Ein Kuss - und Schluss?

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Alles an Grant Farley geht Jasmine unter die Haut, von dem selbstsicheren Grinsen bis zum herausfordernden Funkeln seiner eisblauen Augen. Doch auf keinen Fall wird sie sich in den berühmten Footballer verlieben - eingebildete Kerle wie er gehören der Vergangenheit an! Trotzdem wird die erotische Spannung zwischen ihnen immer größer, als die Profitänzerin ihn nach einer Verletzung zum Training an die Ballettstange zwingt. Aber kaum überrascht Grant sie mit einem heißen Kuss, geht er gleich wieder auf Distanz. Ein Zeichen mehr, dass sie und er einfach nicht zueinanderpassen … oder?


  • Erscheinungstag 12.05.2015
  • Bandnummer 0010
  • ISBN / Artikelnummer 9783733701673
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Was haben eine Ballerina und ein Footballspieler gemeinsam? Abgesehen davon, dass beide dehnbare Muskeln brauchen, nichts. Absolut gar nichts.

Dieser Gedanke ging Jasmine Bell durch den Kopf, während sie dem Footballspieler vor ihr dabei zusah, wie er sich mit dem plié abmühte.

Sie stand in der Mitte des Studios in ihrem üblichen Aufzug aus schwarzem Trikot, Leggings und Ballettschuhen. Diese Kleidung war für Tänzer wie eine zweite Haut, aber heute fühlte sie sich darin nackt. Schnell verschränkte sie die Arme vor ihrer Brust.

„Fangen wir von oben an. Nehmen Sie die Schultern runter“, sagte sie und zwang sich dazu, ganz ruhig zu atmen. Sie beugte ihre Arme in die erste Position und drehte ihre Füße ein wenig nach außen. „Und jetzt … linke Hand an die Stange und plié … eins, zwei, drei, vier …“

Der Mann vor ihr folgte ihren Anweisungen schmunzelnd und mit leichter Übertreibung. Alles an Grant Farley ging ihr unter die Haut, von dem eingebildeten Grinsen bis zu der Art, wie er seine dichten blonden Augenbrauen hob, wenn sie etwas sagte. Er war ein Mann wie gemacht dafür, die Konzentration einer Frau zu stören.

Sie wahrte die Distanz und beobachtete seine Bewegungen, bereit, ihn auf Ungenauigkeiten hinzuweisen. Normalerweise half sie ihren Schülern, indem sie ihnen mit der Hand Hilfestellung gab, aber irgendetwas an Grant ließ eine kleine Stimme in ihrem Kopf warnend schreien: „Nur angucken, nicht anfassen.“ Vielleicht lag es daran, dass er sich mit einer Selbstsicherheit bewegte, um die sie ihn beneidete. Oder daran, dass er für ihren Geschmack einfach zum Anbeißen aussah. Was möglicherweise mit den sechs zölibatären Monaten zusammenhing, die hinter ihr lagen.

Sehr zu ihrem Verdruss lernte er trotz seiner Albereien sehr schnell.

„Sie machen das gut“, sagte Jasmine in einer Pause zwischen zwei Wiederholungen. „Es ist zwar erst Ihre erste Stunde, aber ich sehe bereits Fortschritte.“

„Es ist ja auch nicht gerade schwer“, wehrte er ab. Der Blick aus seinen blauen Augen jagte ihr einen Schauer über den Rücken. „Ich gehe nur auf der Stelle hoch und runter. Das könnte ein Zweijähriger.“

Jasmine verspürte einen Anflug von Gereiztheit. War ja klar, dass ein sturköpfiger australischer Footballer die immense Wichtigkeit des Schrittes, den sie ihm gerade gezeigt hatte, nicht verstand.

Sie schürzte die Lippen. „Das ist ein wenig zu simpel ausgedrückt, finden Sie nicht?“

„Nicht wirklich.“ Er verschränkte die Arme und lehnte sich gegen die Stange. Dabei ließ er seinen Blick wohlwollend über ihren Körper gleiten. „Sie können dem Ganzen gerne einen schicken französischen Namen geben, aber es ist nicht mehr, als die Knie zu beugen.“

„Tja, und ich hätte nie gedacht, dass man es zu seinem Beruf machen kann, einem kleinen roten Ball hinterherzujagen.“ Sie reckte ihr Kinn.

„Unsere Bälle sind nicht klein.“ Ein kleines Lächeln umspielte seine Mundwinkel.

Röte schoss ihr in die Wangen. Sie ignorierte die Doppeldeutigkeit und stellte die Musik wieder an, um die Übung noch einmal zu wiederholen.

„Noch einmal von oben.“

Als die Musik einsetzte, folgte er ihren Anweisungen und beugte die Knie, mit den Füßen in der ersten Position. Seine Hüften bewegten sich dabei aus der vorgegebenen Körperlinie, und seine Füße rollten nach innen. Instinktiv streckte sie die Hände aus, um den Fehler zu korrigieren, zog sie aber sofort wieder zurück, als ihr Gehirn sich einschaltete.

„Ich beiße nicht.“

Sein wölfisches Grinsen bildete einen krassen Gegensatz zu dieser Aussage, aber Jasmine hatte nicht vor, sich davon verwirren zu lassen. Sie war die Lehrerin; sie hatte hier die Kontrolle.

„Sie müssen Ihre Hüften stabil halten.“ Sie trat vor und legte die Hände an seine Hüften. Seine Muskeln waren angespannt und heiß. Er ging noch einmal ins plié, und sie führte ihn, während sie versuchte, den Schauer zu ignorieren, der dabei durch ihr Inneres rieselte.

„Achten Sie auf die Spannung in Ihrer Körpermitte. Das hilft bei der Balance und verhindert, dass Sie vor und zurück schwanken.“

„So?“ Er packte eine ihrer Hände und drückte sie mit der Handfläche gegen seinen Bauch. Durch das T-Shirt spürte sie jede Bewegung seiner Muskeln …

Sie schluckte, ihr Blut rauschte, als wäre sie einen Marathon gelaufen. Reiß dich zusammen.

„Ja, genau so.“ Sie zog ihre Hand zurück, doch seine Hitze brannte weiter auf ihren Fingerspitzen.

Sie würde Elise, ihre bald ehemalige beste Freundin, dafür erwürgen, ihr diese Katastrophe aufgehalst zu haben. Sie würde …

„Erde an Dutt.“ Grant wedelte mit einer Hand vor ihrem Gesicht herum und lachte leise, als sie sich wieder auf ihn konzentrierte. „Ich erkenne nur nicht, wie das meinem Oberschenkelmuskel helfen soll. Müsste ich den nicht dehnen oder so? Wir müssen diese ganze Sache auf jeden Fall beschleunigen, denn bald steht ein wichtiges Spiel an.“

Er schüttelte sein Bein aus und massierte sich den Oberschenkel.

„Flexibilität zu erlangen, ist ein langsamer Prozess. Sie können nicht erwarten, nach Ihrer ersten Ballettstunde beweglich wie ein Schlangenmensch zu sein.“

„Mir würde es schon reichen, die Folgen meiner Verletzung loszuwerden.“ Er schaute auf die Uhr an der Wand. „Es mag Sie schockieren, aber ich bin nicht wegen der angenehmen Unterhaltung hier. Ich möchte meinen Oberschenkel in Ordnung bringen, um meine Zeit endlich wieder mit richtigem Training zu verbringen.“

Jasmine atmete tief durch und zwang sich, nicht auf seine Unhöflichkeit zu reagieren. Mit einem Blick auf die Uhr stellte sie erleichtert fest, dass es beinahe acht war. Dies war die wohl frustrierendste Unterrichtsstunde, die sie je abgehalten hatte. Und das war erst der Anfang …

„Ist die Stunde etwa schon um?“

Sein amüsierter Ton befeuerte Jasmines Entschluss, sich kühl und gefasst zu geben. Was nicht leicht war, wenn er sie mit diesem spöttischen Blick anschaute.

Das hier war für die nächsten sechs Monate zwei Mal pro Woche ihr Leben, und sie freute sich kein bisschen darauf. Unglücklicherweise brauchte sie das Geld. Um ihre Rechnungen bezahlten zu können, musste sie sich erneut mit einem arroganten Kerl herumschlagen, der glaubte, ihm gehöre die Welt.

„Ich denke, wir können das Training für heute endlich beenden“, verkündete sie.

„Oh, seien Sie nur nicht so traurig, mich loszuwerden.“

„Der Unterricht geht eine Stunde, Mr Farley.“ Ihre Stimme klang angespannt. „Wenn Sie mehr Zeit benötigen, müssen Sie das mit der Besitzerin des Studios klären.“

„Eine Stunde langt mir völlig, Ms Bell“, neckte er sie und fuhr sich mit der Hand durch sein dichtes blondes Haar.

Warum musste er auch so verdammt attraktiv sein? Ihr Magen schlug einen Salto, als seine Haare ihm wieder in die Stirn fielen. Sie ging zur Tür zum Warteraum, und er folgte ihr. Der Duft seines Aftershaves stieg ihr in die Nase und ließ in ihrem Kopf unerwünschte, aber durchaus angenehme Bilder aufsteigen. Für einen Moment schloss sie die Augen und schob das Verlangen beiseite, das wie ein Streichholz in ihr aufflammte.

Er sah nicht auf traditionelle Weise gut aus, aber irgendetwas an seiner kantigen Art zog sie an. Sein markanter Kiefer, die ausgeprägten Wangenknochen. Seine Nase war ein wenig schief, als wäre sie einmal gebrochen worden und nicht richtig verheilt. Zu gerne würde sie mit ihrem Finger darüberstreichen, um zu sehen, ob sie recht hatte.

Sie biss sich auf die Unterlippe. Auf keinen Fall würde sie sich in einen Mann wie ihn verlieben. Egoistische, eingebildete Kerle gehörten der Vergangenheit an. Das hier war rein geschäftlich, und nachdem er sie für die Stunde bezahlt hatte, konnte sie nach Hause gehen und vergessen, dass sie sich verkaufte. Vergessen, was aus ihrem Traum vom Tanzen geworden war.

Grant ging zu seinem Kleidersack, wühlte darin herum und zog einen dicken Umschlag heraus, den er ihr hinhielt.

„Das sollte reichen“, sagte er. „Der Trainer meinte, es wäre einfacher, Sie vorab komplett zu bezahlen.“

Der Umschlag lag angenehm schwer in Jasmines Hand. Damit könnte sie ihre Miete und die Rechnungen der nächsten ein bis zwei Monate begleichen und sich ein wenig Luft verschaffen. Der Erleichterung folgte jedoch gleich ein Anflug von Scham, als sie den Umschlag in ihre Tasche steckte. Sie machte sich nicht die Mühe, das Geld nachzuzählen. Ein Mann, der – wenn man den Zeitungen glauben durfte – mehr als eine Million im Jahr verdiente, würde kaum ein paar Hundert Dollar für den Ballettunterricht unterschlagen.

„Danke“, murmelte sie, ohne ihn anzusehen. Dann ließ sie sich auf eines der Sofas fallen und fing an, ihre Stulpen auszuziehen.

„Nur damit wir uns verstehen, das hier ist etwas, das ich aus beruflichen Gründen tun muss. Ich träume nicht insgeheim davon, in einem Tutu auf der Bühne zu stehen.“

Aufgeblasener, arroganter, egoistischer …

„Gut.“ Sie band ihre Ballettschuhe auf und griff nach ihren mit Fleece gefütterten Lederstiefeln. Ihr Körper kühlte sich bereits ab, und ihr Knöchel fing an zu schmerzen. Mit leicht verzerrtem Gesicht massierte Jasmine die erhabene Narbe, bevor sie in den Stiefel schlüpfte. „Sie sind hier, weil Sie müssen. Ich bin hier, weil ich das Geld brauche.“

Wenn er das Spiel so spielen wollte, kein Problem. Hoffentlich würden die Wochen schnell vergehen, damit sie sich endlich Gedanken darum machen konnte, was sie mit dem Rest ihres Lebens anfangen wollte.

Während er eine Jogginghose aus seinem Seesack fischte, bewegten sich seine Muskeln unter der engen Hose, die nichts der Fantasie überließ. Jasmine hatte die gesamte letzte Stunde damit verbracht, ihren Blick oberhalb seiner Taille zu halten, um nicht zu sehen, wie der Stoff sich über seine Oberschenkel und … alles andere spannte.

Hitze stieg in ihr auf und sammelte sich in ihren Wangen. Als er sich wieder zu ihr umdrehte, wandte sie den Blick ab und starrte auf den Boden.

„Und, haben Sie etwas entdeckt, was Ihnen gefällt?“ Sein Lächeln zeigte, dass das eine rhetorische Frage war.

Verdammt.

Er bedauerte die Worte, sobald er sie ausgesprochen hatte. Doch Jasmine Bell hatte etwas an sich, das ihn sowohl frustrierte als auch faszinierte.

Er war daran gewöhnt, Footballgroupies mit beiden Händen abzuwehren. Aber Jasmine … nun, sie war eine ganz andere Hausnummer. Mit ihren langen, schlanken Gliedmaßen war sie trotz ihrer abweisenden Haltung unglaublich sexy.

Sie funkelte ihn an, als wollte sie seinen Kopf gedanklich in Flammen setzen. Ihre durchtrainierten Arme hatte sie vor der Brust verschränkt, wie um ihre schmale Figur dahinter zu verbergen. Sie würde ihm nicht die Befriedigung verschaffen und auf seine Frage antworten. Ein kleiner Teil von ihm genoss diesen Machtkampf. Es war ein Spiel, das er gerne spielte – und vor allem war es ein Spiel, das er gerne gewann.

Jetzt hatte er sie ernsthaft verärgert, und das war auch ganz gut so. Er musste Distanz wahren. Frauen gehörten nicht zu seinem Leben. Menschen gehörten nicht zu seinem Leben. Je weniger Leute er außerhalb seiner Footballmannschaft traf, desto weniger Leute konnten ihn ausnutzen. Er war es gewohnt, Menschen auf Abstand zu halten, und das würde er auch mit ihr tun

„Hat Ihre Berühmtheit Sie Ihre Manieren vergessen lassen, oder sind Sie schon so erzogen worden?“

Das süße Lächeln verschärfte den Stich, den ihre sarkastische Bemerkung ihm versetzte.

„Ich wollte einfach immer nur Football spielen. Der Ruhm ist ein unseliger Nebeneffekt.“ Er war selber überrascht von seiner Offenheit. Sie schürzte ihren kleinen Mund, und Fältchen überzogen dabei ihre Stupsnase. „Genau wie die Ballettstunden.“

„Tja, die Probleme der zivilisierten Welt.“ Sie schlang sich ihre Tasche über die Schulter und ging zur Tür. Ein Lächeln unterdrückend, folgte er ihr.

Auf dem Parkplatz wartete er, bis sie ihr Auto aufgeschlossen hatte, bevor er zu seinem Wagen ging. Im Inneren des Mercedes war es kühl, und es dauerte eine Weile, bis die beschlagenen Fenster frei waren.

Jasmine war schon davongefahren. Wenig später raste Grant über den Freeway. Es war spät und der Feierabendverkehr vorüber, sodass er freie Fahrt hatte. Er massierte seinen verletzten Muskel, der unter dem Druck seiner Finger schmerzte.

Wer hätte gedacht, dass etwas so Mädchenhaftes wie Ballett so anstrengend war? Es war eine Erkenntnis, die er weder mit Jasmine noch mit einem seiner Teammitglieder teilen würde.

Das Handy in der Halterung an der Windschutzscheibe vibrierte, und das Gesicht von Dennis Porter, einem seiner Mitspieler bei den Victoria Harbour Jaguars, tauchte auf. Er nahm den Anruf an.

„Den.“

„Wie läuft der Ballettunterricht?“ Selbst durchs Telefon war der Spott in Dennis’ Stimme zu hören. „Ich wollte nur mal hören, wie es um deine Männlichkeit bestellt ist.“

Ballettunterricht gehörte auch nicht zu Grants Vorstellung von einem lustigen Abend, aber eine hartnäckige Oberschenkelzerrung verlangte nun mal nach verstärktem Flexibilitätstraining, und wer kannte sich damit besser aus als eine Ballerina? Als sein Physiotherapeut ihm davon erzählt hatte, hatte es gut geklungen, doch in der Realität war es wesentlich irritierender als gedacht – vor allem, weil es seinen Teamkollegen ausreichend Munition gab, um ihn aufzuziehen.

„Ha, immer noch sehr gut. Und selbst wenn nicht, du wärst trotzdem nicht mein Typ“, gab er zurück.

„Ja, ja, das sagen die Ladys immer. Erzähl, ist deine Lehrerin wenigstens heiß?“

„Heiß trifft es nicht einmal ansatzweise.“

Er hatte jemand Älteren, Erfahreneren erwartet … vielleicht sogar mit einem russischen Akzent. Stattdessen hatte ihn eine gertenschlanke Schönheit mit schwarzem Dutt und Porzellanhaut an der Studiotür begrüßt.

„Vielleicht muss ich mal bei einer deiner Stunden mitmachen.“

Der Gedanke, Den in Jasmines Nähe zu lassen, löste ein seltsames Gefühl in ihm aus. Er schüttelte es schnell ab. „Ich weiß, du würdest mich gerne in Action sehen.“

„Das ganze Land will dich in Action sehen. Das wird eine gute Saison, das spüre ich.“

„Ich auch.“

In der lang gezogenen Pause, die folgte, hielt Grant die Luft an.

„Glaubst du, dass der ganze Kram jetzt hinter dir liegt?“, fragte Den schließlich.

Ein Teil von ihm wollte ehrlich antworten. Er wusste nicht, ob er das jemals hinter sich lassen könnte. Wie sollte man den Moment vergessen, in dem man beinahe sein gesamtes Lebenswerk die Toilette hinuntergespült hätte? Aber Den war nur ein Kumpel, ein Mitspieler, und da er einer der Jüngeren im Team war, konnte Grant es sich nicht erlauben, ihm gegenüber Schwäche zu zeigen.

„Natürlich. Du kennst mich doch – ich bin quasi unzerstörbar.“

Er legte auf und ließ seine Gedanken zu Jasmine zurückschweifen. Sie war ein ganz spezieller Fall. Anders als die meisten Frauen schien sie gegen ihn immun zu sein. Wie viel wusste sie von seiner Vergangenheit? Beäugte sie ihn deshalb mit einem gewissen Misstrauen?

Grant biss die Zähne zusammen, als das altvertraute Gefühl der Reue ihn überkam. Schnell drehte er das Radio lauter. Der Beat vibrierte in seiner Brust und ließ seine Trommelfelle schmerzen, aber dennoch gelang es ihm nicht, die Gedanken zu übertönen, die wie Haie durch sein Gehirn kreisten.

Er schlug mit der flachen Hand gegen das Lederlenkrad. Trotz einer Lehrerin, die wie ein wahr gewordener Männertraum aussah, freute er sich nicht auf die weiteren Ballettstunden. Er hatte Wichtigeres zu tun. Wie zum Beispiel herauszufinden, wie er sein Team zum Sieg führen konnte.

Es war noch nicht allzu lange her, dass er in Ungnade gefallen war. Er musste einiges beweisen – und seinen guten Ruf wiederherstellen. Vor allem musste er seinen Trainer, seine Mannschaft und die Fans davon überzeugen, dass er wieder ganz der Alte war. Das Letzte, was er jetzt gebrauchen konnte, war, von einer Frau abgelenkt zu werden.

Stöhnend lehnte er seinen Kopf gegen die Kopfstütze. Er hatte ein ganz ungutes Gefühl, was Jasmine anging. Irgendetwas an ihr setzte ihn auf eine Weise unter Strom, die er lange nicht mehr empfunden hatte. Und wie sie ihn nach der Stunde angeschaut hatte … die pure Einladung zur Sünde.

Doch das kam nicht infrage. Nicht jetzt, wo er langsam dabei war, seinen Namen wieder reinzuwaschen. Diese Saison war seine, und nichts würde ihn davon abhalten.

„Nein!“

Grant setzte sich stocksteif auf. Schweiß lief ihm übers Gesicht, an seinem Hals entlang und seinen Rücken hinunter. Die schweißgetränkten Laken ballten sich in seinen Fäusten.

Er war allein.

Keuchend sog er die Luft in seine Lungen. Jeder Atemzug brannte wie Feuer in seiner Brust.

Seine Augen gewöhnten sich ans Dunkel, und er konnte die Umrisse der Möbel im Zimmer ausmachen. Die Lichter der Stadt fielen durch den schmalen Spalt in seinen Vorhängen und warfen ein kompliziertes Muster auf sein Bett. In der Wohnung war es totenstill. Die ganze Welt schlief, während er hier zitternd saß.

Langsam kehrte sein Herz zu seinem normalen Rhythmus zurück. Das Zittern würde noch eine Weile andauern, das wusste er aus Erfahrung. Es war nur ein Traum. Der Traum. Der, den er immer wieder hatte und aus dem er jedes Mal furchterstarrt erwachte.

Blitzlichter irritierten ihn, Mikrofone wurden ihm direkt ins Gesicht gehalten.

„Grant! Grant! Stimmt es, dass Sie einen Mann krankenhausreif geschlagen haben?“

Kopfschüttelnd befreite er sich aus den Laken und ging ins Wohnzimmer hinüber. Unter ihm blinkten Reklametafeln, zuckten die Scheinwerferlichter von Autos. Es war ein surreales Gefühl, Tausenden von Menschen so nah und doch vollkommen allein zu sein.

Mit seinem Laptop setzte er sich auf die Couch. Sein E-Mail-Eingang sah genauso traurig aus wie immer. Keine neue Nachricht. Selbst Dennis, der einem Freund noch am nächsten kam, hatte ihm nichts geschickt. Nicht einmal ein albernes Katzenvideo. Er klickte auf den Ordner namens „Familie“ und seufzte beim Anblick der mageren drei E-Mails, die zu löschen er sich nicht überwinden konnte. Die letzte trug das Datum von vor über sechs Monaten.

Er hatte es nie bereut, die kleine Stadt auf dem Land verlassen zu haben, um erfolgreicher Footballspieler zu werden. Doch bis heute sah er die pochende Ader auf der Stirn seines Vaters vor sich, als dessen laute Stimme durch den Raum dröhnte. Wie kannst du nur? Ja, wie konnte er sie und das Geschäft im Stich lassen? Wie konnte er einen albernen Traum über die Belange seines Vaters und seiner Schwester stellen?

Die Wunde hatte nur langsam angefangen zu heilen, mit vorsichtigen Telefonaten und SMS zwischen ihm und seiner Schwester. Die alte Verbindung war noch da gewesen. Ein wenig ausgefranst, aber nicht zerrissen. Selbst sein Vater hatte sich mürrisch nach Grants Leben in der großen Stadt erkundigt.

Doch das war nun Vergangenheit. Diese zerbrechlichen Bande waren ihm entrissen worden, als er Schande über seinen Namen gebracht hatte. Das waren die Worte seines Vaters gewesen – und er konnte ihm nicht widersprechen. Und er konnte auch nicht böse auf ihn sein. Er hatte seine Einsamkeit alleine sich und seinen Taten zuzuschreiben. Und wie er seinen Vater kannte, würde er von ihm keine zweite Chance bekommen.

Umso wichtiger war es, dass die Jaguars dieses Jahr gewannen. Seine Karriere war alles, was ihm noch geblieben war. Er konnte und durfte nicht versagen.

2. KAPITEL

„Verdammt“, murmelte Jasmine, als sie mit ihrem pinkfarbenen Regenschirm kämpfte. Das windige Wetter machte es ihr beinahe unmöglich, sich vor dem Regen zu schützen, der seitlich auf sie einprasselte.

Schnell lief sie über die geschäftige Straße und wäre beinahe auf dem nassen Asphalt ausgerutscht. Keuchend schob sie ihre Tasche höher auf die Schulter und rettete sich unter den überdachten Eingang der Klinik. Sie schüttelte den Regenschirm aus, dass die Tropfen nur so flogen, und ging durch die automatische Tür zum Empfangstresen.

„Hi, Jasmine.“ Die Rezeptionistin begrüßte sie mit einem Lächeln. „Dr. Wilson ist sofort bei Ihnen.“

Jasmine ließ sich auf einen Stuhl sinken und drehte ihren klitschnassen Pferdeschwanz zu einem Dutt zusammen. Ihr Knöchel pochte, eine stete Erinnerung daran, dass sie den Unfall immer noch nicht ganz überstanden hatte.

Nach einer kurzen Untersuchung verließ Jasmine wenig später mit einem frischen Rezept in der Hand das Untersuchungszimmer. Das letzte Rezept hatte sie in den Schredder gesteckt, weil sie es hasste, die Schmerzmittel zu nehmen. Sie gaben ihr das Gefühl, schwach zu sein. Genau wie ihr Knöchel, der einfach nicht ausheilen wollte.

Ihr Arzt hatte ihr noch einmal nahegelegt, einen Psychologen aufzusuchen. Aber ihr Problem war nicht in ihrem Kopf, sondern in ihrem Knöchel. Der würde nie wieder stark genug sein, um sie beim Spitzentanz zu tragen, und ohne Ballett hatte sie nichts … war sie nichts.

Oh Gott, wie sehr sie das alles vermisste. Die paillettenbesetzten Kostüme, die im Scheinwerferlicht glitzerten. Den donnernden Applaus. Was sollte sie mit ihrem Leben anfangen, jetzt, wo sie das alles nicht mehr hatte? In ihrem Herzen gab es nichts außer Ballett. Und ohne das Ballett war sie verloren.

Der Regen prasselte weiter unaufhörlich auf die Erde, und ein Blitz zerriss den düsteren Himmel. Sie bedauerte, dass sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln gekommen war. Auf keinen Fall würde sie trockenen Fußes nach Hause kommen.

Innerlich fluchend, unterschrieb sie die Quittung und bezahlte die Rechnung mit einem Teil des Geldes aus dem Umschlag in ihrer Tasche, auf dem in Grants krakeliger Handschrift ihr Name stand.

„Jasmine?“

Eine vertraute Stimme. Wenn man vom Teufel spricht.

Grant stand mitten im Wartebereich. Er trug seine Trainingskleidung und wirkte wesentlich entspannter als bei ihrem letzten Treffen. Die Mitarbeiter der Klinik – vor allem die Frauen – bewunderten ihn offen und flüsterten hinter vorgehaltener Hand miteinander.

„Interessant, Sie hier zu treffen.“ Sie bemühte sich um einen professionellen Tonfall und verdrängte ihre leichte Verärgerung, die noch von der ersten gemeinsamen Stunde herrührte.

„Unsere Mannschaft lässt sich hier massieren.“ Er zuckte mit den Schultern. „Meine Wadenmuskeln bringen mich noch um.“

Sie konnte ein gemeines Lächeln nicht unterdrücken. Ihre Wadenübungen waren berüchtigt dafür, neue Schüler an den Rand des Wahnsinns zu treiben, und es erfüllte sie mit einer gewissen Befriedigung, dass es ihm nicht anders erging.

„Mädchen“, sagte sie und schlang sich ihren orangefarbenen Schal um den Hals.

Er lachte leise. Es war ein Klang wie dazu gemacht, den Magen einer Frau in Aufruhr zu versetzen – so wie ihren. Sie verfluchte ihren Körper für seine leichtfertige Reaktion.

Gemeinsam traten sie durch die Tür und wurden von einem eiskalten Luftzug getroffen. „Was treibt Sie hierher?“, fragte Grant.

„Eine alte Verletzung.“ Sie blieb unter dem Vordach der Klinik stehen, öffnete den Regenschirm und sah hilflos zu, wie der im heftigen Wind hin und her gerissen wurde. „Ich muss jetzt auch leider los.“

Grant schaute sie fragend an. „Sie sind ohne Auto hier?“

Sie konnte ihm nicht verdenken, dass er sie für verrückt hielt. Wer verzichtete an einem Tag wie diesem schon freiwillig auf ein Auto? Nur dass sie keines besaß und es leid war, sich ständig eines leihen zu müssen. Sie war bereits bis auf die Knochen durchgefroren, und der fünfminütige Fußweg zur Bushaltestelle würde alles noch schlimmer machen.

„Kommen Sie, ich nehme Sie mit. In dem Regen können Sie unmöglich zu Fuß gehen.“

Grant marschierte in Richtung Parkplatz los, ohne auf ihre Antwort zu warten. Sie überlegte einen Moment, doch eine weitere eiskalte Böe nahm ihr die Entscheidung ab. Auch sein herablassender Ton würde sie nicht daran hindern, diese Gelegenheit wahrzunehmen.

Mit seinen langen Schritten hatte Grant den Parkplatz schnell überquert. Er hatte den Kopf gegen den Wind gebeugt und schaute nicht, ob sie ihm folgte. Sie verfiel in einen leichten Joggingschritt, um zu ihm aufzuschließen. Die Scheinwerfer flammten auf, als er den Wagen öffnete, und Jasmine flitzte zur Beifahrertür, um endlich dem Regen zu entkommen.

Nachdem sie die Tür hinter sich zugeworfen hatte, schüttelte sie sich. Wasser tropfte auf die feinen Ledersitze, und die Fenster beschlugen von ihrem Atem. Grant startete den Motor und stellte die Lüftung an. Sie warteten, bis die Scheiben wieder klar waren.

Dabei schaute er sie die ganze Zeit an.

Ihre blasse Haut war von der Kälte gerötet. Doch selbst so nass und zerzaust war Jasmine immer noch die schönste Frau, die Grant jemals gesehen hatte.

„Wo kann ich Sie hinbringen?“

„Ins Ballettstudio.“ Sie blies sich in die Hände und rieb sie aneinander, um warm zu werden. „Bitte.“

Grant stellte die Heizung höher und drehte das Gebläse in ihre Richtung. Er roch die Kombination aus Parfüm und Regen auf ihrer Haut. Wassertropfen rollten an ihrem Hals hinab und verschwanden unter ihrem Schal. Aus irgendeinem Grund fand er das unglaublich erotisch.

Er zwang sich, an etwas anderes zu denken. „Sie haben also noch mit einer alten Verletzung zu kämpfen?“ Verletzungen waren sicherer Boden. Vollkommen unsexy. „Ist das beim Tanzen passiert?“

„Ja“, antwortete sie mit belegter Stimme, fügte aber keine weitere Erklärung an.

Er warf schnell einen Blick auf ihr Profil, bevor er sich nach hinten drehte, um rückwärts aus der Parklücke zu fahren. Sie schenkte ihm ein verzagtes Lächeln, bei dem sich ein Grübchen in ihre Wange schlich. Sein Blick glitt über ihren Mund mit den vollen Lippen.

„Ich wette, Sie haben sich beim Football auch schon mehrere Verletzungen zugezogen. Vielleicht eine gebrochene Nase?“, fragte sie mit einem neckenden Unterton in der Stimme.

Die meisten Frauen würden ihn nicht gleich darauf hinweisen, dass er eine schiefe Nase hatte. Aber andererseits wusste er instinktiv, dass sie anders war als die Frauen, die er im Footballzirkus kennengelernt hatte. Sie war weder solariumgebräunt, noch hatte sie blondierte Haare oder gebleichte Zähne. Ihr fehlte dieser künstliche Look der typischen Spielerfrau. Sie war eine echte Schönheit – eine Rarität. Ihr langes schwarzes Haar hatte sie wieder zu einem Dutt hochgebunden, und von ihrer Haut sah er nur die ihres Gesichtes und ihrer Hände. Ihre Zurückhaltung gefiel ihm – eine Eleganz, die sie zur perfekten Primaballerina machte. Und er mochte auch, dass sie sich von ihm nichts gefallen ließ.

„Ja, die Nase ist gebrochen, aber nein, es ist nicht beim Football passiert“, sagte er und schaute nach vorne. „Mit achtzehn habe ich das erste Mal Alkohol getrunken und bin sofort in eine Kneipenschlägerei geraten.“

Früher hätte diese Erinnerung Grant mit einem gewissen Machostolz erfüllt, als wäre das ein besonderes Ritual fürs Erwachsenwerden gewesen. Jetzt jedoch fühlte er sich unbehaglich. Vielen Frauen gefiel sein Image als Bad Boy, und in der Vergangenheit hatte er sich das oft zunutze gemacht. Doch diese Tage lagen hinter ihm, auch wenn ihm das niemand glauben wollte.

Autor

Stefanie London
USA-Today-Bestsellerautorin Stefanie London hat für ihre prickelnden Roman schon mehrere Preise gewonnen, unter anderem den RITA-Award. Die gebürtige Australierin lebt mit ihrem ganz persönlichen Romanhelden in Toronto. Sie liebt guten Kaffee, Lippenstift, Liebesromane und alles, was mit Zombies zu tun hat.
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