahm all seinen Mut zusammen, zog einen Stuhl unter dem Tisch hervor und setzte sich.

„Das liegt daran, dass wir einander nicht vorgestellt worden sind.“ Er wagte einen Schuss ins Blaue. „Sind Sie eine Freundin der Braut?“

„Welche Braut?“

Verdammt, daneben. Jetzt blieb ihm nur noch die Wahrheit. „Ich gestehe. Ich war gar nicht auf dem Empfang.“

„Dann sind Sie also nicht hier, um den Wahlsieg von Bürgermeister Seth Jacobs zu feiern?“

„Nein, bin ich nicht“, gab er zu, ohne den Blick von ihren Augen zu lassen.

Argwöhnisch schaute sie ihn an. „Haben Sie ein Problem mit dem Bürgermeister?“

„Nein, warum sollte ich? Ich kenne ihn doch gar nicht.“

Ihre Züge entspannten sich wieder, und sie ließ sich in den großen braunen Sessel zurücksinken.

Bestimmt würde sie ihm gleich den Abmarschbefehl erteilen. Zu schade aber auch. Zach hätte sie gern besser kennengelernt. Auch um den Preis, noch länger auf den Burger mit Pommes zu verzichten, den er seinem knurrenden Magen versprochen hatte.

„Dann haben Sie also keine Ahnung, wer ich bin?“, fragte sie.

„Nein, aber ich wüsste es gern“, antwortete Zach geistesgegenwärtig.

Sie lachte leise auf. „Ich für meinen Teil würde es vorziehen, Sie darüber im Dunkeln zu lassen.“

Zach stützte die Ellenbogen auf die Tischplatte und beugte sich vor. Leise und in fast schon intimem Tonfall versicherte er: „Damit kann ich leben.“

Jetzt beugte auch sie sich verschwörerisch vor. Ihre Augen begannen zu funkeln. „Ich wüsste nicht, dass ich Ihnen ein Date angeboten hätte.“

„Das habe ich auch nicht gedacht.“ Aber gehofft gab er insgeheim zu.

„Lügen Sie mich gerade an?“, fragte sie.

„Auf keinen Fall.“

Wieder musterte sie ihn nachdenklich. „Ich nehme mal an, dass Sie nicht aus Lyndon sind.“

„Nein, Ma’am.“

„Sind Sie auf der Durchreise?“

„Sozusagen.“ Tatsächlich hoffte er, dass er nicht lange bleiben musste. Wenn alles nach Plan verlief, konnte er nach einer kurzen Begehung der Brauerei alle notwendigen Maßnahmen mit dem Geschäftsführer besprechen, die Durchführung an ihn delegieren und so schnell wie möglich wieder zurück zum Firmensitz nach Houston, Texas, fahren. Er fühlte sich nicht wirklich wohl damit, Alex in dieser wichtigen Phase einfach so allein zu lassen.

Sie trommelte mit den Fingern auf der Tischplatte herum. Ihre Fingernägel waren lavendelfarben lackiert. „Dann ist es also möglich“, murmelte sie.

„Was denn?“ Erneut flammte Hoffnung in ihm auf.

„Dass wir ein ganz normales Gespräch über ganz und gar unbedeutende Themen führen. Sie kennen mich nicht, ich kenne Sie nicht.“

„Ganz genau“, stimmte er, ohne zu zögern, zu. Klar würde er sich mit ihr unterhalten. Und was sie sonst noch so vorschlug, würde er ebenfalls mitmachen.

In diesem Moment betrat ein Mann um die fünfzig die Bar. Nervös blickte sich die Fremde um. Als sie bemerkte, dass er nicht vorhatte, sie anzusprechen, entspannte sie sich wieder und wandte sich erneut Zach zu.

„Warten Sie auf jemanden?“, erkundigte er sich.

Sie schüttelte heftig den Kopf.

Dann blieb nur noch eine Möglichkeit: Sie ging jemandem aus dem Weg. Zach beschloss, seinen Instinkten zu vertrauen, und fragte: „Wollen wir hier verschwinden?“

Für einen quälend langen Augenblick schien sie über seinen Vorschlag nachzudenken. „Ja“, antwortete sie schließlich. „Sehr gern sogar.“

Er nickte in Richtung Flur. „Am anderen Ende der Gangs habe ich einen Nebeneingang gesehen. Ich glaube, wir müssten ungesehen nach draußen flüchten können.“

„Wie kommen Sie denn darauf, dass ich flüchten muss?“

Er beugte sich vor und flüsterte übertrieben dramatisch: „Sie verhalten sich wie jemand, der sich für eine Weile bedeckt halten sollte.“

Sie spielte mit und nahm dieselbe Haltung ein wie Zach. „Sie tun ja gerade so, als wäre ich eine Verbrecherin!“

„Sind Sie denn eine?“

Sie grinste. „Wäre das ein Problem für Sie?“

„Nein“, erwiderte er aufrichtig. Bei ihrem Aussehen und ihrem Sinn für Humor wäre es ihm tatsächlich egal gewesen.

Sie lachte leise auf, schob den Stuhl zurück und stand auf. Dann hob sie eine kleine schwarze Handtasche vom Boden auf. „Los, wir haben nicht mehr viel Zeit.“

Auch Zach stand auf. Als die Fremde an ihm vorbeilief, stieg ihm der exotische Duft von Jasmin in die Nase.

Er sog ihn tief ein, dann raunte er in bester Gangsterfilmmanier: „Verhalt dich ganz natürlich, Bonnie, und bleib direkt hinter mir.“

Sie ahmte seinen Tonfall nach. „Ich bin gleich hinter dir … Clyde.“

Unwillkürlich musste er grinsen, als sie die Bar durchquerten. „Soll ich uns einen Fluchtwagen organisieren?“, flüsterte er.

„Die Main Street ist nur einen halben Block entfernt“, flüsterte sie zurück. „Da gibt es jede Menge dunkle Ecken, in denen wir uns für eine Weile verstecken können.“

Geduckt eilten sie durch den Flur zum Seiteneingang. Zach drückte die schwere Stahltür auf und trat hinter Bonnie in die warme Sommernacht.

„Ein sauberes Ding“, flüsterte sie, drückte ihren Rücken gegen die Ziegelwand und sah sich nach etwaigen Verfolgern um.

„Bleib ganz dicht bei mir, Bonnie“, wiederholte er, während er ebenfalls die Lage in der ruhigen Seitenstraße sondierte. „Ich kann keinen von den Privatschnüfflern entdecken.“

„Gut zu wissen. Aber was ist mit den Polypen?“

„Polypen?“ Er spielte den Dummen. „Du meinst die Bullen?“

Sie stieß sich von der Wand ab und hastete auf die Main Street zu. Die Absätze ihrer High Heels klackerten über den Asphalt. „Ja. Und dann gibt es ja auch noch die braven Bürger von Lyndon. Ich darf auf keinen Fall erkannt werden!“

„Dann muss ich dich also vor einer ganzen Stadt verstecken, Bonnie?“, fragte er und setzte eine ungläubige Miene auf.

„Nur vor den Leuten, die ich kenne.“

„Und wie viele Leute kennst du?“

„Ein paar Tausend.“

Er unterdrückte den Impuls, ihre Hand zu nehmen. Stattdessen grummelte er: „Du machst es einem Mann nicht leicht, dir zu helfen.“

„Zum Glück scheinst du ja ganz genau zu wissen, was du tust“, erwiderte sie und sah zu ihm auf. „Bist du sicher, dass du kein echter Verbrecher bist?“

„Ich bin Geschäftsmann.“ Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, da fiel ihm auf, dass er klang wie eine der Figuren aus Der Pate. „Ein unbescholtener Geschäftsmann“, fügte er deshalb erklärend hinzu, aber das machte alles eher nur noch schlimmer. „Ich habe nicht mal ein Knöllchen auf dem Kerbholz“, sagte er in der Hoffnung, Bonnie nicht abgeschreckt zu haben.

„Was für ein …“ Doch dann schüttelte sie entschieden den Kopf. „Nein, ich will gar nicht wissen, was du beruflich machst.“

Eine leichte Brise war aufgekommen und spielte mit ihren losen Haarsträhnen. Zach konnte sich nur mit Müh und Not davon abhalten, sie ihr hinter das Ohr zu streichen. „Darf ich dann wenigstens deinen Vornamen wissen?“, fragte er.

Sie zögerte und wirkte für einen Augenblick verlegen. Doch dann lächelte sie. „Du darfst mich Bonnie nennen.“

Er wandte sich ganz zu ihr um und streckte ihr die Hand hin. „Ich bin der Mann, den sie Clyde nennen.“

Kurz musterte sie seine Hand, dann reichte sie ihm ihre. Sie fühlte sich leicht und zart an. „Hallo Clyde.“ Ihre süße Stimme berührte ihn tief im Inneren.

Es dauerte eine Weile, bis er ihre Hand wieder losließ. Und auch da tat er es nur widerwillig.

Normalerweise flirtete Abigail Jacobs nicht. Zum einen, weil sie kein Bedürfnis danach verspürte, aber noch viel mehr, weil sie einfach keine Zeit hatte. Doch an diesem Abend war alles anders. Ihr Leben würde in wenigen Stunden eine dramatische Kehrtwende machen, der Abigail noch nicht ins Auge blicken wollte. Und ihr spontaner Flirt mit Clyde half ihr dabei, die Zukunft zu ignorieren.

Vom folgenden Tag an würde sie nicht mehr Abigail Jacobs sein, die Schwester und Wahlkampfleiterin des Bürgermeisterkandidaten Seth Jacobs. Mit den langen Nächten im Kampagnenbüro und den täglichen Telefonaten mit Journalisten und Geldgebern wäre endgültig Schluss. Sie würde keine Reden mehr schreiben, keine Veranstaltungen organisieren, keine Budgetpläne erstellen und Krisen niederkämpfen. Nein, am folgenden Morgen würde sie die Büroschlüssel abgeben, ihre schicken Kostüme einmotten, den geleasten Audi zurückbringen und als die gute alte Abby in einen verstaubten Pick-up steigen und Lyndon City verlassen, um auf der Ranch zu arbeiten.

Als Kind und Jugendliche hatte sie das Leben auf der Ranch geliebt. Die Freiheit, die frische Luft, den vielen Platz. Doch in den letzten Jahren hatte sie die Vorzüge der Stadt zu schätzen gelernt. Jetzt wünschte sie sich ein Leben, das sie nicht haben konnte. Ihre Schwestern Mandy und Katrina würden bald heiraten, ihr Bruder Seth war Bürgermeister von Lyndon, und ihre Eltern lebten derzeit in Houston, wo ihr Vater sich von einem Schlaganfall erholte. Nun gab es nur noch ihren zweiten Bruder Travis, der sich um die Ranch kümmerte – und Abigail konnte ihn mit all der Arbeit auf keinen Fall alleinlassen.

Auch wenn es ihr nicht gefiel: Der große Ball war vorüber. Am folgenden Morgen würde Cinderella wieder in die weniger glamouröse Realität zurückkehren.

„Hast du Hunger?“, fragte Clyde. Die gelb leuchtenden Straßenlampen spiegelten sich in seinen kaffeebraunen Augen wider.

„Ja, ziemlich“, gestand sie. Sie war viel zu beschäftigt damit gewesen, Hände zu schütteln und Glückwünsche entgegenzunehmen, um etwas zu essen. Erst nachdem sie an die hundert Mal behauptet hatte, dass sie sich riesig darauf freute, auf die Familienranch zurückzukehren, war ihr die Flucht in die Sportbar gelungen. „Aber Bert’s Burgers ist unsere einzige Chance. Überall sonst würde man mich erkennen.“ Sie nickte in Richtung eines kleinen Fastfoodrestaurants einen halben Block die Straße hinunter. Im Bert’s verkehrten fast ausnahmslos Teenager. „Wir könnten das Essen mit an den See nehmen.“

Er hob eine Braue und warf ihr einen skeptischen Blick zu. „Sicher?“

Sie nickte. Direkt am Ufer gab es einen kleinen Park mit Picknicktischen. Später sollte es zwar ein Feuerwerk am See geben, doch die Zuschauer würden sich am anderen Ende des Ufers an der Werft versammeln. Um diese Uhrzeit würden ihre einzige Gesellschaft ein paar Stockenten im Park sein.

„Ein richtiges Date ist das aber nicht“, merkte er an, während sie zum Diner spazierten.

Sie musste lächeln. „Das hier ist ein Date?“

„Nein, nicht wirklich.“

„Dann können wir ja auch beruhigt Burger essen, oder?“

„Aber ich habe noch nie eine Frau in einem Zweitausenddollarkleid auf Burger und Pommes eingeladen.“

„Wer sagt, dass du mich einlädst?“

„Ich bin Texaner, da versteht sich das von selbst.“

Sie legte sich die Hände auf die Ohren und fing an, laut zu singen, um ihn darauf aufmerksam zu machen, dass sie gar nicht wissen wollte, woher er stammte.

Er grinste und zog ihr die Hand vom Ohr. „Als ob mich mein Dialekt nicht schon längst verraten hätte.“

„Dass du aus Texas stammst, heißt noch lange nicht, dass du noch immer dort wohnst.“

„Tue ich.“

„Halt dich an die Regeln“, wies sie ihn zurecht.

„Es gibt Regeln?“

„Allerdings, und das weißt du ganz genau.“

Sie betraten den Imbiss, und Abigail bestellte einen Mountain Burger ohne Zwiebeln und einen Schoko-Shake.

„Ich nehme dasselbe und dazu noch eine Portion Pommes bitte“, sagte Clyde und zog seinen Geldbeutel aus der Hosentasche.

Abigail beschloss, nicht weiter darüber zu diskutieren, wer hier wen einlud. Was wollte sie damit auch beweisen? Dass sie eine unabhängige Frau war? Oder dass das hier kein Date war? Und was war überhaupt so abstoßend an der Vorstellung, dass sie ein Date hatten?

Während Clyde bezahlte, warf sie einen verstohlenen Blick auf sein Profil. Er war wirklich erstaunlich attraktiv: weit über eins achtzig, mit umwerfenden braunen Augen, dunklem, vollem Haar, schön geschwungenen Lippen, einer geraden Nase und einem markanten Kinn, das von einem leichten Bartschatten überzogen wurde. Kein Cowboytyp. Nein, er wirkte durch und durch weltgewandt und souverän. Und das gefiel ihr.

Die Kassiererin reichte ihm das Wechselgeld, eine Papiertüte mit den Burgern und einen Papphalter mit den Milchshakes. „Dann zeig mir mal den Weg zum See“, sagte Clyde.

„Brauchst du keine Hilfe beim Tragen?“

„Nein, das geht schon.“

„Dann lasst ihr Texaner Frauen also weder bezahlen noch etwas tragen?“

„Yes, Ma’am.“

Unwillkürlich fragte sich Abigail, wie er wohl reagieren würde, wenn sie ihm erzählte, dass sie schon sehr bald Heuballen umwälzen und Ställe ausmisten würde. Doch noch war es zum Glück ja nicht so weit. In dieser Nacht durfte sie noch ganz Mädchen sein – mit Make-up, Schmuck und unfassbar unpraktischen Schuhen … und einem texanischen Gentleman an ihrer Seite. „Hier geht’s lang“, sagte sie entschlossen.

Einige Minuten später bogen sie auf den mit Rindenmulch bestreuten Pfad ab, der zum Picknickplatz führte. Zwischen Espen und Zuckerahornbäumen leuchteten ihnen altmodische Straßenlampen den Weg. Nachdem sich Abigails spitze Absätze mehrmals in den weichen Boden gebohrt hatten, blieb sie stehen und zog die Schuhe aus.

Clyde hielt ebenfalls inne. „Alles in Ordnung?“

„Ja, alles bestens.“

„Ist es denn nicht gefährlich, hier barfuß herumzulaufen?“

„Der Park ist gut gepflegt.“

Doch er schien sich trotzdem zu sorgen. „Ich könnte dich tragen.“

„So macht ihr das also in Texas? Ihr werft euch die Frauen über die Schulter und schleift sie in eure Höhle?“

„Nur wenn es sich nicht vermeiden lässt.“

„In diesem Fall lässt es sich aber vermeiden. Ich bin schon barfuß durch diesen Park spaziert, als ich gerade mal zwei Jahre alt war. Aber danke fürs Angebot.“

Sie drehte sich um und lief ein paar Schritte weit rückwärts, um Clyde beobachten zu können. Sein Gang war geschmeidig, und er wirkte in seinem Anzug äußerst attraktiv. So breit, wie seine Schultern waren, ging sie davon aus, dass er ziemlich durchtrainiert war. Ob er wohl auch ein Sixpack hatte?

„Dann bist du also in Lyndon aufgewachsen?“, fragte er.

„Ja.“ Genau genommen lag die Ranch zwei Stunden westlich der Stadt, aber das waren Details, die Clyde nichts angingen. In dieser Nacht wollte sie ein Großstadtmädchen sein.

„Pass auf, dass du dich nicht irgendwo stößt“, warnte Clyde sie.

Als sie sich umdrehte, bemerkte sie, dass sie nur noch wenige Meter vom ersten Picknicktisch entfernt waren. Unter ihren Füßen spürte sie jetzt weiches Gras.

„Perfekt“, sagte sie und ließ ihre Schuhe auf den Boden fallen. Dann stieg sie auf die Sitzbank, um sich auf die Tischplatte zu setzen, von der aus man einen besseren Blick auf den See hatte.

„Moment mal.“ Clyde stellte das Essen ab und zog sein Jackett aus. Dann breitete er es als Sitzdecke auf dem Tisch aus. Die einfache Geste rührte Abigail.

„Schätze, man kann nicht anders, als Texaner zu lieben“, witzelte sie, während sie beobachtete, wie sich sein dünnes weißes Hemd über seiner breiten Brust und seinem Bizeps spannte.

Doch, sie war sich sogar ziemlich sicher, dass er ein Sixpack hatte.

„Wir wollen doch nicht, dass du dir dein Kleid ruinierst“, erwiderte er.

„Also ruinieren wir stattdessen dein Jackett?“ Trotzdem setzte sie sich auf das weiche, warme Satinfutter.

Er zuckte mit den Achseln und ließ sich neben sie sinken. „Zur Not gebe ich es in die Reinigung.“ Dann reichte er ihr den Burger und ihren Shake.

Abigails Magen knurrte vernehmlich. „Ich verhungere gleich“, murmelte sie, während sie den Burger auspackte. Dann biss sie herzhaft zu.

„Ich auch“, erwiderte er. „Ich saß den ganzen Tag im Auto.“

„Und ich im Büro.“

Sie aßen schweigend und beobachteten dabei die Enten, die in der Hoffnung auf ein paar Krümel immer näher kamen.

„Besser?“, fragte Clyde, nachdem sie aufgegessen hatten.

Abigail warf den Enten ein paar Brötchenstücke zu, dann stopfte sie das Einwickelpapier und den Becher in die leere Papiertüte, die Clyde ihr hinhielt. „Viel besser.“

Sein Blick ruhte auf dem dunklen Horizont, an dem der Mond langsam hinter den Bergen aufstieg. „Also verrätst du es mir jetzt?“

„Was denn?“

„Warum du hier mit mir sitzt.“

„Ich verstehe die Frage nicht ganz.“

„Na ja, wahrscheinlich läuft dir die halbe Stadt hinterher, aber du sitzt ausgerechnet mit mir hier, einem Wildfremden, der dir nichts als einen Burger zu bieten hat.“

Abigail lachte auf. „Danke für die Blumen, aber hinterhergelaufen ist mir seit Jahren niemand mehr.“ Weil sie den Großteil ihres Lebens in staubigen Jeans und Holzfällerhemd verbracht hatte, ungeschminkt und die Haare zu einem praktischen Dutt hochgebunden.

Clyde sah ihr in die Augen. „Erstens glaube ich dir kein Wort. Und zweitens bin ich davon überzeugt, dass du dich normalerweise nicht von fremden Männern zum Abendessen einladen lässt.“

„Für einen Mountain Burger tue ich alles.“

„Ach, komm schon, Bonnie. Raus mit der Sprache: Vor wem versteckst du dich?“

„Das ist wirklich der blödeste Spitzname, den ich jemals gehört habe“, sagte sie, um vom Thema abzulenken.

„Dann verrat’ mir deinen richtigen Namen.“ Noch immer sahen sie einander in die Augen.

„Nein.“ Die Anonymität gefiel ihr. Es war schön, mal nicht Seths Wahlkampfleiterin zu sein oder Travis’ Mitarbeiterin auf der Ranch, sondern einfach nur eine Frau ohne Vergangenheit und Verpflichtungen.

„Dann musst du wohl mit Bonnie leben“, gab Clyde freundlich, aber bestimmt zurück.

Der Name war wirklich blöd. Aber wenn Clyde ihn aussprach, klang er trotzdem süß. Als er ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht strich, begann ihre Haut zu prickeln.

„Lass das.“ Sie schloss die Augen, um zu verbergen, wie viel die Berührung in ihr ausgelöst hatte.

„Sorry.“

Doch sie schüttelte den Kopf, weil es ihr schon wieder leidtat, dass sie ihn hatte abblitzen lassen. „Macht doch nichts.“

„Außerdem wusstest du von Anfang an, dass ich mich zu dir hingezogen fühle.“

Gewusst hatte sie gar nichts. Aber wenn sie ehrlich war, hatte sie es wenigstens gehofft.

Nach langem Schweigen fuhr er fort: „Also, warum bist du mit mir mitgegangen?“

Sie öffnete die Augen und sah lange hinaus auf den dunklen Horizont und den Mond, der jetzt hoch über den Bergen stand. Eigentlich wollte sie Clyde nicht die Wahrheit sagen. Doch sie war den ganzen Abend über in Gedanken immer wieder bei dem gewesen, was ihr bevorstand. Und nun brach es einfach aus ihr heraus. „Weil ich hinauszögern will, dass ein neuer Tag anbricht“, antwortete sie und seufzte tief auf. „Der morgige Tag wird nicht sehr schön für mich.“ Sie wartete darauf, dass er nachfragte, und überlegte schon, wie viel sie preisgeben wollte.

Doch er fragte nicht. Stattdessen verlagerte er das Gewicht, sodass der Holztisch knarrte. „Verstehe.“ Er schwieg kurz, dann fuhr er fort: „Mein Tag wird wahrscheinlich auch ziemlich schrecklich.“

Gegen ihren Willen wurde sie neugierig. Sie wandte sich um und musterte sein Profil. „Ach ja?“

Er stellte seinen Milchshake ab. „Ja.“

„Familienprobleme?“, riet sie drauflos.

Er schüttelte den Kopf.

„Freundin?“, bohrte sie weiter, auch wenn ihr diese Möglichkeit ganz und gar nicht gefiel.

Er wandte sich ihr zu und bedachte sie mit einem finsteren Blick. „Obwohl ich gerade mit dir flirte? Na danke, Bonnie.“

Ihre Erleichterung war irritierend groß. „Spielsucht, Alkohol, Krankheit?“

„Arbeit“, antwortete er sachlich. „Es gibt Probleme.“ Kurz schüttelte er den Kopf. „Gehe ich richtig in der Annahme, dass deine Probleme mit der Familie zu tun haben?“

„Wie kommst du darauf?“

„Weil das dein erster Tipp war, als du mich nach meinen Schwierigkeiten gefragt hast. Was darauf hinweist, dass du dich gedanklich gerade viel mit deiner Familie beschäftigst.“

Sie sah ihm in die Augen. In seinem Blick lagen Wärme, Mitgefühl und auch ein Hauch von Leidenschaft. Aber das störte sie keineswegs. Sie hatte zwei Stunden gebraucht, um sich für den Empfang zurechtzumachen. Also freute sie sich, dass jemand ihre Mühen offensichtlich zu schätzen wusste.

Ihr erster Instinkt befahl ihr, einfach nicht zu antworten. Aber aus einem Grund, den sie selbst nicht benennen konnte, wollte sie ehrlich mit ihm sein. „Meine Familie erwartet etwas von mir, und ich will das genaue Gegenteil“, erklärte sie.

Er neigte den Kopf, und plötzlich schien er ihr viel näher zu sein, seine Brust viel breiter, seine Stimme tiefer. „Ein uraltes Dilemma“, murmelte er.

Sein männlicher Duft stieg ihr in die Nase. Es war so leicht, sich in seinen warmen braunen Augen zu verlieren. Für einen kurzen Augenblick versagte Abigails Verstand ihr einfach den Dienst. Unwillkürlich klammerte sie sich an der Tischkante fest. „Ja, wahrscheinlich.“

„Und was wirst du tun?“

Sie blinzelte. Als hätte sie eine Wahl gehabt … „Meine Familie unterstützen natürlich.“

Einen Moment lang musterte er sie intensiv, bevor er sie anlächelte und ihr damit heiß-kalte Schauer über den Rücken jagte. „Hätte ich mir denken können, Bonnie. Du scheinst ganz der loyale Typ zu sein.“

Autor

Barbara Dunlop
Barbara Dunlop hat sich mit ihren humorvollen Romances einen großen Namen gemacht. Schon als kleines Mädchen dachte sie sich liebend gern Geschichten aus, doch wegen mangelnder Nachfrage blieb es stets bei einer Auflage von einem Exemplar. Das änderte sich, als sie ihr erstes Manuskript verkaufte: Mittlerweile haben die Romane von...
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